Stormpaw's Destiny von Kalliope (Warrior Cats - New Clans, New Stories) ================================================================================ Kapitel 18: ------------ „Ich bin froh, dass ich helfen kann“, sagte Rauchpfote mit einem breiten Grinsen. Zuerst hatte Honigblüte es abgelehnt, Almosen aus dem ErdClan in Form von Materialien anzunehmen, doch nachdem sich Dachspfotes Zustand auch in den folgenden Tagen nicht verbesserte, war sie schlichtweg darauf angewiesen. Seit bald einem halben Mond trafen sich Rauchpfote und Fliederpfoe einmal am Tag am Bach, der die Grenze zwischen dem ErdClan und dem FeuerClan bildete. Fliederpfote erwiderte das Grinsen mit einem schüchternen Lächeln und ließ ihre Ernsthaftigkeit für die wenigen Minuten dieser Treffen zurück. Sturmherz, der sie heute begleiten sollte, wusste, wie sehr sich Fliederpfote auf die tägliche Ablenkung freute. Aus diesem Grund tat er so, als würde er angeregt die umstehenden Bäume betrachten, und ließ den beiden etwas Zeit. „Im Moment gibt es bei uns sowieso nicht viel zu tun. Tigerfuß gibt mir viel zu wenige Aufgaben. Er sagt, ich kann alles alleine machen, aber dann bin ich schon mittags mit meiner Routine fertig.“ „Du hast es gut“, seufzte Fliederpfote. „Honigblütes Anweisungen nehmen überhaupt kein Ende. Manchmal weiß ich gar nicht, wo mir der Kopf steht.“ Rauchpfotes riesiger, schwarzgrauer Schwanz wischte über den sandigen Uferboden. „Das tut mir leid. Sie meint es bestimmt nur gut.“ „Ja, natürlich. Aber je länger ich in Ausbildung bei ihr bin, desto strenger wird sie. Am Anfang hat es mir Spaß gemacht, aber jetzt …“ Das war auch für Sturmherz neu. Er wollte nicht lauschen, bekam das Gespräch aber zwangsweise in der ganzen Länge mit. Verstohlen warf er einen Blick zu den beiden. Fliederpfote war nur halb so groß wie der Heilerschüler des ErdClans. Ohne Zweifel würde Rauchpfote dem ErdClan in Sachen Größe alle Ehre machen. „Du darfst nicht an deiner Bestimmung zweifeln“, sprach Rauchpfote zuversichtlich. „Nimm mich als bestes Beispiel. Als ich zum Kriegerschüler ernannt wurde, wollte ich unbedingt eines Tages Anführer werden. Ich liebte das Jagen und vor allem das Kämpfen. Meine Schwester Lehmpelz und mein Bruder Dornenpfote hatten nicht den Hauch einer Chance gegen mich. Als dann aber Dornenpfote auf einmal durch das Gift und die Fallen der Zweibeiner starb und ich nichts tun konnte, als bei ihm zu bleiben, bis er es zum SternenClan geschafft hatte …“ Für einen Augenblick senkte Rauchpfote traurig den Blick. „Ich wusste einfach, dass ich ein Heiler werden musste, damit so etwas nie wieder passieren kann. Ich habe es tief in meinem Herzen gespürt und Tigerfuß hat mich noch am selben Tag zu seinem Schüler gemacht. Trotz allem vermisse ich das Kriegerdasein und frage mich oft, was aus mir geworden wäre, wenn Dornenpfote noch leben würde. Ich denke, es ist normal, dass wir ins Stolpern kommen, wenn der SternenClan uns einen Weg vorgibt. Am Ende weiß ich jedoch immer, dass aus mir ein guter Heiler wird. Apropos.“ Die Fröhlichkeit kehrte in seine Stimme zurück. „Tigerfuß hat mir verraten, dass ich nicht mehr lange nur sein Schüler sein werde. Er möchte mich noch vor der Blattleere zu einem vollwertigen Heiler ernennen.“ „Das ist großartig, Rauchpfote! Herzlichen Glückwunsch!“ „Danke.“ Der grauschwarze Kater streckte stolz seine Brust raus. „Trotzdem wird er für mich immer mein Mentor bleiben. Er ist so weise und kennt jede einzelne Pflanze im Wald. Ich kann noch viel von ihm lernen.“ „Das stimmt, Tigerfuß ist großartig und ein sehr geduldiger, ruhiger Mentor. Honigblüte war auch so, bis …“ Fliederpfote seufzte zerknirscht. „Ich weiß auch nicht, was mit ihr los ist. Sie benimmt sich in der letzten Zeit sehr merkwürdig. Wenn sie sich nicht gerade um Dachspfote kümmert, kommandiert sie mich herum und ich kann ihr überhaupt nichts mehr recht machen. Selbst Schwarzstern fährt sie über den Mund, wenn er zu uns kommt, um sich nach Dachspfote zu erkundigen.“ Auch das war Sturmherz neu. Dass Honigblüte in letzter Zeit sehr gereizt war, war vermutlich jedem im Clan aufgefallen, aber dass sie selbst Schwarzstern gegenüber unhöflich wurde, hätte er nicht gedacht. Was war nur mit ihr los? In der Entfernung knackte das Unterholz und kündigte die Grenzpatrouille an. Sofort drehte er sich zu den beiden Heilerschülern um und sagte betont deutlich: „Vielen Dank für deine heutige Hilfe, Rauchpfote. Es tut mir leid, dass wir dich so lange aufgehalten haben. Richte Tigerfuß die besten Grüße aus.“ Rauchpfote verstand sofort, stand auf und nickte Sturmherz zu. „Wir werden bei dem morgigen Treffen in der Mondhöhle für Dachspfote beten. Auf dass der SternenClan ihr gnädig ist und ihr die Kraft gibt, zu ihrem Clan zurückzufinden.“ „Danke.“ Schnell verabschiedeten sich die beiden voneinander, indem sie ihre Nasen flüchtig aneinander stupsten. Dann sprang Rauchpfote durch den Bach zurück in das Territorium des ErdClans und war wenige Sekunden später verschwunden. Zeitgleich tauchten Blaukralle, Nebelpfote, Rindentänzer und Frostpfote auf. Als Blaukralle seine Tochter erblickte, nickte er ihr wohlwollend zu. „Hast du alles bekommen, was du brauchst?“ „Ja, das habe ich. Tigerfuß und Rauchpfote sind dem FeuerClan gegenüber sehr hilfsbereit.“ „Das freut mich zu hören.“ Seine Ohren zuckten leicht. „Wird es Dachspfote damit bald besser gehen?“ „Honigblüte kann noch keine Prognose geben. Dachspfotes Fieber hält noch immer an. Sie frisst und trinkt kaum und wenn sie schläft, hat sie Alpträume. Nur der SternenClan weiß, ob sie es schaffen wird.“ Blaukralle sah aus, als würde er noch etwas sagen wollen, schwieg dann jedoch. Stattdessen ergriff Rindentänzer mit seiner tiefen, brummenden Stimme das Wort. „Es wäre schade, eine zukünftige Kriegerin zu verlieren. Die Schüler sind die Zukunft eines jeden Clans.“ Frostpfote neben ihm stimmte seinem Mentor brummend zu. Die beiden ergänzten sich in ihrem Schweigen perfekt. Auch Sturmherz konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen. „Da hast du absolut Recht, Rindentänzer. Jeder Schüler steht für die Zukunft des Clans und wenn auch nur einem von ihnen etwas zustößt, ist das eine Tragödie.“ Blaukralles Schwanzansatz stellte sich minimal auf, doch der blaue Krieger schwieg noch immer. Sturmherz nickte Fliederpfote zu und setzte sich mit ihr gemeinsam in Bewegung, um zurück zum Lager des FeuerClans zu gehen. Es war alles gesagt und wenn er Blaukralles Verhalten richtig deutete, empfand sein Widersacher tatsächlich so etwas wie ein schlechtes Gewissen. *** Honigblüte sah noch besorgter und zerknirschter aus als sonst, als sie zusammen mit Fliederpfote von der Mondhöhle hinter dem Wasserfall zurückkehrte. Es war noch immer dunkle Nacht, der Mond versteckte sich hinter den Wolken. Es war kein Halbmond, aber Honigblüte hatte die Mondhöhle aufgesucht, weil die Große Versammlung bevorstand und sie sich über Dachspfotes Zustand vergewissern wollte. Sie tigerte unruhig durch das Lager und versuchte sich damit zu beruhigen, doch Sturmherz wurde davon geweckt, weil er direkt am Eingang des Kriegerbaus geschlafen hatte. Mit schläfrigen Augen blinzelte er in die Dunkelheit hinaus. Wie ein rostbrauner Schatten näherte sich Haselschweif, der wie so oft eine schlaflose Nacht verbrachte. „Honigblüte, ist alles in Ordnung?“ Sie zuckte zusammen, entspannte sich aber leicht, als sie merkte, wer auf einmal neben ihr stand. „Ach, Haselschweif, es ist manchmal sehr schwer für mich, eine Heilerin zu sein.“ Die beiden sprachen leise, aber da es ansonsten mucksmäuschenstill war, konnte Sturmherz jedes Wort verstehen. Um ihn herum ertönte nur das leise, gleichmäßige Atmen der anderen Krieger, das von ruhigem Schnarchen aus dem angrenzenden Bau der Schüler untermalt wurde. „Was ist passiert? Hat der SternenClan eine neue Botschaft gesendet?“ Sie seufzte resigniert. „Nein, das ist es nicht, aber … ach, es ist nicht von Bedeutung.“ „Natürlich ist es das“, beharrte Haselschweif und trat noch einen Schritt näher, sodass sich ihre Körper leicht berühren konnten. „Alles ist von Bedeutung, wenn es dich besorgt.“ Honigblüte hob den Kopf und die beiden schauten sich eine lange Zeit einfach nur tief in die Augen, bis sie den Blick wieder löste. „Du bist immer für mich da, wenn ich jemanden zum Reden brauche. Schwarzstern hätte sich keinen besseren Zweiten Anführer aussuchen können als dich.“ „Und du bist immer da, wenn dein Clan dich braucht. Der SternenClan hätte ebenfalls nicht besser wählen können.“ „Doch, das hätte er.“ In ihre Stimme mischte sich ein unterschwelliges Grollen. „Es ist nicht fair, tief im Herzen hin und her gerissen zu sein. Ich verstehe nicht, warum der SternenClan mich damit quält.“ Haselschweif musste schlucken. „Womit quält?“ „Mit meinen Gefühlen, Haselschweif. Mit meinen Gefühlen.“ Erneut saßen sie eine Weile schweigend nebeneinander. Zaghaft bewegte Haselschweif seinen buschigen Schwanz in ihre Nähe, streichelte leicht wie eine Feder über ihren Körper. Sie erwiderte die zaghafte Berührung, indem sich ihr eigener, getigerter Schwanz in seinen schmiegte. Es bedarf keiner Worte, um diese sehnsüchtige Geste zu vertiefen. Sturmherz schaute betreten weg. Er hatte das Gefühl, etwas mitzubekommen, was ihm nicht zustand. Das war etwas, was nur Haselschweif und Honigblüte anging. Krampfhaft versuchte er einzuschlafen, doch sobald die beiden wieder miteinander redeten, war er hellwach. „Ich habe mit Federwind gesprochen“, sagte Honigblüte und wechselte damit das Thema. „Dachspfotes Geist ist verwirrt und hat sich bereits von ihrem Körper entfernt. Sie irrt umher und weiß nicht, wo sie hingehört. Nebelpfotes geschwisterlicher Verrat hat sie erschüttert. Ich glaube nicht, dass sie ihm sein Verhalten jemals verzeihen kann. Der SternenClan möchte sie noch nicht zu sich rufen, aber ihnen wird nichts anderes übrig bleiben, sollte sie sich noch weiter von uns entfernen.“ „Und was können wir dagegen tun?“ „Wir? Nichts, befürchte ich. Das muss Dachspfote alleine schaffen. Sie weiß, dass Fleckennase hier unten über sie wacht und immer an ihrer Seite ist, aber sie sehnt sich auch nach ihren Eltern, die sie nie kennen lernen konnte. Ich bin mir sicher, wenn Blaufell und Kieselpelz könnten, würden sie ihr das Fell über die Ohren ziehen und sie zurück zu uns schleifen.“ „Ja, das würden sie“, stimmte Haselschweif ihr zu. Honigblüte lehnte ihren Kopf an seine Halsbeuge. „Federwind hat auch über andere Dinge mit mir geredet. Dinge, die ich noch für mich behalten muss.“ „Dinge, die dich schwer belasten, nicht wahr?“ „Ja.“ „Es tut mir leid, dass ich dir keine größere Hilfe sein kann. Du weißt … ich würde alles für dich tun.“ „Du tust genug, mehr verlange ich nicht. Das steht mir nicht zu.“ „Wenn die Situation eine andere wäre …“ „Vielleicht.“ Sie schien zu wissen, worauf er anspielte, auch wenn Sturmherz es nicht so ganz verstand. „Nein, nicht nur vielleicht. Ganz bestimmt.“ Auch Haselschweif seufzte. „Morgen ist die Große Versammlung. Schwarzstern wird nicht davon abweichen, dass er Mondjunges und Sonnenjunges im FeuerClan aufnimmt. Silberstern hat uns schon beim letzten Mal mit einer Auseinandersetzung gedroht.“ „Ein Krieg so kurz vor der Blattleere sieht ihr ähnlich“, knurrte Honigblüte. „Leider bezieht der SternenClan bislang keine Position in dieser Sache, sonst könnten wir die ganze Diskussion abkürzen. Wir können nur hoffen, dass Silberstern von selbst zur Vernunft kommt.“ Haselschweif nickte. „Auch wenn ich dies bezweifle. Dornenstachel lechzt danach, uns zu bekriegen.“ „Dornenstachel ist ein Idiot“, sagte Honigblüte und nahm wie so oft in solchen Dingen kein Blatt vor den Mund. „Hat Schwarzstern eine Entscheidung über Blaukralles Anliegen getroffen?“ „Ja. Eigentlich wollte er Nebelpfote noch morgen vor der Versammlung zum Krieger ernennen, doch er ist noch immer zornig darüber, dass Nebelpfote Dachspfote nicht aufgehalten hat. Hätte er eingegriffen, wäre sie jetzt nicht so schwer verletzt. Er wird Blaukralles Anliegen vorerst ablehnen.“ „Das ist gut. Federwind war auch der Ansicht, dass Nebelpfote noch einen halben oder ganzen Mond länger warten kann.“ Sturmherz schluckte. Blaukralle hatte niemandem davon erzählt, dass er die Kriegerprüfung für Nebelpfote beantragt hatte. Zweifelsohne war Nebelpfote ein guter Kämpfer und ein brillanter Jäger, er hätte die Prüfung sicherlich bestanden. Auch Schattenpfote und Frostpfote waren in ihrer Ausbildung fortgeschritten. Dachspfote schied im Moment aus und Flockenpfote, sein eigener Schüler, dümpelte bei den Grundlagen herum. Aber lieber gab er Flockenpfote mehr Zeit, als ihn unter Druck zu setzen. Schneeflügel hatte ihm ihren Sohn anvertraut und das wollte er nicht enttäuschen. Flockenpfote mochte zwar ein langsamer Lerner sein, aber irgendwann würde er auch ein Krieger werden. Vom Bau der Heiler ertönte ein Rascheln. Fliederpfote räusperte sich. „Dachspfote ist wach. Ich glaube, ihre Schmerzen sind nicht mehr ganz so stark.“ Honigblüte und Haselschweif zuckten wie vom Blitz getroffen zusammen. „Du glaubst es nur? Das musst du doch merken“, konterte Honigblüte sogleich. Sie warf Haselschweif noch einen letzten, sehnsüchtigen Blick zu, dann stapfte sie zu ihrem Heilerbau und verschwand darin. Haselschweif schaute der getigerten, goldfarbenen Katze hinterher, ließ dann den Schwanz hängen und trottete zurück zum Eingang des Lagers, um dort seinen Gedanken nachzuhängen. *** Seit etwa zweieinhalb Monden war Nebelpfote nun schon ein Schüler. Blaukralle saß neben dem Frischbeutehaufen und malträtierte sein Essen, nachdem er erfahren hatte, dass Schwarzstern die Kriegerprüfung für Nebelpfote abgelehnt hatte. Nicht einmal Rosentau wagte es, ihren Sohn anzusprechen, also ließen ihn alle in Ruhe. Passend dazu hatten sich die Temperaturen im Laufe des Tages so stark abgekühlt, dass die Blattleere sie mit voller Wucht erreichte. Gegen Abend zog sich Frost über den Boden und tauchte Blätter und Moos in ein hauchzartes, weißes Gewand. In den nächsten Tagen würde es garantiert anfangen zu schneien, aber für Dezember konnte man auch nichts anderes erwarten. Es war ohnehin verwunderlich genug, dass sich der Blattfall mit seinen relativ milden Temperaturen noch so lange gezogen hatte. Schwarzstern strafte Blaukralle damit, dass er ihn und seinen Schüler ignorierte, während Honigblüte unruhig durch das Lager lief und einen seichten Hoffnungsschimmer verbreitete. Dachspfotes Fieber sank und auch ihre Schmerzen wurden weniger, was vor allem bei Fleckennase für Erleichterung sorgte. Die letzten zwei Wochen war er Tag und Nacht bei seiner verletzten Schülerin gewesen und hatte in der Zeit abgenommen, was für den bevorstehenden Schneefall nicht wirklich optimal war. „Es ist gut, dass Nebelpfote nicht bevorzugt wird“, meinte Milchkralle und musterte Blaukralle aus der Entfernung. „Wenn Schwarzstern noch einen Mond wartet, könnte Nebelpfote die Prüfung sicherlich zusammen mit Frostpfote machen.“ „Wie weit schätzt du Schattenpfote ein?“ Bei seiner Frage suchte Milchkralle ihren Schüler und erblickte ihn etwas abseits vor dem Bau der Schüler, wo er hin und her flitzte. „Ich kriege ihn einfach nicht müde. Seine Energie ist grenzenlos. Zwar ist er sehr schnell und weicht vielen Treffern im Kampf aus, aber ihm fehlt noch die Geduld zur Jagd. Ich möchte lieber noch abwarten, wie er sich in der Blattleere schlägt, wenn die Beute nicht mehr im Überfluss vorhanden ist. Wie läuft es bei dir und Flockenpfote?“ Sturmherz kratzte sich mit dem Hinterlauf am Kinn. „Na ja. Er ist langsam, aber ihm macht die Ausbildung Spaß. Er versteht viele Dinge erst, wenn ich sie ihm mehrfach erkläre. Ich werde noch mindestens zwei Monde brauchen, schätze ich. Wenn Dachspfote wieder fit ist, kann er mit ihr trainieren.“ „Du meinst, weil sie so weit in ihrem Training zurückgefallen ist?“ Milchkralle sah ihn skeptisch von der Seite her an. „Nein, so meine ich das nicht. Er lernt besser, wenn er die anderen Schüler um sich rum hat, weil er sich dann nicht ausgeschlossen fühlt.“ „Ah, ich verstehe.“ Sturmherz schluckte den letzten Bissen von seinem Eichhörnchen herunter. „Ich würde zu gerne mit zur Großen Versammlung kommen. Du musst mir unbedingt jedes Detail erzählen, wenn du wieder da bist.“ „Silberstern wird sich bestimmt wieder daneben benehmen.“ „Sag das mal dem WasserClan.“ Sie schwiegen noch eine Weile nebeneinander, bis es Zeit wurde, dass die ausgewählten Krieger mit zur Versammlung kamen. Schwarzstern und Haselschweif formierten sich an der Spitze, dahinter folgten Milchkralle und Schattenpfote, Eisbart, Rosentau, Blaukralle und Nebelpfote. Sturmherz sah ihnen dabei zu, wie sie das Lager verließen. Er wäre wirklich zu gerne mitgekommen, doch Schwarzstern hatte dieses Mal Milchkralle den Vortritt gelassen. Vielleicht wollte er aber auch nur, dass Silberstern durch Sturmherz‘ Anwesenheit nicht noch weiter provoziert wurde. So oder so konnte er die Entscheidung seines Anführers nicht ändern und ihm blieb nichts anderes übrig, als im Lager mit den anderen zu warten. Herbstwolke machte sich bereits auf den Weg zu den beiden Ältesten, mit denen sie häufig zusammen saß und tratschte. Es war ihre Art, sich von den Sorgen ihres Sohnes abzulenken. Gemeinsam mit Falkenherz und Schneeflügel setzte sie sich in das weiche Moosnest und begann über dieses und jenes zu reden. Honigblüte saß gähnend vor ihrem eigenen Bau. Sie sah müde und erschöpft aus, aber zufrieden. Da es Dachspfote allmählich besser ging, waren auch ihre Nächte entspannter. Fliederpfote hatte sich hinter ihr eingerollt und döste. Apfelpelz und Wolkentänzer saßen Seite an Seite am Rand des Lagers, die buschigen Schwänze eng miteinander verschlungen. Sie tauschten kleine Zärtlichkeiten aus, indem sie sich gegenseitig das Fell putzten. Fleckennase trabte mit vor Erschöpfung hängenden Schultern zu Sturmherz, setzte sich neben ihn und suchte sich ein großes Stück aus dem Frischbeutehaufen heraus. „Ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht. Ich habe Hunger, aber keinen Appetit.“ „Du musst etwas essen. Schau dich doch nur an. Wenn du noch mehr abmagerst, behält Honigblüte dich gleich da.“ „Ja, ja. Ich weiß.“ Der schwarzweiße Kater kaute auf einer fetten Maus herum. „Die letzten zwei Wochen waren hart für uns alle.“ „Für dich besonders. Kein Mentor möchte seinen Schüler so leiden sehen.“ „Hm.“ Je mehr er fraß, desto wacher wurde sein Blick. Am Ende sah Fleckennase wieder aus wie er selbst und blickte etwas entspannter drein. „Ich danke dir für deine Hilfe in der letzten Zeit. Du hast so viel für Honigblüte und Fliederpfote getan und damit am Ende Dachspfote geholfen.“ „Das hätte jeder getan. Außerdem bist du mein bester Freund und ich lasse dich nicht hängen.“ Er knuffte ihm gegen die Seite, woraufhin Fleckennase endlich wieder lächelte, wenn auch nur schwach. „Es geht bergauf mit ihr. In ein paar Tagen hat Dachspfote es bestimmt überstanden und kann bald wieder mit dem Training anfangen.“ „Das hoffe ich. Ich vermisse sie, auch wenn sie mich nie wirklich respektiert hat.“ „Das ändert sich bestimmt, immerhin hast du ihr Leben gerettet. Mutiger hätte man nicht handeln können.“ „Meinst du, ich habe sie beeindrucken können?“ Irgendetwas leuchtete in Fleckennases Augen auf. „Bestimmt“, beruhigte Sturmherz seinen Freund und war froh, als Fleckennase sich mit dieser Antwort zufrieden gab. *** Die Zeit zog sich schier endlos dahin, bis sich der Trupp von der Großen Versammlung ankündigte. Sofort war Sturmherz auf den Beinen, ebenso wie alle anderen im Clan. Sogar Zimtfeder schaute vom Bau der Königinnen herüber, hinter ihr Bienenjunges und Fuchsjunges, die verschlafen blinzelten. Die ernsten Gesichter ließen nichts Gutes vermuten. Augenblicklich stellte sich Sturmherz‘ Fell ein wenig auf und sein Herz begann schneller zu schlagen. Es war etwas geschehen. Schwarzstern blieb in der Mitte des Lagers stehen. „Ich fordere alle Katzen, die alt genug sind, um selbst Beute zu machen, dazu auf, sich hier zu einem Clan-Treffen zu versammeln.“ Er musste nicht lange warten, bis sich alle in einem Halbkreis um ihn versammelt hatten. Herbstwolke wippte nervös auf und ab. „Was ist passiert? Sagt uns doch, was los ist!“ Haselschweif brachte sie mit einem einzigen Blick zum Schweigen. Schwarzstern räusperte sich. „Ich bringe euch keine guten Neuigkeiten von der Großen Versammlung mit. Wacholderstern hat darüber geklagt, dass der See im LuftClan-Territorium immer weniger Wasser führt. Die Beutetiere wandern ab und der LuftClan leidet sehr großen Hunger. Wacholderstern hat die Zweibeiner dafür verantwortlich gemacht, die in der Blattfrische rund um den Heiligen Berg auftauchten. Sein Clan kann sich nicht mehr selbst ernähren und ist aus diesem Grund ein Bündnis mit dem WasserClan eingegangen.“ Ein erstes Raunen ging durch den Clan. Es bedeutete nie etwas Gutes, wenn sich zwei Clans so offensichtlich verbündeten. „Aber das ist nicht alles“, fuhr Schwarzstern fort. „Silberstern fordert nach wie vor die Verbannung von Mondjunges und Sonnenjunges. Dem habe ich widersprochen.“ Sein Blick fiel auf Apfelpelz und Wolkentänzer, die eng beieinander saßen. „Ich stehe zu meinem Wort. Eure Jungen tragen zur Hälfte das Blut des FeuerClans in sich, aus diesem Grund werden wir ihnen Schutz gewähren und sie verteidigen. Mit sehr viel Bedauern muss ich euch mitteilen, dass Wacholderstern ihr in dieser Angelegenheit seine volle Unterstützung zugesagt hat.“ „Natürlich hat er das, er ist jetzt von ihr abhängig“, schnarrte Falkenherz ungehalten. Ihr orangerotes Fell plusterte sich auf. „Er wird alles tun, was sie von ihm verlangt.“ „Was für Konsequenzen wird das für den FeuerClan haben?“, fragte Schneeflügel besorgt in die Runde. „Konsequenzen?“, fiepte Herbstwolke. Keine zwei Sekunden später redeten alle wild durcheinander und die Schüler schauten sich besorgt an. Blaukralle knurrte ungehalten, Eisbart schaute finster durch die Gegend. Haselschweif hatte Mühe, alle zu beruhigen, sodass wieder Ruhe einkehrte. Schwarzstern räusperte sich erneut. „Silberstern hat klargestellt, dass wir ihrer Forderung nach der Verbannung von Mondjunges und Sonnenjunges nicht nachgekommen sind. Aus diesem Grund verlangt sie, dass wir als Strafe für das Brechen des Gesetzes der Krieger einen Teil unseres Territoriums als Entschädigung an den WasserClan abtreten.“ Wieder brandeten wütende Rufe auf. „Das kann sie nicht ernst meinen! Wir haben nichts Falsches getan!“, beschwerte sich Fleckennase lautstark. Milchkralle stimmte ihm mit einem bitteren Nicken zu. „Silberstern kann uns nicht dazu zwingen!“ „Ruhe!“ Schwarzsterns Stimme ließ alle verstummen. „Auch Wacholderstern verlangt eine Erweiterung des Territoriums des LuftClans in Richtung ErdClan, um eine Anbindung an den Bach zu erhalten, der uns andere drei Clans mit Wasser versorgt. Wacholderstern sagt, die Zweibeiner haben seinen See vergiftet und unter dieser Voraussetzung wäre es angebracht, die Grenzen neu zu verhandeln. Er hat sich mit Silberstern abgesprochen. Sie stehen auf einer Seite. Löwenzahnstern lehnt dies selbstverständlich ab.“ Der Anführer des FeuerClans atmete tief durch. „Ich werde euch nicht länger auf die Folter spannen und die Dinge sagen, wie sie sind. Ich werde mich morgen mit Löwenzahnstern treffen, um unsererseits über ein Bündnis zu verhandeln.“ Das konnte nur eins bedeuten. Der Clan hielt die Luft an. „Der WasserClan hat uns den Krieg erklärt.“ Keiner sagte etwas. Der Schock stand allen ins Gesicht geschrieben. Apfelpelz und Wolkentänzer rückten noch enger zusammen, während Zimtfeder besorgt ihre beiden Jungen zu sich zog. Ein Krieg in der Blattleere, die ohnehin eine harte Zeit war, würde an den Nerven und Kräften aller zehren. Wieder ergriff Schwarzstern das Wort. „Es tut mir leid, dass ich euch keine positiveren Nachrichten überbringen kann. Ich bin mir sicher, dass der SternenClan das Verhalten von Silberstern und Wacholderstern nicht gutheißen kann. Honigblüte wird sich so bald wie möglich mit dem SternenClan in Verbindung setzen.“ „Vorausgesetzt, sie lassen mich überhaupt zur Mondhöhle reisen“, sagte sie säuerlich. Einige sahen sie entsetzt an. „Das müssen sie! Niemand darf den Heilern und Anführern verbieten, zur Mondhöhle zu reisen!“ In Falkenherz‘ Augen loderte der Kampfgeist auf. Schwarzstern hob die Pfote. „Unter den gegebenen Voraussetzungen habe ich eine Entscheidung getroffen.“ Wieder wurden alle still. „Auch wenn ich mich heute Morgen noch anders geäußert habe, möchte ich unter diesen besonderen Umständen verkünden, dass Nebelpfote hiermit seine Ausbildung zum Krieger beendet hat.“ Das kam für alle überraschend, selbst für Blaukralle, der verwirrt blinzelte, sich dann jedoch kerzengerade hinsetzte. Nebelpfote, der neben ihm saß, wirkte ebenso verwirrt. „Sowohl Haselschweif als auch ich haben genug von Blaukralles Training gesehen, um die offizielle Kriegerprüfung als überflüssig anzusehen.“ Nun schaute er direkt zu Blaukralle. „Blaukralle, bist du davon überzeugt, dass dein Schüler dazu bereit ist, ein Krieger zu werden?“ „Ja, er ist bereit“, sprach Blaukralle mit fester, selbstbewusster Stimme. Während er sprach, reckte er sein Kinn voller Stolz in die Höhe. Auch Rosentau sah aus, als würde sie vor Stolz platzen. „Ich, Schwarzstern, Anführer des FeuerClans, rufe meine Kriegerahnen an und bitte sie, auf diesen Schüler herabzublicken. Er hat hart trainiert, um euren edlen Gesetzen gehorchen zu können, und ich empfehle ihn euch nun als Krieger.“ Er machte eine kurze Pause. „Nebelpfote, versprichst du, das Gesetz der Krieger einzuhalten und den Clan zu beschützen und zu verteidigen, selbst mit deinem Leben?“ Nebelpfotes Augen leuchteten. „Ich verspreche es.“ „Dann gebe ich dir, mit der Kraft des SternenClans, deinen Kriegernamen. Nebelpfote, von diesem Augenblick an wirst du Nebelstreif heißen. Der SternenClan ehrt deine Entschlossenheit und deinen Eifer und wir heißen dich als vollwertigen Krieger im FeuerClan willkommen.“ Nebelstreif trat vor, damit Schwarzstern seine Schnauze für einen Moment auf seinen Kopf legen konnte. Dann leckte er Schwarzstern in einer Geste des Respekts über die Schulter. „Nebelstreif! Nebelstreif! Nebelstreif!“, rief der ganze Clan freudig aus, gratulierte Blaukralle und seinem ehemaligen Schüler, auch wenn es unschöne Umstände waren, die zu Nebelstreifs Ernennung zum Krieger führten. Auch Sturmherz gratulierte den beiden, fair wie er war, zu der abgeschlossenen Ausbildung. Nur Fleckennase wirkte unschlüssig, wie er sich verhalten sollte. Sturmherz konnte es ihm nicht verübeln. Es musste schwer für Dachspfote sein, den Verrat durch ihren Bruder zu verarbeiten, dann den Schlangenbiss zu überstehen, nur um zu erfahren, dass ihr Bruder bereits ein Krieger war, wenn sie ihr Training wieder aufnahm. Er schaute herüber zum Bau der Heilerin, erstarrte jedoch. Dachspfote stand auf wackeligen Beinen am Eingang, schaute herüber zu ihrem Bruder und dem restlichen Clan. Ihr Blick war voller Schmerz, verletztem Stolz und Traurigkeit. So schnell, wie sie gekommen war, drehte sie sich auch wieder um und verschwand. Sturmherz kam es vor wie ein kurzes Blinzeln seinerseits. Erst war Dachspfote da, dann wieder weg. Er war sich nicht einmal sicher, ob er sie wirklich gesehen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)