Die Königin der Rosen von abgemeldet (Muraki x Tsuzuki) ================================================================================ Kapitel 1: Königin der Rosen ---------------------------- Der seichte Wind vom Meer blies auf das Festland. Die Sonne knallte auf die Erde hinab und jeder schwitzte. Jeder wünschte sich Wasser und wohl jeder würde gerne Urlaub haben. Doch nur die Wenigsten bekamen ihn auch wirklich. Wenn man in der Nähe vom Wasser oder gar einem Hafen lebte, hatte man es auch ohne Urlaub ganz gut. Ein lautes Dröhnen kam durch die große Pfeife des riesigen Kreuzfahrtschiffes, welches an Land gegangen war, um seine Passagiere zu begrüßen. Die ersten Leute schafften es so eben mit Koffern, welche ihnen netterweise vom Schiffspersonal abgenommen wurde, auf das Deck zu kommen. Nur mit eines der begehrten Tickets kam man da hoch. „Warum gerade auf einem Schiff?“, hörte man die leicht jammernde Stimme eines jungen Mannes. „Warum denn nicht?“ Hisoka hatte den Griff zum Ziehen seines Koffers fest in der Hand. Er musste jedoch stehen bleiben, um sich an Asato zu wenden, welcher nicht sonderlich begeistert davon schien, seinen wohl verdienten Urlaub auf einem Schiff zu verbringen. Den Urlaub hatten sie bekommen, um sich etwas zu entspannen, nach all dem Chaos… oder um es beim Namen zu nennen: Nach all dem Muraki! Nur leider weckte ein Schiff nicht sonderlich schöne Erinnerungen bei Asato und er war sich sicher, dass es bei Hisoka ähnlich war. Schließlich war Muraki auf einem Schiff „gestorben“ und dann plötzlich wieder lebend aufgetaucht. Zudem hatte Hisoka auf einem Schiff eine erste Freundin gehabt – inwieweit man die „Kameliendame“ allerdings als Freundin bezeichnen konnte, war sich Asato allerdings gar nicht so sicher. Es war damals einfach zu stressig gewesen, um sich darüber Gedanken zu machen, geschweige denn sich darüber zu unterhalten. Auf jeden Fall hatten ihm die Ereignisse damals ausgereicht und seine Lust auf Schiffe war enorm gesunken. Erholung vor Muraki – auf einem Schiff? Wahrscheinlich waren all seine Kollegen Sadisten und es hatte ihnen nicht gereicht, dass er sich mit Todas Flammen für immer das Leben nehmen wollte. Sie wollten mit Sicherheit noch einmal richtig quälen. Allen voran Hisoka, der ja den größten Beitrag dazu geleistet hatte, dass Asato noch lebte. „Ich mag keine Schiffe mehr“, grummelte Tsuzuki, bewegte sich jedoch weiter darauf zu, weil Hisoka weiter voran lief. Egal wie langsam er sich auch bewegte, dass Schiff legte einfach nicht ohne sie ab und so war es nicht weiter verwunderlich, dass sie am Ende doch auf dem Deck standen. Ihr Gepäck wurde bereits verfrachtet und Asato atmete tief durch. So schlimm war es gar nicht, er musste einfach jegliche Gedanken ausblenden, die er an diesen gewissen Mann hatte. Und vor allem das Poker spielen sollte er besser unterlassen! „Komm, wir schauen uns erst einmal um, Asato.“ Gesagt, getan. Das Kreuzfahrtschiff war natürlich riesig. Dafür jedoch, dass es so groß war, gab es nicht allzu viele Menschen hier. Gut, so etwas war immer teuer und höchstwahrscheinlich gab es auch einfach interessantere Urlaubsziele: Auf einem Schiff trieb man nur über Wasser und hielt eventuell mal an einer Insel an, ehe es wieder weiter ging – und schließlich wieder zurück zum Ausgangsort. Abenteuer gab es hier nicht – wenn nicht gerade Unwetter tobten oder Riesenkraken versuchten das Schiff zu kentern -, aber genau das war das Schöne. Kein Abenteuer. Kein Stress. Einfach Ruhe. Genau das war es, was Tsuzuki jetzt brauchte. Ruhe, Zeit für sich und Entspannung. Es war sein erster Urlaub seit langer Zeit. Er hatte sonst nie Urlaub – nur freie Tage, die er aber auch eigentlich nicht wirklich bekam, sondern sie sich einfach nahm. Wenn er so in die Vergangenheit blickte, war er damals ganz schön faul gewesen. Dagegen war er heute ja schon fast hyperaktiv - zumindest vor dem Krankenhausaufenthalt nach der Rettung vor Todas Flammen. Seitdem war er viel ruhiger geworden. Vielleicht war dieser Urlaub ja auch nur Mittel zum Zweck – damit er wieder wurde wie damals. Ob dies jedoch gelingen würde, war eine andere Frage… Nach dem Rundgang über das Deck und den unteren „Vergnügungsbereichen“, begutachteten sie sich ihre Kabinen. Und tatsächlich bekam jeder seine eigene und auch wenn sie nicht riesig waren, gab es dennoch genügend Platz für eine einzelne Person - selbst für zwei würde die Kabine sogar noch genügend Raum spenden können. Asato entschied sich erst einmal in der Kabine zu bleiben und testete die Bequemlichkeit seines Bettes: einfach drauf liegen und nichts tun, außer höchstens die Decke anzustarren. Es dauerte jedoch keine fünf Minuten, da merkte er wie langweilig diese Aktivität war und Einschlafen konnte er auch nicht. Zu hell – und müde war er auch noch nicht. Als er sich aufsetzte, streckte sich Tsuzuki einmal ausgiebig und ließ die langen Arme einfach fallen. Um entspannter zu sitzen, machte der Todesengel nun einen leichten Buckel. Ob es nun ordentlich aussah oder nicht, war ihm gerade egal. Er entschied sich sein Gepäck auszupacken; was wohl das erste Mal in seinem Leben war, denn gewöhnlich war er nie lang genug irgendwo, dass es sich überhaupt lohnte Gepäck mitzunehmen, geschweige denn es auszupacken. Hier jedoch würde es sich lohnen, denn immerhin für eine Weile auf diesem Schiff zu verweilen – wenn nicht plötzlich rauskam das hier eine Bombe versteckt war oder ein Mörder sein Unwesen trieb. So ganz abschalten konnte Tsuzuki irgendwie nicht. In seinem Kopf gab es so viele Fälle, die er behandelt hatte und sie ließen ihn einfach nicht in Ruhe. Er hatte bereits so viele Tote gesehen, so viel Leid und so viel Blut. Bewusst wurde es ihm allerdings erst, nachdem er Muraki getroffen hatte. Und schon wieder tauchte dieser Mann in seinem Kopf auf. Grob schob er die dunklen Gedanken bei Seite und wandte sich stattdessen seinem Gepäck zu. Den Koffer auf das Bett gehoben und geöffnet und war dieser bereits zur Hälfte geleert und der Inhalt in die wenigen Schränke geräumt wurden, die es hier in der Kabine gab. Viel mehr Platz benötigte man aber auch nicht. Als alles ausgeräumt war, wollte er den Koffer schließen und wieder wegräumen, doch plötzlich fiel ihm etwas ins Auge, was ihm bisher nicht aufgefallen war. Am oberen Teil des Koffers, den man zum Öffnen wegklappen konnte, gab es ein Netz, welches er nie benutzte, weil er gar nicht wusste was da rein kam, da es viel zu eng war, um groß was reinzustecken. Aber für ein was war da doch tatsächlich Platz. Für eine… Rose. Der Königin der Rosen. Lachsorange-rötlich leuchtete sie förmlich. Der Kopf war riesig, aber durch das enge Netz gequetscht. Die eigentlich langen Dornen, waren alle nicht mehr vorhanden. Das dunkelgrüne Laub hingegen schon. Eine wunderschöne Blume! Sie sah, trotz der sicherlich langen Gefangenschaft im Koffer, aus wie frisch gepflückt. Aber… wie lange war sie schon da drinnen? Asato schluckte einen großen Kloß im Hals herunter. Seine Hände zitterten, als er mit etwas Mühe die Rose aus der Enge des Netzes vorsichtig befreite. Ein paar Blütenblätter konnte er jedoch nicht mehr retten, sie vielen ab und blieben entweder im Netz hängen oder fielen langsam in den Koffer hinein. Der Kopf war groß und die wenigen, fehlenden Blüten fielen kaum auf. Er konnte es nicht lassen an der Rose zu riechen. Der schöne Geruch verströmte sich in seiner Nase und er atmete tief durch. „Du erinnerst mich an die Königin der Rosen.“ Diese Worte schossen prompt durch seinen Kopf. Der einzige Mensch, der ihm so etwas schenken würde, war… Er schüttelte den Kopf. Das war verrückt. Muraki sollte sich hier herumtreiben? Natürlich, es gab keinerlei Anhaltspunkte die besagten das er gestorben war, Asato konnte sich mittlerweile daran erinnern, wie er den weißhaarigen Doktor hatte töten wollen – damit sie gemeinsam sterben könnten. Dass er so gedacht hatte, erschrak ihn immer noch ein wenig. Die Leiche wurde nie gefunden und sie alle kannten die Tatsache, dass Jemand wie Muraki, nicht so einfach starb. Vor allem nicht, wenn er sein Ziel noch nicht erreicht hatte. Er legte die Rose in den Koffer zurück und schloss ihn. Tief atmete er durch und raufte sich das braune Haar. Asato schob den Koffer unter das Bett und verließ seine Kabine. Im Gang schaute er misstrauisch nach links und rechts. In seinem Kopf hatte sich bereits der Gedanke fest verankert, dass Muraki irgendwo auf diesem Schiff herumgeisterte. Sein Herz klopfte wild in seiner Brust und er wusste nicht was er davon halten sollte – war er so aufgeregt, weil Muraki hier war? Oder war es etwas anderes, wenn er an den Arzt dachte? Irgendwas war damals passiert – als er sich so tief in sich zurückgezogen hatte, dass Muraki mit ihm hätte machen können, was er wollte. Irgendwas in seinem Inneren, irgendwas mit seinen Emotionen. Es war nicht so, als würde Asato es vorher nie bemerkt haben. Im Krankenhaus hatte er oft noch Alpträume gehabt, hatte häufig noch an Kazutaka denken müssen. Aber mit wem sollte man über so etwas sprechen? Hisoka konnte er es nicht antun, über eventuelle Gefühle zu sprechen. Über die Sympathie, die er wohl für einen wahnsinnigen Serienkiller entwickelt hatte – für den Mörder, der Hisoka mit einem Fluch belegte nachdem er diesen vergewaltigt hatte. Auch mit seinen anderen Kollegen und Freunden war so ein Thema alles andere als diskutabel, er wusste ja bereits, was er als Antwort bekommen würde: „Denk nicht weiter darüber nach! Das ist nur eine Irreführung deiner Gefühle!“ Ja, irgendwie so etwas würde man ihm sagen, ganz sicher. Sein Job war es Mörder zu fassen, die so schrecklich waren wie Muraki – und nicht Sympathie zu entwickeln, eine Freundschaft aufzubauen oder gar… solche Menschen zu… lieben. Ohne es verhindern zu können schüttelte Tsuzuki wild den Kopf. Ein paar Angestellte, die mit Koffern um die Ecke kamen, schauten ihn verwirrt an, ehe sie weiter gingen. Asato sah seufzend zur Kabine von Hisoka, entschied sich aber dafür, erst einmal allein etwas herum zu laufen, um den Kopf frei zu bekommen. Und wo konnte man das am besten? Manche würden jetzt vielleicht sagen „an frischer Luft“ – aber für Tsuzuki gab es einen besseren Ort zum Nachdenken: Nämlich dort, wo es Essen gab! Davon hatte das Schiff viel und auch wenn sie gerade Mal seit zehn Minuten abgelegt hatten, war es schon beträchtlich voll in dem Haupt-Restaurant des Schiffes. Asato machte sich noch keine Gedanken um einen freien Platz, denn er füllte erst einmal sein Tablett am Buffet auf, welches es neben der Tischbedienung gab. Natürlich alles all inclusive mit der Karte die Hisoka und er bekommen hatten – Geld spielte hier keine Rolle. Es hing alles von dem Ticket ab! Mit gefüllten Tellern schaute er sich nun im Raum um. Neben all den schicken Anzugträgern und den hübschen Frauen in ihren schönen Kleidern, kam sich Asato ziemlich fehl am Platze vor, da keinen Anzug trug, was ihm wohl die ab und an seltsamen Blicke bescherte. Asato bewegte sich zur Seite des Raumes und balancierte dabei sein übervolles Tablett geschickt durch den Wald aus Tischen und Menschen. Mit etwas Geduld und Feingefühl beim Tragen seines Essens, schaffte er es tatsächlich einen aufgeräumten Platz zu finden. Schnell besetzte er den Stuhl und stellte sein Tablett auf den Tisch, bevor irgendjemand auf die Idee käme, ihm den Platz streitig zu machen. Erleichtert streckte er die Beine aus, stieß dabei gegen den anderen Stuhl und verzog leicht das Gesicht. Auf einem Schiff war alles immer so eng und gefährlich für einen Tollpatsch. Asato nahm einen ersten Happen von seinem Thunfisch mit Birnenmarinade. Eine seltsame Mischung, aber es schmeckte ganz gut und wählerisch war er ja sowieso nicht. Sein Blick fiel auf die schmale, hohe gläserne Vase vor ihm. Nur Wasser war drin. Scheinbar hatte jemand die Blumen gestohlen. Unwillkürlich dachte er daran wie gut die Rose darin aussehen würde. Wie gerufen, tauchte ganz plötzlich eine ohne Dornen auf. Der Kopf riesig und wie frisch gepflückt. „Rosen passen überall hin. Vor allem in der Nähe von dir Tsuzuki…“, hauchte man ihm ins Ohr. Sofort flog seine Hand an sein Ohr. Gänsehaut überzog seinen ganzen Körper. Er drehte ruckartig den Kopf, um die Person zu sehen, welche ihm scheinbar das Leben mit Blumen zu versüßen versuchte. Beeilen musste er sich nicht unbedingt, denn die Person flüchtete nicht. Sie blieb im Gegenteil mit aufrechter Haltung neben seinem Stuhl stehen. Das weiße Haar fiel wie immer über das rechte Auge und die Hände waren vergraben in den Hosentaschen. Muraki sah unverändert aus – und er war zu 100% lebendig. Asato konnte gar nicht anders als geschockt drein zu schauen. Der Mund war einen Spalt weit offen und es gelang ihm nicht, den Blick von dem Mann neben ihm abzuwenden. Kazutaka Muraki lebte noch – und er war auf diesem Schiff – und DAS bestimmt nicht aus purem Zufall! Erst als sich der Arzt runterbeugte, atmete Tsuzuki wieder auf und versteifte sich augenblicklich bei der plötzlichen Nähe. „Du schaust so überrascht aus“, hauchte der Weißhaarige und ohne sich zu wehren ließ Asato zu, dass die Hand von Muraki sein Kinn umfing. „Und blass… Noch nicht richtig erholt? Dabei hat es mich nicht viel besser erwischt…“ Stimmt, Asatos Angriff auf Muraki sollte diesen geschwächt – ja, eigentlich auch getötet haben, aber der Arzt wirkte gerade zu lebendig. Der Mann war wohl ein wahrer Überlebenskünstler! Er sollte bei einer dieser seltsamen Serien mitmachen, wo es ums Überleben ging, er wäre sicherlich der große Gewinner am Ende. „Was machst du hier, Muraki?“ Schlussendlich schaffte es Asato doch die Hand an seinem Kinn zu verjagen, statt nur dumm vor sich hin zu starren. Der Arzt an seiner Seite setzte sich zu ihm an den Tisch und lehnte sich entspannt zurück. Die hellen Augen fixierten Tsuzuki, nicht angriffslustig oder bedrohlich, sondern eher interessiert und nachdenklich. „Ich? Ich benötige Entspannung – hatte die letzte Zeit sehr viel… Stress. Da wirst du mir mit Sicherheit Recht geben: Krankenhäuser sind niemals stressfrei!“ Sogleich schaute Asato an Muraki hinab. Ungefähr an die Stelle, wo er zugestochen hatte, aber durch die Kleidung sah man natürlich nicht besonders viel – nein, eigentlich sah man gar nichts. „Da muss ich dir wohl recht geben“, antwortete er schließlich und wandte den Blick wieder ab. „Iss weiter.“ „Was?“ „Du solltest weiter essen, Tsuzuki – das fördert den Genesungsprozess.“ Asato hätte sich wohl denken können, dass Muraki dieses Thema – dass er ihn töten wollte – völlig ignorieren würde. Vielleicht weil sie in der Öffentlichkeit waren, vielleicht aber war es ihm auch einfach nur egal? Der Todesengel nahm einen weiteren Bissen seines Essens, fühlte sich dabei so ziemlich beobachtet, was nicht besonders angenehm war. „Du bist doch mit Sicherheit nicht alleine hier. Ich nehme mal an, dein Freund… dieser Kurosaki, ist sicherlich hier auch irgendwo.“ Muraki sah sich um, als würde er jeden Moment erwarten, dass Hisoka auftauchte. „Aber glaubst du, dennoch etwas Zeit freischaufeln zu können.“ „Freischaufeln wofür…?“, fragte Tsuzuki und schluckte leicht. Was auch immer sie hier gerade „spielten“, es war nichts, was er mitmachen sollte. Aber Muraki zog ihn an, wie das Licht eine Motte. Es musste ja auch Niemand erfahren. Vor allem nicht Hisoka. „Zum Reden. Zum Essen. Vielleicht für eine Runde Poker?“ Muraki zog wie aus dem Nichts ein Deck Karten hervor und schob es über den Tisch. „Oh weh – sieht aus, als müsste ich gehen.“ „Asato!“ Tsuzuki drehte sich um. Hisoka kam auf ihn zu, musste sich hierbei jedoch durch ein paar Menschen schlängeln, ehe er vor dem Älteren stand und ihn vorwurfsvoll anblickte. „Hisoka, ich kann das erklären… also…“ „Was erklären? Das du einfach ohne mich essen gehst?“, murrte der Jüngere. Tsuzuki blickte zum zweiten Platz an seinem Tisch. Aber dort saß kein Muraki mehr und auch die Rose in der länglichen Vase war verschwunden. Verblüfft schaute er den leeren Stuhl an, fasste sich jedoch schnell wieder. „Eigentlich… ich wollte dich nicht stören, weißt du Hisoka? Ich wusste ja nicht, ob du vielleicht deine Ruhe willst!“, redete sich Asato verlegen heraus und lächelte entschuldigend seinem Kollegen und Freund an. „Jaja…“, seufzte Hisoka. „Ich gehe mir eben was zu essen holen. Warte hier!“ Tsuzuki nickte schnell und atmete auf, als der Jüngere zum Buffet verschwand. Er versuchte den Raum zu überblicken, aber er sah weder das auffällig weiße Haar noch irgendwas anderes, was an Muraki erinnerte. Seufzend fuhr er sich durch die braune Mähne – hatte er sich das alles nur eingebildet? Nach einem langen Essen mit Hisoka, gingen sie unter Deck um Tsuzukis Badehose zu holen. Kaum waren sie umgezogen, ging es auch schon in den Pool auf dem oberen Teil des Schiffes. Die Sonne prasselte zwar noch hinab, aber sie wurde immer wieder von Wolken verdeckt und neigte sich schließlich dem Untergang zu. Es wurde kühler und irgendwann entschieden die Beiden, aus dem Wasser zu steigen und sich in ihre Kabinen zurück zu ziehen. Nachdem sie wieder angekleidet waren, verbrachte Hisoka den Abend mit Tsuzuki in der Kabine. Sie ließen sich Essen bringen und redeten über belanglose Dinge. Gelegentlich jedoch kam das Gespräch auch auf Muraki. Doch dann versuchte Tsuzuki immer wieder das Thema von dem Arzt zu lenken, um nicht an den Weißhaarigen denken zu müssen, welchen er ja vorhin erst gesehen hatte! Hisoka gegenüber verschwieg er dieses Treffen natürlich. Erst als es schon gegen 23 Uhr war, verzog sich Hisoka in seine Kabine. Müde schlürfte er aus dem Zimmer, wünschte eine gute Nacht und ließ Tsuzuki allein zurück. Mit einem lauten Seufzer ließ sich Asato nach hinten fallen und streckte sich ordentlich. Urlaub von dem Muraki-Fall – nur irgendwie schien es nicht so wie geplant abzulaufen, wenn Muraki hier auftauchte, oder? Die Frage nachdem „Tot oder Lebendig“ war zumindest für Tsuzuki schon einmal geklärt, nur leider brachte das ihn auch nicht weiter, wenn er beim Gedanken an diesen Arzt weiterhin ein gewisses Herzklopfen bekam. Eine Runde Poker… Vielleicht… ja vielleicht… Wartete Muraki auf ihn. Auf eine Runde Poker. Das letzte Mal hatte Tsuzuki verloren. Daran erinnerte er sich noch zu genau und wie er beinahe den Wetteinsatz hatte einlösen müssen – sich selbst. Schnell hatte er sich einen Anzug angezogen und schlich leise aus der Kabine. Sicherlich schlief der Großteil bereits. Nur bei Hisokas Kabine musste er vorsichtig sein. Schnell war an dieser Kabine vorbei und schon ging er tiefer ins Innere des Kreuzfahrtschiffes. Nur noch wenige Matrosen standen zum Aufpassen herum und sie erklärten ihm ohne Zögern den Weg zum kleinen Casino des Schiffes. Hier war es jedoch wieder relativ voll. Meist Männer saßen hier und verzockten Geld oder andere Kleinigkeiten – ja, es waren wohl „nur“ Kleinigkeiten für eben diese Männer. Tsuzuki lief ein paar Mal umher, bis er endlich den separaten Pokerraum fand. Leise schlich er ins Innere, aber es saß Niemand hier drinnen. Auch kein Muraki war zu sehen. Ein Seufzend entkam ihm, da hatte er sich wohl zu viel Hoffnung gemacht. Doch gerade als er den Raum wieder verlassen wollte, erblickte er etwas. Eine Rose. Auf dem Tisch. Vielleicht war es irrsinnig, immer bei einer Rose an Muraki zu denken – und daran zu glauben, sie sei nur für den Todesengel dorthin gelegt wurde. Aber Asato konnte einfach nicht anders. Schnell war er wieder in den Raum geschlüpft und ging auf den großen Tisch zu. Zwischen zwei leere Stühle drängte er sich durch und streckte die Hand nach der Rose aus. Sofort roch er an der Blume. Gut riechend, wie immer. Asato sah sich weiter um. Vielleicht lag hier ein Brief oder eine Botschaft an ihn. Statt etwas Geschriebenes, entdeckt er Rosenblätter! Verstreute Rosenblätter, die einen Weg zu formen schienen. Mit der Rose noch in der Hand, ging er um den Tisch herum, über welchen eine Lampe mit gedämpftem Licht hing. Das sollte wohl Spannung ins Spiel bringen… Gerade jedoch war es eine gute Hilfe, um den Weg zu erkennen. Er warf einen Blick zurück zur Tür. Wollte er Muraki denn wirklich wieder sehen? Wollte er denn wirklich die Konsequenzen tragen, die er mit einer erneuten Begegnung, mit einem Treffen mit ihm einging? Er leckte sich über die trockenen Lippen. Ja, er wollte die Konsequenzen tragen und damit bewusst die Gefahr einging, dass er vielleicht nie wieder von Muraki weg kam. Vorsichtig und ziemlich langsam folgte er den verstreuten Rosenblättern. Am hinteren Teil des Raumes gab es noch eine Tür, die unverschlossen war. Und somit war es ganz einfach, das Pokerzimmer wieder zu verlassen. Er kam in einem Gang, wo das Licht extrem hell war und er musste kurz blinzeln, bis sich seine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten. Es lagen weitere Rosenblätter verstreut. Während er den Weg folgte, begegnete er keiner weiteren Person. Scheinbar war er dann wirklich allein mit… Muraki… wenn es denn überhaupt Muraki war, der diesen Weg formte… Aber wer sonst würde dafür extra Rosenblüten nehmen – von der Königin der Rosen? Das konnte doch nur Muraki sein! Der Gang neigte sich dem Ende zu und Tsuzuki starrte auf eine geschlossene Tür, an dessen Schwelle sich Blütenblätter sammelten. Er legte die Hand bereits an die Klinke und nach mehrmaligen durchatmen, drückte er sie hinab und öffnete die Tür. Und… Es war Muraki. Im weißen Anzug, mit roter Krawatte und einem Strauß im Arm. Er rückte die Brille zurecht, die auf seiner Nase saß und lächelte ihm entgegen. „Lust auf ein Spielchen, Tsuzuki?“ Vielleicht sollte er hoffen, das alles wäre nur ein Traum und er hätte diesen Fehler nie begangen den Blüten zu folgen. Aber im Inneren wusste er ganz genau, dass dies alles real war – und er es noch immer nicht bereute. „Mit welchen Einsatz?“ Asato schloss hinter sich die Tür, sich genau bewusst seiend, was passieren würde – sollte und hoffentlich würde. „Ich glaube, dass weißt du ganz genau, Tsuzuki…“ „Und was bekomme ich, sollte ich gewinnen?“ „Antworten. Alles, wie damals.“ Antworten. Auf die Frage, wie genau Muraki es überlebt hatte? Was Muraki jetzt vor hatte - was er mit Tsuzuki vor hatte? Ein ähnlicher Deal wie damals und Asato ging darauf ein. Sie saßen an keinem Pokertisch, sondern an einem normalen, kleinen runden Tisch. Ihrer beider Beine passten kaum gemeinsam da runter - Berührungen mit den Knien waren unvermeidbar. Früher hätte es ihn vielleicht gestört. Aber gerade nahm er Muraki so stark wahr, dass er beinahe schon daran glaubte, unter Hypnose zu stehen. Hypnose. Manipulation. Es würde zu Muraki passen. Aber solche Fragen musste er wohl vorerst für sich behalten. So lange, bis er die Chance bekam sie auszusprechen. Wenn er sie denn überhaupt bekam! Ihr Spiel verlief ins Leere, während sie sich anschwiegen, Karten legten und zogen. Irgendwann war das Spiel immer noch nicht vorbei – unentschieden. Dabei bemühte sich Tsuzuki beinahe schon zu verlieren. Nur wenn man es wollte, funktionierte es nicht. Das leichte Grinsen, welches auf Murakis Lippen platziert war, ärgerte ihn. Die Geduld war am Ende. Sein Herz klopfte. Sein Verlangen stieg. Prompt legte Tsuzuki seine Karten auf den Tisch und beugte sich über eben diesen. Seine Hand verkrampfte sich im weißen Anzugkragen, während sich seine Lippen so hart und fest auf die von Muraki drückten, als würde er sie zusammen kleben wollen. Kaum war die erste Berührung erzielt, konnte er nicht anders als aufzuseufzen. Murakis Lippen waren zwar eiskalt und doch angenehmer als gedacht. Es dauerte nur einen kurzen Moment, da spürte Asato eine Hand im Nacken, einen Arm um seinen Körper, ein Lächeln an seinen Lippen. Ob Manipulation oder Hypnose. Gerade wollte Tsuzuki nur das eine: Körperkontakt, Nähe, das Stillen von seinem Verlangen - alles zusammen und jetzt sofort…   „Und scheide ich von dir, so lasse ich dir mein Herz zurück...“   Das Bett am nächsten Tag war noch warm. Der Platz neben ihm leer. Nur ein kleiner Zettel lag dort mit diesem Zitat. Der Raum war leer. Bis auf Tsuzukis Kleidung und einem Strauß roter Rosen, gab es hier nichts mehr. Er war wieder weg. Muraki war wieder weg. Und wann sie sich wieder sehen würde, blieb wohl ein Rätsel… Sein Kopf war klarer. Seine Gedanken kontrollierter. Das Verlangen nach Muraki vermindert. Lag es an der letzten Nacht oder… doch an Manipulation seines Geistes? Die Frage musste er sich wohl aufheben. Bis zum nächsten Mal. Asato kleidete sich an, packte den Zettel geknüllt in seine Hosentasche und ließ sich ein paar Ausreden einfallen, warum er nicht in der Kabine war – sollte Hisoka es gemerkt haben. Aber darum musste er sich keine Sorgen machen. Hisoka hatte es nicht gemerkt. Hisoka war weg. Und an der Stelle, wo er wohl die Nacht verbracht hatte, lag ein Stückchen Papier.   „Disziplin ist die Fähigkeit, sich zu merken, was man will.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)