The Wolves among us von UrrSharrador ("Die Werwölfe erwachen. Sie wählen ihr heutiges Opfer ... Die Werwölfe schlafen wieder ein." [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 14: Blutroter Höhepunkt ------------------------------- ~ 14 ~   - Schiffbruch, fünfte Nacht -   Naruto konnte nicht einschlafen. Er zitterte und schwitzte am ganzen Körper. Er hielt das nicht mehr aus! Hier auf der Insel waren doch alle wahnsinnig! Und er würde bald genauso verrückt sein … Am schlimmsten war: Er fühlte sich verantwortlich. Sasuke hatte nur mit unbewegter Miene zugesehen, wie diese Piratenhexe Sakura erschossen hatte. Dann hatte er Naruto den Rücken zugewandt mit den Worten: „Du bist zu naiv.“ Nie wieder würde er diesem Kerl irgendwas erzählen! „Psst!“, hörte er jemanden ganz in der Nähe zischen. Naruto drehte sich um und sah Tenten, die ihn unter ihrer Decke ansah. Auch sie wirkte hellwach. Vorsichtig robbte sie näher an ihn heran. Naruto warf einen Blick zum Lager der Piraten. Wieder campierten sie am Waldrand, aber es war schwierig, mehr als Schemen zu erkennen. Man konnte nicht sagen, wer wach war und wer schlief. „Ich habe schon mit Deidara und Lee gesprochen“, wisperte Tenten. „Wir haben die Schnauze voll von den Launen dieser Halsabschneider! Wir wollen versuchen, in den Wald zu fliehen. Sonst muss morgen wieder einer von uns dran glauben. Wir suchen das Piratenschiff – die haben sicher noch Waffen dort!“ „Ist das nicht …“ Naruto verstummte. Gefährlich, ja. Aber nicht weniger gefährlich, als hier zu bleiben und sich nur für einen raschen Tod abzurackern. „Der Himmel zieht zu“, sagte Tenten. „Wenn der Mond verdeckt ist, schleichen wir davon. Wenn sich von den Piraten jemand regt, rennen wir! Bist du dabei? Deidara fragt eben Sasuke.“ Naruto wäre es lieber, wenn Sasuke hierblieb, erkannte er. Trotzdem nickte er. Tenten lächelte ihm kurz zu und kroch dann wieder unter ihre Decke zurück. Die Wolken wanderten zäh über den Nachthimmel. Als die ersten die Mondscheibe erreichten, wurde sich Naruto unsicher. Wann genau würden sie loslaufen? Sobald es merklich finsterer war? Oder sollte der Mond zur Gänze verschwunden sein? Die ersten Wolken strichen über den hellen Knopf, ohne dass sich einer seiner Gefährten regte. Dann schwamm eine wahre Wolkenwand über den Nachthimmel, der Mond verschwand, und es wurde fast stockdunkel. Naruto hörte das Rascheln einer Decke. Er sah Tentens Silhouette nur gegen das schwache Glimmen des heruntergebrannten Lagerfeuers. Vorsichtig richtete er sich ebenfalls auf. Nebeneinander tasteten sie sich auf Händen und Knien vorwärts, um nicht in eines der Löcher zu fallen, die sie gegraben hatten. Irgendwo in der Nähe bewegte sich ebenfalls etwas. „Was ist da los?“, schallte eine scharfe Stimme durch die Nacht. Naruto fluchte innerlich. Noch keine vier Meter weit, und sie waren schon entdeckt! Ohne Rücksicht auf Verluste stürmte er los, Tenten nur knapp neben ihm. Auf der anderen Seite sah er ebenfalls zwei Schemen in die Finsternis davonhuschen. „Bleibt stehen, verdammt, oder ich filetiere euch bei lebendigem Leib!“, brüllte Tayuya. Ein Schuss ging durch die Dunkelheit, scharf und berstend. Naruto und Tenten erreichten den Wald gleichzeitig und sprangen regelrecht ins schützende Dickicht. Sie jagten weiter, die Schlingpflanzen warfen ihre tückischen Fallen aus. Die beiden stolperten, stürzten, rappelten sich wieder auf, glitten immer wieder auf taufeuchtem Farn aus. Einmal prallte Naruto halb gegen einen Baumstamm, der viel zu plötzlich vor ihm aufgetaucht war. Die Düsternis zwang sie, langsamer zu rennen, dennoch war es im wahrsten Sinne des Wortes eine Flucht Hals über Kopf. „Hier lang“, rief Tenten irgendwann, schlug einen Haken nach links und zog ihn mit sich. Naruto verstand. Im Zickzack liefen sie durch den Wald. Er sah nur rasche Abfolgen von Schwarz und Fast-Schwarz, hörte nur Tentens Keuchen. Obwohl sie ihm recht sportlich erschien, verlangte ihr die Jagd durch das Dickicht alles ab. Irgendwann überlegte Naruto, ob es nicht besser wäre, sich einfach zu Boden zu werfen und unter den Farnwedeln Schutz zu suchen – leiser wäre es auf jeden Fall gewesen. Allerdings wussten sie nicht, ob es auf dieser Insel nicht doch Giftschlangen oder etwas Ähnliches gab. Als die Bäume sich lichteten und vor ihnen der von leise rauschenden Wellen umspülte Strand lag, hätte Naruto am liebsten erleichtert aufgeseufzt. Der Mond zeigte sich wieder und beleuchtete den Sand. Kein Menschenseele weit und breit. Tenten zog ihn wieder in den Schutz der Bäume zurück. „Wohin jetzt?“, flüsterte er. Sie zuckte mit den Schultern. „Gegen den Sand sieht man uns.“ Naruto konnte auf keinen Fall stillsitzen, während drei blutrünstige Piraten sie verfolgten. Wahllos schlug er eine Richtung ein. Sie hielten sich weiterhin im Wald. Irgendwann, nach einer Ewigkeit, packte Tenten ihn plötzlich am Arm und deutete wieder auf den Strand hinaus. Naruto folgte ihrem Blick stumm; Worte waren nicht notwendig. Sie hatten das Piratenschiff gefunden. Es lag zwischen einigen Felsen auf einer Sandbank und ragte selbst wie ein finsterer Fels in den Nachthimmel hinein. Zwei schlanke Masten kratzten wie mahnende Finger am Sternenzelt. Es war ein wenig kleiner als die Vieja Gloria, aber vor dem Hintergrund dieser schießpulverschweren Nacht wirkte es bedrohlich groß und finster. „Sollen wir?“, fragte Tenten. „Wozu?“ „Wozu“, schnaubte sie. „Schon vergessen? Die haben sicher noch jede Menge Waffen an Bord! Und Schießpulver. Meinst du, Piraten wie sie würden nur mit dem reisen, was sie am Leib tragen können?“ Naruto hatte keine Ahnung, wie Piraten reisten, aber wenn sie auf dem Schiff etwas fanden, mit dem sie sich verteidigen konnten, war er auf jeden Fall mit an Bord. Geduckt huschten sie über den Strand, die Deckung eines jeden Felsens ausnutzend. Das Schiff lag sicher nur bei Ebbe auf Grund. Es war fest vertäut und die Landeplanke war auf einen abgeflachten, schrägen Felsen gelegt. Mühelos gelangten die beiden über die Reling. Naruto fröstelte. Er war nun also an Bord eines Piratenschiffs … Ob das wohl gut ausging? Tenten fand an Deck eine Öllampe und schaffte es irgendwie, sie zu entzünden. Hastig deckte sie das schmierige Licht mit ihren Händen ab und bedeutete Naruto, ihr durch die Luke zu folgen. Die Planken schienen zu ächzen, als sie hinabstiegen. Es roch muffiger als an Bord der Vieja Gloria, und der Salzgeruch war unter Deck nicht so penetrant. Tenten durchstöberte mit ihrer Lampe alle Lagerräume und Kajüten, auf die sie stießen. „Wer sagt’s denn“, murmelte sie irgendwann zufrieden. Naruto sah ihr über die Schulter. In einer kleinen Kammer waren mehrere unverschlossene Kisten fest mit Riemen gesichert. Tenten hatte eine von ihnen geöffnet und nahm zwei Pistolen heraus. Fachmännisch überprüfte sie ihre Ladung. Plötzlich glaubte Naruto, ein Geräusch gehört zu haben. Nur das Stöhnen des Schiffs? Oder … „Hier“, sagte Tenten und drückte Naruto eine der Waffen in die Hand. „Und diesmal lassen wir sie uns nicht wieder abnehmen“, erklärte sie grimmig. Er wollte gerade etwas erwidern, als sich das Geräusch wiederholte. Diesmal zuckte er zusammen. „Da ist jemand!“, wisperte er. Tentens Gesicht verdüsterte sich im Schein ihrer Lampe. Sie hob den Finger vor die Lippen. Beide verharrten reglos. Sie hörten leise die Brandung, das war alles. Das Schiff schwankte nicht in den Wellen, von daher konnte das Knarzen wohl kaum natürlicher Ursache sein, oder? Da war es wieder – direkt in ihrer Nähe! „Nimm das“, murmelte Tenten, drückte Naruto die Lampe in die Hand und schwang sich zurück in den Schiffsflur. Nun trampelte eindeutig jemand durch den Bauch des Schiffes. Naruto hörte sich um. Das Geräusch kam von achtern. „Hier lang!“, kommandierte er und lief voraus, die Pistole schussbereit. Der Gang machte nach wenigen Schritten einen Knick. Naruto bog um die Ecke – und sah an dessen Ende eine Gestalt stehen, die schwarzgewandet mit der Dunkelheit verschmolz. Nur ihre Wolfsmaske reflektierte etwas Licht. Naruto vergaß vor Schreck, zu atmen, und erst recht, zu schießen. „Steh nicht so rum!“ Der Wolfspirat bewegte sich, als sich Tenten an Naruto vorbeidrängelte – das heißt, sie stieß ihn regelrecht zur Seite. Die beiden Schüsse fielen fast gleichzeitig, sodass Naruto erst dachte, es gäbe nur einen. Tenten stöhnte auf und wankte. Der Wolfspirat war verschwunden, dafür waren seine Schritte wieder zu hören. „Hinterher“, murmelte Tenten durch zusammengebissene Zähne. „Du bist verletzt!“, rief Naruto entsetzt, als er die blutige Wunde an ihrer Schulter sah. „Kaum der Rede wert! Los!“ Sie lief voraus, aber allein an ihrem Gang merkte man, dass sie starke Schmerzen hatte. Sie brauchten wesentlich länger als der Wolfspirat, die Luke zu erreichen, die wieder an Deck führte. Naruto kletterte als Erstes empor. Mit eingezogenem Kopf erwartete er, dass man sofort auf ihn schießen würde, sobald er sich an Deck zeigte, aber der Wolf war nirgends mehr zu sehen. Er lief einmal über das ganze Schiffsdeck, ehe Tenten sich heraufangeln konnte. Nichts. Der Pirat war verschwunden. „Siehst du ihn irgendwo?“, fragte sie kurzatmig. Naruto schüttelte den Kopf und sah über die Reling. Am Strand, gegen den hellen Sand … hatte sich da nicht gerade etwas bewegt? „Da unten“, flüsterte er aufgeregt. „Ich glaube, ich sehe ihn!“ Das Licht seiner eigenen Laterne störte ihn. „Dann schieß doch!“, zischte Tenten. Er biss die Zähne zusammen. Die Hand mit der Pistole zitterte. „Auf die Entfernung treffe ich nie“, murmelte er. Stöhnend entriss sie ihm die Waffe, zielte auf den Schemen am Strand und schoss. Naruto fragte sich, ob ihr das Kunststück gelungen war. Offenbar nicht, denn in nächsten Moment kam die Antwort wie ein Echo. Die Gestalt im Sand war nur als Silhouette zwischen den Felsen wahrnehmbar gewesen, Tenten jedoch stand im Licht der Laterne. Die Kugel erwischte sie mit furchtbarer Präzision und schleuderte sie von den Füßen. Naruto schrie auf und duckte sich – einerseits, um selbst kein Ziel zu bieten, andererseits, um nach Tenten zu sehen. Was er sah, ließ ihn bis ins Mark erschrecken – obwohl er tödliche Wunden mittlerweile zur Genüge kennen sollte. In ihrer Brust gähnte ein klaffendes Loch, wo sie die Kugel getroffen hatte. Im schmierigen Lampenschein wirkte das Blut, das ihr aus dem Mundwinkel rann, fast schwarz. „Verdammt“, murmelte sie mit einem unmenschlichen Rasseln bei jedem Atemzug. „Ich war … leichtsinnig.“ „Halte durch“, rief Naruto. „Ich finde was, um dich zu verarzten! Bleib einfach hier liegen!“ Also ob sie noch irgendwo hingehen könnte! „Nein“, meinte sie schwach. „Ich glaube nicht, dass das … noch was hilft …“ „Natürlich wird es das!“ Er hatte Tränen in den Augen. „Gib nicht auf! Wir verlassen diese verdammte Insel zu zweit, das verspreche ich dir!“ Ein Lächeln krümmte ihre blutigen Lippen. „Weißt du … schon als wir gestrandet sind, dachte ich nicht, dass wir jemals wieder hier wegkämen. Vielleicht … vielleicht braucht man so viel Optimismus wie du … damit man es schafft.“ Beim nächsten Atemzug hustete sie einen Schwall Blut. „Tenten!“ Zitternd hielt er ihre Hände, unfähig, irgendetwas anderes zu tun, während ihr rasselnder Atem langsam ruhig wurde und dann verebbte. Ihr Blick war leer.   Als Sphinx die Seherin rief, deutete Naruto auf Tenten. Der Spielleiter schüttelte langsam den Kopf. Kein Werwolf.   Er warf einen verstohlenen Blick zum Strand, doch der Wolfspirat ließ sich nicht mehr blicken. Vielleicht fürchtete er sich vor den Unmengen an Schießpulver, die sicher noch an Bord waren. Naruto deckte Tenten mit einem Stück Segeltuch zu. Dann stieg er wieder unter Deck. Nach Tentens Tod fühlte er sich irgendwie ruhiger. Nicht, weil er sie verdächtigt hatte – es war, als wäre seine Anspannung in dem Moment verpufft, in dem das Leben aus ihr gewichen war. Er fand noch eine Muskete und lud ihre beiden Pistolen nach. Ein blitzend scharfes Entermesser befand sich ebenfalls auf dem Boden einer Truhe, das steckte er in seinen Gürtel. Dann löschte er seine Lampe und wartete in der Dunkelheit auf neue Geräusche, die von einem Feind kündeten. Im Stillen verwünschte er diese verdammte Insel mit ihrem verdammten Goldschatz, der so viel Leid über sie gebracht hatte. Ob jeder, der hier landete, die Insel irgendwann verfluchte, mit Worten oder in Gedanken? Stammte von daher der Fluch, der auf dem Gold lag? Es musste auf die frühen Morgenstunden zugehen, als er tatsächlich wieder Besuch bekam. Diesmal war er gewappnet. Der Eindringling ging auch nicht gerade behutsam vor. Den Wolfspiraten hatte Naruto kaum gehört, aber dieser hier trampelte die Treppe herunter wie eine Herde Kühe. Er umklammerte die Muskete mit beiden Händen und zwang sich, ruhig zu atmen. Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt, dennoch sah er hier drin kaum etwas. Dann bemerkte er den Lichtschein. Der Fremde trug auch eine Lampe. Unendlich vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen und schob sich, an die Wand gepresst, zur Tür in den Flur. Seit er diese Insel betreten hatte, musste er vom Pech verfolgt sein. Vielleicht hatte er den Abzug der Muskete unvorteilhaft gehalten, vielleicht war es auch einfach Zufall: Ein Schuss löste sich aus der Waffe, mit einem Knall, der Naruto in den Ohren wehtat. Ehe er es verhindern konnte, stieß er einen erstickten Schrei aus. Das Getrampel draußen verstummte sofort. Verdammt! Wie hatte er nur so ungeschickt sein können? So leise und so schnell wie möglich legte Naruto die Muskete fort und zog das Entermesser, als er eine Stimme hörte. „Naruto? Bist du das? Alles in Ordnung? Ist da noch jemand?“ Er zögerte, ehe er antwortete. Die Stimme gehörte … „Buschige Augenbraue?“ Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als der Lichtschein heller wurde und er Rock Lees unverwechselbares Gesicht erkannte. Der Matrose trug keine Waffe, aber Naruto glaubte auch nicht, dass er ihm ans Leder wollte. Zumindest letzte Nacht hatte er friedlich und unschuldig geschlafen. „Wo sind die anderen?“, fragte Lee. „Ich weiß nicht“, gestand Naruto. Rasch erzählte er ihm, was ihm und Tenten widerfahren war. Lee senkte betreten den Kopf. „Tenten war in der Blüte ihrer Jahre“, murmelte er. „Es ist sehr schade, dass das passiert ist.“ Naruto hätte andere Worte gewählt, aber so war Lee nun mal. „Was meinst du?“, fragte er unbehaglich. „Schaffen wir es zu zweit, mit diesem Schiff in See zu stechen?“ Lee schüttelte den Kopf. „Ich habe mir den Rumpf angesehen, bevor ich an Deck gegangen bin. Da sind zwei große Lecks. Die müssten wir vorher reparieren, und selbst dann könnten wir das Schiff kaum steuern.“ „Warum nicht? Ich habe von vielen Schiffen gehört, die nur mit zwei Mann Besatzung ausgekommen sind. Segeln wir eben nur mit halbem Zeug …“ „Es ist, weil …“ Lee wich seinem Blick aus. „Ich kann nicht navigieren. Kannst du es?“ „Oh“, murmelte Naruto. Daran hatte er nicht gedacht. Plötzlich zerriss ein gedämpfter Knall die bedrückte Stille, die auf Lees Worte folgte, und die beiden zuckten zusammen. Naruto meinte, jemanden etwas rufen zu hören. Fragend sah Lee ihn an. „Sollen wir nachsehen gehen?“ Naruto zögerte. Hier im Schiffsrumpf waren sie vermutlich sicherer … Ein weiterer Knall, gleich darauf noch einer. „Nimm die hier“, flüsterte Naruto seinem Kameraden zu und reichte ihm eine seiner Pistolen. „Ist dir jemand gefolgt?“ Lee schüttelte im schmutzigen Licht der Lampe den Kopf. „Aber sie wissen vielleicht trotzdem, dass hier jemand ist, wenn sie die Leiche sehen.“ „Was für eine Leiche?“ Meinte er Tenten? „Draußen am Strand liegt jemand. Ich …“ In dem Moment ertönte vom Deck Gepolter und wieder ein Schuss. „Sie sind auf dem Schiff“, zischte Naruto. Nun begann seine Hand mit der Pistole wieder zu zittern. So würde er nicht mal die Muskete nachladen können – das lag sicher daran, dass der Lärm und das Getrampel so hektisch und unmittelbar und … gefährlich klangen. „Sie kämpfen“, murmelte Lee. „Oder nicht? Sie schießen aufeinander.“ „Dann haben die Piraten wahrscheinlich die anderen in die Enge getrieben“, murmelte Naruto und biss die Zähne zusammen. „Komm mit, wir helfen ihnen, sich hier unten zu verschanzen.“ Darauf bedacht, nicht zu laut zu trampeln, eilten sie den Gang entlang und kletterten durch die Luke an Deck. Dort angekommen, erlebten sie eine Überraschung. Einerseits ging bereits die Sonne auf, ein zartrosa Schimmer schob sich über den Horizont. Und andererseits waren es nicht Sasuke und Deidara, die auf das Deck geflohen waren. An die Reling gekauert saßen Jiroubou und Tayuya. Das Haar der Piratin wehte hinter ihr her, als sie herumwirbelte und Naruto und Lee aus großen Augen anstarrte. „Was macht ihr hier auf unserem Schiff?“, keuchte sie. Ihr Hemd war an der Schulter blutig. Dann blitzte Wut in ihrem Blick auf. „Ihr wart es! Sagt schon, wer von euch Halsabschneidern hat Kidoumaru auf dem Gewissen?“   - Schiffbruch, fünfter Tag -   „Ein neuer Morgen ist angebrochen … Wir schreiben den fünften Tag. Es gab zwei Opfer: Kidoumaru und Tenten. Tut mir sehr leid. Sie waren außerdem keine Werwölfe.“ Tenten zuckte nur mit den Schultern, als hätte sie das vorhergesehen, und stand auf. Kidoumaru schnaubte, reichte Sphinx die Karte. „Nettes Spiel“, meinte er, „aber man scheidet leicht aus. Soll ich jetzt auch eure kleine Freundin trösten?“ „Hauptsache, du störst das Spiel nicht“, brummte Sasuke und starrte geradezu verbissen auf seine Regelkarte. „Du kannst es dir auch in deiner Zelle gemütlich machen oder ein wenig meine wunderbare Einrichtung erforschen“, sagte Sphinx. Er wartete, bis Tenten und Kidoumaru den Raum verlassen hatten, dann sagte er mit einem breiten Lächeln. „Nun sind noch sechs Bewohner übrig. Wir kommen nun langsam zum Ende, meine Freunde. Und ich habe eine Nachricht für euch: Die Unruhestifterin hat heute Nacht beschlossen, das Spiel ein wenig zu beschleunigen. Das heißt, am heutigen Tag werden gleich zwei Leute gelyncht. Tobt euch aus.“ Und schon trudelten die ersten Nominierungen ein.   „K-keine Bewegung!“, rief Naruto und deutete mit seiner zitternden Pistole auf Tayuya, die ihn abfällig musterte. „Sag bloß, du hast Angst zu schießen“, meinte sie belustigt. Betont langsam hob sie ihre eigene Waffe und richtete sie auf ihn. Lee wich einige Schritte zur Seite. Seine Hand war ruhiger, fand Naruto. Er schien jedoch nicht zu wissen, was er tun sollte. In dem Moment ertönte vom Strand her noch ein Schuss, und ein Stück Holz splitterte aus dem Mast. Naruto zuckte zusammen – und dieses Zucken nutzte Tayuya aus und schoss ihrerseits. Naruto schrie auf, als er den sengenden Schmerz in seinem Oberarm spürte. Er hätte nie gedacht, dass eine Bleikugel eine solche Kraft entwickeln könnte, aber sie riss ihn halb nach hinten, und beinahe wäre er gestürzt. Tayuya rollte sich ab, Lees Schuss kam nur eine Sekunde später und zerfetzte die Reling. Der Matrose warf die nutzlos gewordene Waffe fort und stürzte sich mit bloßen Händen auf sie. „Jiroubou, tu was, verdammt!“, keuchte Tayuya, als sie und Lee ineinander verkrallt über den Boden rollten. Naruto fing den Blick des dicken Piraten auf, sah sein Nicken. Gut, er war noch immer auf ihrer Seite. Er biss die Zähne zusammen und bückte sich nach der Waffe, die ihm entglitten war. „Keine Bewegung!“, ertönte da eine Stimme von der Planke, die auf den flachen Felsen führte. Sasuke und Deidara sprangen auf das Schiff, als wären plötzlich sie die Piraten – oder waren sie es? Naruto schluckte. Sasuke war nie recht zimperlich gewesen, wenn es darum ging, jemanden anzuprangern … und Deidara traute er sowieso nicht. Die Tatsache, dass sie beide Pistolen in den Händen hielten, machte sie nicht vertrauenswürdiger. „Was sucht ihr denn hier?“, fragte Deidara, und sein Kamerad kniff die Augen zusammen. Instinktiv begegnete Naruto der Pistole, die Sasuke auf ihn richtete, mit seiner eigenen. Wann würden sie endlich aufhören können, einander zu bedrohen? „Und ihr?“, fragte er düster. „Warum laufen die Piraten plötzlich vor euch davon?“ „Weil wir sie endlich ihre eigene Medizin schmecken lassen“, erklärte Deidara. „Weg mit der Erbsenschleuder, hm.“ „Und woher habt ihr die Waffen?“, fragte Naruto schrill. „Ihr seid die Wolfspiraten!“ „Mach dich nicht lächerlich“, brummte Sasuke. „Die Tatsache, dass ihr hier auf dem feindlichen Schiff seid, ist auch nicht gerade unverdächtig.“ „Dann sag schon, woher habt ihr die Pistolen?“ „Betriebsgeheimnis“, sagte Deidara augenzwinkernd. In dem Moment drang ein ersticktes Ächzen aus dem Knäuel, das Tayuya und Lee auf den Planken gebildet hatten, und langsam kam wieder Bewegung in die beiden. Tayuya rappelte sich auf und zerrte mit vor Anstrengung geröteten Gesicht Lee vor sich in die Höhe, wie als lebendigen Schild – oder doch nicht so lebendig, denn aus einem fachmännischen Schnitt in seiner Kehle quoll Blut, und Tayuya hielt ein rot glänzendes Messer in der linken Hand, mit der sie sich umständlich ihren Kapitänshut zurechtrückte. „Glaubt ihr, ich lasse mich auf meinem eigenen Schiff bedrohen?“ „Lee!“, rief Naruto und vergaß die Waffen, die auf ihn gerichtet waren. Er wollte schon auf sie zutreten … „Bleib stehen, Idiot!“, knurrte Sasuke. „Du kannst ihm nicht mehr helfen.“ „Jiroubou, das büßt du mir“, zischte Tayuya und funkelte ihren Kameraden an. „Meuterer, ihr wart alle nichts als Meuterer!“ „Immerhin ist Jiroubou kein Wolfspirat!“, rief Naruto. Wenn es ihm schon Tayuya nicht glaubte, dann mussten wenigstens die anderen sich daran erinnern, damit sie nicht aus Versehen den Falschen angriffen … „Viele kommen nicht mehr in Frage“, meinte Sasuke tonlos. Seine Waffe deutete immer noch auf Naruto. „Bist du sicher, dass du uns nicht die ganze Zeit an der Nase herumgeführt hast, Naruto?“, fragte er kalt. „Du scherzt wohl!“, stieß Naruto aus. „Hört mir auf mit diesem Dreck über die Wolfspiraten“, fauchte Tayuya. „Es gibt keine Wolfspiraten! Ich lasse euch über die Planke laufen, alle!“ „Dann kommst du aber nie wieder von hier weg“, gab Jiroubou zu bedenken. „Halt‘s Maul, Fettsack! Um dich kümmere ich mich auch noch!“ „Welche Chancen rechnest du dir aus?“, fragte Sasuke. „Du bist hier die Einzige ohne Waffe.“ „Nicht mehr lange.“ Tayuya stieß Lees Leiche von sich, die gegen Naruto prallte, und stürmte an ihm vorbei. Jiroubou schoss – auf wen, konnte Naruto nicht sagen. Als er das Gleichgewicht wiederfand und sich herumdrehte, drückte auch Sasuke eben den Abzug – in dem Moment, in dem Tayuyas geschleudertes Messer sich in seine Hand bohrte. Die Kugel war eine knappe Handbreit zu hoch, riss der Piratin den Kapitänshut vom Kopf, und im nächsten Moment hatte sie ihn und Deidara erreicht. „Schieß!“, schrie Naruto, Lees leblosen, noch warmen Körper im Arm. Doch Deidara zögerte, abzudrücken. Tayuya schnellte wie ein Pfeil zwischen ihn und Sasuke, entriss Deidara gekonnt die Waffe, ein Schuss krachte – Sasuke warf sich zu Boden und rollte sich ab, doch allein die Art, wie er landete, machte Naruto klar, dass Tayuya ihn getroffen hatte. Stöhnend blieb er liegen. Nun reichte es Naruto endgültig. Also schön, er würde zum Mörder werden, aber offenbar hörte das sinnlose Töten andernfalls nicht auf! Er schleuderte seine Pistole von sich, die letzte, die geladen war. Damit würde er ohnehin kaum treffen. Stattdessen schwang er sein Entermesser und ging damit auf die endlich unbewaffnete Tayuya los. Er hätte sich denken können, dass Piraten niemals unbewaffnet waren. Sie bückte sich, fischte ein winziges Messer aus ihrem Stiefel und trat Naruto damit entgegen. Er zögerte kurz, dann schlug er zu – sie packte sein Handgelenk, nutzte Narutos eigenen Schwung und schleuderte ihn über ihre Schulter. Ächzend prallte er auf die Planke, die das Schiff mit dem Felsen verband. Für einen Moment bekam er keine Luft. Dann kniete Tayuya plötzlich auf seiner Brust, setzte das Messer an seine Kehle … „Ich bin noch nicht fertig mit euch …“, hörte Naruto ein röchelndes Knurren. Sasuke! Tayuya fuhr in die Höhe. Naruto blinzelte an ihr vorbei. Sasuke hatte sich am Mast hochgestemmt. Blutiger Schaum lief aus seinem Mund, aber Naruto konnte von hier keine Schusswunde sehen. Tayuya musste ihn am Rücken getroffen haben. Und in der rotverschmierten Hand hielt Sasuke die Waffe, die Naruto eben von sich geschleudert hatte. Er hatte gar nicht darauf geachtet, wo sie gelandet war. „Das war’s“, erklärte er eisig. „Warte!“ Ein Schritt, ein waghalsiger Sprung, die Planke erzitterte … Um Naruto herum drehte sich alles. Sah er gerade tatsächlich Deidara, der sich vor Tayuya in die Schusslinie warf? Die Kugel traf den Abenteurer in die Schulter, aber sie riss ihn, noch mitten im Sprung, regelecht um. Deidara prallte gegen die Piratin, Naruto spürte schmerzhaft, wie ein Stiefelabsatz gegen seine Hüfte stieß, die beiden taumelten, stürzten … und dann war die Planke zu Ende. Er hörte noch Tayuyas wütenden Schrei, als sie beide über Bord gingen, und dann ein hässliches Geräusch, das andeutete, dass sie nicht im Wasser, sondern auf einem der spitzen Felsen gelandet waren, die den Strand säumten. Die Pistole entglitt Sasukes Hand, und kreidebleich rutschte er am Mast zu Boden. Wo er gelehnt hatte, glänzte das Holz dunkelrot. Naruto hörte noch sein Röcheln, und bald darauf nicht einmal mehr das. Und dann war es vorbei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)