Als Helden geboren von caty ================================================================================ Prolog: -------- „Ich halte das immer noch für eine schlechte Idee.“, verkündete ich und wusste zugleich nicht mehr, wie oft ich dies bereits erwähnt hatte. Eigentlich war mir klar, dass es keinen Zweck hatte. Wenn sich Arias etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann saß das fest bis es umgesetzt worden war. Der wahre Narr war ich selbst, weil ich mich immer wieder breitschlagen ließ mitzumachen. „Ganz im Gegenteil, mein Freund! Das ist nicht nur eine gute Idee, sondern sogar unsere Pflicht als Helden, uns der Sache anzunehmen!“, entgegnete Arias mit den ihm üblichen pathetischen Heldenallüren und ging zielstrebig weiter. Die kühle Nachtluft strich mir durch das kurze, zerzauste Haar und ich stellte den Kragen meines Kapuzenmantels auf. Die Tage wurden kälter und ich konnte mir wahrlich Besseres vorstellen als mich nachts nach der Sperrstunde aus der Ausbildungskaserne zu schleichen, die mein und Arias’ Zuhause war. „Zuhause“ wohl nur in dem Sinne, dass wir dort lebten, denn ein richtiges Zuhause… ich glaubte nicht, dass ich so etwas jemals hatte. Ich erinnerte mich noch vage an das Gefühl, eine Familie zu haben. Eltern und Geschwister, doch wenn diese Erinnerungen einmal glücklich gewesen waren, wurden sie spätestens dann von einem dunklen Schatten überzogen als meine Mutter nach dem Tod meines Vaters von Geldnot getrieben entschieden hatte, mich an diese Ausbildungsstätte zu verkaufen. Der Ort für waise, heimatlose oder einfach ungewollte Kinder, an dem wir zu Kriegern ausgebildet wurden, um unserem Leben zum Zwecke des Königreiches einen Sinn zu geben. Mit sechs Jahren kam ich hierher. Inzwischen war ich ein heranwachsender Mann von 15. Man gewöhnte sich an alles. Ich hatte mein Schicksal vor langem akzeptiert und schließlich war ich nicht der einzige hier. Jeder von uns hatte seine eigene traurige Geschichte und es lohnte sich nicht, in Selbstmitleid zu vergehen. Die Akademie mochte nicht der herzlichste oder kinderfreundlichste Ort sein, aber zumindest waren wir am Leben und nicht alleine! „Außerdem…“, Arias wandte sich nun doch zu mir um und grinste mir entgegen, „kannst du gerne zurückgehen, wenn du willst. ‚Ich zwinge dich zu nichts. Nur glaub ja nicht, dass ich dann die Lorbeeren mit dir teile.“ „Die darfst du gerne behalten.“, erwiderte ich, ohne aber Anstalten zu machen umzudrehen, „Ich komm nur mit, weil ja irgendwer aufpassen muss, dass dein durchgeplanter ‚Heldentod’ nicht zu früh eintritt.“ „Haha, so spricht ein wahrer Freund!“, meinte Arias lachend und klopfte mir gut gelaunt auf die Schulter, „Und wer sollte schließlich im Falle meines Heldentodes meine letzten Worte verewigen, wenn niemand da wäre sie zu hören? Ich nehme an, das ist ein wesentlicher Grund, weshalb jeder Held einen treuen Gefährten an seiner Seite braucht.“ Mit einem etwas bitteren Lächeln schüttelte ich den Kopf, unterließ es aber, mich weiter auf dieses Thema einzulassen. Arias von seinem Tod sprechen zu hören – gleich, ob ernst gemeint oder scherzend – bereitete mir jedes Mal ein mulmiges Gefühl im Magen. Tatsächlich war eben dies der wesentliche Grund, weshalb ich auch heute Nacht wieder mein warmes Bett verlassen hatte und bereit war, die Strafe zu riskieren, die uns erwarten würde, wenn unser nächtlicher Ausflug bemerkt werden würde. Keine Strafe könnte schmerzhafter sein als das Gefühl, mit dem ich Leben müsste, wenn ich Arias alleine losziehen ließe und ihm dabei etwas zustoßen würde. Arias war vor etwa vier Jahren in die Akademie gekommen. Man hatte ihn auf etwa neun Jahre geschätzt und zu diesem Zeitpunkt war er mehr tot als lebendig gewesen. Eine Schwertklinge hatte seinen Brustkorb durchbohrt und nur knapp sein Herz verfehlt. Ein paar Händler hatten ihn in diesem Zustand im gefürchteten Niemandsland gefunden und… verhandelt. Sie selbst hatten keine Verwendung für einen halbtoten Jungen also verkauften sie ihn an die Akademie. Zwar war anfangs nicht klar, ob er das Geld wert wäre oder einfach wegsterben würde, aber die Tatsache, dass er sich trotz der schweren Verwundung so lange am Leben gehalten hatte, schien dem obersten Ausbilder zu imponieren. Da ich schon lange genug in der Akademie lebte und als gewissenhaft und pflichtbewusst galt, wurde mir dann wohl die Aufgabe zuteil, mich ein wenig um unseren Neuzugang zu kümmern. Dabei zu helfen, ihn gesund zu pflegen, ihn mit allem hier vertraut zu machen und die Regeln zu erklären, sobald sein Zustand es zuließ. Und irgendwie tat ich das wohl bis heute. Nicht, dass es etwas bringen würde, Arias immer wieder die Regeln zu erklären, die er sich immer so drehte wie es ihm gerade am besten passte, aber… er war mir inzwischen die wichtigste Person in meinem Leben. Trotz seiner großen Klappe, den wahnwitzigen Ideen, der ständigen Selbstbeweihräucherung, den Heldenallüren und dem Drang, überall wo er war, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, war er der beste und treuste Freund, den ich je hatte. Das Leben in der Kaserne hatte sich verändert seit er da war. Es war alles irgendwie freundlicher, wärmer und bunter geworden. Auch wenn er anstrengend und manchmal ziemlich nervig sein konnte, brachte er die Leute in seinem Umkreis zum lachen und gab ihnen das, was ihnen gefehlt hatte, ohne dass sie sich dessen selbst bewusst waren. Ich konnte es schwer in Worte fassen, aber ich wusste, dass ich alles für diesen Jungen tun würde und es nicht ertragen könnte, ein Leben zu führen in dem es ihn nicht mehr gab. „Nun denn, klär mich auf! Welche Heldentaten stehen für den ‚furchtlosen Arias’ heute auf dem Programm?“, fragte ich schließlich in Anspielung auf die ruhmreichen Geschichten, die er gerne von sich zum besten gab. „Jetzt fängst du an, die richtigen Fragen zu stellen!“, meinte Arias mit unermüdlichem Enthusiasmus und ließ mit der Antwort dann nicht lange auf sich warten, „Also folgender Fall: Bei meinem letzten Besuch in unser schönes Nachbardörfchen Kronsteg kam mir durch zuverlässige Quellen zu Ohren, dass ein paar Dorfbewohner vermisst werden, nachdem diese zuletzt im nahen Wald unterwegs waren. Die Angst ist groß, dass sich eine blutrünstige Bestie in dem Wald heimisch gemacht hat und auf Reisende, Jäger oder Kräuter sammelnde Frauen lauert. Naja oder eben alle anderen, die irgendetwas in dem Wald zu suchen haben. Und da sich dieses arme, tyrannisierte Dorf schon in unmittelbarer Nähe zu unserer Ausbildungsstätte befindet, sehe ich dies als unmissverständlichen Wink des Schicksals, dass unsere Hilfe gefordert ist, diesen verängstigten Leuten ein Gefühl von Sicherheit zurückzugeben!“ Ich schmunzelte unwillkürlich bei diesem inbrünstigen Bericht. Es war gleichgültig ob es sich um verschwundene Dorfbewohner oder den Küchendienst in der Kaserne handelte, wenn Arias etwas erzählte klang es immer als ginge es um die Errettung der Welt. „Gut. Um wie viele Dorfbewohner handelt es sich? Und wann ist der letzte verschwunden?“, hakte ich nach, denn wenn wir diesen „Fall“ schon bearbeiteten, wollte ich einen Eindruck dessen haben, auf was wir uns einließen. „Um… mehr als einen und der letzte verschwand… erst kürzlich.“ „Du hast keine Ahnung!“, folgerte ich aus den nachdenklichen Pausen und der wenig aufschlussreichen Antwort meines Freundes. „Hey, ich sagte etwas von ‚zuverlässigen Quellen’, nicht von sonderlich informativen.“, rechtfertigte er sich grinsend mit einem sachten Schulternzucken, „Aber wir werden die Antworten darauf noch in Erfahrung bringen! Dazu haben wir nun zwei Optionen: Entweder wir hören uns im Dorf nochmal genauer in meiner Lieblingstaverne um und versuchen Näheres zu den Vorfällen zu erfahren. Oder wir verlassen uns auf das ‚Glück der Helden’, unsere ausgezeichneten Instinkte und Fährtensuchfähigkeiten und gehen direkt in den Wald auf Monsterjagd. Mit etwas Glück findet diese Kreatur ja auch uns und erspart uns die Suche. Wenn sie so gefährlich ist und auf Eindringlinge des Waldes lauert, klingt das gar nicht so unwahrscheinlich. Aber die Entscheidung liegt bei dir, mein treuer Gefährte!“ Wie schon öfter kam mir Arias’ Definition von „Glück“ etwas seltsam vor und dass ein 13-jähriger von seiner „Lieblingstaverne“ sprach, mochte manch anderen auch etwas skeptisch machen, aber ich kannte ihn so und ließ mich daher nicht weiter beirren. Mir kam sogar kurz der Verdacht, dass sich Arias diesen Fall nur ausgedacht hatte, um mich irgendwie dazu zu bewegen, ihn auf einen nächtlichen Waldspaziergang oder Tavernenbesuch zu begleiten. Die Ausbildung in der Kaserne war sehr anspruchsvoll, aber im Wesentlichen ziemlich strukturiert und monoton. Da zudem nicht viel Freizeit blieb, wunderte es mich nicht, dass sich jemand wie Arias schnell zu langweilen begann, wenn er nicht hin und wieder ein wenig Abwechslung geboten bekam. Oder sich diese gegebenenfalls selbst suchte. Zuzutrauen war ihm so ziemlich alles. Wäre somit für mich die Frage, ob ich nun mehr Lust hatte, im Kalten durch einen dunklen Wald zu spazieren oder in einer Taverne eine Schar taumelnder Besoffener nach möglicherweise erfundenen Geschichten zu befragen… Entscheidungsfrage: a) In der Taverne umhören b) Direkt in den Wald Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)