Stormpaw's Destiny von Kalliope (Warrior Cats - New Clans, New Stories) ================================================================================ Kapitel 19: ------------ Niemand wusste, wie es jetzt weitergehen sollte. Haselschweif und Schwarzstern waren nur noch zu zweit anzutreffen, tuschelten miteinander und sahen dabei unendlich müde aus. Die Patrouillen an der Grenze zum WasserClan waren erwartungsgemäß verstärkt worden, weshalb jeder Krieger nun einem strengen Zeitplan zu folgen hatte. Morgenpatrouille, Jagd, Mittagspatrouille, Ausbildung der Schüler oder Kampftraining, Abendpatrouille, Nachtpatrouille. Und am nächsten Tag wieder von vorne. Sturmherz gähnte und lag träge auf einem umgestürzten Baumstamm. Neben ihm saß Milchkralle kerzengerade und überwachte mit Adleraugen den Probekampf von Schattenpfote und Flockenpfote. Hin und wieder korrigierte sie die beiden Schüler oder warf Sturmherz einen bösen Blick zu, doch ihm war das egal. Er hatte die halbe Nacht auf den Pfoten verbracht und nun fielen ihm die Augen einfach zu. Irgendwo im Hintergrund das gleichmäßige Trappeln der Pfoten auf dem sandigen Untergrund nahe des Ufers. Weit entfernt die Stimmen der anderen. Das Rauschen des Bachs. Das Rascheln der Blätter. Das alles trug ihn fort vom FeuerClan, bis er in eine blaugraue Umgebung eintauchte. Silbrige Bäume wuchsen in Sekundenschnelle aus dem Boden und ragten über ihm auf wie lautlose Giganten. Er schaute sich um, sprang von seinem Baumstamm herunter und folgte dem Weg zurück zum Lager. Alles war wie immer, nur anders. Der Weg hätte weiter sein müssen, doch plötzlich lag der Hang, der hinab zum Lager führte, schon vor ihm. Noch drei Schritte mehr und so leicht wie eine Feder war er hinab geschwebt, direkt durch das Gestrüpp hindurch. Nun stand er mitten im Lager des FeuerClans, blinzelte und sah zum Heilerbau. Wie magisch zog es ihn darauf zu. Ein einziger Schritt genügte und er stand vor dem Bau. Vor ihm lag ein Körper, zusammengerollt und verletzlich, schwarz und weiß und von einem dunklen, schattigen Schleier umhüllt. Dennoch sah er das gleichmäßige Pulsieren des Herzschlags, der die Schatten erzittern ließ. Er trat zurück. Sturmherz wusste, wer das war, aber er wusste nicht, wieso er ausgerechnet von Dachspfote träumte. Und wo waren die Heiler? Wieso waren sie alleine? Er kehrte zur Mitte des Lagers zurück, setzte sich hin und blickte ratlos in den Himmel empor, der kein Himmel war, sondern tiefblaue, unendliche Weite, übersät vom Sternenvlies. Der Geruch einer Blumenwiese an einem sonnigen Sommermorgen kitzelte Sturmherz in der Nase und er wusste bereits, dass dieser warme, blumige Geruch zu der Katze gehörte, die ihn schon ein paar Mal in seinen Träumen besucht hatte. Er hörte ihre Schritte zwar nicht, doch als sie in sein Sichtfeld trat, verwunderte es ihn nicht. Höflich nickte er ihr zu. Sie folgte seinem Blick zu Dachspfote, die in Honigblütes Bau lag. „Du machst dir Sorgen um sie, nicht wahr?“ „Wir alle machen uns Sorgen um sie, besonders Fleckennase. Diese … Schatten, die ihren Körper umhüllen. Wacht sie deshalb nicht auf?“ Die Namenlose bewegte ihren buschigen, hellen Schwanz sacht hin und her. „Teilweise, ja. Sieh dort.“ Mit dem Kopf nickte sie in Richtung des Schülerbaus, dem Sturmherz bislang keine Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Dort saß, ganz unverkennbar, Dachspfote. Ihr Körper war ebenso silbrig wie der seiner Begleiterin. Sie starrte in den Baum hinein, dann erhob sie sich, stapfte mit wütendem Blick quer über das Lager. „Sie sieht uns nicht?“ „Sie würde uns sehen, wenn sie nicht blind vor Wut wäre. Rede mit ihr, Sturmherz. Vielleicht hört sie auf dich.“ Er zögerte, setzte sich dann jedoch gegenüber von Dachspfote auf den Boden und räusperte sich. „Dachspfote?“ Sie reagierte nicht. „Dachspfote.“ Eines ihrer Ohren zuckte minimal. Er seufzte erneut, blickte hilflos zu der silbern leuchtenden Katzendame. „Was soll ich tun?“ Sie lächelte. „Du schaffst das. Ich glaube an dich. Du wirst das Richtige tun. Du wirst immer das Richtige tun.“ Dann verblasste sie und mit ihr verschwand der Geruch der Sommerwiese. Wieso nur hatte sie ihm das Gefühl vermittelt, dass sich ihre Worte, er würde das Richtige tun, nicht nur auf Dachspfote bezogen? Sturmherz schüttelte sich, dann stand er auf und trat direkt vor die Schülerin. „Dachspfote! Ich weiß nicht, ob du mich nicht hören kannst oder nicht hören willst. Aber ich bin hier, bei dir. Ich bin es, Sturmherz.“ Er pausierte kurz. Ihr Gesicht zeigte keine Reaktion, doch beide Ohren waren nun auf ihn gerichtet. Das war besser als nichts. „Der ganze Clan trauert bereits um dich. Wir alle wünschen uns, dass du wieder wach wirst, auch Nebelstreif. Ja, er ist zum Krieger ernannt worden, aber das heißt nicht, dass er besser ist als du. Du bist du und niemand wird dich jemals ersetzen können! Denk nur an Fleckennase! Jeden Tag sitzt er bei dir, kümmert sich um dich und betet zum SternenClan, dass du endlich aufwachst. Er … er liebt dich, Dachspfote. So sehr, wie ein Mentor seine Schülerin nur lieben kann.“ Und vielleicht auch noch weit darüber hinaus. Ihre Ohren zuckten, ihr Körper begann zu zittern und ihr Blick klarte auf. Sie blinzelte, schien überrascht, ihn hier zu sehen. „Sturmherz? Wieso …“ Er nutzte den Augenblick und deutete mit seinem Schwanz auf ihren eingerollten Körper im Heilerbau. „Das dort drüben bist du. Lange wird dein Körper es nicht mehr ohne dich schaffen. Bitte, Dachspfote. Kehre zu uns zurück. Komm zurück ins Leben. Der SternenClan wird jeden von uns noch früh genug bekommen. Wenn du beweisen willst, was für eine Kämpferin in dir steckt, dann kämpfe dich zurück ins Leben!“ Sie schluckte, stand auf, trat unentschlossen auf der Stelle. Dann verdunkelten sich ihre Augen wieder und sie sah durch ihn hindurch, doch ihr Blick war weiterhin auf den Heilerbau gerichtet. Ein Schritt. Noch einer. „Ja, weiter so! Du schaffst das!“ Er feuerte sie an, auch wenn er sich sicher war, dass sie ihn längst nicht mehr hören oder sehen konnte. Dennoch verfolgte er jeden ihrer Schritte, bis sie über ihrem Körper stand. Das silberne Licht, das sie selbst durchdrang, sprang auf ihren eingerollten Körper über, verjagte die dunklen Schatten und gab für einen Moment den Blick frei auf das reine, schwarzweiße Fell. Sie seufzte, warf einen letzten Blick zurück – wohin, wusste er nicht, doch er sah Schmerz und Sehnsucht in ihren Augen. Dann trat sie vor. Ihre Pfoten durchdrangen ihren Körper, sie legte sich, verschmolz mit sich selbst, Dachspfote zu Dachspfote, dann verblasste auch sie, verschwand, ließ Sturmherz alleine zurück. Er starrte auf die Stelle, an der Dachspfote verschwunden war. War es das gewesen? Bedeutete dies, dass sie aufgewacht war? Sturmherz wollte Antworten, suchte mit den Augen nach seiner mysteriösen Gefährtin, doch sie blieb ebenfalls verschwunden. Das hier waren keine gewöhnlichen Träume, da war er sich sicher. Es war mehr als das – der SternenClan, wie ihm eine leise, innere Stimme vertrauensvoll zuflüsterte – aber wieso er? Und wer war sie, die ihn immer wieder zu sich rief, die ihm beistand und ihn überhaupt erst zum FeuerClan geführt hatte? Fragen, aber keine Antworten. Mit einem lauten Krachen zerbrach die Lichtung in tausende leuchtende Scherben, schleuderte ihn in ein schwarzes Loch. Er fiel. Sturmherz keuchte auf, als er auf den Boden schlug, riss die Augen auf, verwirrt, geschockt. Sein Herz raste vor Überraschung und Angst. Milchkralle saß vor ihm und warf ihm einen tadelnden Blick zu, doch der Schalk blitzte gleichzeitig in ihren Augen auf. „Und deshalb, liebe Schüler, sollte man niemals seine Deckung vernachlässigen. Vielen Dank, Sturmherz, dass du uns so hervorragend demonstriert hast, wie sich ein Krieger in Krisenzeiten nicht verhalten sollte.“ Hinter ihr standen Schattenpfote und Flockenpfote und grinsten vor sich hin. Sturmherz schüttelte sich den Dreck aus dem Fell, stand auf und schnitt eine Grimasse. „Gerne.“ Sie öffnete den Mund, um noch etwas dazu zu sagen, doch in diesem Moment preschte Frostpfote als blaugrauer Blitz aus einem Gebüsch hervor. „Schnell, kommt mit! Fleckennase schickt mich! Dachspfote – sie ist aufgewacht! Sie lebt und es geht ihr gut!“ *** Der ganze Clan hatte sich rund um den Bau der Heiler und Königinnen versammelt. Honigblüte sah genervt aus und fauchte hier und dort jemanden an, zurückzutreten. „Ja, sie ist wach, aber sie braucht trotzdem weiterhin Ruhe!“, schnarrte sie in Richtung von Herbstwolke, die als Erste einen Blick auf Dachspfote erhaschen wollte. Herbstwolke verzog empört das Gesicht. „Sie ist die Schülerin meines Sohnes, es ist mein gutes Recht …“ Honigblüte unterbrach sie mit angelegten Ohren. „Niemand hat hier etwas zu verlangen, du schon gar nicht!“ Dann, etwas milder, fügte sie hinzu: „Schwarzstern und Haselschweif sind bei ihr. Geht jetzt wieder an eure Aufgaben. Ihr werdet Dachspfote noch früh genug sehen können.“ Die meisten grummelten vor sich hin, taten jedoch, was die Heilerin ihnen befohlen hatte, und kehrten dem Heilerbau den Rücken zu. Sturmherz wartete geduldig, bis Honigblüte ihn endlich bemerkte. Sie sah ihn zwar noch immer genervt an, aber ihre Schwanzspitze wippte leicht zur Seite, was bedeutete, dass er reingehen durfte. Im Inneren des Heilerbaus war es ganz schön eng geworden. Kräuter, Beeren und andere Pflanzenteile stapelten sich in kleinen Kuhlen entlang der Wände, bis der Bau zu einer überraschend geräumigen Höhle wurde. Haselschweif und Schwarzstern verabschiedeten sich gerade von Fliederpfote, Dachspfote und Fleckennase und nickten Sturmherz im Vorbeigehen zu. „Du bist wach, das freut mich“, sagte Sturmherz und musste sofort an seinen merkwürdigen Traum denken. Vielleicht war er ja doch beim SternenClan gewesen. Konnte sie sich an ihre Zeit dort erinnern? Dachspfote saß auf ihren Hinterläufen und starrte ihn aus großen, erschöpften Augen an. In der Zeit ihrer Krankheit hatte sie die Hälfte ihres Gewichts verloren und bestand nun nur noch aus Haut und Knochen. Jede einzelne Rippe konnte man durch das matt glänzende Fell sehen. Aber sie lebte, sie war wach, sie war wieder bei ihnen. „Ich sehe schrecklich aus“, waren ihre ersten Worte an Sturmherz, dem es nicht entging, dass Fleckennase sofort neben sie rückte und sie sich gegen ihn lehnte. „Du siehst immer noch wundervoll aus“, besänftigte Fleckennase sie sofort und leckte ihr über den Kopf. „Ich werde für dich jagen gehen und dir so viel Frischbeute bringen, wie du nur fressen kannst. Bis die Blattleere kommt, bist du wieder ganz die Alte.“ „Na das will ich aber auch meinen, dass du für sie jagen gehst“, kommentierte Honigblüte vom Eingang der Höhle aus und setzte sich neben ihre Patientin. „Sie ist viel zu dünn geworden. Sobald die Temperaturen noch weiter fallen oder es gar anfängt zu schneien, wird sie es nicht schaffen.“ Eine Sekunde verstrich. Noch eine. Und noch eine. Genervt drehte sie den Kopf zu Fleckennase um. „Wir haben bereits Dezember. Es kann jeden Tag anfangen zu schneien. Ich würde dir empfehlen, dich in Bewegung zu setzen, wenn du nicht willst, dass deine Schülerin den Hungertod stirbt.“ Ihre Worte waren ein Stich mitten in Fleckennases Herz. Er funkelte sie böse an, stand auf und stapfte ohne ein weiteres Wort nach draußen. Auch Dachspfote konnte sich eine bittere Miene nicht verkneifen. „Er hat gut für mich gesorgt, nicht wahr?“ „Ja, das hat er.“ „Dann hättest du ihn nicht so angiften müssen.“ Honigblüte schnaubte belustigt. „Sag bloß, während deiner Zeit beim SternenClan hast du deine Meinung über deinen Mentor geändert.“ „Ich …“ Dachspfote knetete unsicher den Boden. „Also … Fliederpfote hat mir erzählt, was Fleckennase alles für mich getan hat. Er hat mich nach dem Schlangenbiss gerettet und ist keinen Tag von meiner Seite gewichen.“ Fliederpfote nickte bekräftigend. Honigblüte lachte einmal trocken auf. „Ja, er hat alles für dich getan. Ein bisschen Dankbarkeit wäre wirklich das Mindeste, was du ihm entgegenbringen könntest. Du warst viele Tage auf der Schwelle zum Tod. Halb beim SternenClan, halb bei uns. Weder Fliederpfote noch ich haben dich erreichen können, du stures Ding.“ Dachspfotes Nackenhaare stellten sich auf. „Ich kann mich an fast nichts mehr erinnern, aber ich weiß, dass ich nicht alleine gewesen bin! Da war jemand bei mir, ich konnte sie nur nicht sehen. Aber ich habe sie gespürt. Und dann … Ich glaube, dass für eine Weile noch jemand bei mir war. Kurz bevor ich aufgewacht bin.“ Ihr Blick huschte unsicher in der Höhle umher. „Aber ich bin mir nicht mehr sicher.“ „Du hast vermutlich nur einen Fiebertraum gehabt“, entgegnete Honigblüte spitzzüngig. „Ich bin die Heilerin deines Clans. Wenn ich dich nicht erreichen konnte, wer dann?“ Sie ließ die Frage unbeantwortet im Raum stehen, stand wieder auf und blieb vor Sturmherz stehen. „Und du kannst jetzt auch gehen. Raus hier, los.“ Sturmherz parierte sogleich, wünschte Dachspfote weiterhin gute Besserung und ließ die übellaunige Heilerin mit ihrer Schülerin und Patientin zurück. Dachspfote konnte sich also an nichts mehr erinnern, auch nicht, dass er bei ihr gewesen war. Aber diese andere Gestalt, die sie nicht alleine gelassen hatte … Er glaubte, dass es dieselbe Katze war, die auch ihn schon mehrfach zum SternenClan geführt hatte. Wer war sie nur? *** In den nächsten Tagen erholte sich Dachspfote relativ schnell. Sie sah zwar immer noch aus wie ein Schatten ihrer selbst, doch von Tag zu Tag bauten sich ihre Muskeln wieder auf und sie legte an Gewicht zu. Lediglich ihr Hinterbein, das von dem Schlangenbiss in Mitleidenschaft gezogen war, bereitete ihr einige Probleme. Schmerzen hatte sie zwar keine mehr, aber ein Teil des Muskels musste dauerhaft geschädigt worden sein, denn sie zog das Bein hinterher und musste erst lernen, damit richtig zu laufen. Nebelstreif hatte sich zunächst von seiner Schwester ferngehalten, doch irgendwann war sein schlechtes Gewissen größer geworden und er hatte die Aussprache gesucht. Dachspfote hatte sich, mit Fleckennase an ihrer Seite, angehört, was ihr Bruder ihr zu sagen hatte, doch verziehen hatte sie ihm sein Verhalten nicht. Sturmherz glaubte zwar nicht, dass es zwischen den beiden noch einmal offen zu Streit kommen würde, doch fortan behandelten sie sich mit einer eisigen Gleichgültigkeit, die der zwischen Sturmherz und Blaukralle in nichts nachstand. „Ich hätte mir gewünscht, dass die beiden sich wieder miteinander versöhnen“, gestand er Fleckennase eines Abends seufzend. „Sie brauchen einander. Sie haben doch nur noch sich selbst und keine Eltern mehr.“ Fleckennase rümpfte die Nase. „Dachspfote hat mich. Den ganzen Clan. Weder sie noch Nebelstreif werden jemals alleine sein.“ „Ja, schon … Aber das ist nicht das, was ich meinte.“ Sturmherz war als Außenseiter in den FeuerClan gekommen. Er dachte so gut wie gar nicht mehr an seine Mutter oder seine sieben Geschwister, aber er fragte sich trotzdem manchmal, was aus ihnen geworden war. Es war eben doch noch einmal etwas anderes, wenn man die Blutsverwandten in der Nähe hatte oder nicht. Auf einmal tauchten Schwarzstern und Haselschweif im Blickfeld auf. Sie hatten Rindentänzer, Frostpfote und seinen eigenen Schüler im Schlepptau. Schwarzstern blieb vor Sturmherz stehen. „Ich möchte, dass du uns zum ErdClan begleitest.“ „Zum ErdClan?“, fragte Sturmherz überrascht, stand aber bereits auf. „Wieso das?“ Haselschweifs Schwanz zuckte unruhig hin und her. Seine Augen waren leicht aufgerissen, als würde er jeden Augenblick mit einem Angriff rechnen. „Wir werden Löwenzahnstern besuchen und um ein offizielles Bündnis zwischen dem FeuerClan und dem ErdClan bitten.“ Dann fügte er noch etwas gedämpfter hinzu, sodass es nur Fleckennase und Sturmherz hören konnten: „Uns ist zu Ohren gekommen, dass sich der WasserClan und der LuftClan ebenfalls offiziell verbündet haben. Silberstern lässt den LuftClan sogar auf ihrem Territorium jagen, dafür hat sie sich die vollständige Kampfkraft des LuftClans gesichert.“ Schwarzstern schaute grimmig drein. „Wir müssen damit rechnen, dass Silberstern ihre Drohnung wahr macht und sich auf einen großen Angriff vorbereitet. Es kann jederzeit soweit sein und dafür müssen wir gewappnet sein.“ Er nickte zur Seite in Richtung Ausgang und ging voran. Sturmherz blieb nicht mehr Zeit, als einen kurzen Blick mit Fleckennase zu wechseln. Dieser sah etwas ängstlich aus, doch kaum dass sie den Bau der Krieger hinter sich gelassen hatten, traten bereits die anderen auf Fleckennase zu und wollten tuschelnd wissen, was los war. Wie immer gab Schwarzstern ein strammes Tempo vor. Im Laufschritt durchquerten sie das Gebiet des FeuerClans und mit dem Sonnenuntergang vor Augen überquerten sie den Bach, der ihre Reviere voneinander trennte. Auf der anderen Seite wurden sie bereits von Borkenschnabel und Dämmerschweif erwartet. Die beiden Krieger wachten wie flauschige Riesen über die Grenze und senkten respektvoll den Kopf, als Schwarzstern näher kam. „Folgt uns zum Lager des ErdClans“, sagte Dämmerschweif mit seiner tiefen Stimme. Sturmherz ließ sich zwei Fuchslängen zurückfallen, um auf einer Höhe mit Rindentänzer und den beiden Schülern zu laufen. „Wie genau habt ihr davon erfahren, dass Silberstern sich auf einen Angriff vorbereitet?“ Rindentänzer, der ohnehin nicht sonderlich gesprächig war, peitschte mit seinem buschigen Schwanz durch die Luft. „Borkenschnabel und Dämmerschweif haben meine Patrouille an der Grenze abgefangen. Sie haben bereits auf uns gewartet. Löwenzahnstern hat sie geschickt. Er fand es nur gerecht, dass Schwarzstern davon erfahren sollte.“ Frostpfote stand seinem Mentor in Sachen Grimmigkeit in nichts nach. Er blickte mit ernster Miene umher. „Wenn sie uns angreifen, müssen wir vorbereitet sein. Der WasserClan darf nicht gewinnen.“ „Natürlich nicht!“, sagte Flockenpfote und seine großen Augen richteten sich auf Sturmherz. „Das wäre gemein! Sie sind nicht im Recht und der SternenClan wird uns zum Sieg leiten, nicht wahr?“ Sturmherz seufzte. Er wollte seinem Schüler Mut machen, aber er wusste nicht, wie. „Ich befürchte, zunächst sind wir auf uns alleine gestellt. Der SternenClan wird nur eingreifen, wenn es gar nicht mehr anders geht.“ „Also werden wir wirklich kämpfen müssen?“ Dieses Mal war Flockenpfotes Stimme leiser, ängstlicher. „Aber ich will nicht gegen den WasserClan kämpfen. Ich will niemandem wehtun müssen.“ „Manchmal muss ein Krieger tun, was ein Krieger tun muss“, brummte Rindentänzer, ehe er wieder in sein stoisches Schweigen fiel. Sturmherz kannte den Weg bereits, weil er Fliederpfote zum ErdClan-Heilerschüler begleitet hatte, doch er hielt sich zurück und überließ den ErdClan-Kriegern die Führung. Bald schon wurde der Geruch des Clans immer intensiver, bis sie schließlich vor dem Eingang zum Lager standen. Das Lager befand sich wind- und wettergeschützt unterhalb eines riesigen Rhododendron-Geflechts. Der Eingang war leicht zu übersehen, aber wenn man genau hinschaute, konnte man den ausgetretenen Weg erkennen. Kaum kamen sie in Sichtweite, trat auch schon Löwenzahnstern mit seiner Stellvertreterin Kirschliebe aus dem Rhododendron heraus. Die beiden Anführer begrüßten sich mit einem ernsten Kopfnicken. „Es tut mir leid, dass Silberstern bereit ist, so weit zu gehen.“ „Dafür kannst du nichts“, sagte Schwarzstern seufzend. „Es ist ihre Entscheidung gewesen.“ „Und Wacholderstern unterstützt sie“, fügte Löwenzahnstern kopfschüttelnd hinzu. „Wie dem auch sei. Ich hörte, du möchtest mit mir sprechen.“ Schwarzstern nickte. „Ich möchte dich darum bitten, ein offizielles Bündnis mit dem FeuerClan einzugehen. Der LuftClan und der WasserClan haben sich verbündet und nur gemeinsam können wir den beiden Clans etwas entgegen setzen. Es geht mir nicht darum, mein Territorium zu vergrößern, sondern um Verteidigung.“ „Das weiß ich, Schwarzstern.“ Der große Anführer des ErdClans seufzte. „Und genau darum habe ich mir ebenfalls Gedanken gemacht. Wie du weißt, hält sich der ErdClan für gewöhnlich aus den Angelegenheiten der anderen Clans heraus, aber den ErdClan und den FeuerClan verbindet seit einigen Jahren eine tiefe Freundschaft … und auch ich möchte dich als Freund nicht im Stich lassen. Aus diesem Grund möchte ich hiermit deinem Gesuch zustimmen. Ich werde dafür sorgen, dass Tag und Nacht eine Patrouille in der Nähe unserer gemeinsamen Grenze positioniert ist. Sollte Silberstern euch angreifen, könnt ihr uns Bescheid geben und wir werden euch schnellstmöglich zur Hilfe eilen.“ „Ich danke dir, Löwenzahnstern.“ Kirschliebe, die für eine Katze aus dem ErdClan ungewöhnlich klein war, räusperte sich. „Bedenk jedoch, dass der ErdClan seit jeher wenig in der Politik der anderen Clans zu suchen hatte. Wir könnten unsere neutrale Stellung verlieren, wenn wir öffentlich Partei für den FeuerClan ergreifen.“ Löwenzahnstern schaute auf die Zweite Anführerin herunter. „Es ist beschlossene Sache.“ Sie zögerte einen Moment, senkte dann ergeben den Kopf. „Natürlich, Löwenzahnstern. Ich werde dem Clan deinen Entschluss mitteilen.“ Als sie aufstand, entging Sturmherz nicht, mit welch undurchdringbarer Miene sie Schwarzstern anschaute. Auch wenn sie ihrem Anführer niemals widersprechen würde, schien sie mit dessen Entscheidung nicht einverstanden zu sein. Schwarzstern nickte zufrieden. „Damit ist es also entschieden.“ Löwenzahnstern nickte ebenfalls. „Hoffen wir, dass es nicht soweit kommen wird. Kehrt gut und sicher in euer Lager zurück.“ Die beiden Anführer verabschiedeten sich wieder voneinander, dann kehrte Löwenzahnstern ebenfalls in sein Lager zurück, dicht gefolgt von Dämmerschweif. Nur Borkenschnabel blieb zurück und musterte die beiden Schüler. „Ihr seid Schneeflügels Söhne, nicht wahr? Ich kann ihre Güte in euren Augen sehen.“ Frostpfote und Flockenpfote blickten sich verwirrt an. „Ja, sind wir“, sagte Frostpfote schließlich. „Bestellt eurer Mutter einen schönen Gruß von mir. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen.“ Noch immer war sein Blick nicht zu deuten. „Es wäre schön, sie mal wieder zu treffen. Wir haben … einige Dinge zu bereden.“ Frostpfote nickte, drehte sich dann wortlos um und folgte seinem Mentor Rindentänzer. Sturmherz schaute zwischen Borkenschnabel und Flockenpfote hin und her. Sie waren gleich groß, hatten beide fluffiges Fell und einen ähnlichen Gesichtsausdruck. Er weigerte sich, diesen Gedanken weiter zu spinnen. Das ging ihn nichts an. „Einen schönen Abend noch, Borkenschnabel.“ „Danke, euch auch.“ Der Krieger wartete nicht länger ab, sondern trottete in die entgegengesetzte Richtung davon. Flockenpfote sah ihm hinterher, bevor er an Sturmherz‘ Seite zurückkehrte. „Er ist nett.“ „Ja. Der ganze ErdClan ist nett. Ich möchte sie nicht als Feinde haben.“ „Und er kennt Mama.“ Flockenpfote lächelte in sich hinein. „Ich möchte auch mal so ein stattlicher Krieger werden wie er.“ „Das wirst du, Flockenpfote.“ Vielleicht mehr, als er dachte. *** Sturmherz wachte in der Nacht mehrmals auf, weil er träumte, der WasserClan würde im Schutz der Dämmerung angreifen. Doch jedes Mal, wenn er hochschreckte und sich panisch umsah, lagen die anderen Krieger um ihn herum auf dem moosigen Untergrund und schliefen selig vor sich hin. Der Vollmond war erst einige Nächte her und es dauerte noch, bis Honigblüte beim nächsten Halbmond zur Mondhöhle reisen konnte, um den SternenClan zu dieser Sache zu befragen. Würde Silberstern wirklich jetzt einen Angriff starten, wenn alle damit rechneten? Oder würde sie warten, bis der Schnee lag und die Blattleere sie mit voller Wucht traf? Für den LuftClan ging es um das eigene Überleben und auch für den geschwächten WasserClan stand viel auf dem Spiel. Ein frontaler Angriff vom mit dem ErdClan vereinten FeuerClan könnte sie womöglich unterwerfen, doch das würden weder Löwenzahnstern noch Schwarzstern zulassen. Der Heilige Berg brauchte vier unabhängige Clans – so war es schon immer gewesen. Nein. Nicht immer. Sturmherz dachte an die Geschichten über den SeelenClan. Einst waren es fünf Clans gewesen, die sich bildeten, nachdem sich ein großer Clan zerstritten hatte. Schon damals hatten Machtkämpfe dafür gesorgt, dass sich die Clans spalteten, bis der SeelenClan sogar vollständig verschwand. Niemand wusste, wohin der SeelenClan damals gegangen war, und gesucht hatte man nie nach ihm. Auch sprach keiner über den verlorenen Clan. Es war, als hätte es schon immer nur vier Clans gegeben. Erneut fiel Sturmherz in einigen unruhigen Schlaf. Er wälzte sich umher und fand einfach keine Ruhe. Dieses Mal träumte er vom SeelenClan, von Silberstern und von der mysteriösen Katzendame aus dem SternenClan. Wie konnte das alles nur einen Sinn ergeben? Gab es denn wirklich keine Möglichkeit, wie man Silberstern umstimmen konnte? Im frühen Morgengrauen wachte er wieder auf und fühlte sich fiebrig und verschwitzt, weil er so schlecht geschlafen hatte. Die ersten Krieger waren bereits auf den Beinen und putzten ihr Fell. Sturmherz krabbelte ebenfalls aus dem Bau der Krieger heraus, streckte sich und gähnte. Die Nachtpatrouille müsste jeden Augenblick zurückkommen, um sich schlafen zu legen. Gemeinsam mit Milchkralle, die sich schweigend neben ihn setzte und ihr blauweißes Fell säuberte, wartete er auf die anderen. Die Minuten verstrichen, bis es im Eingangsbereich raschelte. Rindentänzer und Frostpfote sahen übernächtigt aus, als sie das Lager betraten. Haselschweif schälte sich aus der Gruppe an Kriegern heraus und trat auf die beiden zu. „Und?“ „Nichts.“ Rindentänzer konnte sich ein Gähnen nicht verkneifen. „Die ganze Nacht über hat sich an der Grenze nichts getan. Die Ablöse ist schon da.“ Erleichtert atmete Haselschweif aus. „Das ist gut.“ „Oder auch nicht, ganz wie man es nimmt“, brummte Eisbart aus dem Hintergrund. Der alte Krieger wirkte unzufrieden. „Das kann bedeuten, dass Silberstern uns weich machen möchte. Sie spielt mit uns. Sie weiß, dass wir von ihrem Bündnis mit dem LuftClan wissen, und trotzdem lässt sie sich Zeit. Entweder meint sie ihre Drohungen nicht ernst oder sie plant etwas. So oder so sollten wir auf alles gefasst sein.“ „Natürlich“, erwiderte Haselschweif trocken. „Wir tun, was wir können. Rindentänzer, Frostpfote, ihr könnt nun schlafen gehen.“ Sturmherz machte dem Krieger Platz und sah zu, wie Frostpfote zum Bau der Schüler trottete. Lange würde es nicht mehr dauern, bis Frostpfote zum Krieger ernannt werden würde. Und – so dramatisch es auch klang – der FeuerClan konnte es sich nicht leisten, auf einen potenziellen Krieger zu verzichten. Unruhig kniff er die Augen zusammen. Es war schlimm, nicht zu wissen, was passieren würde – und wann es passierte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)