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Stormpaw's Destiny

Warrior Cats - New Clans, New Stories
von

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Als die ersten Sonnenstrahlen den Heiligen Berg berührten, stand der Himmel bereits lichterloh in Flammen. Dunkles Violett, zartes Rosa und glühendes Orange küssten die Wolken weit über ihnen.

Der Abschied vom FeuerClan war kurz und schmerzlos gewesen. Keiner hatte widersprochen, als Schwarzstern verkündet hatte, dass Sturmherz als Vertreter für den FeuerClan losziehen würde. Die Feindseligkeit, die sein eigener Clan ihm entgegengebracht hatte, schien mit dem Blitzschlag verloren gegangen zu sein. Selbst Blaukralle hatte sich zähneknirschend dazu herab gelassen, ihm für die Reise alles Gute zu wünschen und bloß nicht zu versagen.

Sturmherz vermutete, dass einfach nur alle froh waren, dass ihnen die Reise ins Ungewisse erspart blieb. Hier am Heiligen Berg waren die Clans seit unzähligen Generationen zu Hause. Diese Heimat zu verlassen, ohne die Sicherheit, jemals zurückzukehren, war etwas, was sich keiner freiwillig aufladen wollte.

Doch Sturmherz tat es. Weil er tief in seinem Herzen spürte, dass es das Richtige war.

Und er spürte, dass er nicht alleine war.

Als er sich neben die schwarzen Überreste der Eiche setzt, blies ihm ein heftiger Windstoß mitten ins Gesicht, betäubte für einige Augenblicke seine Sinne, sodass er nichts anderes roch außer einer Sommerwiese. Er mochte die mysteriöse Katze aus dem SternenClan zwar nicht sehen, doch sie ließ ihn wissen, dass sie bei ihm war – wieder einmal.

Milchkralle, Fleckennase und Flockenpfote saßen schweigend hinter ihm. Sie hatten ihn mit versteinerten Gesichtern begleitet und noch immer waren sie – wie alle – fassungslos darüber, dass der SternenClan die uralte Eiche mit einem einzigen Blitz zerstört hatte.

„Ein Zweiter Anführer sollte seinen Clan nicht verlassen, wenn der Anführer geschwächt ist“, sagte Fleckennase nach einigen Minuten.

Sturmherz drehte sich zu seinen engsten Vertrauten um. „Ich weiß. Aber der SternenClan hat mich gerufen. Ich muss es tun. Es gibt keine andere Möglichkeit.“

Milchkralle nickte, das Gesicht vor Abschiedsschmerz verzogen. „Sturmherz hat Recht. Er ist unser Zweiter Anführer und er könnte kein größeres Opfer bringen.“

Fleckennase wirkte unzufrieden. „Trotzdem finde ich, dass du den FeuerClan nicht einfach alleine lassen solltest. Wir hätten Eisbart schicken können. Oder meinetwegen auch Rosentau oder irgendeinen anderen Krieger. Ich finde, du hast schon so viel für den FeuerClan getan, da sollte es dir zustehen, nicht auch noch diese Herausforderung meistern zu müssen.“

„So etwas tun Zweite Anführer aber“, unterbrach Milchkralle ihn. Als sie sprach, zuckten ihre Schnurrhaare. „Mir passt es doch auch nicht, dass unser bester Freund gehen muss, zumal wir nicht wissen, wie lange er fort sein wird. Sturmherz hat eine sehr schwierige Mission für sich und, aus welchen Gründen auch immer, der SternenClan möchte, dass er als Vertreter für den FeuerClan geht. Das muss Sturmherz respektieren und wir müssen das auch.“

„Leute, ich kann euch hören, ich stehe direkt neben euch.“

Milchkralle wandte ihren Kopf zu ihm um. „Ich meine ja nur.“ Dann zögerte kurz und fügte ein wenig leiser hinzu: „Haben die Heiler etwas dazu gesagt, wie lange ihr fort sein werdet?“

„Nein.“

„Es ist immerhin ein Unterschied, ob es nur ein paar Tage oder Wochen oder sogar mehrere Monde sind.“

Sturmherz schüttelte leicht den Kopf. „Nein, dazu haben sie nichts gesagt. Aber es werden wohl mehr als nur ein paar Tage sein. Ich weiß nicht, wie lange ich vom Clan getrennt sein werde, aber ich werde zurückkommen. Schwarzstern verlässt sich auf mich. In meinem Mond sind wir bestimmt wieder da.“ Er rang sich einen zuversichtlichen Gesichtsausdruck ab. „Wir werden unser Bestes geben und dann kehren wir ganz schnell zurück. Wie weit kann uns der SternenClan schon schicken?“ Diese Frage wollte er gar nicht beantwortet haben.

Flockenpfote schmiegte sich ein letztes Mal an seinen Mentor. „Was soll ich nur ohne dich tun?“

„Du wirst es auch ohne mich schaffen. Ich bin schon jetzt sehr stolz auf dich. Ich weiß nicht, wie lange ich weg sein werde, aber ich verspreche euch allen, dass ich wiederkomme.“

Flockenpfote nickte. „Und wenn du wiederkommst, werde ich bereits ein Krieger sein, das verspreche ich dir.“

Von den weiten Ebenen näherte sich eine Gestalt aus Richtung LuftClan.

Milchkralle entdeckte sie zuerst und seufzte. „Du kannst dich auf uns verlassen. Wir werden Flockenpfote weiter ausbilden und ihn bald zu einem Krieger machen.“

Fleckennases Stimme war brüchig, als er sprach. „Pass auf dich auf … Und … komm zurück. Der Clan braucht dich, Sturmherz. Wir halten die Stellung und wenn Blaukralle in deiner Abwesenheit Ärger macht, sagen wir ihm einfach gehörig die Meinung.“

„Na klar komme ich zurück. Ich möchte doch sehen, wie Dachsfuß und eure Jungen dir das Leben schwer machen.“

Für einen Augenblick erwiderte Fleckennase das verschmitzte Grinsen, dann wurden ihre Gesichter wieder ernst.

Ein letztes Mal verabschiedeten Milchkralle, Fleckennase und Flockenpfote sich von ihm, dann kehrten sie ihm den Rücken zu, gingen bis zum Rand des Plateaus, dann tiefer, bis sie in den Bäumen verschwanden und nicht mehr zu sehen waren.

In dem Moment, in dem die Morgensonne den Horizont durchbrach, erreichten auch die drei anderen Krieger die alte Eiche.

Sturmherz war gespannt, wen der SternenClan noch ausgewählt hatte. Zuerst erblickte er Schneewolke, die sich am Rand des Plateaus von Eisschatten und Otterpelz verabschiedet hatte und nun unter den wachsamen Augen der beiden WasserClan-Krieger an Sturmherz‘ Seite trat. Stumm, aber freundlich nickten sie sich zu.

Otterpelz grüßte Sturmherz ebenfalls aus der Entfernung, indem er seinen Schwanz einmal von links nach rechts und wieder zurück bewegte.

Eisschatten starrte mit versteinerter Miene zu ihm. Seine hellen Augen durchbohrten ihn, spießten ihn auf, bis Otterpelz ihn in die Seite knuffte, um ihm das Zeichen zu geben, dass sie die Auserwählten nun alleine lassen sollten. Es gab ohnehin nichts mehr, was sie noch für Schneewolke tun konnten. Sie musste es alleine schaffen, so wie sie alle auf sich alleine gestellt waren.

Dann kam Hummelschatten aus dem LuftClan und sobald er Sturmherz sah, machte er einen Freudensprung. „Ich wusste es!“ Freudig rannte er auf die anderen beiden zu und kam vor ihnen zum Stehen. Sein schwarzes Fell war ein schöner Kontrast zum weißen Schnee, ganz im Gegensatz zu Schneewolke. Er grinste bis über beide Ohren und war alleine gekommen. „Es wird sich sowieso schnell herumsprechen, wer die vier Auserwählten sind, aber ich freue mich jetzt schon darauf, wenn ich Kleesonne sagen kann, dass ich unsere Wette gewonnen habe. Meine Schwester hätte mich gerne begleitet, aber sie darf den Bau der Königinnen noch nicht verlassen.“ Er lachte einmal auf, ganz so, als würde er seine Nervosität damit überspielen wollen. „Sie dachte, dass der SternenClan sich für Blaukralle entscheidet, damit Ruhe im FeuerClan einkehren kann.“

Schneewolkes Mundwinkel zuckten leicht, doch sie schwieg stattdessen und schaute in eine andere Richtung. Vielleicht fühlte sie sich zu fein, um sich an dem Gespräch zu beteiligen.

Hummelschatten lachte einmal auf. „Sie war ganz aufgeregt, als ich letzte Nacht von dem Sonnenaufgang geträumt habe. Zuerst wollte ich nicht glauben, dass dies ein Zeichen des SternenClans ist, doch als sich kein anderer Krieger bei Nessellicht gemeldet hat, sagte sie mir, dass ich es wäre, der gehen muss, weil eine tote Hummel vor ihrem Heilerbau lag.“

Sturmherz nickte. „Ich habe auch gespürt, dass ich es bin. Wie war es bei dir, Schneewolke?“

Sie gähnte. „Ich habe ein Ziehen tief in meinem Herzen gehabt und bin zu Gewitterschweif gegangen. Er sagte mir, er hätte von Schnee und Wolken geträumt, also schickte er mich los.“

Aus dem ErdClan kam schließlich – zur Überraschung aller – der Heiler Rauchsturm auf sie zu.

Hummelschatten sah ihn mit großen Augen an. „Hast du keinen Krieger mitgebracht?“

Rauchsturm sah unsicher aus, knete den Schnee durch und schaute umher. „Ich … nein.“ Er räusperte sich. „Der SternenClan will, dass ich mit euch gehe.“

„Du? Ein Heiler?“ Schneewolke hatte sich schwungvoll zu ihm umgedreht und dadurch eine feine Schicht Puderschnee aufgewirbelt, der nun in der Morgensonne glitzerte. „Bist du dir sicher?“

Augenblicklich veränderte sich etwas in Rauchsturms Gesicht. „Natürlich. Außerdem hat Tigerfuß es bestätigt. Wir waren beide sehr überrascht darüber, aber er meinte, die Zeichen des SternenClans sind unmissverständlich. Es ist meine Aufgabe, euch zu begleiten. Ich bin ein Teil dieser wichtigen Mission.“

Schneewolke schien noch nicht vollständig überzeugt zu sein. „Der SternenClan sprach doch davon, dass vier Krieger geschickt werden sollen. Du bist aber kein Krieger. Was, wenn wir kämpfen müssen?“

Genervt schnaubte Rauchsturm. „Was, wenn ihr verletzt werdet? Oder krank? Keiner von uns weiß, wohin uns der SternenClan schicken will. Vielleicht lauern dort Gefahren auf uns, für die ein Heiler gebraucht wird. Und außerdem“, er plusterte seinen grauen Fellkragen auf, „kann ich sehr wohl kämpfen. Ich war ein normaler Kriegerschüler, ehe Tigerfuß mein Mentor wurde. Vergiss das nicht.“

Sturmherz trat zwischen die beiden. „Hört auf, euch zu streiten, sofort!“

Beide zuckten zusammen.

Sturmherz seufzte. „Es steht uns nicht zu, den SternenClan für seine Entscheidungen in Frage zu stellen. Wir sind vier Auserwählte, mehr müssen wir nicht wissen.“

Hummelschatten nickte. „Und wir haben eine Gemeinsamkeit.“

Schneewolkes Schwanz wippte langsam hin und her. „Die wäre?“

„Na, ist doch offensichtlich. Wir alle waren dagegen, dass der WasserClan und der FeuerClan überhaupt erst gegeneinander kämpfen. Wir alle wollen, dass die vier Clans in Frieden miteinander leben.“

Dem konnte Sturmherz nur zustimmen. Der SternenClan hätte auch andere Krieger auswählen können, doch stattdessen waren drei Katzen an seiner Seite, die ihm nicht feindlich gesinnt waren. Womöglich war das ein Zeichen? Nichtsdestotrotz gehörten sie verschiedenen Clans an.

„Lasst uns keine Zeit verschwenden“, sprach Rauchsturm schließlich. „Wir haben einen langen Weg vor uns. Richtung Norden.“

Gemeinsam warfen sie einen letzten Blick auf die verbrannte Eiche, dann setzten sie sich als Viererformation in Bewegung und stiegen vom Plateau des Heiligen Bergs hinab. Sie hielten sich entlang der Grenze zwischen dem WasserClan und dem FeuerClan und niemand kreuzte ihren Weg, ganz so, als würde man ihnen den Weg freihalten.

Erst als sie das Gebiet der Clans fast hinter sich lassen konnten und die ungezähmte Wildnis vor ihnen lag, krachten Schritte durch das Unterholz.

Überrascht blieben sie stehen.

Steinbeere verlangsamte ihr Tempo, blieb einige Fuchslängen von ihnen entfernt schwer atmend stehen. Sie schaute den vier Auserwählten nacheinander ins Gesicht.

„Steinbeere, was machst du hier?“, fragte Schneewolke sie überrascht. „Ist etwas passiert?“

„Nein, ich …“ Sie schluckte, kniff einen Moment lang die Augen zusammen. „Ich wollte euch alles Gute wünschen. Bitte gebt euer Bestes und sucht uns eine Heimat, in der wir alle einen Neuanfang starten können. Möge der SternenClan euch den Weg zu einem Ort zeigen, an dem wir es hinter uns lassen können, wer HalbClan-Blut in sich trägt und wer nicht.“

Verwirrt tauschten sie einige Blicke aus.

„Ja, natürlich“, sagte Schneewolke gedehnt. „Wir werden euch und den SternenClan nicht enttäuschen. Doch wieso sagst du uns das?“

Einen letzten Herzschlag lang zögerte Steinbeere noch, dann rückte sie seufzend mit der Wahrheit heraus. „Forellenpfote, er … Er ist nicht mein Sohn.“

„Was?“ Schneewolke legte die Ohren an. „Nein, was redest du da? Natürlich ist er dein Sohn. Du hast ihn vom ersten Tag an großgezogen. Du hast ihn geboren.“

Steinbeere presste den Mund fest zusammen, dann sprach sie weiter. „Ich habe nicht zum ersten Mal Junge verloren. Aber an jenem regnerischen Tag war der SternenClan gnädig mit mir. Nachttropfen und mich verbindet schon lange eine enge Freundschaft, aber er ist nicht der Vater meiner verstorbenen Jungen. Er ist Forellenpfotes Vater – und Wellenblatt aus dem LuftClan ist seine Mutter.“

Hummelschatten und Schneewolke schnappten synchron nach Luft. „Was?!“

„Wellenblatt? Niemals!“ Hummelschatten schüttelte vehement den Kopf. „Sie hat keine Jungen. Sie will auch keine.“

„Das weiß ich“, sagte Steinbeere. „Aber sie und Nachttropfen waren eine Weile ein heimliches Liebespaar, deren Ergebnis Forellenpfote ist. Er kam am gleichen Tag zur Welt wie meine verstorbenen Jungen, weshalb Nachttropfen mich bat, Forellenpfote wie meinen eigenen Sohn großzuziehen. Wellenblatt übergab ihn mir im größten Sturm und ich musste ihr versichern, ihn wie mein eigen Fleisch und Blut großzuziehen. Sie wollte diese Verantwortung nicht und sie wusste, dass der LuftClan sie verstoßen würde, wenn sie von Forellenpfote erfahren. Ich teile euch dies mit, weil ich möchte, dass ihr wisst, wie wichtig eure Mission ist. Es geht nicht nur um Sonnenpfote, Mondpfote oder dich, Sturmherz. Die Clans brauchen einen Neuanfang.“ Dann blickte sie wieder gehetzt umher. „Und nun geht. Möge der SternenClan euch leiten.“ Steinbeere nickte ihnen ein letztes Mal zu und verschwand wieder im Unterholz. Sie ließ vier sprachlose junge Krieger zurück.
 

***
 

Es war nicht schwierig, sich stumpf in Richtung Norden zu halten, auch wenn sie in der Wildnis nur halb so schnell vorankamen wie im vertrauten Clan-Gebiet. Immer wieder blieben sie stehen, lauschten, witterten.

Hummelschatten war der Meinung, dass der SternenClan sie nicht hier entlang schicken würde, wenn es Gefahren gab. Deshalb sollten sie einfach geradeaus marschieren.

Rauchsturm fand, sie sollten vorsichtiger sein, damit ihnen nichts zustieß.

Schneewolke setzte sich an die Spitze der Gruppe ab, weil sie die endlose Diskussion zwischen Hummelschatten und Rauchsturm leid war.

Und Sturmherz hatte Mühe, alle beieinander zu halten. Er spürte, dass er sich als Anführer dieser Vierergruppe fühlte, weil er der Zweite Anführer des FeuerClan war. Aber hier waren sie alle gleich. Es zählte nicht, aus welchem Clan sie stammten und welchen Rang sie hatten – nur sahen die anderen das nach den wenigen Stunden der gemeinsamen Reise noch längst nicht ein.

Am späten Nachmittag überwältigte sie alle der quälende Hunger und bei Sonnenuntergang legten sie eine Rast ein. Der Wald umfing sie noch immer zu allen Seiten und sie konnten nicht abschätzen, wie weit sie es in dieser Zeit bereits geschafft hatten. Die anfängliche Vorfreude, die mit einem Energieschub einhergegangen war, legte sich bereits und Ernüchterung machte sich breit.

„Ich habe mir das spaßiger vorgestellt“, gestand Hummelschatten, als er von seiner Jagd zurückkehrte. Er hatte ein Eichhörnchen gefangen, das er nun hungrig hinunterschlang.

„Spaßig?“ Schneewolke, ebenfalls mit einem Eichhörnchen zu ihren Pfoten, warf ihm einen strengen Blick aus ihren himmelblauen Augen zu. „Es ist eine große Ehre, vom SternenClan für diese Mission auserwählt worden zu sein. Mit Spaß hat das nichts zu tun. Wir sollten so ernst und organisiert wie möglich an die Sache herangehen.“

„Das kann auch nur jemand aus dem WasserClan sagen“, entgegnete Hummelschatten augenrollend. „Wenn du so weise bist, dann verrate mir doch, wie du diese Reise planen würdest? Im Planen ist der WasserClan doch so gut.“

Sie blickte ihn aus schmalen Augenschlitzen an. „Ich bin keinem LuftClan-Krieger Rechenschaft schuldig.“ Eine winzige Priese Unsicherheit mischte sich in ihre Stimme. „Wir halten uns Richtung Norden, wie uns aufgetragen wurde. Der SternenClan wird uns leiten.“

„Also hast du auch keine Ahnung, wusste ich es doch.“ Hummelschatten zog eine Grimasse.

In diesem Moment trat Rauchsturm in ihr kleines, improvisiertes Lager am Rand einer kleinen Lichtung. Sein Magenknurren war laut und deutlich zu hören.

Sturmherz sah, dass Rauchsturm nichts gefangen hatte. Er schaute ihn fragend an.

Rauchsturm räusperte sich verlegen. „Ich schätze, meine Zeit als Kriegerschüler ist schon zu lange her.“ Dann, als keiner reagierte, fügte er hinzu: „Heiler müssen nicht selbst jagen gehen.“

Schneewolke schluckte den letzten Bissen ihres Eichhörnchens herunter. „Du wolltest unbedingt mitkommen. Das ist dein Problem.“

„Wir sollten alle an einem Strang ziehen“, mahnte Sturmherz sie.

„Vergiss es, Sturmherz“, mischte Hummelschatten sich sofort ein und warf Rauchsturm den hinteren Teil seines Eichhörnchens zu. „Der WasserClan glaubt immer, er sei etwas Besseres. Das kann ich dir versichern, immerhin waren Silberstern und Wacholderstern eine Zeit lang Verbündete.“

„Sagt ein Mitglied aus dem Clan, der vor uns gekrochen ist, nur um in unserem Gebiet jagen zu dürfen“, erwiderte Schneewolke spitz, stand auf und ging zu einem umgekippten Baumstumpf, unter dem sie sich einrollte. „Wir rasten hier. Bei Sonnenaufgang brechen wir wieder auf.“

„Wer hat dich zur Anführerin ernannt?“, fauchte Hummelschatten sie aufgebracht an. „Du hast mir gar nichts zu sagen, Schneewolke!“

Sie ignorierte ihn, bedeckte ihr Gesicht mit ihrem buschigen, weißen Schwanz.

Hummelschatten grollte. Er stand auf und stapfte quer über die Lichtung.

„Wo willst du hin?“, fragte Sturmherz ihn.

Hummelschatten streckte ihm die Zunge raus. „Jagen. Um der ollen Ziege zu zeigen, dass der LuftClan zurecht der Clan der flinken Jäger ist.“ Dann drehte er sich zu Rauchsturm. „Und du! Komm mit und lern, noch einmal teile ich mein Essen nicht mit dir.“

Rauchsturm, der noch immer betreten zu Boden schaute, stand schnell auf und eilte mit einem entschuldigenden Blick hinter Hummelschatten her.

Sturmherz schaute den beiden nach. Er fühlte sich nicht gut dabei, wenn sie miteinander stritten. Aber auch er spürte noch immer den Stolz des FeuerClans in seinen Adern fließen. „Du kannst nicht einfach den Ton angeben“, sagte er daher.

Schneewolke reagierte nicht, aber er war sich sicher, dass sie ihn gehört hatte.

Schweigen suchte Sturmherz sich unweit von ihr ein eigenes Plätzchen, schloss die Augen und schlief kurz darauf auch schon ein.
 

***
 

Er träumte eine Szene aus seiner frühen Kindheit – eine der ersten Momente, an die er sich überhaupt erinnern konnte. Es fühlte sich seltsam an, im Traum wieder bei seiner Mutter und seinen Geschwistern im Garten der Zweibeiner zu sein.

Das Gras fühlte sich unter seinen Pfoten tot und kalt an. Es war gefroren. Schnee stapelte sich an den Rändern des Zauns. Seine sieben Geschwister tollten um ihn herum. Sturm saß unter einer Hecke, kauerte sich zusammen, starrte mit großen Augen auf die Zweibeiner, die sich in ihrer seltsamen Sprache miteinander unterhielten. Er konnte sie nicht leiden. Sie nahmen ihn hoch, berührten ihn, trugen ihn herum. Wenn er sich nach Leibeskräften mit Krallen und Zähnen wehrte, lachten sie wie Monster und drückten ihn nur noch fester. Er hasste sie. Er wollte kein Hauskätzchen sein. Niemals.

Als die Zweibeiner durch die offene Tür zurück ins Haus gingen, tapsten seine Brüder und Schwestern ihnen hinterher.

Sturm kauerte sich tiefer unter die Dornenhecke. Es war ihm egal, ob die Dornen ihn blutig schrammten, solange er nicht wieder zu den Zweibeinern musste.

„Du bist nicht wie die anderen“, sagte eine tiefe Stimme hinter ihm.

Er schreckte herum, sah den großen, dunklen Kater mit den breiten, schwarzen Streifen im langen Fell. Sturm baute sich zu voller Größe auf, doch der Kater hätte ihn jederzeit mit nur einer Pfote niederdrücken können. „Ich bin Sturm. Wer bist du?“

Der Kater lachte und sein Lachen war so tief und brummend, dass es tief in Sturms Magen nachhallte. „Das weißt du nicht?“

„Nein.“

„Ich verstehe. Nun, ich bin dein Vater, kleiner Sturm.“

Sturm ließ seine Abwehrhaltung sinken. Nun blickte er interessiert und neugierig zu dem Kater. „Mein Vater? Mama hat gesagt, du bist ein charmanter Streuner. Du hast kein Zuhause.“

„Oh, ich habe ein Zuhause, aber nicht hier. Nicht bei den Zweibeinern. Ich wollte, dass deine Mutter mit mir kommt, aber sie mag dieses Leben. Aber du … Das ist nichts für dich. Du kommst nach mir.“

„Kann ich mit dir kommen?“

Wieder lachte der Kater, streckte sich, robbte aus der Dornenhecke hervor und sprang mit Leichtigkeit auf den Zaun, der Sturm wie eine unüberwindbare, riesige Hürde vorkam. „Nein. Ich werde zu meinem Zuhause zurückkehren, Sturm. Das ist weit weg von hier. Aber die Wege des SternenClans sind unergründlich. Also … wer weiß, ob wir uns wiedersehen.“

„SternenClan? Was soll das sein?“

Doch noch ehe der Kater ihm antworten konnte, war er auf der anderen Seite des Zauns verschwunden.

Er kehrte nie wieder zurück.
 

***
 

Sturmherz wachte am nächsten Morgen auf und hatte seinen Traum fast wieder vergessen. Er blinzelte gegen die morgendliche Müdigkeit an und je länger er wach war, desto mehr zweifelte er daran, jemals seinen Vater getroffen zu haben – oder mit ihm über den SternenClan gesprochen zu haben. Er verdrängte jeden weiteren Gedanken daran.

Am heutigen Tag war der Himmel bewölkt und noch während er damit beschäftigt war, sich zumindest eine kleine Maus zu fangen, fing es wieder an zu schneien, was er murrend zur Kenntnis nahm.

Was sein Clan jetzt wohl machte?

Er war erst vierundzwanzig Stunden fort und es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Sturmherz spürte, dass er das regen Treiben und die Geborgenheit seines Clans vermisste. Er wollte mit Milchkralle, Fleckennase und den anderen reden, Flockenpfote trainieren oder mit Blaukralle streiten. All das wollte er, weil es ihm Sicherheit und Geborgenheit gab – weil es einfach zu seinem Zuhause dazugehörte.

Stattdessen thronte Schneewolke auf dem umgestürzten Baumstamm und leckte sich königlich die Pfoten, während Rauchsturm hungrig in der Mitte der Lichtung lag. Nach Hummelschattens Ansage am vorherigen Abend und der kurzen Trainingseinheit hatte er bei der Jagd keinen Erfolg gehabt, doch er war zu stolz, um sich die Blöße zu geben und nach Hilfe zu fragen.

Sturmherz versuchte, die Stimmung ein wenig zu lockern. „Hat der SternenClan letzte Nacht zu dir gesprochen?“

Rauchsturm hob den Kopf. „Nein. Aber Tigerfuß meinte, er hält es für wahrscheinlich, dass der SternenClan während unserer Reise schweigen wird. Wir müssen den Weg alleine finden und darauf vertrauen, dass wir die Zeichen richtig deuten. Der SternenClan wacht über den Heiligen Berg. Er kann uns auf dieser Reise nicht begleiten.“

„Also lässt uns der SternenClan alleine“, fasste Schneewolke zusammen. Sie seufzte. „Eisschatten hat das schon vermutet.“ Ihr Blick fiel auf Sturmherz, war aber weder feindlich noch aggressiv. „Er glaubt allerdings nicht so ganz, dass ausgerechnet du ausgewählt wurdest.“

„Tja, das kann ich mir denken“, antwortete Sturmherz, stand auf und streckte alle vier Beine nacheinander. „Aber weißt du was? Ich gebe nichts darauf, was ausgerechnet dein Bruder über mich sagt. Eisschatten sollte sich stattdessen an die eigene Nase fassen. Er war doch Feuer und Flamme dafür, dass Mondpfote und Sonnenpfote verstoßen werden und jetzt sind sie ein Teil eures Clans.“

„Das kannst du überhaupt nicht miteinander vergleichen“, sagte sie und schüttelte dabei den Kopf. „Mondpfote und Sonnenpfote sind zur Hälfte WasserClan und außerdem gehören sie nun vollständig zu unserem Clan. Das hat Silberstern entschieden, wie du weißt. Wir alle respektieren ihre Entscheidung. Mondpfote und Sonnenpfote machen sich sehr gut im Clan und ich bin mir sicher, dass sie eines Tages große Krieger werden, die den WasserClan loyal unterstützen werden.“

„Das ändert aber nichts daran, dass Eisschatten hinter den Kulissen Gift versprüht – und mit solchen Katern kenne ich mich aus.“ Blaukralle war immerhin das beste Beispiel dafür.

Schneewolkes Blick veränderte sich leicht. Sie sah verärgert aus. „Eisschatten ist ein überaus geschätzter Krieger im Clan.“

„Und trotzdem wird er nie selbst Junge haben, wenn er sich nicht gerade Mondpfote schnappt“, feixte Hummelschatten. „Oder vielleicht lässt er sich ja mit Taukralle ein. Oder mit dir? Ihr im WasserClan steht doch so darauf, eure Blutlinien rein zu halten.“

Sturmherz konnte gar nicht so schnell gucken, wie Schneewolke sich auf Hummelschatten gestürzt hatte.

Beide rollten als schwarzweißes, fauchendes Fellknäuel über die Lichtung.

Rauchsturm machte ihnen kopfschüttelnd Platz. „Hört auf damit! Das ist nicht der Wille des SternenClans!“

Sturmherz hätte darauf gewettet, dass Hummelschatten gewann, doch zu seinem Erstaunen erwies sich Schneewolke als clever genug, um Hummelschatten einfach auszuspielen. Kurzerhand pinnte sie ihn zu Boden und knurrte ihm mitten ins Gesicht.

Hummelschatten zappelte, ergab sich dann jedoch und präsentierte ihr seinen Bauch.

Schneewolke ließ mit funkelnden Augen von ihm ab, drehte sich zu Sturmherz und Rauchsturm um. „Will noch einer blöde Sprüche über den WasserClan bringen? Dann nur zu.“ Sie bleckte ihre spitzen, weißen Zähne. „Nein? Gut. Ab jetzt erledigen wir einfach nur die Aufgabe, die der SternenClan uns gegeben hat, verstanden? Wir werden uns nach Norden halten, bis wir den Ort finden, an dem der SternenClan in strahlender Pracht am Himmel tanzt. Danach kehren wir an den Heiligen Berg zurück und führen unsere Clans in die neue Heimat. Ich werde nicht dulden, dass einer von euch sich noch einmal über meinen Clan lustig macht.“

„Schon gut, schon gut“, murmelte Hummelschatten. Er war ebenso wie Schneewolke eher klein und zierlich gebaut, was durch sein kurzes Fell noch stärker betont wurde. Dafür war er sehr flink und ein ausgezeichneter Jäger, doch gerade hatte er gegen sie keine Chance gehabt.

Schneewolke schnaubte, leckte sich über eine ihrer Vorderpfoten und funkelte dann Sturmherz und Rauchsturm an. „Wir brechen auf. Die Mission wartet auf uns.“ Sie setzte sich in Bewegung, ohne darauf zu warten, ob die anderen ihr folgen wollten oder nicht.

Hummelschatten zögerte einen Augenblick, schaute zwischen ihr und Sturmherz hin und her, dann knurrte er frustriert und stapfte ihr hinterher.

Rauchsturms schwarzer Schwanz fegte über den Schnee, dann setzte auch er sich seufzend in Bewegung. „Möge der SternenClan uns leiten“, murmelte er leise vor sich hin.

Sturmherz folgte ihnen als letzter. Alles in ihm sträubte sich dagegen, sich Schneewolke einfach so zu unterwerfen und sie an der Spitze laufen zu lassen, zumal sie sich selbst zur Anführerin ihrer Mission ernannt hatte. Doch er wollte auch nicht am zweiten Tag ihrer Reise einen Streit darüber beginnen, weshalb er den anderen schweigend hinterher lief. Immerhin mussten sie einfach nur nach Norden laufen.

Was konnte da schon schief gehen?



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  BlackSpark
2017-08-07T11:37:32+00:00 07.08.2017 13:37
Irgendwie hat ichs geahnt; der gute Sturmherz hat Clanblut. Würde allerdings auf keinen der Bergclans tippen, da sein Dad nicht so versessen auf reines Blut zu sein scheint, wenn er Sturms Mutter sogar mit zum Clan nehmen wollte. Also warscheinlich Seelenclan.
(Lol, ich sehe schon eine Offenbarung alla' Star Wars;
Mysteriöser Seelenclankrieger: "Sturmherz, ich bin dein Vater. Blei bei mir im Seelenclan."
Sturmherz: "NEIN. Niemals, ich gehöre zu FEUERCLAN!"
Sorry, hab nen Clown gefrühstückt. X)
Mann, Schneewolke ist vielleicht ne WasserclanDiva. XD
Bin ja mal gespannt, wie viel 'nicht' schiefgehen wird. X3
Antwort von:  Kalliope
07.08.2017 14:13
Hehe du bist gut, wer weiß, mit wie viel davon du richtig liegen wirst ;) Und ja, diese Offenbarung à la "Ich bin dein Vater!" bietet sich einfach zu gut an, ich weiß :D Daran muss ich auch immer denken.

7 Kapitel werden noch folgen, dann ist Saga 3 auch schon fertig und damit die Geschichte von Sturmpfote/Sturmherz erzählt :) Schnüff, ich schreibe gerade am 6. Kapitel von Saga 3 und für mich geht es jetzt schon allmählich auf das Ende zu.
Antwort von:  BlackSpark
07.08.2017 18:12
Tja, ich habe sowas wie einen sechsten Sinn für Plotentwiklungen. Mal sehen, ob er mich auch jetzt nicht in die Irre führt X3

Nur noch sieben? D: So schnell kanns doch nicht gehen...
Antwort von:  Kalliope
11.08.2017 12:03
Ich könnte natürlich auch noch doppelt so viele Kapitel schreiben, aber jede Saga soll 10 Kapitel haben und gerade im Mittelteil von Saga 3 würde ich es sonst unnötig in die Länge ziehen. Ich denke, ich werde trotzdem alles Wichtige einbauen können und einige andere Dinge schreibe ich nicht aus, sondern deute sie eher an. Ich hoffe natürlich, dass am Ende von Saga 3 dann trotzdem alle zufrieden sein werden :)
Von:  Wolfsfeuer
2017-08-06T17:50:28+00:00 06.08.2017 19:50
Sturmherz hat also höchstwahrscheinlich Clanwurzeln? Interessant, interessant. Nur welcher Clan steht noch offen. Erdclan wäre am wahrscheinlichsten aber ich tendiere zum Seelenclan :)
Wie Schneewolke die Anführerin markiert xD Aber der arme Hummelschatten, ich mag ihn jedenfalls :) Rauchsturm wird es wohl schwer haben, dabei sollten sie froh sein, dass ein Heiler dabei ist. Spätestens wenn irgendwer verletzt wird sieht Schneewolke ein, wie wichtig er fürs Team ist ;)
Antwort von:  Kalliope
07.08.2017 11:42
Wahrscheinlich schon, ja :D Könnte man zumindest an dieser Stelle vermuten :)

Schneewolke ist einfach typisch WasserClan. Sie hat diese Mentalität "ich kann besser planen und den Überblick behalten, also geht mir aus dem Weg" und Hummelschatten darf es in diesem Fall ausbaden. Und damit ist auch schon fast 1/3 von Saga 3 geschafft, nächste Woche geht es weiter :D
Von:  MyokoMyoro
2017-08-06T16:46:27+00:00 06.08.2017 18:46
Da kann so einiges schief gehen mein Freund. Tolles Kapitel übrigens.
Deine Myoko
Antwort von:  Kalliope
07.08.2017 11:40
Danke :-)


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