Stormpaw's Destiny von Kalliope (Warrior Cats - New Clans, New Stories) ================================================================================ Kapitel 13: ------------ Sturmherz lag hoch oben auf dem breiten Ast der Buche, die ihr Blätterdach über eine kleine Waldlichtung ausgebreitet hatte. Den Genen seiner Mutter war es zu verdanken, dass er neben Schwarzstern die größte Katze im FeuerClan war, aber darüber hinaus hatte er von ihr auch die langen, starken Krallen geerbt, dank derer er spielend einfach auf Bäume klettern konnte – eine Fähigkeit, die man sonst nur dem ErdClan nachsagte. Ein leichter Wind lockerte sein seidiges, langes, sturmgraues Fell auf und er wäre beinahe der Versuchung erlegen einzuschlafen, wäre da nicht Dachspfotes schneidende Stimme gewesen, die ihn aus seiner Entspannung riss. Dachspfote trabte mehrere Fuchslängen vor Fleckennase her, hatte den schwarzen Schwanz gerade in die Höhe gestreckt und schnaubte genervt, als sie sich auf den Boden der Lichtung setzte. „Und jetzt?“ „Geduld“, mahnte Fleckennase, aber selbst ein Blinder musste bemerken, dass er sich gegenüber Dachspfote nicht durchsetzen konnte. Ein Mentor, der sich von seiner Schülerin schon am allerersten Tag auf der Nase herumtanzen ließ. Das könnte interessant werden. Sturmherz machte es sich bequem und hatte nicht vor, sich in den nächsten Minuten zu erkennen zu geben. Stattdessen schaute er seelenruhig auf die Lichtung herab, auch wenn er sich dabei ein kleines bisschen so fühlte, als würde er seinen besten Freund verraten. „Wir werden mit den Grundlagen anfangen. Das Gesetz der Krieger.“ „Ernsthaft?“, unterbrach sie ihn ungehalten. Ihre weißen Pfoten kneteten ungeduldig den Erdboden durch. „Fleckennase, ich kenne das Gesetz der Krieger. Jeder kennt es. Zimtfeder und Schneeflügel haben uns so oft davon erzählt. Ich kann es auswendig, muss ich dir das beweisen?“ „Nein, aber so gehört sich das nun mal“, sagte er genervt und pausierte daraufhin kurz. Er schaute mit festem Blick zu seiner Schülerin, doch sein zuckender Schwanz verriet seine Unsicherheit. „Also, wo war ich“, begann er erneut. Dachspfote unterbrach ihn erneut. „Regel Eins: Verteidige deinen Clan, selbst wenn es dein Leben kostet. Du darfst dich mit Katzen anderer Clans anfreunden, aber deine Loyalität gilt stets deinem eigenen Clan.“ „Dachspfote.“ „Regel Zwei: Älteste, Königinnen und Junge werden zuerst mit Beute versorgt, vor den Schülern und Kriegern.“ „Dachspfote!“ Fleckennases Stimme war kurz vor dem Brechen. „Genug!“ Er sah sie zornig an und seine laute Stimme ließ sie innehalten. „So geht das nicht. Du musst mir mehr Respekt zollen!“ Sturmherz konnte von seiner Position aus hervorragend sehen, wie sich ihr Nackenfell leicht sträubte, ganz so, als würde sie sich eine Bemerkung nur schwer verkneifen können. Doch sie tat es, setzte sich hin und starrte ihn finster an. „Genug.“ Dachspfote schnaubte. „Wie gesagt, ich kenne die Regeln. Ich möchte das Jagen und Kämpfen lernen. Das, was einen Krieger ausmacht.“ „Es gehört mehr zum Kriegerdasein als das Jagen und Kämpfen“, entgegnete Fleckennase. „Ein Krieger übernimmt Verantwortung seinem Clan gegenüber. Er ehrt das Gesetz der Krieger, stellt das Überleben des Clans an erste Stelle.“ Kurz schnaufte er. „Und. Respektiert. Andere. Krieger.“ „Bravo“, schallte es plötzlich von der anderen Seite der Lichtung. „Wie ich sehe, ist dein Training bereits in vollem Gange. Wobei ich mich durchaus frage, wer hier wen erzieht.“ Blaukralle trat zwischen zwei Dornenbüschen hervor, hinter ihm Nebelpfote. „Mein Schüler und ich werden hier auf dieser Lichtung die Grundlagen des Jagens trainieren. Vielleicht sollte sich Dachspfote uns anschließen?“ Was wie ein freundschaftliches Angebot klang, waren Spott und Häme. Dachspfotes Augen begannen schlagartig zu leuchten. Sie stand auf, machte einen Schritt auf Blaukralle und ihren Bruder zu, bis Fleckennase das Angebot ausschlug. „Wie großzügig, aber wir kommen zurecht. Außerdem wollten wir eh gerade gehen.“ „Aber wir sind doch erst angekommen“, funkte Dachspfote murrend dazwischen und warf ihrem Bruder und Blaukralle einen sehnsüchtigen Blick zu. „Wir gehen“, erwiderte Fleckennase streng. Zeit, seinem Freund zur Hilfe zu eilen. Sturmherz stand auf, kletterte die ersten zwei, drei Meter kopfüber an der Rinde herab und sprang dann bis auf den Boden. Sogleich hatte er alle Blicke auf sich. „Seit wann bist du da?“, fragte Fleckennase überrascht, doch Sturmherz schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. „Ich würde mir gerne ansehen, wie du Dachspfote am Bach in die Grundtechniken des Kämpfens einweist. Der sandige Boden dort ist perfekt dafür geeignet.“ Unschlüssig sah Dachspfote zwischen den drei Kriegern hin und her. Fleckennase stand auf dem Schlauch und sah Sturmherz fragend an. Dieser legte sofort nach: „Das war es doch, was du jetzt tun wolltest, nicht wahr?“ Dann verstand er und nickte, wenn auch zögerlich. „Gut.“ Sturmherz gab Dachspfote mit einem Nicken zu verstehen, dass sie sich in Richtung Bach in Bewegung setzen sollte. „Viel Erfolg, Nebelpfote.“ „Danke, Sturmherz.“ Sie ließen die beiden anderen und die Lichtung hinter sich. Erst als sie außer Hörweite waren, atmete Fleckennase geräuschvoll ein und aus. „Das wäre nicht nötig gewesen, ich hatte alles unter Kontrolle.“ Sturmherz warf ihm einen schiefen Seitenblick zu. „Tatsächlich?“ Sein Tonfall sagte alles und beendete gleichzeitig das Thema. „Dachspfote ist voller Energie, nutz das aus. Um die Theorie kannst du dich auch noch später kümmern.“ Abrupt blieb Fleckennase stehen. Er hielt Sturmherz‘ Blick mit seinen hellen, klaren Augen fest. „Ich brauche keine Hilfe beim Training meiner Schülerin.“ „Das weiß ich“, sagte Sturmherz. „Ich wollte nur nett sein.“ „Ich brauche deine Hilfe nicht“, wiederholte Fleckennase noch einmal säuerlich, rümpfte dann die Nase und wartete noch einige Sekunden, ehe er den Blick löste und gemeinsam mit Dachspfote im Unterholz verschwand. Sturmherz blieb zurück und sah seinem Freund hinterher. Er kannte Fleckennase, seit er in den FeuerClan gekommen war. Es war nicht so, dass er ihm die Aufgaben eines Mentors nicht zutraute, aber Dachspfote brauchte einen Mentor, den sie respektieren konnte, der stark war und ihr zeigte, wo ihre Grenzen lagen. Und auch, wenn es ihm im Herzen schwer fiel, das zuzugeben, so glaubte Sturmherz doch, dass Blaukralle tatsächlich die bessere Wahl für Dachspfote gewesen wäre. *** „Das gibt sich.“ Sturmherz hatte Schneeflügel, seiner ehemaligen Mentorin, am Abend von den Geschehnissen des Tages erzählt. „Meinst du?“ Sie nickte. „Fleckennase war schon immer sehr unsicher. Er braucht Zeit, um sich an seine Aufgabe als Mentor zu gewöhnen. Er möchte alles richtig machen, aber er denkt noch zu sehr als Schüler. In einigen Wochen werden die beiden sich einander gewöhnt haben, glaub mir.“ Dann wechselte sie das Thema. „Ich freue mich, dass mein eigener Schüler bald der Mentor von einem meiner drei Söhne werden wird. Doch wieso hast du dich für Flockenjunges entschieden?“ Sturmherz sah sie an. Ihr Fell war schneeweiß, genau wie das von Flockenjunges, doch darüber hinaus teilte sie keine äußerlichen Merkmale mit ihm. „Weil er eine Herausforderung ist. Flockenjunges ist …“ Er zögerte. Wie sollte er es am besten formulieren? Schneeflügel kam ihm zuvor. „Ein Außenseiter, ich weiß.“ Ihr Blick glitt in die Ferne. „Seine Seele ist zu rein für diese Welt. In seinem Herzen wird er immer seine kindliche Unschuld bewahren. Wenn ihn jemand zu einem Krieger machen kann, dann du.“ „Ich werde mir Mühe geben, das verspreche ich dir.“ „Das freut mich zu hören.“ Noch immer schien ihr Blick einer Erinnerung nachzuhängen. „Es ist mir wichtig, dass Flockenjunges im FeuerClan sein Zuhause findet. Wir sind seine Familie. Der FeuerClan ist sein Leben. Pass immer auf ihn auf, denn irgendwann werde ich nicht mehr da sein und er hat sonst nur noch seine Brüder, die irgendwann ehrbare Krieger sein werden und eigene Familien gründen.“ Schweigend lagen sie nebeneinander. In Sturmherz brannten Fragen, die er Schneeflügel schon mehr als einmal gestellt hatte, wenn auch nicht mehr in der letzten Zeit. Wenn sie sagte, dass Flockenjunges nur sie und seine beiden Brüder hatte, bedeutete das, dass sein Vater nicht mehr lebte? War es doch Blaufell gewesen, wie manche vermutet hatten? Schneeflügel hatte nie verraten, wer der Vater ihrer Jungen war – und sie musste es auch nicht, denn niemand konnte eine Königin dazu zwingen. „Sturmherz, ich möchte dir eine Geschichte erzählen.“ „Eine Geschichte?“ Überrascht blickte er auf. Ihr Blick war noch immer verschleiert und schien nur noch weiter wegzudriften. „Es war einmal eine junge Schülerin, unerfahren und stolz. Eines Tages unternahm sie einen Ausflug entlang der Grenzen ihres Clans, als ein Unwetter aufzog. Es war Winter und ihr Clan litt Hunger, weshalb sie ihren Mentor nicht enttäuschen wollte. Schnee wirbelte überall um sie herum, doch sie streifte weiter durch das Revier ihres Clans, bis sie das Eis des Baches unter ihren Pfoten spüren konnte. Sie war zu unerfahren und zu stolz, um einfach umzukehren. Also ging sie weiter und das Eis brach unter ihrem Gewicht. Eiswasser tränkte ihr Fell, zog sie in die Tiefen des Baches, als sie im Nacken gepackt und zurück ans Ufer gezogen wurde – nur dass es nicht das Ufer ihres Clans war. Ihr Retter war ein junger Krieger, nur wenige Monde älter als sie selbst. Er machte ihr keine Vorwürfe, sondern wärmte sie, bis sie stark genug war, um auf die Seite ihres eigenen Clans zurückzukehren. Fortan sollten sich ihre Wege des Öfteren an jenem Grenzbach kreuzen. Die Jahre vergingen und aus einer flüchtigen Bekanntschaft wurde eine Freundschaft. Aus einer Freundschaft wurde Liebe, doch beide wussten, dass es keine Zukunft für sie gab.“ Als Schneeflügel nicht mehr weiter sprach, bemerkte Sturmherz erst, dass er den Atem angehalten hatte. „Und weiter?“ Ein flüchtiges Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. „Aus der Ferne sah sie ihm dabei zu, wie er sich eine Gefährtin unter Seinesgleichen suchte und wundervolle Jungen zeugte. Es wurden große, stattliche Krieger, im ganzen Clan respektiert und gemocht. Und dennoch trafen sich die beiden Geliebten jeden Winter heimlich an ihrem Bach, bis sie für ihr Geheimnis mit drei Söhnen belohnt wurden. Drei Söhne, die niemals erfahren werden, wer ihr Vater ist. Drei Söhne, von denen zwei auch niemals danach fragen werden. Drei Söhne, von denen einer niemals in seinem Clan eine Heimat finden wird. Tief in seinem Herzen wird er eines Tages wissen, dass er nicht in den Clan seiner Mutter gehört, aber auch nicht in den seines Vaters. Er wird unglücklich werden.“ Ihr Blick klarte wieder auf. „Und damit wird die Geschichte enden.“ Sie sahen sich noch eine ganze Weile stumm an. Sturmherz wusste, dass dies nicht einfach nur irgendein Märchen war. Seine Mentorin hatte ihm ihr Geheimnis anvertraut, weil sie wusste, dass er es verstehen würde. Er wusste, wie man sich als Außenseiter fühlte, er und Schwarzstern. Ein Hauskätzchen und eine HalbClan-Katze. Und jetzt auch Flockenjunges. *** Falkenherz und Schneeflügel hatten es sich vor dem Bau der Ältesten bequem gemacht. In der Nacht hatte es ein wenig geregnet, doch am nächsten Morgen klarte es wieder auf und es schien erneut ein ungewöhnlicher heißer Tag für Anfang Oktober zu werden. Haselschweif hatte gerade die Patrouillen für den Tag eingeteilt. Sturmherz würde gemeinsam mit Blaukralle, Milchkralle und Nebelpfote die Grenze zum ErdClan übernehmen, ehe sich Blaukralle anschließend mit seinem Schüler für erste Jagdübungen absetzen würde. „Hast du Fleckennase mal gefragt, wie es bisher mit Dachspfote läuft?“ Milchkralle verzog das Maul zu einer genervten Grimasse. „Überflüssig. Es sieht doch jeder, dass sie ihm auf der Nase herumtanzt.“ Dann verschwand die Grimasse aus ihrem Gesicht und ein etwas besorgterer Ausdruck trat in ihre leuchtenden Augen. „Ich hoffe, er schafft das. Ich weiß nicht, ob Fleckennase damit klarkommen würde, wenn Schwarzstern ihm seine Schülerin wegnehmen sollte. Er hatte mit Apfelpelz zwar auch nicht gerade den motiviertesten Mentor, aber trotzdem sollte er es besser machen.“ „Dachspfote ist ein Dickkopf und sie kennt ihre Grenzen noch nicht“, sagte Sturmherz seufzend. „Ich hoffe auch, dass er damit zurechtkommt. Wieso wollte er sie überhaupt unbedingt haben?“ Milchkralle rollte mit den Augen. „Das merkst du nicht?“ „Was denn?“ Sie ließ seine Gegenfrage unbeantwortet, weil sich Blaukralle und Nebelpfote näherten. Blaukralle hatte den rundlichen, leicht gedrungenen Körperbau, der typisch für den FeuerClan war und auf eine gute Portion Britisch Kurzhaar in den Genen der Vorfahren hinwies. Obwohl Nebelpfote erst ein halbes Jahr alt war, war er bereits so groß wie sein Mentor, dafür aber hochbeiniger und kantiger, so wie auch Milchkralle. Er würde vielleicht noch ein paar Zentimeter wachsen, ansonsten aber breiter und kräftiger werden und seinen Mentor somit um eine Mauslänge überragen. Trotzdem konnte man bereits auf den ersten Blick erkennen, dass Nebelpfote sich seinem Mentor unterordnete, denn neben Blaukralles Präsenz wirkte er unscheinbar. „Wir sind soweit“, verkündete Blaukralle und marschierte einfach voran, ohne sich mit Milchkralle oder Sturmherz kurzzuschließen. Milchkralle rollte erneut mit den Augen, verkniff sich aber jeglichen Kommentar, ebenso wie Sturmherz. Beide wussten, dass es üblich war, dass der älteste oder erfahrenste Krieger die Patrouille leitete. Da Blaukralle älter als sie war, gebührte diese Ehre ihm, was er sich auch ohne zu zögern herausnahm. Nebelpfote schloss sofort wie ein braungetigerter Schatten an die Seite seines Mentors auf, wobei seine Ohren sich immer wieder nach hinten drehten, um zu kontrollieren, wie nah ihm Milchkralle und Sturmherz kamen. Auf dem Weg zum Bach, der die Grenze zum ErdClan markierte, ließ Sturmherz seinen Blick immer wieder über seine Umgebung wandern. Eine sanfte Brise wog die Baumkronen hin und her und immer wieder löste sich irgendwo ein vertrocknetes, braunes Blatt und fiel zur Erde. An den Bäumen mischte sich saftiges, sommerliches Grün mit verwelktem Braun, gesprenkeltem Rot oder strahlendem Gold. Es war unverkennbar, dass der Blattfall immer näher rückte, aber es war warm. Immer noch angenehm warm. Ob das normal war? Nein, das konnte er sich nicht vorstellen. Er selbst war mittlerweile über ein Jahr alt und hatte schon einmal den Blattfall erlebt, allerdings war er zu diesem Zeitpunkt noch ein Junges gewesen und hatte noch bei den Zweibeinern gelebt. Sturmherz konnte sich kaum noch daran erinnern, es lag wie ein anderes Leben hinter ihm zurück. Als sie Grenze des ErdClans erreichten, stieg der gewohnte Duft des anderen Clans in Sturmherz‘ Nase. Er entspannte sich, weil er den ErdClan eigentlich relativ gerne mochte. In den letzten Monaten hatte er sich mit Mohnfänger und Stummelschweif angefreundet und auch mit Lehmpelz verstand er sich relativ gut. Sie alle waren sein Alter oder nur unwesentlich älter. Automatisch hielt Sturmherz Ausschau nach ihnen, doch als er sie weder riechen noch sehen konnte, beließ er es dabei. Soweit er wusste, hatte der ErdClan aktuell keine Schüler mehr, weshalb es keinen Grund gab, öfter als gewöhnlich eine Patrouille entlang der Grenze auszusenden. Anders war es an der Grenze zum WasserClan. Silberstern hatte dem FeuerClan noch immer nicht verziehen und warf ihnen Lachssängers Tod vor, auch wenn die ganze Geschichte seit einem halben Jahr ruhte. Die Fronten waren verhärtet und wann immer sich zwei Patrouillen entlang der gemeinsamen Grenze begegneten, gab es scharfe Blicke, eisiges Schweigen und stummes Drohen. Auch bei den Versammlungen spielte sich genau dasselbe ab. Nur selten richtete Silberstern das Wort an Schwarzstern und wenn, dann diffamierte sie seine vorherigen Aussagen und spielte sich auf. Wacholderstern stimmte ihr meistens zu und zeigte selten eine eigene Meinung, hielt sich aus den Wortgefechten der anderen Anführer allerdings so gut wie immer zurück. Hummelschatten und Kleesonne, die ebenfalls zu Sturmherz‘ Freunden geworden waren, fanden immer öfter schlechte Worte über ihren Anführer, doch mehr als ein Murmeln war nie zu hören. Schweigend gingen sie die Grenze zum ErdClan entlang und Sturmherz hatte die Hoffnung, dass er jemandem aus dem anderen Clan begegnen würde, bereits aufgegeben, als doch der würzige Duft des ErdClans stärker wurde. Borkenschnabel, Staubblüte und Kieferkralle traten aus dem Unterholz und grüßten die FeuerClan-Krieger der Reihe nach. „Blaukralle!“, rief Kieferkralle freudig aus und nickte dem blauen Krieger zu, wobei seine dunklen Ohrpinsel leicht hüpften. Er sah Nebelpfote ein wenig ähnlich, hatte aber – typisch ErdClan – sehr langes, seidiges Fell, sodass sich das Muster seiner Fellzeichnung in den Längen verlor. „Wie ich sehe, hast du endlich einen eigenen Schüler bekommen.“ Blaukralle grinste flüchtig, wirkte aber so, als würde er das Gesprächsthema über alle Maßen genießen. „Das ist Nebelpfote. Sohn von Blaufell und Kieselpelz.“ „Es ist schön, die Jungen der beiden wohlauf zu wissen“, sagte Borkenschnabel anerkennend. Staubblüte war eine der wenigen Kurzhaarkatzen im ErdClan und besaß noch dazu intensive, türkisfarbene Augen. Sie musterte sowohl Blaukralle als auch Nebelpfote teilnahmslos, ehe sie das Wort an beide richtete: „Rosentau wird mit Sicherheit stolz auf dich sein.“ „Davon gehe ich aus“, erwiderte Blaukralle kühl. Sturmherz war sich nicht vollkommen sicher, aber er glaubte eine Art Spannung zwischen Staubblüte und Blaukralle zu vernehmen. Der blaue Krieger versteifte sich kaum merklich, während Staubblüte ihn in Grund und Boden starrte. „Und Zimtfeder hat schon wieder Junge von dir bekommen, wie man sich erzählt“, ergänzte sie in einem spitzen Tonfall. „Fuchsjunges und Bienenjunges. Sie werden eines Tages große Krieger und eine Bereicherung für den Clan sein.“ Staubblütes Mundwinkel zuckten leicht. „Was wäre auch anderes vom großen Blaukralle zu erwarten, nicht wahr?“ Sie blinzelte nicht ein einziges Mal, was den Effekt ihrer durchdringenden Augenfarbe nur noch verstärkte. „Es gehört sich wohl, an dieser Stelle zu gratulieren. Ich wünsche dir für deine Jungen nur das Beste. Und grüß Rosentau von mir. Es wäre mir ein Vergnügen, sie bald mal wieder zu treffen. Wir haben uns schon lange nicht mehr unterhalten.“ „Ich werde es ihr ausrichten.“ Borkenschnabel beendete die Unterhaltung mit einem Räuspern. „Ihr beiden werdet sicherlich auch bald Mentoren werden?“ Milchkralle lächelte stolz. „Ja, es wird nicht mehr lange dauern.“ „Dann kann man euch tatsächlich nur gratulieren. Der FeuerClan findet allmählich zu seiner alten Stärke zurück und wir im ErdClan sind froh über die tiefe Freundschaft, die unsere Clans miteinander verbindet.“ „Gesprochen wie ein wahrer Diplomat“, feixte Kieferkralle und wieder wippten seine Ohrpinsel auf und ab. Dann verabschiedeten die drei Krieger des ErdClans sich und kehrten in die Tiefen ihres eigenen Territoriums zurück. Blaukralle schnaubte leise, ehe er Nebelpfote an seine Seite rief und mit ihm voran zurück zum Lager marschierte. Der Schritt, den er vorlegte, war temporeich und zielstrebig. Kein einziges Mal schaute er nach, ob Nebelpfote mit ihm mithalten konnte oder ob die beiden anderen ihm folgten. Milchkralle und Sturmherz wechselten einen langen Blick. „Kommt dir sein Verhalten auch merkwürdig vor?“, fragte Sturmherz schließlich, als sie sich – deutlich langsamer – ebenfalls in Bewegung setzten. Erleichtert atmete Milchkralle aus. „In der Tat. Ich dachte schon, ich würde es mir einbilden, aber zwischen Staubblüte und ihm ist irgendetwas. Sie sah aus, als wäre sie ihm am liebsten an die Gurgel gesprungen.“ Sturmherz konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. „Solange er sich selbst Feinde macht, soll es mir recht sein. Nur wieso sich jemand freiwillig mit Rosentau treffen möchte, ist mir schleierhaft.“ „Sie ist nicht so schlimm, wie du immer behauptest. Sie steht lediglich sehr rigoros hinter den Werten des Clans und hinter dem Gesetz der Krieger.“ „Weshalb sie mich immer noch hasst. Sie ist nicht besser als der WasserClan, der seine eigenen Jungen verbannt.“ Neben ihm ließ Milchkralle einen genervten Laut erklingen. „Der WasserClan hat viele kranke Jungen gehabt. Sie alle zu versorgen, obwohl sie keinen Beitrag zum Clanleben leisten könnten, wäre für jeden Clan eine zu große Belastung. Ich sage nicht, dass ich es gutheiße, wie der WasserClan in der Vergangenheit gehandelt hat, aber man muss versuchen, ihre Sicht der Dinge zu verstehen.“ „Das mag das eine Problem sein“, entgegnete Sturmherz streitlustig. „Aber das andere Problem ist, dass sie jegliche HalbClan-Katzen ablehnen und ebenfalls in die Wildnis verbannen. Was ist so schlimm daran, wenn man kein reines Clanblut in sich trägt?“ Er schnaubte aufgebracht. „Wenn es nach ihnen ginge, hätte ich es niemals in den Clan geschafft. Bist du auch der Meinung, dass das gut gewesen wäre?“ „Natürlich nicht!“ Milchkralle sah ihn entgeistert von der Seite her an. „Du gehörst zum FeuerClan! Du bist ein vollwertiges Mitglied unseres Clans. Und jetzt hör auf mit dem Thema. Dass der WasserClan sich selbst zu Grunde richtet, wissen wir, das hast du uns oft genug gesagt.“ Das hatte er in der Tat. Aber noch immer hatte ihm keiner Gehör schenken wollen, wenn er behauptete, dass HalbClan-Katzen das Blut des WasserClans retten könnten. Schon in seiner Ausbildung hatte er Eisbart davon erzählt und ihm erklärt, welches Wissen seine Mutter ihm als Kitten vermittelt hatte. Wenn sich Katzen, die nahe miteinander verwandt waren, über Generationen hinweg paarten, verdarb das Blut und es folgten Unfruchtbarkeit und kranke Junge. Die Lösung, wie der WasserClan sich selbst retten könnte, war so einfach – und doch so ausgeschlossen. Eher würde Silberstern ihren gesamten Clan dem Untergang weihen, als freiwillig eine Vermischung mit dem Blut der anderen Clans zuzulassen. *** Silberblaues Licht umgab Sturmherz, als er die Augen öffnete. Er stand im Nichts und trotzdem hatte er das Gefühl von Gras unter seinen Pfoten. Eine blühende Wiese an einem sonnigen Sommermorgen. Kein unbekannter Geruch, hatte er ihn doch schon früher in seinen Träumen wahrgenommen. „Hallo, Sturmherz“, sagte eine Stimme, die ihm so vertraut und fremd zugleich war. Er drehte sich um und sah in die blauen Augen einer weißen Katzendame. War sie weiß? Oder leuchtete sie von innen wie die Sterne am Himmel? Auch sie hatte er schon einmal in seinem Traum gesehen, auch wenn es nur noch eine vage Erinnerung aus seiner Anfangszeit beim FeuerClan war. „Wer bist du?“ Die Katze lächelte sanft. „Es freut mich, dass du deinen Weg zu mir finden konntest. Ich bin stolz auf dich, Sturmherz. Endlich ein Krieger und bald ein Mentor noch dazu. Flockenjunges kann sich glücklich schätzen. Eine gute Wahl, die von Weisheit und einem großen Herzen zeugt.“ Verwirrt sah er sie an. „Weisheit? Was meinst du?“ Ihr Lächeln wurde milde – wie das einer alten Mentorin, die ihrem Schüler auf die Sprünge half. „Das weißt du. Nur du kannst verstehen, wie Flockenjunges sich im FeuerClan fühlen wird. Du hättest ihn nicht zu deinem Schüler nehmen müssen, aber du hast es getan, weil du gespürt hast, dass nur du ihm eine richtige Chance geben wirst.“ Einen Moment lang trübte sich ihr Blick und wanderte in eine unbekannte Ferne. „Flockenjunges … Er wird es nicht leicht haben. Seine Seele ist so unschuldig und rein, wie es nur selten vorkommt. Pass gut auf deinen Schüler auf.“ Sturmherz wusste nicht recht, was er darauf erwidern sollte. „Das werde ich.“ „Ich weiß, dass du das wirst.“ Der Tonfall der weißen Katze wurde wieder munterer. „Du wirst mich stolz machen. Bisher habe ich es noch an keinem Tag bereut, dass ich dich zum FeuerClan geführt habe.“ „Du hast mich zum … Moment mal! Wie meinst du das? Die Zweibeiner meiner Mutter haben mich in der eisigen Kälte ausgesetzt und zum Sterben zurückgelassen. Drei Tage lang irrte ich umher, bis Fleckennase und Milchkralle mich gefunden haben.“ Während er davon erzählte, kneteten seine Pfoten gedankenverloren in dem silbrigen Gras herum. „Und wer, glaubst du, hat dir nachts in deinen Träumen Mut zugesprochen? Wer, glaubst du, war Stunde um Stunde, die du dich durch den Schnee gequält hast, an deiner Seite?“ Sie legte den Kopf leicht schief. Sturmherz fühlte sich, als würde man ihm den Boden unter den Pfoten wegziehen. „Du?“, brachte er heiser hervor. Sie nickte gewissenhaft. „Ja, das war ich. Aber ich vergebe dir, dass du dich nicht mehr daran erinnern kannst. Du warst noch jung und geschwächt, ohne meine Kraft hättest du vielleicht nicht einmal die erste Nacht überlebt.“ Das konnte nur eins bedeuten. Sturmherz‘ Blick huschte umher. Warum war er nicht früher darauf gekommen? „Du gehörst zum SternenClan.“ Sie war tot und er war beim SternenClan, wie auch immer das passieren konnte. Wieder lächelte sie geheimnisvoll. „Wieso bin ich hier? Wieso kann ich mit dir reden? Ich dachte, dies sei den Anführern und Heilern vorbehalten.“ „Das ist es auch – normalerweise. Aber manchmal, zugegebenermaßen relativ selten, öffnen wir unsere Pforten auch für andere, die uns am Herzen liegen oder mit uns verwandt sind. Ich habe es getan, weil ich große Hoffnungen in dich setze, Sturmherz.“ „Ich verstehe nicht.“ „Noch nicht“, stimmte sie ihm zu und betonte es, als sei es nur eine Kleinigkeit, die sich von alleine ergeben würde. Zeitgleich begann die Umgebung ganz langsam zu verblassen. „Ich werde dir immer beistehen, so gut ich kann, damit du meinen Clan rettest. Das ist es, was ich von dir erwarte. Nicht mehr und nicht weniger. Ich habe dich zu deiner Bestimmung und deinem neuen Leben geführt und im Gegenzug möchte ich, dass du mir diesen Gefallen erweist.“ „Deinen Clan … retten?“ Er musste schwer schlucken. „Dem FeuerClan droht Gefahr? Schon wieder? Was kann ich tun? Was muss ich tun?“ Alarmiert stellten sich seine Ohren auf. Alles um ihn herum und auch die namenlose Katze verblassten nun immer schneller. Sie begann zu lachen und es klang wie die wundervollste Melodie, die er jemals gehört hatte. „Du irrst dich, mein lieber Sturmherz.“ Ihr Lachen verhallte. „Ich möchte, dass du meinen Clan rettest. Aber ich habe nie vom FeuerClan gesprochen.“ Und keinen Herzschlag später war sie vollständig verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)