Stormpaw's Destiny von Kalliope (Warrior Cats - New Clans, New Stories) ================================================================================ Kapitel 7: ----------- Der Tod von Lachssänger war auch eine Woche später das Gesprächsthema Nummer Eins im FeuerClan. Direkt danach kam die bald vier Wochen alte Fliederjunges, die ihre ersten wackeligen Schritte im Bau der Königinnen unternahm, sich ansonsten aber wie ein braves Kätzchen verhielt. Im Gegensatz dazu rangelten Nebeljunges und Dachsjunges schon in ihrem zarten Alter von einer Woche herum, traten sich gegenseitig und mit Vorliebe ihre Mutter Kieselpelz. Blaufell bauschte seinen Anteil am Kampf gegen Dornstachel und Donnertaucher künstlich auf und verwies noch immer auf seine Beinverletzung, um sich vor der Patrouille zu drücken, was nur solange gut ging, bis Schwarzstern ihm mit Konsequenzen drohte. Es war der Übergang von April zu Mai und Schneeflügel stand geschätzt eineinhalb Wochen vor der Geburt ihrer Junge, weshalb Schwarzstern sie von allen aktiven Pflichten im Clan entbunden hatte, damit sie sich schonen konnte. Dennoch verbrachte sie gerne einen Teil ihrer Zeit mit Sturmpfote, begleitete ihn morgens zum Jagen und plauderte zunehmend über ihr Dasein als Königin. „Du verrätst mir immer noch nicht, wer der Vater deiner Jungen ist, nicht wahr?“ Schneeflügel lächelte. „Nein, das Thema hatten wir doch schon. Vielleicht wirst du es irgendwann auch so erfahren.“ Sturmpfote seufzte. Er mochte Schneeflügel und hätte sie gerne noch länger als Mentorin behalten. Im Moment trainierte er wieder mit Haselschweif und Milchpfote und wartete darauf, dass Schwarzstern einen Ersatz für Schneeflügel bestimmte, doch laut seiner Mentorin konnte sich dies bis zur Geburt ihrer Jungen hinziehen. Fleckenpfote hatte zunächst mit Stolz reagiert, als er endlich von Schwarzstern ernst genommen wurde, doch dies hatte sich noch am selben Abend in Furcht verkehrt, denn er wusste nicht, was die Bedrohung aus der Wildnis war. Andere im Clan fürchteten sich ebenfalls, auch wenn dies niemand laut aussprach. Milchpfote hatte sich in den ersten Tagen noch Gedanken darüber gemacht, ob sie aktiver hätte mitkämpfen sollen – vielleicht hätte Schwarzstern sie dann zur Kriegerin ernannt. Nach einer Weile gab sie diese Gedanken jedoch auf und widmete sich wieder ihrem Training, das sie wie gewohnt fehlerfrei hinter sich brachte. Sturmpfote dachte oft darüber nach, ob, nein, wie Lachssängers Tod vom WasserClan bei der Versammlung auf dem Heiligen Berg thematisiert werden würde. Er mochte weder Silberstern noch ihren Clan und hatte die Abneigung von den meisten anderen FeuerClan-Katzen übernommen. Man konnte beinahe sagen, dass sich der WasserClan und der FeuerClan auf den Tod nicht riechen konnten und Silberstern keine Gelegenheit ausließ, um Schwarzstern oder den FeuerClan schlecht reden zu können. Mit Sicherheit würde sie bei der Versammlung wieder den Verdacht in den Raum werfen, dass jemand aus dem FeuerClan an Lachssängers Tod Schuld war, weil sie den Geruch des FeuerClans an ihrem Fell getragen hatte. Sie würde gegen den Clan hetzen und alles, was Sturmpfote tun konnte, war zu hoffen, dass sich niemand darauf einließ. Löwenzahnstern war doch sicher ruhig genug, um die Sache objektiv zu betrachten? Und was war mit Wacholderstern? Fragen über Fragen. *** „Ich bin wirklich gespannt, wen Schwarzstern als Mentor auserwählen wird.“ Sturmpfotes Ohren zuckten. Er wusste, dass Rosentau unmöglich von ihm sprach. Die gehässige Katzendame lag zusammen mit Herbstwolke, Fleckenpfotes Mutter, und Blaukralle unweit des Beutehaufens, auf dem sich nur noch klägliche Reste befanden. Die Sonne stand bereits tief am Horizont, wärmte aber dennoch den Pelz. Herbstwolke gähnte. „Dachsjunges und Nebeljunges sind noch so jung. In den nächsten sechs Monden kann sich viel entwickeln.“ Ha! Er hatte es gewusst – sie sprachen nicht über ihn. Rosentau schnalzte mit der Zunge und warf ihrem Sohn einen langen, prüfenden Blick zu. „Schwarzstern würde Blaukralles Potenzial verschenken, wenn er nicht ihn zum Mentor ernennen würde. Außerdem ist Blaukralle längst an der Zeit. Eine Schande, dass man ihm nicht schon Milchpfote oder Fleckenpfote zugeteilt hat.“ Herbstwolkes Schwanzspitze zuckte leicht. „Du darfst nicht vergessen, dass Blaukralle auch erst eineinhalb Jahre alt war, als mein Sohn geboren wurde. Schwarzstern hat richtig entschieden, als er Apfelpelz und Haselschweif zu Mentoren machte.“ „Apfelpelz“, erwiderte Rosentau spöttisch, jedoch auch mit einem Hauch Verbitterung. „Mein Erstgeborener.“ Sie schüttelte den Kopf und legte ihre Pfote auf die von Blaukralle. „Was Apfelpelz kann, kann Blaukralle doppelt so gut. Wie man so hört, gibt Apfelpelz sich nicht einmal Mühe mit seiner Tätigkeit als Mentor.“ Herbstwolkes Schwanz zuckte erneut, dieses Mal etwas heftiger. „Mein Sohn hat einen guten Mentor und er wird sicherlich schon bald seine Prüfung ablegen dürfen. Fleckenbaum wäre stolz auf Fleckenpfote und alles, was Apfelpelz ihm bereits beigebracht hat.“ „Natürlich wäre er das“, schnurrte Rosentau beschwichtigend, fügte dann aber relativ zügig hinzu: „Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass Blaukralle ihn schon längst zum Krieger gemacht hätte. Schwarzstern täte gut daran, Blaukralle eines der Jungen zu überlassen. Außerdem muss Schwarzstern auch an Haselschweif denken.“ „Wie meinst du das?“ „Nun, Haselschweif ist auch nicht mehr der jüngste Krieger im Clan.“ Nun wirkte Rosentau beinahe beruhigt. „Es ist immer gut, sich einen Nachfolger offen zu halten.“ „Aber Rosentau!“ Herbstwolke erhob sich langsam. „Haselschweif ist ein ausgezeichneter Zweiter Anführer.“ „Daran zweifelt keiner.“ Doch ihr Blick machte deutlich, dass sie lieber Blaukralle auf dieser Position sehen würde – und dafür müsste er mindestens einmal Mentor gewesen sein. Sturmpfote grollte leise und wandte den Blick von dem Grüppchen ab. Wenn Rosentau und Blaukralle ihn aus dem Clan ekeln wollten, war das eine Sache, aber sie würden sich niemals gegen Haselschweif auflehnen. Eher würden sie warten, bis er von selbst starb – und wenn es noch Jahre dauern würde. Rosentau hatte die Karriere ihres Sohnes schon vor dessen Geburt fertig geplant und sie würde mit Sicherheit nichts unversucht lassen, um ihn eines Tages als Anführer des FeuerClans zu sehen. *** „Sie sind so anstrengend!“, hörte er Kieselpelz sagen. Die junge Königin lag vor dem Bau der Königinnen in der Sonne und wärmte ihren langen Pelz. Man konnte ihr die Anstrengung, die die Geburt und die beiden Jungen bei ihr verursacht hatten, an ihrem Gesicht ablesen. Zimtfeder lag neben ihr, deutlich kleiner, eingerollt und die Pfoten ordentlich unter dem Körper versteckt. „Dazu kann ich nichts sagen.“ „Nebeljunges und Dachsjunges haben nur Unsinn im Kopf! Ich frage mich, woher sie das in diesem jungen Alter haben. Ich dachte, sie machen nicht viel mehr als zu schlafen und zu säugen.“ Kieselpelz seufzte. „Ich wünschte, sie wären mehr wie Fliederjunges. Sie ist so lieb. Und rücksichtsvoll. Sie wird eine großartige Heilerin werden.“ Ein stolzes Lächeln huschte über Zimtfeders Gesicht. „Ja, das wird sie. Der SternenClan muss Großes mit ihr vorhaben.“ „Genug Pause für heute.“ Herbstfleck marschierte mit strengem Blick aus dem Bau heraus und baute sich vor den beiden Königinnen auf. „Alle drei haben Hunger.“ Zimtfeder erhob sich langsam, streckte die Glieder und hielt ihr Gesicht noch weiter in die Sonnenstrahlen. „Ich denke, morgen werde ich Fliederjunges mit nach draußen nehmen. Sie ist einen Mond alt – alt genug dafür.“ Herbstflecks Ohren zuckten besorgt. „Man sollte nichts überstürzen, Zimtfeder. Das muss Honigblüte entscheiden. Wir werden sie morgen zusammen fragen.“ Herbstfleck war nach ihrer eigenen Zeit als Königin so sehr in die Rolle hineingewachsen, dass sie von Schwarzstern von ihren Pflichten als Kriegerin entbunden worden war und sie nun als Vollzeit-Königin den anderen Königinnen mit Rat und Tat zur Seite stand. Nicht selten regte Honigblüte sich über dieses Engagement auf, aber selbst sie konnte Herbstfleck nicht von dieser Berufung abbringen. Nur wiederwillig machte sich auch Kieselpelz auf den Rückweg in ihren Bau, wobei sie einen letzten, wehmütigen Blick zur Sonne warf. Sturmpfote gähnte. Heute Nacht fand wieder eine Versammlung am Heiligen Berg statt und er war sich sicher, dass Silberstern seinen Clan des Mordes an Lachssänger bezichtigen würde. Sicherlich würde Schwarzstern sich das nicht gefallen lassen. Bisher hatte er nicht bekannt gegeben, wer ihn begleiten durfte, aber alle waren sich einig, dass er sich für einen Tumult rüsten würde. Bis dahin waren noch einige Stunden Zeit und welchen Sinn hätte es gehabt, sich darüber den Kopf zu zerbrechen? Keinen. Ein Atemzug. Zwei Atemzüge. Sturmpfote machte sich wieder Sorgen. Er wälzte sich von einer Seite zur anderen, bettete den Kopf auf den Vorderpfoten und grollte vor sich hin. Zumindest zweifelte keiner mehr daran, dass sich irgendetwas außerhalb der Reviergrenzen herumtrieb. Fleckenpfote hatte seinen Ruf wieder hergestellt und galt nicht länger als ängstlicher Schüler, die übertrieben hatte. Dennoch fand Sturmpfote, dass der Clan diese potenzielle Gefahr nicht ernst genug nahm. Sie wussten nicht einmal, was dort draußen lauerte. Vielleicht war Lachssänger ein zufälliges Opfer und es würde dabei bleiben. Aber was, wenn nicht? *** Schwarzstern und Haselschweif marschierten Seite an Seite voran. Direkt dahinter liefen Blaukralle und Rindentänzer. Beiden konnte man die Anspannung ansehen, doch beide schwiegen und hingen ihren eigenen Gedanken nach. Apfelpelz‘ buschiger Schweif zuckte lässig von einer Seite zur anderen. Er trottete mit etwas Abstand neben Eisbart, der dank seiner Erfahrung und seines sachlichen Gemüts mitkommen sollte. Zuletzt liefen Sturmpfote und Fleckenpfote. Sie waren sich so nahe, dass sich ihre Schultern beinahe berühren konnten. Alle anderen waren im Lager geblieben, um aufzupassen. Schwarzstern hatte sogar angeordnet, dass bei Mondhoch eine Nachtpatrouille durch das Revier laufen sollte, um gegen alle Eventualitäten gerüstet zu sein. Es war, als würde der Wald den Atem anhalten. Als würde die Natur darauf warten, dass etwas passierte. Vielleicht bildete Sturmpfote sich das aber auch nur ein. Sie überquerten den Bach, erklommen die Hänge des Heiligen Bergs und erreichten das Plateau. Sie waren früh dran, außer ihnen war nur Wacholderstern mit einigen Vertretern des LuftClans anwesend. Schwarzstern und Wacholderstern grüßten sich respektvoll, als Schwarzstern seinen Platz auf dem tief hängenden Ast der riesigen Eiche einnahm, während Haselschweif sich zwischen den Wurzeln neben Regenkauz setzte. Sie redeten leise miteinander und so begann sich auch der LuftClan mit dem FeuerClan auszutauschen. „Lange nicht gesehen!“ „Wie geht es dir?“ Die Stimmen riefen durcheinander, bildeten Pärchen und kleine Gruppen. Der FeuerClan teilte keine Grenze mit dem LuftClan, deshalb sah man sich nur selten. Ein kleiner, schwarzer Kater mit gelbgrünen, hellen Augen und eine braungetigerte Katze mit grünen Augen kamen gut gelaunt auf Fleckenpfote und ihn zu. „Hallo!“ Die Katze setzte sich vor sie und leckte ihre Pfote ab. „Ich bin Kleepfote und das ist mein Bruder Hummelpfote. Wir sind zum ersten Mal bei einer Versammlung.“ Dann lächelte sie Sturmpfote an. „Von dir haben wir auch schon viel gehört. Freut mich, dass wir uns endlich mal persönlich sehen.“ Sturmpfote entspannte sich. Die beiden waren die Schüler des LuftClans und offensichtlich wollten sie sich einfach nur von Schüler zu Schüler unterhalten. Auch Fleckenpfote schien erleichtert zu sein. „Ich bin Sturmpfote, das ist Fleckenpfote.“ Beide neigten kurz ihr Haupt. „Habt ihr etwas vom WasserClan gehört?“, fragte Fleckenpfote sogleich und wirkte ängstlich. Kleepfote und Hummelpfote sahen sich kurz an, dann setzte Hummelpfote sich mit keckem Blick hin und kratzte sich am Kinn. „Nicht viel. Wacholderstern und Silberstern haben sich vor einigen Tagen an der Grenze getroffen, aber niemand weiß, was beredet wurde. Ist mir auch egal, ich kann ihren Geruch nicht ausstehen. Immer so kalt und nass.“ Kleepfote kicherte. „Wieso fragst du?“ Fleckenpfote seufzte. „Ich denke, das werdet ihr heute sowieso erfahren. Eine Kriegerin des WasserClans ist gestorben und Silberstern macht den FeuerClan dafür verantwortlich.“ Interessiert spitzte Kleepfote die Ohren. „Und? Seid ihr es?“ „Natürlich nicht!“, antwortete Sturmpfote sofort und sein Fell sträubte sich alleine bei der Vorstellung, dass jemand seinen Clan so vorverurteilen könnte. Hummelpfote grunzte zufrieden. „Der WasserClan und der FeuerClan sind schon seit Ewigkeiten verfeindet. Lass Silberstern reden. Ich verstehe selbst nicht, warum Wacholderstern ihr so nach der Schnauze redet.“ „Hey, das kannst du nicht einfach sagen!“, ermahnte seine Schwester ihn und schaute sich sogleich um, ob jemand aus ihrem Clan sie gehört hatte. Schließlich fuhr sie mit leiserer Stimme fort: „Wacholderstern ist unser Anführer. Wir stehen hinter ihm und sind LuftClan mit Leib und Seele.“ „Ich meine ja nur“, sagte Hummelpfote. Sein Blick fing den von Sturmpfote ein, als er wieder aufstand und ihm zuzwinkerte. „Dich mag ich. Vielleicht sieht man sich mal wieder. Für ein Hauskätzchen bist du nämlich echt in Ordnung. Im Gegensatz zu euch sind die beiden Schüler vom WasserClan die reinsten Spaßbremsen.“ Kleepfote grinste leicht. „Eispfote redet immer nur von seiner Verpflichtung dem WasserClan gegenüber und wie diszipliniert er dem Training nachgeht.“ „Seht mich an, Silberstern legt große Hoffnung in mich, mir steht eine große Zukunft bevor. Ich bin Eispfote und eines Tages werde ich Anführer sein.“ Hummelpfote äffte Eispfote nach. „Schneepfote scheint netter zu sein, aber sie sagt nicht viel, wenn ihr Bruder dabei ist.“ Hummelpfote verabschiedete sich grinsend und kehrte zu seinem Clan zurück. Kleepfote stand ebenfalls auf. „Finde ich auch. Ihr seid eindeutig die besseren Gesprächspartner. Bis zum nächsten Mal!“ Gut gelaunt stapfte sie ihrem Bruder hinterher. Genau in diesem Moment brach der WasserClan wie eine weiße Front durch das Unterholz. WasserClan und LuftClan vermischten sich, Silberstern nahm ihren Platz neben Wacholderstern ein und würdigte Schwarzstern keines Blickes. Wenige Minuten später kam auch der ErdClan. Die Versammlung konnte beginnen. Löwenzahnstern eröffnete die Versammlung, aber schon am Anfang konnte man merken, dass eine gewisse Spannung in der Luft lag. LuftClan und WasserClan saßen so eng beieinander, dass sie wie ein großer Clan wirkten, auch wenn es einzelne Katzen wie Hummelpfote oder Kleepfote gab, die lieber mit deutlichem Abstand auf ihrer Seite blieben und den anderen argwöhnische Blicke zuwarfen. In der ersten Reihe vom WasserClan saß Donnertaucher und warf dem FeuerClan immer wieder hasserfüllte Blicke zu. Direkt neben ihm befand sich ein weiterer weißgrauer, getigerter Kater, der ein ebenso kräftiges Kreuz und einen muskulösen Körper besaß. Vielleicht waren sie Brüder oder gute Freunde, jedenfalls steckten sie immer wieder die Köpfe zusammen und tuschelten leise. Sturmpfote würde es nicht wundern, wenn sie Schwarzstern den Tod wünschten. „Meine Lieben“, begann Silberstern sogleich und unterbrach damit Löwenzahnstern. „Darf ich?“ Als der Anführer des ErdClans schwieg, fuhr sie fort: „Ich möchte nicht lange hinauszögern, worüber ich mir seit eineinhalb Wochen den Kopf zerbreche. Lachssänger, eine geschätzte Kriegerin des WasserClans und Mutter unserer beiden Schüler Eispfote und Schneepfote, wurde hinterhältig und blutig ermordet.“ Ihre Worte verfehlten die Wirkung nicht. Der FeuerClan schnaubte, erwiderte jedoch nichts. Der ErdClan, der davon noch nichts wusste, bekundete Empörung und Beileid. Der LuftClan senkte den Kopf. Sturmpfote wusste, was jetzt kam. „Wir haben eine erfahrene Kriegerin, die Mutter unserer Schüler und die Gefährtin von Donnertaucher verloren.“ Silberstern legte eine Kunstpause ein, ließ ihren Blick über die versammelten Clans gleiten und blieb an Schwarzstern hängen, wobei ihr Blick starr wurde. „Und das alles haben wir dem FeuerClan zu verdanken! Der Geruch dieser Verräter am Gesetz der Krieger klebte in den blutigen Wunden, die man Lachssänger in den Körper gerissen hatte!“ Der WasserClan sprang auf, fauchte und spuckte, das Fell gesträubt. Ganz vorne mit dabei Donnertaucher, dem die Mordlust ins Gesicht geschrieben stand. Er hatte Lachssänger verloren und er wollte Gleiches mit Gleichem vergelten. Der FeuerClan sprang ebenfalls auf. „Lügnerin!“, rief Blaukralle, die Muskeln bis aufs Äußerte gespannt, um sich jeden Wimpernschlag auf seine Feinde stürzen zu können. Der LuftClan stimmte in das Jaulen des WasserClans ein, während der ErdClan, umgeben von den Fronten, ebenfalls auf den Beinen war. Buschige Schwänze waren in die Höhe gereckt, Ohren zuckten unruhig umher. Schwarzstern grollte tief und bedrohlich. „Du wagst es, meinen Clan erneut zu beschuldigen? Dieses Mal vor den versammelten Clans?“ „Gerade hier!“, spuckte Silberstern hervor. Zwischen beiden lagen nur zwei Fuchslängen. Sie könnten sich jederzeit gegenseitig an die Kehle springen. „Wie sonst willst du mir erklären, dass Lachssänger ausgerechnet an der Grenze zum FeuerClan angegriffen wurde? Und dass FeuerClan-Geruch an ihr haftete?“ „Lasst uns das in Ruhe regeln“, sprach Löwenzahnstern, doch seine Stimme ging in der allgemeinen Aufregung vollkommen unter. „Seit mit dir eine HalbClan-Katze Anführer des FeuerClans wurde, geht es bergab mit diesem einst ehrbaren Clan! Erst das und dann das Hauskätzchen, das du in deine Reihen aufgenommen hast wie dein eigen Fleisch und Blut! Verräter am FeuerClan, Verräter am Gesetz der Krieger, das bist du!“ Schwarzstern grub seine messerscharfen Krallen tief in die Borke der Eiche. Jeder wusste, dass er den Frieden, der den Versammlungen am Heiligen Berg garantiert war, bedrohte, sollte er Silberstern angreifen. Sturmpfote war sich sicher, dass sie genau das wollte, damit sie ein weiteres Vergehen hatte, das sie ihm anlasten konnte. Löwenzahnstern trat zwischen die beiden Kontrahenten. Er war größer als sie, baute sich mit seinen breiten Schultern und dem langen Fell auf. „Ruhe!“ Seine Stimme donnerte über die Versammlung hinweg. „Im Namen des SternenClans, beruhigt euch!“ Endlich wurde das Fauchen und Zischen, das Grollen und Brummen leiser, bis es fast ganz verebbte. „Die Ermordung einer Clan-Katze verstößt gegen das Gesetz der Krieger. Es liegt auch in meinem Interesse, dass wir aufklären, wer für den Tod von Lachssänger verantwortlich ist.“ „Das ist doch offensichtlich!“, fauchte Silberstern, doch sie wusste, wann sie sich zurückhalten musste, also schloss sie wieder den Mund. „Schwarzstern, was hast du zu diesen Anschuldigungen zu sagen?“ Schwarzstern atmete tief ein und aus, bis er genügend Selbstbeherrschung aufbrachte, um die Krallen wieder einzufahren. „Ich verbürge mich für meinen Clan. Der FeuerClan hat damit nichts zu tun. Zum Zeitpunkt des Angriffs war kein Mitglied meines Clans alleine unterwegs.“ Löwenzahnstern nickte. „Und wie erklärst du dir, dass der Geruch des FeuerClans an Lachssängers totem Körper haftete?“ Einen Moment schwieg der Anführer. „Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht, aber es wäre nicht undenkbar, dass der Angreifer durch unser Territorium gekommen ist. Lachssänger wurde nahe der Nordgrenze ermordet. Es wären nur wenige hundert Meter, die der Angreifer bis zur Wildnis hätte.“ Erneut nickte Löwenzahnstern. „Gut. Und nun möchte ich euch an etwas erinnern, was die Heiler uns Anführern vor einigen Monden mitgeteilt haben. Es war ein Traum, den alle vier Heiler miteinander geteilt haben. Ihr erinnert euch. Jeder Clan leidet auf seine Weise. Jeder Clan wird eine Gefahr überstehen müssen. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft darf nicht aufgegeben werden. Nur neues Blut kann den Clan retten.“ Nun legte auch er eine Kunstpause ein, in der er Silberstern fixierte. „Ich sage dies, weil auch ich euch etwas zu berichten habe. Vor wenigen Tagen haben meine Krieger unweit der Südgrenze unseres Reviers Zweibeiner gesichtet.“ „Zweibeiner?“ Unruhig rutschte Silberstern auf ihrem Ast umher. Auch andere Katzen fielen in das unruhige Gemurmel ein. Das waren keine Neuigkeiten, die gut aufgenommen wurden. „Zweibeiner“, wiederholte Löwenzahnstern. „Sie kamen, blieben den ganzen Tag, liefen in der Wildnis umher. Mal waren sie weiter weg, mal näher.“ „Haben sie euch entdeckt?“, fragte Wacholderstern besorgt. „Natürlich nicht“, erwiderte der Anführer des ErdClans mit einem Schnauben. „Wir wissen nicht, wieso sie hier waren. Zweibeiner nahe des ErdClans. Ein unbekannter Angreifer im WasserClan.“ „Ein unbekannter Geruch an der Ostgrenze des FeuerClans“, fügte Schwarzstern hinzu. „Vielleicht dasselbe Wesen, das Lachssänger angegriffen hat.“ „Vielleicht die Zweibeiner“, sagte Wacholderstern mit dünner Stimme. Löwenzahnstern seufzte. „Ihr seht, worauf ich hinaus will. Der SternenClan warnte uns bereits vor mehreren Monden davor, dass eine Gefahr kommen wird, die Leiden verursacht. Silberstern, ich bitte dich, urteile nicht zu vorschnell. Vertrauen wir darauf, dass Schwarzstern und der FeuerClan das Gesetz der Krieger ehren, wie es sich gehört. Wie wir es alle tun. Ich schlage vor, dass wir die Verhandlung über Lachssängers Tod vertagen, bis wir mehr wissen.“ Es klang wie ein Vorschlag, war aber eindeutig nicht als solcher gemeint. Silberstern zog die Lippen kraus und legte die Ohren leicht an, doch sie beugte sich dem Anführer des ErdClans. „So sei es“, sprach sie verbittert. „Einen Mond lang gebe ich dem FeuerClan Zeit, um seine Unschuld zu beweisen. Sollte es dir bis zur nächsten Versammlung nicht gelingen, Schwarzstern, werde ich Vergeltung für Lachssängers Tod fordern.“ Auch Schwarzstern wirkte unzufrieden, doch er war ebenso wenig wie Löwenzahnstern darauf aus, dass diese Versammlung eskalierte. „Gut.“ Er nickte. „Ich werde meinen Kriegern auftragen, dass sie fortan täglich alle Grenzen kontrollieren. Wenn auch wir Zweibeiner nahe der Reviergrenzen sehen, werden wir es euch wissen lassen.“ „Wir werden ebenfalls wachsam sein und die Zweibeiner nicht aus den Augen lassen“, versprach Löwenzahnstern. „Und ich hoffe, dass ihr euch irrt“, sagte Wacholderstern leise. „Der SternenClan mag zwar vorausgesagt haben, dass jedem Clan eine Gefahr bevorsteht, doch bislang ist der LuftClan davon verschont geblieben – und ich hoffe, dass dem so bleibt. Wir haben weder etwas mit den Zweibeinern im ErdClan zu tun noch mit der Auseinandersetzung zwischen dem WasserClan und dem FeuerClan.“ Als er das sagte, kassierte er einen bösen Blick von Silberstern, unter dem er zusammenzuckte. Kein Zweifel, dass er gerade in ihrer Gunst gesunken war. „Der LuftClan wird wachsam sein, aber mehr nicht. Klärt eure Probleme alleine und zieht uns nicht in die Prophezeiung des SternenClans mit hinein. Wir wollen keinen Ärger.“ Wie konnte er so naiv sein! Sturmpfote kniff die Augen zusammen. Wenn sich die Zweibeiner an der Südgrenze des ErdClans aufhielten, konnten sie jederzeit auch an die Südgrenzen des FeuerClans oder LuftClans kommen. Beim SternenClan, es waren Zweibeiner! Sie konnten alles Mögliche tun! Niemand wusste, was in ihren Köpfen vorging! Wenn der SternenClan jeden einzelnen Heiler davor gewarnt hatte, dass eine Gefahr für jeden Clan bevorstand, würde Wacholdersterns Clan nicht davon verschont bleiben, da war Sturmpfote sich sicher. Sie durften die Hoffnung nicht aufgeben, egal wie schlimm es werden würde, das hatte der SternenClan auch gesagt. Und dass nur neues Blut den Clan retten konnte. Aber welcher Clan war damit gemeint? Einen kurzen Augenblick lang fragte Sturmpfote sich sogar, ob der SternenClan ihn gemeint hatte; immerhin kam er als Hauskätzchen zum FeuerClan und brachte somit neues Blut in die vorhandenen Blutlinien. Doch wenn dem so war, bedeutete das nicht vielleicht auch, dass es den FeuerClan besonders schlimm treffen würde? Sturmpfote verstand diese Prophezeiung nicht. Auch die anderen schienen zum ersten Mal davon zu hören. Bis auf die Anführer und die Zweiten Anführer tuschelten sämtliche Katzen darüber. Warum hatten die Anführer es bislang geheim gehalten? Gab es noch mehr, was sie vor den Clans verbargen? Fragen über Fragen. „Wir gehen.“ Eisbart trommelte den FeuerClan zusammen, denn die Versammlung war nun beendet. In derselben Formation wie vorher trotteten sie den Hang gen Osten hinab, bis sie am Fuße des Heiligen Bergs den Laubwald erreichten, der ihr Zuhause war. „Gruselig“, flüsterte Fleckenpfote leise. „Diese Prophezeiung spricht von Gefahren und Leiden.“ Er schluckte. „Meinst du … Meinst du, dass es wirklich das sein könnte, was wir schon gerochen haben? Welches Tier könnte grausam genug sein, um Lachsfänger so zuzurichten?“ „Ich weiß es nicht“, musste Sturmpfote zugeben, doch auch er machte sich Gedanken darüber. „Aber ich wünschte, ich wüsste es, damit wir etwas dagegen unternehmen könnten.“ Den restlichen Weg über verbrachten sie schweigend, bis sie das Lager erreichten. Sturmpfote entspannte sich, denn nun war er in seiner vertrauten Umgebung. Zu seiner Überraschung waren noch erstaunlich viele Katzen auf den Beinen. Ahornseele lief unruhig auf und ab und als sie ihren Bruder erblickte, kam sie an und rieb ihren Kopf an seiner Flanke. „Was ist los?“, fragte Haselschweif sogleich. „Blaufell“, murmelte Ahornseele unglücklich. „Was ist mit ihm?“, fragte nun auch Schwarzstern, während sich die Krieger, die mit ihm zur Versammlung gekommen waren, über das Lager verstreuten. „Ich weiß es nicht.“ Ahornseele verzog das Gesicht. „Wir waren gemeinsam auf Nachtpatrouille und trennten uns nur kurz, um die Südgrenze schneller ablaufen zu können. Mir ist nichts Auffälliges begegnet, aber kurz nach unserer Rückkehr ins Lager ist Blaufell krank geworden.“ „Krank?“ Schwarzsterns Ohren drehten sich in Richtung des Heilerbaus. Ahornseele nickte, doch ihre Besorgnis wich nun einer leichten Genervtheit. „Er hat die ganze Zeit gejammert, dass er hungrig ist. So schlimm kann es also auch wieder nicht sein.“ Schwarzstern seufzte. „Ich werde mich bei Honigblüte erkundigen. Geh schlafen, Ahornseele. Du hast dir die Nachtruhe verdient.“ Mit einer Geste der Dankbarkeit verabschiedete Ahornseele sich und lief neben ihrem Bruder zum Bau der Krieger. Lachssänger war tot, Blaufell wurde krank. Sturmpfote fragte sich, was wohl als nächstes passieren würde. „Bestimmt hat er irgendwo genascht und sich den Magen verdorben“, witzelte Blaukralle schnaubend. „Wäre nicht das erste Mal.“ Sturmpfote glaubte ihn noch so etwas wie „unbrauchbarer Speckkater“ murmeln zu hören, doch es interessierte ihn auch nicht weiter, was ausgerechnet Blaukralle dazu zu sagen hatte. Alles, was er jetzt noch wollte, war schlafen. Er gähnte. Im Bau der Schüler warteten bereits Milchpfote und Fleckenpfote auf ihn. Neben ihnen rollte Sturmpfote sich ein und schloss die Augen. Es würde alles gut werden. Es musste alles gut werden. Eine andere Alternative gab es gar nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)