Stormpaw's Destiny von Kalliope (Warrior Cats - New Clans, New Stories) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- „Sturm! Du musst dich besser benehmen, sonst haben die Zweibeiner dich nicht mehr lieb!“ *** „Ich bin so enttäuscht von dir, Sturm.“ „Es tut mir leid, Mutter, aber ich will kein Hauskätzchen sein!“ „Oh Sturm …“ *** „Wohin bringen die mich? Mutter, warum muss ich in diesem Karton sein? Mutter? Mutter!“ „Sturm, egal was passiert, ich werde dich immer lieben!“ „Mutter!“ *** „Das Metallmonster macht mir Angst. Alle meine Geschwister sind in ihm fortgebracht worden, aber sie mussten nie in so einem stickigen Karton sein. Wir fahren schon so lange. Mutter, bist du da? Warum antwortest du nicht? Bin ich alleine?“ *** Eisige Kälte umfasste Sturm in einem unbarmherzigen Griff. Ihm war kalt und der Schlaf, der nach langem Umherirren über ihn gekommen war, hatte weiche, warme Zuflucht geboten. Verzweifelt versuchte er wieder darin zu versinken, doch je mehr sein Geist sich in diesen Zustand der Schwerelosigkeit zurückwünschte, desto mehr kämpfte sein Körper dagegen an. Sein Körper wollte leben und klammerte sich verzweifelt daran fest. Eine Schneewehe traf ihn, woraufhin er schwerfällig die Augen öffnete. Einen Moment brauchte er, bis er überhaupt scharf sehen konnte, dann kehrte auch das Gefühl Stück für Stück in seine tauben Glieder zurück und mit ihm der Schmerz, der Hunger und die Verzweiflung, die ihn die letzten drei Tage angetrieben hatten. Etwas traf ihn unsanft, aber nicht hart in den Rücken. „Er lebt. Habe ich doch gesagt.“ Die weibliche Stimme klang neugierig und selbstgefällig zugleich. „Hey, du, was hast du hier zu suchen?“ Eine männliche Stimme, etwas vorsichtiger. Sturm drehte sich vom Bauch auf die Seite und blinzelte. Die riesigen Wurzeln des Baumes hatten ihm minimalen Schutz geboten, doch über Nacht hatte sich Schnee auf seinem gesamten Körper gesammelt und ihn weiter gekühlt. „Ich …“ Zu mehr fehlte ihm die Kraft und seine Augen fielen wieder zu. „Ich glaube nicht, dass er es noch lange macht.“ Ein nervöser Unterton war in der Stimme zu hören. „Wir sollten jemandem Bescheid sagen. Nicht, dass wir Ärger bekommen.“ „Er sieht aus wie einer vom ErdClan.“ „Aber er riecht nicht danach. Er riecht überhaupt nicht wie irgendein Clan, also lass uns einfach verschwinden.“ „Du bist so mauseherzig! Egal, wer er ist, er hat auf unserem Territorium nichts zu suchen.“ „Also vertreiben wir ihn?“ Kurzes Zögern. Unsicherheit? „Nein. Der schafft es keine drei Fuchslängen weit. Das würde nichts bringen.“ „Also …?“ Ein Seufzen war zu hören, dieses Mal weiter entfernt. „Du wirst auf ihn aufpassen und ich hole Haselschweif. Er wird wissen, was zu tun ist.“ „Wieso muss ich hier bleiben?“ „Weil ich schneller bin als du. Außerdem wird er dich schon nicht anspringen. Du hast doch selbst gesagt, dass er es nicht mehr lange macht.“ Der knirschende Schnee verriet Sturm, dass sich einer der beiden von ihm entfernt hatte. War es gut, dass die beiden ihn gefunden hatten? Wer waren die überhaupt? Drei Tage lang war er durch die Wildnis geirrt, nachdem seine Zweibeiner ihn samt Karton am Donnerpfad stehen gelassen hatten. Den halben Tag hatte er gebraucht, um sich zu befreien, dann war er fortgelaufen, bis ihn der Einbruch der Nacht überrascht hatte. Auch die folgenden zwei Tage hatte Sturm um sein Leben gefürchtet, hatte sich verirrt, keine Nahrung gefunden und Schnee in seinem Maul schmelzen lassen, um überhaupt etwas trinken zu können. Er hatte so viele fremde Gerüche aufgenommen und alle hatten Gefahr für ihn bedeutet. „Wer seid ihr?“, fragte er nach einer Weile und öffnete wieder die Augen. „Was habt ihr mit mir vor?“ Würden sie ihn töten? Dann hätte wenigstens sein Leid ein Ende. Der junge Kater, der einige Meter entfernt von ihm im Schnee saß, zuckte nervös mit den Ohren. „Das geht dich nichts an, Eindringling.“ Er war etwas kleiner als Sturm, hatte glattes, kurzes, schwarz-weißes Fell und lange, weiße Schnurrhaare, die in das nervöse Zucken der Ohren mit einstimmten. Sturm war sich sicher, dass er ihn im Kampf besiegen könnte, wenn er nur bei Kräften wäre. „Mein Name ist Sturm“, begann er in dem Versuch, doch noch irgendwie Zugang zu dem Kater zu bekommen. Der andere schnaubte leise und rückte noch ein Stück weiter weg. „Sei still. Ich werde nicht mit dir reden, bis Haselschweif und Milchpfote zurück sind.“ Also hieß die Katze, die gerade noch bei ihnen gewesen war, Milchpfote. Er warf dem gefleckten Kater noch einen letzten Blick zu, rollte sich wieder zurück auf den Bauch, legte die Pfoten sorgsam unter seinen Körper und wartete. Was blieb ihm auch andere übrig? Die Zeit dehnte sich immer weiter aus und das Adrenalin, das bei der Ankunft der beiden fremden Katzen noch durch seine Adern geschossen war, verflüchtigte sich wieder, sodass Sturm zurück in die schummrige Dämmerwelt driftete, die ihn an die Schwelle des Todes führen würde. Erneut riss ihn ein Tritt in die Seite zurück in die eisige Wirklichkeit. „Das ist er.“ Milchpfote zog sich neben einen rostbraunen, schlanken Kater mit einem dicken, buschigen Schwanz zurück, der Sturm nachdenklich musterte. „Wir haben ihn bei der Patrouille gefunden, sein Geruch lässt sich bis zur südlichen Grenze zurückverfolgen.“ „Dann kam er aus der Wildnis“, sagte der Kater, bei dem es sich wohl um Haselschweif handeln musste. „Jedenfalls gehört er zu keinem Clan.“ „Also ist er ein Einzelläufer?“ Der schwarzweiße Kater von vorhin hielt sich im Hintergrund, wirkte aber viel entspannter, da nun jemand anwesend war, der die Dinge regeln konnte. „Nein.“ Haselschweif trat einen Schritt zurück und schnupperte in die Luft. Dann richtete sich sein Blick zum ersten Mal direkt auf Sturms Gesicht. „Du bist ein Hauskätzchen, nicht wahr? Ich kann die Zweibeiner an dir riechen, aber ihr Geruch ist bereits verblasst. Das hier ist das Territorium des FeuerClans, wie bist du hier hergekommen?“ Sturm rappelte sich auf, wobei ihm nicht die wachsamen Blicke der beiden jüngeren Katzen entgingen. Insbesondere die dunkelgraue Katze mit den weißen Abzeichen spannte die Muskeln an, als würde sie jeden Moment mit einem Angriff seinerseits rechnen. „Ich bin kein Hauskätzchen. Ich war eines, bis die Zweibeiner meiner Mutter mich gepackt, in einen dunklen Karton eingesperrt und aus ihrem Metallmonster geworfen haben.“ „Was ist ein Karton?“, hörte er den Schwarzweißen flüstern. Haselschweif nickte. „Wie lange ist das her?“ „Drei Tage.“ „Drei Tage sind eine lange Zeit, um vom Donnerweg hier her zu gelangen.“ „Ich …“ Sturm senkte den Blick und ließ die Schultern hängen. „Ich habe mich verlaufen. Alles war so fremd, ich hatte Hunger und Durst, dann die Kälte und die Dunkelheit, ich … Ich wäre hier gestorben, wenn die beiden mich nicht aufgeweckt hätten.“ Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: „Vielleicht wäre das besser gewesen. Werdet ihr mich hier zurücklassen?“ „Besser wäre es“, murmelte der Ängstliche im Hintergrund, doch Milchpfote verpasste ihm einen leichten Stoß gegen die Schulter, woraufhin er verstummte. Eine Weile sagte niemand etwas, dann stand Haselschweif auf und schüttelte sich den Schnee aus dem rotbraunen Pelz. „Diese Entscheidung kann ich nicht alleine treffen. Milchpfote, du stützt seine linke Seite. Fleckenpfote, du seine rechte Seite. Wir bringen ihn zu Schwarzstern ins Lager.“ „Wir nehmen ihn mit?“ Milchpfote und Fleckenpfote tauschten einen schnellen, entgeisterten Blick, doch keiner der beiden widersprach Haselschweif, weshalb sie sich zügig, wenn auch mit Widerwillen zu Sturms Flanken bewegten und ihm auf die Pfoten halfen. Die ersten paar Schritte konnte Sturm sich kaum aufrecht halten, weil seine Beine immer wieder unter ihm nachgaben, dann spürte er den stützenden Halt der beiden Katzen an seinen Seiten. Gemeinsam gingen sie hinter Haselschweif her und zogen eine Schneise durch den Schnee. Ihm kam die Wanderung wie eine Ewigkeit voller Schmerzen und Qualen vor. Wie lange sie wirklich gelaufen waren, konnte Sturm nicht einschätzen, da sie nur sehr langsam vorwärts gekommen waren und immer wieder kurze Pausen machen mussten. Schließlich erreichten sie jedoch den Waldrand und ab da kamen sie ein bisschen schneller voran. Halb wachsam und halb benommen beobachtete Sturm seine Umgebung. Die vielen Laubbäume mussten im Sommer ein dichtes Blätterdach bilden, doch jetzt ragten sie wie knorrige, vertrocknete Finger gen Himmel und boten kaum Schutz. Auf halbem Weg durch den Wald hatte es wieder zu schneien begonnen, was Fleckenpfote einige leise Flüche entlockte, dann war der junge Kater wieder ruhig und setzte, ebenso wie Milchpfote, eine stoische und unnahbare Miene auf. Als in der Ferne dichte Tannen und andere Nadelbäume in Sicht kamen, stieg Sturm ein beißender, erdiger Geruch nach Moosen und Farnen und undefinierbaren, würzigen Kräutern in die Nase. Sogleich änderten sie ihre Richtung, ließen den Nadelwald hinter sich und kamen nach einer weiteren gefühlten Ewigkeit an eine große Lichtung, die zu drei Seiten von Bäumen umgeben war und zur vierten Seite in einen Hang mündete, von dem aus das Gelände steiniger und unwegsamer wurde. „Wir sind gleich da“, sprach Haselschweif zuversichtlich und trottete voraus. Leichtfüßig wich er spitzen Steinen und Geröll aus, arbeitete sich den Hang hinab und verschwand zwischen Felsen und Gestrüpp. Milchpfote, Fleckenpfote und Sturm folgten ihm weitaus langsamer. Mehrfach mussten die beiden Sturm vor einer Rutschpartie bewahren, kamen aber ohne weitere Verletzungen unten an und schlüpften ebenfalls durch das Gestrüpp. Im nächsten Augenblick schlug Sturm der geballte Geruch des FeuerClans entgegen, den er bisher nur als sanften Unterton im Fell der drei wahrgenommen hatte. Der Hang hatte sie hinab in eine breite Senke geführt, von der aus zu den anderen drei Seiten steile, zerklüftete Felswände hinauf ragten, auf denen bis zum Rand Bäume und Sträucher wuchsen. Auf diese Weise bildeten sie einen natürlichen Schutz vor Feinden. Haselschweif saß neben einem großen, schwarzen, langhaarigen Kater, der Sturm keine Sekunde aus den Augen ließ. Beide thronten am Eingang einer kleinen Höhle in etwa zwei Metern Höhe, darunter versammelten sich weitere Katzen, die teilweise missbilligend das Fell sträubten oder sich fauchend in den Hintergrund verzogen. Zunächst wurde das Gemurmel, das mit ihrer Ankunft eingesetzt hatte, lauter, dann verstarb es. Milchpfote und Fleckenpfote ließen Sturm in der Mitte des Lagers stehen und begaben sich zum Rand der Versammlung, wo sie sich niederließen. „Das ist er?“ Der schwarze Kater strahlte etwas Majestätisches, Gebieterisches aus, das Sturm sofort tief in die Knochen fuhr. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass er dem Anführer des FeuerClans gegenüber stand. Haselschweif nickte. „Ja, das ist das Hauskätzchen, das Milchpfote und Fleckenpfote bei ihrer Patrouille gefunden haben.“ Schwarzstern ließ seine Ohren hin und her wandern. „Wie heißt du, Hauskätzchen?“ „S-sturm.“ „Sturm. Also gut, Sturm, warum bist du hier?“ „Die Zweibeiner meiner Mutter haben mich am Donnerweg ausgesetzt. Ich bin drei Tage lang durch die Wildnis geirrt und wäre gestorben, wenn Milchpfote und Fleckenpfote mich nicht gefunden hätten. Ich verdanke ihnen mein Leben.“ Schwarzsterns buschiger Schwanz peitschte über den Boden. „Das ist mir bereits bekannt. Aber warum bist du hier?“ „Ich …“ Ja, warum eigentlich? „Ich weiß es nicht.“ „Du weißt es nicht?“ „Nein.“ Ein Hauch von Enttäuschung machte sich auf Schwarzsterns Gesicht breit. „Dann werde ich es dir sagen, junger Sturm. Du bist hier, weil du trotz der Gefahren der Wildnis und ohne den Schutz eines Clans, ohne Beute und ohne Unterschlupf drei Tage und Nächte überlebt und deinen Weg zu uns gefunden hast. Das ist nicht gerade typisch für ein gewöhnliches, verweichlichtes Hauskätzchen, meinst du nicht auch?“ „Ein Spion aus dem ErdClan“, rief eine Katze dazwischen und andere stimmten sofort ein. „Er sieht auch aus wie einer von ihnen!“ „Wir sollten ihn aussetzen und seinem Tod überlassen!“ „Ja, fort mit ihm!“ „Ruhe!“ Genervt warf Schwarzstern seinem Clan einen bösen Blick zu. „Ihr riecht doch selbst, dass er nichts mit dem ErdClan oder einem der anderen Clans zu tun hat.“ Dann wandte er sich wieder Sturm zu. „Wieso bist du nicht auf dem Donnerweg geblieben und zurück zu den Zweibeinern gegangen?“ „Ich wollte nie ein Hauskätzchen sein“, begann Sturm zögerlich, fuhr dann aber mit festerer Stimme fort. „Die Zweibeiner mögen die Besitzer meiner Mutter gewesen sein, aber mein Vater war ein wilder Streuner und ebenso wild und frei wollte ich sein, seit ich denken kann. Nie werden die Zweibeiner mich besitzen können. Lieber sterbe ich den Kältetod in der Wildnis.“ „Ist das so?“ Die Ohren des Anführers zuckten leicht. Schwarzstern öffnete gerade den Mund, um noch etwas zu sagen, als das Rascheln des Gestrüpps und das Keuchen einer Katze die Aufmerksamkeit auf sich zog. „Hach, ein Glück, bin gerade noch rechtzeitig gekommen.“ Eine braun-getigerte Katzendame umrundete – noch völlig außer Atem – den Neuankömmling. „Puh, ich musste mich ganz schön beeilen. Du bist also das Hauskätzchen, das sich einfach so in unser Revier verirrt hat.“ „Honigblüte …“ Sie ignorierte ihren Anführer, streckte sich und kletterte hinauf zu Schwarzstern und Haselschweif, als wäre es vollkommen normal, dass ihr Platz an der Seite des Anführers war. „War ganz am anderen Ende von unserem Territorium, als ich von dir gehört habe. So, so.“ Sie schaute Schwarzstern an. „Hast du bereits entschieden, was mit ihm passieren soll?“ „Ich war gerade dabei, als du mich mit deinem Auftritt unterbrochen hast.“ Entweder war Honigblüte der leicht warnende Unterton ihres Anführers egal oder sie bemerkte ihn nicht einmal, als sie es sich bequem machte und begann ihre Vorderpfoten zu lecken. „Lass dich von mir nicht stören, Schwarzstern. Mach einfach weiter.“ Einige der anwesenden Katzen warfen Honigblüte böse Blicke zu und Sturm glaubte das Wort ‚respektlos‘ durch die Menge wandern zu hören, doch keiner sagte laut etwas. Schwarzstern seufzte, straffte dann seine Schultern und blickte wieder auf Sturm herab. „Diese und die letzte Blattleere haben in allen vier Clans viele Opfer gefordert. Die Kälte, das Eis und der Schnee haben die Beute vertrieben, viele von uns sind verhungert oder am Grünen Husten gestorben.“ Einige schauten augenblicklich betreten oder traurig zu Boden. „Es schmerzt mich, dies offen sagen zu müssen, aber wir sind geschwächt. Alle Clans sind geschwächt. In dieser schweren Zeit der Hoffnungslosigkeit hat uns der SternenClan eine Botschaft geschickt, die weder Honigblüte noch ich zu diesem Zeitpunkt verstehen, aber es kann kein Zufall sein, dass du, junger Sturm, ausgerechnet jetzt deinen Weg zu uns gefunden hast. Du, der du ein Hauskätzchen mit dem Herzen eines Wilden bist. Du bist jung, kräftig und gesund – genau das, was vielen von uns im Moment fehlt. Das Gesetz der Krieger verbietet uns nicht, jemanden in unseren Clan aufzunehmen, aber es dürfen nur solche Katzen Teil des Clans werden, die mit Leib und Seele loyal hinter dem FeuerClan stehen und jederzeit ohne zu zögern für ihn sterben würden.“ Bei dem Wort ‚sterben‘ zuckte Sturm zusammen, während andere Katzen bereits erkannten, worauf Schwarzstern hinauswollte. Das Gemurmel schwoll wieder an und vermischte sich mit ersten Protesten. „Schwarzstern, das kannst du nicht ernst meinen!“ Ein junger, kräftiger Kater mit einheitlich blauem Fell trat vor und starrte den Anführer an. „Das da ist ein Hauskätzchen, so jemand ist eine Belastung für den Clan! Die einzig vernünftige Lösung wäre es, wenn wir ihn zurück zum Donnerweg schicken, wo er hergekommen ist!“ Sofort stimmten andere in seine Forderung ein. Schwarzstern begann zu knurren. „Blaukralle, es hat dich niemand um deine Meinung gefragt.“ „Aber …“ „Willst du deinem Anführer etwa widersprechen?“ „Nein, natürlich nicht. Verzeih mir, Schwarzstern.“ Blaukralle kehrte an seinen Platz zurück, warf Sturm jedoch einen hasserfüllten Blick zu. „Will noch jemand etwas sagen?“ Als keiner reagierte, nickte Schwarzstern zufrieden. „Gut. Hiermit beschließe ich, dass Sturm bis zum nächsten Halbmond den Schutz und die Fürsorge des FeuerClans genießen darf. In dieser Zeit wird er das Gesetz der Krieger und das Clanleben kennenlernen. Honigblüte wird am nächsten Halbmond den SternenClan zu dieser Sache befragen. Bis dahin hat Sturm Zeit, um zu zeigen, ob sein Herz wirklich so stürmisch und wild ist, wie er behauptet – oder ob er doch nur ein Hauskätzchen ist, das in die Verbannung gehört. Fleckenpfote und Milchpfote, ihr werdet ihn an all euren Übungen und Patrouillen teilnehmen lassen und ihm beibringen, was ein Schüler des Clans wissen muss. Eure Mentoren Haselschweif und Apfelpelz werden euch bei dieser Aufgabe unterstützen.“ Gerade hatte Schwarzstern geendet, da erhob Honigblüte sich wieder, sprang elegant von dem Vorsprung zu Boden und kam vor Sturm zum Stehen. „Und bevor das ganze Training losgeht, kommst du mit in meinen Bau und ich schaue dich von Kopf bis Schwanzspitze durch. So wie du aussiehst, kommst du alleine keine Fuchslänge weit.“ Mit einem letzten Blick zu Schwarzstern drehte Honigblüte sich um und gab allen, die ihr im Weg standen, mit einem Knurren zu verstehen, dass sie Platz machen sollten. „Wir sind hier fertig, also komm.“ *** „Au!“ „Stell dich nicht so an.“ In Honigblütes Stimme schwang ein amüsierter Unterton mit, als sie Sturm zum dritten Mal abtastete. „Es ist nichts gebrochen, aber dein Körper ist durch die Strapazen sehr geschwächt. Du brauchst zwei, drei Tage Ruhe und viel Beute, dann bist du wieder ganz der Alte.“ Sie wandte ihm den Rücken zu, ging tiefer in ihren Bau hinein und kehrte kurz darauf mit einigen getrockneten Beeren und Blättern zurück. „Was ist das?“ Sturm schnupperte daran, konnte den Geruch aber weder zuordnen noch aus dem schweren Kräuterduft, der Honigblütes gesamten Bau durchflutete, herausfiltern. „Das sind Wacholderbeeren und Bachminze. Zum Glück konnte ich in der Blattgrüne und im Blattfall meinen Vorrat aufstocken, sonst wären in dieser Blattleere noch mehr Clankatzen gestorben.“ „Und wofür ist das gut?“ Zögerlich nahm Sturm die Beeren und Blätter ins Maul, kaute darauf herum und schluckte sie herunter, was sein Magen sofort mit einem empörten Grummeln quittierte. Er wollte Fleisch, kein Grünzeug! Honigblüte streckte sich, setzte sich an den Rand ihres Baus und begann sich zu putzen. „Normalerweise gibt man beides bei Bauchschmerzen und Magenproblemen, aber da du drei Tage lang nichts gefressen hast und dein Körper an das regelmäßige Hauskätzchenfutter gewöhnt ist, wird es dir bei der Umstellung helfen.“ Sturm nickte langsam. „Das heißt, ich bekomme jetzt Futter?“ Honigblüte lachte. „Wenn du fressen willst, musst du etwas dafür tun. Entweder begleitest du die anderen Schüler bei ihrer Jagdpatrouille oder du machst dich anderweitig im Lager nützlich. Vielleicht hat jemand Mitleid und teilt seinen Anteil der Frischbeute mit dir.“ Als sie seinen bedrückten und enttäuschten Blick bemerkte, seufzte sie. „Hör mal, Sturm. Es ist Blattleere, die Beute ist so knapp, dass selbst der Clan nicht satt wird. Mir sind diese Blattleere mehr Katzen an Hunger, Kälte und dem Grünen Husten unter den Pfoten weg gestorben, als gut für den Clan ist. Beim SternenClan, wir können nicht noch ein Maul gebrauchen, das es zu stopfen gilt.“ Bei ihren Worten duckte Sturm sich immer weiter, bis er flach auf den Boden gepresst saß. „Es tut mir leid.“ „Es ist nicht deine Schuld, aber so ist die Situation. Jeder andere der drei Clans hätte dich entweder sofort getötet oder weit hinter die Reviergrenzen gejagt. Schwarzstern hat dir ein sehr großzügiges Angebot gemacht, indem er dich hier bei uns verweilen lässt, aber das Clanleben bedeutet, dass jeder seinen Teil zur Gemeinschaft beitragen muss.“ Ein leises Auflachen entkam Honigblütes Maul. „Aber wenigstens bist du eine willkommene Abwechslung. Kater sind seit den vielen Todesfällen unterrepräsentiert und der Weiberhaufen kann ganz schön anstrengend sein. Ich denke, es ist am besten, wenn du dir im Bau der Schüler einen Platz zum Schlafen suchst und dich erholst. Wenn du wieder wach bist, besorg dir Beute. Morgen werden die anderen Schüler dich ins Clanleben einführen, dafür solltest du ausgeschlafen sein. Und jetzt raus mit dir, ich will auch schlafen.“ Sturm stand auf, ließ Honigblütes Heilerbau hinter sich und fand sich mitten im Lager des FeuerClans wieder. Aus einer Ecke warfen ihm einige Katzen und Kater misstrauische Blicke zu, doch noch bevor er ihre Blicke erwidern konnte, stand Milchpfote neben ihm. Sie wirkte nicht gerade begeistert davon. „Haselschweif hat mir aufgetragen, dass ich dir das Lager zeigen soll. Folge mir.“ Schon wieder Bewegung, dabei wollte Sturm doch einfach nur schlafen und fressen. Da Widerstand zwecklos war, folgte er Milchpfote durch das Lager. Schwarzsterns Bau kannte er bereits von seiner Ankunft im Lager. In der Ecke, die am weitesten vom Eingang entfernt lag, befand sich unter der Erde ein alter Dachsbau, der in zwei große Höhlen geteilt war. Eine davon war Honigblütes Heilerbau, der andere die Kinderstube, die erst wieder in der Blattfrische von den Königinnen bezogen werden würde, sofern es nach dem Tod so vieler Kater überhaupt Nachwuchs im Clan geben würde. In der Nähe von Schwarzsterns Bau lagen mehrere große Steinplatten verkeilt auf dem Boden. Unter ihnen hatten die Ältesten ihr kleines Nest, aber im Moment gab es nur noch eine einzige Älteste im Clan, Falkenherz. Schließlich gab es noch die breite Seite der Senke, in denen die Krieger unter dichten Büschen und Gestrüpp ihren riesigen Kriegerbau hatten und daneben, etwas kleiner, lag der Bau der Schüler. „Honigblüte hat erzählt, dass diese Blattleere viele Clankatzen gestorben sind.“ Milchpfotes Schnurrhaare zuckten leicht, dann nickte sie. „Ja, das stimmt. Diese Blattleere und die letzte waren sehr schlimm und alle vier Clans haben herbe Verluste einstecken müssen. Wir im FeuerClan haben vergleichsweise Glück gehabt, immerhin sind wir noch immer achtzehn Katzen. Nur der ErdClan ist größer als wir, was aber nur daran liegt, dass sie in ihrem Waldstück immer irgendwo Beute und Heilkräuter auftreiben können, egal wie schlimm die Blattleere ist. Wie viele Katzen im LuftClan und WasserClan gestorben sind, weiß ich nicht, dazu hat Haselschweif nichts gesagt.“ „Du machst immer genau das, was Haselschweif dir sagt oder?“ Sie schaute ihn an, als wären ihm zwei Köpfe gewachsen. „Natürlich, er ist mein Mentor.“ Vor dem Schülerbau blieb sie stehen. „Ein Schüler befolgt immer die Befehle seines Mentors. Haselschweif ist zudem der Zweite Anführer unseres Clans. Es wäre absolut inakzeptabel, seine Befehle zu verweigern.“ Sturm gähnte erschöpft. „Ich verstehe dieses ganze System noch nicht.“ „Kein Wunder, du bist auch ein Hauskätzchen. Morgen wirst du mit Fleckenpfote und mir den Tag verbringen, dann erklären wir dir alles. Such dir einen Platz irgendwo am Rand und schlaf, heute Abend bringe ich dir ein Stück Beute.“ „Danke, Milchpfote. Danke, dass wenigstens du nett zu mir bist.“ Sie grunzte und ging fort. Selbst wenn ihre Nettigkeit ihm gegenüber nur gespielt war, weil Haselschweif es ihr aufgetragen hatte, fühlte Sturm sich in ihrer Nähe nicht ganz wie ein Außenseiter. Er betrat den Bau der Schüler. Der warme Geruch von Kameradschaft, Geborgenheit und Wärme schlug ihm entgegen wie eine Wand. Überall auf dem Boden lag getrocknetes Moos und bildete ein weiches Bett. Wie Milchpfote ihm gesagt hatte, begab er sich an den Rand des Baus, direkt an die Rückwand des Lagers. Hier hinten, einsam und alleine in seiner Ecke, rollte er sich zusammen und war keine zehn Sekunden später eingeschlafen. *** „Aufwachen, Hauskätzchen.“ Sturm blinzelte und schaute direkt in ein paar grasgrüner Augen. „Ist es schon Abend?“ „Du hast den ganzen Tag verschlafen.“ Die junge Katze, die ihn geweckt hatte, war nur etwa halb so groß wie er. Ihr kurzes, weißes Fell war immer wieder von schwarzen und cremeroten Flecken unterbrochen. Sie sah so jung und zerbrechlich aus. „Milchpfote hat dir ein Stück Beute dagelassen. Wenn du dich nicht beeilst, ist es weg.“ Beute? Futter! Sofort war Sturm hellwach und auf den Pfoten. Er folgte der Katze hinaus vor den Bau und roch augenblicklich die Frischbeute. Warum war ihm der Geruch nur vorher nicht aufgefallen? Im Garten der Zweibeiner seiner Mutter hatte er hin und wieder Mäuse gefangen und genau so ein Exemplar warf Milchpfote ihm nun zu. Sie saß neben Fleckenpfote und beide schienen ihren Anteil bereits verdrückt zu haben. „Danke!“ Innerhalb kürzester Zeit hatte er die Maus verdrückt und leckte sich noch Minuten später genüsslich mit der Zunge über die Schnauze. Es war verrückt, aber diese kleine Maus gab ihm so viel Energie zurück, dass er sich gleich wacher und fitter fühlte. Die Katze, die ihn geweckt hatte, saß etwas abseits neben einem großen, jungen Kater mit zotteligem, braun-getigertem Fell. „Wer sind die beiden?“, fragte Sturm. Fleckenpfotes Ohren begannen schon wieder nervös zu zucken und er atmete dankbar aus, als Milchpfote das Sprechen übernahm. „Ahornpfote hat dich geweckt und das neben ihr ist ihr Bruder Rindenpfote.“ „Sie sieht so klein und jung aus.“ „Sag ihr das ins Gesicht und sie kratzt dir die Augen aus.“ Milchpfotes Ton war vollkommen ernst. „Die beiden sind nur zwei Monde jünger als ich und ich bin jetzt zwölf Monde alt.“ „Dann wurdest du ja im Winter geboren“, schlussfolgerte Sturm nachdenklich. Es war selten, dass Katzen so früh im Jahr geboren wurden, zumindest hatte seine Mutter ihm das erzählt. „Und du bist jetzt immer noch eine Schülerin?“ Unabsichtlich musste er einen wunden Punkt getroffen haben, denn Milchpfotes Blick verhärtete sich und sie stapfte ohne ein weiteres Wort davon. Fleckenpfote hingegen unterdrückte nur mühsam ein Kichern. „Im Alter von sechs Monden werden wir Schüler und unsere Ausbildung dauert meistens etwa vier Monde. Milchpfote hätte ihre Prüfung am liebsten schon vor zwei Monden gemacht, aber Haselschweif ist der Meinung, dass sie noch nicht bereit dafür ist. Lass das Thema am besten aus, dann ist sie dir auch nicht lange böse.“ Mit diesen Worten stand Fleckenpfote auf und folgte den anderen Schülern in eine ruhige Ecke, um sich der Fellpflege zu widmen. Sturm beobachtete, wie sich überall im Lager Kleingruppen von zwei bis drei Katzen bildeten, die sich putzten und dabei die Neuigkeiten des Tages austauschten. Aus allen Richtungen wehten gewisperte Gesprächsfetzen zu ihm herüber und nicht nur einmal glaubte er seinen Namen dabei zu hören. Satt und noch immer von den letzten Tagen erschöpft kehrte Sturm an seinen Platz im Bau der Schüler zurück. Durch den Eingang sah er, wie sich die Dunkelheit über das Lager legte und schon bald driftete er wieder in den Schlaf, doch im Gegensatz zu den letzten drei Nächten fühlte er dabei die Sicherheit des Clans tief in seinem Herzen. Hosted by Animexx e.V. 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