Behind the Mask von namu ================================================================================ Kapitel 17: Lady Godiva ----------------------- Sie erwachte davon, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief. Es war ein Schauer wie er einem über den Rücken lief wenn jemand einem lange genug in den Nacken starrte. Und sie hatte auch schon eine ungute Vorahnung, was genau diesen Schauer nun ausgelöst hatte. Ihre Vermutung bestätigte sich als sie im selben Moment wie Tikki ihre Augen aufschlug. Der kleine rote Kwaami lag noch immer zusammengerollt auf ihrer Handfläche und einen Moment lang sahen sie sich nur an. „Wie stark?“, fragte Marinette. „Mittel.“, sagte Tikki. „Wie böse?“, fragte Marinette. “Sie scheint… fokussiert?” “Willst du noch etwas essen?” Tikki warf sich wortlos den Rest ihres Kekses in den Mund während Marinette ihre – immer in Reichweite aufbewahrte – Handtasche ergriff und ein paar Kekse hinein steckte. „Fertig.“, verkündete Tikki. „Tikki, spots on!“ Die Transformation erfolgte sofort und wenn es irgendwie möglich war, dann hätte Marinette geschworen, dass sie sich Tikki dabei noch näher fühlte als je zuvor. Natürlich fühlte sie sich ihrem Kwaami immer nah, wenn sie transformiert war, immerhin verschmolzen sie geradezu zu einem Wesen und konnten sogar die Emotionen des anderen auffangen, doch nachdem sie Tikki zum ersten Mal Schwäche hatte zeigen sehen, fühlte sie sich noch tiefer mit ihr verbunden als zuvor. Sie hatten schon viel zusammen überstanden, auch, wenn sie noch längst nicht am Ende ihrer Reise angekommen waren. Sie schnappte sich die Tinktur, die sie für Chat gemischt hatte und machte sich auf den Weg. Der Akuma war nicht schwer zu finden. Sie hatte zwar weder eine Schneise der Verwüstung hinter sich her gezogen, noch kreischte sie wild durch die Gegend wie die meisten anderen Akumas, doch dafür gab es genug ihrer Opfer, die peinlich berührt versuchten ihre Blöße zu verbergen. „Bitte nicht!“, stöhnte sie, als sie auf der Kante eines Hauses hocken blieb und die Situation in Augenschein nahm. Es war hast fünf Uhr Morgens, und die eifrigen Clubgänger die sich nach der letzten Attacke nicht zurück nach Hause begeben hatten waren nun doch in den Genuss eines etwas anderen Endes gekommen als sie sich das vermutlich vorgestellt hatten. Überall liefen verwirrte Pariser durch die Gegend die vergeblich versuchten ihre Scham hinter langen Haaren, Zeitungen, Händen – kurz, allem was auch nur entfernt dazu geeignet war etwas dahinter zu verbergen – eingeschlossen Mülleimer und in einem Fall sogar ein Fächer und ein herunter gerissenes Exit Schild, zu verstecken suchten. „Was ist es denn diesmal?“, murmelte Ladybug, als sie – mitten im Getümmel, wie könnte es anders sein? – Alya entdeckte. Die angehende Reporterin hatte ihr Problem so pragmatisch gelöst wie sie alles löste und sich einen breiten Schal wie eine Tunika um den Leib geschlungen, das Handy noch immer im Anschlag, während sie die Straße hinunter lief – entgegen der allgemeinen Laufrichtung der flüchtenden Menge. Damit hatte sich auch die Frage nach dem Aufenthaltsort des Akuma geklärt. Ladybug seufzte, bevor sie ihr Yo-Yo an einem Kamin befestigte und ihr hinterher schwang. „Habe ich dir nicht gesagt, dass du vorsichtiger sein sollst?“, sagte sie und pflückte ihre Freundin kurzerhand von der Straße. „Du bist vorhin erst verletzt worden!“, fuhr sie sie an. „Ich bin die Reporterin des Ladyblogs, ich habe vor nichts Angst!“, ließ sich Alya entrüstet vernehmen. „Darum geht es nicht!“, schnappte Ladybug unwirsch zurück. „Eine gute Story ist es nicht wert, dass du verletzt wirst!“ „Du passt doch auf!“, erwiderte Alya genauso zornig. „Ich konnte Chat nicht beschützen, Alya!“ Sie schrie schon fast. „Er ist verletzt worden! Du bist verletzt worden! Mein Lucky Charm kann nicht alles heilen und ich kann es nicht hinnehmen, dass du unter Umständen verletzt werden könntest, weil ich nicht schnell genug bin!“ Alya blickte sie entsetzt an und Marinette realisierte, dass sie gerade alle Illusionen ihrer besten Freundin zum Einstürzen gebracht hatte. „Alya... Wir tun das, Chat und ich werden verletzt, um Euch zu beschützen. Wir… das ist unser Job. Verletzt zu werden, damit euch nichts passiert.“, versuchte sie die Scherben zusammen zu fegen. „Du siehst doch, wie viel Kollateralschaden bei den Akuma Attacken entsteht. Menschen lassen sich nicht wie Gebäude reparieren. Du bist schon mehr als einmal im Kreuzfeuer gefangen gewesen. Bitte lass nicht zu, dass du einer dieser Kollateralschäden wirst Alya. Bitte nicht.“, sagte sie mit aller Aufrichtigkeit in der Stimme. „Aber ihr verdient es, dass Paris sieht, was ihr für uns tut!“, sagte Alya wie ein schmollendes Kind. „Alya, was du tust ist absolut ehrenhaft. Ich verlange auch nicht, dass du damit aufhörst. Aber ich bitte dich, tu es aus sicherer Entfernung!“ Alya sah sie lange an, bevor sie langsam nickte. „Danke.“, sagte Ladybug aus tiefstem Herzen, bevor sie sich umdrehte und an den Rand des Daches trat. „Von hier aus solltest du einen guten Winkel auf alles haben.“, sagte sie über die Schulter und sprang. Eines musste sie Lady Godiva lassen, als sie das nächste Mal in eine Hauswand krachte. Die nackte Dame hatte im Gegensatz zu ihr ein paar Judo Stunden genommen. Sie stöhnte und wich einer Berührung der langen wallenden Haare ihrer Ladyschaft im letzten Moment aus. „Es ist das gute Recht jeder Frau, einen Annährungsversuch zurück zu weisen!“, weinte sie. „Ein Nein bedeutet Nein!“ Sie duckte sich unter einem neuen Schwung blonder Locken hindurch. „Es wird Zeit, dass Männer die Rechte der Frau akzeptieren. Unsere Gesellschaft braucht absolute Gleichberechtigung! Wenn es Männern erlaubt ist mit ihrer Sexualität absolut offen umzugehen, dann sollte das auch Frauen erlaubt sein!“ „Indem du dich ausziehst?“, fragte Ladybug. „Wie kann es sein, dass Männer mit ihren Eroberungen prahlen können und Frauen sofort als Schlampe abgestempelt werden?“, heulte Lady Godiva weiter. „hast du ihn denn jetzt abgewiesen?“, rief Ladybug. Sie brauchte eine Ablenkung. „Hier geht es ums Prinzip!“, ereiferte sich der Akuma. „Gleichberechtigung in allem Aspekten! Vor dem Gesetz und auf der Arbeit, in der Ehe und dem zivilen Leben, der Gesellschaft und der Sexualität! Das ist kein Feminismus, hier geht es um Gleichberechtigung! Ums Prinzip!“ „Du widerholst dich!“, unterbrach Ladybug sie. „Weil es ja keiner zu verstehen scheint!“, schnappte Lady Godiva. „Weil Frauen heute nicht mit dem Respekt behandelt werden, der ihnen zusteht! Es gibt keine Gent5lemen mehr in dieser Welt!“, heulte sie. „Kannst du dich mal entscheiden, was dein Problem ist? Du willst gleichberechtigt sein, aber trotzdem einen Gentleman? Wie erwartest du gleichzeitig die Rechnung zu bezahlen, wenn du erwartest, dass er dich einladen soll?“, grollte Ladybug. Lady Godiva schien diese Antwort nicht zu gefallen, denn sie sandte mit einem wütenden Schrei ihre Haare wieder nach ihr aus. Ladybug rettete sich mit einem Hechtsprung in eine Seitengasse – und kollidierte mit etwas. „Es freut mich immer, wenn du dich in meine Arme wirfst, my Lady.“, sagte eine sanfte Stimme und sie fand sich unversehens in den Armen ihres Partners wieder. „Chat!“ Sie war so froh ihn zu sehen, dass sie sogar seinen Witz überging. „Geht es dir gut? Hast du das Gift von dem Biss aus deinem Körper bekommen?“ „Keine Sorge, My Lady. Medusa hatte keinen Grund um gleich bissig zu werden.“, sagte er, doch seine Stimme klang nicht so verspielt wie sonst. Sie klang trocken und erschöpft. „Verzeih mir die Verspätung, My Lady. Was habe ich verpasst?“, fragte er. „Nicht viel, sie ein paar Leute erwischt und ergeht sich in Selbstgesprächen über Frauenrechte. In widersprüchlichen Selbstgesprächen, sollte ich sagen. Wenn ihre Haare dich berühren … findest du dich anschließend genau so leicht bekleidet wieder wie sie. Das befallene Objekt sollte ihre Haarspange sein.“, fasste sie zusammen. „RUNTER!“ Sie riss ihn mit sich zu Boden und die Haare erwischten eine Mülltonne. „Schon einen Plan, My Lady?“, sagte Chat als er sich geschmeidig wieder auf die Füße rollte, doch sie bemerkte die Unsicherheit mit der er das tat. Er war noch nicht wieder vollkommen hergestellt, genau so wenig wie sie selbst. Sie mussten dies anders lösen, wenn sie den Akuma bekämpften würden sie den Kürzeren ziehen, wurde ihr mit einem mal klar. Sie brauchten einen anderen Weg. „Eine Ablenkung. Wenn sie über Frauenrechte diskutieren will, dann lass uns das Podium eröffnen.“, flüsterte sie. „Hey Godiva!“, rief sie und rannte aus der Gasse. „Es ist Lady Godiva, Ladybug!“, rief der Akuma wütend und peitschte ihre Haare hinter ihr her. „Ich habe einen Gentleman für dich gefunden!“, rief Ladybug und kam schlitternd zum Stehen. Chat verbeugte sich auf der anderen Straßenseite galant. „Aber ich habe da noch ein paar Fragen bezüglich deiner Einstellung zu Frauenrechten!“, schwatzte sie munter weiter. Wenn die einzige Möglichkeit aus diesem Kampf hinaus zu kommen war, dem Akuma ein Ohr abzukauen über Frauenrechte, dann würd sie das eben tun. Und Chat konnte sowieso Leute zu Tode nerven. Sie konnte es Chat nicht antun in seinem Zustand kämpfen zu müssen und auch ihre Schulter schmerzte noch. „Also, ich bin ganz klar pro Gleichberechtigung!“, fing sie an. „Ich meine, sieh mich und Chat Noir an! Wir sind ein Team, wir sind gleichberechtigt, jeder tut seinen Part, aber…“, sie tippte sich überlegend ans Kinn „Chat ist so ein Gentleman, er will mich immer beschützen und wird deshalb häufig selber verletzt. Ich meine, bei wirklicher Gleichberechtigung, habe ich dann nicht auch ein Recht darauf, verletzt zu werden?“ Chat starrte sie verdutzt an, damit hatte er wohl nicht gerechnet, und setzte zu seiner Verteidigung an. „Aber My Lady, was wäre ich für ein Gentleman, wenn ich zulassen würde, dass du verletzt wirst?“ „Aber wie können wir gleichberechtigt sein, wenn du mir nicht zutraust, auch einen für das Team nehmen zu können.“, hielt sie dagegen. „Also ist es falsch von mir, ein Gentleman sein zu wollen?“ „Lady Godiva, kannst du es ihm nicht bitte erklären?“, wandte sich Ladybug an den Akuma. Das Mädchen im Adamskostüm mit den wallenden blonden Haaren drehte sich zu Chat um und hob erklärend die Hände. „Siehst du, das Fundament einer guten Partnerschaft ist absolute Gleichberechtigung unter Bewahrung der Werte. Das Bedeutet, es muss ihr genauso wie dir erlaubt sein verletzt zu werden. Nun, ich verstehe, wenn du dich dann fragst, wie du noch ein Gentleman sein sollst, aber die Antwort ist tatsächlich ziemlich simpel.“ Ladybug tänzelte hinter ihrem Rücken näher an sie heran und streckte die Hand nach der befallenen Haarspange in ihren Haaren aus. „Es geht darum, die wichtigen Werte der Gesellschaft zu wahren, also, dass du zwar anbietest an ihrer Stelle verletzt zu werden, es aber akzeptierst, wenn sie es vorzieht ihren Mann zu stehen.“ Ihre Finger waren nur noch Zentimeter von der Spange entfernt. Chats Augen zuckten vom Gesicht des Akuma zu ihren Fingern – und der Akuma wirbelte zu ihr herum. Es erforderte eine gewagte Akrobatikübung von ihr um sich wieder in Sicherheit und aus ihrer Reichweite heraus zu bewegen. „Was jetzt?“, fragte Chat, als sie neben ihm zum Stehen kam. „Lucky Charm!“, rief sie und warf ihr Yo-Yo in die Höhe. „Eine Kopie des Code Civile?“, fragte sie, als ihr die schwere Marmorplatte in die Hände fiel. „Willst du ihr ihre Recht vorlesen?“, fragte Chat und wehrte eine Welle an Haaren ab als wäre es ein Baseball. „Nein,“, flüsterte Ladybug, der mit einem Mal die Erleuchtung kam. Sie wich einer Strähne Haare aus und drehte sich dabei elegant hinter seinen Rücken - „Spliss hat sie auch noch.“, kommentierte Chat – und schleuderte dem Akuma mit aller Kraft ihren Lucky Charm entgegen. „Ich hab hier ein bisschen schwere Lektüre für dich!“ Die Berührung der Haare war so leicht und weich auf ihrem Handrücken, dass sie es beinahe nicht gespürt hätte. Ihre Hände legten sich auf Chats Schultern und er konnte spüren, wie sich ihr Körper an seinen presste, ihr Gesicht zwischen seinen Schultern begraben. „Chat.“, flüsterte sie, ihre Stimme leicht gedämpft. „Beweg dich nicht!“ Ihr Griff um seine Schultern wurde fester. „Sie hat mich erwischt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)