Auf der Flucht von mickii-K ================================================================================ Kapitel 2: Freund und Helfer ---------------------------- „Hallo?“ Ich sah mich in der offenen Werkstatt um, doch ich konnte niemanden entdecken. Die Frau vom Diner hatte mir versichert, dass jemand hier sein müsste. Vielleicht waren alle im Pausenraum und machten Mittag? Denn wer ließ einfach das Garagentor sperrangelweit offen, wenn derjenige nicht anwesend war? Fassungslos schüttelte ich den Kopf und zog meine Jacke enger zusammen. Nun war ich mir sicher. Ich mochte den Regen nicht. Ich war völlig durchgeweicht, dank dem gütigen Wettergott, der mich über alles zu lieben schien. Ob er gemeinsam mit meinem Schicksalsgott Pläne schmiedete? Saßen sie alle an einem runden Tisch, steckten die Köpfe zusammen und grübelten darüber, wie sie mir noch einen Felsen auf meinem Lebenspfad werfen konnten? „Miss?“ Erschrocken schrie ich auf und stolperte zurück, nur um gegen den Werkzeugschrank zu prallen. „Entschuldigung. Ich wollte Sie nicht erschrecken“, verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. Dem ölbeschmierten Overall nach zu urteilen, arbeitete er hier. Mit offenem Mund starrte ich ihn einfach nur an. Großer Gott, was für Hormone hatte er zu sich genommen? Der junge Mann war mindestens zwei Meter groß. Er hatte ein kantiges Gesicht mit einem Grübchen am Kinn und mit den zerzausten dunkelbraunen Haaren, sah er atemberaubend gut aus. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“, lächelnd lehnte er sich an einen grünen Truck und verschränkte die Arme vor seine Brust. „Ich ehm …“, gab ich wenig intelligent von mir. Er schien sich seiner Wirkung auf Frauen bewusst zu sein, denn er lächelte mich kokett an. Innerlich versuchte ich mich zu erinnern, wie man grammatikalisch richtige Satzkonsultationen bildete. „Mein – Mein Wagen. Ich glaube, der ist kaputt. Zumindest hat es aus der Motorhaube geraucht. Ich hab sie aber nicht aufgemacht. Ich erinnere mich, irgendwo Mal gelesen zu haben, dass man so etwas unterlassen sollte“, erklärte ich und deutete in eine Richtung, wo ich die Küste vermutete. Seine Lippen zuckten belustigt. „Da haben Sie richtig entschieden. Wenn Sie die Motorhaube anheben, bekommt der zu heiße Motor noch mehr Sauerstoff und es kann zu einer Stichflamme kommen. Na, dann sollten wir Ihren Wagen hier her holen. Wo ist er denn?“ „An der Küste.“ Ich zuckte mit den Schultern, um ihm zu verdeutlichen, dass ich nicht den blassesten Schimmer davon hatte, wo genau das war. Er seufzte und drückte sich vom Wagen weg. Ich beobachtete ihn, als er zu einem Schrank ging und ein Seil über die Schulter warf. „Haben Sie Erfahrung damit, ein Auto mit einem Seil abzuschleppen?“, fragte er, als er nach draußen ging. Ich folgte ihm zu einem roten Pickup, auf welchem ein Logo mit der Aufschrift „Calls Garage“ die Haube zierte. „Nein. Noch nie und bevor Sie fragen – Nein, ich traue mir so etwas nicht zu“, lächelte ich ihn höflich an. Er lachte laut los und nickte. „In Ordnung. Ich rufe jemanden zur Hilfe.“ Noch ehe er es ausgesprochen hatte, holte er sein Smartphone aus der großen Brusttasche hervor und wählte eine Nummer. „Was?“, hörte ich jemanden unfreundlich ins Telefon brüllen. „Du bist schlecht gelaunt, wie eh und je, was?“, kicherte mein zukünftiger Mechaniker. Eine Antwort wird erneut zurück gebrüllt, doch dieses Mal höre ich nur Fetzten. Er schien sich darüber zu beschweren, dass er beim Essen gestört wurde. „Kannst du vorbei kommen? Ich müsste einen Wagen zu meiner Werkstatt schleppen und die Dame hat das selbst noch nie gemacht.“, er sah mich entschuldigend an, für den Fall, dass ich es beleidigend aufnahm. Tat ich nicht. Es entsprach nun Mal der Wahrheit, dass ich so etwas nicht konnte. „Ja, das muss sein. Beweg' deinen faulen Hintern hier her.“ Er verdrehte die Augen, als er auflegte, denn auf seinen Befehl hatte eine spitze Bemerkung gefolgt, dass er den faulen Arsch lecken konnte. Ich selbst hatte damit zu kämpfen, dass ich nicht losprustete. „Entschuldigen Sie. Er ist gleich hier. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Embry Call. Ich schmeiße den Laden hier“, lächelte er und zwinkerte mir zu. „Freut mich“, nickte ich ihm zu. Er schien irritiert über meine Antwort zu sein, denn er zog eine Augenbraue in die Höhe und unterzog mich einer Musterung, die alles andere als unauffällig war. Nervös bis ich mir auf die Lippen und sah zum Boden. Allein der Gedanke, dass ich ihm mehr, als nötig erzählen musste, weil er sich nun um meinen Wagen kümmern würde, behagte mir nicht. „Hören Sie, Mr. Call, ist es möglich, dass wir die Reparatur bar begleichen?“ Er sah mich überrascht an und legte den Kopf schief. War meine Frage zu auffällig gewesen? Würde er einen Verdacht schöpfen? „Natürlich. Hier bezahlt sowieso jeder bar. Ich halte nicht viel von Schecks oder Kreditkarten. Wussten Sie, dass ich bei jeder Transaktion etwas an die Kreditkartengesellschaft abgeben muss?“, Theatralisch schüttelte er den Kopf. Ich lächelte nur. Mir war diese skrupellose Vorgehensweise durchaus bekannt. Immerhin kam ich direkt aus der Finanzwelt. Ich war in diesem Chaos und diesem ständigen Machtkampf aufgewachsen. Wir schwiegen eine Zeit und lauschten der leisen Rock-Musik im Hintergrund. Für mich war diese Stille irgendwie unangenehm, aber sie war mir dennoch lieber, als wenn ich eine Konversation führen musste, wo ich mich im schlimmsten Fall noch verplappern würde. Ich war nämlich eine schlechte Lügnerin. Immer war ich allen gegenüber ehrlich und treu gewesen, weil ich mir das gleiche von meinen Mitmenschen erwartet hatte. Ich konnte nicht selbst intrigant sein, aber darauf hoffen, dass alle zu mir nett waren. So war ich nicht. So wollte ich nicht werden. Nur die Umstände zurzeit zwangen mich dazu. „Naja … Sagen Sie Mal… um was für ein Auto handelt es sich?“ Ich sah ihn wieder an und er erwiderte meinen Blick mit einem Lächeln. „Um einen Audi RS5“, antworte ich ihm. „W-Was?“, mit offenem Mund starrte er mich an, weshalb ich kichern musste. Just in dem Moment wurde eine Autotür zugeschlagen und brachte mich zum Verstummen. Neugierig besah ich den Mann, der mit langen Schritten auf die Werkstatt zukam. Bei seinem Anblick verschlug es mir die Sprache. Hatte ich gedacht, dass Embry schon gut aussah, so war er im Vergleich zu ihm nicht einmal annähernd schön. Der Freund von Embry war mindestens so groß, wie er, jedoch hatte dieser einen deutlich muskulöseren Körper. Seine zerrissene, ausgeblichene Jean saß ihm locker auf den Hüften und das weiße, enge Shirt verbarg die definierten Muskeln darunter mehr schlecht als recht. Es ließ genügend Spielraum für die eigene Fantasie, aber nichtsdestotrotz wusste man, was man unter diesem dünnen T-Shirt vorfinden würde. Seine breiten Oberarme wurden von einem blau-rot karierten Holzfällerhemd bedeckt. Doch die nackten Unterarme waren irgendwie sexy. Gott. Noch nie hatte mich jemand in den Sekunden eines Augenblicks so umwerfen können. Beschämt über meine Reaktion senkte ich meinen Blick und versuchte dagegen anzukämpfen, dass mein Herz mein ganzes Blut in den Kopf pumpte. Wie konnte ich es mir erlauben, einen wildfremden Mann so anzuschmachten? Wo waren meine Manieren geblieben? Innerlich schüttelte ich über mich den Kopf. War das mein wahres Ich? Ich biss mir auf die Lippen und musterte meinen dunkelblauen Convers. Eigentlich konnte mir das alles egal sein. Ich wollte das Leben so nehmen, wie es kam. Denn lange würde ich in diesem Ort nicht bleiben. Sobald mein Wagen wieder lief, wäre ich über alle Berge. „Man, Paul … Wie lange brauchst du, damit du hier her kommst?“, sprach Embry ihn an. Ich konnte den neckenden Unterton deutlich heraushören. „Glaubst du allen Ernstes, ich laufe gleich los, wenn du mich rufst? Bin ich dein Schoßhündchen oder was?“, lachte der andere und boxte seinen Freund freundschaftlich auf die Schulter. Er hatte eine äußerst tiefe Stimme. Ich hatte das Gefühl, dass die tiefen Schwingungen jede meiner Zellen zum Vibrieren brachte. Paul. Der Name passte irgendwie zu ihm, denn er wirkte rustikal, einfach und praktisch. „Miss?“, Embrys Stimme riss mich aus meinen Gedanken. „Ja?“, ich sah zu ihm und kämpfte gegen den Drang an, seinen Freund anzusehen, aus Angst, mein neu zum Vorschein gekommenes, Ich würde zum Sabbern anfangen. Ich verstand meine Reaktion nicht. Ganz und gar nicht! „Kommen Sie“, lächelnd hielt er mir die Tür vom roten Truck offen. Ich versuchte den Frosch in meinem Hals runterzuschlucken, als mir klar wurde, dass ich mit zwei Männern, die beide nicht von schlechten Eltern waren, in der engen Kabine eines Pickups durch die Gegend fahren würde. „Keine Angst, wir beißen nicht“, lachte Paul heißer und bescherte mir dadurch einen wohligen Schauer, der mir über den Rücken lief und mich zum Zittern brachte. „Ist Ihnen kalt?“ Embrys Stimme klang besorgt. Ich presste meine Lippen zu einem Strich zusammen. Diese Situation war mir mehr als nur unangenehm. Ich wünschte mir regelrecht, dass sich unter mir ein Loch auftat und ich mich darin verstecken konnte. „Mann Embry. Wo sind deine Manieren geblieben? Ihre Kleidung ist komplett durchgeweicht vom Regen“, meinte Paul entrüstet. Peinlich berührt, biss ich mir auf die Lippen und spürte, dass meine Wangen immer heißer wurden. „Hier. Ziehen Sie sich um. Wenn Sie so, völlig durchnässt, herumlaufen, werden sie die nächsten Tage mit Fieber im Bett liegen“, hörte ich Pauls Stimme, die zwischen dem Blutrauschen in meinen Ohren zu mir hindurch drang. In meinem Blickfeld tauchte ein blau-rotes, kariertes Flanellhemd auf. Ich schielte kurz zu dem fremden Mann, der mich freundlich anlächelte. Mein Blick blieb an seinen Lippen hängen, unfähig ihm in die Augen zu sehen. Er hatte volle Lippen und nahezu unscheinbare Grübchen auf jeder Seite, wenn er lächelte. Sie gaben ihm irgendwie eine niedliche, fast schon süße, Note. Mir machten diese neuen Gefühle Angst. Bevor ich jedoch wieder zu sehr in meine Gedanken abdriftete und noch zum Gespött von den beiden wurde, nahm ich das Hemd dankend entgegen. Mit Fieber im Bett zu liegen, wäre definitiv noch das i-Tüpfelchen auf dem schon angehäuften Berg von Scheiße, das ich dem Schicksal nicht gönnen wollte. „Wo kann ich mich umziehen?“, wandte ich mich an Embry. „Die Toilette in der Werkstatt. Ihre nassen Sachen können Sie dort aufhängen, wenn sie wollen, damit sie trocknen, während wir unterwegs sind“, erklärte mir Embry und deutete auf eine Tür im hinteren Ende des Raumes. Ich nickte ihm kurz zu und ging schnell in die Toilette, welche überraschend sauber war, wie ich erleichtert feststellen konnte. Im Nu hatte ich mir meine Jacke, Shirt und BH ausgezogen, da alle Sachen komplett feucht waren und zog mir das Hemd an. Überrascht hielt ich in der Bewegung inne, als mich eine ungewöhnliche Wärme umhüllte. Das Flanellhemd strahlte eine Hitze aus, als hätte es davor auf einem Heizkörper gelegen. Merkwürdig. Bevor ich jedoch rausging, band ich mir meine Haare zu einem Zopf. Während der Bewegung fiel mir auf, wie angenehm das Hemd roch. Wonach es genau duftete, konnte ich nicht identifizieren. Großer Gott, ich hörte mich an, wie eines dieser verträumten Teenie-Mädchen. Ich seufzte laut, als ich die Tür von der Toilette aufriss und hinaustrat. Das einzige, worauf das ich hoffen konnte, war, dass diese Gefühle nicht zu unnötigen Komplikationen führen würden. Als ob es in meinem Leben je ohne Komplikationen gehen würde. Selbst heute noch werde ich mit Situationen konfrontiert, die mich total aus dem Konzept bringen und alle stehen immer mit ihm in Verbindung. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)