Stormpaw's Destiny von Kalliope (Warrior Cats - New Clans, New Stories) ================================================================================ Kapitel 23: ------------ „Ich wusste von Anfang an, dass sie die Richtige für mich ist“, sagte Fleckennase mit verträumtem Blick in Richtung Dachspfote. „Wieso, weil du darauf stehst, dass sie dir am Anfang am liebsten das Fell über die Ohren gezogen hätte?“, witzelte Milchkralle sarkastisch und rollte mit den Augen. „Es ist klar, wer von euch beiden in eurer Beziehung das Sagen hat.“ „Ach sei doch still! Du bist nur neidisch, weil du niemanden hast“, erwiderte er wütend, stand auf und stapfte zu Dachspfote, die sich gerade auf ihre heutige Kriegerprüfung vorbereitete, davon. Sturmherz konnte sich ein Lachen nicht länger verkneifen und prustete los. „Er nimmt das viel zu ernst.“ Milchkralle grinste in sich hinein. „Aber es stimmt doch, was ich gesagt habe.“ „Klar stimmt es, aber deswegen musst du ihm diese Wahrheit nicht auf nüchternen Magen zum Frühstück servieren.“ Sie stand ebenfalls auf und streckte sich ausgiebig. „Wie dem auch sei, Herr Zweiter Anführer, die Pflicht ruft.“ Er seufzte, streckte sich auch und schüttelte dann die Schneeflocken von seinem Fell. Seit zweieinhalb Monden war er der Zweite Anführer des FeuerClans, nachdem Schwarzstern vollkommen überraschend ihn und nicht Blaukralle nach Haselschweifs Tod dafür auserwählt hatte. Es lief halbwegs gut, aber eben nur halbwegs. Milchkralle und Fleckennase gehörten zu den wenigen Clan-Mitgliedern, die offen zu ihm hielten. Er war erst seit einem Jahr beim FeuerClan und viele zweifelten an, dass er den Vorzug vor Blaukralle, einem im Clan geborenen, angesehenen Krieger, bekommen sollte. Wenn Sturmherz es sich hätte aussuchen können, hätte er diese Ehre gar nicht gewollt. Es machte es auch nicht gerade besser, dass Blaukralle angefangen hatte, die anderen im Clan gegen ihn aufzuhetzen. Nun, da Blaukralle die Chance seines Lebens verpasst hatte, schien er es nicht mehr für notwendig zu halten, nur hinter dem Rücken der anderen zu lästern. Er tat es offen, brachte jeden einzelnen Fehler von Sturmherz ins Gespräch und sorgte dafür, dass allmählich auch andere offen ihre Kritik an ihm äußerten. Zu jung. Zu unerfahren. Kein reines Clan-Blut. Ein ehemaliges Hauskätzchen. Was würde der SternenClan nur dazu sagen, wenn er irgendwann Anführer wird. Schwarzstern schwieg sich zu diesen Themen mit stoischer Gewissheit aus. Er ließ Sturmherz weiterhin die täglichen Patrouillen organisieren, traf sich einmal am Tag mit ihm, um die Lage zu besprechen, und das war es auch schon. Manchmal glaubte Sturmherz, dass Schwarzstern seine Entscheidung bereits bereute. Doch es ließ sich nicht mehr ändern. „Bist du bereit?“ Schwarzstern tauchte neben ihm auf, das lange, schwarze Fell hing strähnig und feucht an ihm herab. Der Schneefall hatte zugenommen. „Ja, natürlich. Wir können beginnen.“ „Gut. Ich warte an der Lichtung auf euch.“ Während der Anführer das Lager bereits verließ, sammelte Sturmherz Fleckennase mit Dachspfote, Flockenpfote und Milchkralle mit Schattenpfote ein. Alle drei Schüler wurden gleichzeitig geprüft. Wenn alles gut ging, hatte der Clan am heutigen Tag wieder etwas zu feiern. Das würde die allgemeine Stimmung sicherlich wieder anheben. Gemeinsam trabten sie aus dem Lager heraus, durch den Eingang im Gestrüpp, dann den felsigen Untergrund hinauf, bis sie am oberen Ende der Vertiefung standen. Sie schlugen den Weg zu der großen Lichtung ein, auf der vor noch gar nicht allzu langer Zeit der Kampf gegen den WasserClan stattgefunden hatte. Auf dem Weg dorthin passierten sie Blaukralle mit Fuchspfote und Zimtfeder mit Bienenpfote – noch eine Kleinigkeit, die Sturmherz in dem Glauben bestärkte, Schwarzstern hätte das Gefühl, bei den beiden etwas gutmachen zu müssen. Er hatte den Eltern die eigenen Kinder als Schüler gegeben, sehr zur Freude von Rosentau und vielen anderen im Clan. Auf der Lichtung erwartete Schwarzstern sie bereits. „Wenn ihr euch bereit fühlt, können wir direkt beginnen. Ihr werdet in dem Waldgebiet rund um diese Lichtung herum jagen und gegeneinander Probekämpfe austragen. Dafür habt ihr Zeit, bis die Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hat. Währenddessen werden sowohl Sturmherz als auch ich umherlaufen, euch beobachten und bewerten, wie gut ihr euch dabei macht. Zudem geht es hier nicht einfach nur darum, dass ihr uns beweist, wie gut ihr in der Theorie und auf sicherem Gebiet seid. Als Krieger habt ihr keine Sicherheit mehr im Rücken. Ihr seid für alle eure Taten selbst verantwortlich. Der Clan muss in einer Blattleere wie dieser mit Frischbeute versorgt sein, auch wenn es schwer fällt. Es geht darum, dass ihr uns beweist, dass ihr dazu in der Lage seid. Aus diesem Grund möchte ich von jedem von euch bis Sonnenhoch ein Eichhörnchen, einen Vogel und eine Maus haben. Das ist alles.“ Schattenpfote klappte der Mund auf. Er wollte widersprechen, doch Milchkralles warnender Blick ließ ihn verstummen. Dachspfote blickte sehr ernst drein. „Ich werde euch nicht enttäuschen.“ Dann schaute sie zu Fleckennase und ihr Blick wurde milder. „Keinen von euch.“ Als sie aufstand, sah man unter dem schwarzweißen Fell bereits die zarte Rundung ihres Bauches. Sie war bis auf die Knochen abgemagert gewesen, als sie nach dem Schlangenbiss einen Mond lang im Bau der Heiler lag. Dann kam die Blattleere. Sie hatte nicht mehr so viel Fett ansetzen können, wie gut gewesen wäre, doch Fleckennase versorgte sie gut und kümmerte sich um sie. Als zukünftige Königin genoss sie im ganzen Clan Vorrang. Auch die Muskelverletzung an ihrem Hinterbein war gut verheilt. Äußerlich erinnerte nichts mehr an den Biss der Schlange und auch ihr leichtes Hinken fiel nur noch auf, wenn man genau hinschaute. Dies würde laut Fliederpfote zwar vermutlich ihr Leben lang bleiben, doch es behinderte sie nicht weiter. Flockenpfote, der über die letzten Monde noch einmal kräftig gewachsen war, sah mit seinem dichten Winterfell wie eine riesige Schneeflocke aus und machte seinem Namen damit alle Ehre. Er wirkte nervös, knete den Boden durch, doch nickte er. „Wir schaffen das.“ Schwarzstern nickte ihnen der Reihe nach zu. „Bis Sonnenhoch, keinen Herzschlag länger. Fangt an.“ Die drei Schüler tauschten noch einen kurzen, letzten Blick, dann trotteten sie in unterschiedliche Richtungen davon, um sich beim Jagen nicht in die Quere zu kommen. Milchkralle legte sich ganz entspannt auf einen Baumstumpf am Rande der Lichtung und begann sich zu putzen. Fleckennase tigerte unruhig auf und ab. „Wie kannst du einfach da liegen und dich putzen?“ Sie hielt inne und schaute zu ihm herunter. „Was soll ich deiner Meinung nach denn sonst tun?“ „Ach, ich weiß auch nicht.“ Unzufrieden sprang er neben sie und gähnte. „Hoffentlich ist das nicht zu viel Anstrengung für Dachspfote. Fliederpfote hat gesagt, dafür, dass sie erst in etwa einem Mond ihren Nachwuchs bekommt, sieht man den Bauch schon recht deutlich. Sie vermutet, dass es mindestens vier Junge sind.“ „Dann wünsche ich dir, dass sie nicht genauso temperamentvoll und kratzbürstig werden wie ihre Mutter.“ Sie zog eine Grimasse. „Nein, im Ernst. Hör auf, sie so zu bemuttern. Dachspfote kann auf sich alleine aufpassen und bei der Patrouille hat sie auch keine Probleme. Sie wird einen Teufel tun und kürzer treten, wenn es nicht dringend sein muss. Und jetzt hör endlich auf, so unruhig zu sein, sonst schmeiße ich dich von hier runter und du kannst dir woanders ein Plätzchen suchen.“ Fleckennase seufzte. Schwarzstern und Sturmherz saßen schweigend Seite an Seite. Sie warteten eine Weile, bevor sie mit der Kontrolle der Schüler beginnen wollten. Kurz bevor sie losziehen wollten, hechtete Schattenpfote durch das Unterholz auf die Lichtung. Im Maul hielt er einen Rotkardinal, den er stolz präsentierte und vor den beiden auf den Boden legte. Sein pechschwarzes Fell hob sich von der weißen Schneedecke ab. Dann grinste er zuversichtlich und rannte quer über die Lichtung wie ein schwarzer Blitz wieder davon. Schwarzstern sah zufrieden aus. Er stand auf und setzte sich in Bewegung, direkt hinter Schattenpfote her, aber langsamer und gemächlicher. Sturmherz folgte ihm. Er hatte keinen Zweifel daran, dass Schattenpfote die Prüfung bestehen würde. Er war flink und seine Schnelligkeit glich bei der Jagd seine Ungeduld wieder aus. Auch Dachspfote konnte in allen Bereichen punkten, wobei sie durch ihre Schwangerschaft langsamer war als sonst und nicht so agil sein konnte, wie sie es gerne wäre. Schließlich gab es dann auch noch Sturmherz‘ eigenen Schüler, Flockenpfote. Er hatte viel mit ihm trainiert und auch, wenn jeder am Anfang daran gezweifelt hätte, hatte er es geschafft, einen akzeptablen Schüler aus ihm zu machen. Die beiden verband ein tiefes Vertrauensverhältnis und bei jedem schlechten Wort stand Flockenpfote felsenfest hinter seinem Mentor, der neben seiner Mutter Schneeflügel als einziger uneingeschränkt an ihn geglaubt hatte. Alle drei Schüler hatten es verdient, zu Kriegern zu werden. Doch am Ende musste Schwarzsterns Wort entscheiden. Sie ließen die Lichtung hinter sich und traten in den Wald hinein. Die Prüfung konnte beginnen. *** Schwarzstern gähnte. Der Anführer und Sturmherz saßen am Rand der Lichtung und gingen noch einmal durch, was sie bei Schattenpfote gesehen hatten. „Er hat sich gut gemacht“, sagte Schwarzstern. „Wenn er nun noch eine Maus fängt, steht seiner Ernennung zum Krieger nichts mehr im Weg. Du hast jetzt gesehen, worauf es mir bei den Prüfungen ankommt. Ich werde mir Dachspfote ansehen und suchst Flockenpfote, danach tauschen wir.“ „Ist gut.“ Sturmherz nickte, stand auf und folgte dem Geruch seines eigenen Schülers tiefer in den Wald hinein. Unzählige Male hatte er Flockenpfote zum Jagen begleitet und auch, wenn er anfangs daran gezweifelt hatte, so war er nun fest davon überzeugt, dass Flockenpfote sich gut als Krieger machen würde. Er war ehrlich, loyal, führte alle Aufgaben nach bestem Wissen und Gewissen aus und er hatte ein Herz aus Gold. Außerdem ließ er sich nicht von Blaukralles Sticheleien beeindrucken. Die Fährte wurde stärker, führte durch dicht beisammen stehende Bäume mit schweren, gefrorenen Ästen hindurch. Sturmherz spähte auf eine winzige Lichtung, nicht größer als drei Fuchslängen. Flockenpfote saß starr am Rand und starrte auf ein dunkelbraunes Eichhörnchen, das sich träge aus seiner Baumhöhle schälte und putzte. Sein weißer, flauschiger Körper verschmolz mit dem weißen Schnee, der beständig auf ihn rieselte. Um seinen Schüler nicht zu stören und das Eichhörnchen nicht zu verscheuchen, zog Sturmherz sich lautlos wieder in den Wald zurück. Plötzlich, wie aus dem Nichts, ertönte eine kratzige, keckernde Stimme seitlich neben ihm. „Macht sich gut der Kleine HalbClan-Kater, heh?“ Sturmherz sank vor Schreck das Herz tief in den Körper hinein. Mit geweiteten Augen fuhr er herum und der beißende, säuerliche, stechende Geruch von Verwendung und Schneckenschleim traf ihn. „Flohnacken, was tust du hier?“, fragte er leise knurrend, doch sein Knurren ging unter dem unterdrückten Husten und Räuspern unter. Wieso war ihm der ekelhafte Gestank nicht aufgefallen? „Stellst immer noch die falschen Fragen, Schneckenhirn.“ Der Einzelläufer weitete sein Maul zu einem breiten Grinsen und machte damit den Blick frei auf seine beschädigten, fauligen Zahnreihen. Sturmherz musste würgen und wich noch ein paar Schritte zurück. „Du solltest gar nicht hier sein. Du gehörst nicht zum FeuerClan. Und woher willst du überhaupt wissen, dass Flockenpfote ein HalbClan-Kater ist?“ Flohnacken schnalzte mit der Zunge. „Flohnacken sieht viel, hört viel, weiß viel. Bin nicht so blind wie ihr verbohrten Clan-Katzen. Flohnacken hat die weiße Katze mit ihrem Geliebten gesehen.“ Sturmherz wusste nicht, was er schlimmer fand – dass Flohnacken offensichtlich Schneeflügel beim Liebesspiel beobachtet hatte oder dass er bereit war, eiskalt das Wissen über die vermutete Vaterschaft von Schattenpfote, Frostpfote und Flockenpfote preiszugeben. Er schluckte, wollte fragen, wer der Vater war, doch es ging ihn nichts an. Er konnte vermuten, aber das richtige Wissen darüber konnte gefährlich werden. Einen Augenblick lang beobachtete Flohnacken ihn bewegungslos, dann blinzelte er erst mit dem einen Auge, dann mit dem anderen. Schließlich gluckste er hämisch. „Da weiß der alte Flohnacken wohl etwas, womit das Schneckenhirn nicht gerechnet hat. Upps. Tja. So ist das.“ Er kratzte über einen Baumstamm, um seine Krallen zu schärfen, hatte damit jedoch nicht viel Erfolg. Wie um alles in der Welt schaffte es dieser verflohte, stinkende, kranke Haufen von Kater nur, sich seit Jahren alleine in der Wildnis durchzuschlagen? Niemand sprach über Flohnacken, doch Sturmherz wusste, dass auch Schwarzstern ihn kannte. „Wie alt bist du eigentlich?“ „Alt. Sehr alt. Uralt. Älter als das Schneckenhirn.“ Wieder gluckste er und schien sich selbst über seine Antworten am meisten zu amüsieren. Dann stand er auf. „Schneeflöckchen wird es schwer haben, ganz schwer. Die anderen im FeuerClan mögen ihn nicht. Unterbewusst wissen sie alle, was Flohnacken weiß. Du weißt es auch. HalbClan-Blut, oh ja.“ Er nickte eifrig, kratzte sich dann hinter dem Ohr. „HalbClab-Blut ist gut. Gesund. Kräftigt den Clan. Aber hier am Heiligen Berg könnt ihr das alle nicht sehen, nein, nein.“ Sturmherz legte seinen Kopf schief. Eigentlich müsste er seiner Pflicht nachkommen und Flohnacken direkt aus dem Revier jagen, aber er brachte es einfach nicht über sich. „Woher weißt du so viel über die Clans? Warst du früher selbst mal im Clan? Bist du vielleicht einer der Ausgestoßenen aus dem WasserClan?“ Flohnacken bleckte die Zähne. „Flohnacken redet nicht über Flohnacken. Flohnacken ist hier, überall, beobachtet und wartet.“ „Worauf wartest du?“ Schweigen. Stille. Dann riss Flohnacken unvermittelt die Augen auf und sprang einen Satz nach hinten, verschwand halb zwischen den Büschen. „Flohnacken wartet auf das Ende. Und es kommt. Es ist fast da. Flohnacken ist hier und dort und hat es gesehen!“ Er drehte sich um, preschte davon. Sturmherz schaute ihm verdattert hinterher, machte einen Sprung unter dem Gestrüpp durch, verfing sich mit seinem langen Fell. Als er sich befreit hatte, war Flohnacken bereits über alle Berge und auch sein ekelhafter Geruch war so plötzlich verflogen, wie er gekommen war. Sturmherz seufzte. Er wurde aus Flohnacken einfach nicht schlau. Aber er wusste, dass Flohnacken nicht so wahnsinnig war, wie er wirkte. Auf seine ganz eigene Art hatte er Sturmherz damals bereits vor dem Angriff des Bären gewarnt, nur dass er es nicht verstanden hatte. Womöglich sagte er jetzt wieder die Wahrheit und den Clans stand wirklich etwas bevor? „Hast du das gesehen?“ Flockenpfote trabte von hinten an ihn heran, das dicke Eichhörnchen im Maul. Stolz legte er es vor seinem Mentor ab. „Direkt beim ersten Versuch, ich musste nur eine ganze Weile warten.“ Sturmherz drehte sich um, sah das Eichhörnchen, sah Flockenpfote. Er nickte. „Das hast du gut gemacht. Jetzt fehlen noch die Maus und der Vogel. Beeil dich, Sonnenhoch ist nicht mehr weit entfernt.“ Flockenpfote packte das Eichhörnchen und trottete zu der großen Lichtung herüber. Sturmherz folgte ihm. Er grübelte noch über Flohnacken nach, als er die Lichtung ebenfalls erreichte. Wen der Einzelläufer doch nur nicht in Rätseln sprechen würde. *** Der FeuerClan hatte sich in einem großen Halbkreis im schneebedeckten Lager versammelt und lauschte Schwarzsterns Worten. Es schien, dass selbst der SternenClan mit den Kriegerprüfungen zufrieden war, denn am Abend hatte es aufgeklart und nun war nur noch der Boden des Lagers mit Schnee und Eis bedeckt, aber es schneite nicht mehr. Schwarzstern räusperte sich und schaute zu Milchkralle, die kerzengerade saß und mit stolzem Blick zu ihrem Schüler Schattenpfote schaute. „Milchkralle, bist du davon überzeugt, dass dein Schüler bereit ist ein Krieger zu sein?“ Sie nickte einmal knapp. „Ja, er ist bereit.“ „Ich, Schwarzstern, Anführer des FeuerClans, rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diesen Schüler herabzublicken. Er hat hart trainiert, um euren edlen Gesetzen gehorchen zu können, und ich empfehle ihn euch nun als Krieger. Schattenpfote, versprichst du, das Gesetz der Krieger einzuhalten, den Clan zu beschützen und zu verteidigen, selbst mit deinem Leben?“ Vor Aufregung zuckte Schattenpfotes Schwanz unkontrolliert auf der Schneedecke hin und her. „Ich verspreche es!“ „Dann gebe ich dir, mit der Kraft des SternenClans, deinen Kriegernamen. Schattenpfote, von diesem Augenblick an wirst du in Anlehnung an das Feuer der Leidenschaft in deinem Herzen Schattenflamme heißen. Der SternenClan ehrt deine Geschwindigkeit und deinen Eifer und wir heißen dich als vollwertigen Krieger im FeuerClan willkommen.“ „Schattenflamme! Schattenflamme! Schattenflamme!“ Der ganze Clan bejubelte den neuen Krieger. Schneeflügel, seine Mutter, schleckte ihm voller Begeisterung einmal quer über das Gesicht. Schattenflamme hatte größte Mühe, sich seiner Mutter zu entziehen, um zu Schwarzstern zu gehen und ihm voller Respekt die Schulter zu lecken. Dann kehrte er neben Milchkralle zurück, die ihm wohlwollend zunickte. Von diesem Augenblick an waren sie nicht mehr Mentorin und Schüler, sondern gleichberechtigte Krieger, die Seite an Seite kämpfen würden. Man konnte Milchkralle ansehen, wie viel ihr dieser Moment bedeutete. Als nächstes waren Fleckennase und Dachspfote an der Reihe. Die beiden schwarzweißen Katzen und Gefährten saßen dicht nebeneinander in der ersten Reihe. Schwarzstern nickte beiden zu. „Fleckennase, bist du davon überzeugt, dass deine Schülerin dazu bereit ist eine Kriegerin zu werden?“ „Ja, sie ist bereit.“ „Ich, Schwarzstern, Anführer des FeuerClans, rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diese Schülerin herabzublicken. Sie hat hart trainiert, um euren edlen Gesetzen gehorchen zu können, und ich empfehle sie euch nun als Kriegerin. Dachspfote, versprichst du, das Gesetz der Krieger einzuhalten, den Clan zu beschützen und zu verteidigen, selbst deinem Leben?“ Ihr Blick war fest entschlossen. „Ich verspreche es.“ Fleckennase himmelte sie in jeder einzelnen Sekunde an, so viel verriet sein Blick für sie. „Dann gebe ich dir, mit der Kraft des SternenClans, deinen Kriegernamen. Dachspfote, von diesem Augenblick an wirst du Dachsfuß heißen. Der SternenClan ehrt dein Temperament und deine Entschlossenheit und wir heißen dich als vollwertige Kriegerin im FeuerClan willkommen.“ „Dachsfuß! Dachsfuß! Dachsfuß!“ Der Clan bejubelte sie, doch Sturmherz fiel auf, dass Nebelstreif, der am äußeren Rand der Versammlung saß, weniger enthusiastisch bei der Sache war. Die beiden hatten sich nie wirklich miteinander versöhnt, nachdem er sie als Schüler hintergangen hatte und eine große Mitschuld an dem Unfall trug, der sie beinahe das Leben gekostet hatte. Schließlich straffte Sturmherz seine Schultern. Nun waren er und Flockenpfote an der Reihe. Sein Schüler saß direkt neben ihm, den Blick gedankenverloren nach vorne gerichtet. „Was ist los, freust du dich nicht?“, flüsterte er Flockenpfote zu. Dieser drehte seinen Kopf leicht in die Richtung seines Mentors. In seine Augen trat ein sehr trauriger Blick. „Ich werde kein Krieger. Schwarzstern wird mich nicht zum Krieger ernennen.“ Das brachte Sturmherz aus dem Konzept. Er blinzelte verwirrt und beugte sich noch näher zu Flockenpfote heran, um über den Jubel des Clans hinweg sprechen zu können. „Wovon redest du?“ Schwarzstern hatte ihm nach den Prüfungen nichts Gegenteiliges mitgeteilt. Sie hatten sich über die Prüfungen aller drei Schüler unterhalten, die Ergebnisse miteinander geteilt und dann hatte Schwarzstern sich bis gerade eben zurückgezogen. Es gab keinen Grund, Flockenpfote durchfallen zu lassen, da er wie die anderen die drei verlangten Tiere als Frischbeute gefangen hatte, wenn auch kurz vor knapp. Doch Flockenpfote schüttelte den Kopf. „Der andere Kater hat es mir gesagt. Er hat gesagt, Schwarzstern wird mich nicht ernennen. Ich glaube, er mag mich nicht.“ „Welcher andere Kater? Flohnacken? Hast du ihn gesehen? Er ist nur ein Einzelläufer, ignorier ihn. Er ist alt und krank. Du hast alles richtig gemacht.“ Nun war Flockenpfote es, der Sturmherz ziemlich verwirrt ansah. „Flohnacken heißt er also? Er ist nicht nur ein Einzelläufer, er ist mehr als das.“ „Nein, er ist ein stinkender, verflohter Kater, der nicht auf unser Gebiet gehört.“ Die beiden starrten sich einen Herzschlag lang an, bis Schwarzstern sich erneut räusperte und Ruhe im Clan einkehrte. Die anderen tuschelten leicht, verstummten aber und warfen nun Sturmherz und Flockenpfote ihre Blicke zu. Etwas in Schwarzsterns Blick veränderte sich. Und genau das war, was Sturmherz nun verunsicherte. „Leider muss ich euch mitteilen, dass die dritte Kriegerprüfung kein Erfolg war. Flockenpfote hat es nicht geschafft und wird weiterhin ein Schüler von Sturmherz bleiben. Damit beende ich die heutige Versammlung. Schattenflamme und Dachsfuß werden die Nacht über Wache halten.“ Was wie ein Nebensatz klang, ließ eine Bombe platzen. Ein Teil des Clans schnappte erschrocken nach Luft und warf sich verwirrte Blicke zu, ein anderer Teil knurrte und starrte zu den beiden herüber. Blaukralle kniff die Augen leicht zusammen. Er wartete nicht einmal, bis Schwarzstern in seinen Bau zurückgekehrt war, sondern polterte direkt los. „Der Schüler des Zweiten Anführers hat es also nicht geschafft? Eine Blamage, wenn ihr mich fragt. Eine Blamage für den ganzen Clan!“ Rosentau stimmte ihm sogleich überschwänglich zu, was Sturmherz nicht verwunderte, doch sogar Eisbart und Rindentänzer stimmten mit ein. Selbst Herbstwolke schnalzte kopfschüttelnd mit der Zunge. Milchkralle und Fleckennase starrten Sturmherz mit großen Augen an. „Wieso hast du uns nicht vorher gesagt, dass Flockenpfote es nicht geschafft hat?“ In Milchkralles Worten schwang ein großer Vorwurf mit. „Weil ich davon bis gerade eben selbst nichts gewusst habe!“, zischte Sturmherz zurück, doch er war zu laut, Blaukralle hatte es gehört. „Sieh an, unser Anführer berät sich also nicht einmal in allen Angelegenheiten mit dir. Ein toller Zweiter Anführer musst du sein, Sturmherz.“ Sturmherz legte die Ohren an, wusste nicht, auf wessen Vorwürfe er zuerst reagieren wollte. Und dann sah er auch noch, wie Flockenpfote sich mit hängenden Schultern lautlos aus dem Lager stahl. Er wollte seinem Schüler beistehen, sich Blaukralle stellen, mit Schwarzstern reden – alles zur gleichen Zeit. Er atmete einmal tief durch, drehte dem Clan den Rücken zu und sprang den Felsen hinauf, um zu Schwarzstern in dessen Bau zu gehen. Aufgebracht stapfte er dem Anführer hinterher. „Schwarzstern, wir müssen reden!“ Der Anführer grummelte aus der hintersten, dunkelsten Ecke seiner kleinen Höhle. „Die Versammlung ist beendet.“ „Ja, aber ich bin dein Zweiter Anführer und du behandelst mich nicht so“, platzte es aus ihm heraus, als er vor dem schwarzen Kater zum Stehen kam. „Wieso hast du mir verschwiegen, dass Flockenpfote durchgefallen ist? Es hat keinen Grund dafür gegeben, er hat deine Aufgaben alle geschafft. Also wieso? Wieso hast du das getan? Du zerstörst damit seine Chance auf ein normales Leben im Clan! Er hat es auch so schon schwer genug!“ „Und genau aus diesem Grund habe ich ihn durchfallen lassen.“ „Das ergibt keinen Sinn!“ Frustriert ließ Sturmherz sich auf den Bauch fallen, verbarg die Pfoten unter seinem Körper und funkelte seinen Anführer wütend an. „Erklär es mir, das bist du mir schuldig!“ „Ich? Oh nein, ich bin dir gar nichts schuldig“, schnarrte Schwarzstern plötzlich. „Ich habe dich in meinem Clan aufgenommen, als du in der Wildnis umhergeirrt bist. Du bist ein ehemaliges Hauskätzchen und ich hätte jedes Recht gehabt, dich in den Tod fortzujagen. Aber der SternenClan wollte, dass du bleibst. Du hast uns vor dem Bären gerettet und auch das Problem mit dem WasserClan gelöst. Dafür bin ich dir dankbar, Sturmherz. Aber ich schulde dir nichts. Rein gar nichts.“ „Das erklärt nicht, wieso du es mir trotzdem so schwer machst.“ Der Anführer seufzte. „Ich habe dir nie gesagt, welches meiner Leben ich gerade lebe, nicht wahr?“ Sturmherz überraschte dieser Themenwechsel. „Nein, hast du nicht.“ Schwarzstern nickte. „Dann wird es Zeit dafür. Du sollst nicht denken, dass ich dich nicht als Zweiten Anführer haben möchte.“ Er seufzte. „Ich bin nicht blind, weißt du? Mir ist klar, dass Schneeflügel und Borkenschnabel HalbClan-Jungen gezeugt haben.“ Sturmherz klappte der Unterkiefer herunter. „Du weißt es?“ Schwarzstern schnaubte. „Natürlich weiß ich es. Es ist mein Clan. Es ist meine Aufgabe, über alles Bescheid zu wissen. Aber ich habe Schneeflügel nie darauf angesprochen, weil sie und Borkenschnabel kein Paar sind. Sie war eine gute, fürsorgliche Königin und sie ist unserem Clan treu ergeben, mehr will ich nicht. Aber auch der restliche Clan ist nicht blind. Schattenflamme sieht aus wie einer aus dem FeuerClan. Frostzahn hat zwar das lange, dichte Fell seines Vaters geerbt, aber er ist nicht so groß wie die Krieger aus dem ErdClan. Flockenpfote hingegen … Er hat sowohl das lange Fell als auch die Größe des ErdClans. Alleine sein Aussehen macht ihn zu seinem Außenseiter und ich kann das beurteilen, weil es mir damals auch so ging. Dazu kommt, dass Flockenpfote ein Herz aus Gold hat. Er würde niemals stumm Befehlen folgen, wenn es seiner Überzeugung widerspricht. Noch mag er das zwar selbst nicht ahnen, doch in ihm steckt ein Rebell. Dafür ist der Clan noch nicht bereit.“ „Und wieso hast du ihn dann trotz seiner guten Leistung durchfallen lassen?“ „Hätte ich das nicht getan, hätte es noch mehr Unruhen um seine Person gegeben. Blaukralle hat einige berechtigte Kritikpunkte“, bei diesen Worten zuckte Sturmherz zusammen, „und es wird schlimmer werden, wenn ich ihm und seinen Freunden das Gefühl gebe, dass ich dir und Flockenpfote alles durchgehen lasse und dein Leben im Clan viel zu perfekt läuft. Schon jetzt kriege ich oft zu hören, du wärst mein Liebling. Seien wir doch mal ehrlich, Sturmherz. Flockenpfote ist nicht der beste Schüler und das wird er auch nie sein. Er ist mit dem Herzen dabei, aber seine heutige Leistung ist im mittelmäßigen Bereich gewesen. Es würde der allgemeinen Stimmung im Clan nicht schaden, wenn du dich noch ein oder zwei Monde auf das Training deines Schülers konzentriert, um im Anschluss daran allen zeigen zu können, dass du aus so einem schwierigen Fall einen guten, zuverlässigen Krieger gemacht hast. Das wird einen Großteil deiner Kritiker verstummen lassen.“ Sturmherz schwieg eine Weile, dann grunzte er und setzte sich auf die Hinterläufe. „Das hättest du mir vorher sagen müssen. Du hast mich eiskalt überrascht mit diesem Plan.“ Schwarzstern bleckte leicht die Zähne. „Dann wäre es keine Überraschung mehr gewesen. Die anderen hätten gemerkt, dass du Bescheid weißt.“ „Und ich finde es nicht in Ordnung, dass du das alles auf Flockenpfotes Rücken austrägst.“ „Er ist ein HalbClan-Kater. Wenn das raus kommt, wird er es noch viel schwerer haben. Nur mit der Zeit wird er dem Clan zeigen können, dass er dazu gehört.“ „Schattenflamme und Frostzahn haben diese Probleme nicht. Das ist nicht fair.“ „Natürlich ist es nicht fair, aber so ist das ganze Leben.“ Wieder bleckte Schwarzstern die Zähne. „Ich lebe mein vorletztes Leben, Sturmherz. Niemand weiß, wie lange ich noch Anführer sein werde. Es ist an der Zeit, dass du lernst, den FeuerClan durch Zeiten der Unstimmigkeiten und Unruhen zu führen. Doch dafür musst du dir den Respekt eines jeden einzelnen Kriegers verdienen.“ „Blaukralle und Rosentau werden mich niemals als zukünftigen Anführer akzeptieren.“ „Du siehst in Blaukralle nur das Böse, doch so ist er nicht. Er hat Prinzipien und er ist ein guter, loyaler Krieger. Wenn du es schaffst, ihn davon zu überzeugen, dass er dich als Anführer akzeptiert, wirst du keinen besseren Krieger an deiner Seite haben können.“ „Und wenn es niemals so weit kommen wird? Was, wenn Blaukralle in mir niemals einen Anführer sehen kann?“ Schwarzsterns Blick glitt in die Ferne. „Jeder Anführer hat seine Prüfungen. Das wird deine sein.“ Sturmherz stand auf, schüttelte sich und stieß einen Schwall Luft aus. „Eine Frage habe ich noch, Schwarzstern. Dann gehe ich wieder. Wieso hast du nicht Blaukralle zu deinem Zweiten Anführer gemacht?“ Der Anführer taxierte Sturmherz nur leicht, ehe er die Augen schloss und gähnte. „Wer weiß? Vielleicht hat mich der SternenClan etwas sehen lassen, was mich zu dieser Entscheidung bewogen hat. Ich möchte, dass mein Clan nach meinem Tod in guten Pfoten liegt. Du und Blaukralle, ihr beide seid junge, dynamische, mutige, loyale und ehrgeizige Krieger. Es hat für mich nie eine andere Wahl gegeben als euch beide. Egal welche Herausforderungen in der Zukunft auf den FeuerClan zukommen werden, ich weiß, dass ihr beide für alle zukünftigen Generationen von Kriegern da sein werdet. Und nun geh bitte, ich möchte schlafen.“ Sturmherz senkte respektvoll den Kopf, drehte sich um und ging. Als er zurück in das Lager trat, hatten sich die anderen Clanmitglieder bereits verstreut, doch er spürte, dass hin und wieder ein Augenpaar auf ihm lag. Und noch ein Gefühl tief in seinem Inneren wurde er einfach nicht los. Er spürte, dass Schwarzstern mehr wusste, als er ihm gesagt hatte. Blaukralle und er. Gemeinsam? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)