Sturm & Drang von die-in-darkness ================================================================================ Kapitel 1: Wiedersehen ---------------------- Sturm und Drang Kapitel 1 ~~~~~Sie trafen sich nach fast 2 Jahren wieder. Durch puren Zufall. Die braunhaarige hatte nicht mehr damit gerechnet alle Bladebreaker auf einem Haufen wieder zutreffen. Doch mit diesem Wiedersehen, veränderte sich das komplette Leben des Teams.~~~~~ Am späten Nachmittag, nach einigen Stunden Bahnfahrt und ungeplanten Stopps, erreichte die junge Frau endlich ihr Ziel. Das Campinggelände eines riesigen Mittelalterfestivals. Gemütlich suchte sie nach einem geeigneten Platz um dort ihr Zelt aufzuschlagen. Doch plötzlich wurde sie von ihrer Suche abgelenkt. Beim Vorbeigehen an einer Gruppe jungen Erwachsenen, sprach sie einer von ihnen gezielt an. „Hilary?“ „Hm?“ Sie blieb stehen. Die männliche Person aus der Gruppe kannte ihren Namen. Und seine Stimme kam ihr auch bekannt vor. Sie drehte sich in die Richtung der Stimme, als die Person winkend auf sie zusteuerte. „Hil! Was machst du denn hier? Wir haben uns ja ewig nicht gesehen!“ „Äh...Du?“ Tyson war es, der sie angesprochen hatte. „Tyson..“, Hilary fehlten die Worte, denn sie hatte mit einem so plötzlichen Wiedersehen nicht gerechnet. Nun sah sie auch die anderen. Sie waren alle da. „Ich will mir eigentlich einen ruhigen Platz für mein Zelt suchen und danach einmal das Gelände anschauen .“ „Klasse! Dann sind wir ja wieder komplett!“ Sie versuchte zu Lächeln, was nur bedingt funktionierte. Ihr Freund hatte anscheinend noch nicht gemerkt, dass die junge Frau einen Wagen vor sich her schob. Die überraschten Blicke ihrer Teamkollegen verrieten ihr aber, dass sie es bereits gemerkt hatten. Es war auch schwer zu übersehen. Ja, Hilary Tachibana schob einen Kinderwagen vor sich her. Sie hatte ein Kind bekommen. Doch die Geschichte dazu, würde sie lieber aus ihrem Gedächtnis streichen. Jetzt erhoben sich auch die anderen Jungs, um die Brünette zu begrüßen. Max, Ray und Kenny kamen auf sie zu und umarmten sie herzlich. Mittlerweile sahen sie alle reifer und erwachsener aus. Bei Kenny konnte die junge Frau sogar einige Bartstoppeln erkennen. Der Anblick war ziemlich ungewohnt. Kai war der Einzige der vor dem Feuer sitzen blieb. Und er war dem Anschein nach nicht alleine. Eine junge Frau saß neben ihm und starrte Hilary grimmig an. „Wer ist die denn?“ Sie flüsterte diese Frage kaum überhörbar und in einem arroganten Unterton zu Kai. Dieser zuckte nur mit den Schultern und gab ihr keine Antwort. Er war wie immer karg an Worten. Es hatte sich also doch nicht so viel verändert in den zwei Jahren. Kai blickte in Hilary's Richtung und erhob sich von seinem Platz. Ein kurzes „Hey.“ huschte über seine Lippen, als er neugierig in den Kinderwagen blickte. Dabei wanderte eine seiner Augenbrauen verdächtig nach oben. Aus dem Wagen strahlte ihn ein putzmunteres, lächelndes Baby an. Die Augen weit offen und in einem rotbraun leuchtend. Die kurzen, wenigen Zotteln auf dem Kopf wiegten sich im leichten Wind. Er schaute zu Hilary, als wolle er ihr etwas sagen. Nur dazu kam er nicht, denn Tyson fing sofort an die Zelte der Jungs zusammen zu schieben um Platz für ein weiteres zu schaffen. „Du kannst dein Zelt hier aufbauen!“ Voller Elan und strotzend vor Energie wartete er auf die Antwort der braunhaarigen Frau. „Okay. Ich -“ „Ach weißt du was? Ich bau das Zelt gleich für dich auf! Ich bin ein Meister im Zelte aufbauen!“ „Wohl eher im vernichten....“ kam es unterschwellig von Max und Kenny. Dafür ernteten die beiden einen bösen Blick seitens Tyson. „Ach, ist schon gut. Ich kann das auch allein. Das ist schließlich nicht das erste Mal, dass ich das Zelt aufbauen muss.“ Aber Tyson ließ sich nicht stoppen. Er wühlte das Zelt aus seiner Verpackung und startete mit dem Aufbau. Ray, der das Ganze mit ansah, griff beherzt ein um größere Schäden am Zelt zu verhindern. Und nach kurzer Zeit stand es recht stabil und sicher auf dem Boden. „Setz dich zu uns. Willst du was essen? Wir haben Würstchen, Steaks und Brot. Und Salat ist auch noch da.“ Ray hatte wieder ein wahres Festmahl vorbereitet. Hilary verneinte seine lieb gemeinte Frage, denn sie hatte keinen Hunger. Eigentlich wollte sie nur über das Gelände schlendern. Dass sie hier ihre Freunde treffen würde, hatte sie nicht eingeplant. „Naja, ich wollte nur über das Gelände schauen...“ „Dann kommen wir mit!“ „Lass mal! Ich geh erstmal allein, sonst halte ich euch nur auf.“ „Hm...wie du meinst...“ Tyson klang enttäuscht, aber die Brünette mochte jetzt niemanden bei sich haben. Sie griff nach ihrem Wagen und ging den Weg Richtung Festivalgelände weiter. Ein Glück, dass sie sich abwimmeln ließen und nicht weiter auf ihr Kind eingingen. ~~~Währenddessen auf dem Zeltplatz:~~~ „Boahhh! Habt ihr das Baby gesehen? Totaaal niedlich!“ Max kam aus dem Schwärmen kaum heraus. „Ja, das stimmt allerdings! Ich würde nur gerne Wissen wer der Vater ist. Hilary ist allein hier und normalerweise geht man doch mit seinem Partner zusammen auf so eine Veranstaltung, oder nicht? Vor allem mit Baby.“ Ray stimmte Max zu, warf aber diese ungeklärte Frage in die Runde. „Vielleicht hat er sie sitzen lassen?“ kam es von Tyson. Diesen Gedanken hatten die anderen auch schon. Kai saß derweil etwas abseits der Gruppe und schien nachdenklich. Irgendetwas beschäftigte ihn. „Hey Süßer...was ist los mit dir? Seit dieses Weib hier aufgetaucht ist, bist du so komisch. Wer ist die?“ Kate, die Kai's derzeitige Freundin war, setzte sich provokant auf seinen Schoß und spielte mit ihren Fingern in seinen Haaren um ihn etwas abzulenken. „Lass mich in Ruhe.“ Er ließ sie deutlich spüren, dass er jetzt niemanden brauchte, der ihm auf den Senkel ging. Er griff unsanft nach ihrer Hand und schob Kate von sich. Dann erhob er sich und klopfte seine Hose ab. „Ich werde auch nochmal auf das Gelände gehen .“ „Gut, ich mache mich schnell nochmal hübsch!“ Kate stand nun auch auf und verschwand im Zelt. „Hm.“ Im Zelt hörte man es rascheln und rumpeln. Dann fielen Kleidungsstücke zu Boden und ein Reißverschluss war zu hören. Kai hatte aber wirklich keine Lust auf Gesellschaft und ging ohne zu warten auf das Gelände. Die anderen schauten ihm hinterher, sahen sich vielsagend an und beschlossen so zu tun, als hätten sie nichts mitbekommen. Denn sie kannten ihn schon einige Zeit länger als Kate ihn. Ein 'Nein', bedeutete bei ihm auch 'Nein'. Kai war schon aus der Sichtweite verschwunden, als sich der Reißverschluss vom Zelt öffnete und Kate heraus kam. Für sie, gefühlte 5 Minuten, waren in Wirklichkeit 15 Minuten. Sie stand in einem kurzen schwarzen Rock vor dem Zelt. Ihr schlanker Körper passte sich perfekt an seine Form. Den Rock zierten viele silberne Ketten, die links und rechts herunterhingen. Ein knappes, schwarz-weiß gestreiftes Oberteil, in dem ihre üppige Oberweite noch besser zur Geltung kam, rundete ihr Outfit ab. Ja, es sah fast so aus, als würde sie jeden Mann einladen mit den Blicken darin zu versinken. Ihre Haare trug sie offen. Sie lagen ganz sanft auf ihrer Schulter. Mit ihren Händen fuhr sie sich durch's dunkelbraune Haar. Ihr Make-Up war, im Gegenteil zu ihrem restlichen Outfit, sehr dezent in schwachen Blautönen gehalten. „Wo ist Kai?“ Kate schaute sich um, konnte ihn aber nicht mehr entdecken. Tyson, Ray und Max schauten sich gegenseitig an und zuckten nur mit den Schultern ohne ein Wort zu sagen. „Das ist ein Scherz, oder? Ist dieser Kerl etwa ohne mich losgegangen?! Das gibt’s doch nicht! Er weiß wie sehr ich so etwas hasse!“ Kate war rasend vor Wut. Sie stapfte mit dem Fuß auf den trockenen Boden und wirbelte damit eine kleine Staubwolke auf. Man würde dieser zierlichen Frau einen so aufbrausenden Charakter gar nicht zutrauen. Aber irgendwie passte er mit dem ruhigen Charakter von Kai zusammen. Sie drehte sich um, warf den Zeltstoff des Eingangs nach hinten und griff nach ihrer kleinen Tasche, die sie sich während des Gehens um die Hüfte band. So eilte sie in die Richtung des Geländes. „Puh....die hat ja wieder eine Laune...“ Tyson klang erleichtert, da er ausnahmsweise nicht der Grund für ihren Ausraster war. „Sicherlich nicht leicht für Kai, das zu ertragen .“ warf Kenny ein und rückte seine Brille zurecht. „Da ist es nicht verwunderlich, dass Kai vor ihr flüchtet.“ Max fing an zu lachen und nahm sich eine Wurst vom Grill. Die anderen brachen ebenfalls in lautes Lachen aus. Kapitel 2: Gespräche -------------------- Kapitel 2 Auf dem Festivalgelände: An der Kasse angekommen, zeigte die braunhaarige Frau ihre Eintrittskarte vor und konnte gleich ungehindert auf das Gelände. Das Wetter war spitze. Nicht zu heiß und manchmal kam eine Brise, die etwas Abkühlung verschaffte. Es gab so viele Stände an denen es unglaublich schönen Schmuck, ausgefallene Kleidungen und gut riechendes Essen gab. Die junge Frau blieb an einigen Ständen kurz stehen und schaute sich einige Artikel, die dort angeboten wurden, an. Letztendlich ging sie weiter, sie wollte sich schließlich erstmal einen groben Überblick verschaffen. Es kamen ihr viele Besucher entgegen, und mit jeder Minute die es kühler wurde, wurden es mehr. Plötzlich packte sie eine Hand von hinten am Arm. Hilary wollte sich gerade umdrehen, um dieser Person ihre Meinung zu geigen, als sie erkannte wer sie am Arm hielt. „Warte.“ „Kai -“ Er starrte Hilary an. Sie versuchte ebenfalls ihn anzustarren, aber er verunsicherte sie in gewisser Weise. So wie er es damals auch immer getan hatte. „Was ist denn?“, fragte sie ihn mit leiser Stimme und versuchte ihre Nervosität zu unterdrücken. Kai hingegen ignorierte ihre Frage. „Lass uns ein Stück zusammen gehen.“ Er ließ ihren Arm los und ging voran. Die junge Frau war sichtlich irritiert. Schnell fing sie sich wieder und folgte ihm, um den Abstand aufzuholen. Eine bedrückende Stille herrschte zwischen den beiden Erwachsenen. „Du hast also ein Kind bekommen.“ Hilary nickte. „Wie alt ist es?“ Kai's Tonlage änderte sich hörbar und verunsicherte Hilary nur noch mehr. Sie begann zu stammeln. „Naja...also sie – Sie ist ein halbes Jahr alt...“ Ihr Blick auf den Boden gerichtet, weil sie ihm nicht in die Augen sehen wollte. Es war ihr irgendwie peinlich mit Kai darüber zu sprechen. Sie schob den Kinderwagen weiter. „Sechs Monate also...“ Kai war wieder in seinen Gedanken. Am liebsten würde die junge Frau im Boden versinken, wenn die Erde nicht so schrecklich trocken wäre. Kai blickte noch einmal in den Wagen. „Und wie heißt es?“ „Emilia.“ „Also ein Mädchen.“ „Hmmm.“ „Und wo ist der Vater?“, bohrte er hartnäckig weiter. Die junge Frau antwortete ihm nicht, sondern schüttelte nur ihren Kopf. Kai verstand sofort und fragte daraufhin nicht weiter nach. Schweigend gingen die beiden weiter an den bunten Ständen entlang. Die Stille war bedrückend. „KAI!!“ Angesprochener fuhr erschrocken zusammen. Er drehte sich um und ein Augenrollen folgte sehr ausdrucksstark von ihm. Hilary schreckte auch zusammen und drehte sich panisch um. „Kate, was -“ „WAS DENKST DU DIR EIGENTLICH?! Glaubst du, du kannst einfach so abhauen?! Wenn ich dir sage, dass ich mitkomme, dann hast du gefälligst zu warten!! Und NICHT EINFACH LOS ZU RENNEN!!“ Kate machte ihm eine unüberhörbare Szene. Die Besucher, die dort vorbeigingen, schauten sie an, andere stellten sich an einen Stand um dem Spektakel weiter zu folgen. „Ich mache das, was ich will. Ende.“ Das war die gleichgültige und ausdruckslose Reaktion auf ihr Gebrüll. Er sah nach vorne und ging weiter ohne sich noch einmal umzudrehen. „Das kann doch nicht wahr sein...“ Kate's Hände ballten sich zu Fäusten. Weiter hinter ihm her brüllend, folgte sie ihm und die beiden verschwanden in den Menschenmengen. Und Hilary stand einfach da. Angegeiert von all den Besuchern, die das Schauspiel eben mitgeschnitten hatten. Sie schämte sich so sehr, dass sie zusah, so schnell wie möglich von dem Ort zu verschwinden. Dieser Tag hätte nicht schlimmer enden können. Kate verfolgte Kai immer noch, der keine Anstalten machte sie zu beachten. „Kai! Verdammt, jetzt warte endlich! Du bist mir eine Antwort schuldig!“ Unmittelbar blieb der blau haarige stehen. „Eine Antwort? Welche?“ Seine Neugier konnte man ihm anhören. „Warum bist du mit diesem Weib unterwegs!?“ „Wir haben uns zufällig getroffen.“ „Achso! Und als nächstes fällt sie dir in die Arme!! Ganz zufällig, natürlich!“ „Jetzt mach mal 'nen Punkt! Ich hab sie hier getroffen und da wir uns eine ganze Weile nicht mehr gesehen haben, sind wir zusammen hier lang gegangen.“ „Aha. Und wie heißt die?“ „Hilary.“ „Und woher kennt die dich?!“ „Von damals.“ Man konnte Kate ansehen, dass diese knappen, kurzen Antworten sie zur Weißglut brachten. Sie schien kurz vorm Platzen. „Von damals? Hör auf mich anzulügen! Hast du was mit ihr gehabt?! Kai!“ „Wenn es so wäre, würde es dich nichts angehen. Und jetzt hör auf so einen Aufstand zu machen!“ Sein Blick verfinsterte sich und sein Ton wurde schärfer. Kai packte sie am Unterarm und zog sie zu sich heran, als er das zu ihr sagte. Kate hielt inne und brachte keine Silbe mehr heraus. Kai wusste eben wie er sich Respekt verschaffte. Bei jedem. „Ich gehe.“ Er ließ von Kate ab und drehte sich um. „Wohin?!“ Darauf bekam sie keine Antwort mehr. Kate war sehr eifersüchtig, so dass sie jede Frau als potenzielle Konkurrenz für sich sah. Die braunhaarige folgte ihrem Freund mit etwas Abstand, sagte aber kein Wort. Kai ging zurück zum Zeltplatz, wo nur noch Kenny am Feuer saß. Er war vertieft in seine Daten, die über den Bildschirm flackerten. Dizzy konnte ihn immer wieder in ihren Bann ziehen. Kate stand nun hinter ihrem Freund und wollte die Diskussion von eben wieder entfachen, als Kai sich zu ihr drehte und sie mit einem bestimmenden Kuss davon abbrachte. Sofort ging sie darauf ein und umschlang seinen Körper mit ihren Armen. Sie drehte sich mit Kai und öffnete mit ihrer Hand den Reißverschluss des Zeltes, um darin mit ihm zu verschwinden. Kenny, der diese Situation aus dem Augenwinkel mitbekam, war sichtlich errötet von diesem Liebesspiel. Umso eifriger stürzte er sich auf seine Aufzeichnungen, die Dizzy ihm abspielte. Hilary hatte sich nach kurzer Zeit wieder beruhigt von dem Theater. Jetzt bekam sie Hunger. Sie sah sich auf dem Gelände um. Es gab so viele Buden, an denen es alles mögliche zu Essen gab. Ihre Wahl traf sie recht schnell. Ein gut riechendes und lecker aussehendes Knoblauchbrot mit Cola. Ein freies Plätzchen fand sie auch. Die Sitzmöglichkeiten waren einfach gehalten. Holzbänke und lange Tafeln. Über die Sitzbereiche wurden große Sonnensegel gespannt, um die Besucher vor der brennenden Sonne zu schützen. Es vergingen nicht einmal 20 Minuten, da kamen Tyson, Max und Ray an Hilary vorbei. Sie verfluchte diesen Tag mehr und mehr. „Huuuuhuuuu!“ Tyson erkannte Hilary zwischen den Menschen und winkte ihr zu. Die drei kamen auf sie zu. „Hey, wir wollen uns gleich die Feuershow anschauen. Kommst du mit??“ „Danke, ich esse erstmal.“ Wieder verpasste sie Tyson einen Korb. Traurig schlurfte er weiter und schoss die kleinen Steinchen vor sich her. Max folgte ihm gleich und tröstete ihn. Nur Ray blieb bei ihr. „Darf ich mich zu dir setzen?“ „Klar, warum nicht.“ Ray setzte sich ihr gegenüber. Er ließ die Jungs noch wissen, dass er nachkommen würde. Ihn interessierten die Feuershows nicht so sehr wie Tyson und Max. „Es ist schön dich wiederzusehen, nach der langen Zeit und nach allem was geschehen ist.“, begann er. „Ja, das finde ich auch. Obwohl ich nicht damit gerechnet hätte euch hier zu treffen.“ „Tja, wir haben eben alle den gleichen Geschmack.“, grinste er mit einem zwinkerndem Auge. Die junge Frau konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. „Schön, dass du dich von damals erholt hast. Für uns war es gar nicht so leicht, dass du von heute auf morgen auch weg warst.“ „Ray...du wusstest warum. Und die anderen wussten es auch.“ „Hmm...ja. Sag mal, dein Kind...was ist es denn? Ein Mädchen oder ein Junge?“ „Ein Mädchen. Sie heißt Emilia und ist mittlerweile schon sechs Monate alt.“ „Sie ist total niedlich! Vorhin haben Tyson und Max schon wilde Spekulationen angestellt wo und wer der Vater ist. Aber du kennst die beiden ja.“ „Was? Oh nein...“ „Keine Sorge! Die beiden kamen nicht darauf...aber ich denke, dass wir alle den Vater kennen?“ Ray's Blick wurde sonderbar und er schien zu wissen, was er behauptete. Hilary versuchte sich ihre Unruhe nicht anmerken zu lassen. Ray fuhr fort... „Schließlich hat die kleine ziemliche Ähnlichkeiten zu der Person da hinten.“ Ein verschmitztes Grinsen und sein Zeigefinger deutete auf die Person, die auf sie zu kam. „Was ist denn?“ Kapitel 3: Wahrheit ------------------- Kapitel 3 ~~~Ray's Blick wurde sonderbar und er schien zu wissen, was er behauptete. Hilary versuchte sich ihre Unruhe nicht anmerken zu lassen. Ray fuhr fort... „Schließlich hat die kleine ziemliche Ähnlichkeiten zu der Person da hinten.“ Ein verschmitztes Grinsen und sein Zeigefinger deutete auf die Person, die auf sie zu kam. „Was ist denn?“~~~ „Hey, wieder alles in Ordnung bei euch beiden?“ Hilary versuchte sich gekonnt aus der Misere zu retten. Sie hoffte, dass Kai nur einen Bruchteil mitbekommen hatte, doch der wartete auf Erklärungen und setzte sich mit an den Tisch. „Und? Was habt ihr über mich gesprochen?“ Neugier war zwar untypisch für Kai, doch auch so etwas konnte bei ihm vorkommen. „Nichts schlimmes!“, rief Hilary hilflos dazwischen. Das half ihr nichts, da sie damit alles nur schlimmer machte, denn eine Augenbraue von Kai wanderte ein beträchtliches Stück nach oben. „Also, wir haben nur darüber gesprochen wie niedlich Hilary's Tochter ist und wie wir als Kinder ausgesehen haben und da waren wir gerade bei dir-“ „Ray!!“ Der schwarzhaarige erhob sich gerade von der Bank und redete munter weiter. „Nun ja...und haben überlegt mit wem du ziemliche Ähnlichkeit haben könntest!“ Ray entfernte sich beim Sprechen immer weiter von ihrem Tisch, bis er sich umdrehte und schnell davon lief. Hilary und Kai sahen ihm wortlos hinterher. Am liebsten wäre Hilary auch gegangen, aber die Situation würde das definitiv nicht zulassen. Ein weiteres Mal rückte Kai's Augenbraue höher und sein Blick nagelte die braunhaarige an ihren Sitz. „Ich? Ähnlichkeit mit wem?“ Sein durchdringender Blick verunsicherte Hilary, so dass sie nicht antworten konnte. Sie sah von einem Punkt zum anderen. Kurz die Augen auf Kai gerichtet, dann wieder in eine andere Richtung. Sie sah zu Emilia in den Wagen, um sich zu beruhigen. Emilia lag in ihrem Kinderwagen und spielte mit ihrem Spielzeug, dass an dem Wagen baumelte. Als sie bemerkte, dass sie beobachtet wurde, gab sie ein quietschenden Laut von sich. Dieser brachte auch Kai dazu, in ihre Richtung zu blicken. „Die Augen.“, er sah sie genauer an. „Sie hat die gleichen Gesichtszüge wie ich.“ In diesem Moment machte es 'klick' bei ihm. Seine Miene versteinerte sich und seine Augen waren weit geöffnet. Er sah fragend zu Hilary, die ihren Atem anhielt und hoffte, dass er keinen Wutausbruch bekommen würde. „Dieses Kind...ist von mir?“ Fassungslos starrte er sein Gegenüber an. Er hob seine Hände und ging in Abwehrhaltung. „Das ist ein schlechter Scherz! Das kann nicht sein!“ Sein Gesichtsausdruck weiterhin unverändert, blickte er von Hilary zu Emilia. Er hoffte eine Antwort zu bekommen. Doch Hilary seufzte schwer. Sie biss sich auf die Lippe. „Doch...Emilia ist deine Tochter...“ Wieder herrschte Stille zwischen den beiden. Kai's Blick ruhte auf seiner Tochter. Und die Fassungslosigkeit wich langsam aus seinem Gesicht. Unruhig spielte er mit seinen Fingern. „Warum? Warum hast du mir nichts davon erzählt?!“, dabei schaute er sie vorwurfsvoll an. Hilary wollte sich rechtfertigen. „Du warst einfach weg und ich wusste nicht mal wo du bist! Sicher hättest du nichts davon wissen wollen...Du brauchst keiner Verpflichtung nachkommen!“ Die junge Frau erhob sich von der Bank und wollte gehen, doch Kai hielt sie davon ab. Seit dem Tag, an dem sie von der Schwangerschaft erfuhr, hatte sie große Gewissensbisse und sie schwor sich Kai niemals etwas davon zu erzählen. Aber dieser Plan war jetzt gescheitert. „Ein einziges Mal?“ Der blau haarige war hin und her gerissen. Was, wenn Kate davon Wind bekommt? Er würde dann in ziemlichen Schwierigkeiten stecken. Aber jetzt hatte er eine Tochter. Von jetzt auf gleich. Und er konnte es nicht mehr ändern. „Hilary.“, er seufzte. „Ich werde zu dem, was ich getan habe, stehen.“ Die Augen der braunhaarigen Frau weiteten sich. Hatte sie sich verhört? Langsam setzte sich auf die Bank zurück. Sie hatte mit allem gerechnet, doch nicht mit so einer Aussage. „Was ist mit Kate?“ „Sie wird mir eine Szene machen wie du es vorhin erlebt hast. Nur 10 Mal so laut.“ „Das tut mir leid....“ „Mach dir nichts draus. Ich werd' das schon hinbekommen.“ Jetzt war er es, der aufstand. „Gehen wir?“ Hilary nickte und erhob sich ebenfalls. Sie hatte aufgegessen und brachte auf dem Rückweg ihren Müll weg. Kai konnte seine Augen nicht mehr von seiner Tochter lassen. Er war gefesselt von ihrem Aussehen. „Kai, sag den anderen bitte nichts davon.“ „Das kannst du schön selbst machen.“ Wie sie es erwartete. Kai würde nie von sich aus den anderen etwas privates erzählen. Dass war auch das Glück der jungen Frau, denn er schwieg wie ein Grab. Sie verließen das Gelände und liefen zurück zum Zeltplatz. Keiner der beiden bekam ein Wort heraus. Zurück an den Zelten, begrüßten sie Kenny, der noch immer dort saß. Dann verschwand Hilary in ihrem Zelt. Emilia hatte Hunger und bekam ihre Flasche. Sie schlief danach ein und Hilary legte sich ebenfalls schlafen. Damit ging sie weiteren Kreuzverhören und wissenden Blicken von Ray aus dem Weg. Während Hilary in ihrem Zelt schlief, saßen die Jungs und Kate bis spät in die Nacht am Feuer. Nach und nach verschwand einer nach dem anderen in seinem Zelt. Kate wollte nun auch schlafen gehen, aber nicht ohne ihren Freund. „Komm schon Kai. Ohne dich ist es so kalt im Zelt. Und ich hab fürchterliche Angst im Dunkeln...“ „Ich werde später nachkommen. Solange wirst du ohne mich auskommen müssen.“ Ihr Plan, Kai mit ins Bett zu locken, scheiterte, denn sie erhoffte sich mehr als nur einen warmen Körper neben sich und Trost vor ihrer 'Angst'. Beleidigt verschwand sie im Zelt. Kai hingegen blieb am Feuer. Er legte regelmäßig Holz nach, damit das Feuer nicht erlosch. Irgendwas veranlasste ihn, dieser Aufgabe nachzukommen. Nur was war es? Kapitel 4: Abschied ------------------- Kapitel 4 Am nächsten Morgen war Hilary schon vor den anderen wach. Die anderen schliefen tief und fest, da sie die halbe Nacht zum Tag gemacht hatten. Leise stand sie auf und packte ihre Sachen zusammen, denn heute würde sie wieder nach Hause fahren. Sie musste Montag früh wieder auf die Arbeit und heute war Sonntag. Sie blickte zu ihrer Tochter, die noch seelenruhig in ihrem kleinen Bettchen schlief. Die junge Frau öffnete das Zelt um heraus an die frische Luft zu gehen. Dort saß Kai im Schneidersitz vor der noch glimmenden Glut. „Schläfst du?“, fragte sie ihn leise. Keine Antwort...Nur ein Kopfschütteln zeigte ihr, dass es nicht so war. „Hast du die ganze Nacht am Feuer gesessen?“ Sie war überrascht ihn hier zu sehen und nicht bei seiner Freundin. Ein wiederholtes Nicken beantwortete ihr auch diese Frage. Wow. Sichtlich beeindruckt von seinem Handeln huschte sie zurück in ihr Zelt. Kai konnte kaum noch die Augen offen halten. Aus dem Zelt holte sie ihren kleinen Campingtopf, den sie über die Glut hängte. Kai griff nach ein paar Holzscheiten, das Feuer wieder neu zu entfachen. Und nach einigen Minuten konnte Hilary das kochende Wasser vom Feuer nehmen und füllte damit eine Tasse in der sich schwarzes Pulver befand. Kurz nach dem Aufgießen verbreitete sich ein wohlriechender Duft. Kaffee. Diesen reichte Hilary gleich an Kai weiter. „Hier, damit du nicht einschläfst.“ „Danke.“, antwortete er leise. Denn er wollte auf keinen Fall, dass Kate wach wurde. Sie würde womöglich in rasender Tobsucht den ganzen Platz wecken. „Kommst du mit auf das Gelände? Dort gibt es jetzt eine Kleinigkeit zum Frühstück.“, fragte er sie, um nicht die ganze Zeit über leise sprechen zu müssen. „Gerne. Mir hängt der Magen schon in den Kniekehlen. Ich ziehe nur Emilia an, dann können wir los.“ „Hm.“ Sofort verschwand die braunhaarige im Zelt. Die kleine Maus schlief immer noch. Sie nahm Emilia vorsichtig hoch und legte sie auf eine weiche Decke zum Anziehen. Die Kleidung für diesen Tag, legte sie schon gestern bereit, denn es ging nichts über perfekte Vorbereitung mit einem kleinen Baby. Das Anziehen verlief problemlos. Hätte sie geschrien, wäre ebenfalls der gesamte Platz auf einen Schlag hellwach. Zum Glück passierte es nicht. Sie war jetzt wach, aber leise. So konnten sie sich direkt auf den Weg zum Frühstücksbuffet machen. Dort angekommen, roch es nach frischen Brötchen und anderen Leckereien. Sie suchten sich einen Tisch und Hilary wartete dort, während Kai das Essen besorgte. Er kam zurück mit zwei Tellern. Auf jedem ein Brötchen, Butter, Marmelade, Käse und Wurst. Kaffee gab es auch, doch beide verzichteten darauf. Hilary plagte jetzt die Neugier. „Warum warst du die ganze Nacht wach?“ Kai stellte die Teller ab und setzte sich. „Ich konnte nicht schlafen.“, damit legte er auf die eine Hälfte des Brötchens eine Scheibe Wurst und biss ein großes Stück ab. „Aha, und was hat dich vom Schlafen abgehalten?“ Hilary schmierte noch Butter und Marmelade auf das Brötchen, bevor auch sie ein Stück abbiss. „Vieles. Die Temperaturen und die Sache von gestern.“ Hilary empfand es schön mit dem blau haarigem in Ruhe sprechen zu können, ohne dass einem die anderen dazwischen funkten. So konnte sie viel mehr über Kai erfahren. Wie er denkt und was er denkt. „Naja...du hast keine Verpflichtung. Ich hab es bis heute auch alleine geschafft, da brauch ich jetzt auch keine Hilfe.“ „Es geht mir auch nicht um die Verpflichtung. Dass du mir nichts davon erzählt hast, enttäuscht mich. Du hättest mich finden können, hättest du es gewollt.“ „Aber dein Brief von damals...Du wolltest keinen Kontakt mehr zu uns...“ „Aber DAS-!“, er deutete auf seine Tochter. „Das ist doch etwas ganz anderes!“ Kai sah Emilia an, die ihn verschmitzt ansah und dann weiter auf ihrem Beißring kaute. „Das konnte ich doch nicht wissen...D-daher hab ich es für mich behalten...“ Zwischendurch nagte die junge Frau an ihrem Brötchen. „Nun ist es eh zu spät.“, und nahm den letzten Bissen seines Brötchens. „Die anderen sollten jetzt langsam aus ihrem Tiefschlaf erwachen. Lass uns zurückgehen bevor-“ „Bevor du in Schwulitäten kommst, ich weiß schon.“, also nahm sie das restliche Stück auf die Faust und aß es unterwegs auf. „Sag mal, wie bist du eigentlich zu Kate gekommen? Sie hält dich ganz schön an der kurze Leine.“ „Ehrlich?“ „Jahaaa.“ „Gut. Sie ist die Tochter eines reichen Geschäftspartners. Also 'pflege ich nur Kontakte'. Mich hält aber nur der Sex. Mehr brauche ich nicht und sonst macht sie auch was sie will. Ich brauche keine Beziehung, in der jeder den anderen umsorgt und betüdelt. Ich will einfach einen Spaß und den bekomme ich mit Kate. Ende.“ Er brauchte also nur Sex? So dachte er über Beziehungen? Hilary hätte ihn für anspruchsvoller gehalten. Aber sie hörte ihm interessiert zu, denn so oft plauderte er nicht aus dem Nähkästchen. Wenn er damit leben konnte, sie könnte es nicht. Jedem, dass seine. „Hmm...“ Nebenbei gingen sie zurück und das Gespräch war ein weiteres Mal beendet, da Hilary noch über sein Gesagtes nachdachte. Kai's Schritte wurden schneller. Klar, er wollte eher zurück sein, um eventuelle Nachfragen zu unterbinden. Die brünette wurde langsamer und schlenderte den Weg entlang. Am Zelt angekommen verschwand er darin. Kurze Zeit später war auch Hilary angekommen. Jetzt bekam Emilia Frühstück, die bis eben im Wagen gedöst hatte. Sie ging ins Zelt und fütterte ihre Tochter. Währenddessen hörte sie Kai und Kate reden. Kate klang noch verschlafen, als sie ihr Schlafgemach verließ. Sie diskutierte wieder mit Kai, aber Hilary konnte nicht verstehen was sie sagte. Kai hingegen weckte die Jungs. Ganz freundlich. Wie damals. Mal mit einem Eimer Wasser, mal kam er mit einer Pfeife in die Zimmer. Da sich der warme Sommermorgen anbot, holte er Wasser. Und er war bereit es zu nutzen. „Aufstehen, ihr Faulenzer!“, rief er in das Zelt und öffnete den Reißverschluss ein Stück. Und auf das Gesagte, folgte auch schon die erste Fuhre Wasser. „Platschhhhh!!“ Keine 2 Sekunden später drangen laute Schreie des Entsetzens aus dem Inneren. Tyson konnte man am besten heraushören. Wild fuchtelnd und das Wasser vom Körper streichend, kam er herausgestürmt. „Was soll das?! Willst du uns umbringen???“ Kai's ernüchternde Antwort: 'Wuuuuuuuuuuuschhh!!'. Der restliche Inhalt des Eimers. Tyson verstummte sofort. „Ich hoffe, du hast gut geschlafen, Tyson.“, schelmisch grinsend schaute Kai in seine Richtung. Kate lachte natürlich laut. Solang jemand anderes Schaden hatte, konnte sie sich daran erfreuen. Nun kamen auch die anderen aus dem nassen Zelt gekrochen. Kenny versuchte hektisch seinen Laptop von der Feuchtigkeit zu befreien, damit Dizzy keinen Schaden davon trug. Ray und Max nahmen die Sache gelassener. Es war schließlich Sommer und die Temperaturen waren jetzt schon kaum erträglich. Hilary kam nun zu dem munteren Treiben hinzu. Emilia war gefüttert und gewickelt und hing in den Armen ihrer jungen Mutter. Hilary konnte sich ein Glucksen nicht verkneifen. Es war schön zu sehen, dass die Jungs sich immer noch so gut verstanden. Max zog sein nasses Shirt aus und legte es zum Trocknen in die Sonne. Der Blondschopf steuerte auf Hilary zu, nur um ihr Emilia aus den Armen zu nehmen. Er legte sich mit ihr ins Gras und spielte ausgelassen mit ihr. Max hatte einen Narren an Hilary's Tochter gefressen. Die beiden alberten herum, als kannten sie sich schon von Anfang an. Emilia grinste und brabbelte in ihrer Babysprache vor sich hin. Und Max, der schien alles zu verstehen. So konnte Hilary eine kleine Baby-freie Zeit erhaschen. Ray hatte sich umgezogen und zauberte daraufhin ein tolles Frühstück. Es gab zwar keine frischen Brötchen, dafür aber Toast und Rührei mit Speck und Zwiebeln. Das Essen duftete so gut, dass Hilary am liebsten noch einmal essen würde, doch ihr undercover Frühstück mit Kai reichte ihr aus. Um nicht aufzufallen, aß Kai eine kleine Portion. Tyson hingegen stapelte das Essen auf seinem Teller, als hätte er tagelang nichts bekommen. Schnell setzte er sich ans Feuer, um sein eben ergattertes Mahl genüsslich herunterzuschlingen. Die restliche Truppe bevorzugte es, gesitteter zu essen. Nur Ray beobachtete Hilary, die wieder nichts aß. „Hil, was ist los mit dir? Hast du schon wieder keinen Hunger?“ „Nein, lass mal lieber. Ich glaub, das Essen von gestern ist mir nicht bekommen.“ Für diese schlecht gespielte Lüge kassierte die junge Frau einen mahnenden Blick von Kai. Also rieb sie sich noch schnell zum Schein den Bauch, um es etwas glaubwürdiger erscheinen zu lassen. „Du Arme...Ich hab Medikamente dabei, wenn du was brauchst.“ „Danke dir Ray. Ich werde mal meine restlichen Sachen zusammenpacken. Mein Zug geht nachher, den darf ich nicht verpassen.“ Damit stand sie auf und verließ die Jungs. Zum Glück hatte sie am Abend zuvor schon den größten Teil zusammengepackt. Jetzt hieß es nur noch alles wieder so in und am Wagen zu verstauen, dass alles passt. Mit quetschen und zerren gelang das auch. Das Endergebnis sah zwar nicht schön aus, erfüllte aber bis zum Bahnhof seinen Zweck. „Musst du echt schon wieder los?“ Tyson's Frage klang, als würde sie von einem kleinen Jungen gestellt werden. „Hmm. Ja, tut mir leid. Ich muss heute noch zurück, weil ich morgen arbeiten muss.“ „Schade...“ „Tyson mach dir nichts draus! Wir können doch Hilary besuchen!“ „Ja, Stimmt Max!“ Der fröhliche Blondschopf schaffte es immer Tyson zu motivieren. Und Hilary rang sich ein gequältes Lächeln ab. Als würde sie je einer von ihnen besuchen. Sie hatten es die letzten Monate auch nicht getan. Noch nicht einmal gemeldet hatten sie sich. Hilary verabschiedete sich von den Jungs. Bei Kenny angefangen, umarmte sie ihn, worauf er rot wie eine Tomate wurde. Mit den Mädels konnte er noch nicht besser umgehen. Obwohl Hilary dachte, er würde eines Tages mit Emily zusammen sein. Als sie auf Ray zu kam, hielt er ihr eine Plastiktüte hin, in der er etwas Essen eingepackt hatte. Sie bedankte sich. „Danke schön Ray! Du denkst echt an alles. Bis bald!“, auch ihn umarmte sie zum Abschied. Tyson reichte ihr nur die Hand. Er war noch traurig darüber, dass die brünette schon wieder gehen musste. „Bis bald mal Hilary. Komm gut nach Hause.“ „Ja, Tyson. Bis hoffentlich bald.“ Jetzt war die Zeit gekommen, um ihre Tochter wiederzuholen. Max sah das schon und wollte Emilia gar nicht zurückgeben. „Oooohhhh Hil! Darf ich sie nicht behalten? Sie ist soooo niedlich!“ „Nichts da! Emilia nehme ich wieder mit.“ „Bitteeeee...“ Der Blondschopf hielt sie nun ganz fest im Arm. Er kuschelte seine Wange an ihr Gesicht. Dazu legte er seinen Hundeblick auf. Hilary blieb standhaft. „Nein. Mach dir selber eins.“ Sie grinste ihn an und nahm ihre Tochter wieder an sich. Max würde sie nicht lange behalten wollen. Sie konnte ein kleiner Drache sein, wenn ihr etwas nicht gefiel. Max verzog sein Gesicht. „Na gut.“ Einen Augenblick später hatte er schon wieder ein breites Grinsen im Gesicht um sich von Emilia zu verabschieden, wobei er gleichzeitig versuchte seine kleine Freundin zurückzubekommen. „Nein, Max!“ Sie drehte sich zur Seite und warf Max einen bösen Blick zu. Dann schnallte sie Emilia in ihrem Wagen fest. Hilary prüfte noch einmal, ob sie nichts vergessen hatte. „He! Willst du dich von mir nicht verabschieden, oder was?“ Da vergaß sie doch fast Kai. Peinlich berührt sah sie ihn an. Er konnte alles gleich so aussehen lassen, als wäre es ein Staats-vergehen ihn zu vergessen. „Lass die doch, wenn die nicht will!“ „Ähm...doch klar...Sorry...“ Und schon warf Kate ihren geistigen Abfall dazwischen. Sie mochte Hilary ganz und gar nicht. Die beiden Mädels kamen nicht einmal ins Gespräch. Vielleicht auch besser so. Allerdings kassierte Kate von ihrem Partner eine direkte Retourkutsche. „Halt dich da raus!“, zischte er sie giftig an. Sofort verstummte sie. Beleidigt sah sie zur Seite aber verfolgte Kai aus dem Augenwinkel. Dieser stand gerade auf, um sich von Hilary zu verabschieden. Sie reichte ihm die Hand zum Abschied. Kai nahm sie und zog die junge Frau blitzschnell zu sich heran. Total perplex lag sie in seinem Arm. Wie sehr hatte sie gehofft, dass das noch einmal passieren würde. Doch zugeben würde sie das nie! Der blau-haarige drückte ihren Kopf dicht an seinen. Und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie konnte ihm nicht antworten, sondern nickte nur. Ihr Arme, die sich bis eben stark angespannt hatte, entspannten sich. Kai löste die Umarmung, worauf lautes Gebrüll folgte. Kate sah das alles und jetzt war sie wild entschlossen die braunhaarige in der Luft zu zerfetzen. „Du solltest jetzt wirklich gehen.“ Sehr entschlossen klang Kai dabei nicht. Doch er schob sie weiter auf den Weg um dann Kate aufzuhalten. Hilary drehte sich hastig um und entfernte sich schnellen Schrittes von der Gruppe. Einige Meter später warf sie einen Blick zurück. Sie sah, dass Kai immer noch dabei war seine Freundin zu besänftigen. Meter für Meter entfernte sie sich weiter vom Gebrüll und das Gelände, die Stände und die Zelte wurden immer kleiner. Bis sie ganz hinter den großen Häusern und Bäumen verschwunden waren... Kapitel 5: Heimfahrt -------------------- Kapitel 5 Am Bahnhof angekommen, ging Hilary direkt zu dem Gleis an dem ihr Zug fahren würde. Das Bahnhofsgelände war groß und beeindruckend gebaut. Die riesigen Fenster in der Eingangshalle ließen viel Licht in den Raum. An den Seiten reihte sich ein Geschäft an das nächste und jeder versuchte so viele Kunden wie möglich zu locken. Die brünette ignorierte all die Werbung und guten Düfte, denn ihr Zug wartete nicht auf einzelne Personen. Sie stand vor einer großen Infotafel um das richtige Gleis zu finden. Gleis 10. Wenn im vorderen Bereich, bei der Informationstafel Gleis 1 und 2 waren, dann müsste Gleis 10 am anderen Ende des Ganges sein. 'Na toll', dachte sich die junge Frau und machte sich auf den Weg. Zum Glück konnte Emilia noch nicht laufen. Dass erleichterte ihr das Durchkommen sehr. Sonst würde sie wahrscheinlich an jedem Laden stehenbleiben müssen. Am anderen Ende des Ganges angekommen, sah sie zu ihrem Übel, dass kein Fahrstuhl zu dem Gleis führte. „War ja klar...Frechheit...“ Weiter fluchend versuchte sie mitsamt Gepäck und Kind diese verdammte Treppe hinaufzukommen. Hätte sie nur nicht so viele Sachen eingepackt... Plötzlich wurde der Kinderwagen um ein gewaltiges Stück leichter. Verwundert sah sie sich um und entdeckte einen älteren Herren im Anzug, der ihr beim Tragen des schwer bepackten Wagens half. Oben angekommen, bedankte sie sich höflich bei dem Herren. Dieser eilte auch schon wieder die Treppe nach unten und verschwand zügig um die Ecke. „Sehr freundlich.“ Die Gentleman waren doch noch nicht ausgestorben, wie Hilary immer fluchte. Ihrer Meinung nach, sollten sich die Jugendlichen ein Beispiel daran nehmen. Sie ging zu einer freien Bank und ruhte sich nach dem langen Fußmarsch aus. Dass war eine lange Strecke bis zum Bahnhof. Klar, hätte sie auch die S-Bahn nehmen können, doch sie musste auf ihr Geld achten und da konnte sie nicht einfach mal so Bahn oder Bus fahren wie die anderen. Hilary schaute auf die Uhr. 11:07 Uhr. Ihr Zug sollte 11:10 ankommen. Ob das klappt? Bei der Hinfahrt hatte sie fast eine Stunde Verspätung. Langsam füllte sich der Bahnsteig mit weiteren Reisenden, während auf den anderen Gleisen minütlich Züge ankamen und wieder abfuhren. 11:10 Uhr. „DING DONG...Achtung am Gleis 10, in wenigen Minuten fährt der Zug nach Osaka ein.“ Hilary verdrehte ihr Augen. „Auch mal eine Möglichkeit 'Verspätung' auszudrücken...“, sie schaute wieder auf ihre Uhr. Wenn die Bahn mal keine Verspätung hätte, würde irgendetwas falsch laufen. 11:15 Uhr. Jetzt sollte der Zug abfahren. Sie wurde Zusehend genervter. Ein Glück musste sie nirgends mehr umsteigen, um einen Anschlusszug zu bekommen. 11:22 Uhr. Endlich kam die Bahn. Ein Waggon reihte sich an den anderen. Bestimmt waren es mehr als 7. Ein quietschendes Geräusch signalisierte das Halten der Bahn und einige Sekunden später öffneten sich die Türen und die reisenden Passagiere eilten heraus, um ihre Anschlüsse nicht zu verpassen. Als die Eingänge freier wurden, schnappte die junge Frau ihre Sachen und stieg in den Zug ein. Geschafft. Jetzt musste sie nur noch den richtigen Waggon, das richtige Abteil und den richtigen Platz finden, den sie reserviert hatte. Erstaunlicherweise war der Zug nicht so voll wie erwartet. Eigentlich war er fast leer. Und dass auf einem Sonntag? Ungewöhnlich. Aber Hilary sollte dass nicht weiter stören. Nach kurzer Suche konnte sie einen Kontrolleur finden, dem sie ihr Ticket zeigte. Er schickte sie gleich in die richtige Richtung. Somit war den Platz gefunden. Sie ließ sich auf dem weichen Sitz nieder. Endlich konnte sie sich entspannen. Es war ein anstrengendes Wochenende, anders als erwartet. Emilia verschlief natürlich alles. Solange sich ihr Wagen bewegte, auch wenn es nicht viel war, schlief sie überall. Entspannt lehnte Hilary sich zurück und schaute aus dem Fenster. Es zogen die Landschaften so schnell an ihr vorbei, dass sie kaum etwas erkennen konnte. Mal sah sie flaches Land, dann weite Felder und dann kleine Städte, an denen sie vorbeirauschten. Verträumt und in Gedanken versunken sah sie nach draußen, als eine Person sie antippte. „Was?!“, erschrocken fuhr sie zusammen. „Junge Dame, die Fahrkarte bitte.“ „Sie haben mich vielleicht erschreckt! Einen Moment bitte.“, sie kramte in ihrem Rucksack nach dem Fahrschein. „Ah, das ist sie!“ Genau in dem Moment zog sie den Fahrschein aus der Tasche und reichte sie direkt weiter. Der Schaffner kontrollierte ob sie auf dem richtigen Platz saß und stempelte sie dann ab. Er gab ihr die Karte zurück und mit einer kleinen Verbeugung verabschiedete er sich. Das war was. Hatte sie so sehr geträumt? Ihr Blick fiel sofort auf Emilia's Wagen. Erleichtert atmete sie aus, als sie sah, dass ihre Tochter noch im Kinderwagen schlief. Sie musste aufmerksamer sein. Irgendein verrückter hätte sie entführen können oder einfach mitnehmen. Zum Glück war das nicht der Fall. Hilary steckte ihre Karte zurück in die kleine Außentasche. Dabei fiel ihr ein weißes Stück Papier auf. „Huch? Wo kommt das denn her?“ Der Zettel war zerknittert und sonst kam es ihr auch nicht bekannt vor. Aber ehe sie den Zettel wegwarf, schaute sie noch darauf. Vielleicht stand doch etwas wichtiges drauf. Ein paar schnell geschriebene Zahlen standen dort. Vielleicht ein Zifferncode oder eine Telefonnummer, die jemand verloren hatte. Aber die Zahlen sagten ihr nichts. Sie knüllte den Zettel wieder zusammen und schmiss ihn in den Papierkorb unter dem Fenster. Hilary lehnte sich wieder an den Sitz. Ihr kamen nach und nach die Bilder vom Wochenende wieder ins Gedächtnis. Es war schön die Jungs wiederzusehen, auch wenn sie keinen Kontakt mehr hatten, die Freundschaft blieb doch bestehen. Und die zwei Tage waren viel zu kurz. Es gab noch so viel zu reden mit ihnen. Aber die Arbeit... Und dass Kai jetzt wusste, dass er eine Tochter hat, war absolut nicht geplant. Überhaupt war seine Verabschiedung sehr untypisch für ihn. Sonst war er total kühl zu ihr und sagte und tat nur das Nötigste. Aber in dem Moment war er wie ausgewechselt. Da schoss ihr der Satz von Kai durch den Kopf. 'Ich warte auf deinen Anruf.', dass flüsterte er ihr ins Ohr. „Toll...“, wie sollte sie ihn anrufen, wenn sie nicht einmal seine Nummer hatte? Und wo er wohnte, wusste sie auch nicht. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie von ihrem Sitz und griff in den Mülleimer. Wo war dieser verdammte Zettel hin. Die ältere Frau die ihr gegenüber saß, schaute sie angebiedert an. Sie verkniff sich einen Kommentar. „DA!“, sie zog das heiß begehrte Stück Papier wieder heraus. Schnell faltete sie ihn auf, um nachzusehen ob es der richtige war. Das waren die Zahlen von vorhin. „Ein Glück.“, erleichtert atmete sie aus und drückte den Zettel fest gegen ihre Brust. So schnell würde sie den Zettel nicht nochmal wegschmeißen. Ihr Herz raste. Und unbewusst lächelte sie. Die alte Frau gegenüber verstand die Welt nicht mehr. Sie schaute Hilary ungläubig und entsetzt zugleich an, als die junge Frau ihr ins Gesicht blickte und grinste. Sie war einfach nur glücklich. Das Stück Papier behielt sie die restliche Fahrt über ganz dicht an ihrem Körper um ihn nicht zu verlieren. Schließlich wollte sie Kai nicht enttäuschen. Kapitel 6: Schock ----------------- Kapitel 6 „DING DONG! Nächster Halt, Osaka.“ Das war ihre Haltestelle. Sie stand auf und verabschiedete sich von der älteren Dame. Schnell eilte sie zu einer der Türen und machte sich bereit. Emilia war wach geworden und Hilary reichte ihr eines ihrer Spielzeuge. Kurz darauf wurde der Zug langsamer und hielt schließlich an. Die Türen öffneten sich. Draußen standen viele Menschen, die in die Bahn wollten. Die junge Frau hatte kaum Platz um mit dem Kinderwagen heraus zukommen. Um durch die Massen zu kommen, fuhr sie allen die noch im Weg waren über die Füße, sonst würde ja keiner an die Seite gehen. Als die Reisenden ausgestiegen waren, drängten sich die Massen von außen in den Zug. Als wäre das der einzige Zug der fahren würde. Verrückt, die Menschen. Hilary ging langsam nach Hause. Eigentlich wollte sie da gar nicht mehr hin. Sie seufzte laut auf. Dann setzte sie ihren Weg fort. Wie lang es wohl dauern würde, bis sie aus der Gegend wegziehen konnte? Gedankenversunken schloss sie die Haustür auf und ging durch den langen Flur zum Fahrstuhl. Sie drückte den Knopf und wartete ungeduldig. Endlich war der Aufzug da. Schnell huschte sie hinein und fuhr in die 5. Etage. Die schwere Tür schloss sich und an jeder Etage leuchtete ein kleines Lämpchen auf. Dann kam die 5. Etage. Dort stieg sie aus. An den Flurwänden waren viele Schmierereien. Sie empfand es als Qual hier wohnen zu müssen. Den einzigen Vorteil den es gab, war die niedrige Miete. Hilary seufzte ein weiteres Mal ehe sie ihre Wohnungstür öffnete und in ihre Wohnung trat. In der Wohnung sah es etwas schöner aus als draußen. Die Wände hatte sie in einem gelb-orange gestrichen. Leider verdeckte die Farbe die Risse in den Wänden nicht. Und Geld zum Renovieren hatte sie auch nicht. Jedes Mal, wenn sie die Wohnung betrat, kam ihr der gleiche Gedanke. Jetzt befreite sie erstmal Emilia von der dünnen Sommerjacke und den kleinen Schühchen. Sie durfte auf der weichen Decke im Wohnzimmer liegen. Die Junge Mutter konnte ihre Tochter nirgends unbeaufsichtigt lassen, denn sie drehte sich schon fast auf den Bauch. Nun räumte sie ihre Sachen vom Wochenende wieder in den Kleiderschrank, denn die brauchte sie in der nächsten Zeit nicht mehr. Den Beutel, mit Ray's Leckereien brachte sie in den Kühlschrank. Das würde sie am Abend essen. Der Rucksack war ausgeräumt und verstaut, da rief sie ihr Sofa. Emilia übte fleißig das Drehen, doch Hilary nahm sie zu sich. Nichts ging über kuscheln mit Mami. Der Fernseher lief nur nebenbei, damit wenigstens einer ihr etwas erzählte. Sie starrte an die weiße Zimmerdecke. Dort konnte sie auch schon kleine Risse erkennen. Zum Glück gab es keinen Schimmel in der Wohnung. Die Zeit verging wie im Flug und das Abendessen für Emilia war an der Reihe. Die kleine war auf Hilary's Brust eingeschlafen. Vorsichtig stand sie auf um ihre Tochter sanft zu wecken. Verschlafen schaute sie ihrer Mutter an. In ihrem Zimmer wickelte sie Hilary und zog ihr das Schlafzeug über. Einen Moment musste sie aber noch warten, während ihr Brei gekocht wurde. Sie fütterte die kleine und brachte sie danach gleich ins Bettchen. Für Emilia war das Wochenende sehr anstrengend gewesen. Friedlich schlief sie ein. Und Hilary konnte jetzt das Essen von Ray erwärmen. Still saß sie am Esstisch in der Küche. Nur das Ticken der Uhr begleitete sie. Alles war so trostlos in ihrer Wohnung, dass sie innerlich noch an dieser Situation zerbrechen würde. Es half alles nichts, es musste weitergehen. Sie räumte ihr Geschirr ab und ging zurück ins Wohnzimmer. Der Fernseher lief noch. Sie setzte sich und zappte durch das Programm. Eine Dokumentation fand sie recht interessant, doch lange folgte sie dieser nicht, denn ihre Gedanken waren bei Kai. Sollte sie ihn wirklich anrufen? Sie war so unsicher. Was, wenn Kate etwas davon mitbekam? Sie haderte mit sich selbst. Aber was, wenn sie sich nicht bei ihm melden würde? Er wäre sicher enttäuscht. Oder? Die braunhaarige kramte den Zettel aus ihrer Hosentasche. Sie zückte ihr Handy und tippte die Nummer von dem Stück Papier in das Display. Jetzt brauchte sie nur noch den grünen Hörer zu berühren. Unentschlossen ließ sie das Handy auf ihre Brust sinken. „Nein.“ Sie konnte nicht. Das schlechte Gewissen hielt sie davon ab. Ein Seufzen hallte durch den Raum. Sie konnte doch nicht ewig davonlaufen. Irgendwann würde er doch zu ihr kommen. Und dann würde er sie fragen, warum sie sich nicht gemeldet hatte. „Piep.“, das Handy machte ein Geräusch und Hilary starrte ihr Display fassungslos an. „Oh Gott!“ Sie musste irgendwie auf den Hörer gekommen sein, denn das Handy wählte bereits die Nummer und ein Tuten war zu hören. Ihr Herz raste in ihrer Brust und ihr wurde heiß und kalt auf einmal. Wer würde gleich abnehmen? Kate oder Kai? „Hallo?“ Was sollte sie sagen? Dass hätte sie sich vorher überlegen sollen. Dafür war es jetzt zu spät. Leise fing sie an... „Kai...“ „Wer ist da?!“, er klang ungeduldig. „Ich bin es...Hilary...“, sie wurde immer leiser. Am anderen Ende raschelte es. „Warte kurz.“, er verließ anscheinend den Raum in dem er gerade war. Dann hörte sie eine Tür klappen. „Jetzt. Du hast also meine Nachricht gefunden.“ „Ja.“ „Gut, wir sollten und nochmal unterhalten wegen Emilia.“ „Du brauchst nichts zu machen. Dass hab ich dir doch gesagt.“ „Ich würde euch dazu mal besuchen kommen. Gibst du mir deine Adresse durch?“, seine Frage klang mehr wie eine Aufforderung, der Hilary ohne Zögern nach kam. „Wann passt es dir am besten? Sagen wir nächstes Wochenende?“ So schnell wollte er vorbeikommen? Hilary war überrumpelt. „W-w-was? Am Wochenende? Schon?“, mit jedem Wort sprach sie leiser. „Also komme ich am Freitag Abend zu euch. Oder hast du etwas anderes vor?“ Die brünette schüttelte wild mit ihrem Kopf. Zum Glück konnte er sie jetzt nicht sehen. „N-nein! Ich hab nichts vor...also jetzt schon...“ „Gut, dann bis Freitag.“, und schon hörte sie nur noch ein Tuten. „Aufgelegt...“ Das war das schlimmste Telefonat, dass sie je geführt hatte. Sie hatte mit vielem gerechnet, aber doch nicht, dass er direkt zu ihr kommen wollte. Sie würde das Beste daraus machen. Aber jetzt würde sie erstmal ins Bett gehen, es wurde schon dunkel. Kapitel 7: Aufregung -------------------- Kapitel 7 Am nächsten Morgen klingelte Hilary's Wecker um 5:30 Uhr. Es war Montag und ein neuer Arbeitstag begann. Sie tastete verschlafen nach dem klingelnden Gerät, um es mit einem kräftigen Schlag zum Schweigen zu bringen. Es war wieder still. Sie raffte ihre müden Knochen auf und stieg aus dem Bett. Emilia musste sie auch noch wecken. Als erstes verschwand sie im Bad. 10 Minuten später stand die junge Frau angezogen vor dem Bettchen ihrer Tochter. Sanft weckte sie die kleine, zog sie hübsch an und aßen gemeinsam Frühstück. 06:15 Uhr. Es war an der Zeit sich auf den Weg zu machen. Emilia streifte sie eine dünne hellgrüne Sommerjacke über und setzte ihr eine Mütze auf. Die Sachen für die Arbeit hatte sie am Abend zurechtgelegt. Sie schnappte sich die Tasche und beide verließen die Wohnung. Während Hilary arbeitete, passte eine Nachbarin auf sie auf. Sie war wohl die einzige vertrauenswürdige Person in dem Wohnblock. Hilary arbeitete in einem kleinen 24-Stunden-Markt. Er war nicht weit von ihrem Zuhause entfernt, was ganz praktisch war, wenn Emilia krank wurde. Hier in dem Laden gab es alles, was das Herz begehrt. Von A, wie Antipasti bis Z, wie Zigaretten. Während ihrer Arbeit konnte Hilary keinen klaren Gedanken fassen. Das ganze Wochenende hatte sie komplett aus der Bahn geworfen. Es war so viel passiert. „Hilary!“ „Hä?“ „Sieh gefälligst hin, was du hier machst!“ „Äh...was?“ Ihr Chef hatte mitbekommen, dass die junge Frau nicht bei der Sache war und stauchte sie nun zurecht. Sie schaute vor sich ins Regal und merkte, dass sie alle Waren komplett falsch einsortiert hatte. So sehr war sie in ihren Gedanken versunken. „Ahhhh! Entschuldigen Sie! Es tut mir leid, ich werde es sofort ordentlich einsortiern!“ Sie verbeugte sich immer wieder, während sie sich entschuldigte. Ihre Arbeit zu verlieren, konnte sie sich nicht erlauben. „Ich werde mir das nicht mehr lange ansehen! Träumen kannst du in der Nacht, aber nicht hier auf der Arbeit!!“ „Ja...es tut mir leid....“ Ihr Chef konnte sehr ungemütlich werde, wenn sie die ihr aufgetragenen Aufgaben nicht zu seiner Zufriedenheit erfüllte. Sie beeilte sich die Regale auszuräumen und neu einzusortieren. „Das Pech verfolgt mich wohl...“, sie seufzte und hoffe, dass dieser Tag schnell vorbei sein würde. Es war eben ein 'typischer Montag'. Am späten Nachmittag konnte die brünette endlich Feierabend machen. In der restlichen Arbeitszeit, geschahen ihr keine Missgeschicke mehr. Sie zog sich um, schnappte ihren Rucksack und verließ das Geschäft durch den Hintereingang. Zuhause holte sie Emilia bei der Nachbarin ab. Sie wartete schon auf die braunhaarige Frau, denn sie musste noch in die Stadt fahren. „Vielen Dank fürs Aufpassen.“, Hilary bedankte sich bei ihr und reichte ihr eine kleine Pralinenschachtel zum Dank. Sie verbeugte sich höflich und fuhr mit dem Fahrstuhl nach oben. Viel Zeit für ihre Tochter hatte sie nicht. Es war schon Zeit Emilia zu füttern und danach schlafen zu legen. Die kleine tat ihr schrecklich leid, aber das Geld lag nicht auf der Straße. Und von irgendetwas mussten sie leben. Am Abend badete Hilary, um von dem anstrengenden Tag zu entspannen. Erschöpft fiel sie dann ins Bett und schlief sofort ein. Die restlichen Tage der Woche vergingen ohne große Vorkommen und Unannehmlichkeiten. Schließlich war es Freitag. Der schlimmste Tag der Woche. Normalerweise freute sie sich darauf, doch heute nicht. Kai hatte sich bei ihr angemeldet und wollte sie wiedersehen. Hilary durfte sich frei nehmen, da sie viele Überstunden angesammelt hatte. Sie stand trotz ihres freien Tages sehr früh auf, räumte die Wohnung auf, putzte alles, kaufte nochmal ein, bereitete Getränke vor und versuchte die Wohnung etwas hübscher aussehen zu lassen, als sie eigentlich war. Emilia konnte sie für einige Stunden bei der Nachbarin unterbringen. Am frühen Nachmittag holte sie Emilia ab und ging direkt mit ihr eine große Runde durch den Park spazieren. Nach fast 2 Stunden waren sie wieder zurück. Hilary's Tochter war während des Spaziergangs eingeschlafen und lag noch im Wagen. So konnte die Mutter kurz entspannen. Dann klingelte ihr Handy. Sie kramte es aus ihrer Hosentasche und sah auf das Display. '1 neue Nachricht' Sie schluckte und öffnete sie. Die Nachricht kam von Kai. Er schrieb, dass er gegen 17 Uhr ankommen würde. Hilary sah auf ihre Armbanduhr. 16:07 Uhr. „Nicht mal mehr eine Stunde!“, rief sie erschrocken. Auf einem Schlag war sie wieder da. Die ungeheure Nervosität vor ihm. Was würde passieren, wenn er ankommt? Würde Kate auch vor der Tür stehen? Hatte sie es herausgefunden? Und wie sollte Hilary dann darauf reagieren? Ein wahres Karussell aus Fragen drehte sich in ihrem Kopf. Die junge Frau malte sich oft das Schlimmste aus. Denn, wenn es so eintreffen würde, wäre es nicht mehr so überraschend für sie. Als es an ihrer Wohnungstür klingelte, unterbrach es schlagartig den Fragenkreis der jungen Mutter. Wer war das nun wieder? Sie hatte doch schon genug Stress, jetzt in der Situation. Hilary ging zur Tür und schaute durch den Spion. Doch konnte sie niemanden entdecken. Sie öffnete die Wohnungstür und lugte nach rechts und links. Ihr Blick blieb auf der linken Seite hängen. An ihm. Da stand er angelehnt an die Flurwand. Ein Bein angewinkelt und ebenfalls gegen die Wand gestützt. Er hatte eine dunkelblaue Jeans an, ein weißes lockeres Hemd und darüber trug er eine beigefarbene Sommerjacke. Sein Gesicht zeigte keine Regung, nur sein Blick war starr und zugleich fordernd auf Hilary gerichtet. „Na endlich. Ich dachte schon du bist nicht da.“ Die brünette stand wie angewurzelt da. „A-a-aber deine Nachricht...Du solltest doch erst in einer Stunde hier sein.“ „Nette Begrüßung. Soll ich vielleicht in einer Stunde nochmal klingeln?“ „Äh nein! Komm rein...“, sie wollte ihm doch keinen Vorwurf machen. Sie wedelte hastig mit ihren Armen, um sich zu entschuldigen. Wortlos trat er in die Wohnung. Auf dem Rücken trug er eine Tasche, die an der Ecke des Flurs landete. Ordentlich wie er war, zog er seine Schuhe aus und stellte sie an die Seite. Kapitel 8: Besuch ----------------- Kapitel 8 ~~~„Nette Begrüßung. Soll ich vielleicht in einer Stunde nochmal klingeln?“ „Äh nein! Komm rein...“, sie wollte ihm doch keinen Vorwurf machen. Sie wedelte hastig mit ihren Armen, um sich zu entschuldigen. Wortlos trat er in die Wohnung. Auf dem Rücken trug er eine Tasche, die an der Ecke des Flurs landete. Ordentlich wie er war, zog er seine Schuhe aus und stellte sie an die Seite.~~~ Sein Blick wanderte durch den Flur. „Ziemliche Bruchbude.“ Hilary schaute beschämt nach unten und antwortete ihm ohne den Kopf zu heben. „Ich hab das beste draus gemacht. So gut es eben ging.“, dabei kratzte sie sich verlegen an der Wange. „Komm hier lang! Das Wohnzimmer ist hier.“, sie huschte an ihrem Besuch vorbei. Ihre Wohnung war nicht sehr groß. Ein langer schmaler Flur von dem links und rechts die einzelnen Zimmer abgingen. Als erstes die Küche auf der rechten Seite, gegenüber das Badezimmer. Am Ende des Flurs auf der rechten Seite war das Wohnzimmer, der größte Raum. Vom ihm ging noch ein weiteres Zimmer ab, dass war ihr Schlafzimmer. Und gegenüber des Wohnzimmers war Emilia's Zimmer. Das war nicht so groß, doch dafür liebevoll eingerichtet, so dass sich ein kleines Kind wohlfühlen würde. Kai folgte ihr wortlos und schaute sich im Wohnzimmer um. Hinter einem langen Vorhang verbarg sie ein Balkon. Sie war froh den Vorhang zu haben, denn sonst würden ihr ständig die neugierigen Nachbarn herein schielen. „Klein aber fein.“ „Es reicht für Emilia und mich.“ „Warum wohnst du nicht mehr bei deinen Eltern? Die haben doch ein großes Haus.“, er zog seine dünne Jacke aus und legte sie über die Lehne der Couch. „Das ging nicht...Meine Eltern wissen nichts von Emilia. Sie hätten mich dann früher oder später eh rausgeworfen.“ „Und seitdem schlägst du dich allein durch?“ „Ja.“ Kai konnte nicht fassen, was sie ihm gerade erzählte. Hilary war eine starke Frau geworden. Kai hatte das immer für selbstverständlich gehalten und dass ihre Eltern sie unterstützen würden. Aber dass sie sich die letzten Jahr alleine durchgebissen hatte, erstaunte ihn. „Das wusste ich nicht.“ „Ist ja auch egal jetzt. Fühl' dich wie Zuhause und sag, wenn du was brauchst.“, sie lächelte ihn freundlich an. So langsam wich ihre Nervosität. „Geht klar.“ „Ich geh mal gucken, ob Emilia schon aufgewacht ist.“, darauf verließ sie das Wohnzimmer. Und ihr Besuch folgte ihr unauffällig. Leise öffnete sie die Tür zu Emilia's Zimmer. Ihr Kinderwagen stand am Fenster, welches Hilary vorher an geklappt hatte. Genau in dem Moment als Hilary in den Wagen schaute, schlug Emilia ihren kleinen Augen auf. „Hallo mein kleiner Engel. Hast du gut geschlafen?“, ihre liebevolle Stimme und ihr lächeln, wiegten ihre Tochter in Sicherheit. Kai blieb derweil auf Abstand und sah sich das ganze aus sicherer Entfernung an. „Schau mal, Emilia. Wir haben Besuch bekommen. Das ist Kai.“, sie hob Emilia aus dem Wagen und zeigte auf ihren Vater. Vielleicht war es besser für die beiden, wenn sie sich langsam kennenlernten. Später konnte Hilary ihr immer noch erzählen, wer Kai wirklich war. Kai hob seine rechte Hand aus der Hosentasche, um ihr ein Winken zu signalisieren. Emilia schaute daraufhin skeptisch in seine Richtung. So genau hatte die kleine Kai noch nicht gesehen. Sie legte den Kopf schief und schaute den blau haarigen in dieser Perspektive an und hob der Kopf wieder in ihre normale Position. Plötzlich zeigte sie auf Kai und schrie freudestrahlend. „Daaaaaaaaaaa!“ „Na, jetzt hast du ihn wohl erkannt, hm?“, Hilary freute sich, dass sie nicht anfing zu weinen. Sie steuerte auf Kai der der sogleich einen Schritt zurück wich. Sie ging an ihm vorbei in die Küche. „Dann wollen wir dir mal eine leckere Mahlzeit zaubern.“ Hilary setzte ihre kleine Tochter in den Hochstuhl, damit sie alles beobachten konnte. Der Hochstuhl war nichts außergewöhnliches. Ein Sitz, davor eine kleine Tischplatte zum Essen und Trinken abstellen und ein kleiner Gurt verhinderte, dass sie nach unten durchrutschen konnte. Auch Kai kam in die Küche. Ohne ein Wort zu sagen, setzte er sich auf die Eckbank. Hilary fühlte sich verfolgt in ihrer eigenen Wohnung, denn sie war es nicht mehr gewohnt jemand anderes mit in der Wohnung zu haben. Seine Tochter schaute sofort neugierig in Kai's Richtung. Sie hielt ihm grinsend einen kleinen Löffel entgegen. Kai sah sie ziemlich überfordert an, denn er hatte noch gar keine Erfahrungen mit Babys gesammelt. Und jetzt hatte er ein eigenes. „Willst du einen Tee?“, Hilary drehte sich kurz vom Herd weg, als sie erkannte in welcher misslichen Lage er war. Sie lächelte und gab ihm den Hinweis, den Löffel zu nehmen. „Achso.“ Jetzt nahm er ihr endlich den Löffel aus der Hand, denn sie umgehend los ließ. Sie hielt den zweiten in ihrer anderen Hand fest und fuchtelte jetzt damit hoch und runter. Und sie hatte Spaß daran. Hilary fragte Kai nochmal. „Was ist nun? Willst du einen Tee oder etwas anderes?“, sie hatte immer noch keine Antwort bekommen. „...hast du Kaffee?“ „Klar, ich mach dir einen.“ „Hm.“, gedankenversunken begann er mit dem silbernen Löffel auf den Tisch zu klopfen. Ganz leise und kaum hörbar. Er drehte ihn hin und her und betrachtete ihn. Was Kai wohl dachte? Hilary würde zu gerne in seinen Kopf schauen. Aber daraus wurde nichts. Sie füllte die kleine Mahlzeit in eine Schüssel zum Auskühlen. In der Zeit kochte sie einen Kaffee für Kai und sich selbst einen grünen Tee. Sie stellte die zwei Tassen auf den Tisch. Dann Emilia's Schälchen. Emilia wusste, dass sie jetzt Essen bekam. Einfach ließ sie ihren Löffel los, der klirrend zu Boden fiel. Kai schreckte kurz zusammen. Hilary fütterte Emilia, die gierig ihren Brei aß. Sie konnte nicht genug bekommen. Aus dem Augenwinkel sah sie ihn an. „Du...bist so abwesend. Ist irgendwas passiert?“ Er schüttelte nur den Kopf. „Ok...“, die brünette hakte nicht weiter nach, als es aus ihm heraussprudelte. „Ach verdammt...Die Woche war verdammt anstrengend, Kate nervt mich auch die ganze Zeit und dann das hier...dass ist grad ziemlich viel auf einmal.“ Endlich rückte er mit der Sprache heraus. Jetzt hatten die beiden wenigstens eine Gesprächsgrundlage. Verlegen sah Hilary auf die leere Breischale. „Ich wollte nicht dass du es so erfährst...“ Kai hingegen seufzte nur laut. „Das mit 'eine Familie gründen' hatte ich mir anders vorgestellt. Aber wenn ich das Endergebnis so betrachte, ist sie doch gut geworden.“ „Bitte, was? Das soll doch wohl ein Scherz sein! Emilia ist das beste und schönste Baby der ganzen Welt!“ „Muss wohl an den Genen liegen.“, scherzte er. Hilary warf ihm einen bösen Blick zu. „Das könnte man jetzt ausdiskutieren, aber nicht hier vor Emilia. Ich werde sie ins Bett bringen. Es ist schon nach 18 Uhr.“ Dann vertagen wir dass eben auf später.“ „Gut.“, erwiderte Hilary nur beiläufig und nahm Emilia auf den Arm. Sie verließ die Küche und verschwand für ungefähr 30 Minuten in dem Zimmer ihrer Tochter. Kai blieb in der Küche und rührte in seinem Kaffee herum. Er sah sich in der Küche um. Hier waren auch alle Möbelstücke bunt zusammengewürfelt. Die Küchenzeile war vom Vormieter. Es gab einen kleinen Esstisch, dazu die Eckbank und zwei Stühle. Einer der Stühle stand unter dem Fenster, da Emilia's Hochstuhl den Platz am Tisch einnahm. Ein paar Regale und Hängeschränke gab es auch. Aber diese sahen eher aus wie aus einem Supermarkt. Trotz der verschiedenen Möbel, war es gemütlich in dem Raum. Genau wie die anderen Zimmer, strahlte jedes für sich eine andere Gemütlichkeit aus. Kai verließ die Küche und steuerte auf das Wohnzimmer zu. Ins Bad war er nicht gegangen. Da hatte er nichts zu bestaunen. Es wäre ja nur ein typisches 'Frauenbadezimmer'. Während die braunhaarige weiter bei Emilia im Zimmer war, drehte Kai auf halber Strecke um und holte seinen Rucksack aus dem Flur. Den nahm er mit ins Wohnzimmer. Dort kramte er einen Moment und zog eine kleine Schachtel hervor. Mit dieser ging er nach draußen. Einige Zeit später kam Hilary leise aus Emilia's Zimmer. Sie schlief bereits in ihrem Bettchen. Leise schloss sie die Tür. Es war ein anstrengender Tag für die kleine. Das konnte man sich gar nicht vorstellen, dass so ein kleines Wesen vom Essen und Spielen so fertig war. Sie schlich in die Küche, doch Kai fand sie nicht mehr. Also schlich sie zurück ins Wohnzimmer. Hier war er auch nicht. Unruhe stieg in ihr auf. War er wieder gegangen? Kapitel 9: Vorschlag -------------------- Kapitel 9 ~~~War er wieder gegangen?~~~ Das wäre nicht das erste Mal, dass er die junge Frau einfach so verlassen würde. Hilary wollte sich aber selbst überzeugen. Leise reif sie in die Wohnung. „Kai?“, und wartete auf eine Antwort. Nichts. „Wo ist er denn...Kai?, sie rief seinen Namen etwas lauter, als sie Schritte auf dem Balkon hörte. Dann öffnete sich diese. „Ich bin draußen. Es ist noch ganz angenehm und...ich gehe noch einem Laster nach.“ Der brünetten fiel ein Stein vom Herzen. Er war also nicht gegangen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Ein Glück. „Warte, ich komm mit nach draußen.“ Kai drehte sich um, und lehnte sich mit dem Rücken an das Geländer. Hilary kam auf ihn zu und stützte die Arme auf die Halterung. „Es ist echt angenehm.“ Draußen hatte es sich mittlerweile abgekühlt und es war nicht mehr so brütend heiß wie am Tag. Der aufgekommene Wind kühlte es noch weiter ab. Vielleicht würde es noch regnen. Die Sonne versteckte sich immer mehr hinter den vorbeiziehenden Wolken und ließ diese in einem zarten rot-rosa scheinen. Sie blickte in die Ferne. „Schläft Emilia?“ „Ja, sie war todmüde. Kaum lag sie im Bett, hat sie schon geschlummert. Sie ist total pflegeleicht.“ „Na immerhin.“ Der blau haarige zog ein weiteres mal die kleine Schachtel aus seiner Hosentasche. Er schob den Deckel auf und nahm eine Zigarette heraus. Aus der anderen Tasche holte er sein Feuerzeug. Lässig steckte er sich die Zigarette in den Mund und zündete sie an. Er nahm einen tiefen Zug, hielt ihn kurz inne und atmete langsam aus. „Hör mal. Kate darf hiervon absolut nichts erfahren, klar?“ „Äh, ja klar, das habe ich dir doch versprochen.“ Sein verbissener Gesichtsausdruck wurde entspannter. Jetzt sah er erleichtert aus und nahm noch einen Zug von seiner Zigarette. Kai drehte sich zu Hilary herum und als er gerade einen Satz beginnen wollte, klingelte sein Handy. Genervt zog er es aus seiner Tasche und schaute auf das blinkende Display. „Kate...“ Hilary sah gespannt zu ihm. Er hingegen blieb einfach ruhig und ließ das Handy einfach weiter klingeln. Irritiert schaute sie ihn an. „Willst du nicht dran gehen?“ „Nein.“, war seine knappe Antwort auf ihre Frage. „Wenn ich jetzt mit ihr spreche, dann macht sie mir die Hölle heiß. Dieses Weib ist unberechenbar.“ Die braunhaarige Frau musste unweigerlich lachen. Kai schien großen Respekt vor ihr zu haben. Im gleichen Augenblick verstummte das Lachen auch schon wieder, als sie Kai's Augen sah. „Weiß sie denn wo du bist?“ „Nein! Und das wird auch so bleiben! Sie hätte mich mit allen Mitteln davon abgehalten.“ „Irgendwie macht sie mir Angst.“ „Du musst nur wissen wie du sie nehmen musst.“ Dass meinte er so, wie er es sprach. Er tat einen letzten Zug an der Zigarette und warf sie dann vom Balkon. Er drehte seinen Kopf zu ihr und sah ihr in die Augen. Dabei fiel der jungen Frau auf, wie sehr Emilia nach ihm kam. Sie hatte die gleichen ausdrucksstarken Augen wie er. Und charakterlich nahmen sie sich auch nicht all zu viel. „Was ist?“ „Äh nichts. Sorry...“ Hilary wich seinem Blick aus. „Ich geh wieder rein. Kannst ja mitkommen.“ „Ja...“, sie folgte ihm rasch ins Wohnzimmer und schloss hinter sich die Tür nach draußen. Kai setzte sich entspannt auf das Ecksofa. Hilary holte aus der Küche einige Getränke. Diese stellte sie auf einen Schrank neben der Zimmertür. Sie goss ihm ein Glas Früchtesaft ein ohne ihn anzuschauen. „Jetzt mal Klartext.“ Hilary fuhr zusammen. Ihr Blick war auf ihn gerichtet, als er weiter sprach. „Ich will zu meinem Handeln stehen und dich und Emilia unterstütze. Sei es materiell oder finanziell.“ Hilary stellte den Saft auf den Tisch und setzte sich zu ihm auf die Couch. Gerade als sie ihm etwas erwidern wollte, kam er ihr dazwischen. „Nein, du wirst meine Unterstützung nicht ablehnen. Ich kenne dich, du willst das zwar allein meistern, aber das wird auf kurz oder lang nichts. Also sei nicht so närrisch.“ „Du bist doch nicht anders.“, entgegnete sie ihm frech. „Das hat damit nichts zu tun. Hier-“, er griff in seiner hintere Hosentasche und zog sein Portemonnaie heraus. „Nein! Ich will kein Geld von dir!“ „Das ist auch nicht für dich, sondern für Emilia.“, er zog eine silberne Plastikkarte heraus und legte sie auf den Tisch. „Ich überweise monatlich Geld, damit du für Emilia das nötigste besorgen kannst. Es sollte euch damit nicht mehr so schlecht gehen wie jetzt.“ „Soll das ein Witz sein? Ich will das nicht!“, Hilary schrie ihn wutentbrannt an, da sie seine Hilfe nicht wollte. Wo war er nachdem sie miteinander geschlafen hatten? Er war einfach abgehauen und hatte ihr diesen Brief zurück gelassen. Er sagte kein Wort, er verabschiedete sich nicht von ihr, rief nicht an und fragte nicht mal wie es ihr ging. Die Nacht bedeutete ihm rein gar nichts. Und jetzt wo er wusste, dass er eine Tochter hatte, der Sinneswandel? Hilary kochte innerlich. „Ich will darüber nicht mehr sprechen! Lass es gut sein!“, sie nahm die Karte von Tisch herunter und drückte ihm diese in die Hand. Beleidigt drehte sie sich zum Fernseher und schaltete ihn ein. Wortlos nahm Kai die Karte zurück. Er steckte sie in die Geldbörse und seufzte hörbar. Dann lehnte er sich an die Kissen, legte die Arme auf die Lehne und sah ebenfalls zum Fernseher. Hilary zappte wild durch die Kanäle, aber keiner der Filme konnte sie auf andere Gedanken bringen. Die beiden saßen eine ganze Weile schweigend im Raum, als Kai's Handy wieder klingelte. Sein Blick sprach Bände, als er sah welcher Name auf der Bildschirm stand. Genervt davon, drückte er auf den grünen Hörer und begann das Gespräch. „Hm? Was ist denn?“, fing er genervt an zu sprechen. Hilary konnte allerdings nicht verstehen was Kate sagte, denn sie sprach in russisch mit ihm. Er jedoch antwortete auf japanisch. „Ich hab dir gesagt, dass ich auf einem Außentermin bin. Ich werde Sonntag vielleicht wieder da sein, wenn alles gut geht.“ Wieder herrschte einen Moment Stille, bevor er wieder antwortete. „Nein, ich kann nicht einfach mal so zu dir kommen! Wir sehen uns am Sonntag.“ „Piep.“ Damit war sein Gespräch mit Kate beendet. Die brünette schaute ihn von der Seite an. Als Kai ihren Blick bemerkte, sagte er im entnervten Ton: „Diese Frau ist echt anstrengend...“ „Tja, so ist das, wenn man eine Beziehung führt. Ich kann tun und lassen was ich will und brauche mich keinem zu rechtfertigen.“, Kai stimmte ihr nickend zu. Dann sahen beide wieder auf das TV-Gerät. Hilary zappte noch durch die Programme, aber es lief noch nichts besseres. Sie streckte sich und massierte sich den Nacken. „Ich geh ins Bett. Hier hab ich dir Bettzeug hingelegt, das brauchst du nur auf das Sofa legen. Es ist frisch gewaschen.“ „Hm. Ok.“ „Gute Nacht.“ Danach verließ Hilary das Wohnzimmer und ging direkt in ihr Schlafzimmer. Kai blieb noch eine Weile sitzen und schaute etwas im Fernseher. Als die Sendung vorbei war, legte er sich auf die Couch und ging seinen Gedanken nach, bis er einschlief. Hilary empfand es seltsam mit Kai in einer Wohnung zu schlafen, aber es gab ihr ein kleines bisschen Sicherheit. Kapitel 10: Shopping -------------------- Kapitel 10 Nachdem sich beide schlafen gelegt hatte, verstummte auch das letzte Geräusch in den Zimmern. Dunkelheit herrschte in den Räumen, nur der Mond leuchtete schwach durch die Fenster und warf einen zarten Lichtschimmer auf die Möbel. Das leise gleichmäßige Atmen war zu hören und immer wenn sich einer drehte, hörte man es kurz rascheln. Irgendwann in der Nacht musste Hilary aufstehen, da Emilia wach wurde. Die junge Frau öffnete leise die Tür zum Wohnzimmer in dem Kai schlief. Er lag ruhig da und hatte die Decke bis an sein Kinn gezogen. Durch das Mondlicht, konnte sie die Umrisse von ihm erkennen, und sein gleichmäßiges Atmen verriet, dass er tief und fest schlief. Also huschte sie auf Zehenspitzen an ihm vorbei um zu Emilia zu gelangen. Dort angekommen, stellte sie ein kleines Nachtlicht an. Sie blieb an ihrem Bettchen sitzen und streichelte eine ganze Weile ihre Hand. Beruhigt von ihrer Mutter, schlief sie schließlich wieder ein. Hilary ging in ihr Zimmer zurück, an Kai vorbei, der sich gerade umdrehte. Sie schloss ihre Tür und legte sich ins Bett. „Toll...jetzt bin ich wach...“, murmelte sie vor sich hin und tastete nach ihrem Handy. Es war 03:34 Uhr. Das zeigte ihr das grell leuchtende Display an. Genervt drehte sich sich auf den Rücken, als Emilia wieder anfing zu weinen. Also wieder aus dem Bett, an Kai vorbei und zu Emilia. Dieses Mal war es ganz klar Hunger. In der Küche stellte sie den Wasserkocher an und bereitete die Flasche vor. Das Klicken signalisierte, dass das Wasser gekocht war. Vorsichtig nahm sie den Behälter und füllte das heiße Wasser ein. Zu guter Letzt das Pulver und Emilia konnte gefüttert werden. Mit schnellem Schritt war sie bei ihrer Tochter und hob sie aus dem Bettchen. In dem Kinderzimmer stand ein bequemer Stuhl, wo sie sich setzte und die Flasche gab. Zufrieden leerte Emilia sie und als das erledigt war, legte Hilary die kleine wieder in ihr Bett. Ihr Handy zeigte jetzt 03:57 Uhr an. Hilary legte sich auch wieder hin und schloss die Augen. Keine 10 Minuten später fing ihr Kind wieder an zu weinen. So verbrachte sie die restliche Nacht pendelnd zwischen ihrem und Emilia's Bett... Am nächsten Morgen: Hilary hatte es aufgegeben zu schlafen. Die ersten Sonnenstrahlen kamen hervor und erhellten die Küche in der die braunhaarige seit einer Stunde saß. Müde blätterte sie in einer der Klatschzeitungen, die auf dem Tisch lagen. Ihren Kopf stützte sie mit den Händen ab, da dieser immer schwerer wurde. Komplett übermüdet schlief sie über der Zeitung ein. Es vergingen noch gute zwei Stunden, bis Hilary durch ein Türschloss geweckt wurde. Sie schreckte hoch und sah in den Flur. Mittlerweile war die Sonne aufgegangen und alles war taghell erleuchtet. Durch das milchige Glas an der Badezimmertür erkannte sie eine verschwommene Silhouette. Das musste Kai sein. Kurz hielt sie inne und horchte nach ihrer Tochter. Emilia gab keinen Laut von sich, worauf Hilary Frühstück vorbereitete. Als Kai das Bad verließ, war er bereits angezogen und geduscht. „Morgen.“, rief er ihr zu. „Guten Morgen, hast du Hunger?“ Er trat in die Küche und setzte sich an den schon gedeckten Tisch. In Ruhe frühstückten die beiden. Es hetzte sie ja keiner. Nach dem Frühstück ging Kai auf den Balkon um eine zu rauchen. Hilary räumte den Tisch noch ab und machte Ordnung in der Küche. Dann zog sie sich erstmal etwas über. Sie lief die ganze Zeit über nur in einem Top und Shorts herum. Nichts aufreizendes, einfach kurze Klamotten. Darauf folgte die morgendliche Wäsche. Kai kam währenddessen von draußen wieder herein. Als Hilary ins Wohnzimmer kam, legte er das Bettzeug zusammengefaltet neben die Couch. „Was machen wir heute? Hast du eine Idee?“ Angesprochene überlegte einen Moment. „Wir könnten mit der Bahn in die Innenstadt fahren.“ „Wir könnten auch mit meinem Auto in die nächste Stadt fahren.“, korrigierte er Hilary's Vorschlag. Verwundert sah sie ihn an und erwiderte: „Das wird leider nichts, da ich keinen Autositz für Emilia habe.“ „Dann besorgen wir eben einen. Ist doch nicht das Problem.“ Ihre Verwunderung änderte sich in staunen. „Ist das dein Ernst?“ „Klar. So teuer werden die Dinger ja nicht sein.“, er packte seine Zigaretten in die Hosentasche und sah Hilary, wissend darüber, an. Hilary winkte ab, denn sie wusste wie teuer diese 'Dinger' wirklich waren, denn sie hatte sich mal kundig gemacht. „Na gut ich werde Emilia anziehen und füttern, dann können wir los.“, die braunhaarige verschwand aus dem Zimmer und suchte etwas hübsches zum Anziehen. Nach einer Weile kam sie zusammen mit Emilia heraus. Für einen Moment legte sie die kleine in die Stube auf den Teppich, damit sie das Drehen weiter üben konnte. Derweil machte Hilary die Flasche. Kai blieb die Zeit über bei seiner Tochter. Er beobachtete sie vom Sofa aus. So ganz geheuer war sie ihm noch nicht. Emilia dagegen fand ihren Papa sehr interessant. Sie schielte immer wieder in seine Richtung und versuchte Blickkontakt mit ihm aufzubauen. Da kam schon Hilary zum Füttern. Danach ging es schon los. Hilary zog sich und Emilia eine dünne Jacke an, nur Kai blieb in seinem T-Shirt und zog nichts über. Es war schon am Vormittag warm, aber das konnte sich schnell ändern. Eine Mütze für ihre Tochter nahm sie trotzdem mit. Und den Kinderwagen. Sie konnte ihre Tochter nicht den ganzen Tag durch die Gegend tragen. Sie nahmen alle Utensilien mit nach unten und standen nun an Kai's Wagen, den er bereits aufschloss. „Und jetzt? Emilia hat immer noch keinen Sitz. Also können wir nicht mit dem Auto fahren.“, bemerkte sie ein weiteres Mal. Kai verdrehte nur die Augen. „Gibt's denn hier kein Geschäft in dem man einen Sitz holen kann?“, fragte er sie ungeduldig. Hilary dachte kurz nach. „Doch, zwei Straßen weiter, hat ein Laden eröffnet. Da war ich schon mal.“ Gesagt,getan. Sie machten sich auf den Weg zum besagten Geschäft. Und tatsächlich, dort gab es verschiedenste Kindersitze. Kai ging voraus und hielt die Tür auf damit auch Hilary mit dem Kinderwagen hereinfahren konnte. „Guten Tag.“, begrüßte sie eine freundliche Mitarbeiterin des Geschäfts. „Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ „Äh...also...wir-“ „Wir suchen einen Kindersitz für das Baby.“, fiel Kai ihr ins Wort und zeigte auf Emilia. Die Verkäuferin schaute neugierig in den Wagen. Sie fragte nach dem Alter und was sie sich für ein Modell vorstellten. Die Verkäuferin führte die Eltern zu den Babyschalen, wo es mindestens 20 verschiedene Typen zur Auswahl gab. Überfordert schaute sich Kai um, und sah dann Hilary an. „Und? Welche willst du nehmen?“ Hilary ließ ihren Blick durch den Raum schweifen. Ihrer Meinung nach sahen alle Sitze wunderschön aus. Unentschlossen schob sie den Kinderwagen durch die Reihen. Dann blieb sie vor einem Sitz stehen. „Der hier gefällt mir.“, die Babyschale hatte eine lindgrüne Färbung. Ein kleines Muster aus Punkten war darauf gedruckt. Bevor Kai bei ihr ankam, schaute sie vorsichtshalber auf den Preis, um im Notfall eine andere auszusuchen. Als sie den Preis sah fielen ihr fast die Augen heraus. „Ähhh! Ich glaube der Sitz sieht viel schöner aus!“, Hilary rannte zu einem gelben Sitz. Kai schlenderte zu der grünen Schale. „Sieht doch ganz gut aus.“, ohne auf den Preis zu sehen, winkte er die Verkäuferin zu sich. „Die nehmen wir.“ „Was???“, von dem anderen Ende des Ganges schrie Hilary durch den Verkaufsraum. „Das ist doch viel zu teuer!!“ Entsetzt sah die junge Verkäuferin sie nun an. Kai blieb gelassen. „Schon in Ordnung. Die hier nehmen wir.“ Starr wie eine Säule stand Hilary zwischen den Regalen. Dieser Sitz war sicher kein billiges Modell. Die Verarbeitung war sehr hochwertig und der Preis gerechtfertigt. Die Verkäuferin hängte den Sitz ab und nahm ihn mit zur Kasse. Kai folgte ihr, nur Hilary schlappte peinlich berührt hinter den beiden her. Es piepste kurz an der Kasse, dann zog Kai seine Geldbörse und die silberne Karte zum Bezahlen. Sichtlich erleichtert bedankte sich die Verkäuferin, während Kai die Babyschale an sich nahm. Er ging zum Ausgang wo er Hilary einen Blick zu warf, dass sie ihm folgen sollte. Das tat sie auch sofort. „Danke schön...“, sagte sie bei ihm angekommen. Er nickte nur stumm und sie liefen zurück zum Auto. Kai schloss seinen Wagen erneut auf und stellte die Babyschale auf den Rücksitz. „Die muss andersrum, warte.“, Hilary schob ihn an die Seite. Der blau haarige wich zurück, damit sie den Sitz richtig befestigen konnte. Sie setzte Emilia hinein und die fühlte sich gleich wohl darin. Neugierig schaute sie sich im Auto um. Dann stiegen auch ihre Eltern ins Auto und zusammen fuhren sie in die nächste Stadt. Während der Fahrt schaute Hilary aus dem Fenster. Sie brauchte sich keine Sorgen um Emilia zu machen, denn sie schlief wie ein Stein nach nicht mal 10 Minuten Fahrt ein. Ihre Augen wanderten zu Kai. Sie beobachtete ihn beim Fahren. Lässig und konzentriert, den Blick immer auf der Straße. Er bemerkte sie und schaute kurz zu ihr. „Was ist?“ „Ich überlege gerade...“ „Hm?“ „Naja...du willst mir diese Karte für Emilia geben auf der du Geld einzahlen willst...Warum gibst du nicht lieber Kate eine? Ich meine, ihr seid zusammen und...naja...“ „Sie hat eine. Leider. Irgendwie hat sie es damals geschafft mir eine Karte aus dem Kreuz zu leiern.“, er griff in seine Ablage, wo eine Packung Zigaretten lag. „Nicht im Auto, bitte...“ Kai ließ die Packung in der Ablage und sprach weiter. „Und wie Frauen so sind, verprasst sie das ganze Geld.“ „Oh...“ „Was erwarte ich auch von einer reichen, verwöhnten Göre, die nie auf Geld achten musste. Bei dir ist die Kreditkarte besser aufgehoben. Deshalb.“ „Aber Kate wird das mitbekommen. Und wenn sie herausfindet wem du sie gegeben hast, wird sie mich in Grund und Boden rammen...“, Hilary hatte große Bedenken bei Kai's Vorhaben. Kate machte ihr gewaltige Angst. Sie ging schon mit Kai um wie sie wollte, da würde sie gar nicht wissen wollen, wie sie mit anderen Frauen umgeht. Kai hingegen sah weiter auf die Straße und grinste. „Mach dir darüber keine Sorgen. Ich wollte ihr die Kreditkarte schon vor einiger Zeit sperren lassen. Nur die Arbeit hat mir keine Zeit dafür gelassen.“ Hilary verstand ihn. Sie hätte sicher nicht anders gehandelt. Nach einer Weile Autofahrt hielt Kai an. Er parkte am Straßenrand ein. Seine Beifahrerin schaute die Läden der Straße an und musste feststellen, dass es Nobelläden waren. Verdutzt schaute sie zu dem blau haarigen. „Wir sind da.“, sagte er und öffnete die Tür zum Aussteigen. Hilary warf noch ein paar neugierige Blicke zu beiden Seiten der Einkaufsmeile. Sie nahm einen tiefen Atemzug und stieg mutig aus. Emilia legte sie von der Babyschale in den Wagen in dem sie weiter schlief. Kai winkte ihr zu, als sie mit dem Wagen hinterher kam, betraten sie einen Kinderladen. Es gab vornehme Kleidung für Babys bis hin zum Jugendlichen. Wieder wurden sie freundlich von einem Mitarbeiter begrüßt. Kai winkte sofort ab und er kümmerte sich weiter um die Sachen die er zu tun hatte. „Schau dich um und nimm was dir gefällt.“ „Aber-“ „Es ist für Emilia nicht für dich.“, so erstickte er die aufkommende Diskussion im Keim. Mucksmäuschenstill ging sie durch die Gänge und schaute sich um. Kai blieb derweil im Eingangsbereich stehen. Sie entdeckte einige schöne Kleider, aber die Preise hielten sie ab es mitzunehmen. Kurz vorm Aufgeben stachen ihr 3 hübsche Kleidchen ins Auge. Die waren heruntergesetzt. Zurück bei Kai, zeigte sie ihm die drei Teile. Unbeeindruckt von den niedlichen Kleidchen gingen sie zur Kasse, wo er wieder bezahlte. Danach besuchten sie noch einige Geschäfte bevor sie am Nachmittag wieder nach Hause fuhren. Dass hieß für Hilary, zurück in die Bruchbude. Kapitel 11: Unsicherheit ------------------------ Kapitel 11 Zurück an dem Wohnblock von Hilary, stand ein älterer, dicklicher Mann vor dem Eingang und wartete scheinbar auf jemanden. Er sah ungepflegt aus und in seinem Gesicht wuchs der Bart wie er wollte. Die junge Familie ging an ihm vorbei, als er Hilary dreckig angrinste. „Na Schätzchen? Willst du heute mal mit zu mir kommen?“ Hilary wurde schlagartig bleich um die Nase und bekam weiche Knie. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch antwortete sie ihm. „Lassen Sie mich in Ruhe!“, sie klang eingeschüchtert. Doch das hielt den älteren Mann nicht davon ab weiter nach zu haken. Kai beobachtete ungeduldig die Situation. „Komm schon Schätzchen, du willst es doch auch! Ich kann für dich sorgen!“, er packte sie am Arm, als sie weitergehen wollte und zog sie so zurück. Jetzt erkannte sie diesen ungepflegten Kerl. Er wohnte zwei Etagen über ihr. Immer wenn er sie sah, ließ er einen anstößigen Kommentar los, denn er wusste, dass sie alleinstehend war. Starr vor Schreck, bewegte sie sich keinen Zentimeter. „Hast du nicht gehört was sie gesagt hat?! Nimm deine dreckigen Finger von ihr!“, jetzt ging es mit Kai durch. Er ging sofort dazwischen, denn er sah, dass Hilary komplett überfordert mit der Situation war. Seine Hand griff an das Hemd des Mannes und formte dabei eine Faust. Daraufhin löste er seine Hand von Hilary. Beschwichtigend hob er seine Arme und grinste. Kai's Blick verfinsterte sich immer weiter. Er kam dem Kerl ganz nah und flüsterte ihm grimmig ins Gesicht. „Lass deine Finger wo sie sind, oder ich brech sie dir.“, darauf lockerte er seinen Griff und ging mit Hilary ins Gebäude. „Macht der Typ das öfter?“ Hilary nickte stumm. „Dreckschwein...“, immer noch unter Spannung biss er auf seiner Unterlippe herum. Die junge Frau betrat erleichtert ihre Wohnung und verschloss sofort die Haustür. Genervt steuerte Kai ins Wohnzimmer, dann klappte eine Tür. Er musste eine Rauschen um sich wieder zu beruhigen. Hilary atmete auch ein paar Mal tief ein und aus, dann zog sie Emilia aus und gab ihr Brei. Als sie ins Wohnzimmer kam, stand der blau-haarige noch draußen. Sie setzte sich mit Emilia auf die Couch und kuschelte mit ihr. Für sie war es nicht einfach, so viele Eindrücke wie auf sie einwirkten. Emilia schloss entspannt ihre kleinen Augen, während ihre Mutter sanft ihren Rücken streichelte. Unbemerkt kam Kai wieder ins Zimmer und setzte sich ebenfalls auf das Sofa. Er schaltete den Fernseher an. „War ziemlich anstrengend, was?“ „Ja. Aber auch sehr schön...Danke für die ganzen Sachen.“ „Kein Problem.“, er streckte seine Arme nach oben und gähnte ausgiebig. „Bist du müde?“ „Hm? Du bist die halbe Nacht durch die Bude gerannt.“ „Du hast das mitbekommen??“ „Jeden einzelnen Schritt.“ „Oh nein...Das tut mir schrecklich leid! Ich dachte du schläfst.“ „Ich hab es versucht.“ Beschämt schaute Hilary nach unten. „Wenn du willst, kannst du in meinem Zimmer schlafen und ich leg mich auf die Couch. Da hast du mehr Ruhe.“ „Passt schon. Ich gewöhn' mich noch dran.“ Was sollte das nun wieder heißen? Hatte er vor Hilary öfter zu besuchen? Sie sah ihn nicht weiter an, sondern schmiegte ihren Kopf an den ihrer Tochter. So verging der Nachmittag und der Abend brach an. Hilary badete Emilia, dann bekam sie Abendbrot und verschwand dann mit ihr im Kinderzimmer. Kai lief in die Küche. Als Emilia schlief schlich Hilary leise heraus und ging zu Kai. Im Flur roch es gut. Er schien zu kochen. In der Küche war bereits der Tisch gedeckt und das Essen, welches sie im Flur gerochen hatte, stand bereit. „Ich hab gekocht.“ Lächelnd setzte sie sich und sie aßen zu Abend. Später schauten sie noch einen Film, den beide interessant fanden. Schweigend und den Film verfolgend saßen sie auf dem Sofa, als ein Klingeln die Stille durchbrach. Es war Kai's Handy. Ein lautes Schnaufen ertönte von ihm. „Wer stört?“, giftete er in den Hörer. Am anderen Ende konnte Hilary Kate's Stimme erkennen. Sie hatte keine gute Laune. „Kai! Du MUSST dringend nach meiner Kreditkarte schauen! Ich war heute shoppen mit einer Freundin und meine Karte funktionierte nicht mehr! Dass passiert in letzter Zeit immer öfter! Das Ding muss kaputt sein! Machst du das jetzt?!“ „Ich kümmer mich darum.“, sagte er ihr. „Aber nicht morgen! Es ist wichtig! Ich brauche diese Klamotten unbedingt!!“ „Ich werd das regeln. Vielleicht ist die Karte wirklich kaputt. Bis morgen dann.“ „WARTE! Mach das h-piep“ Entnervt legte er das Handy an die Seite. Kate konnte wie ein Wasserfall reden, ohne Punkt und Komma. Dass konnte man ihm ansehen, als er telefonierte. Er schaute zu Hilary. „Ihr Karte ist nicht kaputt. Ihr Guthaben ist einfach aufgebraucht. Und ich sehe nicht mehr ein, dass sie mein Geld zum Fenster raus schmeißt.“ Hilary schaute ihn erstaunt an. Er war eiskalt zu seiner Freundin. „Noch ein Grund mehr, dir diese Karte zu überlassen.“, er fuhr sich mit den Händen durch die Haare und massierte seine Schläfen. Hilary verstand langsam. Kate war das krasse Gegenteil von ihr. Sie war reich und Hilary dachte zweimal darüber nach, ob sie etwas kaufte oder nicht. „Hilary. Ich möchte, dass du die Kreditkarte annimmst. Tu es für Emilia.“, er rückte ein Stück näher zu ihr, um ihr die Karte direkt in die Hand zu geben. Hilary hatte aber immer noch Bedenken. „Ich weiß nicht ob das richtig ist...“ „Hilary.“ Sie sah das Plastikstück an. Sie stand im Konflikt mit sich selbst. Sie konnte seine Hilfe nicht annehmen. Andererseits, ist er Emilia's Vater und er hatte somit auch Verpflichtungen. „Kai...Ich...“, die brünette drehte ihren Kopf zu ihm herum. Ihre Gesichter trennten nur noch wenige Zentimeter voneinander. Hilary schlug das Herz bis zum Hals und sie hoffte, er würde es nicht hören. Die beiden sahen sich regungslos in die Augen. Hilary schluckte schwer, aber hielt den Blick zu ihm aufrecht. Ihr Gegenüber hob seine linke Hand, legte sie auf ihre Wange und ehe sie sich versah, berührten sich ihre Lippen. Die Augen der braunhaarigen weiteten sich, überwältigt von dem Moment. Sie genoss die ihr bekannte Nähe, doch als sie wieder zu sinnen kam, stieß sie ihn von sich. Ihr Blick, ausdruckslos auf Kai gerichtet. Der Atem unruhig. „Was...soll das...“, sie stockte zwischen den Wörtern, da ihr vor Aufregung das Atmen noch schwer fiel. Kai atmete dagegen so ruhig wie immer. „Sorry...“, sagte er beiläufig und rutschte darauf ein Stück nach hinten. In Hilary's Kopf herrschte leere. Sie starrte das Fernsehgerät an, aber was die Menschen darin erzählten oder was dort geschah, realisierte sie nicht. In ihrem Kopf wiederholte sich die Szene von eben. Sie zog sie Beine dicht an ihren Körper und entspannte sich nach und nach wieder. Im Moment fühlte sie sich so am wohlsten. Als ihre Aufregung verflogen war, lenkte sie sich mit fernsehen ab. Konzentriert auf den Film merkte sie nicht, dass die Müdigkeit sie langsam überwältigte. Und so schlief sie nach einer schlaflosen Nacht und einem anstrengendem Tag tief und fest auf dem Sofa ein. Kapitel 12: Sonntag ------------------- Kapitel 12 Am nächsten Morgen wachte Hilary in ihrem Bett auf. Sie war sich sicher, zuletzt auf der Couch gesessen zu haben. Doch wie ins Bett kam, daran erinnerte sie sich nicht. Sie lag auf der rechten Seite und drehte sich verschlafen auf die andere Seite. Ihre Beine angewinkelt, zog sie die Decke näher zu sich. Doch auf der anderen Hälfte regte sich Gegenwehr. Hilary schlug unverzüglich die Augen auf. Ein lauter Schrei hallte durch die Wohnung, als sie sah wer da neben ihr lag. „Was machst DU hier?!“, entsetzt sah sie den blau haarigen Mann an, der vom Gekreische aufgeweckt wurde. „Brüll nicht so rum...ich will schlafen...“, murmelte er und zog die Decke zurück zu sich. Immer noch unter Schock, versuchte sie sich an den gestrigen Abend zu erinnern. Dann merkte sie auch noch, dass sie nur Unterwäsche trug. Hatte sie etwa mit ihm geschlafen? Er hatte sie geküsst aber das? Stumm schaute sie auf Kai. Er lag entspannt auf dem Kissen. Eine Hand darunter versteckt und leicht auf den Bauch gedreht. Hilary sah, dass er ebenfalls keine Kleidung an hatte. Ob er ohne Shorts da lag, wusste sie nicht. Panisch sah sie an sich herab, aber konnte nicht ungewöhnliches an sich feststellen. Sie wand sich zu Kai. „Was machst du in meinem Bett?“, fragte sie ihn etwas verunsichert. Es raschelte kurz, als Kai sich auf den Rücken drehte. „Schlafen.“ „Kai!“, verzweifelt sagte sie seinen Namen. „Bleib locker. Wäre doch nicht das erste Mal.“, entgegnete er verschlafen seiner Bettnachbarin. „Was?! Aber das kann NICHT sein!!“ Unmöglich. Hilary konnte nichts mit ihm gehabt haben. Sie war sich sicher. Und als Kai die Bettdecke aufschlug, sah sie, dass er Shorts trug. Zum Glück. Kai hingegen ließ Hilary im Ungewissen. Er stand auf, denn er hatte ein Ziel: das Bad. „Ich geh duschen.“ „Aber-“, sie hörte nur noch die Tür ins Schloss fallen. Die junge Frau ließ sich zurück ins Bett fallen, ihre Arme breitete sie über das Bett aus. Sie bemerkte, dass der Platz an dem Kai lag, noch warm war und es roch sogar noch nach seinem Parfüm. Hilary sog den Duft in sich auf. Schon damals mochte sie diesem Geruch. Und er benutzte ihn immer noch. Etwas wehleidig sah sie an den Platz und stieg dann aus dem Bett. Sie kramte ein Shirt und eine kurze Hose aus dem Schrank und zog sich an. Die braunhaarige betrat die Wohnstube, als Kai dazukam. Er trocknete seine Haar mit einem kleinen Handtuch. Ein großes Handtuch hatte er provokant knapp um die Hüften gebunden. Sichtlich geschockt von diesem Anblick, lief Hilary's Gesicht rot an. Damit hätte sie jeder reifen Tomate Konkurrenz machen können. „Zieh dir was an!!“, schrie sie ihn peinlich berührt an. Solche Begegnungen, egal mit welchem Mann, hasste sie. Es war ihr unangenehm und peinlich und sie fühlte sich so hilflos. Sie hatte ja nicht so viel Erfahrung mit halbnackten Männern, die vor ihr standen. Naja, eigentlich gab es nur einen Mann in ihrem Leben. Die junge Frau hatte keine weiteren Beziehungen mit anderen Männern. Für sie war Kai der erste und einzige mit dem sie je etwas gehabt hatte. Der wühlte aus seinem Rucksack etwas zu Anziehen heraus. Er wollte Hilary nicht noch mehr stressen. Eilig huschte sie an ihm vorbei ins Badezimmer. Sie duschte erstmal ausgiebig. Dabei kamen ihre Erinnerungen von damals wieder hoch. Das heiße Wasser prasselte auf ihr Gesicht, wo es weiter Richtung Abfluss perlte. Sie wünschte sich, dass die Erinnerungen mit weggespült werden würden... Kai packte währenddessen seine Tasche zusammen und rauchte eine Zigarette auf dem kleinen Balkon. Irgendwie fühlte er sich in dieser engen Wohnung ganz wohl. Und die Gesellschaft der braunhaarigen, empfand er auch angenehmer als die seiner Freundin. Sehnte er sich vielleicht doch nach einer intakten Beziehung? Aber er hatte doch damals keine Gefühle für sie. Und das sollte sich auch nicht ändern. Er verwarf die Gedanken schnell wieder mit einem Kopfschütteln. Der Zigarettenstummel flog ein weiteres Mal über die Halterung in die Tiefe. Drinnen angekommen, suchte er in der Küche nach essbaren Sachen. Kaffee hatte er schnell gefunden und wie er die Maschine bedienen musste, wusste er auch. Aus dem Kühlschrank fischte er die gleichen Gegenstände, die beim gestrigen Frühstück auch auf dem Tisch standen. Als Hilary aus dem Badezimmer kam, traf sich ihr Blick mit dem von Kai. Diesen unterbrach sie sofort, denn sie konnte ihm nicht in die Augen schauen ohne die Bilder von eben im Kopf zu haben. Hilary ging zu Emilia und kurze Zeit später kamen beide an den Frühstückstisch. Schweigend aß jeder sein Brötchen. Nur Emilia quietschte und plapperte fröhlich vor sich hin. „Ich werde dann nach dem Frühstück wieder fahren.“, bemerkte Kai beiläufig. Hilary nickte nur und begann den Tisch abzuräumen. Der blau-haarige reichte ihr die Gläser und Verpackungen. Dann holte er seine Tasche aus dem Wohnzimmer und zog sich an. Hilary stand mit Emilia im Arm im Flur. „Also dann, ich werde mich melden.“ „Ja...und danke für alles...“, entgegnete sie leise. „Kein Ding.“, seinen Mundwinkel zog er leicht nach oben und die junge Frau konnte ein Lächeln erahnen. Er sah zufrieden aus, doch er drehte sich um und ging aus der Tür heraus. Sie schaute ihm hinterher, während er auf den Fahrstuhl wartete. Bevor er eintrat, rief er ihr noch etwas zu. „Wir hatten heute Nacht übrigens nichts miteinander.“, dann schloss sich die schwere Eisentür. Ihr Blick noch auf den Fahrstuhl gerichtet, verharrte sie noch einen Moment so. Ihr fiel ein Stein vom Herzen und ein grinsen huschte über ihr Gesicht. „Idiot...“ Sie schloss die Tür hinter sich ab und blickte in den Flur. Es war alles wieder still. Keiner der hinter ihr herging oder der halbnackt in der Wohnung herumlief. Wie schnell hatte sie sich doch an ihn gewöhnt. Doch jetzt musste wieder Alltag einkehren. Hilary ruhte sich auf der Couch aus, während ihre Tochter ausgiebig ihre Spielsachen erforschte. Sie konnte sich jetzt auf den Bauch drehen. Ein großer Schritt in eine neue Perspektive. Das Klingeln und das blinkende Licht, zeigten Kai, dass er im Erdgeschoss angekommen war. Die schwere Tür öffnete sich und er trat heraus. Unterwegs steckte er sich wieder eine Zigarette an. Kurz vorm Einsteigen in sein Auto, warf er die restliche Hälfte zu Boden. Er setzte sich ans Steuer und zog die Fahrertür zu. Jetzt musste er zurück zu Kate. Er umgriff das Steuer und seufzte schwer, um schließlich den Motor zu starten. Gedankenversunken fuhr er nach Hause. Er wohnte mit Kate zusammen in einer großen Dachgeschosswohnung. Sie drängte ihn von Anfang an, mit ihr zusammen zu ziehen. Irgendwann gab er nach um Ruhe zu haben. Nach zwei Stunden Fahrt erreichte er den Privatparkplatz zu der Dachgeschosswohnung. Zielsicher parkte er ein, aber verblieb noch einen Moment im Wagen, bis er ausstieg. Kate hörte schon von drinnen den Wagen ihres Freundes. Das Motorgeräusch erkannte sie sofort. Sie rannte zum Fenster und starrte heraus. „Warum steigt der nicht aus?“, sagte sie ungeduldig zu sich selbst. Sie öffnete das Fenster und winkte ihm zu. Einen Moment später stieg Kai aus. Er verschloss den Wagen. Dann machte er sich zögernd auf den Weg in seine Wohnung. Oben erwartete ihn schon Kate, die ihm ungebremst um den Hals fiel. „Na endlich! Da bist du wieder! Ich hab dich soooo vermisst! Was hast du so lang im Auto gemacht?“, fragte sie neugierig bei ihm nach. Kai seufzte und erklärte ihr, er hätte noch einen Anruf tätigen müssen. Das kaufte sie ihm problemlos ab. Sie wusste, dass er viel arbeitete, aber sie hatte striktes Verbot von ihrem Freund bekommen, sich in irgendeiner Weise da einzumischen. Er befreite sich aus ihrer Umarmung um in die Wohnung zu gelangen und Kate folgte ihm. „Sag mal, ich hab noch nichts gegessen...Wollen wir nicht irgendwo frühstücken?“ „Ich hab schon gegessen.“, sagte er wahrheitsgetreu. Und Kate's Laune sank sichtbar, da sie nicht das bekam, was sie wollte. Sie versuchte es weiter. „Wir...“, begann sie und spielte mit ihren Händen auf seinem Oberkörper, „...könnten natürlich auch oben frühstücken...“, sie warf ihm einen verführerischen Blick zu und wollte ihn küssen. Doch Kai blockte ihren Versuch ab. Vorwurfsvoll sah sie ihn an. „Was soll DAS schon wieder?!“ Kai griff an seine Stirn und schloss die Augen. „Ich hab einfach ein anstrengendes Wochenende gehabt, klar? Das hat nichts mit dir zu tun. Krieg dich wieder ein.“ „Hmpf!“, schnaubte die dunkelhaarige Frau zurück. Das beeindruckte Kai nicht, denn er verschwand im Bad und leerte seinen Rucksack. Die Fliesen waren anthrazitfarben. Während die Möbel in dem hellen Raum in edlem, hochwertigem Weiß gehalten waren. Er sah sich kurz im Spiegel an. Sein Gesichtsausdruck war entspannt, doch je länger er diesen Ausdruck sah, umso ernster und grimmiger wurde es wieder. Mit diesem 'normalen' Ausdruck kam er zurück aus dem Bad. Kate hatte sich vor den Fernseher gesetzt, aber spielte an ihrem Handy herum. Als sie Kai bemerkte, sah sie kurz zu ihm aber spielte dann weiter an ihrem Handy und Kai schlief erschöpft auf dem Sofa ein. So ähnlich verging der Sonntag auch bei Hilary. Nach einer ganzen Weile auf der Couch, bereitete sie Emilia Mittag zu. Am Nachmittag spazierte sie eine große Runde durch den Park und hielt an einem gut besuchten Spielplatz an. Hier spielten die beiden im Sand, rutschten und Emilia knüpfte erste Kontakte mit gleichaltrigen. Am Abend legte sich Hilary früh ins Bett, denn sie musste am nächsten Tag wieder früh aus den Federn. Auf der Seite liegend blickte sie auf den leeren Platz, den Kai in der letzten Nacht eingenommen hatte. Sie vermisste ihn. Und das, was an dem Wochenende passierte, tat ihr übriges. Eine Träne rollte über die Wange der jungen Frau. Wie gerne hätte sie ihn jetzt wieder neben sich liegen. Vielleicht wäre er geblieben, wenn sie auf den Kuss nicht so reagiert hätte. „Vielleicht....“, sagte sie leise und schlief darauf ein. Kapitel 13: Erinnerung ---------------------- Kapitel 13 ~~~~ Tyson plante eine riesige Abschiedsparty, da Ray und Max wieder in ihre Heimat zurückgingen. Die ganzen Bladebreaker waren eingeladen. Eigentlich eine Party wie immer. Doch dieses Mal mit traurigem Abschied. Tyson hatte es wirklich geschafft jeden einzelnen seiner Teamkameraden zu sich zu holen. Das hieß: auch Kai war dort. Er brachte eine 'Freundin' mit zur Party. Diese hatte er aber nur dabei, um seinen Spaßfaktor zu erhöhen, denn mit den Jungs einen saufen, konnte er auch ohne Party. Max brachte niemanden mit und Ray kam mit Mariah. Es war ein offenes Geheimnis, dass die beiden ein Paar waren. Nur keiner traute sich, dass zuzugeben. Hilary und Mariah bereiteten in der Küche die Snacks für den Abend vor. Es gab Sandwichs, Obstspieße, Auflauf, Salat und vieles mehr. Das wichtigste für die Jungs war aber der Alkohol. Und davon gab es massig. Im Keller standen sicherlich 3 Kästen Bier, eine handvoll Schnaps und 5 Flaschen Wodka. Wer sollte das alles vertilgen? Zum Glück gab es auch nicht alkoholische Getränke, dafür hatten die Mädels und Kenny gesorgt. Am späten Nachmittag saßen sie noch draußen und erzählten miteinander, als die Party unfreiwilligerweise nach drinnen verlegt wurde. Es begann wie aus Kübeln zu schütten. Für diese Jahreszeit gar nicht so abwegig. Da im Sommer alle ihrer neuen Arbeit nachgehen würden, musste die Party, Tyson's Meinung nach, unbedingt im Frühling stattfinden. Der Regen konnte die Stimmung der Jungs aber nicht mindern. Die Snacks hatten die beiden Mädels schon im Wohnzimmer platziert, als die anderen reinkamen. „Wooooah!“, Tyson eilte zum Buffet. Er griff nach einem Teller, um diesen gleich zu beladen. Er erntete dafür grimmige Blicke von Mariah und Hilary. Aber sie schauten sich an und seufzten, denn es hatte keinen Sinn Tyson vom Buffet abzuhalten. Also nahmen sich die anderen auch. Nebenbei floss reichlich Alkohol. Am späteren Abend waren alle gut angeheitert. Max kam auf die glorreiche Idee mit Trinkspielen anzufangen. Und jeder musste mitmachen. Es gab kein 'Nein'. Doch Hilary konnte sich aus der Affäre ziehen, denn irgendeiner musste das Geschirr abwaschen. Tyson wäre am nächsten Tag damit komplett überfordert gewesen. Also 'durfte' sie in die Küche. Bei den Jungs ging es hoch her. Tyson tischte jetzt die harten Getränke auf. Anscheinend wollte er es drauf anlegen, jeden volllaufen zu lassen. Hilary blieb da lieber bei ihrem Mixgetränk. Sie trank sowieso wenig Alkohol. Aus dem Wohnzimmer dröhnte lautes Lachen, als Tyson rücklings vom Stuhl fiel. Er hatte schon leichte Probleme mit seiner Motorik. Das hielt ihn nur nicht davon ab mehr zu trinken. Kai winkte ab, als Tyson ihm noch einen nachschenken wollte. Er wusste wann Schluss ist. „Tyson, du hast genug.“ „Achhh waaaas neeeiiiin! Da geht noch einigess!“, sichtlich angeheitert schenkte er sich selbst ein. Und Kenny, Max und Ray auch. „Hopp und ex!“, brüllten die vier und leer waren die Gläser. Kai's derzeitige Freundin blickte immer wieder hektisch auf die Uhr. Sie war blond und hatte in etwa schulterlanges gewelltes Haar. Sie gab Kai ein Zeichen, sodass beide den Raum verließen. „Ich muss echt los, Kai. Ich kann nicht länger hierbleiben.“, ungeduldig schaute sie ihm ins Gesicht. „Komm schon, dass merkt schon keiner.“, versuchte er sie umzustimmen. „Doch meine Eltern. Ich bin nicht volljährig und ihr trinkt alle wie ein Fass ohne Boden...“, sie seufzte. Ihr Freund daraufhin auch. „Gut, dann gehst du eben. Ich ruf dir ein Taxi und wir sehen uns morgen?“ „Ja. Danke.“, sie verabschiedeten sich mit einem innigen Kuss. Genau in dem Moment kam Hilary aus der Küche. Peinlich berührt schaute sie sofort auf den Boden und ging an den beiden vorbei. „Sorry.....“ Kai brachte seine blonde Freundin noch zum Taxi und ging wieder zu den anderen. Hilary, die sich zu den Jungs gesellte, musste jetzt auch einiges weg picheln. War eines der Trinkspiele ausgelutscht, kam der nächste mit einem anderen Trinkspiel. Irgendwie hatte sie sich die Abschiedsparty anders vorgestellt. Etwas ruhiger. Die Musik dröhnte im ganzen Haus, der Raum stickig und ein Haufen betrunkener Bladebreaker. Die Uhr zeigte weit nach 0:00 Uhr an und so langsam wurden die Jungs ruhiger. Der Alkohol zeigte seine Wirkung. Ray und Mariah hatten sich so weit aufgezogen, so dass sie kaum noch die Finger voneinander lassen konnten. Darauf verabschiedeten sie sich von dem bunten Treiben und zogen sich zurück in eines der Gästezimmer. Kai, der seit einer Weile im Garten frische Luft schnappte, war gerade dabei wieder nach drinnen zu gehen. Als Hilary aus dem Wohnzimmer kam, liefen sich die beiden direkt in die Arme. „Da wollte ich gerade hin!“, bemerkte Hilary in dem Moment, als Kai die Türklinke des Badezimmers berührte. Er drehte sich zu ihr und ließ ihr den Vorrang. „Dankeeee!“, schnell huschte sie ins Bad. Nach ein paar Minuten kam sie sichtlich erleichtert wieder heraus. Die Tür schloss sich erneut. Die braunhaarige blieb vor der Tür stehen und wartete auf Kai. Sie wirkte nervös. Als sich die Tür öffnetet, fing sie Kai ab. „Kai!“, rief sie ihm nach, denn er ging ohne ein Wort an ihr vorbei. Genannter drehte sich zu ihr um. „Hm? Was ist denn?“, er kam zu ihr zurück und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand der Treppe. Hilary, die mittlerweile auch etwas angetrunken war, sah Kai an und blickte dann zu Boden. Sie spielte an ihrem kurzen Rock herum. „Was ist denn?“, fragte er ungeduldig und beugte sich vor um ihr ins Gesicht zu schauen. Die braunhaarige schaute ihn an und fasste sich ein Herz. Sie hatte von Anfang an Gefühle für ihn. Und diese Party war vielleicht, die letzte Gelegenheit um ihm etwas näher zu kommen. Sie räusperte sich. „Kai, könntest du mir einen Gefallen tun?“, wieder schaute sie zu Boden. Kai hingegen sah sie interessiert an. „Und welchen?“ „....“, sie haderte mit sich selbst. Schließlich hatte er eine Freundin und- „Was denn nun?“, hakte er nochmal nach. „Würdest du mit mir schlafen?“ „Bitte?? Du bist doch voll!“, sichtlich überrascht warf er ihr diesen Satz entgegen. Er ließ Hilary im Flur stehen und ging kopfschüttelnd zurück ins Wohnzimmer, wo Tyson und Max gerade Kenny abfüllten. Kurz dröhnte die laute Musik in den Flur, um dann wieder durch die Holztür gedämpft zu werden. Hilary stand enttäuscht im Gang. Hatte sie ihn das wirklich gefragt? Und mit welcher Antwort hatte sie gerechnet? Dass konnte sie sich selbst nicht beantworten. Ihr war die Lust auf Party vergangen. Sie würde Kai jetzt nicht mehr in die Augen sehen können. Also schlurfte sie die Treppe nach oben. In dem langen Gang musste sie gezwungenermaßen an Mariah und Ray vorbei. Aus dem Zimmer konnte sie verdächtige Geräusche hören, doch sie wollte sich nicht vorstellen, was die beiden gerade taten. In 'ihrem' Gästezimmer angekommen, legte sie sich sofort ins Bett. Der Alkohol stieg ihr in den Kopf und sie wurde von der Müdigkeit übermannt. Währenddessen näherte sich die Party ihrem Ende. Kai sprach ein Machtwort und unterband, dass Tyson die anderen beiden noch weiter abfüllte. Die drei hatten seiner Meinung nach schon lange ihr Limit erreicht. Und da er der Teamleader war, beendete er das ganze und schickte sie ins Bett. Darauf ging er ebenfalls nach oben, um sich schlafen zu legen. Er hatte an diesem Abend auch einiges leergetrunken, doch konnte er, seiner Meinung nach, noch klar denken. Hilary wachte plötzlich aus ihrem Schlaf auf, denn sie verspürte einen ungeheuren Durst. Sie griff nach der Wasserflasche und trank einen großen Schluck. Leise drehte sie die Flasche zu und horchte nach den anderen. Aber er war alles still. Dann sah sie auf den Digitalwecker neben dem Bett. Es war erst 01:21 Uhr. Solang hatte sie also noch nicht geschlafen. Sie öffnete das Fenster einen Spalt und legte sich wieder hin. Bis sie ein kurzes Klopfen an der Tür vernahm. Schlagartig waren ihre Augen geöffnet. Sie glaubte sich verhört zu haben, und wartete einen Moment. Dann klopfte es noch einmal. Neugierig stieg sie aus dem Bett und ging zur Tür. Hilary drückte die Klinke nach unten und zog die Tür zu sich auf. Überrascht von dem Anblick, der sich ihr bot. „Was-?“, stotterte sie. Lässig, mit der Schulter an den Türrahmen gelehnt, stand Kai. Seine Arme vor dem Körper verschränkt, blickte er zu Hilary. „Hey.“ „Was ist denn?“ Kai fuhr sich durch die Haare, während er weiter an dem Rahmen lehnte. „Gilt dein Angebot noch?“ Perplex von seiner direkten Frage, stand Hilary sprachlos vor ihm. Ein kurzes, fast nicht zu sehendes Nicken kam von ihrer Seite. Einen kurzen Moment verzog sich sein Mundwinkel nach oben. „Okay...kann ich dann reinkommen?“, fragte er direkt bei der brünetten nach. Wieder nur ein verlegenes Nicken. Hilary hatte noch gar keine Erfahrung mit Jungs beziehungsweise Männern gesammelt, während Kai gleich an jedem Finger eine Frau haben konnte. Er war erfahrener als sie, dass stand fest. Schließlich durfte sie einige seiner Liebschaften schon kennenlernen. Er trat ins Zimmer ein und stand nun dicht vor Hilary. Zögernd hob er seine Hände. „Willst du das wirklich?“ „Ja.“, daraufhin berührten sich ihre Lippen. Kai ließ sich von seiner aufkommenden Lust übermannen. Hilary bewegte ihre Lippen zu seinen und sie verfielen in einen leidenschaftlichen Kuss. Der blau-haarige wanderte mit seinem Mund weiter nach unten und erforschte neugierig den Hals der jungen Frau. Hilary ließ es einfach zu. Für Kai war es schon lange kein Geheimnis mehr, dass sie in ihn verliebt war. Er nahm es einfach wie es kam. So auch jetzt. Seine Hände umarmten ihren zarten Körper und zogen sie näher zu sich. Sie legte zaghaft ihre Hände auf seinem Rücken ab, während er sich entschlossen weiter voran tastete. Eine Hand verschwand unter ihrem Shirt und berührte die nackte Haut darunter. Hilary schloss ihre Augen und versuchte sich zu entspannen. Sie brachte Kai dazu seine Freundin zu betrügen. Aber sie hatte kein schlechtes Gewissen deswegen. Würde er vielleicht vorher aufhören? Für einen Moment hielt Kai inne mit seinen Berührungen. Denn er spürte, dass Hilary unsicher war. Sie sah ihn angespannt an. „Dein erstes Mal, hm?“, ein Nicken ihrerseits folgte. „Das hatten wir alle. Schalt einfach ab und denk nicht so viel nach.“, feruig küsste er sie auf den Mund. „Und...du kannst mich ruhig auch anfassen.“, unterbrach er den Kuss ein weiteres Mal um ihr das zu sagen. Dann gab er sich seinen Gefühlen wieder ganz hin. Hilary versuchte seiner Aufforderung nachzukommen. Langsam nahm sie die Hände von seinem Rücken um sie an den Seiten heruntergleiten zu lassen. Als er merkte, dass sie sich lösen wollte, packte er nach ihren Händen und drückte sie zurück an seinen Körper. Er führte ihre Hände über seinen Körper und als Hilary sie schließlich sicher auf ihm bewegte, befreite er sie von ihrem Oberteil. Sie machte ihn in gewisser Art verrückt. Auch wenn sie sich so schüchtern und zurückhaltend verhielt. Vorsichtig führte er sie näher an das Bett heran und ließ sie vorsichtig auf die Matratze nieder...~~~~ Kapitel 14: Geschäfte --------------------- Kapitel 14 Schweißgebadet wachte Hilary am nächsten Morgen in ihrem Bett auf. Sie hatte diesen Traum noch nie so real und bewusst erlebt wie jetzt. Was hatte das zu bedeuten? Sie rutsche etwas nach oben, um angelehnt zu sitzen. Ihr Wecker würde auch gleich klingeln, also machte es keinen Sinn mehr zu schlafen. Sie wischte sich über die Stirn, ihr Blick wieder auf die leere Bettseite gerichtet. Genau wie damals. „Kai...“, seufzte sie traurig und bemühte sich aus dem Bett. Träge schlappte sie zum Kleiderschrank. Sie fühlte sich gar nicht gut. Vielleicht bahnte sich eine Erkältung an. Mit ihrer Kleidung im Arm schlich sie an Emilia's Zimmer vorbei zum Bad. Die morgendliche Routine. Dann weckte sie ihre Tochter und machte sie soweit fertig, dass sie sie zur Nachbarin bringen konnte. Auf der Arbeit lief der Tag wie jeder andere Tag auch. Es gab neue Ware, sie räumte sie ein, die Kunden kamen und kauften ein und sie kassierte. Am späten Nachmittag sehnte sie den Feierabend herbei, denn sie letzten Stunden vergingen wie eine Ewigkeit. Nach der Arbeit verbrachte sie die restliche Zeit mit Emilia. Jeden Tag das gleiche... Kai schlief in dieser Nacht wie ein Stein. Er war total erschlagen, von den Eindrücken und da er die letzten zwei Nächte viel zu wenig Schlaf bekam. Kate wunderte sich darüber, da er früh im Schlafzimmer verschwand. Das war eher untypisch für ihn, da er sonst spät ins Bett ging. Am nächsten Morgen schlief er noch tief und fest. Kate, die schon einige Zeit wach war, weckte ihn sanft indem sie hauchzart über seine Brust strich. Federleicht glitten ihre Fingerspitzen zum Bauch, um dann wieder hinauf zu schweben. Von diesen leichten Berührungen geweckt, strich er sich über den Oberkörper um den aufkommenden Juckreiz zu unterbinden. Als die dunkelhaarige merkte, dass er wach war, hauchte sie ihm einen Kuss auf die Brust. Kai öffnete seine Augen nicht. Er genoss die zarten Berührungen seiner Freundin. Und sie konnte das genau sehen. Kate krabbelte auf seinen Schoß und ließ sich dann auf ihm nieder. Angetan von ihren Gesten, tastete er sich von ihren Beinen über ihren Bauch bis hin zur Brust vor. Ein unterdrücktes Stöhnen ihrerseits signalisierte ihm, dass er das richtige tat. Seine Lippen waren einen Spalt geöffnet und Kate drückte ihm einen flüchtigen Kuss darauf. Als Kai sich danach mit der Zunge über die Lippen fuhr, begann sie ihn stürmisch zu küssen. Und ihr Freund ließ sich nicht zweimal bitten darauf einzugehen... „Oh...wie sehr hab ich DAS vermisst...“, hauchte sie ihm ins Ohr. Sie legte ihren Kopf auf seiner Brust ab und lauschte seinem aufgeregten Herzschlag. Kai erwiderte darauf nichts, sondern legte nur seinen Arm auf die Stirn. Er war in Gedanken. „Wie spät ist es eigentlich?“, überrascht von der Frage, schaute sie auf die Digitaluhr neben dem Bett. „09:25 Uhr.“ Kai stöhnte kurz auf. „Ich bin spät dran. Die Arbeit ruft.“ „Was? Oh nö...kannst du nicht von Zuhause arbeiten?“ „Nein, heute wirklich nicht.“, unsanft schob er sie von sich und stieg aus dem Bett. Kate drehte sich auf den Bauch und zog die Decke über ihren Körper. Kai musste noch einiges erledigen heute. Er hatte einen Termin mit einem Interessenten zum Bau eines weiteren Beyblade-Trainingszentrum für Kinder und Jugendliche. Dafür machte er sich in Russland vor fast 2 Jahren selbstständig. Mittlerweile war er damit sehr erfolgreich. Geld spielte damals keine Rolle für ihn, denn sein Vater verteilte in seinen jungen Jahren großzügiges Taschengeld an Kai. Er konnte durch ihn auch genügend Kontakte knüpfe, die ihm jetzt Gold wert waren. Er plante weltweit zu expandieren. Japan war dafür nur eine Zwischenstation. In den USA würde er als nächstes ein Trainingszentrum erreichten wollen. Mithilfe der PPB. Dazu gab es noch eine Menge Papierkram zu erledigen. Und das störte ihn am meisten. Er ging zügigen Schrittes ins Bad. Kate sprang danach auch aus den Federn und folgte ihm. Als sie die Klinke nach unten drückte, war abgeschlossen. Diese Rechnung hatte sie ohne Kai gemacht. Er wusste, dass sie ihm unter die Dusche folgen würde. „Hee! Mach die Tür auf Kai!“ „Ich dusche!“, rief er heraus und drehte im gleichen Augenblick das Wasser auf. Das Rauschen und Plätschern des Wassers entspannte ihn und übertönte glücklicherweise das Gezeter von Kate. IN aller Ruhe kam er nach 20 Minuten aus dem Bad. Seine Freundin stand immer noch vor der Tür und ihm beim Herauskommen einen grimmigen Blick zu bevor sie darin verschwand. Kai zog sich an und schmierte sich ein Brötchen, dass er unterwegs herunterschlang. „Ich bin dann weg! Bis später.“, dann fiel die Tür ins Schloss. Kate stürmte noch aus dem Badezimmer um sich zu verabschieden, doch sie war zu langsam. Mit dem Handtuch vor der Brust ging sie zurück ins Bad. Dort konnte sie sich in aller Ruhe aufhübschen. Sie wollte noch in die Stadt ihr zurückgelegtes Oberteil kaufen. Auf dem Weg zu seinem Geschäftstermin ging er nochmal die einzelnen Punkte durch, die er besprechen wollte. Den Zettel in der einen Hand und die andere Hand am Steuer. Nicht gerade ungefährlich. Aber er kam unbeschadet vor dem Hotel an, in dem sein Geschäftspartner wartete. Geschlagene 3 Stunden später kam er erschöpft und genervt aus dem Gebäude und setzte sich in seinen Wagen. Die Mappe mit den Plänen warf er unachtsam auf den Beifahrersitz. Dieses Mal hatte es nicht geklappt. Verärgert steckte er sich eine Zigarette an. Zur Beruhigung. Wann er das Rauchen angefangen hatte? Wohl ein paar Wochen nachdem er sich selbstständig machte. Schlecht gelaunt fuhr er wieder nach Hause. Dort angekommen wartete Kate schon in der Küche. Geduldig und zufrieden mit sich lehnte sie an der Arbeitsfläche. „Ich bin wieder da.“, er versuchte 'neutral' zu klingen und ging in die Küche. „Hey! Ich hab dir was zu essen mitgebracht.!“, Kate deutete auf die grüne Plastiktüte, die neben ihr stand. Kai's Blick sprach Bände. „Warst du schon wieder beim Italiener?“ „Was heißt hier 'schon wieder'?! Klingt ja fast so, als würde ich dort jeden Tag sein!“, versuchte sie sich zu rechtfertigen. „'tschuldige. Ich vergaß den Griechen, den Vietnamesen, die Sushi-Bar und den teuren Franzosen unten an der Ecke.“, seine Laune durchbrach gerade die Grenze zu unterirdisch. Wollte sie jetzt wirklich mit ihm darüber diskutieren? „Sei froh, dass ich dir überhaupt was mitbringe!“, warf sie ihm an den Kopf. Kai schaute zögernd in die Tüte. Das Essen beim Italiener schmeckte ihm, aber nicht auf Dauer und drei Mal die Woche. „Meinst du nicht, dass es vielleicht mal was anderes geben sollte?“, versuchte er seine Frage vorsichtig zu äußern. „Und was, deiner Meinung nach?“, entgegnete sie schnippisch. „Naja...mal was selbst gekochtes?“ „Ach! Soll ich mich jetzt an den Herd stellen wie eine Hausfrau und dein Essen kochen?! Als nächsten deine Wäsche waschen und bügeln?! Du bist doch bescheuert!! Das kannst du dir abschminken! Wie kommst du überhaupt auf so einen Mist??“, schrie sie ihn wutentbrannt an. Sie war eine gehobene Frau und da würde sie sicherlich nicht solch 'niederen' Tätigkeiten nachkommen. „War ja nur eine Idee.“, kommentarlos packte er das Essen auf einen Teller und aß es am Tisch. Seine Freundin schnaubte zufrieden. „Hast du dich mal um meine Kreditkarte gekümmert? Ich konnte mein Oberteil wieder nicht bezahlen, weil die Karte wieder nicht funktionierte!“ „Ja, da gibt es ein paar Unstimmigkeiten. Ich muss da in Ruhe nachschauen.“, vertröstete er sie weiter. „Beeil dich damit...Außerdem muss ich gleich ins Nagelstudio. Mir ist nämlich ein Nagel abgebrochen bei unserem Frühsport.“ „Dann pass auf, dass dir die anderen nicht auch noch abbrechen.“, Kai musste darauf unweigerlich grinsen. „Keine Angst ich pass auf. Und nachher testen wir meine neuen Nägel aus. Wenn du verstehst was ich meine...“, sie fuhr sich mit der Hand über ihr enges am Körper liegendes mintfarbenes Kleid. „Wie du willst.“, grinste er wissend und aß langsam weiter. Die Frau wusste, wie sie Männer um den Finger wickeln musste. Sie konnte ihre Reize gezielt einsetzen um an dass du kommen, was sie wollte. Dann verließ sie die gemeinsame Wohnung. Und Kai seufzte erleichtert. Manchmal war sie sehr anstrengend. Er stand auf und entsorgte das restliche Essen auf seinem Teller. Ein Blick in den Kühlschrank zeigte ihm, dass Kate nicht einkaufen war. Genervt rollte er mit den Augen. Im Kühlschrank standen zwei Flaschen Sekt, eine Flasche Wodka, eine Packung Eier und eine Milch. Nicht gerade eine große Auswahl. Er schlug zwei Eier auf, rührte etwas Milch unter, Salz und Pfeffer rein und briet sich ein Omelett. Von den Pflanzen auf dem Balkon zupfte er noch Oregano und Basilikum ab, zum Würzen. Genüsslich verspeiste er darauf seine köstliche Mahlzeit. So vergingen die Tage wie im Flug. An einem sonnigen Wochenende konnte Kate ihren Freund überreden mit ihr in die Stadt zu fahren. Zum Shoppen natürlich. Und mit ihm hatte sie die Sicherheit, dass sie alle Klamotten kaufen konnte, ohne auf das Geld zu achten. Kai hatte ja genug. Der war hingegen komplett gestresst von seiner hübschen Freundin. Ständig, als er dachte sie wären durch, fand sie noch einen Laden in den sie 'kurz' rein musste. Als sein Handy klingelte, nahm er das Gespräch erleichtert an. Er kannte die Nummer auf dem Display nicht, also meldete er sich mit ernster Stimme. „Hiwatari?“ „Kai?“ Er erkannte die Stimme sofort. Überrascht von ihrem Anruf, drehte er sich von Kate weg. Automatisch wurde er leiser. „Was willst du denn?“, fragte er ungeduldig. „Naja...Ich stehe hier grad vor einer Kommode für Emilia's Zimmer...Die andere ist kaputt gegangen und ich wollte fragen, ob ich sie holen kann.“ „Ist das dein Ernst? Rufst du deswegen an?“ „Ja.“ Kai verdrehte seine Augen ein weiteres Mal. „Hol sie, und frag nicht wegen jeder Kleinigkeit.“, sagte mit einem gespielten Unterton. „Hey! Ich geb schließlich nicht einfach so dein Geld aus!“, brüllte sie durch das Telefon zurück. Ungewöhnlich für sie. Kate blickte darauf zu ihrem Freund, der ihren Blick sah und sich wieder umdrehte. „Ist ja gut. Du nimmst die Karte also an. Das freut mich.“, am anderen herrschte Stille. Er erwartete keine Antwort von Hilary. „Mach nur. Dass, was ich dir gesagt habe, halte ich auch. Sollte es mal nicht reichen, melde dich.“ „Ja, gut. Danke.“ „Warte-“, versuchte er Hilary aufzuhalten, als sie gerade auflegen wollte. „Hm?“ „Ich würde gern nochmal vorbeikommen...Ist das ok?“ Hilary überlegte kurz. Sie könnte Kai wiedersehen. Aber dieses hin und her war ihr nicht geheuer. Irgendwann würde Kate dahinterkommen. Und dass machte ihr Angst. Schließlich sagte sie zu und beide beendeten das Gespräch. Als er sich umdrehte, stand Kate direkt vor ihm. „War war das?“, fragte sie neugierig nach. „Die Sponsorin der Beyblade Ersatzteile, die wir in Moskau noch benötigen. Bist du jetzt endlich fertig?“, misstrauisch kaufte sie ihm die Begründung ab. Dann winkte sie nach ihm und er folgte genervt zur Kasse. Hilary kaufte derzeit die neue Kommode für Emilia. Jetzt passte alles zusammen. Ein kleines hübsches Reich. Sogar Farbe konnte sie damals günstig organisieren. Und Kai würde sie auch bald wieder besuchen wollen. Wie das wohl wird? Wie sollte sie sich verhalten nach seinem Kuss? Immerhin hatte sie ihn schon einmal dazu gebracht fremd zu gehen. Nicht weiter darüber nachdenkend, stürzte sie sich weiter in die Arbeit. Es vergingen noch zwei weitere Wochen, bis Kai sie besuchte. Er kam wie beim ersten Besuch am Freitag. Sie war auch nicht sonderlich überrascht, dass er früher ankam als angekündigt. Die drei verbrachten ein ausgeglichenes Wochenende. Kai lud Hilary dazu ein, einen Ausflug zu machen. Sie konnten jetzt überall hin und Hilary entschied in den Zoo zu fahren. Es war Balsam für ihre Seele einfach herauszukommen. Und Kai lernte immer etwas mehr, im Umgang mit seiner Tochter, dazu. Kapitel 15: Überraschung ------------------------ Kapitel 15 Einige Wochen vergingen seit Kai's letztem Besuch bei Hilary. Er hatte sich nicht mehr gemeldet seit ihrem letzten Treffen. Was sie nicht wusste war, dass er arbeitstechnisch ziemlich eingespannt war. Derzeit verbrachte er einige Tage in den USA wo er mit Max und den Angestellten der PPB über ihre weiteren Ziele sprach. Ohne die Unterstützung der Forschungsabteilung könnte er seine Pläne nicht umsetzen. Nun war ein wieder auf dem Weg nach Japan. Im Flieger schwirrten ihm Gedanken von Hilary und Emilia durch den Kopf. Er hatte sich ziemlich lang nicht mehr bei ihr gemeldet. Bestimmt dachte sie, dass er das Interesse an ihnen verloren hatte. Nach der Landung fuhr er direkt los. Aber eine andere Route, als geplant. Hilary konnte sich endlich eine Woche Urlaub nehmen. Für sie wurde das auch mal Zeit. Sie arbeitete jeden Tag unermüdlich, um ihre kleine Familie durch zu kriegen. Am Montag machte sie sich einen entspannten Tag mit Emilia. Die konnte sich jetzt sicher auf den Bauch drehen und versuchte sich mittlerweile auf dem Bauch vorwärts zu robben. Hilary war auf die kleine stolz wie Bolle. Sie strahlte über beide Ohren als sie ihre Übungen machte. Am späten Nachmittag klingelte es an ihrer Tür. Unbeschwert ging sie den Flur entlang und öffnete. Aber ihr Gesicht entgleiste darauf augenblicklich, als sie sah wer dort stand. Vor ihrer Tür stand der ungepflegte, dickliche Kerl, der zwei Etagen über ihr wohnte. Lüstern grinsend schob er die Metalltür ein Stück zurück, als Hilary diese schnell zuschieben wollte. „Was ist los? Willst du mich nicht reinlassen? Sei nicht so schüchtern!“, grinste er sie an. „Verschwinden Sie und lassen Sie mich in Ruhe!“, erbittert drückte sie gegen die Tür die darauf ins Schloss fiel. Sichtlich erleichtert glitt sie an der Tür nach unten. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Das in ihrem Urlaub. Dazu stank der Kerl wie eine Schnapsbrennerei. Plötzlich hämmerte er auf die Tür ein. „Los, mach auf du kleines Flittchen!“, mit seinem kräftigen Körper drückte er sich immer wieder gegen den Eingang. Es ruckelte ein Stück, dann eine Pause und wieder drückte er mit voller Wucht dagegen. Die junge Frau hatte fürchterliche Angst um ihr und Emilia's Leben. Diesem Kerl traute sie alles zu. Doch noch nie war er so aggressiv ihr gegenüber. Wieder eine ruckartige Bewegung folgte gegen die Tür und ein lautes Knacken war zu hören. Mit all ihrer Kraft lehnte sie sich gegen die Metalltür. Sie würde ihn nicht in die Wohnung lassen. Doch wie lang die Tür noch in den Angeln blieb, wusste sie nicht. „Verdammt verschwinden Sie endlich! Lassen Sie mich in Ruhe!!“, schrie sie verzweifelt nach draußen und fing an zu weinen. In diesem Haus konnte sie auf keine Hilfe hoffen. Jeder kehrte nur vor seiner eigenen Tür. Wenn etwas passierte, hatte niemand etwas mitbekommen. Plötzlich war es still. Das Hämmer verstummte. Nur ein Rumpeln kam von draußen. Hilary hielt sich die Hände an die Ohren, um nichts mehr zu hören. Sie wollte das alles nicht mehr. Dann war es wieder still. Bis es klopfte. Zusammen geschreckt fuhr sie nach oben. Sollte sie wirklich nochmal nachschauen? Dann klopfte es wieder. „Hilary? Bist du da? Mach die Tür auf, ich bin's.“, sie zögerte einen Moment. Doch sie erkannte die Stimme. „Los mach die Tür auf, der Fettsack tut dir nichts mehr.“, rief er nochmal etwas lauter. Die brünette erhob sich und öffnete die Tür einen Spalt. Als sie dann Kai erblickte, liefen unendlich viele Tränen der Erleichterung über ihr Gesicht. Kai drückte die Tür nun ganz auf und Hilary fiel ihm um den Hals. „Kai...ich hatte solche Angst!“, hemmungslos schluchzte sie los. Sie war so froh, dass er jetzt da war. Vorsichtig umarmte er sie, als würde sie bei größerem Druck zerbrechen. „Geht es dir gut? Und wo ist Emilia?“, fragte er etwas später und sah sie ernst an. Hilary wischte ihre Tränen weg und nickte. „Es geht mir gut...und Emilia auch...“, dann schaute sie an Kai vorbei. „Was hast du mit ihm gemacht?“ „Ein gezielter Schlag in den Nacken, knockt so ziemlich jeden aus.“, sagte er unbeeindruckt von seiner Körpermasse. Hilary schaute ihn ungläubig an. „Was denn? Er lebt noch, keine Angst.“, sprach er nebenbei und schaute sich nun die Tür und den Rahmen an. „Das sieht gar nicht gut aus.“ „Wie soll ich das bezahlen? Das kostet ein Vermögen...“, sie konnte ihre Unsicherheit nicht verbergen. Kai behielt den Klops im Blick und fasste einen Entschluss. „Pack deine Sachen.“ „Was?“, entgegnete sie ihm erstaunt. „Pack deine Sachen. Du wirst nicht weiter in dieser Umgebung bleiben. Nimm nur das Wichtigste für Emilia und dich mit und dann verschwinden wir von hier.“ Hilary wollte gerade etwas darauf erwidern, als er ihr ins Wort fiel. „Mach schon!“, sein Ton wurde schärfer. Als hätte er es eilig. Vermutlich würde der Kerl bald wieder zu sich kommen und dann ordentlich aufdrehen, wenn er ihn sehen würde. Die junge Mutter eilte in ihre Wohnung und zog unter ihrem Bett einen großen Koffer hervor. Wahllos schmiss sie ihre Sachen hinein und tat in Emilia's Zimmer das gleiche. Hektisch suchte sie nach ihrem Pass und den wichtigen Dokumenten, die vielleicht wichtig sein könnten. Sie packte ihre Tochter, die sich von dem Lärm nicht sonderlich stören ließ. Sie sah ihre Mutter nur verwirrt an, da sie so hektisch agierte. Kai machte währenddessen Druck im Flur.Das dauerte ihm alles viel zu lange. Er griff nach dem Babysitz seiner Tochter, als in dem Moment schon Hilary mit Koffer und Kind auf dem Arm erschien. Sofort nahm Kai ihr den Koffer ab und trat aus der Wohnung. Hilary folgte ihm. Doch bevor sie an ihrem Nachbar vorbei konnte, kam dieser wieder zu Bewusstsein. „Du mieses kleines Flittchen...“, begann er schmerzverzogen zu sprechen und versuchte sich aufzurappeln. Doch weiter kam er nicht, denn in der jungen Frau stieg unendliche Wut auf. Noch nie hatte sie solche Angst erlebt und diese entlud sich mit einem heftigen Tritt in die Weichteile des Mannes. Daraufhin brach er schmerzerfüllt auf dem Boden zusammen. Kai, der das sah, schaute verdutzt auf den Geschehene und Hilary. „Was denn? Der hat's verdient! Mir solche Angst zu machen...“, rechtfertigte sie sich. „Komm jetzt.“ Zügig verließen die beiden den Wohnblock. Am Auto angekommen, warf Kai den großen Koffer schwungvoll in den Kofferraum, den er kräftig zuschlug. Hilary setzte derweil Emilia in den Sitz, damit sich losfahren konnten. „Wo fahren wir eigentlich hin?“, fragte Hilary jetzt verunsichert. „Zu mir.“, entgegnete er ihr, ohne den Blick von der Straße zu nehmen. „Aber Kate..:“ „Die ist nicht da. Auf Geschäftsreise mit ihrem Chef.“ Erleichtert seufzte sie auf. Es vergingen zwei Stunden, bis sie an Kai's Wohnung ankamen. Überwältigt von dem Wohnviertel und der teuren Wagen um sie herum, stieg sie vorsichtig aus. Sie traute sich kein Wort zu sagen. Es war ihr alles so unangenehm. „Komm mit.“, forderte der blau-haarige sie auf. Er hatte den Koffer in der Hand und schloss die Eingangstür auf. Die junge Frau huschte an ihm vorbei ins Treppenhaus und wartete dass Kai vorging. Sie wusste ja nicht wohin. „Wir müssen nach ganz oben. Und es gibt hier keinen Fahrstuhl.“ „Ich werd's überleben.“ In dem Haus gab es auch nicht so viele Etagen wie bei ihr. Hier waren es lediglich drei und schließlich die Dachgeschosswohnung. Oben angekommen schloss Kai auf und Hilary trat zögerlich ein. Beeindruckt von dem Bild, dass sich ihr bot, blieb sie im Flur stehen. Alles sah makellos aus und passte perfekt zueinander. Ganz anders als bei ihr. „Willst du nicht reinkommen?“ „Äh doch...“, sie setzte Emilia kurz auf den glänzenden Parkettboden. Ihre Schuhe stellte sie ordentlich an die Seite. Im Wohnzimmer konnte sie ihren Augen nicht trauen. Auch hier fügte sich jedes Element perfekt zum Ganzen ein. Eine helle Sofalandschaft stand mitten im Raum auf dem dunklen Holzfußboden. Dazu ein edler Sessel und ein riesiger Flatscreen. An das Wohnzimmer grenzte auch direkt die offene Küche. Die Küchenzeile strahlte in dunklem Schwarz und war auf Hochglanz poliert. Im Gegenzug war alles sehr spartanisch eingerichtet. Keine übermäßige Dekoration oder Kitsch. Man konnte sich die Wohnung wie eine Art Musterhaus vorstellen. „Sag mal...wann kommt Kate eigentlich zurück?“, vorsichtig setzte sie sich auf das Sofa, um nichts zu beschädigen. „Wenn ich mich nicht täusche, am Mittwoch. Das heißt, bis dahin haben wir noch Ruhe.“ „Und dann?“ „Tja dann...dann sehen wir weiter.“ Hilary seufzte schwer. „Am besten du bringst mich wieder nach Hause...Das erspart und eine Menge Stress.“, sie erhob sich, um ihre Sachen zu nehmen und aus der Wohnung zu gehen. „Nein, das lasse ich nicht zu.“, bestimmend hielt er sie davon ab. „Bitte bring mich zurück!“ „Damit dich der Typ im Schlaf vergewaltigt?! Willst du das?“ „Nein..aber das hier geht nicht Kai...“ „Doch. Du bleibst bei mir. Und solange du bei mir bist, wird dir auch nicht passieren.“ „Das geht nicht!“ „Weil?“ „Kate!“ „Die wird sich damit arrangieren müssen. Wir werden ihr eh nicht mehr lang etwas vorspielen können.“ „...“ „Schach matt. Hast du Hunger?“, dieses Wortgefecht konnte er für sich entscheiden. Hilary diskutierte jetzt nicht mehr. Er mochte es nicht, wenn ihm einer widersprach. „Hm...ja ein bisschen...“ „Ich bestell uns was. Und dann werde ich euch eine ordentliche Wohnung besorgen. Mach dir darüber keine Gedanken.“ „Und was ist mit meiner Arbeit?“ „Die brauchst du erstmal nicht. Ist italienisch ok?“ „Hm...“ Er bestellte für sich und Hilary, was nach kurzer Zeit schon geliefert wurde. Kai bezahlte und packte etwas Trinkgeld drauf. Am Abend kochte Hilary für Emilia noch Essen, dann legte sie sie in das Reisebett, an das sie im letzten Moment gedacht hatte. Kai's Wohnung war nicht gerade kindgerecht eingerichtet. Aber das erwartete sie auch nicht. Sie konnte Emilia ins Schlafzimmer legen. Dort war es sehr ruhig und abgelegen vom Straßenlärm. Sie war geschafft vom Tag und schlief auch ohne Probleme in der unbekannten Umgebung ein. So konnten Hilary und Kai einen ruhigen Abend vor der Glotze verbringen. Kapitel 16: Pläne ----------------- Kapitel 16 Entspannt lag Kai auf der großen Couch, während sie den Film schauten. Die Beine hochgelegt, ein Kissen im Nacken und die Schaltberechtigung in der Hand. Hilary dagegen, saß stocksteif auf der anderen Hälfte. Ihre Körperhaltung war verkrampft. Sie fühlte sich unwohl in der Wohnung. Das war also Kai's Reich. Und das von Kate. Unbemerkt ließ sie ihren Blick durch den großen Raum schweifen. Dass er so lebte, hatte sie nicht gedacht. Vielleicht hatte Kate die Möbel ausgesucht. Er konnte es auch gewesen sein, so wie es in der Wohnung aussah. Hilary hoffte nur von ganzem Herzen, dass Kate nicht eher zurückkommen würde. Wie sollte das dann weitergehen? Soweit sie mitbekommen hatte, gab es nur ein Schlafzimmer und das Wohnzimmer. Außerdem könnte sie nicht ewig hier bleiben. Das beschloss sie für sich, auch wenn Kai ihr eine andere Lösung vorgeschlagen hatte. „Sag mal...“, begann sie vorsichtig zu sprechen. Kai drehte seinen Kopf zu ihr und sah sie erwartungsvoll an. „Wenn du jetzt wieder mit mir diskutieren willst, ist das Gespräch beendet.“, fuhr er forsch dazwischen. Die braunhaarige schüttelte darauf den Kopf. „Nein! Ich...wollte nur fragen wo ich heute schlafen soll...“ Kai schaute sich irritiert um und sah sie dann an. „Na hier auf der Couch. Wo sonst?“ „Okay.“ „Du kannst dich ruhig hinlegen. Ich jetzt ins Bett. Der Jetlag macht mir noch zu schaffen.“, er erhob sich von dem weichen Untergrund, wobei er sich angestrengt die Augen rieb. „Nimm dir einfach die Decke da und das Kissen.“, sagte er beiläufig und sperrte die Badezimmertür ab. Hilary machte das, was er sagte und zog die Decke auseinander. Die Couch war sehr weich und bequem. Schnell schaltete sie das Licht aus und deckte sich bis zum Hals zu. Ihre Kleidung ließ sie vorsichtshalber an. Wer weiß, was passieren würde, wenn sie halbnackt auf der Couch schlafen würde. Einige Zeit später kam auch Kai wieder aus dem Bad. Er hatte sich ausgezogen und trug nur noch seine Shorts. Zielgenau steuerte er das Schlafzimmer an. Doch ehe er die Tür öffnete, drehte er ab. „Verdammt...“, fluchte er leise. Emilia schlief ja in dem Raum. Daran dachte er nicht mehr. Genervt von seiner Vergesslichkeit, seufzte er laut auf und weckte damit Hilary aus ihrem Halbschlaf. Sie hörte seine Schritte näher kommen. Starr wie eine Säule, blieb sie liegen. Als sie merkte, dass er sich neben sie legte, spürte sie, wie sich ein leichter Rotschimmer auf ihren Wangen ausbreitete. Sie hielt die Luft an. Das konnte doch nicht wahr sein. Schon wieder lag sie so nah bei ihm. „Rutsch mal ein Stück rüber.“, murrte er und drängte sie ein Stück weiter an die Lehne. Als er nach der Decke greifen wollte, drehte sie sich geschickt in die Decke ein, sodass er nicht auf dumme Gedanken kam. Außerdem konnte sie so beruhigter schlafen. Rücken an Rücken lagen bei auf dem Sofa. Während Kai recht schnell einschlief, war die braunhaarige noch wach. Sie machte sich noch unendlich viele Gedanken. Dabei waren ihre Sorgen für die heutige Nacht komplett unbegründet, denn Kai schlief wie ein Stein und regte sich kein Stück. Der gleichmäßige Atem von dem Russen beruhigte sie ungemein, worauf auch sie erschöpft von diesem schrecklichen Tag ein dämmerte. In der Frühe des nächsten Tages wurden die beiden von Kai's klingelndem Handy geweckt. Als Hilary ihre Augen öffnete, hantierte Kai schon mit dem Gerät herum. Er telefonierte auf Russisch. Zum Anfang des Gesprächs sprach er ruhig und noch leicht verschlafen, doch auf den anderen Moment wurde seine Stimme unfreundlich und grob. Darauf wurde das Gespräch abrupt beendet. Hilary verstand kein einziges Wort davon. Schlecht gelaunt feuerte er das Handy auf den Sessel. „Mist!“ „Was ist denn passiert?“, fragte sie unwissend nach. „Nichts.“, entgegnete er kühl und stand auf um in die Küche zu gehen. Die junge Frau sah ihm ratlos hinterher. Als es plötzlich 'klick' machte, fuhr sie von der Couch hoch. „Oh nein. Kommt Kate etwa?! Dann werd ich sofort gehen!“ „Nein. Setz dich wieder.“, sprach er ruhig, während der Kaffeeautomat krächzende Laute von sich gab. „Es ist nur einer meiner Sponsoren abgesprungen. Mit dem war eigentlich alles geklärt...Nun kann ich einen neuen suchen...“, fuhr er fort. „Oh...Das tut mir leid...Wofür brauchst du denn Sponsoren?“ „Für den Bau einiger Trainingshallen. Bladen für junge, talentierte und qualifizierte Kinder. Und da ist jeder Sponsor Gold wert.“ „Wow.“, Hilary war sichtlich beeindruckt von seinem Vorhaben. Das hieß also, dass er selbstständig war. Kein Wunder, dass er da nicht auf Geld achten musste. Trotzdem nutzte sie das nicht aus. Sie stand auf und tapste zu ihm. Die offene Küche und das Wohnzimmer wurde durch eine Art Tresen getrennt, vor dem drei Barhocker standen. Sie ließ sich auf einem nieder. „Was irgendwie klar, dass du dich mal selbstständig machst.“, lächelte sie vor sich hin. Kai schnaubte nur und stellte ihr eine Tasse frisch gebrühten Kaffee auf den Tresen. „Danke.“ „Übrigens...“, wand er sich an die brünette. „...hast du heute schlechte geträumt...“ „Wie kommst du darauf?“ Er deutete auf sein Schienbein. Hilary sah an ihm herab und grinste ihn darauf unschuldig an. An seinem linken Schienbein konnte sie einen leichten blauen Fleck erkennen. Sie hatte ihn im Schlaf getreten. Verlegen rieb sie sich den Hinterkopf. „Es tut mir leid.“ „Schon gut...hab schon schlimmeres erlebt.“ Jetzt warf Kai einen Blick in den abermals leeren Kühlschrank. Kate hatte wieder nichts eingekauft. Warum auch. Sie war ja nicht Zuhause. Er stöhnte laut auf. „Ich kann dir leider nichts zum Frühstück anbieten...Es sei denn du willst Sekt oder Wodka.“, tot ernst hielt er ihr die beiden Flaschen zur Auswahl hin. „Danke...da bleib ich lieber hungrig.“ „Ich geh nachher einkaufen. Wenn du Wünsche hast- ach weißt du, komm dann einfach mit.“ Hilary nickte. Hier verhielt sich der Blauhaarige komplett anders, als bei ihr. Naja, er war hier Zuhause, da ist jeder nochmal anders. Der junge Mann verschwand erstmal im Bad. Und Hilary hörte leise Geräusche aus dem Schlafzimmer. Emilia war wach. Schnell zog sie sich ein paar frische Klamotten an, bevor Kai wieder aus dem Bad kam. Sie würde sich nach ihm frisch machen. Nachdem Emilia angezogen und gefüttert war, kam Kai aus dem Badezimmer. „Könntest du für einen Augenblick auf Emilia aufpassen? Ich würde schnell duschen.“ „Okay...muss ich irgendwas beachten?“, fragte er unsicher nach. „Nein, ich leg sie auf die Decke und dann kann sie spielen.“ „Hm.“ Schnell huschte sie ins Bad und beeilte sich mit dem Duschen. Als sie aus der Dusche stieg, bemerkte sie, dass sie gar kein Handtuch mitgenommen hatte. Sie rief nach Kai, der ihr von draußen erklärte, wo sie alles finden konnte. Unsicher öffnetet sie die Schranktür. Darin befanden sich Unmengen an Kosmetikprodukte. Die gehörten allem Anschein nach Kate. Die nahm ein Handtuch, schloss die Tür wieder und trocknete sich ab. Draußen wartete Kai schon ungeduldig auf sie, denn Emilia quengelte herum. Doch die junge Mutter wusste genau was ihre Tochter hatte. Sie nahm sie auf den Arm und darauf folgte ein lauter Rülpser. Dann war alles wieder in Ordnung. „Lass uns einkaufen. Ich krieg' langsam Hunger.“, drängelte er etwas. „Ja gut!“, sie griff nach Emilia's Kleidung und zog sie an. Dann machten sie sich auf den Weg zum Einkaufen. Nach einer Stunde kamen sie zurück. Kai trug zwei Papiertüten mit frischen Lebensmitteln nach oben, während Hilary Emilia auf dem Arm hatte und einen kleinen Korb oben trug. Oben frühstückten sie ausgiebig. Obwohl, Frühstück konnte man das nicht mehr nennen. Eher Brunchen. Zwischendurch telefonierte Kai des Öfteren und führte angeregte Gespräche auf Russisch. Doch die junge Frau verstand wieder nichts davon. Sie bereitete schon das Mittagessen vor. Eine kleine Portion für Emilia und den anderen Teil würzte sie normal. Nach einer weiteren halben Stunde stelle sie das dampfende, frisch zubereitete Essen auf den Tisch. Es roch wunderbar. Kai hatte ihre Kochkunst irgendwie vermisst. Endlich gab es etwas ordentliches zu essen. Nicht immer nur bestelltes. „Lass es dir schmecken.“, sagte sie freudig. „Hm...danke. Endlich was Gutes.“, er genoss das köstliche Essen. Und Hilary sah ihn zufrieden an. Sie wusste, dass sie gut kochen konnte. Und er auch. Den Nachmittag verbrachten die beiden damit, sich einen Plan für den morgigen Tag zurecht zu legen. Doch Hilary hatte noch große Bedenken bei der Sache. Kapitel 17: Scheitern --------------------- Kapitel 17 Am Abend telefonierte Kai noch mit Kate um sich auf den aktuellen Stand zu bringen. Er war gern Herr der Lage. Das gab ihm Sicherheit. Kate würde also vormittags am Flughafen ankommen. „Kannst du mich nicht abholen?“, bettelte sie ihn am Telefon an. Vielleicht war es eine gute Möglichkeit, sie auf Hilary und Emilia vorzubereiten. Andererseits würde Kate dann wie eine Furie auf sie losgehen. „Ich kann dich morgen nicht abholen. Nimm dir einfach ein Taxi.“ „Achso...du willst mich wohl überraschen...“, schlussfolgerte sie darauf. Ihr Gesprächspartner erwiderte darauf nichts weiter und ließ sie in dem Glauben. Dann beendeten sie das Gespräch. „Oh Gott...es kann nicht schlimmer werden.“, er rechnete mit dem Schlimmsten. Kate würde durchdrehen. „Was machen wir denn jetzt?“ „Du wirst gar nichts machen. Ich werde mit ihr reden.“ „Wenn das mal klappt...“ „Mach dir darüber keine Sorgen.“ Hilary schaute bedrückt zu Boden. „Hey...es wird schon schiefgehen.“, versuchte er sie aufzumuntern, was nur bedingt klappte. Er stützte sich auf die Lehne des riesigen Sofas, um die Nachrichten genauer verfolgen zu können. „Wo soll Emilia heute schlafen?“ „Da wo sie letzte Nacht auch geschlafen hat.“ „Aber-“ „Ich hab das Bett neu bezogen. Du schläfst auch da. Ich bleib auf der Couch.“ Ihr fiel ein Stein von der Seele. Jetzt brauchte sie sich keine Sorgen darüber zu machen, dass er wieder bei ihr schlafen würde. Sie legte Emilia schlafen und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Auf der Sitzlandschaft saß Kai angespannt auf den Fernseher blickend. „Kai?“ Angesprochener reagierte nicht. Also trat sie einen Schritt näher an ihn heran und sprach ihn nochmal an. „Kai? Ist alles in Ordnung mit dir?“ „Hm..Ja. Hör mal..ich leg mich schon mal hin. Wenn du noch willst, kannst du noch weiter gucken.“ „Äh okay...Schlaf gut.“ Er schnappte sich das Kissen und legte sich hin. Hilary blieb noch bis spät am Abend sitzen. Bevor auch sie ins Bett ging, schaltete sie den Fernseher aus. Ihr Blick aus einem unerklärlichen Grund auf den schlafenden Blau-haarigen. Er schlief so friedlich. So sah er fast ein bisschen unschuldig aus. Die brünette schlich an die Couch und legte ihm die dünne Decke vorsichtig über seinen Körper. Dann verschwand sie leise ins Bett. Morgen würde ein anstrengender Tag werden. Der Halbrusse war am anderen Morgen schon zeitig auf. Er räumte noch irgendwelche Sachen von A nach B. Hilary wurde davon geweckt. Noch vor dem klingeln des Weckers. Müde öffnete sie die Augen und ihr Blick wanderte durch den Raum. Das Bett und die Möbel waren weiß. Es gab eine Dachschräge mit zwei großen Fenster darin. Sie ließen viel Licht herein, doch durch die Rollos war der Raum noch abgedunkelt. An der Seite gab es zwei Schiebetüren, anscheinend ein Wandschrank. Auch in glänzendem Weiß. Sie schob die Decke von sich und stieg aus. Die junge Frau warf einen prüfenden Blick in Emilia's Bett, doch sie schlief noch. Leise schlich sie nach draußen. Dort sah sie schon Kai, der gestresst wirkte. Er hielt angespannt eine große Tasse Kaffee in der Hand, von der er immer wieder einen Schluck nahm. In Gedanken versunken, stand er vor dem Küchenfenster und sah nach draußen. Was er wohl gerade dachte? Hilary hätte er zu gerne erfahren. Sie wanderte aber erst ins Bad. Kai schien sie nicht bemerkt zu haben. Als sie wieder heraus kam, warf sie ihm ein 'Guten Morgen' zu. Von ihm kam nur ein verlorenes 'Hm'. Als die braunhaarige Frau gerade das Frühstück vorbereiten wollte, winkte Kai ab. Er wollte nichts essen. Er hatte andere Probleme als Hunger. In nicht einmal einer halben Stunde würde Kate's Flieger landen. Dann nochmal eine viertel Stunde Fahrt zur Wohnung. „Ist Emilia wach?“, fragte er Hilary, doch er sah sie nicht an. Die junge Frau schüttelte den Kopf. „Ich werd sie gleich aufwecken.“ „Ja. Ist wohl besser, bevor Kate auftaucht. Wir sollten auch alles wieder so herrichten, als wärst du erst angekommen.“ „Äh ja. Ich werde das Bett gleich machen und meine Sachen zusammenräumen.“, beruhigt atmete er aus. Hilary tat das, was ihr aufgetragen wurde und schon sah die Wohnung wieder so aus, wie bei ihrer Ankunft. Noch 15 Minuten. Kai schaute auf sein Handy. Kate müsste jetzt gelandet sein. „Sonst ruft sie immer an...“, unruhig starrte er aus dem Fenster zur Straße. Nichts. Dann wieder ein Blick auf das Telefon. Auch nichts. Hilary traute sich gar nicht in anzusprechen. Sie setzte sich zu ihrer Tochter auf den Boden und spielte nebenbei mit ihr. Nervös mit dem Fuß auf den Boden tippend, stand Kai immer noch am Fenster und behielt die Straße im Auge. Als ein dunkler Kombi vor ihrem Eingang stehenblieb, zog er die Luft scharf ein. Es stieg jedoch eine ältere Dame aus, die sogleich auf die andere Straßenseite eilte. Erleichtert stieß er die angehaltene Luft aus. Ein paar Minuten später hielt ein Taxi. Wieder vor dem Hauseingang. Dieses Mal stieg seine Freundin aus. Hektisch leitete sie den Fahrer an, ihren Koffer herauszuholen. Sie schlug die Autotür zu, drückte dem Fahrer noch ein paar Scheine in die Hand und stakste ins Treppenhaus. Der junge Russe schaute Hilary erst an. „Es geht los.“ Sie schluckte und erhob sich vom Boden. Kai ging derweil an die Haustür, um seine Freundin zu empfangen. Vor der Tür hörte er es murren und meckern. Scheinbar hatte sie Probleme mit dem schweren Koffer die Treppe hinauf zu kommen. Er lehnte ruhig an der Tür und versuchte sich nichts anmerken zu lassen. „Na endlich!! Kannst du mir nicht mal helfen mit dem Koffer?!“, meckernd zerrte sie an dem schweren Gepäckstück. Ihr Freunde stieg zwei Stufen nach unten und packte den Koffer. „Boah! Jetzt hab ich mir noch einen Nagel abgebrochen! Nur wegen diesem Mist!!“ „Schlechte Laune?“ „Ja! Weil nichts so läuft, wie ICH es will!“; wütend trat sie in die Wohnung und schleuderte ihre Highheels und ihre Handtasche von sich. Als Kai sie auf die folgende Situation vorbereiten wollte, fiel sie ihm dazwischen. „Und dann quatscht mich doch am Flughafen dieser Kerl an und fragt, ob er mich zum Essen einladen kann! MICH!! Der sah aus, als wäre er aus der Gosse herausgekrochen! Nur, weil dieser verdammte Koffer solange bra-“, sie stapfte wild mit den Händen fuchtelnd in das Wohnzimmer, worauf die dunkelhaarige augenblicklich verstummte. Sie blinzelte wiederholt mit den Augen, ehe sie sich ganz langsam umdrehte. Beschwichtigend hob er schon mal seine Arme. „Was. Ist. Hier. Los?“, frage sie den Russen zu ruhig. Es schien in ihr zu brodeln, wie ein Vulkan, der jeden Moment auszubrechen drohte. „Genau darüber wollte ich mit dir reden.“ „Darüber wolltest du mit mir reden?! Wie lange läuft das schon zwischen euch, hm?! Sicher seit dem ihr euch auf dem Mittelalterfest gesehen habt! Und jetzt bringst du sie einfach mitsamt Balg hier in meine Wohnung!!“, sie zeigte ungehalten mit ihrer Hand auf Hilary, die teilnahmslos im Raum stand. Bevor Kate sich noch weiter in Rage redete, griff Kai ein. „Erstens, ist das meine Wohnung. Und zweitens, ist das mein Besuch und sie bleibt.“, seine Betonung der Wörter lag gezielt auf seinem Eigentum, denn Kate steuerte nichts dazu. Doch diese Antwort, war die falsche für Kate. „Bitte, was?! Damit du sie weiter ungehindert vögeln kannst, oder was?! „Nein. Sie bleibt hier, weil ihre Wohnung nicht mehr sicher ist.“, Kai blieb erstaunlich ruhig, bei den ganzen Beschuldigungen. Doch Kate hörte ihm nicht mal zu. Sie stürmte ungehalten in das Schlafzimmer. „Und hier habt ihr es sicher miteinander getrieben! Ich fasse es nicht! Das du mir so etwas antust!!“, sie wütete wie eine Furie durch die Räume. Jetzt meldete sich Hilary auch zu Wort, um die Situation zu entschärfen. „Ich bin erst seit heute früh hier...“, sagte sie leise, aber sodass Kate es verstehen konnte. Sie funkelte Hilary böse an, ehe sie gezielt zu Kai herumfuhr. „Klar! Das habt ihr ja fein einstudiert! Ganz ehrlich Kai, ich hatte dich für klüger gehalten! Und jetzt werde ich gehen!“, sie stampfte in den Flur zurück und zog ihre Highheels wieder an. „...und wenn ich wieder nach Hause komme,“ Sie zeigte drohend auf Hilary. „...ist die da..und das Balg da wieder wieder weg! Klar?!“, sie griff nach ihrer Handtasche und schleuderte die Wohnungstür zu. Kai fuhr sich durch die Haare und verdrehte die Augen, als die braunhaarige etwas näher kam. „Das hat ja super geklappt...“, fast zeitgleich sprachen sie diesen Satz aus und mussten unweigerlich grinsen. „Mal sehen, wann sie wieder auftaucht. Kann nicht allzu lang dauern. Kaufen kann sie ja erstmal nichts.“, er wusste genau, dass seine Freundin nichts mehr mit seiner Kreditkarte anstellen konnte. Hilary kam nach kurzem Nachdenken auch auf des Rätsels Lösung und nickte. „Solltest du nicht hinter ihr hergehen?“ „Einen Teufel werd' ich tun.“, unbeirrt ging er an der braunhaarigen vorbei in die Küche und trank ein kleines Glas voll eisgekühlten Wodka. Dass sah ihm ähnlich. Als würde Kai einer Frau nach rennen. Bevor das passierte, würde sich die Welt auf tun. „Sie wird bald wieder da sein und dann werde ich nochmal mit ihr reden.“ „So wie eben?“ Für diesen frechen Kommentar erntete sie einen finsteren Blick von dem jungen Mann. „Das ist eben das russische Temperament.“ „Achso....“ Kapitel 18: Sturm ----------------- Kapitel 18 Nach ihrer misslungenen Rückkehr, suchte Kate gezielt nach Ablenkung. Sie telefonierte kurz mit einer Freundin, die auch sofort für sie Zeit hatte. Von Beruf Tochter. Sie trafen sich in einem Café in der Nähe ihrer Wohnung. Dort ließ sie all ihren Frust über das eben erlebte heraus. Wie konnte er einfach so mit einer anderen in ihrer Wohnung herummachen? Sie hatte damals schon den Verdacht, dass zwischen Kai und Hilary etwas lief, doch sie glaubte ihrem Freund. Es vergingen über zwei Stunden, bis sich ihre Freundin verabschiedete und zu einem 'Termin' musste. Kate verließ das Café und überlegte was sie jetzt anstellen sollte. Zurück zu ihm und seiner Geliebten? Vielleicht war sie schon weg, dann könnte sie zurück. Sie entschied sich aber dagegen und spazierte durch die Straßen. Es war zwar bewölkt, doch regnete es nicht. Verloren schaute sie sich die ausgestellten Kleidungsstücke der teuren Läden an. Sie konnte sich ja nichts kaufen, da ihre Kreditkarte zeitweise wieder nicht funktionierte. Zu ihrem Übel fing es doch noch an zu regnen. Und natürlich hatte sie keinen Schirm dabei. Und in einem Laden solang ausharren, bis der Regen nachließ, konnte sie auch nicht. Schlecht gelaunt, aber mit gehobener Nase eilte sie nach Hause. Von Hilary würde sie sich nicht ins Aus kicken lassen. Im Hausflur kramte sie in ihrer Handtasche nach dem Wohnungsschlüssel. Als sie ihn endlich fand, holte sie noch einmal tief Luft und schloss auf. Drinnen erwartete sie Kai. Und im Flur sah sie noch immer die anderen Paar Schuhe. Er hatte sie also nicht weggeschickt. Kate trat ungehalten gegen die Schuhe der braunhaarigen um sich ihrer Wut Luft zu machen. Das Poltern vernahmen auch Hilary und Kai, der sich direkt auf den Weg in den Flur machte. „Hey.“ „Was willst du?!“, fuhr sie ihn giftig an. „Mit dir reden.“, antwortete er ruhig. „Pfff...du hast dich ja wohl entschieden.“ „Ist das dein Ernst? Geht das schon wieder los...“ „Wer hat denn damit angefangen?!“, schrie sie ihn wieder wutentbrannt an und steuerte mit ihren durchnässten Sachen ins Bad. Kai folgte ihr. Er hielt sie am Handgelenk fest. „Fass mich nicht an!“, sie entzog sie seinem Griff. Als die dunkelhaarige die Tür zu schlagen wollte, hielt Kai dagegen und verschwand mit ihr im darin. Dann konnte man nur noch gedämpfte Stimmen hören und eine Unterhaltung die auf Russisch geführt wurde. „Toll...ich versteh kein Wort...“, beschwerte sich die Brünette bei ihrer Tochter. Vielleicht war es auch besser, denn Kate benutzte einige unschöne Worte, um Hilary zu benennen. Kate war immer noch auf Hochtour. Ihr Puls raste in ihrem Körper. Dass Kai sie jetzt noch nervte, passte ihr überhaupt nicht. Dabei saß er nur auf dem Wannenrand und beobachtete sie. „Was ist denn?!“, fragte sie ihn schnippisch, als sie sich der nassen Sachen entledigen wollte. „Du bist ziemlich zickig. Kriegst wohl deine Tage, hm?“, er zog sie gerne auf, wenn sie vor Wut loderte. Und seine Frage tat ihr übriges. Wütend stampfte sie auf die Fliesen. „Raus!“, schrie sie voller Wut, doch Kai bewegte sich keinen Zentimeter. „Aaargh! Dann bleib doch da!“, resigniert von seiner Trotzigkeit, begann sie sich der klebenden Kleidung zu befreien. Sie merkte den verstohlenen Blick von Kai. Als sie sich umdrehte, grinste er sie nur frech an. „Nichts, was ich nicht schon gesehen hätte.“ „Kannst ja zu deiner Geliebten gehen, wenn du so geil bist!“ „Sie ist nicht meine Geliebte.“, seufzte er genervt auf. „Sie ist eine gute Freundin von damals. Ich hab sie hergeholt, weil sie in ihrer Wohnung von einem geistesgestörten Psychopathen bedroht wurde.“ „Und?“, war sie simple Antwort auf seine Erklärung. Dann stieg sie unter die Dusche. „...woher kommt dein plötzliches Helfersyndrom?“ Darauf wusste er keine Antwort. Er konnte ihr ja schlecht sagen, dass er die beiden beschützen wollte. „Hm?!“ „Kate....Es gibt da etwas, dass du wissen solltest...“, begann er zögerlich zu sprechen. Er schluckte schwer und versuchte es so schonend wie möglich mitzuteilen. „Also...es gibt noch einen anderen Grund, warum ich ihr geholfen habe...“ Kate antwortete ihm wieder nichts, sondern wartete darauf, endlich die Wahrheit zu hören, die sie sich schon zurecht gelegt hatte. Der junge Russe zögerte noch einen Moment und sein Blick war auf die Bodenfliesen gerichtet. „Emilia...ihr Kind...ich bin der Vater.“ Plötzlich verstummte das Rauschen des herabfließenden Wassers. Die jetzt herrschende Stille dröhnte Kate so sehr im Kopf, dass sie nicht wusste, was sie denken sollte. Sie war weder wütend noch enttäuscht. In ihr nur endlose Leere. Als die Tür ins Schloss fiel, kam sie wieder zu sich. „Vater....was?“, war das einzige was sie hervorbrachte. „Ich hab es ihr gesagt...“ Kai stand nun mitten im Wohnzimmer und starrte seine kleine Familie an. Er stand zwischen den Fronten. Jetzt würde alles zerbrechen. Was sollte er jetzt tun? Zu wem sollte er stehen? Zu seiner Tochter oder zu seiner Partnerin? Die braunhaarige konnte gerade nicht glauben, was er zu ihr gesagt hatte. Ihre Augen starrten ungläubig auf den Boden. „Es ist alles aus.“, murmelte die junge Mutter zu sich selbst. Kate würde sie umbringen. Wieder kam in ihr diese Angst hoch, die sie vor einigen Tagen verspürte, als sie so bedroht wurde. Ja, jetzt hatte sie auch diese Todesangst. Sie kannte Kate und ihre Reaktionen nicht. Doch wie Hilary sie bereits erlebte, musste sie mit dem Schlimmsten rechnen. „Ich werde gehen.“ „Und wohin?!“, fuhr er sie an. „Keine Ahnung...ich finde schon was. Ich will euch nicht weiter im Weg stehen. Es war ein Fehler, dass wir uns getroffen haben.“, Hilary war den Tränen nahe. Doch anders konnte sie momentan nicht reagieren. „Hilary.. sei doch nicht dumm. Bleib hier.“, entschlossen stellte er sich in den in den Rahmen und versperrte ihr den Weg. Hilary wollte sich aber nicht weiter diesem Druck hingeben. Das war zu viel für sie. Aufgelöst rollten die ersten Tränen der Überforderung über die Wangen. „Ich will so nicht weiter machen...“, schluchzte sie. „Das wirst du auch nicht. Vertrau mir. Bitte...“, er hielt sie an den Armen fest, sodass sie nicht weitergehen konnte. Niedergeschlagen rang sie wieder mit der Fassung. Kai sah die junge Japanerin durchdringend mit seinen rubinroten Augen an. Sie wurde noch unsicherer. Aber sie erkannte die Zuversicht in seinen Augen. „Nur dieses eine Mal. Bitte...“, wiederholte er seine Worte nochmal ganz leise. Kapitel 19: Drang ----------------- Kapitel 19 Während Kai versuchte Hilary davon zu überzeugen bei ihm zu bleiben, stand seine Freundin noch unter der Dusche. Sie hatte das Wasser wieder aufgedreht. Jetzt hatte sie endlich Gewissheit. Kai war mit Hilary im Bett. In ihr stieg wieder die unbändige Wut auf. Sie wollte Kai nicht teilen. Mit niemandem! Im Wohnzimmer beruhigte sich Hilary langsam. Sie musste sich zusammenreißen, denn ihre Tochter verstand nicht, was passierte und war total verunsichert. Hilary tröstete das kleine Wesen, obwohl sie selbst Trost gebraucht hätte. Kai lehnte an der Couch mit dem Rücken zur Brünetten. Wie sollte er jetzt weiter machen? Doch zum Nachdenken darüber kam er nicht mehr, denn Kate verließ das Bad. Zielstrebig kam sie ins Wohnzimmer und stand nun neben ihrem Freund. Den Blick starr aus dem Fenster gerichtet. „Wie oft lief da was zwischen euch?“, sagte sie ohne die Miene zu verziehen. „Es war ein einziges Mal.“, antwortete Kai ihr ebenso regungslos. „Du hast mir gesagt, dass du nichts mit ihr hattest.“ „Das war vor deiner Zeit. Und...was währenddessen passierte ist, wusste ich nicht.“ Die junge Mutter schaute schuldbewusst auf den nussbaumfarbenen Parkettboden. „Es tut mir leid...“ „Hör auf dich zu entschuldigen! Es ist jetzt eh zu spät!“, fuhr der Russe sie ungehalten an. Hilary schreckte darauf kurz zusammen. „Hm...“ „Und nun soll sie hier mitsamt Balg wohnen?! Wie stellst du dir das vor?!“ „Pass auf wie du redest!“, ohne einen Gedanken darüber zu verlieren, verteidigte er seine Tochter mit scharfem Ton. Kate biss sich unzufrieden auf die Lippe und verdrehte dabei krampfhaft ihre Augen. „Und wenn ich schlafe, dann treibt ihr es dann auf der Couch?, stocherte Kate nochmal nach. Genervt davon, schloss Kai die Augen und verzog sein Gesicht. Es würde keinen Sinn machen diese Diskussion weiter zu führen. Also schwieg er jetzt. „Ihr solltet euch lieber anfreunden, denn ihr werdet in Zukunft mehr Zeit miteinander verbringen.“, sprach er noch, bevor er sich von der Lehne abstieß, um in der Küche etwas zu essen. Da die Situation für ihn geklärt war, konnte er wieder etwas Essen. Kate starrte die brünette noch grimmig an und rümpfte ihre Nase. Hilary dagegen versuchte ein freundliches Gesicht aufzulegen. Im Hinterkopf schwirrte allerdings noch das ungute Gefühl vor Kate. Sie würde heute Nacht kein Auge zu tun können. „He, wollt ihr auch was essen?“, rief der Halbrusse aus der Küche. Schnellen Schrittes eilte Kate zu ihm und sah ihm im Vorbeigehen ins Gesicht. „Glaub ja nicht, dass das Thema schon vom Tisch ist.“, fauchte sie ihn an. „Hilary, willst du auch?“, er beachtete ihr Gezeter nicht weiter, sondern stellte das Essen von gestern auf den Tisch. Die Gemüsepfanne schmeckte kalt genauso gut wie erwärmt. Nach dem Mittag zog Hilary ihre Tochter an, um mit ihr spazieren zu gehen. Gestern waren sie nur einkaufen und danach nicht weiter draußen. Und ihr fiel die Decke auf den Kopf. Der Regen hatte nachgelassen und es tröpfelte nur noch vereinzelt. Jetzt war eine gute Zeit für einen Spaziergang. Die Luft war schön frisch. Kai half ihr den Kinderwagen nach unten zu tragen und verabschiedete sich von ihr. Kate wartete oben schon sehr ungeduldig auf ihn. Jetzt könnte sie die Diskussion noch einmal entfachen. Als Kai oben ankam, stand sie schon in der Tür. Seinen Kopf ausgeschaltet, zog er seine Schuhe unachtsam auf. Ehe Kate ihn ansprechen konnte, versiegelte er ihre Lippen mit einem stürmischen Kuss. Er legte hastig seine Arme an ihre Taille und führte sie rückwärts ins Wohnzimmer. Die dunkelhaarige Russin ließ sich anstandslos von ihm führen und erwiderte seinen stürmischen Kuss. Er gehörte ihr. Nur ihr allein. Und sie würde ihn um nichts in der Welt hergeben. Hektisch tasteten ihre Hände seinen Körper ab, den sie seit einer geschlagenen Woche nicht mehr berührt hatte. Sein Hemd roch nach seinem Parfüm. Er duftete immer so gut. Das machte sie noch mehr an. Während sie sich dem Sofa näherten, köpfte Kate sein Hemd auf und streifte es ihm über die Schultern herunter. Ihre Hand wanderte über seine muskulöse Brust. Ein unterdrücktes Stöhnen konnte sie vernehmen und sie machte weiter. Es ging ihm sicher nicht anders. Er konnte sie auch nicht berühren, nicht spüren. Da staute sich einiges auf an Gefühlen. Auf beiden Seiten. Der blau-haarige drängte sie näher an die Couch und ohne Widerstand ließ sie sich darauf nieder. Sie zog sich ihr enges Top über den Kopf. Kai hielt dabei einen Augenblick lang inne und beobachtete sie dabei genau, um sich dann vorsichtig auf sie sinken zu lassen. So gleich schlang sie ihre Beine um seine Hüften. Wilde Küsse und Neckereien der beiden, zogen sie immer weiter in den Bann der Lust und Begierde... Erschöpft lag Kate auf der durchwühlten Couch. Ein Bein angewinkelt und auf seinem Oberschenkel gelegt. Sie bekam immer das, was sie wollte. Kai lag neben ihr und atmete noch unruhig von der körperlichen Tätigkeit. Sein Blick klebte an der weißen Decke des Raumes. „Das war der Wahnsinn...“ „Hm...“ „Kai?“ „Hm...?“ „Du bleibst doch immer bei mir, egal was passiert, oder?“ „Hm...“ „Und du liebst mich doch, oder?“ „Hm...“ Er hasste diese Gespräche nach dem Sex. Jedes Mal versuchte sie ihm Liebesgeständnisse aus der Nase zu ziehen. Obwohl er ihr schon öfter klar machte, dass er auf so etwas nicht stand. Trotzdem war seine Freundin jetzt wieder glücklich und alles andere war vergessen. Wie primitiv sie doch war. „Hör mal...ich will, dass du dich zusammenreißt, wenn Hilary wieder zurück ist.“ „Hmmm...aber nur, wenn du mir zeigst, dass ich dir gehöre. Auch, wenn sie hier ist.“ „Das tust du sowieso.“, er drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Stirn, ehe er seine Hose überstreifte. Kate sah ihm dabei zu und genoss diesen Anblick. Sie gehörte ihm. Dass hatte er ihr gesagt und gezeigt. Sie war unglaublich zufrieden. Ihr Freund ging derweil auf den kleinen Balkon und rauchte eine Zigarette. Die Luft war angenehm kühl nach dem Regen, denn in ihm herrschte noch die Hitze des Gefechts. „Wie lang muss ich sie eigentlich ertragen?“, rief die Russin nach draußen. Das war eine gute Frage. Darüber dachte er noch nicht nach. „Keine Ahnung.“ Grummelnd drehte sie sich auf den Bauch. Mit der einen Hand fischte sie nach ihrem Slip und ihrem BH. Sie glitt federleicht in die Unterwäsche und erhob sich. Ihr Blick fiel auf den Glastisch. Kai's Handy vibrierte. Neugierig sah sie auf das Display. „Hey, dein Handy klingelt!“ Der blau-haarige kam herein und nahm das Gespräch sofort an. Er sagte einen Moment lang nichts, sondern hörte dem Gesprächspartner nur zu. Anscheinend redete eine Frau mit ihm. Das konnte Kate verstehen. Als Kai seine Augen verdrehte und seinen Laptop unter dem Tisch hervorzog, wurde sie neugierig. Er klappte das Gerät auf, öffnete das Internet und tippte einige Buchstaben in die Suchleiste. Er überlegte kurz. „Nächste Woche? ...Gut. Bis dann...“ „Wer war denn das?“, erkundigte Kate sich gleich bei dem Russen. Dieser nahm seinen Blick nicht von dem Laptop und klickte nur weiter auf der Internetseite herum. „Hallooooo?“ „Wir fliegen zurück nach Russland. Mila hat uns eingeladen...“, er bestätigte die Buchung der Flugtickets für nächsten Montag. Dann klappte er den Laptop wieder zu und verstaute ihn unter dem Tisch. „Oh, das ist ja wunderbar~“, trällerte Kate los, voller Vorfreude wieder in ihre Heimat zurück zu kehren. Hier in Japan gefiel es ihr nicht. Es war ihr zu laut, zu stressig und die Wohnung war ihr auch viel zu klein. „Wann fliegen wir?“ „Montag.“ „Perfekt!“, freudestrahlend sprang sie von der Couch. Dann eilte sie ins Schlafzimmer, um ihren Schrank nach passender Kleidung zu durchforsten. Kai verblieb im Wohnzimmer. Ausgelaugt legte er seinen Kopf auf dem Tisch ab und schloss seine Augen. „Die haben sich doch alle gegen mich verschworen...“, murmelte er vor sich hin. Am Nachmittag kehrte Hilary wieder zurück. Sie stand vor dem Hauseingang und zögerte noch zu klingeln. Ob die beiden alles geklärt hatten? Sie drückte auf den Knopf und wartete. Nach ein paar Minuten wurde ihr geöffnet. Sie nahm Emilia aus dem Wagen und stieg die Treppen hinauf. Oben schritt sie bedächtig in den Flur, so leise es ging. „Ich...bin wieder da...“, rief sie leise durch den Flur. Emilia plapperte freudig vor sich her. Sie schlief die ganze Zeit und war nun putzmunter. „Hey.“, kam es von Kai gelassen. Er saß vor seinem Laptop und arbeitete. Dieser Papierkram regte ihn auf. Er hätte sich eine Sekretärin anstellen sollen. Andererseits war er ohne Sekretärin besser dran. Er arbeitete gewissenhaft und wenn er Fehler machte, brauchte er sich nicht für jemand anderes entschuldigen. Die braunhaarige setzte sich auf den Couch, nachdem sie ihre Tochter auf den Boden gelegt hatte. Emilia drehte sie freudig auf den Bauch und versuchte los zu robben. „Ich muss noch arbeiten.“ „Lass dich nicht stören...“ Kate stürmte sofort, als sie die weibliche Stimme von Hilary vernahm, ins Wohnzimmer. Kontrolle war eben besser, fand sie. So blieb sie den gesamten Abend immer in der Nähe ihres Freundes, ohne Hilary dabei aus den Augen zu lassen. Kapitel 20: Unruhe ------------------ Kapitel 20 Die nächsten Tage verliefen ähnlich. Kate ließ ihren Kai nicht mehr allein in der Wohnung. Er konnte sich nicht einmal mit Hilary unterhalten, ohne dass sich einmischte und die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Obwohl sie wusste, dass Kai nichts mehr mit Hilary hatte, misstraute sie ihm. Am Samstag Abend hing der junge Russe noch über einigen Aufzeichnungen für die Trainingshalle, die in Moskau gerade gebaut wurde. Hilary legte Emilia ins Bett und jetzt hoffte sie, dass der Abend ruhig verlaufen würde. Kate sprach noch kein einziges Wort mit ihr, stattdessen zerriss sie die Japanerin mit ihren furchteinflössenden Blicken. Als Hilary an der Couch vorbeiging, konnte sie einen Blick auf seine Arbeit erhaschen. „Ist das, dass Zentrum, das du planst? Das ist ja riesig!“ Ein stummes Nicken bekam sie zur Antwort. „Allerdings...gibt es ein paar Probleme mit der Raumverteilung....und ich finde, verdammt noch eins, keine passende Lösung.“, ausgelaugt lehnte er sich an. „He! Lass ihn in Ruhe arbeiten! Er braucht deine Kommentare nicht zwischendrin!“, fauchte Kate in Richtung der Brünetten. Unbeirrt davon, wand sich Kai an sie. „Hast du irgendeine Idee?“ Erstaunt sah sie den Russen an, und dann über seine Schulter auf den Laptop. Unsicher schaute sie aus dem Augenwinkel auf Kate. Die versuchte mit ihren Augen Kai zu bezwingen, denn sie durfte sich nicht in seine Arbeit einmischen. Und Hilary fragte er jetzt einfach nach einer Idee? Kate musste bei diesem Augenduell hoffnungslos kapitulieren. „Kannst du mir erklären, wie du dir das vorstellst?“, wollte Hilary nun genauer wissen. Sie verbrachte damals mehr Zeit in den Räumen der BBA, als alle Bladebreaker zusammen. Und jetzt hoffte er auf ihre Hilfe. Kai schilderte ihr ruhig und verständlich was er sich vorstellte und wo was hin sollte. Doch wieder stand er vor seinem Problem. Die Trainingsräume sollten Zentral liegen. Erreichbar von allen Seiten. Doch er plante in den oberen Etagen Büros der Mitarbeiter. Das war aber nicht möglich, durch die enorme Höhe der Trainingshalle. Hilary hörte ihm aufmerksam zu und überlegte dann. Dabei stützte sie sich auf der Lehne des Sofas ab und fing sich umgehend einen durchdringenden Blick von Kate ein. Sofort fuhr sie hoch und blieb stehen ohne sich anzulehnen. Scheinbar war sie zu nah an Kai. „Hm...schwierig...du hast ziemlich hohe Ansprüche an den Bau.“ „So soll es sein. Ich will kein 0815-Trainingszentrum. Es soll den Sport und die hohe Qualität unserer künftigen Trainer und Schüler repräsentieren.“ „Das passt zu dir...“, rutschte ihr nebenbei heraus. Sofort fuhr Kate herum. „Sag mal, du glaubst wohl, dass du ihn kennst, hä? Du weißt gar nicht über ihn, dass du dir so ein Urteil erlauben kannst!!“ „Ich kenne ihn mit Abstand schon länger, als du ihn.“, platzte es erstaunlich trocken aus ihr heraus. „Was war das gerade?!“ „Hey! Ruhe! Hilary kennt mich länger als du. Und du kennst mich aus einer anderen Perspektive als sie, klar?“ Wütend schnaubte Kate ihn an. „Sorry...“, entfuhr es Hilary, als sie realisierte, was sie gesagt hatte. Kai atmete einmal tief ein und ließ die Luft durch die Nase geräuschlos wieder heraus. „Hast du nun eine Idee, oder nicht?“ „Öh...da muss ich mir erstmal Gedanken drüber machen. Jetzt aus dem Stand heraus, hab ich keine.“ „Ok...“, er klappte seinen Laptop zusammen und beendete seine Arbeit fürs erste. Vielleicht konnte Hilary ihm noch den entscheidenden Tipp geben. Sie setzte sich das äußere Ende der Couch, um Kai nicht zu Nahe zu kommen. Und Kate, die legte demonstrativ ihren Kopf auf seinen Schoß, nachdem er die Beine auf dem Tisch ausgestreckt hatte. Darauf schüttelte Kai fast nicht sichtbar mit dem Kopf und sah auf den Fernseher. Kate schaltete irgendeinen Liebesfilm an. Sein absolutes 'Lieblingsprogramm'. Ein Liebesdrama wie es kitschiger nicht sein konnte. Er sah sie. Die Traumfrau seines Lebens. Dann durch ein schicksalhaftes Ereignis getrennt und nach 5 Jahren dramatisch wieder vereint wurden. Während alle mehr oder weniger gespannt auf den Film achteten, schlief Kate auf seinem Schoß ein. Er merkte erst später, durch ihr gleichmäßiges Atmen, dass sie eingeschlafen war. „Wir fliegen Montag nach Russland zurück.“ Die junge Frau bewegte sich nicht, sondern senkte ihren Kopf. „Wir wurden eingeladen bei...“ „Achso...“, redete sie ihm dazwischen.“ „...meiner Tante...sie würde sich sicher freuen, wenn...sie meine Tochter kennenlernen könnte.“ Hilary hob ihren Kopf und starrte Kai entsetzt an. Hatte sie richtig gehört? Hieß das, dass er Emilia mit nach Russland nehmen wollte? Der Blick, der jungen Frau, verwandelte sich in Verzweiflung. „Du willst...Emilia...mitn...nehmen...?“, hauchte sie mit zitternder Stimme. „Ja.“, seufzte er schwer. „Und dich auch...ohne dich wäre ich komplett überfordert mit dem kleinen Sturkopf.“ Ihre rehbraunen Augen weiteten sich. „Nein...das geht nicht...“, sagte sie mit bebender Stimme. „Du hast nichts zu verlieren.“, sprach er, ohne seinen Blick vom Fernseher abzuwenden. „Nimm den Laptop und mach das Internet auf. Dann buchst du noch zwei Tickets für dich und Emilia.“ „Aber ich muss wieder arbeiten, das geht nicht!“, wiederholte sich die brünette, doch Kai's Augen ruhten entschlossen auf ihrem Gesicht. „Darum werde ich mich kümmern.“ „Ab-“ „Los! Bevor sie wieder aufwacht.“, er der Blau-haarige nun mit etwas Nachdruck und zeigte auf Kate. Hilary nahm zögernd den Laptop hervor und versuchte kein Geräusch dabei zu machen. Sie klappte das Gerät auf und buchte die zwei Tickets nach Russland. Als sie den Laptop gerade zuklappte, regte Kate sich. Sie rieb sich verschlafen die Augen. „Na, ausgeschlafen?“,Kai schaute sie ruhig an und strich ihr die Haare aus dem Gesicht. Ein Grinsen huschte dabei über ihr Gesicht. „Lass uns schlafen gehen.“ Kate stand auf und griff nach der Hand des Russen. Kräftig zog sie an ihm , damit er endlich aufstand. Träge erhob er sich. „Nacht.“, kam er noch von Kai, bevor er schon von seiner Freundin ins Schlafzimmer gezogen wurde. Dann hörte sie nur noch, dass die Tür abgeschlossen wurde. Rücklings ließ sie sich fallen. „Oh Gott...wie soll ich das nur durchstehen?“ Die junge Frau war überfragt von ihrer eigenen Frage. Sie schaltete den Fernseher aus und starrte an die Decke. Sie konnte doch nicht einfach aus Japan verschwinden. Was, wenn ihre Eltern nach ihr suchen würden? Auf der anderen Seite, hatte sie wirklich nichts, was sie hier hielt. Hin und hergerissen von ihren Gedanken, schlief sie in ihrem Wirrwarr ein. Den Sonntag verbrachte Kate damit, ihre Sachen zusammen zu packen, die sie mit nach Russland nehmen würde. Auf dem Bett des Paares lagen ihre Kleider verstreut herum. Eins hielt sie sich vor den Körper um es dann achtlos auf das Bett zu werfen. „Oaarhh...ich hab nichts zum Anziehen! Kai! Ich brauche neue Klamotten!!“, bettelte sie den noch schlafenden Mann an. Dieser drehte sich knurrend mit dem Kopf auf die andere Seite des Bettes. „Es ist Sonntag...da kriegst du nichts...“, murrte er verschlafen und öffnete ein Auge, um die Uhrzeit zu erfahren. Stöhnend rutsche er herum auf den Rücken und breitete die Arme auf dem Bett aus. „Hey!! Pass doch auf! Meine Kleider!!“ „Krieg dich mal ein...“, es war noch zu früh am Morgen. Sonst war mit Sicherheit kein Langschläfer, aber irgendwann brauchte auch er mal etwas mehr Schlaf. Kate wühlte sich weiter durch ihren Kleiderschrank, während Kai sie im Halbschlaf beobachtete. Sie kramte den Koffer hervor, aus dem sie nochmal zwei kleinere hervorzauberte und dann die ausgewählten Kleidungsstücke hineinlegte. Die kleinsten Koffer stellte sie an die Tür. Da würden ihre Schuhe Platz drin finden. „Oh Gott!! Ich muss mir die Nägel nochmal machen lassen! So kann ich nicht nach Russland zurück!“, erschrocken schaute sie auf ihre Fingernägel. Und aus dem Bett dröhnte wieder ein Stöhnen. „Ich muss Jana sofort anrufen...die hat bestimmt Zeit mir die Nägel noch zu machen...“ So telefonierte sie mit ihrer Freundin, die sie am Nachmittag zu sich ins Nagelstudio bestellte. „Oh du bist ein Engel, Jana! Bis später!“, freudestrahlend eilte sie zu Kai, der alles mitgehört hatte, und erzählte ihm alles noch einmal ausführlich. Der drückte sich nur das Kissen aufs Gesicht, in der Hoffnung, dass er schnell ersticken würde, um dem unaufhörlichen Gerede zu entkommen. Im Wohnzimmer schlief Hilary noch. Sie musste sich die Couch unfreiwillig mit Emilia teilen, die in der Nacht ständig aufwachte. Jetzt konnten beide ihren Schlaf nachholen. Die dunkelhaarige Russin kam aus dem Schlafzimmer und sah Hilary auf der Couch liegen. Sie sah die brünette zum ersten Mal genauer an. So genau hatte sie Hilary noch nie betrachtet. Friedlich schlafend lag sie dort mit ihrer Tochter im Arm. Die kleine Hand hielt einen Finger ihrer jungen Mutter fest. Doch Kate war wieder einmal unzufrieden. Dass sie ein Kind von ihrem Kai hatte, wollte nicht in ihren Kopf. Dass er etwas mit ihr hatte. Unvorstellbar. Ärgerlich trampelte sie in die Küche und verursachte absichtlich Lärm. Sie konnte durch Emilia nicht schlafen, also sollte sie jetzt auch nicht mehr schlafen. Aufgeschreckt durch das Getrampel, setzte sie sich auf und schaute sich um. „Morgen...“, sagte Hilary höflich, wie sie war, doch Kate würdigte sie keines Blickes. Die junge Japanerin nahm vorsichtig Emilia auf den Arm und legte das schlafende Bündel in das Reisebettchen. Unbeirrt von ihrer Ignoranz, redete sie normal mit Kate weiter. „Ich geh schnell duschen, oder wolltest du ins Bad?“ „Ich hab noch andere Sachen zu erledigen, bevor ich mit Kai nach Moskau fliege. Geh nur...“, sagte monoton und widmete sich dem Kaffeeautomat. Kate freute sich innerlich darauf, dass sie die brünette in nicht mal 24 Stunden wieder los sein würde. Dann müsste sie ihren Kai nicht weiter teilen, denn Hilary war immer noch potenzielle Konkurrenz, da sie schon mit ihm im Bett war. Die Russin nahm ihren Kaffee aus dem Automaten und ließ sich auf einen der Barhocker nieder. Hilary beeilte sich währenddessen mit der Morgentoilette, um Emilia nicht so lang allein zu lassen. Beim Duschen dachte sie an morgen. Sollte sie wirklich mitfliegen? Und wusste Kate, dass Kai die beiden mitnehmen wollte? Manchmal war es zum verrückt werden, so viel wie sie nachdachte. Aber konnte es ihr einer verübeln? Ein Seufzten verließ ihre Lippen. Unentschlossen stieg sie aus der Dusche und trocknete sich ab. Kai bemühte sich nun auch aus der anderen Hälfte des Bettes. Dort langen glücklicherweise nicht so viele Klamotten herum, wie auf der Hälfte von Kate. Kopfschüttelnd zog er seine Hose an. Er überflog das Schlachtfeld auf dem die Russin wütete. Ein Meer aus Kleidern und Hosen und Oberteilen. Und der Kleiderschrank sah auch aus wie Bombe. „Und da braucht sie noch mehr Klamotten?“, er zog zwei nagelneue Teile heraus, an denen noch die Preisschilder hingen. „Die hat sie noch nicht einmal getragen...Zeit wird’s...“, und schmiss die Teile in ihren Koffer. Er musste auch noch packen. Zumindest das Nötigste. Aber das hatte noch Zeit bis zum Abend. Jetzt brauchte er eine Dusche zum Wachwerden. Leise schlich er aus dem Zimmer, durch den Raum in dem Emilia schlief, in den Flur, zum Bad. Er wollte gerade die Tür öffnen, da kam Hilary heraus. Mit Schwung öffnete sie die Tür und es polterte ordentlich. Ein Aufschrei von ihr und ein unterdrückter Schmerzlaut, gefolgt von einem vernichtenden Blick, war zu hören. Kate lief sofort zum Unglücksort. „Verdammt! Erst trittst du mich grün und blau und jetzt brichst du mir die Nase! Machst du das mit Absicht?!“, giftete er die hilflos blickende Hilary an. „Oh nein! Es tut mir so unendlich leid! Ist alles in Ordnung?“, sie nahm seine Hand von der Nase, um die blutende Nase zu betrachten. Konnte der noch schlimmer werden für ihn? „Verdammt! So ein scheiß Tag!“, fluchte er weiter. „Was ist denn hier los?! Nimm deine Finger von MEINEM Freund! Oh Liebling! Was hat sie mit dir gemacht??“, gespielt über fürsorglich, schlug sie die Hand ihrer Konkurrentin beiseite. „Halb so wild. Ich hab nur die Tür abbekommen.“, versuchte er die Situation direkt zu entschärfen. „Hast du keine Augen im Kopf?!“ „Tut mir leid...ich konnte nicht ahnen, dass Kai gerade jetzt hier vorbeikam!“ „Toll! Dann denk gefälligst mit! Du bist hier nicht alleine, klar?!“ „Krieg dich ein...es ist nicht so schlimm, dass ich gleich sterbe...“, er entzog sich dem besorgten Griff der Freundin. Hilary schob er an die Seite und schloss die Badezimmertür umgehend ab. Hilary kassierte noch einen finsteren Blick von Kate. Peinlich berührt schlappte sie ins Wohnzimmer. Konnte ihr Tag noch schlimmer werden? Kapitel 21: Hilfe ----------------- Kapitel 21 Mit schmerzender Nase stand Kai vor dem Spiegel und wischte sich das Blut weg. Dabei verschmierte er das ganze mehr, als es abzuwischen. Was Kate daraus so ein Spektakel machen musste, war ihm schleierhaft. Es war schlicht und einfach Pech. Er entblößte sich und nahm eine heiße Dusche. So viel Stress und Hektik am Morgen, verbesserte seine Laune nicht unbedingt. Kate folgte Hilary zurück ins Wohnzimmer und durchlöcherte sie mit ihren starren Blicken. Dabei musste sich Hilary nicht einmal umsehen, um das zu bemerken. Allerdings versuchte sie sich ihr Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. Zärtlich weckte sie ihre Tochter, die sie verschlafen anblickte. Als sie ihre Mutter erkannte, lächelte sie und gähnte erst einmal ausgiebig. Das steckte Hilary gleich an und sie gähnte auch. „Kannst du diese Steinzeitgeräusche mal unterdrücken?!“, bemerkte sie schnippisch zur braunhaarigen. „Ja...“, Kate war schlimmer als ihre Eltern. Die hatten sie auch immer zurechtgewiesen. Und jetzt musste sie sich das wieder anhören. Sie erwiderte lieber nichts darauf, sondern machte Emilia hübsch zurecht. Sie zog ihr eines der kleinen Kleider an, die Kai ihr damals gekauft hatte. Nun lag sie auf dem Boden mit ihrem zart rosafarbenen Pünktchenkleid und weißen Söckchen. Kate schaute sich die kleine an und hatte gleich wieder einen Kommentar bereit. „So etwas ziehst du deinem Kind an? Das grenzt ja schon an Geschmacksverirrung...wenn du dich genau kleidest, würdest du in Russland nicht mal eine Stunde überleben.“ „Nein...ich habe nicht vor ein rosa Pünktchenkleid in Moskau zu tragen.“, der Blick der dunkelhaarigen, unbezahlbar. Dann grinste sie hochnäsig. „Als würdest du überhaupt je nach Moskau kommen.“ „Vielleicht schneller als du denkst.“, dann hielt sie erschrocken ihre Hand vor den Mund. Hatte sie das gerade wirklich gesagt? Kai wollte es doch geheim halten und sie plapperte einfach drauf los. „Was war das gerade? Als könntest du dir ein Flugticket leisten...tze...“, dass ihr eigener Freund ihr das Ticket bezahlen könnte, darauf kam sie nicht. Sie ging auch nicht davon aus, dass er das für diese Frau getan hätte. Kai kam aus dem Badezimmer. Er ging schnurstracks in die Küche ans Tiefkühlfach. Dort holte er sich ein Kühlpack heraus, setzte sich auf die Couch und kühlte seine noch immer leicht blutende Nase. „Könnt ihr nicht einmal die Klappe halten?“, er schloss die Augen und lehnte sich zurück. „Kai...ist es immer noch nicht besser?“ „Nein...du hast ordentlich zugehauen.“, grinste er minimal und brachte Hilary damit in Verlegenheit. „Soll ich mir das mal anschauen?“, bot sie ihm an. Sie kümmerte sich früher auch immer um die Jungs, wenn sie sich beim Training verletzten. Da empfand sie es als Selbstverständlichkeit ihm das anzubieten. „Er brauch deine Hilfe nicht!!“, ging Kate dazwischen und rupfte ihm das Kühlpad weg. Dabei streifte sie seine verletzte Nase. „Pass doch auf!!“, Kai sah sie nicht kommen und wurde von ihrem stürmischen Eingreifen sichtlich erschreckt und hielt sich wieder einmal schmerzend die Nase. „Langsam glaube ich, dass ihr das mit Absicht macht!“ „Hey! Das stimmt doch nicht! Wäre es dir lieber, wenn DIE dich anfasst?!“ Er schwieg darauf mal wieder. Und Kate schaute sich die Nase des Russen an. „Tut das weh?“, tippte sie auf das beschädigte Riechorgan und schaute ihn dann bitter süß an. Das war ihre Rache, auf die nicht beantwortete Frage von eben. Ihr Freund versuchte ruhig zu atmen um nicht ganz aus der Haut zu fahren. Hilary verschwand in der Zeit unbemerkt in der Küche und zauberte mit Emilia auf dem Arm ein kleines Frühstück. „Habt ihr Hunger?“, rief sie aus der Küche. Das erste Gute an diesem Tag für Kai. Kate schmierte ihm ein Brot, weil er schwer verletzt war. Womöglich hätte sie ihn noch gefüttert, wenn er sie gelassen hätte. Nach dem Frühstück versuchte Kai weiter an seinen Plänen für die Arbeit zu tüfteln. Hilary räumte selbstverständlich die Küche auf und brachte sie wieder in ihre Ursprungsform und Kate verschwand im Bad zum Aufhübschen, um danach im Schlafzimmer weiter Klamotten zu packen. Lange konnte der blau-haarige sich nicht auf seine Arbeit konzentrieren, denn zu der schmerzenden Nase gesellten sich jetzt auch noch Kopfschmerzen. Hilary hatte ganze Arbeit geleistet. Er legte die Beine hoch und klappte den Laptop auf dem Bauch zusammen. „Hier.“ Hilary war fertig mit der Küche und kam zurück ins Wohnzimmer. In der Hand hielt sie einen kleinen improvisierten Kühlbeutel, den sie Kai hinhielt. Der nahm ihn dankend an. „Alles ok?“ „Ich bin müde.“ Sie senkte den Kopf und beschäftigte sich leise mit Emilia. Die brünette merkte, dass Kai nicht müde war, sondern dass ihn etwas anderes plagte. Er schlief ein paar Minuten später ein und wachte erst am frühen Nachmittag auf. Kate hetzte weiter durch die Wohnung, um ja nichts zu vergessen. Schließlich flog SIE mit Kai nach Russland und nicht Hilary. Ihren Übermut ließ sie die braunhaarige deutlich spüren. Als Kai seine Freundin noch sah, schaute er verwundert auf die Uhr. „Sag mal, wolltest du dir nicht die Nägel machen lassen?“ „Wie spät ist es?!“, sie starrte auf die Uhr. „OH NEIN! Ich bin zu spät!!“, sie alles stehen und liegen und suchte nach ihrer Handtasche. Gestresst fand sie diese im Flur, verstaute ihr Handy darin und zog sich an. Ein kurzer Schmatzer landete bei Kai und dann knallte die Wohnungstür ins Schloss. „Wie geht’s dir jetzt?“, erkundigte sich Hilary nach seinem Befinden. „Geht schon.“, Kai winkte ab und setzte sich auf, um sich gleich wieder fallen zu lassen. Unter dem neugierigen Blick der Japanerin, gab er sich geschlagen. „...ein bisschen Kopfschmerzen sind noch...“, gab er demütig zu. „Du musst du einem Arzt, vielleicht hast du eine leichte Gehirnerschütterung.“ „Kein Arzt...“, murrte er. „Kannst du vielleicht mal gucken?“ „Äh...klar...“, die junge Frau kam zu ihm herüber und schaute sein Gesicht an. Die Nase war etwas geschwollen und eine kleine Delle von der Türkante konnte sie auch sehen. Vorsichtig tastete sie sich zum Schmerzpunkt hin und schlussfolgerte daraus die leichte Gehirnerschütterung. „Du musst dich ausruhen. Viel Schlafen und ich hol dir noch ein Kühlbeutel.“ „Viel Schlaf...kannst du das Kate bitte erklären?“, versuchte er witzig zu sein. „Nein...das ist deine Aufgabe.“, lächelte sie traurig und legte ihm den kühlen Beutel auf den Stirn. Kai schloss seine Augen wieder. „Danke...“, murmelte er fast lautlos. Doch Hilary konnte es verstehen und schaute verlegen zu Boden. „Weiß Kate schon, dass du uns mitnehmen willst?“ „Nein. Ich sag es ihr morgen am Flughafen.“, entgegnete er trocken. „Hast du alle wichtigen Sachen hier, die du brauchst?“ „Ja...“ Zufrieden schob er sich den Eisbeutel zurück ins Gesicht und genoss die Ruhe mit seiner kleinen Familie. Kapitel 22: Erkenntnis ---------------------- Kapitel 22 Als Kate am späten Nachmittag von ihrem Nageltermin zurückkam fand sie die Wohnung leer vor. Weder Hilary noch Kai waren zu sehen. Und es war nichts zu hören. Auf Zehenspitzen schlich sie durch die Wohnung, um die beiden auf frischer Tat zu ertappen. Sie riss die Badezimmertür auf und sah niemanden. Verwundert verzog sie das Gesicht und schlich zum Schlafzimmer. Er schreckte nicht mal davor zurück in ihrem gemeinsamen Bett mit der brünetten Sex zu haben? Mit einem Ruck riss sie die Tür auf. Schreckhaft zuckte Kai zusammen, um Kate zu sehen, und wieder zu entspannen. „Wo ist sie!“, schrie sie ihren schlafenden Freund an. „Nicht hier.“, murmelte er leise. „Vielleicht hier!“, sie öffnete schlagartig die Schranktür. Und biss sich dann wütend auf die Unterlippe. „Hör auf so einen Radau zu machen! Sie ist nicht hier!“, kam es ungehalten von Kai, der immer noch an Kopfschmerzen litt und deswegen schon im Bett lag. Aus dem anderen Ende der Wohnung hörte sie die Tür leise. Hilary kam gerade zurück und hielt eine kleine Plastiktüte in der Hand. Auf Socken ging sie leise zum Schlafzimmer und klopfte vorsichtig an der Tür. „Kai? Ich hab die-“ Die wurde darauf stürmisch aufgerissen. „Was hast du?!“ Erschrocken sah sie Kate an, dann an ihr vorbei zu Kai. „Ich hab die Medikamente...“, und hielt ihr die Apothekentüte vor die Nase. „Kai hatte Schmerzen...da bin ich zur Apotheke und hab ihm Schmerzmittel geholt...“, sie drückte Kate ohne ein weiteres Wort zu sagen, die Tüte in die Hand und verließ die Tür. Kate schaute ertappt auf den Inhalt. Diese Frau holte ihm einfach Medikamente. Auch wenn sie nur befreundet waren. Und behandelte wie selbstverständlich seine verletzte Nase. In Kate's Kopf schien es mächtig zu rattern. Sie schmiss die Tüte auf seine Decke und verschwand im Bad. Wie konnte sie es wagen. Sie würde für ihn sorgen und niemand anderes. Schon gar nicht diese Person. „Naja...morgen bin ich sie los.“, sagte sie mehr zu sich selbst und stieg in die Dusche. Im Wohnzimmer bereitete Hilary ihren Koffer für morgen vor. Sie schaute nach ihren Ausweisen und dem Pass von Emilia. Hoffentlich hatte sie alles eingepackt in der Eile damals. Sie legte Emilia früh schlafen um entspannt den morgigen Tag zu beginnen. Sie kochte noch eine kleine Mahlzeit für sich und die anderen. Ob einer der beiden noch essen würde, stand in den Sternen. Kate rauschte grimmig an ihr vorbei, direkt ins Schlafzimmer zu Kai. Er erholte sich weiter von dem schmerzhaften Tag. Also würden sie nichts essen. Hilary legte sich darauf schlafen und der Tag der Wahrheit näherte sich unaufhörlich. Der schrille Ton des Weckers ließ Kai am Morgen aufschrecken. 05:45 Uhr. Er setzte sich auf und fasste den seinen Kopf. So richtig waren die Kopfschmerzen nicht weg. Aber sie waren nicht mehr so schlimm wie gestern. Ohne ein Wort stand er auf und packte seinen Koffer. Gestern war er nicht mehr in der Lage dazu gewesen. Wahllos zupfte er Shirts, Hosen und weitere Kleidungsstücke aus dem Schrank. Wenn etwas fehlte, würde er zu seinem Vater fahren und dort das Zeug abholen. Obwohl er das ungern tat. Sein Koffer war schnell gefüllt, fehlte nur noch der Kulturbeutel und sein Laptop. Nach dem Gang ins Bad flog der Beutel in den Koffer und der Laptop stand fein säuberlich verpackt in seiner Tasche daneben. Er trat an die schlafende Brünette heran. „Hilary? He, wach auf.“, er tippte sie ruhig am Arm an, worauf sie hellwach die Augen aufriss. „Was?!“ „Beruhig' dich. Hast du deinen Kram gepackt? Ich will die Koffer nach unten bringen.“ „Ja, alles soweit fertig.“, sie legte die Decke zusammen und weckte Emilia. Es war 06:30 Uhr. Jetzt entstieg auch Kate ihrem warmen Schlafplatz und gesellte sich zu den beiden Frühaufstehern. Mit einem dicken Grinsen im Gesicht, blitzte sie Hilary an. „Ich flieg' heute nach Russland. Und was machst du so?“ „Weiß nicht.“, antwortete Hilary gleichgültig. Die Russin hatte eine andere Reaktion erwartet. „Können wir los?“, fragte Kai, der in der Eingangstür auf die beiden Frauen wartete. „Meine Koffer müssen noch nach unten!“ Augen rollend schritt er ins Schlafzimmer und holte die drei schweren Koffer. Unten stellte er das Gepäck ins Taxi, dass sie zum Flughafen bringen sollte. „Äh, Kai? Warum fährt die bei uns mit?“ „Steig ein und hör auf zu diskutieren.“, forsch drückte er sie zum Taxi, worauf sie auch gleich einstieg. So saßen Hilary, Kate und Emilia auf der Rückband, während Kai dem Fahrer vorn die Anweisungen durchgab. „Zum Flughafen.“, sagte er ernst und gewohnt kühl. Kate schaute Hilary keine Sekunde an. Eingeschnappt sah sie die ganze Fahrt aus dem Fenster. Am Flughafen angekommen, zog jeder seinen Koffer hinter sich her. Zum Glück konnten sie die in wenigen Minuten wieder abgeben. Doch vorher musste Kai die Tickets am Schalter abholen. Er stellte sich genervt an. Vor ihm eine lange Schlange aus Passagieren, die das gleiche wollten. Nach 10 Minuten war er an der Reihe. Am Schalter saß ein junger Mann in Uniform und begrüßte ihn freundlich. „Guten Tag, Sir. Was kann ich für sie tun?“ „Ich habe Tickets reserviert.“ „Wie ist Ihr Name?“ „Hiwatari.“ „Einen Moment, bitte. Ich benötige noch Ihren Ausweis.“ Der Russe hielt im die Karte direkt vor die Linse, denn er reservierte nicht zum ersten Mal die Tickets. Der Mann am Schalter tippte die Nummer in den Computer. „Alles in Ordnung. Vier Tickets, davon wurden zwei nachbestellt. Ist das richtig?“ „Ja.“ „Er nahm die Tickets entgegen und verließ den Schalter. Zwei Tickets steckte er allerdings schnell in seine innere Jackentasche. Kate wurde Zusehens genervter von Hilary. „Wie lang soll die denn noch hinter uns her latschen?! Kai??“ Doch von ihm kam keine Reaktion. Er ging gezielt weiter zum Check-In. Dort gaben sie ihre Koffer ab und Kai regelte an den Schaltern alles alleine. Zu groß wäre jetzt die Gefahr, dass Kate etwas mitbekam. Er wunderte sich schon die ganze Zeit, warum sie noch nicht darauf gekommen war. Schließlich sind die Zeichen unübersehbar. Andererseits war sie ziemlich in ihr Handy vertieft. Nach einer kurzen Strecke bis zum Wartebereich, kamen sie an. Gelangweilt setzte sich Kate auf einen der Stühle, überschlug die Beine und tippte weiter an ihrem Handy herum. Hilary setzte sich auch. Nur Kai blieb stehen und sah aus dem Fenster. Es wurde gerade das Flugzeug an den Eingangsbereich manövriert. „Ist das...“ „Ja, das ist das Flugzeug.“ „Wow...“, Hilary war beeindruckt von dem riesigen Metallvogel. Kai seufzte dagegen schwer. Er würde in seine Heimat zurückfliegen. Was ihn dort erwartete, versuchte er zu verdrängen. Das war auch der Grund, warum er derzeitig in Japan lebte. Dann wurden die Eingänge freigegeben und die Reisenden konnten an Bord gehen. Kate sprang aus ihrem Sitz. Endlich würde sie Hilary loswerden und gemeinsam mit ihrem Kai nach Russland zurückfliegen. Doch, als sie Hilary noch immer gemeinsam mit Kai sah, kam der Groschen ins Rollen. „Was macht die immer noch hier?!“ Kai sah in dem Moment, dass die Eingänge geöffnet wurden. „Los, lasst uns an Bord gehen.“ „NEIN! Was wird hier gespielt?!“, Kate schrie den kompletten Bereich zusammen. Einige Menschen drehten sich um und sahen geschockt in ihre Richtung. Kai erhob seine Stimme, aber in einem ruhigen, kühlen Ton. „Sie fliegt mit nach Moskau.“ „NEIN! NIEMALS!!“, sie tobte in der Wartehalle und ihre Stimmte hallte noch einige Sekunden nach, so schrill wie sie geschrien hatte. Doch ihr Freund blieb unbeeindruckt davon. „Du kannst gerne hierbleiben. Los, wir gehen an Bord, Hilary.“, Angesprochene nickte nur und folgte ihm stumm mit Emilia auf dem Arm. Das zweite Mal, dass Kate durch ihre Art, Hilary dazu brachte von dem Ort zu flüchten, an dem sie sich befand. Kate stürmte tobend und wild fluchend hinterher. „Wie kannst du so etwas machen?! Sie einfach mitnehmen nach Russland!! Die versteht noch nicht mal ein Wort Russisch!! Und dann noch ihre Kleidung! Sieh sie dir an!!! Von deinem hart erarbeiteten Geld! So eine dreiste Göre!! KAI!!“ „Halt jetzt endlich dein vorlautes Mundwerk!!“, er blieb auf der Stelle stehen, drehte sich mit einem Ruck um und presste ihr diese Worte mitten ins Gesicht. Wie von einem Blitz getroffen, ging sie keinen Meter weiter und verstummte. „Und jetzt komm endlich.“, fügte er kühl hinzu. Der jungen Japanerin war das alles unsagbar peinlich wie nie. Sie schämte sich in Grund und Boden für das Verhalten seiner Freundin. Kapitel 23: Ankunft ------------------- Kapitel 23 Entspannt schlenderte der Halbrusse den Gang entlang. Direkt neben ihm die junge Japanerin mit Babyschale und weit dahinter trottete seine eifersüchtige, arg schlecht gelaunte Freundin hinterher. Jetzt wusste sie, warum er Hilary die ganze Zeit mitgeschleppt hatte. Sie sollte mitkommen. Das entschied er einfach ohne Kate. In ihr brodelte es gewaltig. An der Flugzeugtür wartete Kai bis Kate auch angekommen war, um der Stewardess zu zeigen, dass sie auch noch dazu gehörte. Grimmig folgte sie den beiden in die First Class. Reisen mit Stil. Hilary war noch nie in der 1. Klasse geflogen, geschweige denn stellte sie es sich noch nicht einmal vor. Und nun das. Freundlich wurden sie begrüßt und fast wie Promis behandelt. So sehr betüdelte man sie dort. An ihren Plätzen angekommen setzte sich Kate sofort an einen der Fensterplätze der Vierersitzgruppe. Trotzig streckte sie ihre Beine aus, sodass kein Platz auf der gegenüberliegenden Seite mehr war. Kai warf ihr einen warnenden Blick zu, doch den ignorierte sie gekonnt. Also trat er zufällig auf ihre Zehen, um Emilia ordnungsgemäß am Sitz zu befestigen. Wutentbrannt schlug sie ihm gegen den Oberschenkel und kassierte darauf noch einen zufälligen Tritt gegen die Zehen. Schlecht gelaunt überschlug sie die Beine und starrte aus dem Fenster. Hilary setzte sich neben Emilia und Kai nahm neben seiner Freundin Platz. Er legte seinen Arm auf ihren, der auf der Armlehne ruhte und packte mit einer Hand grob an ihr Handgelenk. „Reiß sich zusammen.“, zischte er ihr gefährlich auf Russisch entgegen und verstärkte den Griff um ihr Gelenk. Dann ließ er los und schloss die Augen. Schmerzerfüllt rieb sie sich das rötliche Handgelenk. Hilary schnallte sie nun auch an. Es kam eine Durchsage, dass sie in wenigen Minuten starten würden. Eine Stewardess schaute bei jedem Fluggast, ob der Gurt richtig befestigt wurde und schaute bei Emilia ganz genau nach. Sie verließ den Bereich. Vermutlich schnallte sie sich darauf auch an. Dann starteten die Motoren und es dröhnten die Turbinen. Ein Ruck und das Flugzeug setzte sich in Gang. Schneller und schneller bis es Richtung Himmel abhob. Ein mulmiges Gefühl ereilte Hilary, die das letzte Mal zu Zeiten der Bladebreaker geflogen war. Sie war es einfach nicht mehr gewohnt. Als die gewünschte Flughöhe erreicht war, konnten sich alle Passagiere frei bewegen. Kai löste den Gurt und kramte sein Handgepäck heraus. Er nahm noch eine Tablette gegen die Kopfschmerzen. Hilary beobachtete ihn dabei ganz genau. Und er wusste, dass sie ihn ansah. Sie schnallte sich ebenfalls ab und verließ die Sitzgruppe. „Wo willst du hin?“, fragte Kai ruhig. „Das geht dich nichts an.“, entgegnete sie nur gleichgültig. Der blau-haarige ließ sich zurück in den Sitz fallen. „Warum seid ihr Frauen eigentlich so stressig?“, maulte er los.“ „Naja...“, versuchte Hilary zu erklären. „Manche Frauen sind eben mit allem unzufrieden. Egal was man macht...“ „Das war eine rhetorische Frage...“ „Oh...“, bemerkte sie verlegen. „Wie lang fliegen wir eigentlich?“ „Ungefähr 10 Stunden.“ „Okay.“ „Ich werd' nochmal eine Runde schlafen.“ „Du hast immer noch Kopfschmerzen...“ „Hmm...“, ließ er gähnend von sich und schloss die Augen. Die brünette sprach ihn dann nicht weiter an. Sie nahm Emilia aus der Babyschale und wühlte aus ihrer Wickeltasche viele bunte Spielzeuge heraus. Freundin strahlend griff die kleine nach einer kleinen Rassel und schüttelte drauf los. Kai verzog kurz das Gesicht. Das entging auch Hilary nicht und sie nahm die Rassel an sich. Sehr zum Unmut von Emilia. Sie quengelte nämlich sofort herum und wollte ihr Spielzeug wieder. „Du brauchst keine Rücksicht auf mich zu nehmen...“, wies er sie darauf hin und hoffte so das Gequengel schnell abzustellen. Die junge Mutter reichte ihr das Spielzeug zurück und sofort verstummte das Genörgel. Glücklich schüttelte sie die Rassel weiter und strahlte wieder über das ganze Gesicht. Hilary alberte eine ganze Weile mit der kleinen herum. Dabei verging die Zeit wie im Flug. Was sie allerdings nicht bemerkte war, dass der Halbrusse sie immer mal mit einem blinzelnden Auge beobachtete. Kate war in der Zeit zu der kleinen Bar gegangen, die sich im oberen Teil des Flugzeugs befand. Dort hoffte sie auf Abwechslung von Hilary und ihrem Kind. Vorzugsweise spielte sie aber an ihrem Handy herum, schrieb Nachrichten oder surfte im Internet. Nebenher bestellte sie sich immer wieder mal ein Gläschen Sekt. Nach einigen Stunden, gab sie die Hoffnung auf, dass Kai sich bei ihr entschuldigen könnte. Er hätte wenigstens zu ihr kommen können. Also stapfte sie zurück an ihren Platz. Kai schlief und Hilary gab Emilia Essen. Ignorierend setzte sich sich an den Fensterplatz. Sie kramte dann ein paar Kopfhörer heraus und schaute sich einen Film auf ihrem Handy an. Sie wollte nämlich kein Gespräch mit der brünetten anfangen. Die ließ sich auch nicht von ihrer Sache, Emilia zu füttern, abbringen. Nach dem Essen verabschiedete sie sich kurz, um Emilia zu wickeln. „Hey, schläfst du wirklich?“, Kate nahm die Hörer vom Kopf und wartete auf seine Antwort. Sie rüttelte an ihm. „Hey, ignorier' mich nicht!“ Eigentlich war es offensichtlich, dass der Russe schlief. Sie hätte nur kurz nachdenken müssen. Doch das klappte irgendwie nicht so gut. Vielleicht war die Höhenluft Schuld daran. Knurrend öffnete er ein Auge. „Nein, ich hab nur so getan. Schalt doch mal ein Hirn ein...“ „Tze, meckerst du schon wieder los!“ „Mir dröhnt der Schädel, sei ruhig.“ „Pah!“,wieder drehte sie sich weg von ihm und schaute ihren Film weiter. Kai atmete tief ein um sich zu beruhigen und döste ein wenig. Nach dieser kleinen weiteren Auseinandersetzung kehrte Hilary auch zurück. Sie legte Emilia in die Schale zum Schlafen. Sie zog die Spieluhr auf. Emilia griff nach der Hand ihrer Mutter, die sie ihr selbstverständlich reichte, und nach einigen Minuten schlief sie eingekuschelt ein. So verging die Zeit rasend schnell. Das Flugzeug flog schon über Sibirien und das hieß, dass sie fast in Moskau waren. Kate hatte ihren Film zu ende geschaut und drängte sich an Kai vorbei, um nach Abwechslung zu suchen. Schnell fand sie einen älteren Herren, der sich angeregt mit ihr unterhalten wollte. Er spendierte ihr auch einige Drinks. Hilary schaute ihr noch kurz hinterher wie sie mit ihm an der Bar saß und wandte sich an Kai. Der beendete sein Schläfchen und tippte an seinem Laptop herum. „Stört dich das gar nicht?“, fragte sie ihn verwundert, dass er Kate nicht davon abhielt mit anderen Männern zu flirten. „Hm?“, er sah unwissend auf. „Na, da.“, sie zeigte vorsichtig mit einer kleinen Geste Richtung Bar. „Ach, das...nein es stört mich nicht. Sie kann machen was sie will...solang sie treu ist.“, erklärte er ihr ohne nochmal vom Bildschirm aufzusehen. „Das ist reine Provokation. Und wenn die ins Leere läuft, regt sie das nur noch mehr auf.“, grinste er vor sich hin. Diese Machtspielchen kannte sie von früher. Wie oft hatten sich er und Tyson in den Haaren, weil er nicht das tat, was Tyson wollte. Die braunhaarige sah aus dem Fenster. Zwischen den Wolken und dem dunklen Abendhimmel konnte sie beleuchtete Häuser erkennen, die winzig aussahen. Fragend schaute sie zu Kai. „Weißt du wo wir sind?“ Neugierig warf er einen prüfenden Blick aus dem Fenster und klappte seinen Laptop zusammen. „Dürfte schon Moskau sein. Komm her.“, er winkte sie zu sich. Hilary setzte sich darauf an den Fensterplatz neben Kai und schaute staunend heraus. „Wow. Das sieht ja toll aus!“, die junge Frau konnte ihren Blick gar nicht mehr abwenden. Verträumt schaute sie auf die immer näher kommende Großstadt. Gefesselt von den leuchtenden Punkten, merkte sie nicht, dass Kai sich hinter sie gebeugt hatte. Er zeigte mit dem Finger auf das Glas. Hilary erschrak kurz, als Kai anfing ihr zu erzählen, was sie wo sehen konnte. Sie spürte seine Wärme, obwohl er sie gar nicht berührte. So nah war sein Körper an ihrem. Hilary merkte, wie sich eine leichte Röte auf ihren Wangen ausbreitete, worauf sie sich verlegen übers Gesicht strich. Gespannt versuchte sie seinen Erklärungen zu folgen, bis die russische Durchsage des Kapitäns ertönte. „Wenn wir etwas Zeit haben, zeig ich dir die Orte aus der Nähe.“, flüsterte der Russe in ihr Ohr und rutschte zurück auf seinen Platz. Kate kam von der Bar zurück und sah Hilary auf ihrem Platz. „Was flüstert ihr hier herum? Habt ihr was zu verbergen?!“, schoss es sogleich aus ihrem vorlauten Mund. Von ihrem Freund bekam sie aber keine Antwort darauf. Und Hilary hechtete zurück auf ihren Sitz, um einer Eskalation aus dem Weg zu gehen. „Ich wollte nur wissen, was das für eine Stadt ist...“, war Hilary's ernüchternde Antwort. Kate rümpfte die Nase bei der Erklärung, wischte über ihren Sitz und schnallte sich an für die Landung. Nach einer halben Stunde setzte das Flugzeug etwas ruckelig auf russischem Boden auf. Alle Passagiere applaudierten, dass sie alle heil angekommen waren. Die brünette lächelte auch erleichtert, als sie das Flugzeug wieder verlassen konnte. Sie hatte bei dieser Art Reise immer ein mulmiges Gefühl im Bauch. Die drei nahmen ihr Handgepäck aus den oberen Fächern, Hilary klemmte die warm angezogene Emilia unter den Arm und sie verließen das Flugzeug. Im Empfangsbereich standen hunderte Leute mit Plakaten, um ihre Liebsten schnell zu finden. Manche stürmten freudestrahlend heraus und fielen sich in die Arme. Doch auf die jungen Leute wartete niemand. Seelenruhig mit ihren Koffern bewaffnet, schlenderten sie zum Ausgang. Hilary konnte sich nicht sattsehen. Es gab so viele Geschäfte, so viel Anderes und so viele Wörter, die sie nicht lesen konnte. Vom Verstehen mal ganz abgesehen. Sie fühlte sich komplett hilflos in dieser neuen Umgebung. Weder konnte sie sich verständigen, noch kannte die Frau irgendwen. Kai zog sie plötzlich am Arm hinter sich her. „Was?“ Hilary merkte gar nicht, dass sie stehengeblieben war. Und Kai wollte sie in dem Gedränge nicht aus den Augen verlieren. Er wusste, dass sie kein Wort Russisch versteht. Ein mahnender Blick von ihm, machte ihr klar, dass sie dicht hinter ihm bleiben sollte. Kate stand bereits ungeduldig an der großen Glastür, wartend auf die anderen. „Wird ja auch mal Zeit....“, zischte die dunkelhaarige Russin. Kai schaute sich nach einem Taxi um. „Entschuldigen Sie bitte, Herr Hiwatari.“, räusperte sich ein in schwarzem Anzug gekleideter Mann. Er war Mitte 30, so wie er aussah. Kurze dunkelbraune Haare, die fein säuberlich zurückgekämmt wurden. Er verbeugte sich leicht, als er Kai ansprach. Der sah interessiert zu ihm. „Wenn Sie mir bitte folgen würden.“ „Kommt...“, forderte er die Mädels kühl auf, worauf Kate stumm voraus eilte. Hilary sah den beiden hinterher. Wer war dieser Mann? Kapitel 24: Anreise ------------------- Kapitel 24 „Hilary, brauchst du 'ne extra Einladung?“, genervt drehte er sich zu ihr und blieb stehen. Angesprochene schreckte aus ihren Gedanken und rannte mit ihrem Koffer zu ihm. So schnell es eben ging mit Baby, Wickeltasche und großen Gepäckstück. Kai erbarmte sich und nahm ihr den schweren Koffer ab. Ein paar Minuten später standen sie vor einer schwarzen Limousine. Hilary konnte ihren Augen nicht trauen. War das ein Traum oder hatte sie was an den Augen? Der vornehm gekleidete Mann nahm das Gepäck und verfrachtete es im Kofferraum. Danach hielt er Kate die hintere Autotür auf, so dass sie keinen Handschlag selbst tun musste. Kai öffnete die andere Tür und hielt sie Hilary auf. Zögernd ging sie zu ihm. „Was ist das hier?“, flüsterte sie beunruhigt. Sie verstand nicht was los war. „Erklär' ich dir später. Steig ein.“, entgegnete er nur. Die Japanerin stieg vorsichtig ein und setzte sich mit Emilia auf die Rückbank. Dann stieg Kai ein und das Auto setzte sich in Gang. Verwirrt irrte Hilary mit ihren Augen durch den luxuriösen Wagen. Die Sitze waren komplett aus Leder gefertigt. An den Seiten leuchteten kleine Lämpchen, um sich in dem schwachen Licht zu erkennen. Die Scheiben des Wagens wurden abgedunkelt, so dass niemand von außen hinein schauen konnte. Kai hatte die Arme verschränkt und beobachtete die vorbeiziehenden Häuser. Sie fuhren noch eine knappe Stunde, ehe der Wagen behutsam abbog und auf ein riesiges Privatgelände fuhr. Das komplette Grundstück war umzäunt. Eine Ziegelsteinmauer, auf der Eisenstäbe andere Menschen davon abhielten, das Grundstück zu betreten. Ein einfacher Schotterweg führte durch die große Rasenfläche zum Eingang des Gebäudes. Doch es war kein kleines Einfamilienhäuschen, sondern ein großer Landsitz im Barockstil. Die Menschen die dort wohnten, mussten eindeutig Geld besitzen. Und dass, nicht zu wenig. Einmal mehr konnte Hilary sich nicht satt sehen, an dem Anblick der sich ihr bot. Die Limousine hielt vor dem Eingang. Eine weiße Quarztreppe führte nach oben zu der dunkelbraunen massiven Tür. Der Fahrer stieg aus und öffnete die hintere Autotür. Kate drängelte sich an ihrem Freund vorbei und streckte sich ausgiebig. „Endlich sind wir da! Wir waren schon ewig nicht hier und es hat sich nichts verändert.“ Nach ihr stieg Kai aus. Er atmete tief durch und half Hilary beim Aussteigen. Der Mann mittleren Alters redete mit der brünetten, doch sie verstand kein Wort. Hilflos suchte sie in Kai's Gesicht nach Hilfe. „Er hat dich gefragt, ob er dir helfen kann.“, dabei deutete er auf die Babyschale in der Emilia schlief. Darauf zog Hilary die Schale näher zu sich. Sie würde einem fremden ihr Kind nicht anvertrauen. Kai erklärte dem Mann kurz auf Russisch, was Sache war. Der lächelte die Japanerin an und holte das Gepäck aus dem Kofferraum. „Komm.“, forderte der Russe sie auf und stieg die Treppe nach oben. Kate klingelte schon. Wie immer ungeduldig. Die Tür wurde geöffnet. Heraus trat eine Dame mittleren Alters. Sie begrüßte Kate herzlich mit einer Umarmung. Sie sah sich nach Kai um, der sie aus dem Augenwinkel schon beobachtete. Auch auf ihn kam die Dame herzlich zu und wollte ihn gerade umarmen, doch er entzog sich der Berührung. „Mila...lass das.“, er trat an die Seite und gab den Blick auf Hilary frei. „Hast du noch ein Zimmer frei?“ „Huch? Natürlich! Wen hast du denn da mitgebracht?“, fragte sie auf Russisch, bevor sie aufgeschlossen zu der brünetten herabstieg und ihr beim Tragen der Babyschale half. „Sie versteht kein Russisch. Nur Japanisch.“ „Oh.“, war das einzige was sie entgegnete. „Da muss ich wohl mein Japanisch wieder etwas auffrischen.“, lachte sie laut los und sprach mit einem fürchterlichen Akzent auf Japanisch. Verdutzt schüttelte Hilary nur ihren Kopf. „Jetzt kommt erstmal rein! Ich habe schon Tee gekocht, euch muss doch unendlich kalt sein, nach der langen Reise. Husch husch! Los!“ Drinnen sah das Haus genauso stilvoll eingerichtet aus, wie man von außen erwarten konnte. Teure, seltene Möbelstücke wo man hinsah. Von einem Butler wurden ihnen die Jacken abgenommen, während der Fahrer mit den Koffern hereinkam. Mila zeigte ihm, wo er das Gepäck hinbringen sollte und er verschwand im ersten Obergeschoss. „So kommt ins Wohnzimmer! Los! Los!“ Wieder scheuchte Mila die jungen Leute einen Raum weiter. Die Stube strahlte eine angenehme Kaminwärme aus. Drei edle Polstermöbel standen um den Kamin herum, in dem das Feuer knisterte. „Setzt euch! Und nehmt euch Tee!“ „Ach Mila, vielen Dank.“, entgegnete Kate gespielt freundlich und nahm sich eine Tasse heißen Tee. Nachdem Hilary sich umgeschaut hatte, goss auch sie sich eine Tasse des heißen Getränks ein. „Mila, das ist Hilary.“, er sprach ganz ruhig auf Japanisch. Mila folgte seinen Worten aufmerksam und betrachtete Hilary von oben bis unten, worauf sie sie freundlich anlächelte. „Hilary, das ist Ludmila, die Schwester meines Vaters.“ „Ach, sei doch nicht so förmlich, Kai! Ich bin seine Tante! Ich freue mich dich kennenzulernen! Sag einfach Mila zu mir!“, antwortete sie überschwänglich in gebrochenem Japanisch. „Und das Baby auf deinem Arm heißt wie?“, wand sie sich weiter an Hilary. Zögernd antwortete sie. „Das ist Emilia.“, und strich ihrer Tochter über den Kopf. „Mila! Kannst du dir eigentlich vorstellen wie unsagbar schlimm der Flug hierher war?!“, platzte Kate dazwischen. Ihr passte es schon die ganze Zeit nicht, dass sich keiner für sie interessierte. „Ach Kate, es wird bestimmt nicht so schlimm gewesen sein, wie du beschreibst.“, grinste Mila sie an. Sie wollte mehr über Hilary erfahren, doch Emilia fing an zu quengeln. Ludmila stand aus ihrem Sessel auf, um die kleine abzulenken. Sie schaute in ihr Gesicht und schnitt komische Grimassen mit ihrem Mund. Einen kurzen Moment schaute Emilia sie skeptisch an. Dann streckte sie ihre Zunge heraus, worauf Ludmila laut auflachte. „Deine Tochter hat Humor!“ Hilary grinste darauf auch los. „Ich glaub, langsam wird sie müde...Kann ich sie irgendwo schlafen legen?“ „Oh natürlich! Komm ich werde dir zeigen wo! Los los!“, sie eilte zur Tür und stapfte die Treppe hinauf. Hilary sprang von der Couch, um ihr hinterher zu gehen und verschwand aus dem Raum. Das nutzte Kau um zu ihrem Freund auf der gegenüberliegenden Couch zu stiefeln. Er verfolgte sie mit den Augen, bis sie sich auf seinem Schoß niederließ. Sie legte die Arme um einen Nacken. „Endlich hab ich dich mal für mich allein.“, flüsterte sie und hauchte ihm einen Kuss auf den Mund. „Ich hab jetzt keine Lust darauf.“, und schloss angestrengt die Augen. „Ich kann dich auch massieren...“ „Hör auf!“ Augen rollend ließ sie sich nach hinten auf die Couch fallen. Jetzt lagen nur noch ihre Beine auf seinem Schoss. „Stören wir euch gerade bei etwas wichtigem?“, scherzte Mila herum, als sie kurze Zeit später mit Hilary wieder zurück kam. „Nein. Schläft Emilia?“, er wandte sich an die Brünette, die mit dem Kopf nickte und auf den Boden sah. Seine Tante ließ ihren Blick durch den Raum wandern. Sie setzte sich wieder auf ihren Sessel, griff nach ihrem Tee und schloss die Augen beim Trinken. „Jetzt erzählt ihr mir mal, was ihr miteinander zu tun habt.“, sie setzte die Tasse ab und schaute Kai durchdringend an. Der schob Kate's Beine von sich und winkte ab. „Nicht mehr heute. Wir haben einen langen Flug hinter uns.“ „Oh was? Ihr wollt schon ins Bett? Aber du bleibst doch sicher noch bei mir Hilary?“ „Nein...tut mir leid...ich bin auch total müde...“ Seufzend trank sie noch einen Schluck Tee. „Dann wünsche ich euch eine angenehme Nachtruhe.“ Die drei jungen Leute verließen die Wohnstube. Während Kai der brünetten noch ihr Zimmer zeigte, zog sich Kate in ihren Raum zurück. Gleich würde sie mit Kai Zeit verbringen können, ohne dass sie gestört werden würden. Schnell entledigte sie sich ihrer Kleidung und hüpfte in das weiche Bett. Kurz darauf kam ihr Freund auch ins Zimmer und legte sich müde neben sie ins Bett. Kapitel 25: Morgen ------------------ Kapitel 25 Schweigend lag das junge Paar nebeneinander. Der Raum dunkel, nur durch das schwache Licht des Mondes beleuchtet. Kai lag auf dem Bauch mit dem Gesicht zur Tür. Sein Atem ruhig und gleichmäßig. „Kai? Bist du wach?“ „Mhhh....Lass mich schlafen...“ Kate drehte sich zu ihm und strich über seinen Rücken. „Was ist los mit dir? Ich brauch ein bisschen Liebe...“ „Ich aber nicht. Ich will schlafen. Mein Kopf schmerzt immer noch...Nacht.“, schweigend zog er die Decke wieder über seine Schulter und hielt sie mit der Hand fest. Auf Kate's Gesicht bildete sich ein genervter Ausdruck. Warum wollte er denn nicht? War sie ihm nicht mehr gut genug? Sie grübelte noch eine Weile stumm darüber nach. Ihr Blick immer auf den blau-haarigen gerichtet. Der war schon im Land der Träume und bekam davon nichts mit. Als sie merkte, dass von ihm keinerlei Reaktion mehr kam, schmiegte sie sich an ihn und versuchte auch zu schlafen. Hilary verschwand leise in ihrem Zimmer. Die Wände waren vertäfelt mit dunklem Holz. Neben der Tür direkt das Bett, mit Blick zum großen Fenster. Die Tür neben ihrem Bett führte in ein kleines Nebenzimmer in dem Emilia schlief. Verrückt, dass sie nicht direkt mit ihm Raum schlief. Aber so war es für beide angenehmer. Auf leisen Sohlen huschte sie zum Fenster. Von außen war es etwas zugefroren, doch sie konnte nach draußen schauen. Der Himmel sternenklar und der Mond funkelte verträumt am Firmament. Sie atmete schwer aus und ging vom Fenster. Jetzt sollte sie sich erstmal erholen von der Reise. Morgen würde sicher ein anstrengender Tag werden. Ludmila würde sie löchern mit ihren Fragen. So wie sie es schon versuchte. Was sollte sie sagen, wenn sie nach dem Vater von Emilia fragt? Die Wahrheit? Ihr gingen so viele Fragen durch den Kopf, beim Auspacken ihres Koffers. Müde stand sie auf, um ins Bett zu gehen. Den Rest würde sie morgen einräumen. Der nächste Tag kam schneller, als allen lieb war. Hilary wurde von Emilia geweckt, die in der Frühe nach Kuscheleinheiten verlangte. Sie schleppte sich verschlafen in das kleine Nebenzimmer und holte Emilia zu sich ins Bett. Vielleicht würde sie nochmal einschlafen. Doch weit gefehlt. Emilia rollte sich durch das gesamte Bett. Auf den Bauch und wieder auf den Rücken. Ein Stück vor, dann machte sie sich so breit, dass ihre Mutter fast aus dem Bett fiel. Also nichts mehr mit schlafen. Noch total müde stieg sie aus dem Bett. „Ach Emilia...du hast gut geschlafen, was? Mami will auch noch schlafen...“, bettelte sie bei ihrer Tochter. Doch die turnte weiter munter auf dem Bett herum. „Na gut...du bist wach und willst wohl nicht mehr schlafen...dann ziehen wir uns mal an!“, die junge Frau schlug ihren Hände auf die Wangen, um sich aus dem Halbschlaf zu wecken. Emilia war schnell angezogen und konnte jetzt auf dem Boden herumtollen. In der Zeit machte sich Hilary auch fertig. Leise öffnete sie die Zimmertür zum Flur und lugte zu beiden Seiten. Es war alles ruhig, also huschte sie heraus, um die Küche zu suchen. Im Flur hingen eine Menge Gemälde von russischen Malern. Sie konnte die Namen aber nicht entziffern. Hätte sie doch in der Schule lieber Russisch gelernt, als Französisch. Jetzt bereute sie es. Als sie die Treppe herunter kam, sah sie Mila die sich angeregt mit ihrem Neffen unterhielt. So früh waren sie schon wach? Oder hatten sie nicht geschlafen? Vorsichtig kam sie die Treppe herab. „Guten Morgen.“, begrüßte sie die beiden. Daraufhin unterbrachen sie ihr Gespräch. „Morgen.“ „Guten Morgen, Hilary! Habt ihr gut geschlafen? Ich hoffe, das Bett war bequem, ansonsten bekommst du ein anderes Zimmer.“, fragte Mila sie freundlich. Hilary fing an mit der Hand zu wedeln und lächelte. „Nein nein! Es war alles in Ordnung. Ich bin nur noch müde...Emilia hat nämlich ausgeschlafen...nur ich noch nicht...“ Ludmila lachte laut, als sie Hilary's Gesichtsausdruck sah. „Kommt Kinder! Ihr habt doch sicher großen Hunger?“, sie eilte schnellen Schrittes voraus in die Küche. Hilary lief schnell hinterher und Kai, der kannte den Weg schon und wusste wohin er musste. Ludmila klatschte zweimal in die Hände und schon kam einer ihrer Butler in den Raum. Er verbeugte sich und sprach auf russisch. Mila gab ihm Anweisung das Frühstück vorzubereiten. Als er sich umdrehte, erkannte er die brünette und lächelte sie freundlich an. „Kommt! Wir gehen solang noch in die warme Stube! Los los!“, wie von der Tarantel gestochen, flitzte sie aus der Küche, zurück in die Wohnstube. Kai, der gerade in der Küche ankam, verdrehte genervt die Augen und folgte seiner Tante ein weiteres Mal in einen anderen Raum. Die braunhaarige folgte ihm. In der Stube, prasselte schon das Kaminfeuer. Eine wohlige Wärme legte sich beim Betreten auf ihr Gesicht. „Setzt euch! Wo ist denn Kate? Schläft sie etwa noch?“ „Ja, du kennst sie doch. 'Schönheitsschlaf'.“, betonte er mit seinen Händen genau. Mila gluckste herum. Sie richtete ihren Zopf. „SO! Dann haben wir ja jetzt noch etwas Zeit zum Plaudern. Wie habt ihr euch denn kennengelernt? Kai erzählt mir ja nicht viel von seinen Freundinnen, weißt du, da muss ich sie selbst ins Verhör nehmen. Hihihi.“, ein Hexen ähnliches Lachen verließ ihren Mund, worauf Hilary sie skeptisch ansah. „Sie ist nicht meine Freundin.“, klärte Kai seine Tante kühl auf. Diese legte ihren Kopf schräg und sah ihn wissend an. „Warum hast du sie dann mitgebracht?“ Kai öffnete seinen Mund, doch kein Wort kam heraus. Er schloss den Mund und presste die Lippen aufeinander. Er wusste keine Antwort. Mila grinste ihn darauf an. „Er hat uns geholfen, als ich bedroht wurde...und hat uns daraufhin mit hierher genommen.“, mischte sich jetzt Hilary ein. „Oh!“, Ludmila schlug die Hand vor den Mund. „Das muss ja entsetzlich gewesen sein, Kind!“ „Es kam in letzter Sekunde...wer weiß was er sonst gemacht hätte...“, sie senkte den Kopf. „Was wollte er denn bei dir?“, fragte Mila nun neugierig nach und zog verdächtig eine Augenbraue nach oben. Sie Japanerin reagierte genauso perplex, wie Kai. Kurz blickte sie zum ihm, dann auf den Boden. Nun wanderte Mila's zweite Braue ebenfalls nach oben. Sie beugte sich vor und rieb sich die Hände. „Sooo Kinder! Ich glaube, ihr habt mir einiges zu erzählen...“, ihr Blick klebte regelrecht an den beiden jungen Erwachsenen. Hilary kratzte sich verlegen am Kinn, um Mila's durchdringenden Blick nicht zu sehen. Doch sie spürte ihn auf sich. Kai war davon unbeeindruckt. Er schaute genauso abweisend wie sonst auch. „Ich warte!“ Mila konnte zu gut nach haken. Wo hatte sie das nur gelernt. Ihre Körpersprache verriet ihm auch, dass es sich nicht lohnt es zu verschweigen, denn die Frau würde es trotzdem herausfinden. Nervös tippte er mit dem Fuß auf dem Boden. „Kommt schon. Ich finde es doch eh heraus. Los. Erzählt schon.“ Der Russe warf einen prüfenden Blick auf seinen Sitznachbar, bevor er das Schweigen brach. „Sie ist die Managerin meines ehemaligen Teams. Wir haben uns vor einer Weile wiedergetroffen und haben jetzt wieder mehr Kontakt.“ „Weil?“, bohrte Mila weiter. „Weil es so ist.“ „Ach komm schon, Kai. Wirf mir nicht immer so kleine Häppchen hin. Hilary?“, ihre Augen ruhten nun auf der brünetten, die ertappt dreinschaute. „Ähm...ja..so wie Kai es gesagt hat...“, sie kassierte einen vorwurfsvollen Blick von ihm. „Warum kümmert sich der Kindsvater denn nicht um dich, Hilary?“, Mila erhob sich aus ihrem Sessel und ging auf die braunhaarige zu. Sie beugte sich herunter zu Emilia. „Kommst du mal zu Tante Mila?“, grinste sie. Neugierig hielt die kleine ihre Ärmchen hin, um auf ihren Arm zu kommen. Freudig nahm sie Emilia ab. „Oder hast du was damit zu tun, Kai?“, sprach sie nebenbei weiter, während sie mit Emilia alberte. Mit seiner Geduld am Ende, von ihrem Verhör, gab er sich geschlagen. „Ja.“, presste er knapp hervor und schaute sie hasserfüllt an. Zufrieden grinste sie. „Kai ist der Vater...“, murmelte die brünette. „Hilary!!“, fauchte er von der anderen Hälfte der Sofas. „Ich wusste es!! Das ist ja wundervoll! Sie sieht aus wie du als kleines Baby! Da wird sich dein Vater aber freuen!“ „Er wird davon KEIN WORT erfahren!!“, wütend stand er vom Sofa auf. „Ist ja gut. Ich sag ihm nichts.“, Kopfschüttelnd wand sie sich wieder Emilia zu. „Na, da hast du aber einen launischen Papi abbekommen!“, scherzte sie herum. „Lass das!“ „Uhhuhuuu jetzt wird der Papi böse!“, Mila lachte ungehalten los und auch Hilary konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. „Das ist ja schlimmer als im Hühnerstall!!“, zornig stapfte er Richtung Tür und knallte diese mit ordentlichem Schwung zu. Emilia legte den Kopf schräg, um an Mila vorbei zu schauen. Doch durch den Sessel war ihr das vergönnt. „Herrlich der Junge! Er bringt mich immer wieder zum Lachen!“ „Er ist gerade ziemlich wütend geworden.“ „Ach, er beruhigt sich schon wieder. Er braucht das!“, lachte sie weiter. Kai wollte gerade die Treppe herauf eilen, als Kate ihm den Weg versperrte. Seufzend legte er den Kopf in den Nacken, drehte sich auf der Stelle um und ging die Treppe wieder nach unten. „Was war das für ein Lärm? Ich bin davon wach geworden!“ „Keine Ahnung...“, er griff nach seiner Jacke und verließ das Haus. Kate ließ er einfach im Flur stehen. Kapitel 26: Ausflug ------------------- Kapitel 26 Irritiert vom Verhalten ihres Freundes, ging sie kopfschüttelnd weiter ins Wohnzimmer, wo die Tür laut geknallt wurde. Kate stand in der Tür und blickte auf die beiden Frauen. Mila spielte quietsch vergnügt mit Emilia, während sich beide unterhielten. „Was ist denn hier los?“ Die angesprochenen sahen zu Kate. Ludmila winkte sie zu sich heran. „Komm her Kindchen. Wir unterhalten uns gerade! Los los! Setz dich!“ „Äh...ja...was ist hier los?“, fragte sie abermals nach. „Ihr scheint euch ja wunderbar zu verstehen...“ „Oh ja! Mit so einer freundlichen jungen Frau, kann man sich nur verstehen! Sag Kate, wie stehst du zu der kleinen Maus hier?“, scherzend hielt sie Emilia in die Luft, damit Kate sie genauer sehen konnte. „Die ist mir egal! Und dieses Weib ebenfalls! Wie Kai sich mit der da einlassen konnte...Und dann nimmt er die einfach mit hierher!! Unfassbar!!“, Kate wetterte sofort los. Mit jedem Wort wurde sie aufgebrachter. Mila konnte sie nur fassungslos anschauen. „Ihr versteht euch also nicht? Schade.“ Ein kurzes Klopfen ertönte an der Zimmertür. Mila sprach etwas auf Russisch und der nette Fahrer vom Vorabend stand in der Tür. Sie unterhielten sich kurz, dann verließ er den Raum wieder. „So Kinder! Das Frühstück steht bereit! Ich hoffe ihr habt Hunger mitgebracht! Kommt! Los los!“, sie übergab Emilia wieder an Hilary und scheuchte alle in den Speisesaal. Vor ihnen bot sich ein schmackhafter Anblick. Auf einer großen Tafel wurden Unmengen an verschiedenster Speisen aufgetischt, die darauf warteten, verspeist zu werden. Auch Kai trat in den Speisesaal um zu frühstücken. Er setzte sich kommentarlos neben Kate, die ihn fragend ansah. Mila setzte sich an den Kopf der Tafel. Der nette Fahrer, der dich als Butler herausstellte, goss Tee beziehungsweise Kaffee in die weißen Porzellantassen ein und ging zurück in die Küche. „Es ist schön mal nicht allein am Tisch zu sitzen. Ihr dürft euch ruhig unterhalten!“, Mila durch brach die Stille. Doch zwischen den jungen Leuten herrschte eisige Stille. „Na, wenn ihr nicht reden wollt, ich will mich jetzt unterhalten! Was hast du heute geplant, Kai? Wollt ihr euch ausruhen oder willst du in die Stadt fahren mit deinen Frauen?“ Kai sah von seinem Essen bedrohlich zu seiner Tante. „Das sind nicht 'meine Frauen'.“ „Genau! Er ist nämlich mit MIR zusammen!“, fiel Kate dazwischen. „Das weiß ich bereits Kate. Ich leide nicht an Demenz.“, Mila sah sie nicht einmal an. Hilary schaute von einer Person zur nächsten. So hatte sie die Person in dem riesigen Landsitz gar nicht eingeschätzt. Aber es gab wohl auch diese Sorte Mensch hier. Immer einen Konter auf Lager. „Also? Was hast du vor?“ „Mal sehen. Hilary war noch nie in Russland.“ Ludmila verdrehte hoffnungslos die Augen. Wieder warf er nur kleine Häppchen zu. „Dann zeig ihr doch Moskau! Hier gibt es so viel zu sehen!“ „Hm.“, Kai war anscheinend noch schlecht gelaunt, von Mila's Aufziehaktion. Also beließ es Mila bei seiner Aussage und widmete sich ihrem Frühstück. Keiner sagte ein Wort. Doch der Hausherrin war das alles viel zu verkrampft. Die jungen Leute sollten Spaß haben und nicht so starrsinnig am Tisch sitzen. Als Kai gerade von seinem Kaffee trank, brach sie wieder das Schweigen. „Kate, sagt mal...wann wollt ihr beiden eigentlich Kinder kriegen?“, platze es aus ihr heraus. Kai begann fürchterlich zu husten. Er verschluckte sich bei dieser Frage an seinem Kaffee. „WAS?!“, hustete er laut und sah seine Tante gefährlich an. „Ich ruiniere doch nicht meinen perfekten Körper für einen anstrengenden, Schlaf raubenden Windelscheißer!!“ „Aber Kinder sind doch so was schönes, oder nicht Hilary?“ „Äh doch...nur manchmal ziemlich anstrengend.“, lächelte sie gequält. „Ich hab genug von einem Kind. Da brauch ich kein zweites geschweige denn ein drittes!“, war die kühle Aussage von dem Blau-haarigen. Er wischte sich den Mund ab und aß weiter. „Achhh...Kinder...“, jetzt gab es auch Mila auf, den jungen Leuten ein Gespräch aufzudrücken. Scheinbar wollte wirklich keiner reden. Oder sie stellte einfach nur die falschen Fragen. Die einzige die, wie immer, Spaß an der ganzen Sache hatte, war Emilia. Und die versuchte jetzt Grimassen zu schneiden, die sie bei Ludmila gesehen hatte. Als alle aufgegessen hatten, klatschte Mila wieder in die Hände und ein Butler kam in den Speisesaal. „So Kinder, ihr entschuldigt mich. Ich habe noch etwas zu erledigen. Macht euch einen schönen Tag!“, sie verbeugte sich ein wenig und ging in einen anderen Teil des Hauses. Auch Kai stand jetzt ruckartig auf und verließ des Saal. Kate dicht gefolgt. Der Butler räumte die Teller und Tassen auf den kleinen Serviertisch. Hilary half ihm dabei, doch als er dass sah, winkte er wild mit den Händen. Sie sollte ihm nicht helfen. Dass verstand sie. Also räumte sie nichts mehr auf den Wagen, sondern schob ihm die Teller näher heran. Er schmunzelte daraufhin, verbeugte sich und schloss die Küchentür. Die junge Frau ließ sich zusammensacken. Ziemlich anstrengend, fand sie. Sie achtete hier viel mehr auf Etikette. Sie wollte sich nicht gleich am ersten Tag blamieren. „Na Emilia? Was machen wir heute?“, fragte sie ihre Tochter und nahm sie auf den Arm. Mit ihr zusammen stieg sie die Treppe hinauf, zu ihrem Zimmer. Dort spielte sie mit ihrer Tochter. Dann klopfte es an der Tür. Überrascht sah Hilary auf. Langsam machte sie die Tür auf. „Kate will in die Stadt zum Shoppen. Willst du mit?“, irgendwas in seinen rubinroten Augen, sagte der brünetten, dass sie mitkommen sollte. Sie stimmte zu, während aus dem Hintergrund Kate's ungeduldige Stimme in rief. „Ich warte unten.“ Hilary schloss die Tür. Aufgewühlt suchte sie nach ein paar schicken Klamotten in ihrem Koffer, doch dann kamen ihr Kate's Worte wieder in den Sinn. 'In Russland würdest du mit den Sachen nicht mal eine Stunde überleben!' Sie senkte ihren Kopf. Kate hatte recht. In ihrem Koffer lagen keine teuren Markenklamotten. So etwas besaß sie nicht. Und mit den Sachen, die sie dabei hatte, konnte sie nicht punkten. Doch sie riss sich zusammen. Früher hätte ihr niemand solche Sachen an den Kopf geknallt und sie musste an Kai's seltsamen Blick denken. Also versuchte Hilary das Beste draus zu machen. Draußen wartete das junge Paar am Wagen. Kate saß auf dem Beifahrersitz, die Tür offen und schoss mit ihrem Schuh die kleinen Kieselsteine umher. Kai lehnte am Wagen mit Blick zum Eingang. Er rauchte noch eine Zigarette. „Wie lange braucht die denn noch?!“ „Sicher nicht so lang wie du.“ „Tze. So lang brauchte ich nun auch wieder nicht...“ Ein resignierendes Ausatmen von Kai zeigte ihr, dass die Diskussion beendet war. In dem Moment trat Hilary aus dem Eingang. Kai' sah auf und sein Blick blieb am der brünetten hängen. Ihre Wahl fiel letztenendes auf einen dunkelroten Mantel, der ihr bis zu den Knien reichte. Ein schwarzes Blumenmuster zierte den Mantel. Dazu trug sie einen schwarzen Gürtel zum binden. Eine schwarze Thermo-Leggings rundete das Bild ab. An ihren Füßen trug sie die flachen Schuhe, die sie immer an hatte. Mit Emilia auf dem Arm, stieg sie herunter. Kate schnaubte nur, als sie die Japanerin sah und warf die Autotür zu. Der junge Russe löste den Blick, warf die Zigarette zu Boden und hielt ihr die hintere Tür auf. „Danke.“, lächelte Hilary ihn an und stieg ein. Kai nickte kurz, dann setzte er sich ans Steuer und sie fuhren in die Innenstadt. Während der Fahrt unterhielten sich Kai und Kate auf Russisch. Kate wollte die Japanerin nämlich nicht dabei haben. Und dass ließ sie ihren Freund wissen. „Setz sie doch einfach irgendwo ab und dann gehst du mit mir shoppen!“ „Nein. Und wie soll sie sich hier zurechtfinden?“ „Nicht mein Problem.“ „Ihr könntet doch auch zusammen shoppen.“ „Zusammen?! Vergiss es!!“ „Dann musst du allein gehen.“ „Nein!! DU kommst mit!“ „Ich zeig ihr die Stadt in der Zeit.“ „Damit du sie nochmal vögeln kannst?!“ „Geht DAS schon wieder los...“, knurrte er sie entnervt an. Diese Frau schaffte es jedes Mal ihn an seine Grenze der Reizbarkeit zu bringen. Um nicht ganz in die Luft zu gehen, bot er Kate an, mit seiner Karte shoppen zu dürfen, während er Hilary die Stadt zeigen würde. Und darauf ging sie unverzüglich ein. Mit seiner Kreditkarte bräuchte er ja nicht mehr mit dabei zu sein. Doch eine Bedingung. Er musste immer in ihrer Sichtweite bleiben. Kapitel 27: Moskau ------------------ Kapitel 27 Am Zielort angekommen, parkte der Halbrusse seinen Wagen in einem Parkhaus. Hier gab es Sicherheitsleute, die rund um die Uhr auf die parkenden Wertstücke aufpassten. Die kleine Gruppe machte sich auf den Weg in die Innenstadt. Dazu mussten sie noch ein kleinen Fußmarsch zurücklegen. Und dann standen sie mitten auf dem roten Platz. Kate hielt ihre Hand direkt unter Kai's Nase, denn sie wollte endlich shoppen gehen. Er kramte seine Kreditkarte heraus, die sie ihm schnell aus den Fingern riss und verschwand im Kaufhaus. „Willkommen in Russland.“, Kai breitete die Arme aus und Hilary ließ ihren Blick über den Platz schweifen. „Wow....das ist echt beeindruckend schön.“, bemerkte die braunhaarige, überwältigt von den Eindrücken. „Hat dieser Platz einen Namen?“ „Das ist der rote Platz.“ „Rot? Wegen der roten Mauern?“ „Nein...“, grinste er. „Das denken viele, dabei kommt der Name aus dem altrussischen. Da war der eigentliche Name 'Schöner Platz', doch das Wort 'schön' wird heute hauptsächlich mit 'rot' übersetzt.“, erklärte er weiter. „Ah...deshalb roter Platz...Hast dich wohl vorbereitet.“, die Japanerin lächelte ihn verschmitzt an. „Nein. Das ist Heimatkunde. Das große Gebäude da drüben ist übrigens das Kaufhaus GUM. Ein Haufen Läden...genau das richtige für Kate.“ Hilary schmunzelte. Das würde für Kai's Kreditkarte nicht gutes bedeuten. Kai entfernte sich einige Schritte von der brünetten. „Da hinten ist das Lenin-Mausoleum und da der Kreml.“, er zeigte kurz auf die einzelnen Gebäude ohne dabei auf Hilary zu achten, die sich sichtlich schwer tat seinen Deutungen zu folgen. Dann drehte er sich auf der Stelle, genau in Hilary's Arme, drehte sie an den Armen mit und zeigte nach vorn. „Und die riesigen Kuppeln dort, gehören zur Basilius-Kathedrale. Beeindruckt, hm?“ Die junge Frau starrte in die gezeigte Richtung. So etwas schönes, großes, und architektonisch perfekt gebautes, hatte sie noch nie gesehen. In Japan gab es zwar auch schöne traditionelle Gebäude, die sehr stilvoll waren, doch dass setzte dem ganzen die Krone auf. „Echt wahnsinnig schön.“ „Wenn dich das schon so beeindruckt hat, musst du die Kathedrale mal bei Nacht sehen.“ Hilary schluckte schwer und drehte ihr Gesicht zu Kai. Was sollte das? Warum tat er das und vor allem warum sprach er so anders mit ihr? Ihre Augen studierten jeden Millimeter seines Gesichts. Er sah ganz ruhig an ihr vorbei, den Blick noch auf die Basilius-Kathedrale gerichtet. Als er merkte, dass Hilary nicht mehr das Gebäude, sondern ihn ansah, legte sich ein kleines Schmunzeln auf sein Gesicht, doch dass verschwand schnell wieder. „Lass uns mal ins Kaufhaus gehen.“, sagte er gewohnt kühl, der Gesichtsausdruck wieder versteinert ohne jegliche Emotion. Er ging an Hilary vorbei und sie sah ihm hinterher. „Warte!!“, rief sie und eilte mit dem Kinderwagen hinterher. Drinnen war es angenehm warm. Sie öffnete ihren Mantel und Emilia zog sie die warmen Sachen aus. Das Gebäude war gut besucht. Sie musste aufpassen, dass sie Kai nicht aus den Augen verlor. Schweigend gingen sie nebeneinander in die Mitte des großen Einkaufszentrums. Kai blieb stehen und sah nach oben. Hilary tat das gleiche. Ihr Mund öffnete sich, als sie die riesige Glaskuppel sah. Sie fühlte sich wie in einem Traum. Alles war so unwirklich. Zufrieden von seinem Vorhaben, Hilary zu beeindrucken, steuerte er nun den ersten Laden an. Frauenmode. „Kommst du?“, zog er die junge Frau aus ihrem kleinen Tagtraum. „Äh..was? Warte! Lauf doch nicht immer einfach los!“ Doch Kai ließ sich nicht davon abhalten, dass weiterhin zu tun. Im Geschäft suchte er nach passender Kleidung für seine Begleitung. Schließlich sollte sie nicht jeden Tag die gleichen Klamotten tragen. Geduldig zeigte er ihr ein Stück nach dem anderen. Hilary konnte gar nicht entscheiden bei so einer großen Auswahl. „Das ist doch viel zu teuer!“ „Willst du dir weiterhin dumme Sprüche von Kate einfangen?“ „Nein...“, sie verstummte. Er hatte wieder Recht. Ergeben ließ sie sich auf die Shoppingtour ein. Und es gab schon schöne Kleider. Am Ende der 30-Minütigen Ladentour, standen sie mit drei hübschen Kombinationen an der Kasse. Hilary sah Kai stutzig an. „Wie willst du das bezahlen?“ „Gib mal deine Kreditkarte.“ „Ah...stimmt...“, verlegen kramte sie aus dem Portemonnaie das kleine Plastikstück. Kai hielt es der Kassiererin hin und unterschrieb auf der Quittung. Die Tüten verstaute sie am Kinderwagen. Sie schlenderten noch durch einige andere Läden und verließen das Einkaufszentrums wieder. Kate war noch nicht wieder aufgetaucht, und Kai telefonierte ihr hinterher. „Wo bleibst du? Wir wollen weiter.“, er machte eine Pause und am anderen Ende der Leitung konnte man Kate sprechen hören. „Ich brauch hier noch ne Weile! Es gibt hier so tolle Kleider! Hol mich nachher einfach hier ab! Ich ruf dich an, wenn ich durch bin!“, sie klang wie ein Teenie, der seine Lieblingsband sah. Kai legte auf und steckte sein Handy wieder ein. „Wir können weiter. Kate hat noch zu tun.“ „Und wohin?“ „Lust auf ein eintöniges Museum?“ „Oh...Bitte nicht!“ „Kulturbanause...“, gespielt beleidigt drehte er sich um und suchte nach einer anderen Lösung. Ein Museum war jetzt nicht unbedingt einfallsreich, aber es bot sich an. „Dann drehen wir ne Runde mit dem Auto durch Moskau. Keine Widerrede.“, die Arme vor dem Körper verschränkt, gingen sie zum Auto zurück. Er fuhr quer durch die Stadt und zeigte ihr weitere Sehenswürdigkeiten Moskaus. Unterwegs aßen sie eine Kleinigkeit und Emilia bekam auch ihre Mahlzeiten. „Jetzt zeig ich dir noch was und dann sind wir durch. Erstmal.“ Hilary sah ihn neugierig an und blieb am Wagen stehen. „Da können wir zu Fuß hingehen.“ „Oh. Gut. Dann eben zu Fuß.“ Also machten sie sich auf den Weg. Nach einem zügigen Marsch kamen sie direkt auf ein großes sandsteinfarbenes Tor zu. Imposante Säulen und ein breiter Durchgang zwischen den Säulen zierten das Bild. Hilary wurde langsamer und blieb ganz stehen. „Wow......“ Auch Kai blieb etwas weiter vorne stehen. „Das ist der Gorki-Park für Kultur und Erholung. Er umfasst eine Fläche von über 1 km². Gehen wir rein oder willst du hier stehenbleiben?“, erklärte er und sah die brünette darauf fordernd an. „Ach weißt du, eigentlich können wir wieder gehen. Ein Park ist ja nichts ungewöhnliches!“, sie begann den Kinderwagen weiter zu schieben und ging am ihm vorbei. Kai sah ihr schweigend hinterher. „Gehen wir nun rein oder willst du hier stehenbleiben?“, rief sie lachend zurück. Der Russe holte tief Luft und lief hinterher. Schnell hatte er aufgeholt und führte sie durch den großen Park. Vorbei an den kleinen Seen und Spielplätzen. Am Ende zeigte er ihr noch das große Veranstaltungsgelände auf dem regelmäßig Open-Air-Konzerte stattfanden. Nach einem ausgedehnten Spaziergang qualmten den beiden die Füße. Sie waren froh als sie wieder am Auto waren. Mittlerweile hatte Kate auch eine Nachricht hinterlassen, da sie abgeholt werden wollte. Erschöpft ließ Hilary sich in den Sitz gleiten und genoss es einfach auszuruhen, während Kai zurück zum Kaufhaus fuhr. Unterwegs rieselten kleine weiße Flöckchen vom Himmel. Und in weniger als einer Stunde waren die Wege und Häuserdächer mit einem zarten weißen Mantel bedeckt. Im Parkhaus stiegen beide aus, um Kate abzuholen. Draußen dämmerte es bereits, als sie am roten Platz auf Kate warteten. Sie war nirgends zu sehen und erreichen konnte Kai sie auch nicht. „Und jetzt?“, fragte Hilary ratlos. „Warten wir bis sie auftaucht.“ „Hoffentlich bald...mir wird langsam kalt...“, bibbernd rieb sie ihre Hände aneinander. Gut, dass Emilia warm eingepackt war. Zu gern hätte sie mit ihrer Tochter die Plätze getauscht. Doch das würde sehr komisch aussehen. Mit jeder Minute, die sie warteten, wurde es kälter. Und die weißen Flocken wurden größer. Hilary schob den Wagen ein Stück über den Platz um sich wenigstens etwas warm zu halten. Viel half es nicht. Zurück bei Kai stapfte sie durch die Schneedecke und stolperte über einen kleinen Absatz. Sie verlor das Gleichgewicht und rutschte mit dem anderen Fuß im Schnee aus. Vor Schreck ließ sie den Kinderwagen los. Sie hoffte nur, dass die weiße Pracht ihren Aufprall etwas dämpfen würde, doch dazu kam es nicht. Die warme Hand des Russen griff ihren Oberarm, zog sie zu sich heran und versuchte ihren Fall zu verhindern. Hilary stützte sich aus Reflex mit der freien Hand an seinem Oberkörper ab und brachte ihn mit ihrem Gewicht ebenfalls ins Wanken. Mit einem lauten Aufschrei seitens der brünetten, gingen beide zu Boden. „Aua...“, die braunhaarige rieb sich ihren Hintern mit dem sie aufgekommen war. „Sorry. Eigentlich wollt ich verhindern, dass du fällst.“, er sah an ihrem roten Mantel herab und dann in ihr Gesicht. Sie hatte vor Kälte eine gerötete Nase bekommen. Doch ihre Augen strahlten, trotz des Sturzes, genauso ausdrucksstark wie immer. Hilary blinzelte und fiel vom Glauben, als sie Kai so über sich hängen sah. So nah war er ihr das letzte Mal, als er sie geküsst hatte und nun drohte eine ähnliche Situation. Ihr Atem wurde unruhiger, denn sein durchdringender Blick ruhte auf ihr. „Kai...“, ihre rehbraunen Augen waren weit geöffnet, ihre Hand lag noch sanft auf seiner Schulter. Sein Gesicht näherte sich langsam ihrem. „Nein.“, verunsichert neigte sie ihren Kopf zur Seite. Zu groß war die Angst, vor dem, was sie wieder ereilen könnte. Kai ließ seinen Kopf hängen, stand schnell auf und klopfte seine Hosenbeine ab. Er reichte ihr die Hand und zog sie mit einem Ruck zurück auf die Beine. Verlegen drehte sie sich von ihm weg und klopfte vorsichtig ihr Gesäß ab, mit dem sie aufgekommen war. Kapitel 28: Umdenken -------------------- Kapitel 28 Schweigend standen die jungen Leute nebeneinander. Er seine Arme vor dem Körper verschränkt. Sie mit gesenktem Blick auf den Boden. Hilary dachte über seinen Versuch, sie erneut zu küssen, nach. Warum tat er das? Empfand er mehr? Oder wollte er sie einfach nur verarschen? Scheinbar machte es ihm Spaß die junge Japanerin so zu verwirren. Schließlich hatte sie Gefühle für ihn. Kai dagegen war überrascht über sein Verhalten. Doch er verwarf seine aufkommenden Gedanken dazu wieder, denn über so etwas zerbrach er sich nicht den Kopf. Zumal seine Freundin, mit beiden Händen voller Tüten, aus dem Kaufhaus kam. „Ohhhhhh! Das hat ja soooo gut getan! Schau mal, was ich alles tolles geholt habe!“, provokant hielt sie die vollen Tüten vor Hilary's Nase und wedelte damit herum. „Schön für dich.“, entgegnete sie unbeeindruckt davon. Kate umarmte ihren Freund mit den Tüten und küsste ihn auf den Mund. Die Arme hatte er weiter verschränkt. „Da ist auch was hübsches für dich bei...“, hauchte sie in sein Ohr. „Dann können wir ja jetzt endlich los.“, er schob die dunkelhaarige etwas von sich, um ihr den Einkauf abzunehmen und ging voraus. Kate und Hilary folgten ihm rasch. Auf der Heimfahrt redete Kate ungehalten davon, was sie alles gesehen, gekauft hatte und noch kaufen wollte. Kai musste gezwungenermaßen zuhören, da sie ihm immer wieder nach seiner Meinung fragte. Gut, dass sie Hilary in Ruhe ließ. Sie konnte sich während der Fahrt endlich aufwärmen. Der Russe versuchte sich, bei dem unaufhörlichen Gerede, auf die Straße zu konzentrieren. Er hatte die Heizung extra höher gestellt, da er wusste, dass Hilary fror. Er blickte in den Rückspiegel, um den nachfolgenden Stadtverkehr zu beobachten. Dann schaute er nochmal in den Rückspiegel. Sein Blick fiel auf die brünette, die hinter ihm saß. Sie sah verträumt aus dem Fenster. Ihr rehbraunen Augen verfolgten die Lichter, die an ihnen vorbeizogen. „PASS AUF!!“ Quietschende Räder waren zu hören und das Auto stand still. „PASS DOCH AUF WIE DU FÄHRST!! Du wärst dem Auto vor uns fast hinten drauf gefahren!!“, brüllte Kate ihn an. „Was ist los mit dir?!“ „Wenn du deine Klappe halten würdest, könnte ich mich auch besser aufs Fahren konzentrieren!“, fauchte der Halbrusse giftig zurück. „Tze...dann sag ich eben nichts mehr. Aber komm nachher ja nicht bei mir an!“, schmollend rutschte sie auf den Beifahrersitz herum und beachtete ihren Freund nicht mehr. Der holte tief Luft und fuhr dann weiter. Ohne weitere Vorkommnisse. Bei Mila angekommen, wurden sie schon erwartet. Sofort kam ein Bediensteter heraus und hielt den Damen die Tür auf. Ein anderer holte die Einkaufstüten aus dem Kofferraum und der erstere fuhr den Wagen dann in die Garage. Drinnen begrüßte sie Ludmila freundlich wie immer. „Ihr seid gerade rechtzeitig! Kommt! Das Abendessen ist angerichtet. Los los!“, noch während die drei ihre Mäntel aufhingen, wollte Mila sie schon in den Speisesaal scheuchen. „Ich muss mich erstmal umziehen, Mila. Ich bin total durchnässt. Schau!“, Hilary drehte sich mit dem Rücken zu ihr, worauf sie ihre nasse Hose sehen konnte. Mila nickte lächelnd, nahm ihr Emilia ab und ging voraus in den Saal. Kate folgte ihr auch, da sie ihr eine Menge zu berichten hatte. Und bei ihr wusste sie, dass sie zuhören würde. Die braunhaarige eilte schnell die Treppe hinauf, um sich etwas trockenes anzuziehen. Als es an den Tür klopfte. Sie war sich sicher, dass es ein Butler war, den Mila schickte um sie zu holen. „Ich komme gleich!“, rief sie heraus und beeilte sich mit dem Anziehen. Sie riss die Tür auf, als vor ihr zwei marineblaue Papiertüten mit silberner Aufschrift baumelten. Erschrocken fuhr sie zurück. „Dein Einkauf. Vielleicht ziehst du eins davon an?“, er gab ihr die Tüten in die Hand und verschwand sogleich wieder nach unten. Perplex blinzelte die junge Frau ein paar Mal. Sie machte zwei Schritte zurück und schloss die Tür erneut. Vorsichtig legte sie die Tüten auf dem Bett ab. Sie griff hinein und zog das dunkelblaue Kleid heraus. „Das soll ich anziehen...?“, verunsichert von dem faszinierenden Anblick des Kleides, hielt sie es sich an ihren Körper. Im Speisesaal warteten alle nur noch auf Hilary. Kate kaute Mila ein Ohr ab und Kai saß mit geschlossenen Augen am Tisch, genervt von Kate's Gerede. Dann öffnete sich langsam die Saaltür und Hilary kam herein. Sie hatte sich gegen das Kleid entschieden, stattdessen trug sie jetzt bequeme warme Sachen. „Sorry, dass es so lange gedauert hat.“, entschuldigte sie sich. „Kein Problem, wir wollen ja nicht, dass du uns krank wirst.“, lächelte sie und eröffnete das Abendessen. Der Tisch war reichlich gedeckt mit russischen Spezialitäten. Für die Japanerin ungewohnt, da sie das Essen nicht gewohnt war, aber sie konnte sich durchringen, einige Happen zu probieren. „Wie war es in der Stadt, Kinder?“, warf Mila in den Raum und wartete hoffnungsvoll auf eine Antwort. „Es war wunderschön.“, berichtete Hilary. Sie erzählte von den ganzen Eindrücken, die sie bekommen hatte. Von den unglaublich schönen Orten und von dem riesigen Park, in dem sie Spazieren waren. Nur den Teil vor dem Kaufhaus ließ sie aus ihrem Bericht verschwinden. Das brauchte keiner von ihnen zu wissen. Und Kai schien darüber auch erleichtert. „Oh wunderbar! Dann hast du schon einiges von Moskau gesehen. Das freut mich aber sehr!“ „Und das beste war, dass ich mit Kai's Kreditkarte ohne Ende shoppen konnte!!“ „Kate...“, Mila hatte sich einen Teil von Kate's Tour schon angehört und sie hoffe jetzt darauf nicht den restlichen Teil hören zu müssen. „Die anderen beiden haben heute auch etwas erlebt. Nicht nur du. Also fall' doch bitte nicht immer mit deinem Einkauf dazwischen.“, Ludmila warf Kai einen besorgten Blick zu. Sie konnte einfach nicht verstehen, warum er ihr die Kreditkarte zur uneingeschränkten Verfügung stellte. Der Russe zog nur leicht die Schultern nach oben und ließ sie wieder sinken, bevor er weiter aß. Es herrschte wieder Stille am Tisch. Keiner sagte etwas. Jeder sah auf seinen Teller. Und nach dem Essen verschwand Hilary in ihrem Zimmer. Die brünette legte Emilia schlafen und ruhte sich nochmal aus. Sie setzte sich in den weichen Samtsessel, der neben dem Fenster stand. Vor dort aus konnte sie den fallenden Schnee beobachten. Ein schweres Seufzen verließ ihre Lippen. „Warum macht er das nur...“, gedankenverloren saß sie stumm im warmen Raum, während von draußen die Flocken gegen ihr Fenster fielen. „Kai, ich hoffe du bleibst noch bei mir, oder willst du zu Kate?“ „Ich bleibe noch.“ „Kaai??? Ich komm gleich wieder runter!! Ich zeig euch meine neuen Kleider!!“, rief sie die Treppe herunter. Dann klappte die Zimmertür zu. Kai und Ludmila warfen sich einen wehleidigen Blick zu. Dem konnten sie jetzt nicht mehr entkommen. Die nächsten zwei Stunden waren zu Gast bei Kate's Modenschau. Mila saß gespannt in ihrem Sessel neben dem Kamin. In der Hand eine Tasse Kräutertee. Kai griff da lieber zu etwas härterem. Ein Glas Wodka auf Eis. Anders könnte er das Schauspiel nicht ertragen. „Irgendetwas stimmt mit dir nicht mein Junge.“, bemerkte seine Tante ganz nebenbei. Doch Kai sah sie nicht weiter an. Er legte den Kopf auf der Rückenlehne ab und breitete die Arme darüber aus. Er seufzte. „Willst du mir was erzählen?“ Schweigen seinerseits. „Du musst natürlich nicht. Aber vielleicht kann ich dir helfen.“, obwohl er sie nicht ansah, lächelte sie ihm entgegen. Dann sprang die Tür auf. „Tadaaa!!!“, Kate platzte herein. In einem weißen Satinkleid mit Strasssteinchen bestickt. Sie kam hereingelaufen, drehte sich und stellte sich an die Tür in einer Modellpose zur Schau. „Und wie findet ihr das?“ Kai hob seinen Kopf von der Lehne und schaute seine Freundin kurz an. „Hm.“, dann ließ er den Kopf wieder auf die Lehne fallen und starrte an die Decke. Ludmila lächelte sie freundlich an und machte ihr ein Kompliment. Dann ging sie wieder aus dem Raum heraus. Mila's Blick drehte sich in Kai's Richtung. „Was?“, sprach er sie vorwurfsvoll an. Die Dame räusperte sich nur und trank noch einen Schluck Tee. Kai seufzte nur ein weiteres Mal. Kapitel 29: Geheimnis --------------------- Kapitel 29 Nach einer schier endlosen Modenschau wurden die beiden schließlich erlöst. Kate kam in bequemen Klamotten zurück in die Wohnstube und setzte sich neben ihren Freund. Der entschied sich, unter Mila's durchdringendem Blick, doch nichts zu erzählen und schwieg weiterhin. Seine Tante beließ es ebenso und fragte nicht weiter nach. Wenn er Probleme hätte, würde er zu ihr kommen, das wusste sie. „Und? Richtig tolle Klamotten, findet ihr nicht auch?! Es gab noch so viele mehr. Am liebsten hätte ich alle mitgenommen!!“ „Ja, durchaus wunderschöne stilvolle Kleider, Kate.“, stimmte Mila ihr zu. Sie hatte einen Sinn für die Schönheit der Menschen. „Na da hab ich ja nochmal Glück gehabt.“, warf Kai dazwischen. Er konnte bei Kate mit allem rechnen. Auch, dass er nach diesem Einkauf, in Schulden versinken könnte. Doch das war ihm grad egal, denn Kate schmiegte sich an ihn und streichelte ihm über die Brust. Er trank dagegen noch seinen Wodka aus. „Gehen wir hoch...Süßer?“ „Ich werde euch nicht davon abhalten. Ich werde nun schlafen gehen. Ich wünsche eine angenehme Nachtruhe.“, seine Tante verabschiedete sich von den beiden und schloss die Tür hinter sich. „Und seid mir ja nicht zu laut!“, rief sie von draußen herein. Das entlockte dem Paar ein Grinsen. Sie sahen sich vielsagend an. „Lass uns hochgehen. Ich hab dir noch was mitgebracht...“, verführerisch stand sie vom Sofa auf und zog Kai am Hemd zu sich heran. Dieser erhob sich ohne Widerstand zu leisten. Sein Glas stellte er auf dem Beistelltisch ab. Dann verschwanden die beiden nach oben. Getrieben von der Gier nach Lust schloss Kai die Zimmertür ab. Als er sich zu Kate drehte, stand sie ganz unschuldig blickend in einem schwarz-roten Dessous vor ihm. In seinem Gesicht konnte sie lesen wie in einem offenen Buch. Sein Blick wanderte an ihrem zarten Körper herab und ein leichtes Grinsen zierte seine Lippen. „Da hast du dir aber was schönes ausgesucht.“ Mit einer Hand begann er sein Hemd aufzuknöpfen, während er auf die Russin zuging. Ganz leicht fuhr er mit seiner anderen Hand über ihre Schulter nach unten, über den Busen, an ihrer Taille herab. Dort packte er sie forsch an und zog sie zu sich. Kate legte ihre Arme um ihn. „Leider ist mir das immer noch viel zu viel Stoff...“, mit jedem Wort, dass er sprach, glitt ein BH-Träger nach dem anderen über ihre Schulter nach unten. Mit einem gezielten Griff, öffnete er ihr Dessous-Oberteil und es flatterte sanft zu Boden. Kate's Drohung, mit ihm kein Wort mehr zu reden, war wie weggeblasen, als sie sich seinem feurigen Kuss aus Lust und Begierde wiederfand. Sie konnte diesem Kerl einfach nicht widerstehen. Er hatte so eine gierige Art an sich, die er über den ganzen Tag verstecken konnte. Und wenn sie zusammen waren, entlud sich die aufgestaute Gier. Nachdem sie schon mehr als zwei Tage lang keinen Sex hatten, machte sie sich Sorgen, dass er sie nicht mehr attraktiv finden könnte. Zumal die Japanerin nun auch überall dabei sein musste. Doch das schadete der Lust der beiden keines Falls... Am anderen Morgen wachte Kai allein im Bett auf. Kate lag nicht mehr neben ihr und auch sonst, war es verdächtig still im Zimmer. Verwundert warf er einen Blick aufs Handy. Nach Acht war es erst. Kate stand nie vor Neun auf. Er setzte sich auf die Bettkante und rieb sich mit den Händen das Gesicht. „Was für eine Nacht...“, er streckte sich ausgiebig, bevor er in das angrenzende Bad ging. Nach der erfrischenden Dusche kam er nach unten. Dort sah er Kate von draußen hereinkommen. „Wo warst du denn so früh?“, fragte er sie kühl, wie immer. „Geht dich gar nichts an!“, fauchte sie und verschwand nach oben. Zurück blieb ein überraschter Kai, der nicht so recht wusste, was er davon halten sollte. Von unten hörte er nur noch wie die Tür abgeschlossen wurde. Schulter zuckend suchte er nach seiner Tante. Die war mit Sicherheit auch schon wach. Und als hätte er es gewusst, stand sie ihm Wohnzimmer an der großen weiten Fensterfront und sah nach draußen auf die weiße unberührte Schneedecke. „Traumhaft...findest du nicht auch?“ Überrascht, dass sie ihn bemerkte, stellte er sich neben sie. Es war ein malerisches Bild. Der komplette Garten- und Terrassenbereich war umhüllt von Schnee. Kein Grashalm war mehr zu erkennen. „Hm.“, war seine eher desinteressierte Antwort auf ihre Bemerkung. „Hattet ihr noch einen schönen Abend?“, schmunzelte sie vor sich hin. Sie war nicht von gestern und wusste, was die Jugend trieb, wenn sie allein waren. Früher war sie nicht anders. Und die Zeiten änderten sich nie. „Ja.“ „Oh...sehr schön! Nur wäre es lieb von euch, wenn ihr etwas rücksichtsvoller gegenüber den anderen sein könntet.“ Der Halbrusse verzog die Mundwinkel zu einem unterdrückten Grinsen. Von Mila bekam er dafür einen Ellenbogenhieb gegen seinen Oberarm. „Denk doch an deine Tochter!“, spielte sie übertrieben besorgt und prustete dann los. „Ja ja...Wo war Kate eigentlich so früh?“, seine Augen schauten gen blauem wolkenlosen Himmel. Mila's Lachen verstummte und sie sah nachdenklich aus. „Nun ja...ich habe nicht viel mitbekommen. Nur, dass sie versuchte, unbemerkt das Haus zu verlassen.“ „Also weißt du nicht wo sie war.“, stellte er fest. „Nein. Das tut mir leid.“ „Es ist ungewöhnlich, dass sie vor Neun aufsteht, mal ganz davon abgesehen, dass sie sich aus dem Haus schleichen will.“ „Ja, aber leider habe ich keine weiteren Informationen für dich.“ „Ok.“ „Wo willst du hin? Es gibt doch gleich Frühstück!“, merkte sie noch an, bevor er hinausging. Er machte sich auf den Weg nach oben, doch die Zimmertür war immer noch abgesperrt. Der blau-haarige klopfte an die Tür, aber nicht mal eine Reaktion kam von innen. Was war nur los mit Kate? Er hatte doch nichts falsch gemacht. Und als sie gestern Abend Sex hatten, war mit ihr auch noch alles in Ordnung. Also was hatte diese Frau jetzt plötzlich? Von der verschlossenen Tür bekam er leider keine Antworten. Und von drinnen regte sich auch nichts. Hilary kam auf ihn zu und musterte ihn mit hochgezogener Augenbraue. „Guten Morgen. Bettelst du um Einlass?“, scherzte die braunhaarige herum, worauf sie einen bitterbösen Blick von Kai erntete. Emilia grinste ihren Vater fröhlich an, während Hilary an ihm vorbeiging. „Versuchs mal mit 'Sesam, öffne Dich'.“, sie stieg die Treppe hinunter. „Ha ha.“, kam es tot ernst von dem Russen, bevor er ihr nach unten folgte. Beide gesellten sich zu Mila in den Speisesaal. Und erwartungsvoll schaute Ludmila ihren Neffen an. Der zuckte nur mit den Schultern. „Sie hat sich eingeschlossen.“ „Kate? Warum dass denn?“, fragte Hilary überrascht und realisierte, dass er deshalb vor der Tür wartete. „Keine Ahnung.“ „Dann können wir ja essen, denke ich.“, sie setzte sich an den Tisch und eröffnete das Mahl. Während des Essens gesellte sich Kai's Freundin nicht zu den anderen. Ihr Platz blieb leer. Der Bedienstete wollte gerade ihren Teller abräumen, als Hilary ihn nahm und ein paar Kleinigkeiten drauflegte. Vielleicht hatte Kate später Hunger, wenn sie aus dem Zimmer kam. Auch wenn die Russin sie nicht mochte, war sie besorgt. „Kai? Kannst du ihr das geben?“, bittend reichte sie ihm den Teller. „Ich versuch's...“, er nahm ihr das Porzellangeschirr ab und stieg langsam die Treppe hinauf. Vorsorglich seufzte er, als er vor der Tür stand. Mit seiner linken Hand fuhr er sich durch die Haare, ehe er klopfte. Drinnen hörte er jetzt Schritte näher kommen. Dann ein Klicken. Sie schloss die Tür auf, öffnete sie aber nicht. Und die Schritte entfernten sich wieder. Er holte tief Luft und trat dann ein. Er fand Kate auf dem Bett sitzend vor. Sie starrte auf den Boden und sah ihn nicht an. „Hey, was ist los mit dir?“, erkundigte er sich nach ihrem Befinden, doch er erhielt keine Antwort. Er trat näher an sie heran. Vor ihr lag eine kleine Tüte auf dem Boden. Langsam nervte ihn das Verhalten seiner Freundin. „Kate!“, sein Ton wurde härter. Er wollte jetzt endlich wissen was mit ihr los war. Gerade, als er ihren Namen noch einmal wiederholen wollte, sah sie vom Boden auf. Der Russe erstarrte, als er in ihr Gesicht sah. Sie sah verheult aus. Ihre Schminke verlaufen. So sah er sie jetzt zum ersten Mal. So schwach. „Was ist los, Kate?“ Kapitel 30: Überraschung 2.0 ---------------------------- Kapitel 30 Kate sah ihren Freund an. Ohne Ausdruck, ohne Emotion. Sie sagte auch kein Wort zu ihm. Nur vereinzelt rollte eine verlorene Träne über ihre Wangen. Der junge Mann wusste nicht wie er reagieren sollte. Er war nicht der Emotionsmensch und so wie Kate aussah, brauchte sie Trost. Doch Kai bewegte sich nicht. Er blieb ein gutes Stück vor dem Bett. Seufzend wollte er gerade den Teller auf die Kommode stellen, als Kate doch zu sprechen begann. Ihre Augen waren zu kleinen Schlitzen zusammengekniffen und eine unbeschreibliche Wut war darin zu sehen. „Da hast du es!!“, rief sie ihm halb weinend zu. Der blau-haarige drehte seinen Oberkörper in ihre Richtung und sie schleuderte ihm einen länglichen Gegenstand entgegen. Dieser lag nun auf dem Boden vor seinen Füßen. „Was ist das?“, fragte er und zog seine Augenbrauen nach oben um Kate anzusehen. „Was DAS ist?! DAS ist ein Schwangerschaftstest! Ich bin schwanger! Und DU wirst Vater!!“, brüllte sie nun hemmungslos herum. Wieder liefen Tränen über ihr verzweifeltes Gesicht. Ihre heile Welt brach zusammen. „Nein.“, war das einzige was Kai dazu zu sagen hatte. Er schüttelte seinen Kopf und versuchte krampfhaft eine Erklärung dafür zu finden. Jetzt beugte er sich zu dem Test herunter und hob ihn auf. Im gleichen Moment ging der Porzellanteller, den Hilary liebevoll bepackt hatte, klirrend zu Boden. Das interessierte ihn aber nicht. „OH DOCH! Und du wirst NICHT abhauen! Das machst du mit mir nicht!!“ „Nein. Du kannst nicht schwanger sein. Wir haben nie ohne Gummi Sex gehabt!“, Kai ging da immer auf Nummer sicher. Egal, ob die Frauen ihm sagten, dass sie die Pille nahmen. Er bestand darauf. Und jetzt sollte Kate ein Kind von ihm bekommen? Das war schier unmöglich. „Das weiß ich auch! Dann muss es wohl gerissen sein, irgendwann!“, sie suchte nach einem schuldigen für ihre missliche Lage. Und da bot sich Kai perfekt an. Schließlich waren sie zusammen, da kam es nur Nahe, dass er der Erzeuger sein musste. Doch Kai war gar nicht davon begeistert. Überzeugt davon, nicht der Vater zu sein, ging er nachdenklich zum Fenster herüber. In seinen Gedanken suchte er immer noch nach dieser einen Situation in der er nicht aufgepasst hatte. Nur er konnte nichts finden. Kate erholte sich langsam von ihrem ersten Schock und sie fasste einen Entschluss. „Ich will, dass du mich heiratest. Ich will kein uneheliches Kind zur Welt bringen.“ „Du bist doch verrückt.“ „Dir sollte eigentlich ein uneheliches Kind schon genug sein und jetzt noch ein zweites? Das wirft kein gutes Licht auf dich!“, stocherte sie jetzt entschlossen herum. Sie wollte ihn an sich binden und das hatte sie jetzt auch geschafft. Er musste sie nur noch heiraten. „Immerhin hast du mit ihr als Frau, viel bessere Chancen, weiter zu kommen mit deinen Zentren. Du weißt, dass mein Vater unglaublich viele Kontakte hat. Von denen DU dann profitieren kannst.“ Da musste er ihr Recht geben. Ihr Vater war einflussreich. Und er verstand sich mit ihm wunderbar, auch wenn es nicht um die Arbeit ging. Doch Kai wollte nicht verstehen wie das passieren konnte. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Vielleicht war es das beste, sie einfach zur Frau zu nehmen. Er wusste ja nun wie sich Hilary gefühlt hatte, nachdem er einfach weggegangen war. „Ich kann dir jetzt noch keine Antwort darauf geben. Ich...muss erstmal darüber nachdenken.“, er betrachtete sein Spiegelbild im Fenster. Am liebsten würde sich selbst ohrfeigen. Er lief zur Tür. „Wo willst du hin?!“, schrie Kate ihn an. Doch ihr Freund sah sie nicht an. „Nachdenken.“, die Zimmertür fiel ins Schloss und Kate saß wieder allein im Raum. Sie ließ sich auf dem Bett nieder und berührte ihren Bauch. Sie würde also ein Kind bekommen. Bei dem Gedanken huschte ihr ein Grinsen über das Gesicht. Sie griff nach einem Kissen und steckte es sich unter ihr Shirt. Vor dem Spiegel im Bad betrachtete die dunkelhaarige den ausgepolsterten Bauch. „Sieht ja doch nicht so schlecht aus...“, ein selbstsicheres Grinsen bildete sich. Darauf flog das Kissen aus dem Bad, denn sie wollte sich neu schminken. Unten im Wohnzimmer saß Hilary mit Ludmila die ausgelassen mit Emilia spielte. Die beiden verstanden sich wunderbar. Emilia konnte jetzt schon zielgerichtet robben. Sie machte so schnelle Entwicklungssprünge, dass Hilary die Zeit nach der Geburt vermisste. Aber für sie war es auch schön zu sehen, dass ihre Tochter immer selbstständiger wurde. „Ob Kai mit Kate reden konnte?“ „Kate kann ein Monster sein, wenn es nicht nach ihrer Nase geht. Vielleicht hat Kai so etwas in der Art angestellt.“, spekulierte Mila nebenbei. „Vielleicht hängt es auch mit dir zusammen...hm...“ „Wie meinst du das?“, hakte die Japanerin genauer nach. „Er ist anders, als sonst.“, die ältere Dame konnte sich noch keinen Reim darauf machen, was ihr Neffe hatte, aber es hatte etwas mit den beiden Frauen zu tun. So sicher war sie schon mal. „Mila? Könntest du kurz auf Emilia aufpassen?“ „Aber natürlich! Wir verstehen uns doch wunderbar! Los los! Geht schon!“, sie nahm Emilia auf ihren Arm und winkte mit Emilia's Ärmchen hinterher. Grinsend verließ Hilary die Stube. Im Flur erblickte sie Kai. „Und?“, fragte sie vorsichtig bei dem Russen nach. Dieser schaute sie grimmig an, und eilte an ihr vorbei ins Wohnzimmer. Hilary atmete tief ein nach dem er vorbei gegangen war. Er roch nach Rauch. Hatte er Stress mit Kate? Mit den Schultern zuckend, ging sie nach oben. Sie holte warme Sachen für ihre Tochter, denn sie wollte bei dem angenehmen Wetter spazieren gehen. Derzeit schneite es nicht und die Sonne schien. „Oh Kai! Wie geht es Kate? Konntest du mit ihr sprechen?“ „Ja.“ Es öffnete sich ein weiteres Mal die Tür und Hilary kam zurück mit Emilia's warmen Sachen. Kai und Ludmila schwiegen, seit die junge Frau im Raum war. Das merkte sie auch und beeilte sich mit dem Anziehen, damit sie die beiden nicht weiter störte. „So, ich geh dann spazieren. Bis nachher!“ „Viel Spaß euch beiden!“, lächelte Mila ihr hinterher. Als die Tür geschlossen war, verschwand ihr freundliches Gesicht und es wurde ernst. „Schwanger?! Bist du dir sicher?“, Kai schilderte ihr die Situation, die sich oben abspielte. Was Kate forderte und was er dachte. Ludmila starrte ihren Neffen ungläubig an. Kate wollte doch keine Kinder. Und jetzt das? Doch Mila blieb ruhig. „Wie weit ist sie denn?“ „Keine Ahnung.“ „Finde es heraus. Geh mit ihr zum Arzt und dann kannst du den Zeitraum ungefähr eingrenzen. Vielleicht gibt es eine ganz logische Erklärung.“, sie versuchte ihm beizustehen. Mit Rat und Tat. In diesem Fall bot sich der Rat, als bessere Alternative an. „Du musst jetzt zeigen, dass dir das nicht egal ist, Kai...Aber ob du sie gleich heiraten solltest...ich weiß nicht so recht...Ihr seid noch jung...“ „Sie will kein uneheliches Kind.“ „Dann hätte sie auch besser aufpassen müssen. Es gehören immer zwei Menschen dazu. Die Schuld allein auf dich zu schieben, ist nicht gerecht.“ „Hm...mir reicht schon ein Kind...was soll ich mit noch einem?“, seine Tante konnte in seinen Augen die Überforderung sehen. Sie lächelte. „Wenn das Kind genauso niedlich wird, wie deine Tochter, dann hast du nichts zu befürchten!“, lachte sie. Er hatte nur ein Seufzen übrig. Einen Moment später stürmte Kate herein. Sie wollte jetzt unbedingt zum Arzt. Auf einen Test wollte sie sich nicht verlassen, der Arzt sollte auch einen machen. Ihr Versuch, Kai mit zum Arzt zu bekommen, scheiterte kläglich. Beleidigt zog sie von dannen. Einer der Bediensteten fuhr sie schließlich in die Stadt. Kapitel 31: Nachwuchs --------------------- Kapitel 31 Nach zwei Stunden kamen Hilary, aber auch Kate gleichzeitig wieder an dem großen Anwesen an. An der braunhaarigen fuhr der schwarze Wagen vorbei und hielt am Eingang. Sie schob ihren Kinderwagen in aller Ruhe weiter. Kate stieg aus, schaute kurz zu der Japanerin und ging ohne zu warten herein. Etwas anderes hatte die junge Mutter auch nicht erwartet. Der nette Butler wartete dagegen auf sie. Vor der Treppe nahm sie ihre Tochter heraus und der freundliche Mann schob den Wagen ganz selbstverständlich in den Keller. Danach fuhr er die schwarze Limousine in die Garage. Oben angekommen klopfte sie an der Tür. Kurz darauf öffnete ein anderer Bedienstete die massive Tür. Hilary lächelte ihn an und verbeugte sich ein wenig. Schnell zog sie die durchweichten Schuhe aus, und ging in ihr Zimmer um sich aufzuwärmen. Emilia hatte ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter, schöne warme Hände. Vorsichtig zog sie jede Kleidungsschicht aus, denn sie schlief noch. In der Zeit stellte sich Hilary ans Fenster und wärmte sich an der darunter hängenden Heizung die Beine und Hände. Eine Wohltat für die durchgefrorene Frau. Als Emilia aufwachte, fütterte sie ihre Tochter und legte sie darauf wieder hin. Den Mittagsschlaf brauchte sie immer noch. Gut für die junge Frau, denn sie konnte jetzt auch etwas essen. Leise schlich sie aus dem Zimmer, in die Küche. Dort suchte sie im Kühlschrank nach einer Kleinigkeit. Nachdem Kate wieder zurück war, verschwand sie sofort wieder in ihrem Zimmer. Kai, der sie gehört hatte, folgte ihr nach Mila's Aufforderung nach oben. Leise schloss er die Tür hinter sich und setzte sich auf das Bett. „Was ist?!“, keifte sie ihn gleich an. „Wie weit bist du?“, fragte er sie ruhig. Sie fuhr herum zu ihm und drückte ihm das Ultraschallbild auf die Brust. „Da! 7. Woche!“ „Aha.“, langsam nahm der Halbrusse das Bild von seiner Brust und betrachtete es. Unbeeindruckt davon hielt er es ihr entgegen. „Erkennt man nichts drauf.“, damit stand er wieder auf und verließ das Zimmer. Kate sah ihm nur hinterher. Auf dem breiten Flur kam Hilary grad die Treppe hoch. Verwundert sah sie ihn an. „Alles in Ordnung mit dir?“ „Hm? Ja. Natürlich.“, sagte er abweisend. „Ok, dann ist ja alles wie immer. Ich esse jetzt erstmal was.“, sie wedelte mit ihrem Teller vor seinem Gesicht, ehe sie weiter in ihr Zimmer ging. Auch Kai beschloss darauf etwas zu Essen. Wie sollte er Hilary das erklären? Er hatte mit Mila schon darüber gesprochen, doch einen treffenden Rat, konnte sie ihm nicht geben. Mit einem belegten Brot kam er aus der Küche zurück, zog sich seine warme Jacke über und verließ das Haus. Bis zum Abend tauchte er nicht wieder auf. Am Nachmittag gesellte sich Hilary wieder zu Ludmila. Die wartete schon sehnsüchtig darauf wieder mit Emilia spielen zu können. Die junge Frau wollte allerdings noch einen Spaziergang machen. Das Wetter blieb stabil, die Sonne schien schon den ganzen Tag über. Mila überredete Hilary, ihr das große Anwesen zu zeigen. Also spazierten sie über die zugeschneiten Wege. Das Grundstück erstreckte sich über mehrere Kilometer. Mit einem kleinen Waldstück, einer großen Wiese und die beiden liefen zum kleinen See. Umgeben von den kahlen Baumstämmen, lag das Gewässer fast etwas versteckt. „Im Sommer ist es hier wirklich herrlich musst du wissen. Die Bäume spenden Schatten und die Sonne glitzert zwischen den Blättern auf den See. Wie im Film!“, lächelte sie die brünette Frau an, die ihr aufmerksam zuhörte. „Echt? Das muss ein Traum sein.“, mit all ihrer Geisteskraft versuchte sie sich ein Bild vorzustellen. Mila ging langsam weiter. „Kai hat damals viel Zeit mit seiner Mutter hier verbracht. Seit sie gestorben ist, habe ich ihn kaum noch gesehen.“ „Oh, das wusste ich gar nicht.“, bemerkte Hilary. Sie wusste eigentlich gar nichts über ihn. „Seitdem spricht er nur noch wenig über sich und seine Familie.“ „Ja...“, betroffen sah die junge Frau zum schneebedeckten Boden. Ludmila aber legte wieder ein Lächeln auf. „So ist das Leben, Liebes. Man kann sich zwar aussuchen was man will, aber das Schicksal macht doch was es will.“, sie lächelte gequält und schloss ihre Augen dabei. Hilary sah auf den glänzenden See und schwieg. So standen sie eine Weile, bevor Mila sie weiterführte. Am späten Nachmittag kamen beide Frauen zurück. Komplett durchgefroren. „Ich mach uns erstmal einen heißen Tee, Kind! Setzt euch schon mal in die warme Stube! Los, los!“ „Das ist eine gute Idee, danke Mila.“, Hilary ging sogleich in den besagten Raum, und zog Emilia die dicken Sachen aus. Kaum hatte sie wieder Bewegungsfreiheit, robbte sie durch die Stube. Zufrieden beobachtete sie ihre Tochter. Dann kamen ihr Ludmila's Worte wieder in den Sinn. Er hatte also keine Mutter mehr. Das stellte sie sich grauenvoll vor. Vielleicht war er deswegen immer so schlecht gelaunt und hatte diesen Charakter. Eine bessere Erklärung konnte sie nicht finden. Dann kam auch schon Mila mit einem kleinen Tablett in die gemütliche Stube. Darauf zwei Tassen und eine Kanne mit heißem Wasser. Sie goss vor ihren Augen den Tee auf und legte einen Porzellandeckel auf die Tassen. So konnte der Tee ziehen. Kurz darauf betrat Kate den Raum. Als sie Hilary und Emilia erblickte, verdreht sie krampfhaft die Augen, blieb aber und setzte sich auf das Sofa. Sie fühlte sich verunsichert durch Mila's wissenden Blicken. Ständig strich sie sich durch die Haare um ihre Nervosität zu überspielen. „Wie geht es dir, Kate?, begann Mila. „Wie soll es mir schon gehen?!“, antwortete sie auf Russisch und die ältere Dame führte das Gespräch in ihrer Heimatsprache weiter. „Da mussten wir alle durch. Also wirst du das auch schaffen, Kate.“, lächelte sie die dunkelhaarige Russin freundlich an. In ihren Augen strahlte sie vor Zuversicht und Freude. Wie sehr wünschte sie sich von ihrem Sohn auch ein Enkelkind zu bekommen. Doch der hatte nur seine Karriere im Sinn. Kate sah Mila ins Gesicht, dann auf den Boden. Sie seufze. „Wo ist Kai?“, fragte sie darauf auf japanisch. Hilary sah sie überrascht an, aber sie zog nur die Schultern nach oben. Auch Mila wusste nicht, wo er war. Heimlich hatte er sich aus dem Haus geschlichen. Die junge Russin erhob sich wieder. „Magst du nicht auch einen Tee? Der beruhigt die Nerven und er tut dir gut.“ „Nein!“, zügig verließ sie den Raum, um frische Luft zu schnappen. Sie konnte Hilary's Anwesenheit einfach nicht länger ertragen. Als sie im Flur stand und sich anzog, kam ihr Freund von draußen herein. Er stellte sich neben Kate, zog Schal und Jacke aus und hängte sie an. „Ich hab dich gesucht!“, ging sie ihn von der Seite an. Er drehte seinen Kopf zu ihr und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. „Jetzt hast du mich gefunden.“, sagte er ruhig und wollte in die Stube. „Wo warst du?!“ „Kate...das hatten wir doch schon mal. Ich brauche mich nicht vor dir zu rechtfertigen.“, damit öffnete er die Tür und trat in die warme Wohnstube. Kate stampfte wütend auf den Boden. Sie eilte ihm hinterher und schmiss die Tür auf. „Wann willst du ihr es denn sagen, hm?!“, rief sie schnippisch hinter ihm her. Er schloss die Augen, drehte sich zu ihr und sah sie dann gleichgültig an. Hilary blickte unwissend vom einen zum anderen. „Was sagen?“ „Tze! Das ich von ihm ein Kind bekomme!!“, platze sie heraus und grinste sie überheblich an. Die Japanerin konnte nicht glauben was sie gerade sagte. Noch ein Kind? Behutsam nahm sie Emilia zu sich auf den Arm und lächelte liebevoll. „Hast du gehört, Emilia? Du kriegst ein Halbgeschwisterchen.“, sie versuchte zu lächeln, doch es sah aufgesetzt aus. Wie sollte sie jetzt reagieren? Es war seine Entscheidung mit ihr ein Kind zu bekommen. Doch innerlich zerbrach sie ein weiteres Mal. „Und noch was! Kai und ich wir werden heiraten!! Damit unser Kind kein Bastard wird! So! Ich gehe!“, mit einem lauten Knall flog die Tür zu und Kate verschwand. Es war totenstill. Keiner traute sich ein Wort zu sagen. Hilary's braune Augen schauten ungläubig zum Russen, während dieser eine Antwort im Gesicht seiner Tante finden wollte. „Tja, nun ist es raus! Ich hoffe, dass ihr drei das Beste daraus macht. Nun denn, ich muss mich jetzt noch meiner Arbeit widmen. Wir sehen uns beim Abendessen.“, damit verließ auch sie den Raum. „Schwanger?“, jetzt fragte die braunhaarige bei Kai nach. „Ja. Als hätte eins nicht schon gereicht...“, er schaute Emilia abwesend an. „War es nicht geplant?“ „Natürlich nicht!!“, er schnaubte laut durch seine Nase. „Dann hat sie ja jetzt alles erreicht, was sie wollte.“, sie lächelte verunsichert. Und Kai horchte auf. Was meinte sie damit? „Ich bring Emilia ins Bett. Es ist Zeit.“, schnell stand sie auf und schritt aus dem Raum. Zurück blieb ein verwirrter Kai. Während des Abendbrotes herrschte eisige Stille in dem gemütlich, warmen Saal. Jeder sah gedankenversunken auf seinen Teller. Mila versuchte erst gar nicht ein Gespräch zu beginnen. Das würde in einem Desaster enden, befürchtete sie. Kaum waren sie mit dem Essen fertig verschwand erst Kate und dann Hilary. Nach einem Kopfnicken von seiner Tante, verließ auch der Russe den Saal. Erleichtert fiel die ältere Frau zurück in den Stuhl. „Die Kinder machen mich noch fertig...“ Kapitel 32: Lüge ---------------- Kapitel 32 Nachdem die Jugend sich in ihren Zimmern verkrochen hatte, zog sich Mila in ihr kleines Stübchen zurück. Sie kramte einen kleinen Holzkorb hervor, aus dem sie Wolle und ein paar Stricknadeln nahm. So begann sie den Abend ruhig und entspannt mit einem neuen Strickmuster. Oben saßen Kate und Kai gemeinsam in ihrem Zimmer. Er am Fenster in einem Sessel. Sie auf dem Bett, auf den Fernseher schauend. „Hast du dich jetzt endlich entschieden?“ „Dich zu heiraten?“, er sah nicht von dem Fenster weg. „Ja oder nein?!“ „Hm...wenn du unbedingt willst, dann machen wir es.“, emotionslos blickte er sein Bild im Fenster an, dass sich durch die Dunkelheit draußen, abbildete. Seine Freundin hüpfte aus dem Bett und fiel ihm um den Hals. „Oh! Das ist ja wunderbar!! Ich werde mich um alles kümmern! Du brauchst nichts zu machen!!“ Während er auf das Fensterglas schaute, legte sich auf sein Gesicht ein kleines Grinsen. „Oh GOTT! Ich muss so viel vorbereiten! Die Trauung, das Schloss, die Gäste und mein Kleid!“, überwältigt von seiner Antwort stürzte sie sich sofort auf ihr Handy und suchte nach Hochzeitskleidern. Sie stolperte noch einmal aus dem Bett, um sich etwas zum Schreiben zu holen, dann starrte sie, als wäre sie in einer anderen Welt, auf ihr Handy. Und Kai beachtete sie nicht mehr. Leise atmete er lange aus. Er sah zu ihr rüber und stand dann auf. „Ich geh nochmal.“ „Ja, ja, mach nur. Wenn ich das nehme...aber das ist viel schöner! Ich kann mich nicht entscheiden!“, die Russin würdigte ihn keines Blickes, also hielt ihn nichts mehr in diesem Zimmer. Er wanderte auf der oberen Etage zu dem kleinen Balkon, der am Ende des Flurs lag. Zur Entspannung brauchte er eine Zigarette. Draußen war es schon dunkel. Und es war verdammt kalt. Aber so konnte er einen klaren Gedanken fassen. Als er aufgeraucht hatte, stand sein Entschluss fest. So kehrte er zurück in den Flur. Der Russe lief den Gang zurück und stand nun vor der Zimmertür. Zögernd hob er seine Hand und klopfte. „Ja?“, kam es von drinnen und darauf wurde die Tür einen Spalt geöffnet. „Was...?“ „Kann ich reinkommen?“, er blickte die junge Frau ruhig an. Überrascht von seinem Auftauchen gewährte sie ihm Eintritt. Leise schloss sie die Tür hinter sich. Kai stützte sich auf der Fensterbank ab. Hilary war etwas unwohl bei der Sache. „Was ist denn los? Ich wollte gerade ins Bett gehen.“ „Ich kann nicht der Vater sein.“, er griff fester an die Fensterbank. „Wie kommst du darauf?“ „Weil wir verhütet haben! Und wäre irgendetwas gewesen, hätte ich es mitbekommen!“ Hilary starrte verlegen zur Seite. So genau wollte sie es doch gar nicht wissen. „In der wievielten Woche ist sie denn?“ „7. Und jetzt heiraten wir auch noch...“ „Hast du mal zurückgerechnet? Vielleicht erklärt es sich dann von selbst.“, schlug sie ihm zuversichtlich vor. Er schüttelte den Kopf. Er hatte doch keine Ahnung von dem Frauenkram. Es interessierte ihn auch nicht. Warum auch. Hilary zückte dagegen ihren kleinen Kalender aus der Wickeltasche und blätterte nach. „Du sagst sie ist in der 7. Woche...dann...müsste es ungefähr DA gewesen sein!“, der blau-haarige näherte sich ihr, hockte sich hin und schaute auf das Datum. Und es durchfuhr ihn ein gewaltiger Blitz. In dieser Zeit sollte es passiert sein. Er schüttelte den Kopf. „Ich hab es vermutet.“ „Was denn?“ „Dass es nicht sein kann!“ „Dann ist sie nicht schwanger?!“ „Doch. Aber definitiv nicht von mir.“, er stand wieder auf, denn in ihm stieg unbeschreibliche Wut auf. Seine Hände ballten sich kraftvoll zusammen und er versuchte, nicht irgendetwas zu zerschlagen, um seiner Wut Luft zu machen. Hilary sah ihn geschockt an. „Sie hat...dich betrogen...“, wisperte sie leise. Hilary sah in sein wütendes aber gleichzeitig enttäuschtes Gesicht. Er tat ihr leid. Wie konnte sie ihm das nur antun? Die Japanerin hätte alles getan, um ihn glücklich zu machen. Damals, wie heute. Und die Russin nutzte ihn schamlos aus. Jetzt erhob sie sich auch wieder und sah betrübt zu ihm. Er stand mit dem Rücken zu ihr, so dass sie ihn nicht sehen konnte. Ob er weinte? Oder war er einfach nur enttäuscht? Hilary wusste es nicht, aber sie wusste was ihm helfen könnte. Sie trat einen Schritt näher an ihn heran und legte ganz sanft ihre Arme um seinen Oberkörper. Ganz vorsichtig schmiegte sie sich an seinen warmen Körper und schloss die Augen. Hilary spürte, wie seine angespannte Haltung lockerer wurde. „...wirst du sie trotzdem heiraten?“, flüsterte sie gegen seinen Rücken. Der blau-haarige atmete schwer aus und legte seine Hand auf ihre. „Ja. Denn ich habe einen Plan.“, seine Stimme klang hasserfüllt. Kein Wunder, bei dem, was er gerade erfahren hatte. Hilary ließ ihre Arme sinken. Wie konnte sie denken, dass er sie nicht heiraten würde. Bedrückt setzte sie sich aufs Bett und lehnte sich an die Wand. Kai drehte sich zu ihr herum. Schweigend ließ er sich neben die junge Frau nieder und faltete seine Hände. „Ich bin müde...“, sagte sie schließlich. „Kann ich noch eine Weile hierbleiben?“ „Hm...mach was du willst. Ich will jetzt schlafen.“, damit zog sie die Decke zu sich und legte sich hin. Das Licht machte sie aus. Kai blieb am Fußende sitzen, gegen die Wand gelehnt und betrachtete Hilary's Umrisse in der Dunkelheit. Sie hatte sich zur Tür gedreht und ihre Füße angezogen, so dass die Zehenspitzen kurz vor seinen Beinen endeten. Er öffnete seine Hände und legte die linke Hand auf ihre Füße. Kurz darauf spürte er die wohlige Wärme, die von ihnen ausging. Ob sie noch Gefühle für ihn hatte? Sie war so anders, als Kate. Der Russe konnte sich nicht erklären, was mit ihm los war. Sonst traf er seine Entscheidungen zuverlässig, doch jetzt stand er mit dem Rücken an der Wand. Zwischen den Stühlen. Müde rutschte er vom Bett herunter auf den Boden. Sein Kopf ruhte auf der Bettkante und zum Teil auf der Matratze. So verharrte er den ganzen Abend. Kate war in ihrem Zimmer so beschäftigt mit dem Planen der Hochzeit, dass sie die Zeit ganz vergaß. Erschöpft von der Internetsuche, schaute sie auf die Uhr. Überrascht darüber, wie spät es schon war, legte sie sich schlafen und verschob die weitere Planung auf den nächsten Tag. Sie wachte an dem Morgen schon sehr zeitig auf, für ihre Verhältnisse. Zu aufgeregt war sie über die kommende Zeit. Ihr Blick fiel auf die leere Bettseite von Kai. Seine Decke war unberührt und sah genauso aus, wie am Abend. Wo war er denn nun wieder? Genervt schlug sie die Decke auf und zog sich an. Die Russin suchte im Wohnzimmer nach ihm, im Bad und in den anderen Räumen, doch sie fand ihn nirgends. Als Mila ihr entgegen kam, fragte die schwangere sie, ob sie ihn gesehen hatte. Doch auch sie wusste nicht, wo er war. Mit den ersten Sonnenstrahlen erwachte auch Hilary aus ihrem tiefen Schlaf. Sie hatte einen komischen Traum von Kai. Als sie sich aufsetzte, fand sie ihn auf dem Boden schlafend. Er saß noch auf dem Boden. Seine Arme vor dem Körper verschränkt und der Kopf nach vorn auf die Brust gelegt. Das sah unbequem aus. Er war scheinbar die ganze Nacht dort. Was brachte ihn dazu? Die junge Frau legte die Decke zurück. Sie verließ das Bett, um ihn anzusehen. Tief und fest schlief er. Kurz schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, dann legte sie die Decke über seine Schultern. Leise zog sie sich um, denn sie wollte ihn nicht wecken. Emilia brabbelte im Nebenzimmer vor sich her. Sie wollte jetzt auch aufstehen und forderte das lautstark ein. Hilary versuchte ihre Tochter zu beruhigen. Angezogen war sie schnell und kurz darauf robbte die kleine zufrieden durch das Zimmer. Hilary schnappte sich noch ein paar Sachen und wollte dann nach unten gehen, um Kai nicht weiter zu stören. Doch er war mittlerweile aufgewacht. Schmerzhaft rieb er sich den Nacken. „Na, gut geschlafen?“ „Nein. Du?“ „Es ging so, ich hab einen komischen Traum gehabt.“ „Na wenigstens hast du nicht getreten.“, der blau-haarige erhob sich vom Boden. Gespielt beleidigt, warf sie ihm ein Plüschtier von Emilia, entgegen. Er fing es locker auf und legte es auf dem Bett ab. „Ich geh dann mal.“ „Ich komm mit!“, sie folgte ihm darauf. Auf dem Flur kam ihnen Kate entgegen. Als sie die beiden zusammen sah, plusterte sie sich künstlich auf. Sie musterte ihren Freund von oben bis unten. Seine Harre waren etwas zerzaust, er sah noch verschlafen aus und er trug immer noch die Klamotten von gestern. „Warst du bei ihr?!“ Er zog eine Augenbraue nach oben und sah seine Freundin kühl an. „Er hat bei mi-“ „Wir haben den Ausbau des Zentrums zu ende geplant. Architektonisch passt jetzt alles. Oder was dachtest du?“, ohne rot zu werden, log er ihr knallhart ins Gesicht. Hilary stimmte ihm nickend zu. Würde sie jetzt etwas sagen, würde Kate merken, dass er log. Ihr Blick wechselte ein paar Mal zwischen den beiden hin und her. „Gut, wenn du das sagst, dann glaube ich dir. Lass uns frühstücken. Ich habe Hunger.“, sie drehte sich auf den Absätzen um, und ging zum Speisesaal. Ob ihre Stimmungsschwankungen schon an der Schwangerschaft lagen? Kapitel 33: Vorfreude --------------------- Kapitel 33 „Du hast ihr eiskalt ins Gesicht gelogen...“, flüsterte Hilary dem Blau-haarigen hinterher, als sie auf dem Weg nach unten waren. Der zuckte nur mit seinen Schultern und hob unwissend die Arme. Kopfschüttelnd lief sie hinter her. Am Frühstückstisch erwartete Mila sie bereits. Mit einem freundlichen Lächeln saß sie entspannt auf dem gepolsterten Stuhl. Die drei setzten sich an den Tisch und frühstückten. „Habt ihr gut geschlafen?“, fragte sie in die Runde, als Kai sich gerade den verspannten Nacken rieb. „Oh....du hast wohl nicht so gut geschlafen, Kai?“ „Hm...“, seine Hand wanderte augenblicklich von seinem Nacken. Stattdessen bewegte er noch kurz seine Schultern und aß darauf weiter. „Er war ja heute Nacht bei der da...“, mischte Kate jetzt mit. Mila horchte auf und sah gespannt zwischen Kai und der braunhaarigen hin und her. „Hab ich was verpasst?“ „Nein!“, kam es synchron von den beiden Freunden. Hilary sah peinlich berührt auf ihren Teller. Wie konnte sie so etwas denken? „Mila! Ich brauche heute deine Hilfe! Ich will unsere Hochzeit planen und du musst mir helfen!“, Kate fuhr einmal mehr ungehalten dazwischen, um alle Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. „So? Muss ich das?“, fragte Ludmila nach. „Oh ja! Bitte!! Ich muss noch so viel erledigen und da hast sicher ein paar gute Tipps!“, bettelte sie weiter. „Warum machst du das nicht mit deinem Verlobten zusammen?“ Kai's Miene verfinsterte sich, als sie ihn ansah. Beschwichtigend hob Mila schon ihre Hände. „War ja nur ein Vorschlag! Dann helfe ich dir eben.“ „Super!! Also ich muss-“ „Kate. Nach dem Frühstück, bitte.“, wurde die schwangere von Mila ermahnt. Hibbelig rutschte sie auf ihrem Stuhl umher. Kate wollte heute den groben Ablauf planen und schon mal nach einem hübschen Kleid suchen. Es sollte an nichts fehlen. Sie wollte ihre perfekte Traumhochzeit. Am Vormittag machten sich die beiden dann bereit, um in die Stadt zu fahren. Kate wollte in ein Nobelviertel. Nur das Schönste und Teuerste gab es dort. „Wollt ihr auch mit in die Stadt?“ Unentschlossen sah Hilary Kai an. Kai verzog die Mundwinkel und stimmte zu. Es schadete nicht. So konnte er der Japanerin eine andere Seite der Stadt zeigen. In einer mehr als vollen Limousine, wurden sie in die Innenstadt gefahren. Hilary und Kai wurden in der Nähe des roten Platzes abgesetzt. „Wenn ihr wieder zurück wollt, ruft einfach an. Dann schicke ich Dimitri vorbei.“ „Gut.“ Dann fuhr der Wagen davon. „Kate hat ja gar nichts anderes mehr im Kopf.“ „Ja. Da ist ihr auch egal, ob ich mit dir unterwegs bin, oder nicht. Lass uns gehen.“ „Wo gehen wir denn hin?“ „Lust auf Museum?“, er zeigte hinter sich mit dem Daumen auf das Geschichtsmuseum. „Okay...aber ich versteh doch kein Wort Russisch...“, zweifelte sie. Kai sah sie entschlossen an. „Du hast den besten Reiseführer vor dir zu stehen, also los!“, schnurstracks ging er auf das Gebäude zu. Hilary folgte ihm schnell. In der Innenstadt kamen die beiden Frauen jetzt auch an. Während der Fahrt konnte Kate keine Minute ihren Mund halten. Zu viel schwirrte in ihrem Kopf herum, was die Hochzeit anging. Die erste Station ihrer 'Tour', war ein Brautmodegeschäft. Kate stürmte voller Freude in das Geschäft, während Mila bedächtig den Laden betrat und freundlich begrüßt wurde. „Hallo?! Ich brauche ein Brautkleid!“, rief Kate der Verkäuferin entgegen. Diese stand noch an der Kasse und beriet eine Kundin. Ludmila trat an Kate heran und versuchte sie etwas zu zügeln. Schließlich wollte sich Mila in der Öffentlichkeit nicht blamieren. Die junge Russin verdrehte, wie ein launischer Teenager, die Augen. Nach kurzem Warten kam die Verkäuferin zu ihnen. „Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie höflich und bot Mila gleich einen Platz an. „Ich brauche ein Brautkleid! Ich heirate nämlich!“, grinste sie überheblich. Die nette Verkäuferin schaut sie etwas verdutzt an, aber fing sich schnell wieder. „Haben Sie denn schon eine Vorstellung, wie es aussehen soll?“ „Es soll ein Prinzessinnenkleid sein! Weiß, groß, schön! Wie in einem Märchen eben!“ Das hörte die Dame öfter von ihren Kundinnen. Aber klare Vorstellungen bekamen sie dann erst, als sie die Kleider sahen. Zum Anfang versuchte die Verkäuferin verschiedene Kleider zu suchen. Jedes vom Stil etwas anders, aber schon sehr 'märchenhaft'. Kate probierte die ersten Kleider an. Und hatte an jedem etwas auszusetzen. Mila dagegen fand all die probierten Kleider wunderschön. Jedes Kleid passte sich perfekt an ihren Körper. Doch Kate war das nicht gut genug. Nach über zwei Stunden herumprobieren, war die Verkäuferin sichtlich erschöpft und ratlos. Keines dieser Kleider sagte ihr zu. „Möchten Sie vielleicht selbst einmal schauen?“, bot sie als letzte Alternative an. Kate stimmte unverzüglich zu. Schnell zog sie ihre Alltagskleidung über, Dann besahen sie zusammen, das große Lager. Die junge Russin schien wie im Paradies zu sein. Überall glänzte und glitzerte es. Sie fand ohne Umschweife ein Kleid. Dann noch eins und noch vier weitere. Mittlerweile war die Verkäuferin komplett überhäuft mit den weißen Stoffen. Sie konnte kaum sehen, wohin sie trat. Mila beneidete die junge Verkäuferin nicht um ihren Job. Bei der Russin waren Nerven aus Stahl Grundvoraussetzung. „Wooooaaaah! DAS Kleid will ich auch probieren!“, begeistert nahm sie das Kleid vom Ständer und legte es der Verkäuferin über. „Ich denke, die Kleider solltest du erst einmal anprobieren, bevor du noch mehr aussuchst.“, bremste die ältere Dame sie aus. „Na gut! Dann will ich die jetzt probieren!“ In der Umkleidekabine konnte jeder normale Mensch der Verkäuferin ihre Genervtheit ansehen, nur Kate nicht. Sie blieb genauso sprunghaft, wie zum Anfang. Mila nahm wieder auf dem weichen Stuhl im Verkaufsraum platz. Geduldig wartete sie auf Kate. Nach 10 Minuten stolzierte sie in einem langen weißen, glitzernden Brautkleid heraus. Es hatte eine lange, bestickte Schleppe. „Und? Was sagst du, Mila?“ „Es ist wunderschön!“ „Das hilft mir nicht! Du sagst immer das gleiche! Bei jedem Kleid!!“ „Weil es die Wahrheit ist.“, lächelte sie freundlich. Sie besah sich im Spiegel. „Na...ich weiß nicht....so richtig gefällt mir das nicht...Ich will ein anderes anprobieren!“, seufzend eilte die Verkäuferin ihr hinter her in die Kabine. Nach weiteren 20 Minuten kam Kate wieder heraus. Dieses Mal ein zweifarbiges Kleid. Es hatte eine rote Bordüre an der Taille und hinten hatte es eine Art Korsage zum Schnüren. Unten am Saum zierten das Kleid auch rötliche Stickmuster in verschiedenen Tönen. „Das sieht fantastisch aus!!“, strahlte sie ihr Spiegelbild an. Stumm nickte ihr Mila zu. „Das will ich haben!!“ Der Verkäuferin fiel ein großer Stein vom Herzen. Endlich hatten sie ein passendes Kleid gefunden. „Gut, dann nehme ich noch Ihre Maße, um es anzupassen. Wann ist es denn soweit?“ „Das weiß ich noch nicht. Vielleicht in ein paar Wochen. Den Termin hab ich noch nicht gemacht.“ „Gut, es wäre sehr hilfreich, wenn Sie den Termin schnellstmöglich bekanntgeben. Damit wir das Kleid termingerecht bearbeiten können.“ „Ja, ja.“ Also nahm die Verkäuferin noch die Maße. Nebenbei bemerkte Kate noch, dass sie schwanger ist, und raubte der arme Verkäuferin, den letzten Nerv. „Dann müssen Sie eine Woche vorher nochmal zur Anprobe kommen, damit es auch wirklich passt.“ „Ich heirate noch bevor sich mein Körper so grässlich entstellt!“, fuhr sie die Frau an. Die entschuldigte sich darauf in aller Höflichkeit. Und dann hatten sie es alle geschafft. Sie standen an der Kasse, um zu bezahlen. Die Verkäuferin zeigte den beiden Frauen den Preis und Mila schluckte, bei den Zahlen. Kate dagegen zog ihre Geldbörse aus der Handtasche und reichte eine Kreditkarte. „Mein Vater wird das alles bezahlen, Mila. Ich kann mir aussuchen was ich will.“, erklärte sie. Sie sah erleichtert aus, dass sie nicht mit Kai's hart erarbeitetem Geld bezahlen wollte. Er wäre wohl auch nicht begeistert davon. So verließen sie das Geschäft. Mila entschuldigte sich vorher noch für Kate's Verhalten, und ging dann ebenfalls heraus. „SO! Jetzt brauchen wir den Termin! Lass uns gleich in die Kirche fahren. Ich hab mir nämlich schon eine ausgesucht!“, hurtig stiegen die Frauen wieder ein, während Kate den Fahrer anleitete. Vor einer pompösen Kirche hielt der Wagen. „Meinst du nicht, dass das zu übertrieben ist?“, fragte Mila vorsichtig nach. „Meinst du?“ „Kai ist doch mehr ein Minimalist, denke ich.“ „Gut, dann zeig ich dir die andere Kirche! Die ist aber winzig!“ Nach einer kurzen Fahrt, kamen sie auch dort an. Die Kirche war wirklich kleiner, als die vorherige, aber sie strahlte mehr Charme und Stil aus. Also machten sie dort einen Termin für die Hochzeit fest. Danach tätigte sie einen Anruf, für das Brautmodegeschäft und sie konnten sich auf zur nächsten Station machen. Zu einem Event-planer. Dort suchte sie sich nur das Beste aus. Essen, Getränke, Dekoration, Tischkarten, Programm und so vieles mehr. Ihr Vater bezahlte das Ganze ja. So verging der Tag rasend schnell. Am späten Nachmittag fuhren sie zurück zum Anwesen. Kai und Hilary verbrachten ihren Tag dagegen viel ruhiger und entspannter. Nach dem Museumsbesuch gönnten sich die beiden ein zweites Frühstück, gefolgt von einer kleinen Shoppingtour, zu der Kai seine Begleitung überreden musste. Später beschlossen sie mit der Metro in die Nähe des Landhauses zu fahren und den Rest der Strecke zu Fuß zurückzulegen. Kapitel 34: Ausrutscher ----------------------- Kapitel 34 Zurück im Haus, hatte Kate plötzlich schlagartiger Müdigkeit zu tun. Sie entspannte sich gerade auf der Couch, als Mila ihr einen heißen Tee brachte. „Das sind die ersten Auswirkungen der Schwangerschaft. Du solltest deinen Tag etwas ruhiger bewältigen.“ „Ich hab aber noch so viel zu erledigen.“ „Na! Keine Widerrede. Es geht hier immerhin um euer Kind.“ Kate seufzte nachdenklich. Wollte sie wirklich diese ganzen Strapazen der Schwangerschaft auf sich nehmen, nur um Kai heiraten zu können? Mühsam setzte sie sich auf und trank einen Schluck Tee. „Ich werde mich hinlegen, kannst du mich zum Abendbrot wecken lassen?“ „Natürlich. Erhol' dich.“ Darauf verschwand Kate schlurfend nach oben und sie verkroch sich direkt ins Bett. Hilary und Kai waren gerade mit der Metro unterwegs. Beeindruckt von der Gestaltung der Gänge, lief sie Kai hinterher. Am Bahnsteig holte er ein kleines grünes Buch aus seiner Jackeninnentasche. „Hier. Du solltest vielleicht Russisch lernen.“ Das Buch stellte sich als Wörterbuch heraus. Für Anfänger. Hilary nahm das Buch in die Hand, blätterte einige Seiten um und verzweifelte schon an den Buchstaben. „Ich kann die Wörter nicht mal lesen! Ich weiß noch nicht mal wie ich das aussprechen soll...“ „Das lernst du mit der Zeit. Außerdem steht dahinter die Lautschrift.“ Sie schaute noch einmal in das Buch und versuchte irgendein Wort auf gut Glück auszusprechen. „Priiiveeeeet.....“, las sie vor. Sie sah Kai unbeholfen an, der gerade versuchte sein breites Grinsen zu unterdrücken. „Willst du mich eigentlich verarschen?!“, mit einem Satz stand sie auf und schrie ihn peinlich berührt und mit hochrotem Kopf an. Kai schluckte, um sich wieder zu beruhigen. „War doch...gar nicht...so schlecht...“, presste er unter unterdrücktem Grinsen hervor. Sehr zum Unmut der Japanerin, die sich stinksauer von ihm wegdrehte. „Ach, komm schon, so schlecht war es echt nicht.“, versuchte er sie zu beruhigen, doch er merkte schnell, dass ihre Wut nicht gespielt war. Eingeschnappt blieb sie an Ort und Stelle stehen. Der blau-haarige erhob sich nun. „Hey...“, er näherte sich ihrem Hinterkopf und flüsterte zwei kleine Sätze in ihr Ohr. Hilary erschrak und ihre Augen weiteten sich. Dabei verstand sie nicht mal was er sagte, da es auf Russisch war. Wie mit einem Schlag war ihre Wut verschwunden. Langsam drehte sie ihren Kopf herum, um ihm ins Gesicht zu schauen. Kai grinste sie zufrieden an und sah dann auf. „Die Bahn kommt.“, zügig schritt er voran und ließ die Japanerin verwirrt stehen. Durch den einfahrenden Zug wehten ihre Haare durchs Gesicht, dann folgte sie ihm. In der Metro blätterte sie stumm durch das Wörterbuch. Und in Gedanken versuchte sie die Wörter auszusprechen. Sie wollte sich nicht noch einmal so blamieren. Heimlich beobachtete der Russe sie dabei und schmunzelte vor sich hin. An der Endstation stiegen sie aus. Jetzt ging es zu Fuß weiter. Draußen leuchteten bereits die Laternen. Es wurde dunkel, nur der Schnee erhellte die Straßen zusätzlich. Schweigend liefen sie den spärlich beleuchteten Weg entlang. Nach einem längeren Fußmarsch standen sie vor dem umzäunten Grundstück. Das Eingangstor war geöffnet und sie schritten hindurch. „Es ist wirklich schön hier...“, sagte sie und bestaunte wieder einmal die kleinen Lämpchen, die den Weg beleuchteten. Die waren ihr bei der Anreise auch schon aufgefallen. „Sie hat den Hang zu übertreiben.“ Hilary lachte kurz auf. Dann schwiegen sie sich wieder an, bis sie an der Treppe zum Eingang standen. „Dann wollen wir mal...zurück ins Chaos.“, sagte der Russe zuversichtlich. „Kai?“ „Hm?“, er blieb auf der ersten Stufe stehen und schaute zurück. Unentschlossen schnaufte sie kurz. „Ach, nichts.“ Der blau-haarige wägte ab, was er tun sollte. Doch er kehrte nochmal um und stand ihr jetzt gegenüber. Verunsichert betrachtete sie ihn von oben bis unten. Seinen dunkelgrauen Mantel mit den silbernen Knöpfen, der ihm bis zu den Oberschenkeln reichte, seine Hose und seine Schuhe. Und auf Schuhhöhe blieb ihr Blick haften. „Was wolltest du denn...hm?“, ohne darüber nachzudenken nahm er ihre Hand und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich. Hilary wollte etwas zu ihm sagen, doch sie rang mit sich, ob sie es tun sollte. Der Russe sah ihre Unentschlossenheit und wartete geduldig auf ihre Worte. „Spasibo...“, hauchte sie ihm leise entgegen. Sie versuchte wirklich noch ein zweites Mal ihr Glück mit der russischen Sprache. Sie bedankte sich bei ihm. Das zauberte ihm ein kleines Schmunzeln ins Gesicht. Er bewunderte ihren Mut. Nach der Blamage rechnete er nicht weiter damit, dass sie es nochmal versuchen würde. Der junge Mann schaute kurz zu Boden und schaute ihr von unten in die Augen. Ihre Hand hielt er immer noch fest. Auf seinem Gesicht war noch das kleine Lächeln zu sehen. Die andere Hand legte er sanft auf ihre Wange und fuhr mit dem Daumen über ihre kalte Haut. Hilary schaute ihn verwirrt an, doch sie konnte nicht reagieren. Als seine Hand ihr Gesicht mit zärtlicher Gewalt näher zu sich zog, waren ihre braunen Augen weit aufgerissen. Dann spürte sie seine warmen Lippen auf ihren. Er tat es wieder. Seine Hand hielt ihre fest im Griff. Und seine Augen waren geschlossen. Er spürte, dass sie ihn nicht abweisen würde. Ganz vorsichtig bewegte er seine Lippen gegen ihre. Hilary war überwältigt von ihren Gefühlen. Was tat er da? Warum tat er es? Und was sollte sie tun? Sie hatte Gefühle für ihn, aber er ließ sie damals einfach im Stich. All ihre Gedanken drehten sich im Kreis, doch sie konnten die junge Frau nicht davon abhalten auf ihr Herz zu hören. Unsicher ging sie auf seinen sanften Kuss ein. Sie roch sein Parfüm. Das gleiche wie damals. Wieder kamen ihre Gefühle für ihn hoch. Sein Griff, um ihre Hand löste sich, aber nur um die freie Hand auf ihre andere Wange zu legen. Sein Kuss wurde inniger und verlangender. Sie wussten beide, dass es falsch war, was sie taten. Doch jetzt war den beiden alles egal. Egal welche Folgen das haben könnte. Egal was jetzt noch passieren würde. Hilary hatte ihre Hände sanft auf seinen Mantel gelegt. So standen sie, eine gefühlte Ewigkeit, vor der Treppe. Als von drinnen ein Fenster angeklappt wurde, fuhren die beiden auseinander. Hilary wich sofort zurück und schaute verlegen zu Boden. Auch Kai kämpfte mit seiner Verlegenheit. Er hustete ein paar mal in seine Hand, hatte sich dann aber wieder schnell unter Kontrolle. Warum verfiel er ihr ständig? Oben wurde die Eingangstür einen Spalt geöffnet. Erschrocken sahen Kai und Hilary hinauf. Doch als sie Mila erkannten, atmeten sie entspannt auf. Die Dame stand mit einem freundlichen Gesicht dort und wartete darauf, dass sie reinkamen. Noch einmal schaute er Hilary an, die gerade Emilia aus dem Wagen nahm und griff dann nach diesem. Beim Wegfahren rief er ihr noch etwas zu, ohne sich umzudrehen. Dass konnte nur sie hören. „Das heißt übrigens 'spasiba' nicht 'spasibo'.“ Wieder lief die brünette rot an. Da versuchte sie einen Schritt auf ihn zuzumachen und dann zog er ihre Sprachversuche wieder ins Lächerliche! Wütend stampfte sie mit dem Fuß auf den Schotter, ehe sie zu Mila nach oben lief. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten, war, dass sie beobachtet wurden. Die Hausherrin bat sie gelassen herein und nahm Emilia direkt auf den Arm, damit sich ihre Mutter in Ruhe ausziehen konnte. Danach lief sie mitsamt Tochter nach oben, um sie umzuziehen. Der Halbrusse kam wenig später, wie gewohnt, mit kühler Miene, in das Haus. Auch ihn erwartete seine Tante ganz geduldig und freundlich lächelnd. „Dann sind wir ja jetzt komplett und können zu Abend essen.“, sie gab einem Butler Bescheid, damit dieser Kate weckte, und die beiden gingen voraus in den Saal. Kapitel 35: Plan ---------------- Kapitel 35 Oben wurde Kate gerade von dem netten Bediensteten vorsichtig geweckt. Verschlafen schaute sie ihn einen Moment an und beschloss dann, nicht nach unten zu gehen. Sie hatte immer noch Kopfschmerzen. Also blieb sie im Bett. Vielleicht auch besser so, denn so würde sie nichts von seinem kleinen Ausrutscher erfahren. Unten setzten sich Kai und seine Tante an den Tisch und warteten auf Hilary. „Wie war euer Tag?“ „Gut.“ „Haha, nicht so gesprächig, Junge. Was habt ihr denn den ganzen Tag gemacht? Verrätst du mir das?“, hakte sie weiter nach, um die Zeit zu überbrücken, bis Hilary und Kate unten sein würden. Doch Kai wurde abgehalten ihre Fragen zu beantworten, denn Dimitri kam als erstes herein und berichtete, dass Kate nicht zum Abendessen erscheinen würde und ging dann wieder aus dem Raum. „Was hat sie?“ „Sie hat sich heute ein wenig übernommen.“, lächelte sie ihren Neffen wissend an. Der warf ihr nur einen auffordernden Blick zu. „Ist ja gut. Sie hat heute den halben Tag damit verbracht, Brautkleider anzuprobieren. Und jetzt ist sie total erschöpft.“ „Hm.“, er verschränkte die Arme vor seiner Brust. Dann öffnete sich die Saaltür ein weiteres Mal und die brünette kam herein. Sie entschuldigte sich und nahm dann am Tisch Platz. Jetzt fehlte nur noch Kate. Aber sie wusste nicht, dass sie nicht kommen würde. Mila wünschte einen guten Appetit. Während des Essens berichtete Hilary von den Dingen, die sie heute erlebt hatte. Endlich konnte sie von allem erzählen. Was sie gesehen hatte, was sie beeindruckte und das Kai ihr ein Wörterbuch schenkte. Sogar von ihren Sprachversuchen erzählte sie der Dame. Ludmila lachte ungehalten los. Das trieb der jungen Frau ein weiteres Mal die leichte Röte ins Gesicht. „Wir werden alle fleißig mit dir üben, dann wirst du schnell lernen!“, ermutigte sie Mila und fing darauf an ihr die Gegenstände, die auf dem Tisch standen, zu übersetzen. Überfordert von den verschiedenen Wörter sackte sie auf dem Stuhl zusammen. Wie sollte sie sich das alles merken? Hilfesuchend sah sie zu Kai. Doch der sah sie nicht weiter an, sondern wischte seinen Mund mit der Stoffserviette ab. „Wenn du ein Wort wissen willst, sag es einfach. Ich werde meine Angestellten davon in Kenntnis setzen, dass sie dir helfen sollen. Also keine Scheu, mein Kind.“ „Hmm...“, erwiderte die Japanerin überwältigt von dem Engagement. Das Essen wurde beendet und Hilary brachte ihre Tochter ins Bett. Dafür war es allerhöchste Zeit. Heute war sie länger wach, als sonst. Sie verließ zusammen mit Emilia den Saal. Nun waren Mila und Kai alleine. Unter dem durchbohrenden Blick seiner Tante, legte sich Kai noch etwas Obst auf seinen Teller. Was wollte sie denn noch? Genervt schaute er sie an. „Was?!“, zischte er sie an. „Es ist Zeit, dass wir uns einmal ausführlich unterhalten...“, angespannt sah er sie nun an. Wie immer lächelte sie. Als ob sie nie etwas anderes gemacht hätte. Ihr Neffe zog eine Augenbraue nach oben und aß ein Stück Obst vom Teller. „Was meinst du damit?“, fragte er bedrohlich. Mila schmunzelte nur vor sich hin. „Euer kleines Geheimnis. Es ist ja nicht so, dass ich es nicht für mich behalten könnte...aber mich interessiert jetzt wirklich sehr, was das zwischen euch werden soll.“ Erschrocken fuhr er herum. Noch ehe er etwas darauf fragen konnte, nannte sie ihm die Antwort. „Ich habe euch gesehen...Sehr unvorsichtig von dir.“ Sein Ausdruck war wie versteinert. Seine Haltung angespannt. Und das Essen auf seinem Teller rührte er nicht mehr an. Wie konnte er sich nur dazu hinreißen lassen. Jetzt hatte er die Quittung dafür bekommen. Mila wusste Bescheid und nun musste er Rechenschaft ablegen. Bis ins kleinste Detail. „Was soll das werden, Kai?“ Resigniert schnaufte er durch die Nase. Eigentlich konnte er seiner Tante vertrauen. Sie hatte alle Dinge, die er mit ihr besprach, für sich behalten. Ob er nun Mist baute oder es vor hatte. „Ich weiß es nicht, Mila...“ „Was hast du mit Kate vor? Ihr heiratet und sie erwartet ein Kind von dir.“, vorwurfsvoll schaute sie ihn an und ließ den Satz im Raum stehen. Der junge Russe warf sich unentschlossen in den Stuhl. „Kate hat mich betrogen. Das Kind ist nicht von mir.“, beantwortete er ihre Frage. Verspannt fuhr er sich durch die Haare. „Bist du dir da ganz sicher? „Ja, verdammt! Hilary hat das nachgerechnet und in diesem Zeitraum war sie nicht bei mir!“, platzte er heraus und stieß Mila direkt vor den Kopf. Darauf trank sie einen ordentlichen Schluck ihres Kräutertees. Etwas beruhigter setzte sie die Tasse wieder ab. „Und da willst du es ihr heimzahlen, indem du sie auch betrügst?“, fragte sie weiter. „Nein...da habe ich mir schon etwas anderes überlegt...“, er stocherte mit der Gabel im Obst herum. „Hast du Gefühle für sie?“ Er zog die Schultern hoch. Dann halbierte er die Erdbeere vor sich. „Keine Ahnung.“ „Na na...so tief, wie ihr euch in die Augen geschaut habt...sieht es mir aber fast danach aus.“, neckte sie ihn. „Sie hat noch Gefühle für mich. Aber ich bin damals, nach der Nacht mit ihr, einfach abgehauen. Das sitzt tief bei ihr...“, mittlerweile tat es ihm leid, dass er damals so dumm gewesen war. Aber er konnte nichts mehr daran ändern. Er konnte es nur besser machen. Mila hörte ihm weiter aufmerksam zu. „Es ist so anders mit ihr. Anders als...“ „...mit Kate?“, beendete sie seinen Satz. Er nickte nur und sie verstand. „Es ist einfach das Miteinander. Wie sich mich behandelt, wie sie mit mir umgeht, was sie sagt...Ohne nachtragend zu sein...“ „Ja, sie ist eine starke Frau, auch wenn die meisten das nicht an ihr sehen. Aber so kannst du nicht weitermachen, Kai. Wenn Kate das herausfindet, bereitet sie euch die Hölle auf Erden.“ „Da kannst du dir sicher sein.“, fügte er hinzu. Ihr Neffe saß also in der Zwickmühle. Die eine Frau, die er heiraten sollte, an der einen Seite. Und die andere Frau, die ihn liebte und für die er womöglich auch etwas empfand, auf der anderen Seite. Ob das gutgehen würde? „Jetzt erzähl mir lieber von deinem Plan! Dein pfiffiges Hirn, hat doch sicher schon einen gewieften Plan ausgeheckt, oder?“, Mila strotzte geradezu vor Neugier. Sie beugte sich zu ihm vor und sah ihn gespannt an. Kai beugte sich ebenfalls vor, stützte sich mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab und fing verräterisch an zu grinsen. „Und zwar...hab ich mir das so vorgestellt...“ Er schilderte seiner Tante bis ins kleinste Detail, was er sich vorstellte. Immerhin hatte sie ihn betrogen. Dass sollte nicht ungesühnt bleiben. Während er nach und nach mehr preisgab, wurden ihre Augen immer größer. Erstaunt blieb ihr Mund offen stehen, als er zu ende gesprochen hatte. „Das ist nicht dein Ernst?“ „Oh doch.“, er schien komplett überzeugt von diesem durchtriebenen Plan zu sein. Und wahrlich, er hatte an alles gedacht. Und da Mila ihn kannte, rechnete sie schwer damit, dass dieser Teufelsplan, auch funktionierte. „Dann wünsche ich dir viel Erfolg dabei. Sollte ich dir in irgendeinem Bereich helfen können, komm einfach in einer ruhigen Minute auf mich zu.“, er wusste, dass er auf seine Tante zählen konnte. Immerhin waren sie vom gleichen Schlag. Kai stand vom Stuhl auf. „Ich gehe ins Bett. Ist schon ziemlich spät und...der Tag war echt anstrengend.“ „Dann erhole dich gut. Gute Nacht.“ „Ach...Mila? Behandle Kate bitte so wie immer. Ich will nicht, dass sie irgendetwas mitbekommt.“ „Verlass dich auf mich. Weiß deine Freundin eigentlich von dem Plan?“ „Nein. Und sie ist nicht meine Freundin!“, kurz und knapp beantwortete er ihre Frage und warf darauf die Tür etwas kräftiger zu. Hilary, seine Freundin? Kapitel 36: Vorbereitung ------------------------ Kapitel 36 „So ein Schwachsinn...“, redete er vor sich hin und ging, mit einem unterschwelligem Schmunzeln, nach oben. Vielleicht gar kein so schlechter Gedanke. Sollte er vielleicht nochmal zu ihr gehen? Sein Blick wanderte den Flur entlang. Andererseits, was sollte er zu ihr sagen? Schnell verwarf er den Gedanken und betrat leise sein Zimmer. Alles war abgedunkelt und Kate schlief. Er musste sich jetzt verhalten, wie immer. Er zog sich aus, und stieg zu ihr ins Bett. Mit dem Rücken drehte der junge Mann sich zu ihr. Bald darauf schlief er auch ein. Hilary verbrachte die Zeit nach dem Abendessen oben. Nachdem Emilia im Bett war, kuschelte sie sich in eine Decke ein und saß auf dem Stuhl am Fenster. In den Händen hielt sie das Wörterbuch von Kai, dass sie fest an ihre Brust drückte. Sie hatten sich geküsst. Dieser Gedanke wanderte immer wieder durch ihren Kopf. Ihr Herz raste. Vorhin war es anders, als bei seinem ersten Versuch sie zu küssen, dachte sie. Da war es nicht flüchtig, sondern komplett anders. Er hielt ihre Hand und küsste sie vorsichtig, schon fast zaghaft. Ihr Herz hämmerte immer stärker gegen ihre Brust und sie wurde merklich rot auf den Wangen. Und sie verspürte in ihrem ganzen Körper dieses Kribbeln. Das gleiche Kribbeln wie damals. Als er sie das allererste Mal küsste. Schnell schlug die Frau ihre Decke über das Gesicht, um sich vor sich selbst zu verstecken. Sie verhielt sich wie ein Teenager. Wie sollte sie ihm denn jetzt nur gegenüber treten? Gedankenversunken blätterte sie ein weiteres Mal durch das kleine grüne Wörterbuch. Mit jedem Wort mehr, dass sie las, beruhigte sich ihr Herz wieder. Sie saß bis spät in die Nacht und paukte russische Wörter, um ihr Glück ein anderes Mal neu zu versuchen. In den nächsten Tagen übte Hilary, zusammen mit Mila, weiter die russische Sprache. Die beiden konnten sogar schon erste Erfolge verbuchen, denn Hilary prägte sich schon die ersten einfachen Begriffe ein. Kai hatte sich in den Tagen ziemlich rar gemacht. Sei es nun gewollt oder von Kate beabsichtigt, die brünette sah ihn nur noch bei den Mahlzeiten. Wieso verbrachte er noch so viel Zeit mit Kate? Klar, sie würden heiraten, aber sie hatte ihn betrogen. Oder war ihm das egal? Sie konnte sich keinen Reim darauf machen. „Hast du keine Lust mehr?“, Hilary schreckte auf. Mila riss sie aus ihrem nicht enden wollenden Strom aus Gedanken. Bedrückt stieß sie die Luft aus. Ihren Kopf ließ sie auf den Tisch fallen. „Ich denke einfach zu viel nach...“, nuschelte sie mehr zur Tischplatte, als zu der älteren Frau. „Möchtest du darüber reden?“ Die Japanerin schüttelte den Kopf und Mila beließ es dabei. Kate dagegen beschlagnahmte ihren Verlobten in höchstem Maß. Sie hatte wieder einen ihrer besonderen Tage, wo alles unverzüglich erledigt werden musste. Auf Kate's Anweisung musste er mit ihr in die Stadt fahren. Dort gingen sie in eine edle Herrenboutique, wo Kate genaueste Anweisung gab, was getan werden sollte. „Mein Verlobter braucht einen Hochzeitsanzug! Der muss perfekt an seinem Körper sitzen! Kriegen Sie das hin?!“, zuversichtlich lächelte die junge Frau sie an und holte ihr Maßband. Kate ließ sich derweil auf einem der Boutique-Stühle nieder, um sich zu schonen. Mila hatte ihr dazu geraten. „Haben Sie schon eine konkrete Vorstellung, wie der Anzug aussehen soll?“, erkundigte sich die Verkäuferin bei dem Russen. „Nein. Was trägt man da so?“, die Frau grinste ihn an. „Ich zeige Ihnen nachher ein paar Modelle, dann bekommen Sie einen Eindruck davon.“ „Hm.“ Das Ausmessen seines Körpers verlief ohne Komplikationen. Geduldig stand er auf der kleinen Erhöhung, während die Frau alles sehr genau ausmaß. Kate beobachtete ihn dabei genau. Nicht, dass die Verkäuferin sich an ihren Verlobten ran machen wollte. Nach dem sie alle Maße hatte, zeigte sie dem blau-haarigen noch ein dickes Buch, in dem die verschiedensten Anzüge und Kombinationen zu sehen waren. Kate musste da natürlich auch einen Blick drauf werfen. Er sollte ihr ja gefallen, da konnte er nicht irgendwas anziehen. „Oh! Das sieht sehr gut aus! Den sollst du tragen, Kai!!“, schweigend sah er seine Verlobte düster an. Die Verkäuferin musterte ihren Kunden von oben bis unten, um dann zu dem Endergebnis zu kommen, dass diese Art Anzug nicht zu ihm passen würde. „Ich würde Ihnen da eher...so etwas empfehlen.“, sie blätterte einige Seiten weiter, um gezielt auf ein anderes Modell zu zeigen. Kate schob die Hand der Verkäuferin weg. „Gut, dass Sie das nicht zu entscheiden haben.“, böse funkelte sie der Frau ins Gesicht. „Natürlich nicht. Entschuldigen Sie.“ „Dann nehmen wir das, was ich vorgeschlagen habe.“ „Und da du nicht darin herumlaufen musst, sondern ich, nehmen wir diesen Anzug. Das soll nämlich keine Zirkusveranstaltung werden.“, empört riss sie ihren Kopf herum. „Wir können das ganze auch lassen, wenn-“ „Nein! Wir nehmen den!“, sie unterbrach ihren Freund, der sie drohend anschaute, und stimmte sichtlich unzufrieden zu. Die Verkäuferin notierte sich alles genauestens, dann konnten sie das Geschäft auch wieder verlassen. Auf der Straße rechnete Kai mit einem riesigen Donnerwetter, doch das blieb ausnahmsweise aus. Stattdessen kramte die junge Russin in ihrer Handtasche nach einem kleinen Zettel. Den holte sie heraus und las den nächsten Punkt vor. Kai versuchte einen Blick auf den Zettel zu werfen, doch den zog sie gleich weg und packte ihn wieder in die Tasche. „Wie viele Punkte hast du da eigentlich aufgeschrieben?“ „Das sind nicht mehr viele!“ „Na, wie du meinst...“, sie stiegen ins Auto und fuhren, als nächstes, zur Kirche. Dort mussten sie mit dem Priester die Zeremonie besprechen. Hauptsächlich, dass was Kate sich vorstellte. Kai saß größtenteils nur neben seiner Verlobten und sagte nichts. Und wenn er doch einmal gefragt wurde, was er von dem Vorschlag hielt, stimmte er mit einem typischen 'Hm.' zu. Als auch dieser Punkt erledigt war, hieß es wieder zurück zum Auto. „Geh du schon mal vor. Ich muss nochmal zurück.“, er drückte ihr die Schlüssel in die Hand und ging zurück in die kleine Kirche. Nach 15 Minuten kam er zurück. „Was hat da so lange gedauert?! Es ist kalt und ich hab noch eine Menge zu erledigen!“ „Ist ja gut. Wie die Heizung angeht, weißt du eigentlich.“, damit setzte er sich in den Wagen und fuhren weiter. Was Kate nicht wusste, dass ihr Freund nochmal mit dem Priester sprach. Und zum Glück interessierte sie sich nur für ihre Liste. Der Tag verflog rasend schnell. Wieder ein Tag weniger bis zur bevorstehenden Hochzeit. Kate plante den Termin so kurzfristig ein, um auch in ihrem Brautkleid noch perfekt auszusehen. Ständig maß sie ihren Bauch, denn mit einem Babybauch zu heiraten, wäre ein No-go für sie. Eine Woche vor dem besagten Tag, lag der blau-haarige noch schlummernd im Bett, als neben ihm Kate ruckartig heraus polterte. Mit der Hand vor dem Mund lief sie ins Badezimmer und schmiss die Tür zu. Dann wurde er endgültig, durch Würge- und Brechlaute, aus seinem Schlaf gerissen. Er legte sich auf den Rücken und fuhr mit der Hand über seinen Kopf. „Alles ok mit dir?“, erkundigte er sich gezwungenermaßen bei seiner Verlobten. Die konnte ihm aber noch keine Antwort entgegen bringen, da sie noch mit ihrem Brechreiz zu tun hatte. Die Klospülung wurde betätigt und danach war es still. „Kate?“ Mit einem Schlag riss sie die Tür auf und kam wieder ins Zimmer. „Daran bist nur DU Schuld!!“, giftete sie ihn an und zeigte mit dem Finger auf ihn. Kai setzte sich auf die Bettkante und zuckte nur mit den Schultern. Warum sollte er dafür verantwortlich sein? Er war nicht mal der Vater. Also war er an gar nichts Schuld. Wuterfüllt stürzte die Russin auf ihn zu und meckerte ihn weiter an. Gerade als sie den nächsten Satz anfangen wollte, lief sie zurück ins Bad und hing wieder über der Toilette. Kai schaute angewidert in ihre Richtung, denn zum Tür schließen reichte die Zeit nicht mehr. „Kotzt du jetzt den ganzen Tag?“ „Schnauze!“, fuhr sie ihn in einer kurzen Pause an, um sich dann wieder der Schüssel zu ergeben. „Ich geh dann schon mal nach unten. Komm einfach runter, wenn du dich ausgekotzt hast.“, nebenbei zog er sich frische Klamotten an und verließ das Zimmer. Im Wohnzimmer angekommen, schauten ihn gleich die beiden Frauen interessiert an. „Wo ist Kate? Es ist schon spät.“ „Die kotzt sich grade aus. Wir können also schon essen.“, bemerkte er beiläufig und ging weiter in den Speisesaal. Mila nickte und so folgten ihm die beiden ebenfalls. Beim Essen erkundigte sich Kai. „Wie lange geht das Gekotze denn?“ „Unterschiedlich. Ich hatte damals auch ziemliche Probleme in den ersten Monaten... Jede Frau ist da eben anders...“, erklärte Hilary und Mila stimmte zu. „Also werde ich jetzt jeden Morgen von skurrilen Geräuschen aus dem Bad geweckt. Klasse. Da kann ich mir den Wecker sparen.“ „Normalerweise verschwinden die Beschwerden nach dem 3. Monat wieder...“, erklärte nun seine Tante weiter. „...aber auch hier ist jede Frau anders.“ Kai seufzte. Hoffentlich würde das bald nachlassen. Sonst würde er auf der Couch im Wohnzimmer schlafen. Nach dem Essen schaute Mila nach Kate. Sie hatte sich den ganzen Vormittag noch nicht blicken lassen. Hilary gab ihr einen Teller mit kleinen Naschereien mit. Vielleicht würde sie davon etwas essen und vertragen. Während Mila mit einem Beruhigungstee und dem Teller nach oben ging, blieben Kai und Hilary unten. Kapitel 37: Entwurf ------------------- Kapitel 37 Es herrschte Stille zwischen den beiden. Keiner wusste, was er dem anderen sagen sollte. Hilary hatte den einen Abend in ihrem Kopf. Immer, wenn sie Kai sah, musste sie daran denken. Wieder spürte sie die aufkommende Röte in ihrem Gesicht. Was sollte sie denn jetzt sagen? In ihrem Kopf herrschte gähnende Leere. Und scheinbar ging es ihrem Gegenüber nicht anders. Ratlos sah er zu Boden. „Kate spannt dich ziemlich doll ein...hm?“, angespannt versuchte sie ein Gespräch zu beginnen. „Hm. Es muss alles perfekt für sie sein.“ Die brünette lächelte schwach. Ihm konnte das doch nicht so egal sein. Kai ließ sie alles organisieren, nach ihren Vorstellungen. Und er mischte sich nie ein, sondern nickte alles geduldig ab. „Du brauchst auch noch ein passendes Outfit für nächste Woche.“ „Ich?“ „Nein, die Tür dahinten...“, murrte er sie an. „Ha...ha...“, entgegnete sie trocken. Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. „Lass uns dafür mal in die Stadt fahren. Sollst ja nicht rumlaufen, wie ein Sack Kartoffeln.“ „Hey! Ich habe immer ordentliche Klamotten an!“ „Ja, aber keine passenden für eine russische Hochzeit.“ Sie schaute an sich herab. Dann betreten zur Seite. „Heute Nachmittag?“ „Mit dir?!“ „Wir können auch Mila mitnehmen, wenn du dich dann wohler fühlst.“, genervt verdrehte er die Augen. „Hm...ok...“, eigentlich wollte Hilary gar nicht so übertrieben reagieren auf sein Angebot. Aber ihr ging die Sache nicht aus dem Kopf. Nachdem Mila wieder im Erdgeschoss war, fragte Hilary sie, ob sie mitkommen würde. Etwas frische Luft würde ihr nicht schaden, dachte sie sich und stimmte zu. „Kate schläft übrigens wieder. Gegessen hat sie auch, also sie wird wieder.“, lächelte sie beruhigend. Hilary nickte freudig, denn sie wusste, wie es in den ersten drei Monaten sein konnte. Dann schaltete sich Kai ins Gespräch ein. Aber sehr zum Unmut von Hilary, denn er schien seiner Tante etwas mitzuteilen und zwar auf Russisch. Mila schaute an der Japanerin herab und redete dann mit Kai weiter. „Redet ihr etwa grad über mich?!“, rief sie geschockt durch den Raum, denn sie merkte sehr wohl, dass sie gemustert wurde. Doch Mila winkte ab. „Kai hat mir nur gesagt, was er sich vorstellt.“ „Und das darf ich nicht verstehen??“ „Nein. Momentan nicht.“, warf er kühl dazwischen. Hilary verschränkte beleidigt die Arme vor ihrem Körper und erntete darauf von der älteren Frau ein hämisches Grinsen. „Lass dich einfach überraschen.“ Was blieb ihr anderes übrig? Die beiden würden sie noch fertig machen, wenn sie dauernd in ihrer Heimatsprache sprechen. Ergeben senkte sie ihre Schultern und ließ den Kopf hängen. Bevor sie am Nachmittag in die Stadt fuhren, sah Kai nochmal nach Kate, um ihr den besorgten Partner vor zu heucheln. Allerdings hatte sie für ihn nur die üblichen Vorwürfe parat. Er kümmert sich nicht um sie. Er würde sie nicht lieben. Und sie bräuchte Zuwendung von ihm. Was er brauchte, interessierte nicht. Also zog er sich rasch um und wollte wieder gehen. „Hast du nicht was vergessen?“, rief sie prüfend aus dem weichen Bett heraus und zeigte auf ihr Gesicht. Kai kam zurück und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. „Bis später.“, er griff noch seinen dickeren Pullover und verließ zügig den Raum. „So, wir können dann los.“, sagte er, während er die Treppe herunter kam und gleichzeitig seinen Pullover überzog. Hilary schaute betreten zur Seite, denn er hatte unter dem dicken Kleidungsstück nur ein figurbetontes Muskelshirt an. Ludmila grinste nur vor sich hin. „Kai. Du bringst Hilary in Verlegenheit. Zieh dich, das nächste Mal, oben an!“, rief sie ihm gespielt ernst entgegen. „Ja klar.“, grinste er zurück. Die brünette merkte schon wieder, dass sie Rot wie eine Tomate anlief. Die beiden machten sich auch noch darüber lustig. Wie sehr würde sie einfach im Boden versinken! „Kommst du jetzt auch? Oder sollen wir warten, bis du dich wieder gefangen hast.“, ungeduldig hielt er die Haustür auf und wartete, dass die junge Frau sich endlich bewegte. Hilary schreckte aus ihren Gedanken und warf noch einen unentschlossenen Blick auf ihre Tochter. Die sollte probeweise bei Dimitri bleiben. Und es schien ihr zu gefallen bei ihm. Sie winkte Emilia zu, dann eilte sie aus der Tür und Kai zog sie hinter sich zu. Am Wagen wartete Mila schon. Sie ließ die jungen Leute zuerst einsteigen und quetschte sich darauf mit auf den Rücksitz. „Macht mal ein bisschen Platz da drüben.“, scherzte sie herum, als die Hilary und Kai noch ein Stück dichter aneinander schob, damit sie entspannt sitzen konnte. Warum musste sie ausgerechnet den kleineren Wagen nehmen? Kai, der in der Mitte saß, warf seiner Tante einen bitterbösen Blick zu, denn er durchschaute ihren Plan sofort. Mila zuckte nur unschuldig mit den Schultern. „Entspann dich. Ich beiße dich nicht.“, flüsterte der Russe seiner angespannten Sitznachbarin zu. „Ha ha! Zumindest nicht in meinem Beisein.“, lachte die Dame laut los und trieb die beiden in eine Sackgasse. Hilary brachte vor Verlegenheit kein Wort heraus und der blau-haarige ließ ihren Satz auch einfach im Raum stehen. „Nun entspannt euch mal. Ihr seid jung und könnt machen was ihr wollt. Davon halte ich euch sicherlich nicht ab.“, sprach sie belustigt weiter und drehte dann ihren Kopf, die gesamte Fahrt über, aus dem Fenster. Hilary versuchte sich so dünn wie möglich zumachen, doch auf der engen Rückbank war das schier unmöglich. Also berührten sich die beiden gezwungenermaßen. Oder anders, wie Mila es beabsichtigte. Die dachte gar nicht mal daran, sich etwas dünner zu machen, sondern machte sich mit jeder Gelegenheit, dies ich bot, noch ein Stück breiter. Kai nahm genervt seinen Arm an die Seite und legte ihn auf seinen Oberschenkel. Die andere Hand wanderte in seine linke Hosentasche, denn sein Portemonnaie störte beim Sitzen. „Ihr dürft ruhig Händchenhalten.“ „Mila!“, er fuhr sie auf russisch ziemlich barsch an. Sie grinste nur aus dem abgedunkelten Fenster. Kai lehnte gegen die Kopfstütze und schloss die Augen. Was wollte diese Frau damit bezwecken? Klar, natürlich wollte sie die Sache zwischen den beiden vorantreiben, aber doch nicht so. Außerdem würde er das noch alleine schaffen, hing der blau-haarige seinen Gedanken nach. Dann kamen sie endlich an Zielort an. Eine edle Modeboutique. Die ging über zwei Etagen und hatte unendlich viele Abteilungen. Sie betraten den Laden. Hilary's Augen waren riesengroß von dem Innenausbau des Raumes. Edle Stuckverzierungen und ein großer Kronleuchter in Gold, gaben dem Laden den gewissen Charme. Kurz erkundigten sie sich nach der richtigen Abteilung, worauf sie, mit dem Fahrstuhl. Nach ganz oben fuhren. Hier gab es Abendkleider und Kleider für bestimmte Anlässe. Auch Hochzeitskleider. Hilary besah die hübschen, weißen Kleider und berührte vorsichtig den teuren Stoff. „Die gefallen dir, was?“ „Ja, die sind echt schön...“, verträumt stellte sie sich vor, vielleicht irgendwann auch einmal zu heiraten. Mila folgte ihr weiter, während Kai eine Mitarbeiterin heran holte, um ihr den Auftrag zu schildern. „Das ist sie.“, zeigte er auf Hilary und ging langsam erklärend mit der jungen Frau auf die brünette zu. Die Verkäuferin nickte, zu seinen Erklärungen. Scheinbar hatte sie schon eine Vorstellung davon, wie es aussehen sollte. Sie bewegte ihre Hände und zeichnete damit eine imaginäre Form vor sich. Kai schien angetan. „Hilary? Die Angestellte muss deine Maße nehmen.“ Überrascht schaute sie zu ihm, und in das grinsende Gesicht der blonden Frau. Die konnte scheinbar kein japanisch, also würden sie sich nicht unterhalten können. Kai trieb sie etwas zur Eile, er wollte nicht ewig hier verweilen. In einem kleinen Extraraum wurden Hilary's Maße genommen. Kai und Mila standen davor und warteten. „Und was denkst du, Kai?“, es legte sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen. „Ich denke...es wird fantastisch.“, seine Tante grinste darauf wissend und freut sich auf das Endergebnis. Sie wusste nicht genau, was Kai sich vorstellte. Nachdem alle Maße genommen waren, streifte die Verkäuferin noch mit Hilary durch die Gänge. Sie musste sich noch eine ungefähre Vorstellung davon machen, was sich die Japanerin vorstellte. Und als es draußen bereits dämmerte, waren alle Entscheidungen getroffen. Zufrieden verließen alle drei den Laden. Kapitel 38: Auftakt ------------------- Kapitel 38 „Hast du jetzt alles was du wolltest, Kai?“ „Grob, schon.“ „Gut, dann fahren wir wieder zurück. Steigt ein Kinder, los los.“, der Fahrer hielt die Tür auf, sodass erst Hilary und dann Kai einstiegen. Gerade als Kai seiner Tante einen grimmigen Blich zuwarf, schloss sich die Tür und Mila stieg auf der Beifahrerseite ein. Etwas überrascht davon, entspannte sich sein Gesicht wieder. Kai lehnte sich mit dem Rücken an das äußere Ende der Tür, so dass er leicht schräg auf der Rückbank saß und seine Tante beobachten konnte. Hilary setzte sich kerzengerade hin und schaute nach vorne. Dann fuhr der Wagen los. „Was hast du jetzt wieder vor, Mila?“, fragte er verdächtig nach und zog seine Augenbraue nach oben. Doch eine Antwort bekam er nicht. Stattdessen hielt das Auto nach ein paar Minuten Fahrt noch einmal an. Mila drehte sich herum und schaute nun ihren Neffen lächelnd an. „Könntet ihr wohl aus dem Kaufhaus eine Bestellung für mich abholen? Mein Rücken schmerzt ziemlich. Wärt ihr so freundlich?“ „Na, klar!“, rief Hilary ohne darüber nachzudenken. Sie war wie immer hilfsbereit. Kai dagegen, ließ seinen Blick von Hilary zu Mila schweifen. Er nahm den kleinen Zettel, den ihm seine Tante in die Hand drückte und stieg aus. Hilary lief ihm schnell hinterher. Kai erkannte diesen Ort sofort. Sie waren wieder auf dem roten Platz. Ob sie das Gelände auch schon erkannte? Die brünette schaute ihn unbemerkt an. Warum er wohl so grimmig schaute? Sicherlich war er genervt. Sie ließ ihren Blick durch die beleuchteten Straßen wandern, bis auch sie merkte, wo sie waren. Die Japanerin blieb stehen und drehte ihren Kopf. Leicht öffnete sich ihr Mund, doch es kam kein Wort heraus. Irgendwann merkte auch Kai, dass Hilary's folgender Schritt fehlte. Er suchte nach ihr und fand sie schließlich starr, wie eine Säule, ein paar Meter hinter sich. Kurz senkte er den Kopf, um dann leicht lächelnd auf sie zuzugehen. „...eigentlich...wollte ich dir das nicht so nebenbei zeigen...“, der blau-haarige stellte sich neben Hilary und lehnte seinen Arm frech an ihre Schulter. Ihr Gesicht fuhr herum, aber er sah sie nicht an. Er schaute mit einem schwachen Lächeln auf die eindrucksvoll beleuchtete Basilius-Kathedrale. Dabei sah der Halbrusse gar nicht mehr schlecht gelaunt aus. Jetzt war er entspannt und sein Gesicht strahlte Zufriedenheit aus. Seine Begleitung sah noch weiter auf die Kathedrale, bis sie den Zettel in seiner Hand sah. „Was steht eigentlich auf dem Zettel?“, sie versuchte die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, denn Hilary fühlte sich unwohl, denn sie waren fast in der gleichen Situation wie vor einigen Tagen. Doch Kai ging auf ihren Kommentar ein und faltete das Stück Papier auf. Hilary schielte neugierig drauf. „Natürlich...Russisch...“ Kai fuhr sich durch die Haare und musste sich ein Grinsen verkneifen. Von wegen eine Bestellung abholen. Mila versuchte die beiden anscheinend zu verkuppeln. Zumindest ging das nicht offensichtlicher für den blau-haarigen. Er schien froh über die Aktion seiner Tante zu sein. „Was steht drauf! Sag schon!“ „Ach nichts....Lass uns zurückgehen.“ „Aber die Bestellung!“ „Die kann bis morgen warten.“, kurz und knapp fertigte er sie ab. Vielleicht war es besser, dass die brünette es nicht lesen konnte. Noch einmal las er die Worte vom Zettel in Gedanken durch. 'Sag es ihr!' stand darauf gekritzelt. Das würde er noch machen. Schnell kehrten sie zum Wagen zurück, wo Mila sie breit grinsend erwartete. „Kein Wort!“, fauchte Kai ihr entgegen und stieg ins Auto ein. Hilary saß auch wieder auf ihrem Platz und so konnten sich endlich nach Hause fahren. Am Anwesen trennten sich alle schnell ihrer Wege. Hilary sah nach Emilia, Kai verschwand in seinem Zimmer und Mila trank noch ein Tässchen Tee. Das war ein gelungener Tag für sie. Die nächsten Tage bis zur Hochzeit verliefen ähnlich. Nur ruhiger, außer wenn Kate dabei war. Dann musste sich alle Aufmerksamkeit nach ihr richten. Und dann kam der Tag vor der Hochzeit. Die dunkelhaarige Russin drehte komplett durch. Auch wenn sie schwanger war. Ständig lief sie durch die Räume und suchte ununterbrochen irgendwelche Klamotten. Ihren Verlobten sah sie heute noch gar nicht. Der hatte in der Frühe das Anwesen verlassen und musste noch einige Dinge erledigen. Und außer Mila, wusste keiner davon. Doch auch ihr erzählte er nur die Hälfte seinen Plans. Die andere Hälfte behielt er tief verschlossen in seinen Gedanken. Am Nachmittag tauchte er ganz entspannt wieder auf. Anscheinend hatte er alles nach seinen Wünschen erfüllt. Unter seinem Arm trug er zwei kleine Päckchen. Eines drückte er seiner Tante in die Hand und mit dem anderen ging er nach oben. Um ein paar Minuten später wieder herunter zu kommen. „Sie hat mich rausgeschmissen...Die letzte Nacht vor der Hochzeit...tze. Was denkt die sich...“ „Es soll Unglück bringen, wenn man die Nacht vor der Hochzeit zusammen verbringt.“, lächelte sie ihn an. „Toll...“ Oben in ihrem Zimmer, saß Kate aufgeregt vor dem großen Wandspiegel. Sie probierte Make-Up für den morgigen Tag aus. Dann studierte sie Posen ein, wie sie am besten stehen sollte und wie ihre betonte Figur am besten zur Geltung kommt. „Morgen gehört er endlich mir...“, grinste sie selbstsicher in den Spiegel. Zärtlich fuhr sie über ihren Bauch. Ob sie wusste, dass ihr Verlobter nicht der Vater war? Mila und Kai beschlossen früh schlafen zu gehen. Der morgige Tag würde für alle noch einige Überraschungen bereithalten. Kate's gesamte russische Verwandtschaft würde auftauchen. Ihr Vater, ein guter Investor für sein Zentrum und einige ihrer Freunde und Bekannte. Viele davon kannte er sicher nicht einmal. Für die heutige Nacht beschloss er die Couch sein eigen zu nennen. Er lag noch lange wach und ging jeden Schritt seines Plans immer wieder durch, bis er müde einschlief. Hilary verkrümelte sich an diesem Abend auch früh ins Bett. Allerdings sah sie zum ersten Mal russisches fernsehen. Wie lange sollte sie eigentlich noch in Russland bleiben? Und warum sollte sie für die Wochen Russisch lernen? Sie hatte keine Ahnung. Gelangweilt schaltete sie den Fernseher und das Licht aus. Morgen würde ein spannender Tag werden. Der nächste Tag brach für alle um 06:00 Uhr in der Frühe an. Gequält bemühte sich von der unbequemen Couch auf. Er hatte sicher nur ein paar Stunden geschlafen und so fühlte er sich auch. Eine Weile saß er auf dem Sofa. „Dann wollen wir mal...“, ermutigte er sich und verschwand in Richtung Bad. Gut, dass dieses Haus so groß war. Wenn man wollte, konnte man den ganzen Tag den anderen Personen aus dem Weg gehen. Unter dem Arm trug er die Pappschachtel. Sein Anzug lag darin. Doch bevor er den anziehen würde, gönnte er sich eine kalte Dusche. Das brachte ihn schnell auf Zack. Nach der Dusche machte er sich hübsch. Ja, auch Männer konnten das. Mila wuselte am Morgen auch schon durch das Haus. Endlich war der Tag gekommen, an dem alle davon erfahren würden. Ein bisschen wehmütig und besorgt war sie schon darüber, wie Kate es aufnehmen würde. Aus ihrem Kleiderschrank wählte sie ein besonders schönes Kleid aus. Eins für besondere Anlässe. Dann machte sie sich auf den Weg, um Hilary ihr Kleid zu überreichen. Die war ebenfalls schon putzmunter. Sie hatte Emilia gerade angezogen, da klopfte es an ihrer Tür. „Hilary, ich bin es. Ich habe das Kleid für dich.“ Überrascht eilte sie zur Tür und bat Mila herein. Die Frau hatte wieder ein Lächeln im Gesicht. „Du wirst wunderschön aussehen darin. Komm ich helfe dir beim Anziehen. Los los!“ Zögerlich zog sie ihre Kleidung aus, um sich dann schnell das Kleid überzustreifen. Es saß perfekt an ihrem Körper. Ein pastellfarbenes Kleid mit einem Hauch Orange. Begeistert fuhr sie sich über ihren Körper. „Wow...“, so etwas schönes hatte sie noch nie an. Es war genauso schön, wie sie es sich vorstellte. Mila zog den dünnen Reißverschluss zu und legte ein handbreites Band in kräftigerem Orange um ihre Hüfte. Hinten band sie eine Schleife und ließ die Enden locker nach unten fallen. „Zeig dich her. Du siehst wundervoll aus, Kind.“, sichtlich erfreut über das Kompliment, legte sich ein Rotschimmer auf ihre Wangen. „Wir fahren nachher direkt in die Kirche. Dort warten wir dann auf Kate.“ „Ja.“, ihr Gesicht wirkte nun betrübt. „Ach komm, mein Kind. Er ist doch nicht aus der Welt.“, versuchte Mila die junge Frau zu trösten. Hilary konnte ihr nur ein bedrücktes Seufzten entgegnen. „Kopf hoch, mein Kind! Ich muss jetzt zu Kate, sonst verschläft sie noch ihren großen Tag. Wir sehen uns nachher!“, schnell huschte sie aus dem Zimmer, um schließlich bei der Russin an der Tür zu stehen. Sie hatte die Tür nicht abgeschlossen, also trat Ludmila leise herein. Im Zimmer sah es aus, als wäre eine Bombe explodiert. Überall auf dem Boden lagen Kleidungsteile und Schuhe herum. Sie öffnete daraufhin mit einem kräftigen Ruck die schweren Vorhänge und ließ etwas Tageslicht herein. Aus dem Bett kam ein verschlafenes Murren. „Raus aus den Federn! Heute ist deine Hochzeit! Los! Los!“, die Frau lief durch den Raum und zupfte im Vorbeigehen an der Decke der Schwangeren. „Wo ist dein Kleid?“ „Milaaaaa...“ „Komm! Wir müssen dich noch aufhübschen.“, jetzt kam Ludmila zurück an ihr Bett und zog die Decke komplett weg. Kate schrie auf. „Stell dich nicht so an. Los jetzt!“, ihr Ton wurde strenger, sonst würde sie noch ewig brauchen. Widerwillig setzte sich die Frau auf und rieb sich verschlafen die Augen. „Dein Kleid?“ Stumm zeigte sie zum Badezimmer. In einer durchsichtigen Hülle hing es an der Innenseite der Tür. Mila kam mit dem Kleid ans Bett und packte es aus. „Na was sitzt du denn noch herum? Ab ins Bad und mach dich frisch!“ „Ja...ja...aber es ist noch sooooo früh...“, dann verschwand sie im Bad. Eine geschlagene halbe Stunde brauchte sie, um zu Duschen. „Endlich! Jetzt husch, ins Kleid!“ „Ich muss mich noch schminken!“ „Gut, dann gib mir Bescheid, solltest du damit fertig sein. Ich gehe nochmal nach unten.“ „Ist Kai schon weg?!“ „Nein. Aber er macht sich bald auf den Weg.“ „Gut.“ Kapitel 39: Vorspann -------------------- Kapitel 39 Während Kai im Wohnzimmer, leicht nervös, auf und ab lief, gesellte sich Mila zu ihm. Grinsend sah sie ihren Neffen an. „Bist du etwa aufgeregt?“ „Nein. Ich will nur nichts durcheinander bringen.“ „Ha ha ha! Daran ist doch nichts durcheinander zu bringen!“ Der junge Mann drehte sich von ihr weg und sah aus dem Fenster. Wollte er das wirklich tun? Noch nie hatte er so ein ungutes Gefühl. Aber jetzt musste er dabei bleiben. Um jetzt einen Rückzieher zu machen, war es zu spät. „Dir steht der Anzug übrigens sehr gut.“, bemerkte sie nebenbei. „Danke. Dass weiß ich selbst.“ „Nur...das Krawatte binden, solltest du noch üben.“, widerwillig ließ er sich von seiner Tante die schwarze Krawatte binden. „Wie sieht sie aus?“ „Oh...Kate lag noch im Bett, sie ist noch nicht mal geschminkt.“, darauf erntete sie einen mahnenden Blick. „Ach, du meintest Hilary! Das Kleid steht ihr ausgezeichnet!“, sein Gesicht sah zufrieden aus, als sie ihm das berichtete. Die junge Japanerin stand oben noch einen Moment vor dem Spiegel. Sie konnte den Blick nicht von ihrem Kleid lassen. Es stand ihr so gut. Verlegen lächelte sie ihr Spiegelbild an. Für einen Augenblick verschwand die junge Frau vom Spiegel, aber nur um ihre Kosmetiktasche zu holen und ein dezentes Make-Up aufzutragen. Nachdem sie nochmal einen sicheren Blick über ihre Schultern warf, schloss sie die Zimmertür und ging nach unten. Im Obergeschoss geriet Kate so langsam in Panik. In nicht einmal drei Stunden würde sie mit ihrem Kai verheiratet sein. Sie versuchte sich zu beruhigen, bevor sie den Kajalstift ansetzte und tief ausatmete. Ihr Herz pochte so schnell gegen ihre Brust, dass sie glaube, es würde jeden Moment heraus springen. Trotz des enormen Drucks, den sie sich machte, gelang ihr das Make-Up sehr gut. Kate war eben geübt darin. In Unterwäsche lief sie durch das Zimmer und rief nach Ludmila. „MILAAAAA!“ Kai verdrehte seine Augen, als er das Gebrüll seiner Verlobten hörte. Mila hatte wieder nur ein Lächeln auf den Lippen, entschuldigte sich und ging aus dem Raum, den Hilary gerade betrat. „Entschuldige mich, Kind. Ich muss Kate jetzt beim Anziehen helfen.“, Mila eilte an ihr vorbei und gab somit den Blick auf Kai frei. Er wollte noch eine Beruhigungszigarette rauchen, doch als er Hilary sah, stockte sein Atem. Fasziniert von ihrem Anblick, musste er grinsen. „Du siehst gut aus.“ „Danke...Der Anzug steht dir auch sehr gut.“, wieder verdrehte er die Augen. Was konnte an diesem Anzug so toll sein? Eigentlich sah der aus, wie jeder normale Anzug. Nichts besonderes oder auffälliges. Nur ein schwarzer Anzug unter dem er ein weißes, blickdichtes Hemd trug. „Hm. Ich wollte noch...“, er hielt die kleine rechteckige Packung hoch und Hilary wusste schon Bescheid. „...kommst du mit?“ Mit einem Nicken folgte sie ihm nach draußen. Schnell griff die junge Frau noch nach ihrer Jacke, denn es war höllisch kalt draußen. So empfand sie es. Kai hingegen, ging nach draußen, ohne sich noch etwas überzuziehen. Kaum stand er mit einem Fuß draußen, qualmte der Glimmstängel bereits. Hilary wedelte mit der Hand den Rauch weg, der ihr mitten ins Gesicht wehte. „Du rauchst ziemlich viel.“ „Das sieht nur so aus.“ „Natürlich... Wie läuft der Tag heute eigentlich ab?“, ganz grob sagte Mila ihr ja schon wie sie zur Kirche kommen sollte, aber den restlichen Ablauf wusste sie nicht. „Ich rauch die noch auf und dann geht’s los.“ „Okay!“ Er nahm noch einen Zug und schmiss des Rest zu Boden. Nur um drauf zu treten und die Kippe in den kleinen Mülleimer zu schmeißen. Von drinnen kam der Fahrer heraus. Das Auto stand bereit, und so konnten sie losfahren. Pünktlich kamen sie nach einer längeren Fahrt an. Vor dem Eingang stand schon eine große Masse an Menschen. Wohl Kate's Verwandte und Freunde. Von seiner Familie sah Kai niemanden. So wie er es wollte. Die dummen Sprüche seines Vaters brauchte er eh nicht. Das Auto hielt am Geländeeingang. Kai stieg aus und hielt Hilary die Tür auf. „Ich bin total aufgeregt!“ „Das solltest du auch...“ „Was?“ „Nichts...“, mit einem kräftigen Ruck warf er die Tür zu. Je näher sie den Gästen kamen, umso mehr neugierige Blicke lagen auf den beiden. Hilary war das alles sehr unangenehm. Dann wurden sie an der Tür von einem älteren Mann angesprochen. „Kai! Schön dich zu sehen!“ „Stanislav. Hallo.“, der ältere Herr packte den jungen Russen an den Schultern und drückte ihn fest. „Na, bist du aufgeregt, Junge? Immerhin bin ich nachher dein Schwiegervater!“, darauf lachte er laut los. Stanislav war also Kate's Vater. Er war schon Mitte 50. Ihm ragten auf dem Kopf kurze graue Haare hervor, die er aber mit Stolz trug. Genau, wie den weißen Schnauzbart, den er zwirbelte. In einer Hand hielt er einen schwarz-glänzenden Gehstock, der mit vielen goldenen Ornamenten versehen war. Hilary stand nur teilnahmslos neben Kai und verstand nur Bahnhof. Die beiden unterhielten sich auf Russisch. Stanislav konnte ja nicht wissen, dass Hilary kein Wort davon verstand. Irgendwann fiel dem blau-haarigen auch ein, dass er vielleicht seine Begleitung vorstellen sollte. Höflich verbeugte sich die junge Frau und der ältere Herr im Anzug lächelte sie im Gegenzug freundlich an. „So, du bist also eine Freundin von Kai? Dann wirst du mit meiner Tochter wohl weniger Glück gehabt haben, oder?“, er fragte Hilary ruhig und gelassen danach, denn er wusste wie seine Tochter zu anderen Frauen sein konnte. Und die braunhaarige konnte ihn verstehen. Er sprach Japanisch. Durch seinen engen Kontakt zu Kai und deren Geschäfte, eignete er sich die japanische Sprache doch noch an. Hilary grinste den Herren verlegen an und bejahte seine, eher scherzhaft, gemeinte Frage. Dann kamen auch schon die nächsten aus Kate's Bekanntenkreis auf Kai zu. „Ich suche mir schon mal einen Platz.“, rief sie Kai zu, als sie in die Kirche ging. Was sollte sie die ganze Zeit bei Leuten stehen, die sie nicht kannte und auch nicht verstand? Außerdem würde das Kai nur in längere Gespräche verwickeln, was er nicht mochte. Sie betrat den großen Raum, der wundervoll geschmückt wurde. Die Bänke hatten an den inneren Enden jeweils eine rote und eine weiße Rose gebunden, an denen rot-weiße Bändchen herunterhingen. Dazu weißer geraffter Stoff, um die Bänke hübscher zu gestalten. Die Sitze wurden weich gepolstert, denn die Gesellschaft wollte sich dort nicht den Hintern verkühlen. Hilary nahm ziemlich weit hinten Platz. Die wichtigen Personen sollten lieber vorn sitzen, damit die alles gut sehen konnten. Die brünette würde wahrscheinlich wieder kein Wort verstehen. Vielleicht ein Wort, 'ja'. Den Rest eher nicht. Vor dem Altar standen zwei Stühle, über denen jeweils eine weiße Stuhlhusse gelegt wurde. Hinten wurde sie zusammengebunden und mit rot-weißen Bändern verziert. Im Hintergrund erstreckte sich im oberen Bereich, eine beeindruckende Orgel. Als sie sich setzte, fiel ihr ein kleiner bedruckter Zettel auf. Sie schaute drauf, doch wieder nur russische Schriftzeichen. Anhand der Schreibweise, konnte sie aber erahnen, dass es sich um die Programmpunkte handeln müsste. Kai konnte sie jetzt schlecht fragen. Nach und nach füllte sich die kleine Kirche mehr und mehr. Und auch Kai kam nun herein. Kurz kam er noch zu Hilary. Irgendwie wirkte er jetzt sehr nervös und sah aus, als bräuchte er jemanden, der ihm jetzt Sicherheit gab. Die junge Frau fragte ihn gleich nach dem Zettel und er erklärte ihr schnell, dass es sich um das Programm handelte. Nur für den Ablauf hatte er keine Zeit mehr, denn Stanislav gab ihm zu verstehen, dass Kate jeden Moment ankommen würde. Beim Weggehen, schenkte ihm Hilary noch ein zuversichtliches Lächeln. Es würde schon schiefgehen, dachte sie sich. Es wurde leise unter den Gästen und die schwere Holztür, öffnete sich kurz. Schnell huschte Mila, die gerade angekommen war, herein. Sie fand Hilary in der hinteren Reihe und winkte ihr lächelnd zu. Dann ging sie nach vorn zu ihrem Neffen. Der fuhr sich bereits zum dritten Mal nervös durch das Haar. Mila versuchte ihn etwas zu beruhigen, doch erfolglos. Ein weiteres Mal griff er in die Haare, um sie zu richten. Nun stand er ganz allein vor dem Altar. Mila hatte sich in die erste Reihe gesetzt und wartete nun, wie jeder, auf die Hauptperson. Plötzlich ertönte ein lautes Glockenklingen. Es war 09:00 Uhr. Auf die Sekunde genau. Und genau nach dem ersten Glockenschlag, öffnete sich die schwere Tür erneut. In dem, etwas dunklen Raum, strahlte das Tageslicht nun durch den Eingang herein. Dort konnte man nach einigen Sekunden eine Frau im Kleid erkennen. Es war Kate. Als sie die ersten Schritte über den ausgelegten roten Teppich machte, setzte das Orgelspiel ein. Kate trug ein langes rot-weißes Brautkleid. Es schmiegte sich an ihren Körper, wie eine zweite Haut. Es war ein trägerloses Kleid, dass nur durch die rote Korsage zum Schnüren an ihrem Leib gehalten wurde. Vorne hatte die Korsage eine Art Bordüre, die glänzend weiß bestickt wurde. Hilary konnte nicht erkennen, ob es Pailletten oder Edelsteine waren. Der breite weiße füllige Rock, lag ganz knapp auf dem Boden. Am unteren Ende waren auch wieder rötliche Stickmuster in verschiedenen Tönen. Auf ihrem Kopf und vor ihrem Gesicht hing ein leicht durchsichtiger weißer Schleier. Darunter konnte man nur erahnen wie schön sie aussah. Sie hielt in den Händen einen kleinen Brautstrauß, der aus vielen roten Rosen bestand. In jede Rose wurde eine weiße Perlmutt-perle gesteckt. Außen herum wurde etwas Grün gebunden, um das Blumengebinde abzurunden. Anmutig, wie eine Prinzessin, schritt sie nach vorn. Kai's anfangs desinteressierter Blick, änderte schnell je näher Kate kam, und je mehr er an ihr erkennen konnte. Aber mit den Tränen kämpfte er nicht. Dafür Hilary, in der letzten Reihe, umso mehr. Sie nahm das total mit. Das Orgelspiel, das Glockenspiel, das mittlerweile verstummt war, und Kate, die in einem wunderschönen Kleid hereinlief. Sie hatte genau das erzielt, was sie beabsichtigte. Auf der Braut ruhten alle Blicke. Freudestrahlend kam sie bei ihrem Bald-Ehemann an. Sie warf einen überglücklichen Blick zu ihrem Vater und danach zu Ludmila auf der anderen Seite. Dann sah sie Kai an, der regungslos vor ihr stand. „Du musst mir den Schleier abnehmen!“, zischte sie ihren Verlobten ungeduldig an. Der schien nicht zu wissen, was Gang und Gebe war, bei einer Hochzeit. Er nahm ihr darauf den Schleier vom Gesicht hoch und legte ihn nach hinten ab. Dann begann der Priester zu sprechen. Sie mussten beide Platz nehmen auf den hübsch verzierten Stühlen. Der Priester erzählte von ihrem Kennenlernen, ihrer letzten Zeit und dass Kate nun ein Kind erwartete. Und die jetzige Hochzeit sollte die Krönung ihrer Liebe sein. Während der Rede musste sich Kai zusammenreißen nicht zu gähnen. Wer dachte sich so etwas unglaublich langweiliges aus? Wen interessierte das? Und wer wollte das überhaupt wissen? Nach einer, schier endlosen Rede, über die Vergangenheit und Zukunft, kam der eigentliche Teil der Zeremonie. Der Priester forderte nun beide auf, sich zu erheben. Kapitel 40: Ende? ----------------- Kapitel 40 Während der ganzen Zeremonie über, hörte Hilary zwar aufmerksam zu, doch sie verstand nur manchmal ein vereinzeltes Wort. Dann war sie unglaublich zufrieden und stolz auf sich. Und nach einer langen Rede des Priesters, erhoben sich die beiden von ihren Stühlen. Kate strahlte über das komplette Gesicht, als sie Kai ansah. Der schaute sie aber nicht an, sondern sah konzentriert nach vorn. „Fangen wir mit Ihnen an.“, er sah von seinem Buch auf, dass er die ganze Zeit über auf den Händen hielt und sprach weiter. „Kate Schukowa, hiermit frage ich Sie: Möchten Sie, den hier anwesenden, Kai Alexander Hiwatari, zu Ihrem, rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen? So antworten Sie bitte 'Ja, ich will.'.“ „Ja! Ich will!!“, rief sie fast kreischend durch das Gotteshaus. Der Priester hielt kurz inne und machte dann weiter. Sein Blick ruhte auf Kai. „Kai Alexander Hiwatari, hiermit frage ich auch Sie: Möchten Sie, die hier anwesende Kate Schukowa, zu Ihrer, rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen? So antworten auch Sie bitte mit 'Ja, ich will.'.“ „Mach schon!“, flüsterte die junge Braut ihm zu. Und auch alle anderen Gäste der Zeremonie, warteten auf Kai's Antwort. Er holte tief Luft und sah seine Verlobte emotionslos an. Er schaute dann wieder nach vorn und dem Priester ins Gesicht. Der wurde nun auch noch etwas nervös. Der blau-haarige fuhr sich nochmals durch die Haare und antwortete. „Nein.“ Seine Haltung aufrecht und sein Blick starr nach vorn gerichtet. Dann brach lautes Getuschel in den Gästereihen durch die Kirche. „Das muss ein schlechter Scherz sein! Kai!“, Kate zog ihn am Ärmel herum, um ihm in die Augen zu schauen. Er sah sie entschlossen an. „Spinnst du jetzt komplett?!“, schrie sie ihn wütend an, als er nicht antwortete. Ruhig befreite er sich aus ihrem Griff und wiederholte sein Wort. „Nein.“, und wieder diese Entschlossenheit in seinem Gesicht. Es war kein Funken Nervosität oder Anspannung mehr zu sehen. In der hintersten Reihe wunderte sich Hilary darüber, warum Kate so laut wurde. Ihre Augen waren weit geöffnet, denn sie hatte seine Antwort verstanden. 'Ja' und 'nein', waren die ersten Wörter, die sich die Japanerin eingeprägt hatte. Und langsam fügte sich ein Puzzleteil an das andere. Sie schlug die Hände vor den Mund, um keinen Ton von sich zu geben. War das etwa sein Plan? „KAI! Sag jetzt, dass du mich heiraten willst!! Wir erwarten ein KIND!!“, das Gesicht der Russin war wuterfüllt. Wie konnte er es wagen ihren schönsten Tag so zu ruinieren? Doch Kai blieb davon unbeeindruckt. Schon lange genug hatte er ihre Launen ertragen. Seine Miene verfinsterte sich Zusehens. „Ja, Kai! Ihr erwartet ein Kind, denk doch mal daran!“, rief Stanislav jetzt aus der ersten Reihe. Angesprochener drehte sich nur zu ihm um, und es brach aus ihm heraus. „Dieses Kind ist nicht von mir. Sie hat mich betrogen und danach eiskalt versucht es, als mein eigenes unterzujubeln!“, dabei sah er nicht einen Moment zu der schwangeren. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. Zu groß war seine Wut. Stanislav konnte nicht glauben, was Kai ihm erzählte. Ungläubig öffnete er seinen Mund und wollte gerade einen Satz beginnen, da fiel Kate ihm dazwischen. „DU stellst MICH als Betrügerin dar?! Dieses Kind ist-“ „NICHT von mir!“, fuhr Kai erneut dazwischen. „Zu diesem Zeitpunkt warst du gar nicht bei mir! Sondern mit deinem, ach so 'süßen' Chef, auf Geschäftsreise! Und jetzt hör auf mich für dumm zu verkaufen!“, ihm fiel es beträchtlich schwer, die Beherrschung nicht komplett zu verlieren. Kate dagegen riss die Augen weit auf. Sie rechnete damals zwar zurück, doch in dem Toleranzbereich hätte auch Kai ganz knapp als potenzieller Erzeuger in Frage kommen können. Ertappt versuchte sie sich raus zu reden, doch der blau-haarige ließ ihr keine Chance mehr. Es war zu spät dafür. „Noch dazu kommt, dass du ununterbrochen mein hart verdientest Geld zum Fenster herausschmeißt, für Luxus, den KEIN Mensch benötigt! Du behandelst die Menschen, wie deine Bediensteten und hast nicht mal einen Funken Anstand gegenüber anderen! Lange genug habe ich mir das angetan!“ „Kate?“, Stanislav stand von seinem Sitz auf und sah seine Tochter enttäuscht an. Konnte es wirklich so sein, wie Kai gesagt hatte? So kannte er sie absolut nicht. So etwas würde seine Tochter nicht machen. Aber warum sollte Kai sich das ausdenken? „Lass mich, Papa!“, ihre Stimme wurde zitterig und schnell fuhr sie zur Seite herum, um ihr Gesicht zu schützen. Kai hingegen wand sich an Kate. „Ich denke, jetzt weißt du, wie es sich anfühlt, wenn man so verarscht wurde. Ich, für meinen Teil, bin durch mit dir.“, er lockerte seine Krawatte ein Stück und suchte den Blick seiner Tante. Die nickte ihm zu. In dem Moment packte Kate ihn an dem Anzugkragen. „Du glaubst, dass du damit ungeschoren davon kommst?!“, sie brüllte ihn ungehalten an. Kai griff nun kräftiger nach ihren Händen, um sie erneut von seiner Kleidung zu lösen. Er antwortete der Russin nicht mehr. Stattdessen ging er die paar Treppenstufen langsam nach unten und ließ sie dort einsam stehen. Durch die Reihen murmelte es und die Gäste erhoben sich, um Kai hinterher zu sehen. Bevor er die Tür erreichte, drehte er sich um. Die Hände lässig in den Hosentaschen auf seinen Lippen ein kleines Lächeln. „Hilary Tachibana?“, sein Blick richtete sich auf die junge Japanerin, die ihn überrascht ansah. Die Menschen, auf den Bänken, verrenkten sich geradezu, nur um mitzubekommen, was nun in der letzten Reihe passierte. „Willst du meine Frau werden?“ Erneut schlug Hilary die Hände vor ihren Mund. Was hatte er da zu ihr gesagt? Verzweifelt suchte sie in seinen Augen Hilfe, und sie hoffte, dass er ihr gleich sagen würde, dass es nur ein dummer Scherz war. Doch der junge Mann stand geduldig auf dem roten Teppich. Er erwartete eine Antwort und sah sie fordernd an. Auch die anderen Hochzeitsgäste starrten die junge Frau an, da einige der japanischen Sprache mächtig waren. Hilary suchte weiter nach irgendeinem Hilfepunkt. Dann sah sie Mila, die nach hinten lief und die brünette ebenfalls überrascht und erwartungsvoll anschaute. Doch bei Ludmila fand sie nur Ratlosigkeit. Sie schluckte und presste die Lippen aufeinander. „Ja.“ Laute, überraschte Geräusche hallten durch die große Halle. Kate konnte nicht fassen was ihr Verlobter gerade tat. Er machte dieser Person einen Antrag. Vor ihren Augen. An ihrem schönsten Tag. Wild herumfuchtelnd, wollte sie zu ihm stürzen, doch sie wurde von einigen Gästen aufgehalten. Ihr Vater hielt sie fest im Arm und beruhigte sie etwas. Kai dagegen, ließ sich von den anderen nicht aus der Ruhe bringen. Jetzt steuerte der Halbrusse auf Hilary zu. Als er vor ihr stand, sah er sie erleichtert an und reichte ihr die Hand. Die brünette zögerte noch. Tat sie wirklich das Richtige? Zögerlich reichte sie ihm ihre Hand und er zog sie vom Sitz hoch. Er zog sie dicht an seinen Körper und musste unweigerlich schmunzeln, als er sah, dass Hilary rot wurde. „Dann kriegen wir ja doch noch eine Hochzeit!“, rief Mila durch die Halle und lachte kurz auf. Kate stand wie angewurzelt in der ersten Reihe und hätte ihn am liebsten verprügelt, für das, was er ihr antat. Hilary und Kai gingen nun nach vorn zum Altar. Die brünette war total perplex. Sie fühlte sich wie in einem Traum. Wahrscheinlich würde sie jeden Moment aufwachen und Kai am nächsten Tag, alles lachend erzählen können. Sie kamen an Kate vorbei, die nun auf der Bank saß. Darauf wollte sie die Flucht ergreifen. Das würde sie sich bestimmt nicht antun. Sehr zu ihrem Unmut, hielt Stanislav sie auf dem Platz. „Das wirst du dir schön ansehen, mein Kind.“, er hatte Kai während der Beziehung mit Kate, gut kennengelernt. Er war der letzte, der es verdiente, so hintergangen zu werden. Doch seine Tochter musste es drauf anlegen. Und nun bekam sie die Quittung. Vor dem Altar winkte Kai den Priester heran. Mit ihm musste er jetzt schnell besprechen wie es weitergehen sollte. Hilary verstand ja kein Wort Russisch und der Priester sprach genauso wenig Japanisch. Aber mit Hilary zusammen konnten sie einen Mittelweg finden. Der Priester würde seinen Text normal auf Russisch herunter leiern und die brünette sollte nur kurz mit 'Ja' antworten. Nun stand ein komplett anderes Paar vor dem Altar der Kirche. Kai in seinem schwarzen Anzug und Hilary in ihrem pastellfarbenen Kleid, dass eigentlich gar kein Hochzeitskleid werden sollte. Der Priester begann mit seiner kleinen Vorrede und kam dann, nachdem Kai ihn mit einer genervten Geste aufforderte, zu dem eigentlichen Teil. Er räusperte sich kurz und sprach dann zum zweiten Mal seinen Text. „Kai Alexander Hiwatari, möchten Sie die, hier anwesende Hilary Tachibana, zu ihrer rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen? So antworten Sie bitte mit 'Ja, ich will.'.“, hoffnungsvoll schaute er den blau-haarigen an, der zum antworten den Mund öffnete. „Ja, ich will.“ „Und nun frage ich Sie, Hilary Tachibana. Wollen Sie, den hier anwesenden Kai Alexander Hiwatari, zu ihrem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen? So antworten auch Sie bitte mit 'Ja, ich will.'.“, und ein weiteres Mal hoffte der Priester auf ein bejahen seiner Frage. Diesmal schaute er gespannt in die Richtung der brünetten, noch verwirrten Frau. Die schien einen Moment abwesend zu sein und fuhr dann schreckhaft aus ihren Gedanken. Schnell antwortete sie ihren Text, ohne weiter darüber nachzudenken, welche Folgen das haben könnte. „Ja.“, huschte es schnell aus ihrem Mund und der Priester atmete erleichtert aus und fuhr schnell mit seinem Text fort. „Somit erkläre ich Sie, zu rechtmäßig angetrauten Eheleuten. Sie dürfen die Braut nun küssen.“, sprach er mit einem Lächeln im Gesicht. „NEIN!!“, aus der ersten Reihe kreischte Kate zu den beiden hoch. Kurz darauf wurde sie wieder von Stanislav heruntergezogen und zum Schweigen gebracht. Hilary verfolgte das Szenario verunsichert und sah daraufhin fragend zu ihrem, nun, Ehemann. „Was jetzt?“ „Das müsstest du, als Frau, doch wissen.“, er sah sie ernst an. Nur um dann sein Gesicht zu entspannen und näher an sie heranzugehen. Behutsam strich er über ihre Schulter, herunter zu ihrer Hand, die er dann festhielt und sie ein Stück näher zu sich zog. Hilary dämmerte es daraufhin. Natürlich wüsste sie was nun kommen würde. Der blau-haarige holte sie zurück aus ihren Gedanken, indem er seinen Griff um ihre Hand verstärkte. Seine rechte Hand legte er auf ihre Taille und zog sie nun endgültig zu sich heran. Ihre Körper berührten sich und darauf auch zärtlich ihre Lippen. Da Kai wusste, dass seiner Ehefrau, dieser Moment unsagbar unangenehm war, hob er seine linke Hand, in der er ihre hielt, nach oben und versteckte somit ihren Hochzeitskuss. Sogleich musste er feststellen, dass Hilary's Aufregung nachließ und er grinste in den Kuss hinein. Kapitel 41: Ein neuer Anfang ---------------------------- Kapitel 41 Nach ihrem versteckten Kuss, brach trotz der ungeplanten anderen Hochzeit, tosender Applaus los. Auch wenn der begleitet von einer Schattenseite war. Kate konnte immer noch nicht glauben, was sie sah. Sie war am Boden zerstört und zugleich so wütend. Wütend auf ihn, wütend auf Hilary und wütend auf sich selbst. Hilary konnte ihre Verlegenheit nicht verbergen und auf ihren Wangen schlich sich ein zarter Rotschimmer. Sie kamen die Stufen herunter. Doch bevor sie zum Ausgang weitergingen, stoppte Kai nochmal. „Es tut mir leid Stanislav. Wenn du unsere Zusammenarbeit beenden willst, werde ich dich nicht daran hindern.“ „Weißt du, Kai. Was zwischen dir und meiner Tochter passiert ist, beeinflusst unsere Zusammenarbeit nicht im Geringsten! Herzliche Glückwünsche von mir! Es war sicher die bessere Entscheidung.“, der ältere Herr erhob sich zuvorkommend von seinem Platz. Er lächelte dem Paar entgegen, dann klopfte er Kai herzlich auf die Schultern. Kai war ein selbstbewusster Mann. Irgendwann, rechnete Stanislav damit, würde die Beziehung auseinander brechen. „Danke Stanislav.“ Dann verließ das Paar, unter den gaffenden Blicken, die Kirche. Draußen stand schon die Hochzeitslimousine bereit. Verdutzt sah Hilary Kai hinterher. Er winkte sie mit seinem Kopf zu sich und hielt die Tür auf. Hilary kam zu ihm. „Was war das?“, der blau-haarige antwortete aber nicht, sondern schob sie in den Wagen, stieg auch ein und der Wagen setzte sich in Gang. Erleichtert ließ er sich in den Sitz fallen und lockerte die Krawatte. „Was für ein Theater...“, er öffnete die Knöpfe an den Ärmeln seines Hemdes. Unter den fragenden Blicken seinen Frau, hielt er inne. „Was haben wir hier gerade getan?!“, Hilary sah ihn, entsetzt über ihr Verhalten, groß an. Doch Kai antwortete ihr nur trocken. „Wir haben geheiratet.“, und massierte dann sein Gesicht, um es zu entspannen. Die brünette sackte zusammen. Warum hatte sie das getan? Was brachte sie dazu? Jetzt war sie mit dem Mann verheiratet, denn sie liebte, aber dem sie gleichzeitig nicht vertrauen konnte. „Hey...so ein schlechter Mann bin ich gar nicht.“, scherzte er trocken herum, da er sah, dass Hilary an ihrer Entscheidung zweifelte. Und ihre Augen zeigten ihm das auch. „Hey, das ist doch dass, was du immer wolltest! Hättest du es nicht gewollt, würden wir hier nicht sitzen. Und jetzt guck mich nicht so betrübt an.“ „Ich will dich aber nicht besitzen, nur weil wir ein Kind zusammen haben! Ich wollte eine Beziehung! ...und einen liebevollen Partner...“, bei ihren Worten, die anfangs kraftvoll waren, zitterte ihre Stimme am Ende beim Sprechen so sehr, dass sie glaubte, gleich in Tränen auszubrechen. Der Russe hörte ihren Worten ruhig zu und drehte sich zu seiner Frau. „Ich...kann liebevoll sein...“, er berührte ihre zitternde Hand, die sie sogleich zurück zog. „...du musst mich nur lassen...“, damit rutschte er tief ausatmend auf seinen Platz zurück. Hilary war ganz anders als Kate. Sie war überhaupt anders, als all seine vorherigen Freundinnen. Die wollten ihn alle nur wegen seines Aussehens und seiner Ausstrahlung. Sie wollten seinen Körper, Sex, eben eine oberflächliche Beziehung. Aber Hilary? Sie war zerbrechlich, wie eine Blume, gefühlvoll, sie wollte einen liebevollen Partner. Zärtlich, zuvorkommend, aufmerksam, jemanden mit Charakter. Und den besaß Kai durchaus. Er hatte auch diese zärtliche Seite, doch wurde die in den letzten Jahren ziemlich selten gebraucht. Dafür musste er jetzt einiges aufholen und dazulernen. So ging jeder seinen eigenen Gedanken nach, bis der Wagen schließlich anhielt. Verwundert schaute Hilary aus dem Fenster. „Wir sind bei Mila.“, löste Kai ihre stumme Frage auf. Schnell stieg er aus, um Hilary heraus zu helfen. „Danke...“, gerade als sie losgehen wollte, räusperte sich Kai. Hilary sah zu ihm. „Darf ich bitten?“, ganz Gentleman-like, bot er seinen Arm zum Einhaken an. Er hatte einen kecken Blick im Gesicht und ein kleines Lächeln auf den Lippen. Seine Frau überlegte kurz und senkte ihren Kopf. 'Du musst mich nur lassen...', kam ihr in den Sinn. Sie biss sich auf die Unterlippe und hakte dann schmunzelnd ihren Arm ein. Dieser Kerl schaffte es doch immer wieder, sie aus der Reserve zu locken. Genau das, mochte sie an ihm. Seine Art, wie er mit ihr umging. Nicht diese banalen Floskeln. Als sie im Haus ankamen, war alles gespenstisch still. Alle schienen ausgeflogen. War das Absicht? Auch Emilia war nirgends zu hören. „Komm. Wir packen unsere Sachen.“ „Warum?“ „Weil ich keine Lust auf das Theater habe, wenn Kate hier aufkreuzt. Also los.“ „Fliegen wir zurück nach Japan?“, lief sie fragend hinter ihm her. „Nein.“ Erstaunt blieb Hilary auf der Treppe stehen. „Wohin dann?!“ „Es gibt etwas abgelegen von der Stadt eine unberührte Ebene. Dort hat mein Vater vor Jahren eine Landhütte bauen lassen, um zu 'entspannen'. Da fahren wir hin. Also pack warme Klamotten ein.“, damit öffnete er die Zimmertür zu dem gemeinsamen Zimmer, dass er mit Kate hatte. Langsam schritt Hilary hinterher. Sie verdaute noch den nächsten Schock. Vor der offenen Tür blieb sie stehen. Kai schnappte seinen Koffer und packte seine ganzen Klamotten ein. So viel hatte er ja nicht dabei, also brauchte er nicht viel Zeit. Bevor er den Koffer schloss, schweifte sein Blick durch den Raum. Ihm schossen all die Bilder von ihm und Kate in den Kopf. Die gemeinsame Zeit mit ihr. Ruhig atmete er tief aus und schloss die Augen. Er musste jetzt abschließen. Die Zeit mit Kate war nun vorbei. Kai öffnete seine Augen und ließ das Schloss am Koffer einrasten. Mit dem Gepäckstück in der Hand, kam er aus dem Zimmer. Hilary wich einen Schritt zurück. „Und jetzt packst du deine Sachen.“, sprach er im Befehlston, den er sonst nur beim damaligen Training, an den Tag legte. Wortlos ging die brünette den Flur entlang zu ihrem Zimmer. Kai folgte ihr. Durch einen kleinen geöffneten Spalt huschte sie ins Zimmer und wollte die Tür darauf schließen, doch der blau-haarige schob die Tür weiter auf, um ebenfalls einzutreten. Dann erst schloss er die Tür und lehnte dagegen. „Soll ich dir helfen?“ „Nein! So viel ist das nicht!“, sie zog ihren Koffer hervor und packte eilig ihre Sachen zusammen. Warum sie sich beeilte wusste sie aber nicht. Ihr Mann sah ihr schweigend dabei zu. „Haben wir das wirklich getan?“, fragte sie sich murmelnd selbst. Kai sah zu ihr herüber und ging zum Fenster. „Ja.“ „Wir sind nicht mal zusammen...“ „Und trotzdem verheiratet.“, beendete er ihren Satz und griff nach dem kleinen grünen Wörterbuch, dass auf der Fensterbank lag. Hilary kam auf ihn zu gelaufen. Vor ihm blieb sie stehen und nahm ihm das Buch aus der Hand. „Warum?“, fragte sie kopfschüttelnd. „Weil ich einfach nicht von dir lassen kann. Du hast irgendwas in mir verändert.“, seine Worte klangen voller Sehnsucht und seine Hand wanderte zu ihrem Kopf. Der Russe wollte sie berühren, aber Hilary senkte ihren Blick darauf zu Boden und er griff stattdessen nach einer ihrer Haarsträhnen. Schnell wand Hilary sich heraus und räumte den Schrank leer. Anscheinend wollte, oder konnte sie ihn nicht an sich heranlassen. „So. fertig.“, sie drückte den großen Koffer zu. „Dann können wir jetzt los.“ „Nein. Wo ist Emilia?“ Er zuckte mit den Schultern. Dimitri sollte eigentlich auf sie aufpassen. Mit einem kraftvollen Ruck versuchte sie den Koffer vom Bett zu hieven, der schwer zu Boden ging. „Ich mach das.“, beherzt griff er den Koffer. „Danke...“ „Kein Problem.“, sagte er ruhig zu ihr. Hilary hörte derweil unten die Haustür ins Schloss fallen und eilte gleich auf den Flur. Bei Kai schrillten die Alarmglocken. Konnte das etwa schon Kate sein? Er lief schnellen Schrittes hinter der brünetten her, die dicht am Treppenende stand. Der blau-haarige deutete an, dass Hilary still sein sollte. Dann ging er die Treppe herunter. Nach wenigen Stufen entspannte sich seine Körperhaltung wieder, denn es war nur seine Tante. Unten angekommen, schlug sie ihm gegen den Oberarm. „Du hast mir gar nichts davon erzählt!“, rief sie auf Russisch und sah ihren Neffen vorwurfsvoll an. Er hatte ihr den interessantesten Teil seines Plan komplett verschwiegen. „Das war eine Kurzschlussreaktion.“, rechtfertigte er sich. „Seit wann hattest du diesen Gedanken?“, zwecklos. Mila konnte er nicht hinters Licht führen. Er seufzte kurz auf. „Seit DEM Abend.“ Und mit diesem Abend meinte er ihren gemeinsamen Kuss, vor dem Anwesen. An jenem Abend legte sich ein Schalter bei ihm um. Er dachte größtenteils nur noch an die brünette. Mila konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. „Ich wusste es doch von Anfang an...“ „Hör auf so dämlich zu grinsen!“ „Ich wünsche dir alles Gute, mein Junge. Sie hat dich mehr verdient als Kate. Und jetzt zeig ihr auch, dass du sie liebst!“ „Das brauchst du mir nicht zu sagen!“, gereizt darüber, dass seine Tante schon wieder alles wusste, giftete er sie an. Mila nahm es aber gelassen. Beim Thema 'Liebe', war keiner der Hiwatari-Männer ein Ass. Nun kam auch Hilary die edle Holztreppe herunter und hatte den schweren Koffer in der Hand. Mila sah sie überrascht an. „Reist ihr ab?“, sprach sie nun auf Japanisch. „Wir nehmen Abstand von den aktuellen Geschehnissen.“, antwortete der blau-haarige schnell und nahm seiner Frau das Gepäckstück aus der Hand. Erleichtert rieb sie sich die Gelenke. Mit Kind war es unmöglich mit nur einem Koffer zu verreisen. „Mila, wo ist Emilia? Ich hab sie nirgends gesehen!“ „Als ich das Haus verlassen habe, ist Dimitri gerade mit ihr Spazieren gegangen.“ „Ich mache mir Sorgen...“ „Das brauchst du nicht. Sicher wird er jeden Moment zurückkommen. Wo wollt ihr denn überhaupt hinfahren?“ „An einen ruhigen Ort.“ „Du bist unverbesserlich, mein Junge!“, lachte seine Tante nun los, während Kai die Treppen hoch lief, um auch sein Gepäck zu holen. Hilary wartete derweil bei Mila. Verlegen schaute sie zu Boden. „Da hast du dir aber einen unverbesserlichen Sturkopf angelacht.“, die junge Frau sah erstaunt auf. „Erwarte nicht zu viel von ihm. Gefühle zu zeigen, muss er erst noch lernen.“, grinste die Dame sie an. „Was erzählst du ihr schon wieder über mich?“, schnauzte Kai von der Treppe herunter. Hilary erschrak fürchterlich und Mila winkte unschuldig mit ihren Händen. „Nur die Wahrheit~“, trällerte sie und ging in die Wohnstube. Laut schnaubend stellte Kai den Koffer ab. „Glaub ihr ja nicht alles, was sie erzählt...“, sagte er leise, ohne zu wissen, was sie eigentlich über ihn erzählt hatte. Vorsicht war eben besser, als Nachsicht. Kapitel 42: Urlaub im Schnee ---------------------------- Kapitel 42 Einen Moment später öffnete Mila die Wohnzimmertür. „Schaut mal, wen ich gefunden habe!“, lächelte sie dem jungen Paar entgegen, denn aus dem Garten kam Dimitri mit Emilia auf dem Arm. Hilary hatte ebenfalls sofort ein überglückliches Lächeln im Gesicht, als sie ihr Kind wieder in die Arme schließen konnte. Auch auf Kai's Lippen konnte man ein zufriedenes Schmunzeln erahnen. „Dann können wir jetzt endlich los.“ Hilary nickte. Jetzt hatte sie alles beisammen. Dimitri begann aufmerksam, wie er war, die Koffer nach draußen zu tragen und entschuldigte sich. Nun war der Moment des Abschieds gekommen. Mila müsste nun die kleine Emilia wieder gehen lassen. Sie hatte sie so liebgewonnen, doch ändern konnte sie es nicht. Herzlich umarmte sie die kleine Maus und danach ihre Mutter. „Danke für alles, Mila.“, bedankte sich die brünette bei der Dame. Sie nickte mit geschlossenen Augen und einem zufriedenen Gesicht. „Kai?“ „Oh bitte, Mila. Erspar mir das.“ „Nichts da! Verabschiede dich gefälligst ordentlich von deiner Tante!“, widerwillig kam er zurück in den Flur. Mila drückte ihn fest gegen ihren Oberkörper und lachte auf. Wie er das hasste. Danach löste sie ihre Umarmung. Beide sahen sich ernst in die Augen, bis Mila seinen Kopf senkte und ihm einen Kuss auf die Stirn gab. „Viel Glück...und vermassel es nicht. Und jetzt geht endlich! Los! Los!“, sie scheuchte die jungen Leute aus ihrem Haus heraus und schlug die Tür vor deren Nasen zu. Der blau-haarige ging die Treppe zum Auto runter. „Das macht sie nur, weil sie sonst kein Ende gefunden hätte.“, erklärte er seiner Frau, die darauf nickte und ebenfalls herunter ging. Ihr Gepäck war nun schon im Wagen verstaut und so konnten sie losfahren. Kai leitete den Fahrer, der teuren Limousine, zu der abgelegen Landhütte. Nach knapp drei Stunden Fahrt kamen sie an. Eine einfache Holzhütte, erbaut aus dicken Baumstämmen der sibirischen Taiga. Sie wurden nicht zurechtgeschnitten, es wurde lediglich die Rinde entfernt und danach glatt geschliffen. Das Dach konnten sie unter den Schneemassen nicht erkennen. Darauf lagen sicherlich 15 bis 20 Zentimeter Schnee. Und auch die Straße vor der Hütte, war weder geräumt, noch wurde gestreut. Zu allem Übel fing es auch noch an zu schneien. Zügig räumten sie die Sachen aus dem Wagen in die Hütte. Innen erstrahlte das Holzhäuschen in seinem eigenen Charme. Ein großer Wohnbereich mit angrenzender Küche, ebenfalls alles aus feinstem Holz. Auf der Couch zwei weiche Felldecken, die für die kälteren Wintertage gedacht waren. Und in der hinteren Ecke eine Treppe, die ins obere Geschoss führte. Der Fahrer verabschiedete sich von den beiden, und ließ sie allein zurück. Während Kai die Tür abschloss, stand Hilary mitten im Wohnbereich und schaute suchend durch den Raum. „Wo ist denn die Heizung? Es ist ziemlich kühl...“ „Gibt's hier nicht. Lediglich den Kamin hier unten und einen Ofen oben. Ich geh dann mal Holz holen.“, er zog sein Jackett aus, nahm den dicken Pullover, der an der Tür hing und ging nochmal in die Kälte. Etwa drei Stunden weiter entfernt von der Landhütte, trudelte gerade die verlassene Braut am Anwesen ein. Das Brautkleid trug sie noch immer. Doch war es jetzt am Saum schmutzig geworden und ihre Frisur saß auch nicht mehr perfekt. Mit verheultem Gesicht und verquollenen Augen klingelte sie stürmisch an der Tür. Ein Bediensteter öffnete, worauf Kate die Tür aufschlug und hereinstürmte. „WO IST ER?!“ Mila die von dem Lärm aufgeschreckt wurde, eilte nun in den Flur, um nachzusehen was dort los war. Als die junge Frau Ludmila erblickte brüllte sie nochmals lautstark durch das Haus. „VERDAMMT NOCHMAL! WO IST ER?!“ „Kate! Beruhige dich! Er ist nicht mehr hier.“ „DAS KANN ER NICHT MACHEN!! Er MUSS noch hier sein! KAI!!“, die schwangere ließ sich nicht beruhigen. Schnell lief sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Nur um dann zu Boden zu sinken, denn seine Sachen waren verschwunden. Er war wirklich nicht mehr da. Mila folgte ihr schnell nach oben und nahm sie sofort in den Arm. Wieder rollten die ersten Tränen über ihre Wangen. Ein weiteres Mal verlief ihre Schminke. „Warum macht er das?!“, schrie sie Mila verzweifelt an. Doch die ältere Dame schwieg. Sie strich ihr nur über das dunkle Haar. Komplett fertig lehnte Kate ihren Kopf an Mila und weinte unaufhörlich. „Es war seine freie Entscheidung...“ „Nein! SIE hat ihn dazu getrieben!“, schluchzte sie. Mila sah sie mitleidig an. „Das ist nicht wahr, Kind. Du hast ihn eingeengt, da ist es nicht überraschend, wenn er irgendwann ausbricht.“, stumm saß sie weiter bei ihr, bis Kate's Tränen versiegten. „Ruh dich aus, Kind.“, Mila brachte sie ins Bett. Vorsichtig befreite sie die junge Frau aus ihrem Kleid, dann legte sie sich erschöpft ins Bett. Es dauerte nicht einmal fünf Minuten, bis sie unruhig einschlief. Leise schloss Mila die Tür. „...er...gehört...mir....“, murmelte Kate im Schlaf vor sich hin. Weiter außerhalb der Stadt, schaute sich Hilary mit Emilia auf dem Arm in der Hütte um. Die Küche sah wie neu aus. Keine Gebrauchsspuren waren darauf zu sehen. Sie öffnete neugierig die Kühlschranktür, doch außer ein paar angefangenen Flaschen Alkohol, fand sie nichts. Ihr fiel die schmale Tür unter der Treppe auf. Vielleicht verbarg sich dort eine Vorratskammer. Und siehe da, im Inneren fand sie Konservendosen und andere lang haltbare Lebensmittel. „Da können wir dir doch etwas zu essen machen, Emilia!“, grinste sie ihre Tochter an, die ihr Lächeln erwiderte und neugierig umherschaute. Für die kleine war es wieder eine neue unbekannte Umgebung. Hilary hatte jetzt schon ein schlechtes Gewissen, da sie immer wieder an einem anderen Ort waren. Aber Emilia schien das nicht zu stören, ganz im Gegenteil. Sie versuchte nach einem der hängenden Töpfe zu angeln, doch dabei sah sie aus, wie eine kleine Robbe. Mit ihrem dicken Schneeanzug konnte sie sich gar nicht richtig bewegen und sie fing an zu schimpfen. „Emiliaaa...es ist noch viel zu kalt hier drinnen. Ich kann dich da noch nicht rausholen...“, kurzerhand öffnete sie den Reißverschluss ein Stück und Emilia war wieder etwas zufriedener. Die brünette studierte derweil, wie sie den Herd an bekommen sollte. Es war ein Gasherd. Und an einem Gasherd hatte sie in ihrem ganzen Leben vielleicht drei Mal gekocht. „Ich glaub, wir haben ein Problem...“, missmutig ließ sie den Kopf hängen, auf dem Emilia freudestrahlend herumschlug. „Was für ein Problem denn?“, Kai kam zurück in die Hütte mit einem großen Haufen Holzscheite in den Armen. Unordentlich ließ er die Scheite in den Bastkorb fallen, klopfte seinen Pullover ab und ging zu Hilary hinüber. „Naja...ich wollte essen kochen...“ „...aber du kriegst das Ding nicht an, richtig?“, er griff gezielt in seine Hosentasche, dreht das Gas auf und zündete die Platte an. Einen Moment hielt er den Knopf gedrückt und ließ dann langsam los. Gelassen sah er die brünette an. Hilary war überrascht, dass er das konnte. Sie sagte nichts zu ihm, als er zum Kamin ging. Schnell stellte sie sich vor den Herd und versuchte ihr Glück mit einer anderen Platte. Mit der linken Hand, auf der sie Emilia trug, drückte sie den Knopf rein und zündete die hintere Herdplatte an. Sie wartete und ließ dann den Knopf los. „Verdammt!!“ Und die Herdplatte war wieder aus. Hilary spürte den amüsierten Blick von Kai in ihrem Rücken und drehte sich urplötzlich um. Doch der blau-haarige stapelte das Holz im Kamin, ohne auch nur einen Blick in ihre Richtung zu werfen. Herausfordernd drehte sie sich erneut zum Herd. Das würde sich die junge Frau nicht gefallen lassen. Erneut versuchte sie ihr Glück. Und wieder klappte es nicht. Beim dritten Anlauf gesellte sich ihr Mann dazu und gerade, als Hilary den Knopf loslassen wollte, drückte er ihre Hand weiter auf den Knopf. Überrascht fuhr sie zu ihm herum. Ganz langsam nahm er seine und ihre Hand vom Knopf und das Feuer brannte weiter. „Mit Gefühl.“, flüsterte Kai ihr ins Gesicht, worauf Hilary die Hand zur Seite nahm. „Ich brauch das Feuerzeug.“ „Äh...was? Ja! Hier!“, sichtlich verwirrt übergab sie das Feuerzeug, aber sah ihn nicht mehr an. Warum verhielt sie sich auf einmal wie ein Teenager, wenn Kai sie berührte? Vorher war sie doch nicht so nervös. Aber warum sollte es jetzt anders sein, wenn sie verheiratet waren? Er verhielt sich so komisch, dass sie gar nicht anders konnte. Doch eigentlich verhielt sich Kai wie immer. Gekonnt entzündete er das Feuer, welches nun im Kamin vor sich her knisterte. Er zog den Pullover über seinen Kopf und warf ihn Richtung Eingangstür. Dann ließ er sich auf der Couch nieder. Endlich brauchte sich der junge Mann nicht mehr zu verstellen, weder in seiner Beziehung noch vor anderen. Er hatte die brünette geheiratet, langsam realisierte es das auch und sein Kopf blickte in ihre Richtung. Sie stand am Herd und versuchte mit ihrer freien Hand das Gemüse zu schneiden, was ihr recht gut gelang. Jetzt hatte er seine eigene, kleine Familie. Nach seiner kleinen Verschnaufpause, schleppte er die ganzen Koffer und Gepäckstücke nach oben ins Schlafzimmer. Es war genau unter dem Dach. Das Bad grenzte direkt an den heimeligen Raum. Zuerst öffnete er das Fenster, denn die Luft war ziemlich muffig. Dann bezog er das Bett frisch und stellte die Koffer an den Schrank. Auspacken konnten sie später auch noch. Also ging er wieder nach unten. Dort roch es schon auffällig gut. Das Essen kochte auf dem Herd vor sich hin, während Hilary Emilia aus ihrem dicken Schneeanzug blätterte. Breit grinsend rollte sie sich auf den Bauch und erforschte die neue Umgebung. Als sie ihren Vater erkannte, robbte sie in seine Richtung. Hilary grinste vor sich hin. „Emilia mag dich wohl.“ „Sie muss mich mögen. Ich bin ihr Vater.“, sagte er gelassen und Hilary warf ihm darauf einen skeptischen Blick zu. „Dann musst du wohl jetzt mit ihr spielen. Denn als Vater hast du auch Verpflichtungen.“, die brünette drückte sich an ihren Beinen nach oben und hielt ihm dann grinsend die kleine Tasche mit den Spielsachen seiner Tochter hin. Aus Kai's Gesicht konnte man jetzt einen ganzen Roman lesen, so entsetzt schaute er seine Frau an. Die drehte sich um und eilte an den Herd, da das Essen überkochte. „Viel Spaß!“ Der blau-haarige blickte von Emilia zu Hilary und zurück. Emilia hatte sich schon bis zu seinen Füßen vorgerobbt und spielte gelassen an seinem großen Zeh herum. Eine seiner Augenbrauen zog er ein Stück nach oben und trat einen Schritt zurück, nur um sich dann aus dem Stand in den Schneidersitz fallen zu lassen. Jetzt saß er vor seiner Tochter auf dem weichen Fell. Ihre großen blauen Augen sahen ihn prüfend an. Er tat es ihr gleich. Wie sollte er denn jetzt Kontakt mit ihr aufnehmen? Sie verstand vermutlich kein einziges Wort von dem, was er ihr erzählen würde. Zwischenzeitlich rutschte Emilia das Stück wieder an Kai heran, dass er zurückgegangen war. Freudig klopfte sie nun auf seine Unterschenkel. „Du kannst sie auch hochnehmen!“, rief Hilary ihrem Mann zu. Kurz knurrte er herum und schielte heimlich in Hilary's Richtung. Sie war wieder voll auf das Zubereiten des Essens konzentriert. Angespannt schaute er seine Tochter an. Zögernd legte er seine Hände an ihre Seiten und hob sie ganz vorsichtig hoch, als würde sie unter größerem Druck zerbrechen. Emilia war leichter, als er erwartete. Langsam bewegte er sie auf Kopfhöhe näher an sich heran. Seine Tochter starrte ihm direkt in die Augen. Wieder tat Kai es ihr gleich. Eins konnte er definitiv nicht abstreiten, dass Emilia seine Tochter war. Beide hatten den gleichen, durchdringenden Blick drauf. Ihr Blickaustausch artete in einem kleinen Duell aus, bis Emilia ihm unvorhersehbar ins Haar griff und eine Strähne lang zog. Als wäre es nicht schlimm genug von seinem eigenen Kind geschlagen zu werden, drehte sich Hilary auch noch zu ihm um und verzog das Gesicht. Sie fing an zu lachen und kam zu den beiden herüber. „Tja, die Waffen eines Kindes sind unberechenbar.“, lachte sie kurz auf, um ihm danach Emilia abzunehmen, die stur an seiner Strähne festhielt. „Emilia! Lass los!“ „Verdammt! Hör auf zu ziehen! Du siehst doch, dass sie nicht loslässt!“, brüllte Kai unter Schmerzen etwas lauter zurück. Vor Schreck, dass ihr Vater so laut sprach, ließ sie sofort sein Haar los. Und fing dann bitterlich an zu weinen. Hemmungslos rollten dicke Tränen über ihre kleinen Wangen. „Toll gemacht...“, sagte Hilary vorwurfsvoll und tröstet Emilia. Kai verdrehte nur die Augen. War das schon der erste Ehekrach? „Sorry.“, er konnte doch nicht ahnen, dass sie sofort losheulen würde. Außerdem, brüllte er, seiner Meinung nach, gar nicht so laut. Emilia beruhigte sich einigermaßen schnell von diesem Schreck und lächelte weinerlich ihr Spielzeug an. „Lass uns essen. Emilia ist schon müde.“ „Hm...“ Der Tisch war bereits gedeckt, da Hilary alle Schränke nach Geschirr durchgesehen hatte und so konnten sie endlich essen. Die erste richtige Mahlzeit an diesem Tag. Der Tag war so anstrengend für alle Beteiligten, da dachte niemand ans Essen. Umso besser schmeckte es jetzt. Nach dem Essen baute Kai das Reisebett auf und Emilia konnte schlafen gehen. Schnell dämmerte sie im Nebenzimmer ein. Kapitel 43: Hochzeitsnacht -------------------------- Kapitel 43 Im Wohnzimmer räumte Kai den Esstisch ab und bewies so, dass auch Männer sich an der Hausarbeit beteiligen konnten. Überrascht sah Hilary den leeren Tisch. Sie schlich ein Stück weiter und schaute um die Ecke. Dort stand ihr Mann und machte den Abwasch. Hilfsbereit gesellte sie sich zu ihm und schnappte sich das Geschirrhandtuch. „Wie kommt es, dass du abwäschst?“ „Ist ja niemand hier, der es machen könnte.“, damit zog er Hilary Blick auf sich. War das sein ernst? Als er aus dem Augenwinkel bemerkte, dass die braunhaarige ihre Tätigkeit unterbrach, sah er sie jetzt auch an. „Hab ich was falsches gesagt?“ „Nein. Es hat sich nur komisch angehört.“, damit nahm sie den nächsten Teller und trocknete ihn ab. Einen Moment lang verweilte sein Blick auf ihrem Körper, dann spülte er weiter ab. Und sie schwiegen sich an. Als das ganze Geschirr abgewaschen war, lehnte er mit dem Rücken gegen das Spülbecken und schaute Hilary weiter zu. „Warum wolltest du meinen Namen eigentlich nicht annehmen?“, fragte er nachdenklich in den Raum hinein und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Frau hielt erneut mit dem Abtrocknen ein, senkte den Kopf und ließ die Schultern hängen. „Kai...es ist alles so...zu überraschend gewesen...ich konnte doch nicht von jetzt auf gleich deinen Namen annehmen...außerdem...was hätte Kate dann gedacht...“ „Was sie denkt, kann uns doch egal sein! Sie ging doch die ganze Zeit davon aus, dass wir was miteinander hatten.“ „Hatten wir ja auch...“ „Da gehören immer zwei zu.“, er sah überzeugt von der Seite an. „Du hast es aber immer wieder versucht! Ich war die ganze Zeit auch ohne Liebe und Zärtlichkeit glücklich und dann...kommst du einfach wieder in mein Leben...und...stellst alles auf den Kopf...“ Kai seufzte. War das, was er getan hatte, so falsch? Er konnte und wollte nicht mehr gegen seine Gefühle, für sie, kämpfen. Lange genug hatte er es jetzt versucht. Behutsam legte er seine Hand auf ihre, die noch den Teller in der Hand hielt. „Das Geschirr kann auch bis morgen liegenbleiben.“ Sie stellte den Teller langsam ab, und Kai's Hand ließ ihre nicht los. Schweigend drehte sie ihren braunen Haarschopf zu ihm. Seine rubinroten Augen schauten sie zufrieden und ganz ruhig an. „Lass uns schlafen gehen. Ich bin todmüde.“, aufs Wort genau, fing er an zu Gähnen, als hätte er es drauf angelegt. Seine Hand hielt er vor den Mund und streckte sich dann ausgiebig. Hilary sah ihm irritiert hinterher. Eben noch lag seine Hand auf ihrer und im nächsten Augenblick verhielt er sich wieder komplett anders. Was sollte sie nur davon halten? Tief horchte sie in sich hinein und musste sich dann ebenfalls ihrer Müdigkeit ergeben. Ein unterdrücktes Gähnen verließ ihren Mund. Kai grinste sie wissend an, worauf seine Frau ihm das Geschirrhandtuch entgegen warf. „Na gut...“, leise schlichen sie die Treppe hoch. Als Kai dann das Licht anschaltete, war Hilary überwältigt von dem Zimmer. Die Baumstämme die draußen verbaut wurden, waren so dick, dass sie von innen auch als Wand dienten. An der linken Wand stand ein großes Bett. Es lagen mehrere Decken und Felle übereinander. Scheinbar würde es sehr kalt werden in den Nächten. Auf der rechten Seite führte eine andere Tür zum Badezimmer. Die war aber geschlossen. Gegenüber Hilary stand in der Ecke der kleine schwarze Ofen. Der würde im Notfall noch für zusätzliche Wärme sorgen. Doch nachdem sie sich im Raum umgeschaut hatte, durchfuhr ihren Körper die eisige Kälte die von draußen hereinwehte. Der blau-haarige hatte vergessen das Fenster wieder zu schließen. „Brrrrr, das ist kalt!!“, schüttelnd rieb sie ihre Hände an den Oberarmen. Kai sah dem gelassen entgegen. Die Kälte störte ihn nicht so sehr. „Wenigstens ist der Raum jetzt gut gelüftet.“, sagte er trocken und schloss das Fenster. Dann verschwand er kurz im Bad. Den Augenblick nutzte die junge Frau, um sich schnell des Kleides zu entledigen und ein ärmelloses Top und Hotpants über zu ziehen. Blitzschnell krabbelte sie unter die Decke. Um der Kälte zu entkommen, deckte sich bis zur Nasenspitze zu. Und auch Kai kam aus dem Bad zurück ins Schlafzimmer. Die Krawatte hatte er schon im Bad abgenommen, die jetzt auf den Koffern landete. Er öffnete die Knopfleiste am Hemd und ließ es ebenso auf die Koffer fallen. Hilary sog die Luft scharf ein. Er wollte sich doch nicht etwa nackt machen? Sie hatte sich wenigstens etwas drüber gezogen und legte sich nicht nur in Unterwäsche ins Bett. Mit großen Augen schielte sie ihn weiter an. Er zog gerade die Hose herunter. Die brünette kniff die Augen zusammen. Das konnte doch nicht wirklich sein ernst sein? Kai setzte sich auf die Bettkante, um sich ganz der Hose zu entledigen. Dann bemerkte er Hilary. „Das ist meine Seite.“, stellte er fest. „Rutsch rüber.“, hing er noch hinten dran. „Steht das irgendwo geschrieben? Jetzt liege ich hier.“, bemerkte sie frech und drehte sich zum Fenster herum. Der blau-haarige sah herausfordernd auf die dicke Decke. „Gut. Dann musst du eben damit leben.“, ganz selbstverständlich hob er die Decke und legte sich hinter sie. Sein Körper drückte er gegen ihren und Hilary machte einen eindrucksvollen Satz zur hinteren Bettseite. „Was soll das?!“, rief sie über die Schulter in seine Richtung. Ihr Mann hob nur die Schultern. „Du hast es nicht anders gewollt.“, er schaltete das Licht aus und drehte sich dann auf den Rücken. Jetzt hatte er den Platz, den er wollte. Das war eine kleine Macke von ihm. Wenn er mit einer Frau in einem Bett schlief, musste er auf der vorderen Seite des Bettes liegen, damit er im Notfall schnell reagieren konnte. Das war eine Art Beschützerinstinkt von ihm. Hilary lag nun am anderen Ende des Bettes. Unter einer Decke mit Kai. Der Gedanke ließ ihr die Röte ins Gesicht steigen. Gut, dass die Decke breit genug war, um sich nicht auch noch darum streiten zu müssen. Die dicke Federdecke hatte sie erneut bis zur Nasenspitze gezogen. Die Beine dicht an den Körper gezogen und gekrümmt, so lag sie nun da. Ein plötzliches Schütteln konnte sie nicht unterdrücken. „Ist dir etwa immer noch kalt?“ Hilary schüttelte stumm mit dem Kopf. Darauf raschelte es auf der anderen Seite und eine warme Hand legte sich um ihren Körper. Die zog sie zärtlich nach hinten. Steif wie ein Stock bewegte sie sich keinen Millimeter. Sein trainierter Körper schmiegte sich nun an ihren ausgekühlten. Sein Arm ruhte angewinkelt unter seinem Kopf, während die rechte Hand weiter wärmend auf ihrer Taille ruhte. Er roch ihren Duft. Es lag noch eine zarte Note ihres Parfüms auf ihr. „Besser?“, hauchte er gegen ihren Nacken und verpasste ihr so eine Gänsehaut, die er nicht sehen konnte. Schnell nickte sie wieder. Zufrieden grinste der blau-haarige. Hilary war immer noch sehr angespannt. Es war das erste Mal nach zwei Jahren, dass sie wieder zusammen in einem Bett lagen. So dicht aneinander, so gefühlvoll. Auf einmal spürte sie einen leichten Druck im Nacken. Er legte seine Lippen zart darauf und atmete durch die Nase weiter. Sein Atem fühlte sich auf ihrer Haut heiß an, aber er ging ruhig. Nach einer kurzen Pause küsste er sie nochmals. Nur jetzt mit etwas Nachdruck. Seine Hand verstärkte den Griff an ihrer Hüfte und drückte sie nun sanft nach unten. Sie gab dem Druck nach und ließ sich halb auf den Rücken drehen. Sein Mund wanderte weiter nach vorn, in ihre Halsbeuge, wo er stoppte und seine Frau anschaute. Er hoffte inständig, dass Hilary ihn nicht wieder abblockte. In dem dunklen Raum erkannte er nur schemenhaft ihre Umrisse, aber er wusste, dass sie ihn ebenfalls ansah. Auf dem Unterarm stützend, beugte er sich fast in Zeitlupe zu ihr herunter. Im Kopf der braunhaarigen, verlief der Moment wie im Film. Sie konnte es nicht einordnen. Aber sie wusste, was passieren würde. Ihr Herz begann zu rasen und sie musste schwer schlucken. Er kam ihrem Gesicht so nah, dass beide den Atem des anderen spüren konnte und zögerlich küsste er ihren Mund. Ihm schlug sein Herz hart gegen die Brust. Selbst erstaunt von seinem Gefühl, ließ er sich darauf ein. Und Hilary schloss die Augen. Auch sie gab der ewigen Last, der unerwiderten Liebe nach. Aus ihrem anfangs vorsichtigen Kuss, machte der Halbrusse nach kurzer Zeit einen leidenschaftlichen. Dabei drehte er sie weiter zu sich und nahm seine Hand von ihrer Taille. Nur um sie dann durch ihr Haar gleiten zu lassen. Langsam legte Hilary ihre Finger auf seine Brust. Ganz zärtlich drückte sie dagegen, als täte sie etwas verbotenes. Als seine Hand nach unten glitt, griff sie nach ihr und unterbrach den Kuss. Der Atem der beiden raste. Kai ließ sich zurück auf seine Seite fallen. Hinter dem Kopf verschränkte er die Arme und sah in die Dunkelheit. „Tut mir leid...“, flüsterte Hilary leise. „Schon gut.“ So schnell konnte der Moment kippen. Mit einer Geste, mit einer Reaktion. Doch so leicht wollte sie sich nicht wieder auf ihn einlassen. Er sollte nun auch etwas dafür tun, dass Hilary sich ihm wieder öffnen konnte. Und das war für die brünette nicht einfach so mit Sex getan. Auf der Seite, zu ihm gewandt, erkannte sie, dass seine Augen nicht geschlossen waren. „Woran denkst du gerade?“ Einen Moment lang, herrschte Stille, bis er antwortete. „Das ist also unsere Hochzeitsnacht...“, sprach er etwas enttäuscht in die Dunkelheit. Hilary konnte seine Reaktion nicht nachvollziehen. „Mit Kate hättest du sicher mehr Spaß gehabt...“ Entsetzt blickte er zu ihr ins Nichts. „Kannst du bitte endlich aufhören, von ihr zu sprechen?! Diese Frau ist Geschichte.“ „Ich mein ja nur...“ „Ich auch...“, warum dachte die brünette noch an Kate? Sie war jetzt mit dem blau-haarigen verheiratet und nicht die Russin. Er lag neben ihr und nicht neben Kate. Und er küsste sie leidenschaftlich und nicht Kate. Raschelnd drehte sich der Russe zu ihr herum. „Schlaf jetzt endlich.“, er zog die Decke höher, legte seine Hand erneut auf ihre Hüfte und schloss die Augen. Nach einigen Atemzügen wurde, sein Atem tiefer und gleichmäßiger. Schlief er so schnell ein? Hilary studierte seine schummrigen Konturen und sah verträumt in sein Gesicht. Es war ein unendlich schönes Gefühl, ihn wieder neben sich zu haben. Und er roch wieder nach seinem Parfüm von damals. Langsam rutschte sie näher zu ihm heran. Sie lehnte ihre Hand wieder leicht gegen seinen Oberkörper. Hilary hatte noch immer kalte Hände vor Aufregung. Bestimmend packte die männliche Hand ihre Seite und ließ sie nun nicht mehr von sich. Flüchtig drückte er ihr noch einen Kuss gegen die Stirn, um danach endgültig einzuschlafen. Später schlief auch seine Frau mit einem Lächeln auf den Lippen ein. Am anderen Morgen lagen beide etwas anders, als noch am Vorabend, im Bett. Hilary auf dem Rücken liegend, die Arme nach oben gestreckt und Kai neben ihr auf dem Bauch schlafend mit einer Hand auf ihrem Oberkörper. Er gab in der Nacht keinen Zentimeter ihrer Haut frei. Auch, wenn sie sich gedreht hatte, folgte seine Hand. Langsam meldete sich sein innerer Wecker. Sobald die ersten Sonnenstrahlen sein Gesicht berührten, fand sein Geist, dass es Zeit wurde, aufzustehen. Verschlafen blinzelte er mit den Augen. Er brauchte einen Moment, um festzustellen, dass er mit seiner Freundin im gemeinsamen Bett lag. Nun dämmerte ihm auch wieder die Erinnerung entgegen. Sie hatten geheiratet. Durch ein kurzes Zucken in den Fingern, lokalisierte er rasch seine Hände. Die unter seinem Kopf war schnell gefunden, die andere, am Bauch der jungen Frau, ließ er vorsichtig nach oben gleiten. Über ihr Top fuhr er leicht nach oben, um seiner Frau zart durch die Haare zu fahren. Daraufhin bewegte sie sich schwer, aber schlief weiter. Einen gesunden Schlaf hatte sie ja, dachte er sich. Kapitel 44: Das etwas andere Kennenlernen ----------------------------------------- Kapitel 44 Der Halbrusse beschloss noch liegen zu bleiben und döste noch ein wenig, bis Hilary ihre Augen schwermütig aufschlug. Sie streckte ihre Arme von sich und bemerkte gleich darauf die schwere Hand auf ihrem Körper. Sichtlich verwirrt schob sie diese bei Seite, ehe sie einen Gegendruck verspürte. Schockiert darüber, schaute sie herum und in die zwei verschlafenen Rubine. „Du schläfst ja gar nicht mehr!“, stellte sie entsetzt fest. Ihr Gegenüber grinste nur. „Sollte das eine Anmache werden?“, belustigt darüber, dass sie die Hand nicht weiter von sich schieben konnte, warf er einen Blick unter die Decke. Seine Hand lag auf ihrer Hüfte, Hilary's auf seiner. „N-nein!“, ruckartig entfernte sie ihre Hand. Kai beließ es dabei, grinste nur weiter vor sich hin. Für die junge Frau war es doch sehr ungewohnt, dass sie jetzt zusammen mit Kai in einem Bett aufwachte. Ihn so verschlafen zu sehen, die Haare durcheinander, der Blick noch leicht schläfrig, ließ ihn nahbarer wirken. Sonst, sah sie ihn immer perfekt gestylt, ohne einen Makel. Die Japanerin setzte sich auf und der Russe tat es ihr gleich. Beide hatten das gleiche Ziel vor Augen. Als erstes ins Badezimmer zu kommen. Kai rollte schon bäuchlings von dem Bett, streckte sich und taumelte siegessicher Richtung Bad. „Da wollte ich jetzt hin!“, rief sie ihm beleidigt hinterher, als er an der Tür stand. Frech grinsend war er einen Blick über seine Schulter und zuckte. „Hättest dich eben beeilen müssen.“ Hilary erwiderte kein Wort darauf, sondern starrte fragend mit großen Augen auf seinen unbedeckten Rücken. Dort trug er zahlreiche kleine und größere Narben. Im Sonnenschein, der durch das Fenster fiel, konnte sie das erst erkennen. Auch dem blau-haarigen blieb das nicht verborgen, doch schwieg er. „Was ist mit deinem Rücken passiert?“, fragte sie ihn leise, damit rechnend, keine Antwort zu bekommen. Von einer Operation konnten diese definitiv nicht stammen, dafür waren sie zu ungleichmäßig und wirr auf dem Rücken verteilt. „Lange Geschichte.“, murmelte er kaum hörbar zurück und ging ins Bad. Verwundert haftete ihr Blick noch an der Tür. War es ihm unangenehm darüber zu sprechen? Jedenfalls, war er jetzt irgendwie redseliger, als früher. Seine kalte, unnahbare Seite, versteckte wohl nur die freundlichere, in ihm. Es verging keine Minuten, das schlug der Halbrusse die Tür schon wieder auf. Er stand an den Türrahmen gelehnt, etwas angewidert grinsend. An seinem Zeigefinger baumelte ein schwarzer BH, mit roten Rüschen. „Ist nicht zufällig deiner?“, fragte er sie amüsiert. „Eh? Nein!!“, brüllte die Japanerin fast schon hysterisch. Kai dagegen, war es klar von wem dieses lustvolle Stück Stoff sein musste. Er entsicherte das Fenster, öffnete es und schoss den BH in den Schnee heraus. „Dann hat mein Vater wohl wieder irgendeine Frau abgeschleppt...“, er klang genervt, als er das sagte. Es war ihm egal, dass sein Vater zu viele Frauen hatte, am meisten nervte ihn, dass er ein Überbleibsel von seiner Liebschaft fand. Hilary sah erneut verwirrt auf Kai. „Irgendeine Frau?“, wiederholte sie seine Worte. „Ist er denn nicht mit deiner Mutter verheiratet?“ „Nein.“, kam es schon monoton von ihm, nebenbei schloss er das Fenster. „Oh...“ „Das Problem an seinem offenherzigen Lebensstil, ist nur...dass die Leute, mich als seinen Sohn, auf die gleiche Ebene stellen. Und das ist ätzend.“, damit verschwand er wieder im Bad. In Hilary's Kopf spielten sich die Bilder seiner unzähligen Freundinnen ab. Fast wöchentlich, kam er mit einer anderen zum Training. Da sollten die Leute nicht denken, dass er wie sein Vater war? Stirnrunzelnd kratzte sie sich am Kopf. Vielleicht hatte er damals auch nur eine 'wilde Phase' gehabt, in der er sich ausprobierte. Und, soweit die Japanerin wusste, war er schon über ein Jahr mit Kate zusammen. Überfordert ließ die brünette sich zurück ins weiche Bett fallen. Das war verdammt viel Input, dass sie über ihren Mann bekam. Dabei bemerkte sie gar nicht, dass jener zurück im Schlafzimmer war. Um seine Hüften lässig ein Handtuch gebunden, steuerte er auf seinen Koffer zu. Kurzerhand setzte er sich auf die Bettkante und wühlte nach frischen Klamotten. Als Hilary ihn jetzt bemerkte, schaute sie die Narben genauer an. Wie aus einem Reflex heraus, fuhr sie vorsichtig über eine breite Narbe, nur um zu spüre, wie sie sich anfühlte. „Hey...“, kam er überrascht von dem Halbrussen, der nicht mit einer Berührung ihrerseits rechnete. Ihre Finger waren wieder kalt. „Hast du die schon lange?“, davon unbeirrt, fuhren ihre Finger nochmal langsamer über die Hautveränderung. Ein stummes Nicken des jungen Mannes, gab ihr die Antwort. Mehr bekam sie nicht. Stattdessen stand er auf, ließ das Handtuch zu Boden gleiten und versetzte sie in den nächsten Schockzustand. „Zieh dir was an!!“, schrie sie entsetzt unter der Decke hervor, die sie kurz vorher über ihr Gesicht gezogen hatte. Mit blanker Rückseite stand er vor ihr und zog dann langsam seine dunkelgraue Boxer über. „Alles wieder bedeckt.“, gab er Entwarnung und sie ließ die Decke heruntersinken. „Stell dich nicht so an...Wir hatten schon mal das Vergnügen miteinander...“, sprach er, leicht genervt über ihre kindische Reaktion. „Für dich ist es vielleicht normal! Aber nicht für mich!“ Ein kleines Schmunzeln verließ das Gesicht des Russen, als er zu ihr schaute. „Dann müssen wir das wohl ändern.“, gab er ihr grinsend die Gegenantwort und trieb ihr damit die Schamesröte ins Gesicht. Ihr Herz begann zu rasen. Was sollte das nun wieder heißen? Wollte er nur noch nackt durch das Haus laufen? Ihr schwante böses. Mit dem Oberkörper zu ihr gewandt, zog er jetzt seine schwarze Jogginghose an. Sein Oberkörper war gut durchtrainiert. Die brünette konnte ein Sixpack erkennen, ermahnte sich aber im Stillen, nicht darauf zu starren. Raschelnd rollte sie zur anderen Seite und stand schnell auf, um wortlos im Bad zu verschwinden. Kai schüttelte nur den Kopf. Mit dem Handtuch in der Hand, kam er nochmal ins Badezimmer. Erschrocken fuhr Hilary herum, die sich gerade ihrer lockeren Kleidung entledigen wollte. „RAUS!!“, brüllte sie dem Russen entgegen, dem prompt das Duschbad, ihre Haarbürste und ein Handtuch entgegen geschleudert wurden. Zügig verließ er den Raum. „Wie kann man nur so hysterisch sein...“, sprach er zu sich selbst, als er die Treppe nach unten ging. Aus dem kleinen Nebenzimmer, hörte er schon seine Tochter, unzufrieden herum quengeln. Etwas mit sich selbst ringend, beschloss er dann aber, die Tür einen kleinen Spalt zu öffnen. Emilia lag quer in ihrem Bettchen und konnte sich kein Stück mehr bewegen. Deshalb war sie unzufrieden, das erkannte auch Kai. Zögerlich trat er an das Bettchen. Er schluckte schwer und nahm die kleine hoch, um sie aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Dankend lächelte sie jetzt. Also legte er sie zurück ins Bett und schlich leise heraus. Doch als die Tür ins Schloss fiel, fing Emilia bitterlich an zu schreien. Das war wohl nicht so geplant. Was sollte er denn jetzt machen? Leicht genervt öffnete er die Tür wieder, warf einen grimmigen Blick in das Zimmer. Schon war es wieder still. Zufrieden grinste er und schloss die Tür ein weiteres Mal. Es blieb auch weiterhin alles ruhig. Also entfernte er sich, um den Kamin zu befeuern. Doch hatte er sich zu siegessicher gefühlt, denn aus dem kleinen Zimmer, brach lautes Geschrei heraus. Ein verzweifeltes Weinen. „Na super...“, murmelte er sichtlich genervt. Er schnappte sich ein Spielzeug vom Teppich. Wie lange brauchte Hilary denn noch? Dann versuchte der unerfahrene Vater, das Zimmer ruhig zu betreten. Dicke Tränen rollten über das kleine Gesicht. Wimmernd hielt sie ihre kleinen Händchen nach oben, wollte auf den Arm, wollte kuscheln. Doch Kai schloss darauf, dass sie das Spielzeug wollte, das er in der Hand hielt. Kurz nahm sie es und schleuderte es ans andere Ende des Bettchens. Dafür erntete sie einen mahnenden Blick, ehe er wieder aus dem Zimmer verschwand. Die Tür von außen schließend, atmete er tief aus, um sich selbst zu beruhigen. Wieder ohrenbetäubendes Weinen und Schreien drang heraus. Endlich kam auch seine Frau die Treppe herunter. „Was ist denn hier los?!“, fragte sie eher rhetorisch, um dann direkt an Kai vorbei, an Emilia's Bettchen zu eilen. Sie befreite das hilflose Wesen aus dem Schlafsack, der sich wieder verdreht hatte und nahm sie tröstend auf den Arm. Ihrem Mann warf sie einen vernichtenden Blick zu. Der konterte ihn ebenso grimmig, wie seine Frau. „Warum hast du nichts gemacht? Du kannst sie doch nicht einfach schreien lassen!“, ging sie ihn dann schließlich an. Kai zog die Schultern hoch und versuchte sich zu rechtfertigen. „Ich hab versucht sie zu beruhigen! Das Spielzeug wollte sie nicht!“, gab er mit verschränkten Armen zurück. Den Blick auf seine Tochter gerichtet, die sich ziemlich schnell, auf dem Arm ihrer Mutter, beruhigt hatte. Auch Hilary's Blick wurde wieder Zusehens entspannter. Nicht mehr wütend, sondern verträumt, schaute sie auf das kleine Wesen. „So ein kleines Baby braucht mehr, als nur ein Spielzeug, oder Essen und eine frische Windel...“, liebevoll sah sie Kai an. „Sie brauchen Liebe, Kuscheleinheiten, Sicherheit und Geborgenheit. Und noch so viel mehr...“, ihr fiel ein, dass Kai noch nie mit so einem zerbrechlichen Geschöpf zu tun hatte. Und sie bezweifelte, anhand seiner hilflosen Aktionen, dass er jemals auf eines aufgepasst hatte. Das musste er noch lernen. Und Hilary würde es ihm schon beibringen. Der blau-haarige verharrte weiter, mit verschränkten Armen, ihr ihr. „Tze...“ „Das lernst du schon noch.“, grinste sie ihn jetzt an. „Ich geh Emilia erstmal anziehen. Und Hunger hast du sicherlich auch schon!“, den letzten Teil lächelte sie in das kleine Gesicht ihrer Tochter. Die junge Frau verschwand mit Emilia im Nebenzimmer. Kai ließen sie zurück. „Pff...“, stieß er die Luft zwischen seinen Lippen hervor, nur um dann das Frühstück vorzubereiten. Jetzt konnte er auch endlich das Feuer, im Kamin, anzünden, damit die Wohnstube warm wurde. In der Zeit, wo Hilary Emilia zurechtmachte, gönnte sich Kai eine kleine Pause. Er zog seinen Laptop hervor und scrollte durch seinen Email-Posteingang. Unzählige ungelesene Nachrichten. Seine Laune sank mit jeder Nachricht mehr, die angezeigt wurde in der Liste. Ein Haufen Spam-Mails waren dabei, welche er sofort blockierte. Eine Mail von einem Investor, der absagte, trug auch nicht zum Erhalt seiner guten Laune bei. Wenigstens gingen die Arbeiten, am Bau des neuen Zentrum voran. Da fiel ihm ein, wo hatte er eigentlich sein Handy? Dort würden sicherlich auch Unmengen an Anrufe in Abwesenheit, auf ihn warten. Es war eben nicht so leicht, der Chef eines größeren Projekts zu sein. Er klappte den Laptop schließlich wieder zu. Morgen würde er sich darum kümmern. Jetzt kam Hilary, lächelnd mit Emilia, herein. Beide hatten großen Hunger. Den Tisch, hatte der blau-haarige schon gedeckt. Glücklich setzte sie sich auf den Stuhl, während Kai ihr den Brotkorb reichte. Verwundert sah er seine Frau an, denn sie nahm sich mit einem Mal, gleich zwei Brötchen. Drückte das zweite, aber direkt Emilia in die Hand, die anfing daran herum zu lutschen. „Was wollen wir heute noch machen?“, fragte der Russe nebenbei, sah aber nicht von seinem Teller auf. Hilary hatte gestern schon überlegt, was sie machen könnten, deshalb hatte sie sofort eine Idee. „Etwas hinter der Hütte, ist doch ein See, oder? Dort würde ich gerne hingehen.“, sagte sie ehrlich heraus und der Russe nickte stumm. Hinter dem Häuschen, war ein kleines Waldstück und genau daneben befand sich der See. Mittlerweile dürfte er zugefroren sein, überlegte Kai, aber das sollte kein Hindernis darstellen. So frühstückten sie in Ruhe, denn hier störte sie niemand, mit unaufhörlichem Gerede oder ständigen Fragen. Kapitel 45: Wetterumschwung --------------------------- Kapitel 45 Nach dem ausgiebigen Frühstück, räumten beide den Tisch ab und Emilia durfte sich durch das Zimmer robben. Zielsicher steuerte sie auf den Laptop ihres Vaters zu, der am Rand des Sofas zu erblicken war. Als Kai sich zum Tisch herumdrehte, konnte er das Schauspiel beobachten und eilte schnell herüber, um das technische Gerät in Sicherheit zu bringen. Das fehlte ihm noch, ein, mit Babysabber-überfluteter Laptop, an dem er arbeiten wollte. Also stellte er den Laptop auf den Küchentisch. Dieses Mal wusch Hilary fix das Geschirr ab. Bei ihr ging das alles so locker von der Hand und sie brauchte bei weitem, weniger Zeit, als der Russe am Vorabend. Er war eben nicht so geübt darin. Und keine Frau. Beim Abtrocknen sah er gedankenversunken aus dem Fenster, während Hilary schon Emilia's Schneeanzug bereitlegte, um sie anzuziehen. Sein Gesicht wurde etwas ernster. Den Teller stellte er ab, nur um zu einem anderen Fenster, des Hauses, zu gehen. Auch hier änderte sich sein Ausdruck nicht. Eher wurde er angespannter. Dann sah er sich um. „Das mit dem Ausflug wird nichts.“ „Warum dass denn nicht?“, fragend schaute die brünette in seine Richtung und kam auf ihn zu, da er mit dem Kopf nach draußen deutete. Auch Hilary warf einen kurzen Blick nach draußen. Eine große graue Wolke marschierte heran. Aber sie sah der Sache gelassen entgegen. „Sieht nach Schnee aus. Der wird uns schon nicht umbringen.“, winkte sie ab, doch Kai sah sie ernst an. „Das sieht mir eher nach einem Schneesturm aus.“, klärte er sie angespannt auf. Wenn er sich auf etwas verlassen konnte, dann war es das russische Wetter. Vor allem auf der flachen Ebene, kam schnell mal ein Schneesturm zustande, der sich, als einfache Schneewolke, tarnte. Das lernte er schon früh. Hilary begriff nun langsam, dass Kai keinen Scherz machte. Etwas ängstlich sah sie nach draußen. „Also fahren wir wieder?“ „Nein. Dafür ist keine Zeit mehr. Außerdem kommt hier, so etwas, öfter vor.“, sagte er wieder ruhiger. Er schnappte sich den Pullover vom gestrigen Tag, als er Holz holte, und zog ihn über. „Wo willst du hin?“ „Holz holen. Bei dem Sturm gehe ich nicht vor die Tür.“, er zog die Axt aus der Halterung und verschwand nach draußen. Hilary verfolgte seinen Gang. Aus einem anderen Fenster konnte sie ihm beim Holz hacken beobachten. Zwischendurch sah er sich um. Die graue Schneewolke kam immer näher auf sie zu. Der Himmel verdunkelte sich mit jeder Minute mehr. Und die morgendliche Sonne, verschwand dahinter. Als es darauf anfing zu schneien, kam auch Kai zurück ins Haus. Er stellte eine große Kiste, geschlagenes Holz, in den Eingangsbereich, daneben einen Sack Kohlen. Draußen begann es zu stürmen. „Grad noch rechtzeitig.“, sagte er erleichtert zu sich selbst. „Und was machen wir jetzt?“ Kai schaute sich um, und sein Blick blieb am Laptop haften. Er würde wohl nicht drumherum kommen, die ganzen Emails zu beantworten. Widerwillig schnaubend, holte er sein Arbeitsgerät. „Da liegt noch eine Menge Arbeit drauf...“, und deutete auf den Gegenstand in seiner Hand. Die brünette grinste. Sie würde sich schon mit Emilia beschäftigen. Da würde es ihr nicht langweilig. Aber vorher, wagte sie sich an den Fernseher, der gegenüber der Couch stand und schaltete ihn ein. Auch wenn sie nichts verstehen würde, Bilder konnte die Frau trotzdem deuten. Nur soweit kam es gar nicht. Das TV-Gerät zeigte keinen Sender an, nur ein schwarz-weißes Störsignal. „Das brauchst du gar nicht versuchen.“, bemerkte Kai, als er von seinem Laptop aufsah. „Bei dem Wetter kriegst du kein Bild.“ Ergeben, seufzte sie laut auf. „Gibt es vielleicht noch etwas, was bei dem Wetter nicht funktioniert?“ „Ja. Strom.“ Mit einem Satz fuhr sie zu ihm herum, starrte ihn entsetzt an. Eine Reaktion bekam die brünette aber nicht mehr. Kai tippte auf der Tastatur herum und war schon vertieft in die ganzen Emails. Was sollte sie sich jetzt aufregen, ändern konnte die junge Frau es nicht. Also beschloss sie, mit Emilia zu spielen, die sich sehr darüber freute und mit einem ihrer Spielzeuge angerobbt kam. Draußen tobte der Sturm, ohne Erbarmen. Es schneite dicke Flocken, die gegen die Fenster prasselten, und verwehrte den Blick in die Ferne komplett. Zwischendurch klapperten, immer wieder die Fenster, und Hilary glaubte, dass sie beim nächsten heftigen Windzug, zerbersten würden. Da das kleine Häuschen aber auf dem neusten Stand war, brauchte sie keine Angst davor haben. Sonst würde Kai auch nicht so ruhig auf der Couch sitzen und seiner Arbeit nachgehen. Seit er sich vor den Laptop gesetzt hatte, sprach er kein Wort, sondern starrte gebannt, manchmal grimmig, auf den Bildschirm. Um die Mittagszeit herum, verspürte Hilary ein Grummeln in ihrer Magengegend. Ein Blick auf die Uhr, zeigte, dass es schon weit nach 12 Uhr war. Sie unterbrach das gemeinsame Spiel mit ihrer Tochter, um sich nun um das Mittag zu kümmern. Emilia wollte das aber so gar nicht und robbte ihrer Mutter schimpfend hinterher. Der Halbrusse sah von dem Bildschirm auf, eine Augenbraue skeptisch nach oben gezogen. Vielleicht sollte er auch eine kleine Pause einlegen. Den Laptop an die Seite legend, stand er auf und ging in die Küche herüber. Er stellte einen Topf auf den Herd, holte aus der Vorratskammer einige Kartoffeln und schmiss sie ungeschält hinein. Dann füllte er Wasser auf. Und unter dem gespannten Blick von Hilary, zündete er gelangweilt die Herdplatte an. Aus dem Augenwinkeln schielte er grinsend herüber, worauf Hilary schnell auf das Gemüse vor ihr starrte. Eine Weile später brodelte das Essen in den Töpfen. Es zog der Duft vom Gemüse in das anliegende Wohnzimmer, welches der braunhaarigen ein lautes Magenknurren entlockte. Verlegen hielt sie die Hand vor ihrem Bauch. „Ich schau mal nach dem Essen!“, hüpfte vom Boden auf, und schaute in die Töpfe. Eilig nahm sie alles vom Herd. Jede Minute länger, ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen. Schnell holte sie Emilia heran, um sie zu füttern, denn die kleine wurde müde. Kai setzte sich freundlicherweise mit an den Tisch. Den verwunderten Gesichtsausdruck seiner Frau, ignorierte er gekonnt. Beim Essen sperrte Emilia, bei jedem Löffel, den sie bekam, den Mund weit auf. So groß war ihr Hunger. Es konnte ihr nicht schnell genug gehen, denn in der Pause, wo ihre Mutter den Löffel neu belud, quengelte sie herum. Der Russe stützte demonstrativ seinen Ellenbogen geräuschvoll auf den Tisch und seine Tochter schaute ihn groß an. Ohne ein Wort zu sagen, legte er seinen Zeigefinger auf den Mund. „Schhhh.“ Emilia verzog das Gesicht, doch ehe sie zu schreien anfing, stopfte Hilary den nächsten Löffel voll Brei in den kleinen Mund. Zufrieden schluckte sie das zerdrückte Essen herunter. Danach hieß es, Mittagsschlaf halten. Das wurde höchste Zeit. Noch schnell eine frische Windel, an den kleinen Po, dann ins Bettchen. Kaum war die brünette aus dem Zimmer, schlummerte das Kind, unschuldig, wie ein Engel, im Bett. Jetzt konnte das junge Paar essen. Die beiden beschlossen im Wohnzimmer zu essen. Jeder hatte einen Teller vor sich, auf dem Tisch zu stehen. Kai stocherte allerdings nur darin herum. „Hast du keinen Hunger?“ „Hm...“, kam es gedankenversunken von ihm. Sie wedelte mit ihrer Hand vor seinem Gesicht herum. „Hallo? Jemand zuhause?“ „Hm? Ich war in den Gedanken.“ „Die Arbeit?“, hakte sie weiter nach. Es musste doch möglich sein mit ihm ein normales Gespräch zu führen, ohne nur ein 'Hm.' zu bekommen. „Ja, es ist einiges liegen geblieben und mein Geschäftspartner hat es auch nicht für nötig empfunden, sich auf den aktuellen Stand zu bringen. Also bleibt es an mir hängen.“ „Ich dachte, du machst das alles alleine.“ „Nein...aber einen Freund, als Geschäftspartner, zu haben, war keine gute Idee.“ Hilary legte den Kopf schief und schmunzelte. „Dann musst du deinem Partner mal, die Leviten lesen!“, lachte sie scherzhaft. Kai's Miene, nach zu urteilen, fand er diesen Vorschlag, gar nicht so schlecht, denn er grinste vor sich her. Dann aß er, das mittlerweile, kalte Essen, von seinem Teller auf. „Und weiter geht’s.“, versuchte er sich darauf zu ermuntern und stürzte sich wieder in die Arbeit. Hilary brachte derweil die Küche wieder in Ordnung. Als sie fertig mit der Hausarbeit war, gesellte sie sich wieder zu Kai. Der Halbrusse lag mit ausgestreckten Beinen auf den Couch, die Füße übereinander gelegt. Der Laptop stand auf seiner Brust, den er mit einer Hand festhielt. Die andere hatte er hinter seinem Kopf. Schmunzelnd sah die junge Frau, dass auf seinem Gesicht ein gefaltetes Stück Papier lag, welches seine Augen verdeckte. Er war eingeschlafen. Breit grinsend trat sie an ihn heran. „Das nennst du arbeiten?“, den Zettel zog sie amüsiert vom Gesicht. „Ich studiere meine Aufzeichnungen.“, maulte er sie an, zog ihr den Zettel aus der Hand und legte ihn wieder zurück auf das Gesicht. Hilary sah glücklich aus. Er ging sonst nie so normal mit ihr um. Und sie durfte ihn noch nie so entspannt sehen. Mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen, brachte sie einen kleinen Hocker zum Fenster. Sie stützte sich auf die Fensterbank und beobachtete den Schneesturm, der noch in vollem Maße tobte. Es war alles so ruhig, obwohl es draußen stürmte. Keiner, vor dem sie Angst haben musste, war hier und sie musste sich vor niemandem verstecken. Leises klappern holte sie aus ihren Gedanken zurück. Kai schrieb wieder am Laptop. „Kommst du gut voran?“, rief sie zu ihm rüber. „Hm! Bin bald durch.“ Sie atmete aus und legte ihr Kinn auf den Armen ab. Das gleichmäßige Geräusch, des Tippens auf der Tastatur, ließ sie schläfrig werden und sie döste. Nach dem Mittagsschlaf spielte sie wieder mit Emilia. Und so ging der Nachmittag schnell vorbei, ehe die Dunkelheit einbrach. Langsam verzog sich auch das Sturmtief. Draußen wurde es ruhiger, es schneite nur noch sanft vor sich hin. Leise schlich die brünette zurück ins Wohnzimmer. „So, Emilia schläft, ich geh dann mal hoch.“ „Gehst du schlafen?“, sie erntete einen verwirrten Blick des jungen Russen. „Nein. Ich will noch duschen.“ „Achso.“, kam es versunken von ihm. Damit verschwand sie nach oben. Der Russe verweilte noch vor seinem Laptop. Endlich hatte er das Ende des Email-Postfachs erreicht und las die letzte, eingegangene Nachricht. Die konnte er getrost ignorieren, es handelte sich nur um einen Bericht über den Verlauf, des Baus, seines Zentrums. Erleichtert klappte er das Gerät zu und ließ es neben sich, auf das Sofa, gleiten. Oben angekommen duschte die junge Frau, um sich aufzuwärmen. Auch wenn im ganzen Haus geheizt war, fror sie. Warum, wusste sie nicht. Es war eben so. Zurück im Schlafzimmer, packte sie ihren Koffer aus und zog sich etwas lockeres über. Ihre Kleidung räumte sie ordentlich in den Schrank, neben dem Bett, ein. Der stand in einer kleinen Nische, sodass er nicht in den Raum ragte. Als sie die letzten Teile in aus dem Koffer holte, schritt Kai ins Zimmer. „Was machst du denn da?“ „Ich räume meine Sachen ein.“ „Das ist überflüssig. Wir bleiben eh nicht lang hier. Ich schätze eine Woche, dann sollte sich die Tobsucht von Kate gelegt haben.“, er kam auf seine Frau zu und ließ sich rücklings auf das Bett fallen, die Füße weiter, fest, auf dem Boden. Einen Moment starrte er die helle Holzdecke an. „Okay...Soll ich deine Sachen auch auspacken? Oder...willst du das selber machen?“, fragte sie, nach dem ersten Teil, etwas unsicherer. Warum fragte sie ihn das? Er würde sie doch nie an seine Sachen lassen. Da reagierte er damals schon gereizt, als einer der anderen Jungs, versehentlich etwas berührte. „Mach, was du willst. Ich werd' dich nicht abhalten.“, sah kurz auf und weiter an die Decke starrend, verschränkte er die Hände hinter dem Kopf. Hilary legte das letzte Teil in das Fach und sah dann auf Kai's Gepäckstück. Behutsam öffnete sie den Reißverschluss und begann seine Kleidung auszupacken. Es war ihr irgendwie unangenehm, als ob die junge Frau in seinen Sachen wühlen würde, in seinem Beisein. Und den Russen schien es nicht im geringsten zu stören. Kapitel 46: Erste Annäherungsversuche ------------------------------------- Kapitel 46 Ordentlich sortierte Hilary seine Sachen in den Schrank. Als sie unter einem Pullover sein Handy entdeckte, legte sie es achtsam auf das kleine Nachttischchen und beachtete es nicht weiter. Stattdessen kam in ihr eine Frage auf. „Warum verhältst du dich so anders?“ Angesprochener zog die Augenbrauen hoch und stützte sich auf die Unterarme. „Wie verhalte ich mich denn?“, fragte er ungehalten zurück. Die brünette überlegte kurz, wie sie es am besten formulieren sollte. „Naja du...bist ganz anders zu mir, als zu Kate oder Mila...Warum?“ „Hm. Ich bin wie immer. Du lernst mich nur von einer anderen Seite kennen, aber verändert habe ich mich nicht.“ „Doch. Deine Art...deine Reaktionen... Du-“ „Ich bin eben älter geworden und hab einiges durchgemacht. Meine Firma gegründet, einen Haufen Nerven an Kate verloren, dich wiedergetroffen... Das hinterlässt Spuren. Genau wie bei dir. Du hast dich doch auch verändert.“ „Hab ich nicht!“, erwiderte sie schnell und hielt das nächste Kleidungsstück in den Händen. Sie hatte sich nicht im geringsten verändert. Vielleicht war sie ruhiger geworden, durch die Schwangerschaft und Emilia. Sonst war sie die Alte, Glaubte sie. „Warum...reagierst du dann auf einmal so abweisend, wenn ich...das bei dir mache?“, der Russe stand auf und stellte sich hinter die Japanerin. Seine Hände ruhten auf ihrer Hüfte, nur um dann mit den Fingern des Oberteil nach oben zu schieben. Sofort zuckte sie verkrampft zusammen, Kai hielt inne. Die brünette sagte nichts. Sie hielt den Pullover dicht an ihren Körper gedrückt. Ihr Atem ging unruhig. „Genau das meine ich. Was ist passiert, dass du so angespannt bist, wenn ich dich berühre?“, die warmen Hände verweilten an ihrem Körper. Er spürte, dass Hilary sich schämte, aber wofür? Ihm stockte der Atem, und es kam unendliche Wut in ihm auf. „Hat dich dieser Kerl etwa-?“ „Nein...“, hauchte sie fast flüsternd, während Kai beruhigter die Augen schloss und wieder öffnete. Eine Hand löste er einen Moment von ihr, nur um das Licht auszuschalten. Jetzt knisterte nur noch der kleine Ofen, in der anderen Ecke des Raumes, wo schwaches Licht, durch die schmalen Schlitze hervordrangen. Sie erhellten das Zimmer nur spärlich. „So besser?“, flüsterte er, seine Hand wieder auf sie legend. Hilary entspannte etwas. Hatte sie etwas zu verbergen, was er nicht sehen sollte? Noch einmal versuchte er, mit den Fingern unter das Oberteil zu fahren, um ihre Haut zu tasten. Hilary verspannte sich wieder, doch widerwillig versuchte sie sich ihm zu öffnen. Kai blieb ihr Verhalten nicht verborgen. Anstatt aufzuhören, spürte er nun die weiche Haut unter seinen Fingerspitzen. Sofort erinnerte er sich zurück, als er sie das erst Mal so zart berührte. Was er dagegen nicht sehen konnte war, dass seine Frau die Augen fest zusammengekniffen hatte. Der blau-haarige strich über ihre Seiten, vor zu ihrem Bauch. Der Russe erfühlte kleine, schmale Male, auf ihr. „Ist es etwas Das, was dich so verunsichert?“, er fuhr weiter, über eine Stelle und verharrte dort. Seine Frau gab ihm keine Antwort. Also drehte er sie zu sich herum. Ihre Augen schauten ihn nur flüchtig an, dann senkte sie ihren Blick, wobei seine Hände bestimmend auf ihr lagen. „Hilary...meinen Körper zieren unzählige Narben. Aber ich mache daraus kein Geheimnis... Sieh mich an...“, ihr Kopf blieb weiter gesenkt. „Sieh mich an.“, befahl er nun ernster, aber warmherzig zugleich. Langsam hob sie den Blick und sah ihn unsicher an. Seine Lippen zierten jetzt ein unverkennbares Lächeln. „Diese Male können dich nicht entstellen... Du bist wunderschön. Daran...wird nichts und niemand etwas ändern können.“, sprach er weiter und sagte diese Worte so einfühlsam, dass es der jungen Frau einen angenehmen Schauer über den Rücken jagte. So kannte sie den jungen Mann überhaupt nicht. Fasziniert von den Worten, überwältigt von seinen Augen, ließ die brünette das Kleidungsstück zu Boden fallen und er legte zart seine Lippen auf ihre. Anders, als damals, genoss sie es sofort und bewegte vorsichtig ihre Lippen gegen seine. In diesem Moment fühlte sie sich einfach nur akzeptiert, egal wie sie jetzt aussah, denn ihren Bauch zierten seit der Schwangerschaft viele Dehnungsstreifen, die sie seitdem immer verbarg. Egal ob es nun vor Kai war, oder vor sich selbst. Doch jetzt kam er einfach zu ihr, berührte ihren Körper wie früher. Ohne Scheu. Vielleicht, weil er wusste, wie sie sich fühlte. Seine kräftigen, warmen Hände suchten den Weg erneut unter ihre Kleidung. Ganz behutsam. Er schob das Oberteil nach oben, um ihren Rücken entlang zu fahren, vertiefte dabei ihren Kuss. Leidenschaftlich drückte der Russe sie an sich, als könnte er sie wieder verlieren, aber er spürte ihre Unsicherheit weiterhin. Hilary hatte mit niemand anderen geschlafen, außer ihm. Etwas bewunderte er sie dafür, doch andererseits verpasste sie so viel. Dann unterbrach er widerwillig ihren Kuss, nur um ihr tief in die Augen zu sehen und ihre Hand zu seinem Oberkörper zu führen. „Da kannst mich auch anfassen...“, hauchte der blau-haarige ihr zu, während er seine Hand mit ihrer unter das Kleidungsstück bewegte. Wieder spürte er leichte Gegenwehr, doch er gab nicht nach. Als er die kalten, leicht zitternden Hände, auf sich spürte, rauschten tausende Blitze durch seinen Körper. Wie lange wartete er, um dieses Gefühl ihrer Berührung, noch einmal erleben zu können. Das Feuer brannte in ihm. Wieder legten sich ihre Lippen aufeinander. Lustvoll, gefühlvoll, voller Sehnsucht. Seine Finger wanderten unruhig auf ihrer Haut umher, die Lust staute sich. Er wollte sie jetzt. Doch war es das, was die junge Frau auch wollte? Sie bemerkte seine Aufregung, seine Hände zogen ihr Oberteil hoch. Noch zögerte sie, ihre Arme zu heben, damit er es ihr ausziehen konnte. Nun war es an Hilary, das unwiderstehliche Gefühl, dieser Lippen zu unterbrechen. Nervös suchten ihre Augen nach seinen, die liebevoll, geduldig wartend, in ihre schauten. Hilary schluckte. Leicht nickte ihr Kopf, und ihr Mann entledigte sie zärtlich, des Oberteils. Ihr Brustkorb hob und senkte sich aufgeregt, wieder ein Kuss. Stürmischer als vorheriger. Gierig erforschten die starken Hände ihren zarten Körper. Auch Hilary erwachte nun aus ihrem tranceähnlichen Zustand. Ganze leicht fuhren die Fingerspitzen über seinen Oberkörper. Seine Hand griff nach ihrer zweiten, um sie anzuhalten, ihm den Pullover auszuziehen. Zögerlich schob sie das Stück Stoff hinauf, um darauf gleich von Kai genommen zu werden und zu Boden zu fallen. Er umarmte sie innig. Sein Mund liebkoste ihre Halsbeuge, ließ sie ein unterdrücktes Stöhnen von sich geben. Auch ihre zarten Arme schlagen sich um seinen Hals und verschränkten sich hinter ihm. Es war wie damals. Kai spürte, dass Hilary sicherer wurde, entspannte. Der Russe versicherte sich in ihren Augen, nach ihrem Befinden, dann drehte er sich mit ihr zum Bett. Zwischen ihnen brauchten keine Worte gesprochen werden, sie verstanden sich momentan auch ohne. Zu lästig wäre die Unterhaltung, zu störend in ihrer Handlung. Vorsichtig ließ er sie nieder. Die weiche Unterlage gab sofort nach und so versanken sie auf der Decke. Als sein Gewicht auf sie drückte, stockte ihr unruhiger Atem, doch er erhob sich, nicht damit rechnend, dass sie soweit einsinken würden. Leicht fuhr seine Hand über ihren Bauch, hinauf zu ihrer Brust, weiter über ihren Hals entlang. Seine Augen studierten jeden Millimeter ihres Körpers. Hilary strich nur verlegen auf seiner Brust herum. Als er dann schließlich ihren BH öffnete, schreckte sie auf. „Willst du etwa-?“, Entsetzen sprach aus ihr und der junge Mann hielt erneut kurz inne. „Hör auf zu viel zu denken. Klar?“, er zog den Busenhalter zu sich, lächelte sie verständnisvoll an. Nun lag sie entblößt vor ihm, eine Hand vor die nackte Brust gehalten. „Lass mich dich ansehen...“, bat er und verhakte gleichzeitig ihre Hand in seine, und schob sie über ihren Kopf. Beschämt neigte sie das Gesicht zur Seite. „Wunderschön...“, der Russe spürte den immer größer werdenden Druck in seiner Lendengegend. Die Hand nun an ihrer Hose. „Darf ich?“ Darauf schwebten seine Lippen über ihrer Brust, der heiße Atem brannte sich auf die geschmeidige Haut. Ganz vorsichtig legte sich eine kalte Hand auf den muskulösen Rücken, zog ihn zu sich und ein Mund der voller Verlangen küsste. In den Kuss hinein grinsend, packte er genüsslich ihren Hintern, um dann die Hose verschwinden zu lassen. Nun war es an ihm, ihr wieder etwas Nachhilfe zu geben. Die Eigeninitiative seiner Frau war im Bett nicht so groß, wie bei hauswirtschaftlichen Arbeiten, musste er feststellen. Aber das, würde er ihr noch beibringen. Er führte ihre Hand auf seinen Gürtel, um ihn öffnen zu lassen. Sie konnte es nur kurz versuchen, ehe der Blau-haarige selbst Hand anlegte. Mit Lust verhangenem Blick, lag er über seiner Frau, ein Bein drückte er zwischen ihren. Ein kurzer Widerstand, der sich sogleich löste, ließ ihn gewähren und der platzierte sich zwischen sie. Die Hände tasteten über den weiblichen Körper, bedeckten ihn mit unendlichen Küssen, ließen ihr einen Rotschimmer auf dem Gesicht erscheinen. Jetzt befreite er das letzte Stück bedeckte Haut, von dem überflüssigen Stoff. Verlangend drückte er seinen heißen Unterleib gegen ihren, und ließ sie die gebeulte Unterhose spüren. Der Russe musste sich zusammennehmen, um sich nicht schon vorher, dem unzähmbaren Verlangen hinzugeben. Die kalten Berührungen über seinen Rücken, an seinen Armen, puschten ihn nur weiter. Er entledigte sich seiner Shorts. Hilary versuchten diesem Anblick aus dem Weg zu gehen, obwohl sie nicht viel in dem schummrigen Zimmer erkannte, kniff sie die Augen zusammen. „Tze...“, kam es von dem Russen, womit er der brünette einen fragenden Blick entlockte. Groß sah sie ihn an, da er sich zu dem kleinen Schränkchen herüber beugte. Grinsend hatte er seinen Kopf zu ihr gedreht. „Das Risiko geh ich nicht nochmal ein.“, und damit sprach er indirekt auf ihr damaliges Liebesspiel an, welches nicht ohne Folgen blieb. Hilary lächelte kurz verlegen, während er in der Schublade herum kramte. „Sonst hat er doch überall welche zu liegen...“, unzufrieden schob er die Kiste wieder zu, nur um auf der anderen Seite nachzusehen. Unter vielen Zetteln, die achtlos aus der Schublade geworfen wurden, fand er noch das gesuchte Stück. Mit einem gezielten Griff, packte er das Gummi aus und stülpte es sich über. Er wandte sich wieder seiner Frau zu, die ihn verunsichert anschaute. Über sie gebeugt, stützte er sich neben der brünetten ab, sah ihr lächelnd in die Augen. „Kai...vielleicht...sollten wir...“, begann sie leise. „Hör auf...schalt einfach deinen Kopf ab.“, fuhr er dazwischen und schenkte ihr einen beruhigenden Blick. Nach so langer Zeit, würde sie jetzt mit ihrer großen, einzigen Liebe wieder intim werden. Wartend hielten ihren Hände seine Oberarme, die sich sogleich in die muskulöse Haut gruben, als sich der bittersüße Schmerz in ihrem Körper ausbreitet. Umgehend merkte sie, wie ihr heiß und kalt zugleich wurde, die Wangen rötlich vor Scham und Lust. Kai versuchte es ihr so angenehm wie möglich zu machen, doch dagegen konnte er nicht tun. Er spürte nur das wachsende Verlangen. Sein Mund leicht geöffnet, stieß er die Luft gepresst heraus und beobachtete seine Frau. Die entkrampfte langsam und er drang tiefer in die ein. Ein kurzes Stöhnen verließ seine Kehle. Lustvoll schlagen sich seine Arme um ihren Körper und verwickelten sie in einen innigen Kuss, um ihr die Schmerzen zu versüßen. Ihre Hände umarmten seine Nacken, wanderten zum Rücken über die Arme, bis er langsam seinen Unterleib gegen ihren bewegte... Erschöpft und verschwitzt trennten sich die beiden Körper wieder voneinander. Der Russe ließ sich schwer atmend auf den Rücken fallen. Von den Blicken seiner Frau verfolgend, sah er sie mit einem zufriedenen Lächeln an und fuhr sich lässig mit der Hand über die Stirn. Eine Weile lagen sie so nebeneinander, bis sich beide beruhigt hatten. Hilary legte sich auf die Seite und sah ihren Mann verträumt an. Sie hatten wirklich miteinander geschlafen. „Kai?“, fragte sie leise in seine Richtung, nicht wissend, ob er schlief. Doch er warf seine Hand vor die Augen. „Verschon mich bitte damit.“, maulte der Blau-haarige sie an. „Was meinst du?“ „Das miteinander Reden nach dem Sex...ich kann das nicht ausstehen...“ Grinsend stützte sie sich auf den Unterarm, um ihm ins Gesicht zu schauen. „Ich wollte dich nur fragen, ob du danach immer eine rauchst.“, flüsterte Hilary. „Nicht immer...aber sie würde mir das Gespräch danach ersparen...“, müde drehte er sich von ihr weg, um zu schlafen. Die Japanerin setzte sich nun auf, zog betroffen die Decke zu sich heran. Ihr Grinsen wich einem leidigen Ausdruck. „Wie soll das jetzt weitergehen?“, fragte sie leer in den Raum. „Hm?“ „Ich meine...mit uns...“ Das Rascheln neben ihr, beachtete die betrübe Frau nicht. Kai lag auf dem Rücken, sah sie ausdruckslos an, bis ein schweres Seufzen seine Lippen verließ. „Keine Ahnung...aber...vielleicht willst du bei mir bleiben?“, er hatte sich aufgesetzt und zu ihr vorgebeugt. „Ich kann dir zwar nicht versprechen, dass ich alles richtig mache...“, seine Hand legte sich sanft auf ihr Kinn und drehte es zu sich. „...aber das, was zwischen uns war, nein, ist...könnte was werden, meinst du nicht?“, diesmal sah er die brünette verunsichert an, da seine Frau nicht reagierte. „Also...sind wir jetzt zusammen?“, starr schaute sie auf den glimmenden Ofen, hatte sich wieder von ihm abgewendet. „Ja.“ Kapitel 47: Eine Überraschung kommt selten allein ------------------------------------------------- Kapitel 47 „Ja.“ Das war seine simple Antwort auf ihre Frage. Hilary fiel zurück ins Bett, das musste sie erstmal verdauen. Jetzt hatte sie nicht nur, mit dem Mann den sie liebte ein Kind, sondern war mit ihm ungeplant verheiratet und mit ihm zusammen. Irgendwie stimmte die Reihenfolge dieser Ereignisse überhaupt nicht. Der blau-haarige holte sie aus ihren Gedanken zurück, indem er fragend anschaute. „Was ist?“ „Ich bin glücklich.“, dabei legte sich ein Lächeln auf ihre Lippen. „Und warum weinst du dann?“, deutete er auf ein paar herablaufende Tränen. Diese wischte sie schnell mit dem Handrücken weg. Es waren Freudentränen. Seit langer Zeit konnte sie behaupten, wunschlos glücklich zu sein, denn im Moment hatte die junge Frau alles, was sie sich wünschte. Seine Frage ließ sie unbeantwortet. Kai legte sich zu ihr, einen Arm unter dem Kopf, die Hand an ihrem Hals. „Lass uns schlafen.“, stumm nickte die brünette und sah ihn an. Seine Augen schon geschlossen, das Gesicht entspannt. „Hm? Dein Handy leuchtet.“, er schlug die Augen auf. Und sein verschreckter Blick zeigte, dass er das total vergessen hatte. In Windeseile rollte er herum, griff nach dem blinkenden Gerät, welches nun nicht mehr blinkte. „Na super...“, auf dem Rücken liegend, zögerte er noch einen Moment, bevor er das Display anschaltete. „Willst du irgendwelche Wetten abschließen? Ich tippe auf zirka 20 Anrufe in Abwesenheit und hunderte ungeöffnete Nachrichten.“, Hilary schüttelte den Kopf. „Hm. Schlimmer als erwartet...67 Anrufe in Abwesenheit? Die Frau ist doch nicht mehr ganz frisch...“ „Du hast sie vor dem Traualtar sitzen lassen.“ „Und du bist dafür verantwortlich.“, grinste er vor sich hin. Ertappt sah sie nach unten. Das wusste Hilary auch. Und es war ihr unsagbar unangenehm, Kate so zu hintergehen. Seine rubinroten Augen schauten beruhigend zu ihr herüber. „Mach dir mal keinen Kopf, solange du bei mir bist, wird sie dir nichts tun.“ „Wie erleichternd...“ „Hm? Oh...“, zwischen den Anrufen von Kate, befanden sich vom heutigen Tag auch einige Anrufe seines Geschäftspartners. Es schien wichtig zu sein, denn das Telefon-Display leuchtete erneut auf. „Ich muss da kurz dran gehen. Ja?“, er führte ein Gespräch auf Russisch. Hilary glaubte, die Stimme einer ihrer Freunde zu erkennen, doch sicher war sie nicht. Wer wohl sein Geschäftspartner war? Das Telefonat war recht entspannt, er redete ruhig, belustigt und etwas sarkastisch. Sie mussten sich gut kennen. Eine Frau war es jedenfalls nicht. Sicher hätte Kate das nicht gewollt. Mit einem Schmunzeln beendete der Russe das Gespräch. „Der Typ ist unmöglich.“ „Warum denn?“ „Nicht so wichtig...lass uns jetzt endlich schlafen...“, das Handy schob er blind auf das Nachtschränkchen, worauf es von der Kante zu Boden fiel. Dort blieb es achtlos liegen. Diese neuen Handys nervten ihn. Überall war er jetzt erreichbar und immer schaffte es sein Partner, den jungen Mann in einer heiklen Situation anzurufen. Für heute war genug. Zurück in seiner Ursprungsposition, legte er seine Hand wieder auf Hilary ab. Beide schlossen die Augen und schliefen müde ein. Etwas später in der Nacht, wachte Kai durch das unruhige Bewegen seiner Frau auf. Sie schien schlecht zu träumen und mit einem Mal schreckte sie unbeschreiblich zusammen. Seine Finger verstärkten den Griff an ihrer Hand, sodass sie spürte, dass sie nicht allein war. Langsam wurde ihr Schlaf ruhiger, das Herum wälzen im Bett ließ auch nach. Nach dem aufregenden Abend und dem erholsamen Schlaf, war Hilary am nächsten Morgen schon früh wach. Anders als Kai, hatte sie ganz gut geschlafen. Jetzt lag sie halb auf ihm, ihr brauner Schopf auf der Schulter, die Hand noch in seiner, die ihre aber nicht mehr festhielt. Verträumt lächelte die Japanerin vor sich her und genoss die neue Zweisamkeit mit dem Russen. Gerade, als Hilary vorsichtig aufstehen wollte, schauten seine müde Rubine verwundert in ihr Gesicht, dann auf ihre Position. „Oh...Ich wollte dich nicht so bedrängen! Ich muss geträumt haben...“, mit einem Ruck saß sie im Bett. Das trieb dem jungen Mann ein amüsiertes Grinsen ins Gesicht, denn, nackt wie Gott sie schuf, saß sie vor ihm. Das bemerkte sie darauf auch. „Hey!! Glotz nicht so!“, giftete Hilary ihn an, und zog die Decke zu sich, um ihre Haut zu bedecken. „Wenigstens hast du mich nicht wieder getreten... Was hast du denn geträumt?“ „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern...“, sie wollte es nur nicht ihrem Mann erzählen, denn die brünette träumte ein weiteres Mal davon, dass Kai sie wieder verlassen würde, nach ihrer gemeinsamen Nacht. Doch entgegen ihres Traums, lag er neben ihr. Er zog sie am Arm zu sich und küsste sie etwas munterer. Hilary drückte ihn jedoch zurück. „Nicht! Was soll das?!“ „Ich gewöhne dich nur an diese Berührungen, denn in Zukunft wirst du sie öfter spüren...“, ein weiteres Mal zog er sie zu sich und legte seine Lippen auf ihre, ließ ihr Gelenk nicht los. Und schließlich gab die junge Frau sich geschlagen und erwiderte den Kuss kurz genießend. „Lass uns- aufstehen-“, versuchte Hilary ihm zu sagen, doch seine Lippen versiegelten immer wieder die ihre. Schnaubend löste er den Griff dann und stand auf. „Zieh dir was an!!“, ermahnte sie den blau-haarigen mit hochrotem Kopf. „Seh ich so schlecht aus?“, gespielt beleidigt, drehte er sich provokant grinsend zu seiner Frau. „AAARGH!“, vernahm er nur unter der Bettdecke. Es belustigte ihn in gewisser Weise, sie so mit ihrer Scham aufzuziehen. „Hast du jetzt was an?!“ „Nein. Ich geh duschen.“, die Badezimmertür klappte zu und Hilary war allein. Sie ließ sich nach vorne fallen. Das Gesicht grub sich in die Kissen, raubte ihr die Luft zum Atmen, worauf sie ihn zur Seite drehte. Kai's Kissen duftete wieder nach ihm. Als sie die Dusche hörte, huschte sie aus dem Bett und zog sich schnell etwas über. Nicht dass der Russe wieder auf dumme Ideen kam. Noch einmal legte Hilary sich zurück und wartete darauf, dass Kai herauskam. Kurze Zeit später kam er spärlich mit einem Handtuch bekleidet heraus. Hilary verfolgte jede seiner Bewegung. „Was ist?“ „Ich frage mich, woher deine Narben kommen...“ „Fängst du schon wieder damit an.“, er verdrehte angestrengt die Augen. „Ja, es interessiert mich eben.“ „Hilary...du würdest es nicht verstehen.“, versuchte der Russe sie ruhig abzufertigen, doch die brünette wollte sich nicht abwimmeln lassen. „Bitte, Kai. So schlimm kann es doch nicht sein.“ „Was soll ich dir sagen?!“, er fuhr aufbrausend herum, seine Augen verdächtig zu kleinen Schlitzen verengt. „Dass mein eigener Vater mich wie Dreck behandelt hat, wie du unschwer erkennen kannst, nur damit sein Vater stolz auf ihn ist?!“, voller Wut über die zurückgeholte Erinnerung, brüllte der blau-haarige sie an. Hilary schreckte zusammen, sah ihn erschüttert an, als das aus ihm herausplatzte. Wieso konnte sie es nicht einfach darauf beruhen lassen, dass er nicht darüber sprechen wollte. Und nun das. „Es tut mir leid...“ „Das hilft mir auch nicht weiter.“, nüchtern ruhte sein Blick auf der jungen Frau, bis er angestrengt versuchte wieder herunter zu fahren. Er massierte seine Schläfen. „Ich bin unten.“, sagte Kai kurz und knapp und ging schnell nach unten. Hilary blieb allein zurück. Sie brauchte einige Minuten, um sich wieder zu fassen und verschwand bedrückt im Bad. Jetzt sollte sie die Sache wohl nicht mehr ansprechen. So wie Kai reagierte, war es ein gefährliches Thema, über dass sie noch eine ganze Weile nachdachte. Frisch geduscht und etwas beruhigter, kam sie zurück und zog sich an. Kai war nirgends zu sehen, also konnte die Brünette sich Zeit lassen. Unten gab die Kaffeemaschine laute Geräusche von sich, als das frische koffeinhaltige Getränk in den Behälter lief. Als es plötzlich an der Tür klopfte, sah der Russe überrascht auf. Er erwartete niemanden, also öffnete er nicht. Doch als er darüber nachdachte, kam ihr ein anderer Gedanke. Es könnte ein besorgter Bewohner aus dem Nachbardorf sein, um zu sehen, ob sie den Sturm heil überstanden hatten. Doch wen er dort vor der Tür vorfand, verschlug ihm die Sprache. „Heeeeey!“, die junge freundliche Stimme begrüßte ihn herzlich. Kai dagegen zog die Augenbraue hoch und schaute den jungen Mann verwundert an. „Was machst DU hier?“ „Du glaubst gar nicht, wie anstrengend es war, herauszufinden wo du gerade steckst! Dann auch noch diese Unmengen an Schnee... Gut, dass mir die Anwohner geholfen haben. Achso! Ich bin hier, weil du seit Tagen nicht auf meine Anrufe reagierst! Es gibt einiges zu besprechen!“, begann der blonde mahnend zu sprechen und trat sogleich in die Hütte ein. „Und kalt ist es auch! Das letzte Mal, war es wesentlich angenehmer...brrr.....“ Kai konnte seine schlechte Laune nicht verbergen, er sah ihn desinteressiert an und wand sich zu ihm. „Und das hätte nicht bis nächste Woche warten können, Max?“ „Nein!“, der Blondschopf und ehemalige Teamkamerad warf den großen Rucksack von der Schulter. „...es gibt Probleme beim Zentrum. Wiedermal...“, fuhr er fort und erntete ein vielsagendes Augenrollen. „Das ist hoffentlich ein Scherz.“ „Auch da muss ich dich enttäuschen. Ich hab die Unterlagen dabei. Sag mal...was machst du hier eigentlich?“, Max sah sich neugierig um. „Hat Kate dich hierher entführt?“, lachte er los und zog seine dicke Schneejacke aus. Kai verzog keine Miene. „Nein.“, damit wand er sich vom Blondschopf ab, um einen Kaffee zu holen. Dabei bot es sich an, dem fröstelnden Amerikaner gleich eine Tasse voll mitzubringen. Er reichte sie wortlos weiter und erhielt dafür einen dankbaren Blick. Dann erregte ein leises Brabbeln die Aufmerksamkeit des blonden Mannes. „Was war das? Bist du doch nicht alleine hier?“, ratlos sah er sich um und versuchte das Gebrabbel zu lokalisieren. Kai reagierte abgeneigt auf seine Frage und verdrehte ein weiteres Mal die Augen. Als Max der Tür zum Nebenzimmer näher kam, schritt er dazwischen. „Du bist ziemlich neugierig.“ Sofort hielt er Amerikaner inne und warf einen vielsagenden Blick nach hinten. „Habt ihr etwa ein Kind da drin?“, ungläubig sah er den Russen mit weit geöffneten Augen an. Doch ehe er antworten konnte, öffnete er die Tür einen Spalt und lugte herein. Ihn grinste ein halb munteres, halb verschlafenen Baby ins Gesicht. „Heeeey~ wer ist denn da schon wach?“, trällerte er grinsend und hob das ungeduldige Baby aus dem Bett. Den Becher Kaffee drückte er Kai in die Hand. „Du hast mir gar nicht davon erzählt!“, warf er dem blau-haarigen vorwurfsvoll vor. „Es gab auch nichts zu erzählen.“ „Aber du bist Vater! Das musst du mir doch erzählen!! Und das Baby ist sooooo niedlich~!“, Max kam nicht mehr aus dem Grinsen heraus. Was er nicht ahnte war, dass es das kleine Wesen bereits kannte. „Herzlichen Glückwunsch, Kai! Kate schläft sicher noch oben. Dann bin ich lieber leise. Oh man, so ein Baby ist bestimmt anstrengend, aber soooo süüß!“ Kai musste sich zusammen nehmen, um nicht wieder ausfallend zu werden. Dank dem Blondschopf, drohte seine Laune in den Untergrund zu sinken. „Krieg dich wieder ein, ja? Kate ist nicht hier und wir haben auch kein Kind zusammen. Das ist-“ „Max?“ Beide Blicke fuhren überrascht zur Treppe herum, auf der Hilary herunterkam. Die traute ihren Augen nicht. Ebenso wenig wie Max. „Wie jetzt? Was? Ähhh...Hil? Was ist hier los? Kai?“, Max starrte zwischen den beiden verwundert umher, während Kai das ignorierte und seinen Kaffee trank. Auch die brünette wusste nicht so recht, was los war. „Warte! Dann...ist...das hier...Emilia???“ „Ja.“, antwortete Kai knapp und Hilary nickte zustimmend. „Jungs, es gibt hier eine Menge aufzuklären, denke ich.“, warf die junge Frau in die Runde. „Ich geh Emilia anziehen und dann erklärt ihr mir, was hier los ist.“, damit nahm sie dem blonden ihre Tochter ab und ging nach nebenan. Max dagegen, sah seinen Freund sehr neugierig an und begann auf russisch zu sprechen, während Kai sich auf dem Sofa nieder ließ. „Gib mir wenigstens die Kurzfassung! Bitteeee!“, bettelte der Amerikaner ihn an, beugte sich nach vorn und schlug die Hände vor seinem Gesicht bittend zusammen. Ein ergebenes Ausatmen, verriet ihm, dass er es geschafft hatte. „Ich sollte Kate heiraten, weil sie schwanger ist. Das Kind ist nicht von mir, also hab ich sie vor dem Altar stehen lassen und-“, er stoppte. „Und?“, bohrte Max nochmal nach. Am liebsten hätte der Russe den letzten Teil für sich behalten. „...und hab Hilary geheiratet.“ Dem jungen Mann entgleisten sämtliche Gesichtszüge und das anfängliche Lachen verstummte, als er merkte, dass Kai keinen Scherz machte. „Das ist die Kurzfassung.“ „...wow...ich dachte ihr wärt glücklich...und dann Hil? Warum?“, fragte er völlig perplex. „Weil Emilia meine Tochter ist.“ „WAS?!“, schrie er vor Entsetzen durch den Raum und gleich darauf schlug er die Hand vor den Mund, um nicht noch einmal auf zu schreien. „Du hast mir gar nichts davon erzählt!“, flüsterte der blonde angestrengt, seine Augen aufgerissen. Kai sagte nichts weiter dazu und schlürfte seinen Kaffee weiter. Kapitel 48: Ausflug mit Folgen ------------------------------ Kapitel 48 „Warum schreist du denn so herum, Max?“, Angesprochener starrte jetzt seine Freundin verstört an. „Max? Alles ok?“ „Er weiß es.“ „Hm?“ „Er weiß alles.“ „Oh...“, Hilary's Gesicht schaute bedrückt zu Boden. Noch immer quälte sie das schlechte Gewissen. Doch einen Augenblick später versuchte sie das Thema zu wechseln. „Jetzt erklärt mir endlich, was Max hier macht!“ „Max ist mein Geschäftspartner.“, begann Kai. „Ja! Dein hilfreichster, zu gütigster und hart arbeitender Partner!“, Max ergänzte Kai's Aussage und grinste nun etwas fröhlicher daher. „Streich die ersten Teile deines Satzes, dann stimmt es halbwegs.“, gab der blau-haarige trocken zurück. „Hey...“, spielte der Blondschopf nun traurig und verzog den Mund. Hilary konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. In den letzten zwei Jahren waren Max und Kai zu engen Partnern und Freunden zusammengewachsen. Es war für den Amerikaner anfangs sehr ungewohnt, den sonst so kühlen Teamchef von einer anderen Seite kennen zu lernen. Doch sofort konnte er Max damals von seinem Vorhaben überzeugen, worauf auch Judy und Emily ihre Forschungen erweiterten. Neben dem Bau des Zentrums, sollten sie jetzt an neuen Startern und verbesserten Ersatzteilen feilen, um für den Beyblade-Nachwuchs das passende Equipment zu haben. Kai unterstützte das mit finanziellen Leistungen. Und während er in Russland seinen Plan in die Tat umsetzte, konnte Max in den USA neue Kontakte knüpfen und ihm Geschäftstermine abnehmen. Das schweißte die jungen Männer zusammen und die eine oder andere Partynacht verbrachten sie auch miteinander. Sei es nun in Moskau oder in New York gewesen. Max eignete sich sogar die russische Sprache an, denn auf Kai's strenge Anweisung, musste er sich mit russischen Sponsoren herumschlagen, die kein Wort Englisch verstanden. Japanisch sprachen sie daher nur noch selten. Jetzt wo Hilary allerdings bei ihnen war, sprachen die beiden wieder mehr Japanisch. „So ist das also...“, überrascht, verwundert und freudig, hörte die junge Frau der Geschichte von Max zu. An einigen Stellen korrigierte Kai die ausgeschmückten Teile seines Freundes. „Jap! So sind Kai und ich Geschäftspartner geworden!“ „Damit hätte ich niemals gerechnet.“ „Tja. Manchmal muss man eben einen Schritt vom Weg abweichen.“, warf der Russe altklug dazwischen und zog zwei skeptische Augenpaare auf sich. Sogar Emilia zog die Augenbrauen kurz hoch, ehe sie das nächste Stück von ihrem Brötchen einforderte. Max reichte ihr ein kleines Stück. Er hatte sich gleich dafür eingesetzt, sie füttern zu dürfen. So wie anfangs auf dem Festival. Als er später nur noch mit Emilia spielte, weil sie keinen Hunger mehr hatte, drängelte der blau-haarige den Amerikaner. „Wenn du dann fertig gespielt hast, könntest du mir die Unterlagen geben.“ „Gleich!“, sagte Max nebenbei und schüttelte die kleine Rassel vor Emilia's Nase. Kai versetzte ihm nicht sichtbar für Hilary, einen Tritt gegen das Schienbein seines Partners, gefolgt von einem auffordernden Blick. Schmerz verzogen rieb er sich das Bein und holte die Unterlagen aus dem Rucksack. „Das Bauunternehmen hat seit zwei Wochen keinen Finger krumm gemacht?“ „Ja...ich habe schon versucht mit dem Firmenchef zu sprechen...doch ohne Erfolg. Ständig hatte ich die Sekretärin an der Strippe...“, resignierend schüttelte der Blondschopf den Kopf. Das passte dem jungen Geschäftsführer so gar nicht. Er stand mit einem Ruck auf und griff nach seinem Handy. Der Blick darauf, ließ seine Laune noch weiter sinken, wenn das überhaupt noch ging, denn auf dem Bildschirm waren 5 neue Anrufe in Abwesenheit. Die konnten nicht von Max stammen. Genervt holte er die Unterlagen vom Küchentisch, tippte die Nummer des Unternehmens ein und ging mit den Unterlagen im Wohnzimmer ungeduldig auf und ab. Dann endlich schien jemand abzunehmen. Kai führte das Gespräch auf ziemlich unfreundlichem Russisch. Seine Stimme klang hart und bedingungslos. Max versuchte ihm zu folgen, doch da er den Gegenseite nicht hören konnte, fiel es ihm schwer. Hilary verstand von allem nur Bahnhof und wendete sich wieder ihrer Tochter zu, die sie aus dem Stuhl nahm und zum Spielen auf den weichen Teppich im Wohnzimmer legte. Kai lief, mit dem Handy am Ohr, zurück in die Küche, um Ruhe zu haben. „Hoffentlich erreicht er was...“, Hilary hoffte für die beiden, dass sie nicht noch mehr Probleme bekommen würden. Max sah dem ganzen etwas entspannter entgegen. Wenn Kai, als Chef, etwas regelte, dann würde danach alles wieder seinen geregelten Gang laufen. „Mach dir keine Sorgen. Kai hat das gewisse 'Etwas'. Er schafft es immer wieder den Leuten gehörig auf den Zahn zu fühlen.“, grinste er seine Freundin an. „Allerdings find' ich es echt gemein, dass du mir nicht erzählt hast, dass Emilia eure gemeinsame Tochter ist.“, gespielt schmollend verzog er erneut das Gesicht. Die brünette schaute verlegen zur Seite. „Eigentlich sollte es keiner erfahren...aber dank Ray, weiß es Kai nun...“, sprach sie leise, sodass ihr Mann nichts davon mitbekam. Max konnte das allerdings nicht nachvollziehen, warum sie daraus so ein Geheimnis machen wollte. „Die Sache ist erledigt. Ab Morgen wird eine andere Baufirma die Arbeiten machen. Zuverlässiger als diese.“, er deutete auf die Papiere in seiner Hand und schmiss sie achtlos auf den Tisch. „Warum machen die Leute einfach nicht das, was sie sollen...“ „Frag mich was leichteres.“, er hob unwissend die Schultern und widmete sich seiner kleinen Spielpartnerin. „Seid ihr jetzt eigentlich so richtig zusammen oder einfach nur verheiratet?“, platze dem blonden diese pikante Frage heraus, ohne dass er einen der beiden ansah. Er löste mit dieser ungehaltenen Frage bei der brünetten eine auffällige Schnappatmung aus, während der Russe ziemlich gelassen blieb und auf dem Sofa ein Stück nach unten rutschte. „Das geht dich nichts an.“ „Wie immer lässt du dir nicht in die Karten schauen...“, daraufhin bekam der Amerikaner ein zufriedenes Grinsen des Russen. So ging der Vormittag schleichend dahin. Max und Hilary spielten ausgiebig mit Emilia, die quer durch den Raum robbte und immer wieder versuchte sich an den unterschiedlichsten Gegenständen hochzuziehen. Kai hielt sich dabei dezent im Hintergrund. Am frühen Nachmittag beschlossen sie alle zum See, ein Stück hinter der Hütte, zu gehen. Dahin, wo Kai und Hilary schon vor ein paar Tagen wollten. Als alle dick eingemummelt waren, stapften sie durch den dicken Schnee Richtung Wald. Kai sperrte die Hütte ab und folgte den beiden. Das Wetter war prächtig. Wie gemacht für diesen kleinen Nachmittagsausflug. Die Sonne schien und keine Wolke war am Himmel zu sehen. Als sie kurz vor dem See waren, ließ Max sich ein kleines Stück zurückfallen. Unbemerkt von Kai formte er einen kleinen Schneeball. Hilary sah ihn drohend an und als er die Schneekugel warf, prallte sie gegen Kai's Schulter. Der blieb wortlos stehen und drehte sich langsam um. Unschuldig zeigte Max schnell auf Emilia, die Hilary in den Armen trug und mit offenem Mund ihren Freund anstarrte. „I-i-ich war das nicht, Kai!“, versuchte Hilary sich aus der Misere zu ziehen, doch Kai kam auf die drei zu. Der Blondschopf grinste hämisch und wich einen Schritt zurück, ehe Kai in Reichweite kam, rannte er an ihm vorbei auf die Eisfläche. Schlitternd grinste er siegessicher vor sich her, ohne darauf zu achten, was in seiner Umgebung passierte. Einen Moment später flog zielsicher ein weiterer Schneeball über den See, der sein Ziel nicht verfehlte. Und zwar genau in den Kragen des Amerikaners. Max zuckte zusammen, als er den kalten Schnee spürte, wie er langsam an seinem Hals und dem Rücken nach unten lief. Hoffnungslos versuchte er sich davon zu befreien. Kai hatte ein dickes Grinsen im Gesicht, welches sofort verschwand, als er sah, dass Hilary ihn ansah. Grimmig nach vor schauend, ging er näher an den gefrorenen See. „Komm.“ Schnell stapfte Hilary hinter ihm her. Vorsichtig näherte sich Max seinem Partner und wollte Emilia mit auf das Eis nehmen. Doch als er sah, dass Kai mit seinem Fuß Schnee zusammenschob, suchte er schnell das Weite mit seiner kleinen Freundin. „Ich hab eure Tochter! Also wirf mich nicht nochmal ab!“, rief er zurück an den Rand. Emilia lachte laut, als sie zusammen mit ihm über die Eisfläche schlitterte. Hilary lächelte zufrieden vor sich her und winkte den beiden zu. „AAAAAAAAH!!“, plötzlich schrie sie laut auf. Kai schlug ihr leicht auf den Rücken und drückte das kalte Eis gegen ihre Haut. Dann ging er unbeirrt auf die Eisfläche. „KAI!“, wild mit den Armen fuchtelnd, versuchte jetzt die Brünette sich von dem Schnee zu befreien, den ihr Mann ihr in die Jacke gesteckt hatte. Das kleine Stück, was sie aus der Jacke heraus bekam, warf sie nach dem Russen. Verfehlte ihn aber um Längen. Sie formte einen weiteren Ball und nahm diesmal Anlauf. Mit Schwung rannte sie los, bemerkte dabei nicht, dass unter ihren Füßen schon das Eis war und schmiss die Kugel. Nur knapp verfehlte sie ihren Mann. Dafür verlor sie beim Stoppen ihr Gleichgewicht und setzte sich danach wie ein tolpatschiges Reh mit dem Hintern aufs Eis. „Aua...“, schmerzhaft rieb sie ihr Steißbein. Langsam steuerte Kai auf sie zu. „Das kommt davon! Du bist ziemlich tollpatschig.“, mehr freundlichere Worte hatte der blau-haarige nicht für seine Frau übrig. Trotzdem reichte er seine Hand, um ihr wieder auf die Beine zu helfen. Nochmal rieb sie ihren unteren Rücken. „Danke...“ „Hm.“ Langsam versuchte Hilary sich auf der Eisfläche vorwärts zu bewegen, während Kai sicher auf dem Eis voraus schlitterte. Als waschechter Russe, hatte er gewissen Heimvorteil, dachte sie sich. Bei Max angekommen, gab er Emilia wieder ab, nur um eine große Kugel zu formen. „Du baust jetzt nicht wirklich einen Schneemann?“, fragte der Russe ungläubig nach, denn so etwas hatte er im Kindergarten gebaut, und nicht mehr als Erwachsener. „Nein.“, Max ließ sich nicht davon abbringen und klopfte nach 10 Minuten zufrieden auf sein Kunstwerk. „Na, wie gefällt es euch?“ „Ähm...das ist doch ein Schneemann.“, bemerkte Hilary. „Neieeen! Eine Schneefrau!! Schaut doch!“, er deutete auf die üppige Oberweite seiner Schneefrau. „Na, wenn das dein Idealbild von einer perfekten Frau ist, kann Emily einpacken.“, zog der Russe seinen Freund auf und grinste belustigt. „Außerdem ist dein Objekt nicht gerade für heiße Liebesspiele geeignet...“ „Hey! Du musst echt alles madig machen. Ich hab mir so viel Mühe gegeben! Emily bleibt die einzige Frau in meinem Leben!“ „Du bist mit Emily zusammen?“ „Ja! Wir sind glücklich und sie arbeitet mit meiner Mom zusammen in der Forschung für uns.“ „Wow...und ich dachte Kenny würde mit Emily... Es gibt echt eine ganze Menge, bei dem ich nicht mehr auf dem aktuellen Stand bin.“, stellte die Japanerin missmutig fest. „Bei dir hat sich doch auch einiges verändert. Dass wussten wir auch nicht, sei nicht so traurig!“, versuchte Max sie aufzumuntern. Immerhin entlockte er ihr ein kleines Lächeln. „Wir sollten langsam zurück. Es wird bald dunkel.“ „Ach komm...noch ein bisschen.“, bettelte Max ihn an und hielt ihm Emilia's niedliches Grinsen entgegen, doch Kai ließ sich davon nicht beeindrucken. „Macht was ihr wollt, ich gehe zurück.“ „Warte doch! Kai!“, unbeirrt von Hilary's Rufe, stapfte er weiter und entfernte sich von den anderen. Die braunhaarige lief ihm ein Stück hinterher, bis sie schmerzerfüllt in die Knie ging. Max eilte sofort zu ihr. „Was hast du?!“ „Ich bin vorhin auf das Eis gefallen...und jetzt tut alles weh beim Gehen...“, sie vergrub ihr vor Schmerzen verzogenes Gesicht in den Händen. Max, der Emilia auf dem Arm trug, rief Kai zurück, der genervt bei ihnen ankam. „Was ist denn noch?!“, fragte er äußert forsch. Der Blondschopf schilderte ihm kurz die Situation, worauf der Russe seinen Blick schweifen ließ und sich dann seiner Frau zu wand. Schnell ging er auch in die Hocke und erkundigte sich. „Kannst du aufstehen?“ Hilary nickte und versuchte daraufhin gleich sich aufzustellen, doch ging sie direkt wieder in die Knie. Wieder verzog sie ihr Gesicht, kniff die Augen fest zusammen, um nicht aufzuschreien. „Na klasse...“, jetzt war eindeutig der maximale Tiefpunkt seiner Laune erreicht. Resignierend schnaubte er durch die Nase aus. Erst nervte ihn Hilary mit seinen Narben, dann tauchte Max mit schlechten Nachrichten auf und zu guter Letzt verletzte sich seine Frau unglücklich beim Schneeball werfen. Das konnte er niemandem erzählen. „Halt dich an mir fest.“, forderte er seine verletzte Freundin auf, die überrascht auf seinen Rücken schaute. Den hatte er ihr zugedreht, um sie besser tragen zu können. Schnell hielt sie sich an den Schultern fest und der blau-haarige nahm sie Huckepack. Bei dieser Körpernähe wurde ihr ganz anders und urplötzlich heiß. Kräftiger umfasste sie die dicke Schneejacke. „Alles in Ordnung?“, fragte Kai leise zu der brünetten und drehte seinen Kopf in ihre Richtung, damit sie ihn besser verstehen konnte. Hilary nickte ohne etwas zu sagen, sie spürte nur die aufsteigende Wärme auf ihren Wangen. Ihr Gesicht drückte sie dichter an seine Schulter. Der Rücken schmerzte so sehr. Der junge Mann spürte, dass sie ihren Griff verstärkte. Auch er hielt sie fester auf dem Rücken. Es gab ihm noch mehr das Gefühl, das Richtige getan zu haben. Nach der Auseinandersetzung am Morgen, nahm sie ohne zu zögern seine Hilfe an. Er hätte jegliche Hilfe abgelehnt, weil es sein Stolz nicht zugelassen hätte. Aber ihre Stärke beeindruckte ihn. Dann vernahm er ein Schluchzen. Weinte sie etwa? Warum? Hin und hergerissen von ihrem Gefühlsausbruch, wägte er ab, ob er reagieren sollte. Und wenn ja, wie? Kapitel 49: Diagnose -------------------- Kapitel 49 ~~~Weinte sie etwa? Warum? Hin und hergerissen von ihrem Gefühlsausbruch, wägte er ab, ob er reagieren sollte. Und wenn ja, wie?~~~ Kurz checkte er den Amerikaner neben sich ab. Der unterhielt sich mit Emilia über Gott und die Welt und beachtete ihn nicht weiter. Also legte er seinen blauen Schopf etwas nach hinten, sodass er ihren Kopf leicht berührte. „Hör auf zu weinen...“, flüsterte der Russe ihr zu. Wie sollte er sonst reagieren? Hilary wischte kurz darauf eine Träne weg, die ihr kalt über die Wange lief. „Es tut mir so leid...dass ich...so eine Last für dich bin...“, nuschelte die Japanerin aufgelöst zurück. Kai nahm es gelassen. „Unsinn. Eine Last wäre es, Max auf dem Rücken zu tragen. Du kannst nichts dafür, dass du so tollpatschig bist.“, er schaute ernst nach vorne und bemerkte dann ein minimales, kurzes Drücken gegen seinen Nacken. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, dann konnte er schon die Hütte erkennen. Den kleinen Hügel mussten sie noch herunterlaufen, um endlich zurück zu sein. Kai reichte Max den Schlüssel zur Holzhütte, die er dann schnell öffnete, damit Hilary sich hinlegen konnte. In dem kleinen Häuschen war es angenehm warm, denn vor dem Verlassen legte Kai Kohlen auf, um bei der Rückkehr nicht heizen zu müssen. Vorsichtig setzte er Hilary auf dem Sofa ab und zog dann seine dicken Klamotten aus. Max zog Emilia den Schneeanzug aus, unter Anleitung seiner beeinträchtigten Freundin. Nebenbei versuchte Hilary sich bestmöglich auch auszuziehen, denn ihr wurde langsam warm unter der dicken Jacke. Es griffen die zwei kräftigen Hände nach ihrer Jacke und zogen sie vorsichtig von ihren Schultern. Überrascht fuhr sie herum, was sie sogleich bereute. „Du solltest dich nicht so hektisch bewegen.“ „Genau, Hil! Sonst wird es noch schlimmer.“, fügte Max noch besorgt hinzu. Ergeben seufzte die junge Frau und beobachtete ihren Mann, der neben ihr stand und auf seinem Handy herumtippte. „Was hast du vor?“, fragte Hilary ihn, als er das Telefon an sein Ohr hielt. „Ich lasse einen Arzt herbringen.“ „Das ist nicht nötig! Morgen wird es sicher schon besser sein. Ich ruhe mich nachher auch aus.“, versuchte Hilary den Russen von seinem Vorhaben abzubringen. Er begann das Telefonat auf Russisch und es dauerte nur ein paar Minuten. Max grinste sie breit an. „Was Kai sagt, ist Gesetz.“ „In einer Stunde wird der Arzt hier sein. Es dauert durch die Witterungsverhältnisse nur etwas länger.“ „Das hättest du nicht machen brauchen.“, gab die Japanerin kleinlaut von sich. Kai ging nicht weiter darauf ein. Er ging nach oben und machte sich frisch. „Warum muss das alles immer mir passieren...“ „Mach dir nichts draus! Es gibt schlimmeres. Oh...zum Beispiel die volle Windel von Emilia...“, in seine Nase zog ein unbeschreiblich, beißender Duft, den er mit seiner Hand versuchte weg zu wedeln. Hilary musste bei dem Anblick lachen, sehr zum Unmut ihres Freundes. „Dann musst du sie wohl wickeln!“ „Aber! Das kann ich nicht!!“, Max stand die Angst ins Gesicht geschrieben. Noch nie zuvor hatte er ein kleines Kind gewickelt. Und dann gleich so eine harte Belastungsprobe, der er sich stellen sollte. „...auf Kai brauche ich wohl nicht zu hoffen...oder?“, gequält grinsend versuchte er noch einen Lichtblick zu bekommen, doch diesen verbaute ihm Hilary, indem sie den Kopf schüttelte. Die Japanerin beschrieb ihm, wo er die ganzen Wickelutensilien finden würde und gab ihm dann eine detaillierte Anwendungsbeschreibung. Max kniete vor Emilia und biss sich auf die Unterlippe. Noch einmal drehte der Blondschopf seinen Kopf zu seiner Freundin, aber sie könnte ihm doch nicht helfen. „Los. Es gibt viel schlimmeres!“, ermutigte sie ihn, worauf Max begann die kleinen Sachen auszuziehen. Hilary unterstützte ihn mental so gut es eben ging. Doch nach vielen Pausen und Würgeattacken, konnte sich Emilia doch frisch gewickelt, in einer sauberen Windel, durch den Raum robben. Max war danach mit den Nerven am Ende. „Hat doch schon ganz gut funktioniert!“ Ihr blonder Freund schüttelte den Kopf. So schnell würde er so einen Job nicht nochmal tun. „Es war das schlimmste, was ich je tun musste!“, und direkt musste er sich zusammenreißen, nicht noch einmal zu würgen, da die Bilder und Gerüche noch stark in seinem Gedächtnis saßen. „Ist ja schon gut! Beruhig dich und trink erstmal was, dann ist es wieder besser.“, Hilary wusste nicht genau, ob Max das alles wirklich so nahe ging oder ob er schauspielerisch noch einen oben drauf setzte. Andererseits wäre das zu gut geschauspielert. Emilia bekam danach noch von Max Abendbrot und wurde dann, nach Anweisung von ihm in ihr kleines Reisebettchen gebracht. Es schien sie nicht zu stören, dass nicht ihre Mutter sie zu Bett brachte, sondern jemand anderes. So schlief sie, geschafft von dem spannenden Tag, ruhig ein. Nach einer viertel Stunde des Wartens, hielt vor der Hütte ein großer Jeep mit Schneeketten an den Reifen. Das musste wohl der Arzt sein, den Kai angerufen hatte. Draußen war es schon stockfinster und der große Mann leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe den Weg zum Häuschen. Max kam schon zur Tür und öffnete ihm schnell. Auf russisch begrüßten sie sich und er trat ein. Auch Kai gesellte sich nun wieder zu den anderen. Mit verschränkten Armen stand er jetzt neben dem Sofa und beobachtete das Geschehen. Als der Doktor sich an Hilary wand, übersetzte Max für sie und andersherum ebenfalls. Jetzt wollte er wissen wie das Ganze überhaupt geschehen war und das übernahm Kai, weil Max nicht genau gesehen hatte, wie es passierte. Hilary sah peinlich berührt auf ihre Beine. So eine dumme Geschichte hatte der Arzt sicher noch nicht gehört. Er schmunzelte ein wenig und bat sie dann den Oberkörper frei zu machen. Doch nur zögerlich wollte die junge Frau das tun. „Max.“, der blonde drehte sich zu dem blau-haarigen, der ihn mit einer Geste nach oben verwies. Nickend lächelte er nochmal zu Hilary und verließ das Zimmer brav. Zögerlich zog die braunhaarige ihren Pullover aus und musste sich aufrecht hinstellen. Kai stützte sie. „Danke...autsch!!“ Der Doktor tastete ihren Rücken ab und fand auch prompt die schmerzende Stelle. Er wackelte und rüttelte an ihr herum und Hilary krallte sich vor Schmerzen in Kai's Oberarme. Das, was der Doktor ihr erzählte realisierte die junge Frau gar nicht mehr, mal abgesehen davon, dass sie es eh nicht verstand. Dafür sprach Kai stellvertretend mit ihm. „Du kriegst eine Spritze gegen deine Schmerzen.“ „Okay.“, murmelte sie und kurz darauf spürte sie einen kurzen Stich in den Rücken, dann durfte sie sich wieder anziehen. Erschöpft legte Hilary die Beine hoch und ruhte auf der Couch, während Kai noch den ganzen Schreibkram mit dem Arzt erledigte. Er verabschiedete sich höflich und fuhr zurück in die Stadt. Der Halbrusse sperrte die Tür ab und atmete erleichtert auf. „Du hast eine Steißbeinprellung. Das kann sich über mehrere Wochen hinziehen, verbunden mit Schmerzen. Zum Glück bist du nicht so unglücklich gefallen, dass es einer stationären Behandlung bedarf. Und das alles nur, weil du nicht mal einen Schneeball richtig werfen kannst...“ „Du hast doch damit angefangen!“, rief Hilary ihm zurück und bekam dafür nur ein müdes Schulterzucken. „Ich hab dir nicht gesagt, dass du den Schneeball werfen solltest.“, er ging zur Küche rüber und setzte Wasser auf. Vorsichtig kam jetzt auch wieder Max die Treppe herunter. Er hatte geduscht und sich erstmal aufgewärmt. Da es das einzige Bad in dem Haus war, musste er gezwungenermaßen durch das Schlafzimmer der beiden. Ihm war dabei ziemlich mulmig, da Kai normalerweise niemanden in seine Privatgemächer ließ. Außer ausgewählte Frauen. „Kann ich wieder runterkommen?“ „klar.“ „Und was ist nun mit dir, Hil?“, erkundigte er sich gleich bei ihr. „Steißbeinprellung...also halb so wild!“ „Na, ein Glück!“, lächelte der blonde erleichtert. Neugierig ging er darauf zu seinem Freund in die Küche. Dort brodelte das Wasser im Topf und Kai schien Abendbrot zu kochen. Das erste Mal, dass er ihn am Herd stehen sah, sonst bestellte Kate immer das Essen per Anruf. Max gesellte sich dann lieber wieder zu Hilary. Die hatte den Fernseher eingeschaltet und zappte durch das russische Programm. „Mhhh...“ „Na? Suchst du was bestimmtes?“ „Nein...ich verstehe sowieso kein Wort davon.“ „Das bringen wir dir schon noch bei!“ „Haha...Du vergisst mein überaus großes Talent für Sprachen.“ Max ließ sich davon aber nicht abbringen, das gesehen Programm gleich für Hilary zusammen zu fassen. Und danach versuchte er die junge Frau gleich in russisches Gespräch zu verwickeln, um festzustellen, wie viel sie überhaupt verstand. Doch ihr überfordertes Gesicht und Falten überzogene Stirn, offenbarten ihm die schonungslose Wahrheit. „Du kannst gar nichts? Ohje...“ Hilary verzog nur übertrieben lächelnd ihr Gesicht, bevor Kai dazu kam und beiden Parteien ein warmes Essen reichte. Dankend nahmen sie die Teller zu sich.Während Hilary im Liegen auf der Couch aß, hatte Max sich im Schneidersitz davor gesetzt, um sich mit beiden unterhalten zu können. Und Kai schon sich den kleinen Hocker mit dem Fuß näher heran und setzte sich da rauf. Während des Essens sprachen sie über vergangene Zeiten. Vorrangig ging es aber um die Arbeit der beiden, bis der blonde schließlich auf russisch weiter redete. Kai zog die Augenbraue hoch. „Das ist jetzt ziemlich ungerecht.“, antwortete er auf japanisch. „Aber sie muss es doch lernen.“, entgegnete Max wieder auf russisch. „Aber nicht mehr heute.“, erwiderte der blau-haarige auf japanisch. Hilary blickte derweil skeptisch zwischen den jungen Männer her. Die Diskussion war beendet für Kai und es herrschte Stille, während sie weiter aßen. Da es nach dem Essen schon später als sonst war, beschlossen sie nur noch einen Film zu schauen. Zum Glück kam auch ein passender Action-Film. Auf russisch. Innerlich verdrehte Hilary die Augen, aber ändern konnte sie es nicht. Sie war in der Unterzahl. Max brachte noch schnell das Geschirr in die Küche und kam eilig wieder zu seinem Platz, um den Film nicht zu verpassen. Der Russe dagegen, hob Hilary's Beine hoch und setzte sich zu ihr auf das Sofa. Schließlich wollte er bequem sitzen und den Abend nicht auf einem kleinen Hocker verbringen. Die brünette sagte nichts dazu. Kai hatte heute so viel für sie getan, da wollte sie ihn nicht noch an maulen. Ganz selbstverständlich legte er die Hände auf ihren Füßen ab, als wären sie schon Ewigkeiten miteinander vertraut. Schmunzelnd rieb sie sich über das Gesicht. Ein lautes Krachen drang aus dem Fernseher und ließ sie Japanerin zusammen zucken. In dem Film ging es schon am Anfang hoch her. Eine wilde Verfolgungsjagd, gefolgt von explodierenden Autos, die durch die Luft flogen. Es langweilte sie jetzt schon, dabei konnte sie einfach nicht verstehen, was die Männer an solchen Filmen toll fanden. Für ein paar Minuten schloss sie die Augen. Im Fernseher dröhnte es weiter, zwischendurch gab es auch ruhigere Passagen. Natürlich musste es auch eine Liebesgeschichte darin geben. Die wilde Verfolgte, verliebte sich in den weiblichen Cop der Gegenseite, und ihre verbotene Liebe musste geheim bleiben, woraus aber nichts wurde. Ein typisches Drehbuch eben. Als endlich der Abspann lief, schaltete Kai das Gerät aus. „Genug für heute.“, Max nickte und sah nach Hilary. Die schlief schon seelenruhig auf der Couch. Breit grinsend deutete er auf sie und Kai's Miene verzog sich. Sein Blick wurde weicher und ein schwaches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Deswegen war es so ruhig.“ „Ja, war ein anstrengender Tag für sie. Und einen Film zu gucken, den man nicht verstehen, ist sicher auch nicht spannend.“ „Hm. Ich nehme sie mit hoch.“, vorsichtig stand er auf, um sie nicht zu wecken. Gerade als er sie hochnehmen wollte, fiel Max ernst dazwischen. „Du hast sie doch nicht aus Liebe geheiratet, oder? Und auch nicht, weil du der Vater von Emilia bist. Wolltest du Kate eins auswischen?“ Doch Kai hatte nur ein müdes Lächeln im Gesicht. „Es hat sich eben so ergeben.“, zufrieden blickte er auf seine schlafende Frau. Dem Amerikaner dämmerte es langsam. „Du hast doch Gefühle für Hil!“ „Hör auf so einen Mist von dir zu geben!“, fauchte der Halbrusse ertappt seinem Partner entgegen und funkelte ihn düster an. „Schon klaaaaar.“, winkte er lässig ab, denn mittlerweile konnte Max das Verhalten von Kai einschätzen, und so wusste er, dass das eben reiner Selbstschutz war. Kai umfasste Hilary am Kopf und an den Beinen und hob sie zu sich. Dann ging er an dem breit grinsenden Max vorbei. „Pass auf, dass dir das Grinsen nicht vergeht.“, schnaubte er laut und verschwand nach oben. Der Blondschopf legte sich entspannt auf das Sofa, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „Niedlich.“, schmunzelte er weiter vor sich hin. Etwas anderes fiel ihm zu seinem Geschäftspartner einfach nicht ein. Hätte Kai ihn gehört, würde er ihn wohl meucheln dafür. Vorsichtig legte er der blau-haarige Hilary auf dem Bett ab, deckte sie zu und legte sich zu ihr. Er stützte sich noch auf dem Unterarm und beobachtete die junge Frau. Wieder schlich sich ein warmer Gesichtsausdruck auf seine sonst so ernste Miene. Er hatte Gefühle für sie, keine Frage. Dass Max ihm das allerdings so frech a den Kopf warf, gefiel ihm nicht. E war eben nicht der Typ Mensch, der allen sein Glück mitteilen musste. Ruhig beugte der Russe sich über die schlafende und küsste zärtlich ihre Stirn, dann legte er sich auch hin. Hilary schlug die Augen auf, blinzelte ein paar Mal. „Schlaf weiter.“, murmelte Kai ihr zu, worauf sie ihre Augen wieder schloss. Gequält dreht sich die braunhaarige auf die Seite und legte ihre Arme fest um Kai's kräftigen Oberkörper. Sie schien im Halbschlaf nicht zu merken, wen sie da gerade umarmte, doch dem Russen machte es nichts aus. Stattdessen fuhr er über das entspannte Gesicht seiner Frau, hinunter zu ihrer Hüfte, auf der seine starke Hand nun ruhte. Vielleicht sollte er endlich offener zu der brünetten werden, sonst würde er sie womöglich wieder verlieren. Unbewusst drückte er den zarten Körper näher an sich. Auf keinen Fall wollte er sie noch einmal enttäuschen und so schlief er allmählich auch ein. Am Morgen darauf verspürte Max in aller Herrgottsfrühe ein dringendes Bedürfnis, dem er unbedingt nachgehen musste. Einziges Problem an der Sache: das Schlafzimmer, zwischen ihm und dem Bad. Leise schlich er die Holztreppe hinauf, schaute um die Ecke und sah, dass beide schliefen. Also huschte er schnell hindurch ins Badezimmer. Erleichtert schaute er aus dem geöffneten Türspalt auf das Bett. Die Lage war unverändert. Beide schliefen noch immer. Bevor er wieder nach unten ging, hielt er an der obersten Stufe und drehte auf dem Absatz um. Zu groß war die Versuchung, Kai und Hilary zusammen schlafen zu sehen. Auf leisen Sohlen schlich er näher. Die dicke Decke versperrte ihm aber die Sicht auf das schlafende Paar. Da musste er noch ein Stück näher heran. Gesagt, getan, stand er nun am Kopfende und erhaschte einen kurzen Blick. Hilary zum Fenster gedreht, auf der Seite liegend, Kai dicht dahinter. Ihre Körper berührten sich. Er konnte nur erahnen, dass der blau-haarige seinen Arm um sie gelegt hatte. Zufrieden schlich er nach unten. Den beiden gönnte er das Glück. Kapitel 50: Ein neuer Plan -------------------------- Kapitel 50 Knapp zwei Stunden später, wurde Kai von seinem vibrierenden Handy aus dem Schlaf gerissen. Verschlafen öffnete er die Augen, versuchte danach zu greifen, doch er schob es mehr zum Rand des Nachttischchens, bis es zu Boden fiel. Schnauben ließ er seine Hand sinken, ehe sie wieder unter der Decke auf Hilary's Hüfte ihren Platz fand. Innerlich wollte er wissen, wer da so früh bei ihm anrief. Andererseits vielleicht auch nur Kate. Den Duft seiner Frau einatmend, schaltete der junge Russe wieder ab. Neben ihm bewegte es sich plötzlich. Hilary drehte sich zu ihm herum. Ihre Augen geschlossen, schmiegte sie sich an den warmer Körper. Kai spürte ihren Atem auf seiner Brust, und langsam kam in ihm wieder dieses Gefühl auf. Wie gerne würde er sie jetzt an sich pressen wollen, ihren Körper mit heißen Küssen bedecken. Doch in ihrem Zustand, wäre das eher eine Belastung. Die brünette bewegte ihren Kopf, anscheinend träumte sie etwas. Die Augenbrauen verzogen sich kurz, bis ihre rehbraunen Augen müde geöffnete wurden. Sie blinzelte ein paar Mal, ehe sie mehr wahr nahm. „Kai...“, wisperte die junge Frau kaum hörbar und hob den Kopf. Angesprochener sah ihr ins verschlafene Gesicht und lächelte schwach. „Gut geschlafen?“ „Hm...Geht so. Hm?“, überrascht schaute sie an sich herab. Sie trug noch die Kleidung vom Vorabend. Wie kam sie überhaupt ins Bett? Kai beantwortete ihre stummen Fragen. „Ich hab dich ins Bett gebracht...und ich wollte die nicht zu nahe kommen, deswegen hast du deine Klamotten noch an.“ Hilary sah ihn skeptisch an. „Dass hat dich damals auch nicht davon abgehalten mich auszuziehen.“ „Da warst du nicht verletzt.“ „Achso...und da dachtest du dir, jetzt wo ich mich nicht wehren kann, macht es dir keinen Spaß mehr?“ „Unsinn. Ich wollte dich nur nicht aufwecken. Du hattest einen anstrengenden Tag.“, der blau-haarige umspielte ihre Strähnen am Nacken und sah ihr ernst ins Gesicht. „Ach ja...“ „Und bei diesem F-“, Kai stoppte in seinem Reden. Wieder vibrierte das Handy. Angestrengt versuchte er es zu ignorieren, doch Hilary machte die Neugier perfekt. „Vielleicht ist es die neue Baufirma.“ Das wäre denkbar. Er rutschte schnell auf den Rücken herum und tastete nach dem Telefon auf dem Boden. Auf dem Display war eine ihm unbekannte Nummer zu sehen. „Womöglich hast du Recht.“, er blieb auf dem Rücken liegen und nahm den Anruf an. „Hiwatari?“, am anderen Ende herrschte einen Moment lang Stille, bis eine Frauenstimme auf russisch wild aus dem Telefon brüllte. Sofort hielt der Russe das Handy ein ordentliches Stück von seinem Ohr und drehte den Kopf etwas zur Seite. Er sah seine Frau vorwurfsvoll an, ehe er den Anruf abrupt beendete, das Handy auf stumm schaltete und es unachtsam nach unten fallen ließ. „So so...die Baufirma...“, übertrieben ernst sprach er zu ihr. Eine Augenbraue verdächtig weit nach oben gezogen. Hilary presste ihre Lippen aufeinander, um nicht aufzulachen. Unschuldig zuckte sie leicht mit den Schultern, sah dann aber nach unten. Kai seufzte und wollte darauf aufstehen. „Warte.“, die brünette hielt ihn am Unterarm und sah ihn an, als wollte sie etwas sagen. Der blau-haarige überrascht von ihrem Verhalten, wartete. „Kannst du noch ein bisschen bei mir liegenbleiben...so wie eben?“, ihr Herz raste vor Aufregung, dass sie ihn das fragte. Kai schloss kurz die Augen, drehte sich schließlich zu ihr herum, umfasste ihren Körper, zog sie dicht an sich. Und verharrte mit ihr in dieser Position. Sein Kinn an ihre Stirn gelehnt, schloss er die Augen erneut. „Klopf, klopf? Schon einer von euch beiden wach?“, klopfte es leise an der Holzwand des Schlafzimmers. Auf der obersten Stufe der Treppe, stand Max und streckte der Kopf um die Ecke. Während Kai laut ausatmete, lag die braunhaarige starr unter der Decke. Er setzte sich auf. „Was willst du?“, fragte er knurrend und trieb den Blondschopf in die Bredouille. „Ähhh...ich wollte nur sehen, ob ihr wach seid...weil...ich Frühstück gemacht habe. Soll ich das für Hil hochbringen?“ Auffordernd sah Kai zu seiner Frau, die sich weiter unter der Decke versteckt hielt. „Hm?“ „Ich...äh...ich komme runter!“, rief sie schnell und der Russe schaute wieder zu seinem Partner. „Du hast es gehört: meine Frau hat gesprochen. Wir kommen runter.“, sprach er gespielt, wie zu einem Bediensteten. „Ha ha! Dann beeilt euch lieber, sonst wird der Kaffee noch kalt!“ Amüsiert richtete der Russe sein Augenmerk auf Hilary. „Schaffst du es allein aufzustehen?“, und stieg federleicht aus dem Bett. „Klar!“, die brünette rollte auf den Bauch und richtete sich sich ebenfalls auf. Aber ganz bedächtig. „Siehst du, geht doch wieder!“, ihr Mann drehte sich zu ihr und knöpfte dabei seine Hose zu. „Übernimm dich nicht.“ „Quatsch. Gibst du mir auch ein paar frische Sachen aus dem Schrank?“, währenddessen zog sie ihren Pullover über den Kopf. „...Kai?!“ „Hm?“, belustigt hielt er ihren Sachen in der Hand. „Was denn, Schmerzen?“, grinste er breit, da Hilary die Arme über den Kopf ausgestreckt hatte, das Oberteil komplett hochgezogen, und nun nicht mehr weiterkam vor Schmerzen. „Hör auf so blöd zu Grinsen! Hilf mir gefälligst!“, meckerte sie durch das Kleidungsstück. „Hm...dabei ist das ein ziemlich interessanter Ausblick.“, zog der Russe sie noch weiter auf. „Kai!!“ Er zog ihr den Pullover schließlich ganz über den Kopf und befreite die junge Frau aus ihrer misslichen Lage. Hilary ließ sich auf den Bauch fallen. „Aua...“ Kai beugte sich zu ihr. Ohne zu fragen, schob er ihr Top weiter hoch, da ihre Haut hervorblitzte. „Hey, was soll das?!“ „Halt still! Kein Wunder, dass du noch Schmerzen hast. Das ist alles grün und blau geworden. Du schonst dich heute.“ „Halb so wild.“, winkte Hilary wieder ab. Kai verstand. „Gut, dann zieh dich endlich um, ich warte unten.“, sagte er hart, zog beim Gehen ein Shirt über und ging zur Treppe. Die brünette sah ihm erstaunt hinterher. Das konnte er doch nicht ernst meinen? Sie haderte mit sich selbst. „.....Kaaaaai?“ Angesprochener blieb vor der Treppe stehen. Hilary seufzte schwer. „...kannst...du mir...helfen?“, er verharrte auf der Stelle. „Bitteeeeee!“, schamlos nutzte der ihre Hilflosigkeit aus. Und er dürfte wohl auch genau wissen, wie sie sich dabei vorkam. „Na, gut. Los.“, Kai half ihr also auf, setzte sie an den Rand und half ihr beim Umziehen. Beide verloren kein Wort zueinander. Der Halbrusse stellte sich geschickt im Ausziehen an, beim Anziehen dagegen eher mittelmäßig. Und Hilary versuchte so viel wie möglich zu helfen und alleine zu machen. Endlich war es geschafft. „Kannst du aufstehen?“ „Ich probier's.“, ganz vorsichtig setzte sie die Beine auf und verlagerte ihr Gewicht darauf. Kurz sackte sie ein, aber sie gewöhnte sich ziemlich schnell an den Schmerz beim Stehen. „Klappt!“ „Dann gehen wir.“ Unten wartete Max schon ungeduldig auf das junge Pärchen. Als er sie endlich die Treppe herunterkommen sah, musste er wieder schmunzeln. Was die beiden da oben wohl getrieben hatten? Aus Max' Gesichtsausdruck konnte wohl auch Kai ganze Bände lesen und zischte ihm nur ein „Ein Wort...“, drohend auf russisch zu und setzte sich an den Tisch. Dann bemerkte er Emilia am Tisch. Sie war angezogen und lutschte schon genüsslich auf einem Brötchen herum. „Tja, ich hab mir erlaubt Emilia anzuziehen.“, strahlte er zwinkernd zu seiner kleinen Freundin und bekam darauf ein süßes Lächeln seiner jungen Verehrerin geschenkt. „Damit hast du mir sehr geholfen. Danke Max.“ „Kein Problem! Also, guten Hunger!“ Die vier frühstückten in aller Ruhe. Es hetzte sie keiner und es herrschte eine ausgelassene Stimmung zwischen den Erwachsenen. Sogar Kai war nicht so wortkarg wie sonst immer. Generell sprach er jetzt mehr mit der brünetten und auch mit Max. Auf dem Festival dagegen sprachen sie kaum miteinander. Nach dem Frühstück räumten Kai und Max den Tisch ab, um Hilary zu schonen, wie der Arzt es verordnete. „Da fällt mir was ein. Max ich muss nachher noch etwas erledigen...“, begann er während er abwusch. „...und ich brauche dazu Hilary.“ Max horchte interessiert auf und unterbrach seine Tätigkeit. Aus dem Augenwinkel heraus, blickte er zu Kai, der weiter abwusch. „Was willst du mir damit sagen?“ „Dass du für die Zeit auf Emilia aufpasst.“ Max überlegte kurz. „Aber nur, wenn du mir sagst, was du mit ihr vor hast.“, grinste er siegessicher. Der Russe sprach darauf in seiner Heimatsprache weiter und erklärte dem Blondschopf, kurz und knapp, sein Vorhaben. „Echt? Und was ist mit Kate? Sie wollte das doch...und du weißt gar nicht, ob es Hil gefällt.“ „Das sollte kein größeres Problem darstellen. Kann ich mit deiner Hilfe rechnen?“ „Klar!“, er warf das Geschirrtuch über die Schulter und zeigte ihm den Daumen nach oben. Jetzt musste nur noch die Japanerin mitmachen. Kai verschwand nach oben, checkte sein Handy und telefonierte kurz. Nach dem Mittag würde er seinen Plan in die Tat umsetzen. Unten spielten Hilary und Max vergnügt mit Emilia. Hilary lockte ihre Tochter mit einem Spielzeug zum Sofa, an dem sie sich blitzschnell hochzog, um nach dem Spielzeug zu greifen. Doch dann gab sie es an Max weiter und das Spiel ging von vorne los. Als der blau-haarige wieder ins Wohnzimmer kam, stützte er sich auf die Couch und stand somit hinter Hilary, die sich angelehnt hatte. „Wir machen nachher einen kleinen Ausflug.“, sagte er einfach gerade raus, ohne sie dabei anzuschauen. Hilary's Augen wurden groß und verwirrt sah sie ihn an. „Wohin?“ „Kann ich dir nicht verraten.“, damit drückte er such wieder hoch, und steuert die Haustür an. „Und wo gehst du jetzt hin?“ Der Russe griff nach der scharfen Axt und hielt sie gut sichtbar nach oben. „Holz hacken.“, dann fiel die Tür ins Schloss. Hilary sah Max nun überfordert an. „Was hat er vor?“, der Blondschopf zuckte nur unwissend mit den Schultern. „Vielleicht ein romantisches Candle-Light-Dinner im Abendschein oder ein Besuch bei seinem Vater. Ihr habt schließlich geheiratet, da muss man seine Schwiegereltern kennen.“, scherzte der blonde weiter, doch die brünette fand das nicht sehr lustig. „Max! Das ist nicht witzig! Weißt du irgendwas?“ „Neeeee...Sorry, ich weiß nichts.“ „Wirklich nicht??“ „Nein. Ich weiß nur, dass ich auf Emilia aufpassen muss.“, frech streckte er seiner Freundin die Zunge entgegen. „Klar weißt du was... Kai hat dir sicher Schläge angedroht, wenn du es mir verrätst.“ „Eeeehm...sowas in der Art. Hehe.“ „Gib mir wenigstens einen Tipp!“ „Nope.“ „Hach...Das hätte ich eigentlich wissen müssen... Jetzt wo du mit ihm arbeitest, färbt sein Verhalten auf dich ab!“ „Gar nicht wahr.“ Kapitel 51: Unverhofft kommt oft -------------------------------- Kapitel 51 Hilary sah darauf zum Fenster hinaus. Sie konnte Kai draußen sehen, wie er nacheinander Holzscheite auf einen dicken Baumstamm stellte und sie zerschlug. Einen Moment beobachtete sie ihn dabei. Als er einige Scheite zerschlagen hatte, sammelte der Russe sie auf und legte sie in den Holzkorb, den er mit nach draußen nahm. Beim Einsammeln, schaute er kurz zum Fenster. Ihre Blicke kreuzten sich, worauf Hilary ihm ein sanftes Lächeln schenkte. Kai unterbrach den Augenkontakt umgehend. Er fuhr schnell herum, drehte ihr den Rücken zu und hackte weiter. „Man, den hat es ja ganz schön erwischt!“ „Hm?“ „Na, Kai! Sieht doch ein Blinder mit nem Krückstock, dass er in dich verschossen ist. Und du in ihn auch!“ Verlegen schaute Hilary weiter aus dem Fenster. Zu ihrem Ehemann. „Ich weiß nicht...Er ist wie immer.“ „Auch, wenn ihr allein seid?“ „Naja...“, Hilary überlegte. Eigentlich war er komplett anders. Seit dem Tag, an dem sie sich wiedertrafen und er von Emilia wusste, war er verändert. „...wenn wir alleine sind...ist er schon manchmal wie ausgewechselt... Dann glaube ich fast, dass er seine kühle Seite nur vorspielt. Aber dass er mich...liebt...glaube ich nicht.“ „Wie kannst du sowas sagen? Er hat Kate an ihrer Hochzeit abserviert und stattdessen dich genommen! Was kannst du daran nicht glauben?!“, mit dem Blondschopf ging es durch. Nach der Zeit, die er Kai näher kennenlernen konnte, urteilte er anders über ihn. „Kai könnte so ziemlich jede Frau kriegen und statt einer Frau mit perfekten Haaren, Beinen, Brüsten und perfektem Gesicht, entscheidet er sich für dich! Wenn das mal keine Liebe ist...“ „Also bin ich jetzt hässlich, oder wie?!“ „Nein! Scheinbar interessiert er sich mehr für den Charakter, als für das Aussehen. Und da liegst du klar vorne.“ „Hm...“, die braunhaarige schien verunsichert von Max's Worten. Warum hatte sie ihm das überhaupt erzählt? Das Türklappen lenkte die Aufmerksamkeit der beiden auf Kai. Ihr Gespräch endete abrupt, beide schauten ihn nur durchdringend an und verfolgten seine Bewegungen. „Was ist?“, fragte er genervt von ihren Blicken. „Nichts!“, riefen beide darauf synchron. Dem Russen dämmerte. Was für eine Art Gespräch zwischen ihnen gerade stattfand, ging aber nicht weiter darauf ein. Was sollte er dazu auch sagen. Sollten sie doch reden, was sie wollten. „Das sollte erstmal reichen, bis wir wieder zurück sind.“ Max warf ein Auge auf den übervollen Holzkorb. „Das reicht locker für zwei Tage! Wie lang wollt ihr denn weg??“ „Nicht so lang. Bis zum Abend sollten wir zurück sein.“ Die Japanerin horchte ganz leise auf ihrem Platz zu. Innerlich hoffte sie aus der Unterhaltung, der beiden Männer, doch noch ein paar Hinweise auf ihren Ausflug zu bekommen. Doch vergebens. „Sagt mal, habt ihr auch so großen Hunger wie ich? Mein Magen hängt in den Kniekehlen!“, dann hörten sie Max's Magen knurren und er hielt sich diesen mit leicht gerötetem Gesicht. „Nein, ich esse später.“, antwortete Kai ihm prompt und verwirrte Hilary damit noch mehr. Wollte er sie doch zu einem Essen ausführen? Aber das würde gegen sein Verhalten sein. Und wenn sie jetzt etwas essen würde, und er sie dann doch ausführen würde, hätte sie keinen Hunger mehr. „Ich hab auch noch keinen großen Hunger.“, beschloss die brünette für sich. Trotzdem würde sie ein leckeres Essen zaubern, da Emilia auch Hunger haben musste. Nachdem die kleine gefüttert war, legte Hilary sie schlafen und so konnte sie mit dem Russen zu ihrem Ausflug aufbrechen. Zuvor erklärte die Max ganz genau, was er wann machen sollte, wenn Emilia wieder aufwachte. Gewissenhaft prägte er sich alles ein. „Mach dir keine Sorgen! Ich schaff das schon!“, versuchte er sie zu beruhigen, doch das Herz der jungen Mutter blieb unruhig. „Können wir dann los?“ „Und wenn etwas ist, dann rufst du an, ja Max?“ „Geht klar!“ Sie wand sich an den blau-haarigen, der ungeduldig an der Tür stand. „Hast du dein Handy dabei?“ Wortlos griff er in die Innentasche von seinem Mantel und zog das Handy hervor, ehe er es wieder zurücksteckte. „Klar. Komm jetzt.“, der Russe griff nach ihrem Handgelenk und zog sie hinter sich her. Beim Herausgehen nahm sie noch ihre Jacke, die sie schnell über ihre Schulter zog. Vor der Hütte stand ein kleiner Wagen, den Kai arrangierte, um aus der Gegend weg zu kommen. Es sah nicht sehr modern aus, aber es sollte seinen Zweck erfüllen. Weniger Schritte vor dem Wagen musste Hilary vor Schmerzen eine Pause machen. Warum musste er auch so ziehen? „Was ist jetzt schon wieder?“ „Mein Rücken...du ziehst so doll!“ Sein Blick fiel er das zarte Handgelenk, dass er grob hinter sich her schleifte. Er sog die eisige Luft ein, ließ es umgehend los und stapfte zum Wagen. „Komm weiter...“, genervt von seinem kindischen Verhalten, setzte er sich ans Steuer. Kurz danach stieg Hilary auf dem Beifahrersitz ein und sie konnten endlich losfahren. Eineinhalb Stunden Fahrt würden sie jetzt von ihrem Ziel trennen. Die Zeit raste aber so schnell und sie kamen in der Stadt an. Etwas außerhalb der Innenstadt, bog Kai in eine große Einfahrt ab. Hilary wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Würde sie doch seinen Vater kennenlernen? Nervös spielte sie mit ihren Fingern. Am Eingang hielten sie an und er stieg aus. Zielgerichtet lief er zur Tür, während Hilary ihm mit den Augen folgte. Als Kai merkte, dass sie noch nicht ausgestiegen war, winkte er nach ihr. Also kam sie langsam aus dem Wagen zu ihm gelaufen. Den Schlüssel in der Hand haltend, steckte er ihn ihn das Schloss. „Du hast einen Schlüssel? Ist das dein Elternhaus?“, fragte die brünette vorsichtig, doch eine Antwort bekam sie nicht. Die Tür öffnetet sich und prüfend schritt der blau-haarige herein. Hilary schaute ungläubig ins Innere. Das Haus war fast komplett leer. Vereinzelt stand ein kleiner Schrank auf dem verstaubten Parkettboden und wirkte verloren. „Komm rein.“, Kai legte den Schlüsselbund auf einer staubigen Kommode ab. Die Augen seiner Frau wanderte quer durch den großen Raum. Es gab viel zu sehen, obwohl der Großteil der Möbel mit Staub bedeckt war oder Plastikplanen sie schützten. „Wer hat hier gewohnt?“ „Meine Eltern. Nachdem meine Mutter gestorben ist, hat er ein anderes Haus gekauft. Zu viele Erinnerungen...“, die in ihm ebenfalls aufkamen, ehe er weitersprach. „Willst du die Zimmer sehen?“ „Ja, gerne.“ Also führte er die brünette durch das Haus. Vom Wohnzimmer, in dem sie standen, führte eine breite Treppe aus dunklem Holz nach oben. In der ersten Etage gab es Unmengen an Zimmern. Allerdings lagen sie etwas abseits der anderen Räume. Darin hätten bestimmt 10 Besucher Platz gefunden. Näher am Wohnbereich zeigte er das Bad, in das Hilary nur schaute und lief den Gang weiter. „Was ist in dem Zimmer?“, schräg gegenüber dem Bad, gab es einen Raum, den der blau-haarige auslassen wollte. Die Japanerin bemerkte ihn erst beim erneuten hinsehen und doch fragte sie nach. Kai stand einige Schritte vor ihr und nickte ihr zu, worauf sie die Tür langsam öffnete. Das Zimmer war leer. Weder ein Schrank noch ein Bett standen darin. „Das war mein Zimmer.“, der junge Mann stand nun neben der braunhaarigen, sah hinein und atmete lang aus. „Es wird auch wieder mein Zimmer.“ Überrascht sah Hilary auf. „Gehört dir etwa das Haus?“ „Ja.“, so ließ er seine Frau im Türrahmen stehen, öffnetet eine weitere Tür im Flur. „Das könnte ein Kinderzimmer werden...“, sprach er gedankenversunken. Seine Begleitung trat ein und träumte vor sich hin. „Ja! Hier könnte ein Schrank hin! Und da, in die Ecke, ein Bettchen...und...und dort der Wickeltisch!“, die junge Frau schien begeistert von diesem Raum. „Hm. Du bist anscheinend schon hier eingezogen.“, sagte er trocken. „Äh...was? Nein! Das war nur ein Gedanke! Falls hier Leute einziehen, die irgendwann mal Kinder bekommen...“, eilig stürzte sie aus dem Zimmer heraus und zeigte auf die nächste Tür. „Was ist in dem Zimmer?!“ Amüsiert kam er hinterher. „Das war ein Aufenthaltsraum Nichts besonderes. Mehr gibt es hier auch nicht zu sehen, es wird eben noch einiges saniert.“, damit gingen sie zurück ins Erdgeschoss. Und Hilary konnte das große Wohnzimmer von oben betrachten, auch wenn es von einer riesigen Schicht Staub bedeckt war. Sie ging Richtung Ausgang, während Kai zu den Schlüsseln lief. „Und, was sagst du dazu?“ Hilary drehte sich fragend um. „Zu dem Haus? Es ist riesig und wunderschön“ Auch wenn nicht sehr viel drinsteht. Aber...ich finde es viel zu groß für eine Person...“ „...naja...“, er blieb neben der Kommode stehen. „...vielleicht bleibst du ja in Russland...“, leicht fuhr er mit zwei Fingern über die staubige Oberfläche und wartete ihre Reaktion ab. Diese fiel verhalten aus. „Ich kann nicht mal ein Wort russisch...und was ist mit meiner Familie...“ „Du hast den Kontakt zu deinen Eltern abgebrochen. Dich hält dort nichts mehr. Oder willst du zurück in diese Bruchbude?!“ Die brünette seufzte schwer, drehte sich herum zur Tür. „Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts mehr!“, alles drehte sich in ihrem Kopf. So viel war passiert, in so kurzer Zeit. Jetzt sollte sie auch noch entscheiden, wo sie ihr weiteres Leben verbringen sollte. Verzweifelt senkte sie den Kopf. „Dann werde ich für dich entscheiden.“ Um ihre Taille legte sich sein Arm und drückte sie leicht an sich. Hilary sah erstaunt in sein ernstes Gesicht, dass nun neben ihrem war. „Du wirst hier bleiben. Bei mir.“, sagte der Russe entschlossen und ging an seiner überraschten Frau vorbei. Dabei glitt seine Hand sanft über ihren Rücken entlang, über ihren Oberarm und schließlich zog er sie an der Hand mit sich. Die Japanerin setzte sich in Bewegung, doch ihre Wangen zierten einen Rotschimmer. “I-Ist das dein ernst?!“ „Ja.“, seine rubinroten Augen brannten sich wie Feuer in sie, da sie stehenblieb und nicht fassen konnte, was er gerade beschloss. „Ende der Woche sollten die Arbeiten abgeschlossen sein.“ Kapitel 52: Eine endgültige Auseinandersetzung ---------------------------------------------- Kapitel 52 Zu der brünetten gewandt, standen sich die beiden jungen Erwachsenen gegenüber, während Hilary noch immer leicht geschockt war. Kai hatte für sie entschieden. 'Du wirst hier bleiben. Bei mir.', innerlich hörte sie diesen noch einmal, bis sie schließlich die Autotür aus ihren Gedanken, in die Realität, zurückholte. Rasch folgte Hilary, denn sie hatte keine Lust, wieder eine Extra-Einladung zu bekommen. Kräftig zog sie die Tür zu und Kai startete den Motor, aber noch bevor er losfahren konnte, hielt sie ihn davon ab. „Kai.“, die junge Frau presste ihre Lippen angestrengt aufeinander. Sie hatte ein Vorhaben, doch dafür musste Hilary sich selbst überwinden. Angesprochener schaute sie nicht an, sondern wartete darauf, dass sie weiter sprach, ihre Lippen noch immer fest zusammengedrückt. „Danke.“ Nun sah er auf, drehte sich zu ihr und sogleich spürte er schon die weichen Lippen der braunhaarigen auf seinen. Überrascht von ihrem Handeln waren seine Augen weit offen. Doch langsam schlich sich ein kleines Lächeln auf seine, sonst so kalten Gesichtszüge, und der Russe erwiderte den vorsichtigen Kuss. Zufrieden ruhten seine Augen auf ihren, doch so zufrieden sie auch aussahen, so durchdringend sahen sie die junge Frau an. Hilary fühlte sich, als könne Kai all ihre Gedanken lesen. Sie fühlte sich entblößt und so hilflos. Und schneller denn je beendete sie den Kuss. Ihren Blick wieder nach vorne gerichtet, sah sie nicht mehr zu Kai. Der schaute genauso überrascht wie zuvor. Schloss die Augen, grinste innerlich und sah nach vorne. Das war das erste Mal, dass Hilary, von sich aus, einen Schritt auf ihn zu machte. Sicherlich nicht einfach, dachte er sich. „Lass uns fahren.“, er legte den Gang ein und langsam bewegte sich das Fahrzeug. Mit einem Mal brach es aus Hilary heraus. „Mein Schal!“, der Russe schaute sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Hm?“ „Ich hab meinen Schal vergessen!“, wiederholte sie sich. „Und wo soll der sein?!“, fragte der blau-haarige genervt. „Im Haus! Er muss irgendwo heruntergefallen sein.“, sie überlegte angestrengt wo, konnte sich aber nicht genau erinnern. Der Wagen stoppte. Der Russe knallte die Tür. „Bleib sitzen. Ich gehe.“, und ging eilig in das Haus zurück. Schnell wurde er an der Treppe fündig. Auf dem Weg zurück hing er seinen Gedanken nach. Wie zur Hölle brachte diese Frau ihn immer wieder dazu, Dinge zu tun, die er sonst nicht tat? Einen Schal zurückholen. Was interessierte ihn das überhaupt? Damals wäre er schweigend auf seinem Platz geblieben und hätte sich schlafend gestellt. Doch es war anders, jetzt. Gedankenversunken schloss er die Eingangstür erneut ab und bemerkte dabei, wie ein weiterer Wagen zügig auf das Grundstück einbog. Eine Augenbraue hochziehend beobachtete er das näher kommende Fahrzeug. Er kannte das elegante Auto und er brauchte auch nicht lange zu überlegen, wer dort drinnen sitzen würde. Der schwarze Wagen hielt genau hinter seinem metallic-blauen. De Tür sprang mit einem Ruck auf. Kai drehte seinen Oberkörper herum, seine Haltung angespannt und eisig zugleich. Auch Hilary sah von innen auf das Auto hinter sich. „Ich wusste, dass du es dir anders überlegst!“, auf ihn zu kam Kate mit einem siegessicheren Grinsen auf den Lippen. Ihr Blick besah den Russen von oben bis unten sehr genau, ehe sie an ihn herantrat und ihre Hand auf sein Gesicht legte und seine kalte Wange streichelte. „Gut siehst du aus.“ „Was willst du hier?“, fragte er sie nüchtern und hielt ihre Hand fest, so dass sie ihn nicht mehr berühren konnte. Unbeeindruckt davon, erzählte sie von ihrem Vorhaben. „Na, unser gemeinsames Haus anschauen, Pläne für die Inneneinrichtung schmieden und Möbel aussuchen! So, wie wir es machen wollten.“, sie strahlte geradezu vor Glück und Ungeduld zugleich. Denn allem Anschein nach, ging sie immer noch fest davon aus, mit ihrem Kai zusammen in das Haus einzuziehen. Das Gesicht der dunkelhaarigen Russin kam seinem näher, wollte ihn küssen, doch er klärte sie erneut auf. „Du wirst weder irgendetwas aussuchen, noch wirst du hier, in dieses Haus, einziehen.“, sein Griff verstärkte sich noch ein wenig und er zog sie dicht an sich heran. „Es gibt kein 'wir' mehr.“, flüsterte er bitterkalt, seine Augen verengt. Aus dem Wagen heraus, beobachtete Hilary die beiden und begann zu zweifeln. Warum streichelte sie ihn so zärtlich? Warum zog er sie so dicht zu sich heran? Hatte er doch noch Gefühle für Kate? Sie verstand nichts, doch ihre Gesten sagten viel mehr, als sie hören wollte. Stumm drehte sie sich herum. Das wollte sie nicht sehen. Schon lange genug, sah sie nur zu. Kate realisierte nun abermals, was Kai ihr gerade erzählte und fuchtelte ihre Hand frei. „Warte! Das ist unser Haus! Du kannst mich nicht einfach ausschließen!“, rief sie ihm wütend entgegen. Den Haustürschlüssel drehte der Russe darauf im Schloss herum und zog ihn provokant heraus. „Das ist mein Haus!“, sagte er nun etwas lauter und sein Ton verschärfte sich. Bevor er zurück zu seinem Wagen lief, wollte er es sich nicht nehmen lassen, Kate ein letztes Mal zur Weißglut zu bringen. „Entschuldige mich. Meine Frau wartet auf mich.“, dann eilte er dicht an ihre vorbei zum Auto. Das hatte gesessen. Wutentbrannt sah sie ihm hinterher. „DAS KANNST DU NICHT TUN!!“ Er blieb einen Moment stehen, drehte seinen Kopf zu ihr und seine Augen waren kalt wie nie. „Verlass mein Grundstück. Sofort!“, sagte er drohend ruhig. In seiner Stimmer, seiner Haltung und seinen Augen, spiegelten sich so viel Abwertung und Kälte, dass Kate drohte ihren Halt unter den Füßen zu verlieren. Der aufkommende kalte Wind, wehte durch ihr Haar, peitschte in ihr aufgebrachtes Gesicht. Eine Autotür klappte erneut und der metallic-blaue Wagen fuhr davon. Zurück blieb Kate. Allein vor dem nichts. Hilary, die alles gesehen hatte, schaute leer auf ihre Beine. Nicht schon wieder wollte sie enttäuscht werden, also handelte sich bevor es schlimmer werden würde. „Sie liebt dich immer noch.“, wisperte sie leise, ungeahnt von Kai's Antwort. „Diese Frau kapiert nicht, dass es vorbei ist!“, schimpfte er genervt vor sich her, und trieb Hilary erst Tränen in die Augen. „Als würde ich mit ihr dort einziehen!“, lautstark stieß er die Luft heraus und zog eine Zigarettenpackung aus seiner Manteltasche. Hilary dachte sich verhört zu haben. Er würde nicht mit Kate in dieses Haus ziehen? Auf einmal fühlte die junge Frau sich unsagbar schlecht. Sie hatte Kai Unrecht getan. Wie konnte sie überhaupt so denken. Der blau-haarige war der loyalste Mensch, den sie kannte! Kai warf einen prüfenden Blick, mit hochgezogener Braue, zu Hilary. Die wischte sich schnell ihre Tränen weg, sah die Packung und verstand was er ihr sagen wollte. Mit zittriger Stimme antwortete sie ihm. „Mach nur. Wenn es dir hilft.“, sie schluckte, denn ihre Stimme drohte zu versagen, machte eine Pause und versuchte fröhlicher weiter zu sprechen. „Emilia ist ja nicht dabei.“, dankend zog er den Glimmstängel heraus, den er auch sofort anzündete. Schweigend legten sie den Rest der Strecke, bis zur Hütte, zurück. Zurück im nirgendwo, erwartete Max die beiden schon ungeduldig. Er wollte so sehr wissen, was Hilary zu dem Haus gesagt hat und ob sie bei ihm bleiben würde. Als er das Auto sah, rannte er gespannt, mit Emilia auf dem Arm, zum Fenster und linste heraus. Draußen war er schon dunkel, doch er sah die beiden aussteigen. Sie verhielten sich, dem Anschein nach, nicht anders. Kein Händchen halten, kein Kuss. Kai hatte seine grimmige Miene aufgelegt, Hilary ihr schmerzverzerrtes. Die lange Fahrt tat ihrem Rücken nicht sonderlich gut. Als die beiden kurz vor der Tür standen, riss er sie freudig auf. „Heeeeey! Das seid ihr ja wieder! Und wie war euer Ausflug?“,, durchlöcherte er die erschöpfte brünette. Sie konnte darauf nur mit einem kleinen verlegenem Lächeln antworten, den Rest würde sie ihm später erzählen, wenn Kai nicht dabei wäre. Sowieso würde der Blondschopf beide Seiten anhören müssen. Aus seinem Partner bekam er das auch heraus. „Oh, ich verstehe schon. Emilia und ich, wir haben uns soooo toll verstanden! Wir haben ganz viel gespielt und gealbert.“, wechselte er das Thema und erzählte von seiner Zeit mit Emilia. „Das sieht dir ähnlich, Max!“, lächelte sie. Dann drückte sich Kai unsanft an ihr vorbei, da die brünette noch mitten in der Tür stand. Der Russe sah kurz zu Max, der ihm einen fragenden Blick zuwarf. Hatte Hilary etwa abgelehnt? Oder würde sie doch zurück nach Japan gehen? Max brannten unzählige Fragen auf den Lippen, doch er musste dich gedulden. Ohne ein Wort zu erwidern, lief der blau-haarige schnurstracks die Treppe nach oben und warf sich bäuchlings auf das Bett. Dieser Tag nervte ihn nur noch. Angestrengt schloss er seine Augen, vergrub sein Gesicht in dem weichen Kissen und versuchte zu entspannen. Unten sahen sich nun Max und Hilary ratlos an. „Was hat er denn?“, fragte die braunhaarige zuerst. Max zuckte mit den Schultern. „Ich dachte, du könntest mir das sagen...“ „Vielleicht Kate...“ „Wie Kate?!“ „Sie war auch am Haus...“, sie erinnerte sich. „Kate war auch da? Oh, man... Das erklärt einiges...hm... Am besten lassen wir ihn in Ruhe und nerven ihn besser nicht mehr.“, wissend nickte er mit seinem Kopf immer wieder, bevor ihn seine zahlreichen Fragen wieder einfielen. „Und? Gefällt dir das Häuschen???“, wollte er gleich wissen, gab Emilia an Hilary weiter. „'Häuschen' ist ja wohl ziemlich untertrieben! Das Grundstück ist riesig! Und alle Räume so edel und hell, obwohl sie noch gar nicht eingerichtet waren! Wie im Märchen, der Wahnsinn!“, schwärmte sie von ihrem zukünftigen Zuhause. Max stellte darauf die entscheidende Frage. „Und bleibst du bei ihm?!“ Überrascht sah sie den Blondschopf an. „Du wusstest also doch davon!!“, gab sie ihm zur Antwort. „Klar! Kai und ich, wir erzählen uns alles!“, und zwinkerte sie an. Das konnte sich Hilary beim besten Willen nicht vorstellen. „Na gut. Fast alles.“, korrigierte der blonde doch nochmal. „Also?“, hakte Max erneut nach und sah sie eindringlicher an. Die junge Frau suchte irgendetwas im Raum, womit sie sich um diese Frage drücken konnte, doch fand sie nichts. „Hiiiiiil, sag schon!“, Max schien zu platzen vor Neugier. „Ja.“, sagte sie dann endlich und erlöste Max von seinem Leiden. „Echt?! WOW!!!“, freudestrahlend fiel er ihr um den Hals. Der Amerikaner war glücklich. Er freute sich für Kai so sehr. Und für Hilary und Emilia natürlich ebenfalls. Endlich hatte er eine Frau, die nicht nur nach seinem Geld schaute und eine zuckersüße Tochter. Max hätte noch ewig weiter schwärmen können, wenn ihn nicht ein lautstarkes Magenknurren unterbrochen hätte. „War das deiner?“, Max sah Hilary erstaunt an, die sogleich puterrot anlief. Dann lachten beide los. „Lass uns Essen machen! Ich hab auch tierischen Hunger!“, hätte die brünette vorher gewusst, wohin Kai mit ihr wollte, hätte sie zu Mittag gegessen. Dafür kochten die beiden mit Emilia's Unterstützung eine große Portion Essen. Nach dem Abendbrot zog Hilary ihre Tochter um, kuschelte noch eine Weile mit ihr, ehe sie dann endgültig in ihr Bettchen gelegt wurde. Max wartete in dieser Zeit draußen, räumte die Küche schon auf, bis seine Freundin leise zurück kam. „Danke, dass du auf Emilia aufgepasst hast.“, sie gab ihm ein Küsschen auf die Wange. Max strahlte sie an. „Das hab ich doch gerne gemacht!“, sie lächelte zurück. „Außerdem... Wenn es euch weiterbringt, mach ich das immer wieder gerne! Kai ist ein Sturkopf, der braucht öfter mal einen dezenten Hinweis, bis er merkt, was er eigentlich will.“, erklärte ihr Max. „Er arbeitet wie ein Tier, aber das Zwischenmenschliche musst du ihm noch beibringen!“, scherzte er und Hilary's Gesicht wechselte ein weiteres Mal den Farbton Richtung Rot. „Lass das, Max!“, versuchte sie ihn zu unterbinden, während er nur breit grinste. „Ihr bekommt das schon noch hin.“, zwinkerte er und räumte die Küche weiter auf. „Kannst ja mal nach Kai sehen. Nicht, dass er sich einsam fühlt.“, grinste der Blondschopf vor sich hin. Hilary schlug ihm gegen den Oberarm, bevor sie nach oben verschwand. Kapitel 53: Die bitter-süße Wahrheit ------------------------------------ Kapitel 53 Oben fand die Japanerin ihren Mann auf dem Bett liegend. Sie trat näher an ihn heran, um zu sehen ob er schlief. Der blau-haarige lag ruhig atmend auf der großen Decke und rührte sich nicht. „Kai?“, fragte Hilary vorsichtig. Vielleicht schlief er ja doch. Noch näher an ihn kommend, wollte sie ihn an der Schulter berühren. Just in diesem Moment fuhr er blitzschnell herum und packte ihr Handgelenk hart. Sogleich bewegte sich Hilary nicht mehr. Zu geschockt über die grobe Berührung. Seine Haltung schien sehr angespannt zu sein. Er lag nun halb aufgerichtet, seitlich zu Hilary gedreht. In seinen Augen stand blanke Wut. Hilary konnte nicht verstehen, was mit ihm los war. Hatte sie ihn verärgert? Dabei sagte sie doch nichts zu ihm. Fassungslos rührte sie sich nicht. „Kai...“, wiederholte sie enttäuscht. Der kraftvolle Druck an ihrem Gelenk ließ etwas nach. Auch die rubinroten Augen, die vorher wuterfüllt waren, sahen nun ratlos in das Gesicht der braunhaarigen. Er erkannte Hilary. Bis zu dem Augenblick war er wie in einer Art Tagtraum. Zu sehr war der Russe mit seinen Gedanken beschäftigt, zu tief war er eingetaucht, dass er seine eigene Frau mit Kate verwechselte und ihr so ungewollt Schmerzen zufügte. Kai zog die brünette zu sich, drückte sie dicht an seinen Körper und hielt ihren Kopf. Wie konnte er das nur zulassen? „Nicht so fest, Kai...“, ein weiteres Mal holte sie ihn aus seinem Gewirr an Gedanken. Er lockerte den Druck um ihren Körper, so konnte sich Hilary aufrichten. Auch Kai richtete sich auf, sah sie nun ruhig an. „Warum hast du geweint?“, fragte er nun frei heraus. „Ich hab gar nicht geweint!“, verteidigte sie sich und stand auf. „Ich wollte nur nach dir sehen!“ „Vorhin. Im Auto. Warum?“, den Rücken zu ihm gewandt, hatte sie einen überraschten Gesichtsausdruck. „Nur, weil ich dich nicht darauf angesprochen habe, heißt es nicht, dass ich es nicht mitbekommen habe.“, Hilary setzte sich zurück auf das Bett. Er hatte es also doch mitbekommen. Wie kindisch von ihr, zu denken, dass der blau-haarige es nicht merkte. Sollte sie ihm ihre Gedanken mitteilen? Was würde er dann von ihr denken? Hilary dachte wieder so viel nach, zerbrach sich den Kopf über solche Dinge. Eigentlich könnte es ihr egal sein, was er über sie dachte. Damals hatte sie sich auch keinen Kopf gemacht, als es die Bladebreaker noch gab. Kai atmete laut aus. Wohl genervt davon, dass sie wieder nicht redete. „Kate...“, fing sie an. „...ich dachte, du würdest...“, sollte sie es ihm wirklich sagen? Kai durchbohrte die Japanerin mit hochgezogener Augenbraue. Sie konnte nicht standhalten. „...du würdest zu ihr zurückgehen.“, überrascht davon, sah der blau-haarige seine Frau an, die sofort anfing sich zu rechtfertigen. „Ihr wart so vertraut miteinander. Und Kate hat dich gestreichelt und-“ „Und habe sie ganz nah an mich gezogen“, beendete er ihre Gedanken und seufzte erneut. „Nur, um ihr endgültig klar zu machen, dass sie nichts mehr zu melden hat.“ „Hm...“, konnte die brünette nur von sich geben. „Kate ist Geschichte. Das, was jetzt zählt, bist nur du und Emilia. Hämmer dir das in deinen kleinen Kopf ein.“, beim Reden stand er vom Bett auf und hockte sich vor ihr. „Ihr Frauen, seid echt kompliziert...“, maulte der junge Mann, bevor er Hilary's Kinn umfasste und ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund drückte. Dann ging er zum Bad, Hilary rief ihm hinterher. „Wären wir nicht kompliziert, wären wir Männer!“, grinste sie, als Kai ihr ein übertriebenes Augenrollen zurückwarf. „Und das letzte Wort müsst ihr auch immer haben...“, fügte er hinzu und zog die Tür hinter sich zu. „Ja!“, hörte der blau-haarige von draußen und rollte, lächelnd, nochmal die Augen. Langsam kam sie zurück, die Hilary, die er von früher kannte. Sie wurde mutiger gegenüber dem Russen, erlaubte sich wieder kleine Reibereien. Ja, so wollte er sie wieder haben. Eine starke, selbstbewusste Frau, die auch trotzdem ihre Gefühle zeigte und sich für die Gerechtigkeit einsetzte. Und mit der er sich auseinandersetzen konnte. Frisch geduscht warf er sich ein Handtuch um die Hüfte und besah sich beim Vorbeigehen kurz im im Spiegel. Er fuhr sich lässig durch die Haar, die nun nach hinten lagen. Im Nebenzimmer war es erstaunlich ruhig. Hilary war wohl wieder zurück zu Max gegangen. Der würde wohl brennend wissen wollen, was alles passiert war bei den beiden. Als er herauskam, brannte noch immer die kleine Nachttischlampe auf seiner Seite, die den Raum leicht erhellte. Am Schrank kramte er nach ein paar Klamotten, die er überziehen konnte, um nochmal nach unten zu gehen. Etwas anderes hielt ihn aber davon ab. Als er aus dem Fenster sah, blieb sein Blick an der ausgebeulten Decke haften. Hilary lag darunter. Sie hatte sich schlafen gelegt. „Egal...“, murmelte der junge Mann, ehe er das ärmellose Shirt fallen ließ und zu ihr unter die Decke huschte. Max würde es ihm sicher nicht übel nehmen. Dicht an ihr, legte er seine Hand auf ihre Hüfte und genoss ihren Duft, ihre Nähe und schlief schnell darauf neben ihr ein. Die Nacht blieb ruhig und der neue Morgen brach schnell an. Hilary spürte neben sich den warmen Körper, der dicht neben ihr ruhte. Sie warf einen prüfenden Blick herüber zu Kai, der noch schlief und lächelte ihn verträumt an. Dann befreite die junge Frau sich aus dem Arm des Russen. Da sie ihn nicht wecken wollte, schlich sie ins Bad und danach direkt ins Wohnzimmer herunter. Max schlief ebenfalls noch. Die breit ausgestreckt, ein Bein halb auf dem Boden und der Mund weit offen, zum Schnarchen bereit, lag er auf der Couch. Die Decke, die neben ihm lag, schnappte sich Hilary und deckte ihn vorsichtig zu. Wie konnte er nur so herumwühlen im Schlaf? Kopfschüttelnd ging sie herüber zu Emilia's Schlafraum und horchte an der Tür. Auch hier war es mucksmäuschenstill. War es etwa noch so früh, dass sie die einzige war? Also schlich sie an Max vorbei in die Küche. Es war Hilary egal wie spät es gerade war, oder wie früh. Sie wollte jetzt frühstücken. So leise wie möglich bereitete sie Kaffee und deckte schon mal den Tisch. Durch den frischen Duft des Kaffee's wurde der Blondschopf allmählich aufgeweckt. Er sog den Geruch förmlich in sich auf, bis er dann laut ausatmete. Die blauen Augen öffneten sich, sahen die brünette verschlafen an. „Wie spät ist es?“ „Keine Ahnung, aber ich hab Hunger. Kaffee?“ Der Amerikaner winkte ab. „Nicht auf nüchternen Magen. Das endet im Chaos.“ „Gut, wie du meinst!“ Max streckte sich ausgiebig, ehe er zusammen sackte. „Ich brauch erstmal eine ordentliche Dusche...“ „Kai schläft aber noch.“ „Der ist kein Hindernis.“, grinste der blonde und raffte sich auf. Er kramte kurz in seinem riesigen Rucksack nach seinem Kulturbeutel. „Bin dann oben.“ „Geht klar!“, rief die braunhaarige hinterher und widmete sich weiter dem Vorbereiten des Frühstücks. Oben warf Max einen neugierigen Blick um die Ecke, um abzuchecken, ob sein Kumpel wirklich noch schlief. Die Drehung in eine andere Schlafposition zeigte ihm aber, dass er für einen kleinen Moment ansprechbar war, und wach sein musste. Max nutzte die kurze Chance, die Aufmerksamkeit des Russen zu erlangen und zog ihn etwas auf. „Du warst ja gestern gar nicht mehr unten. Hattest wohl was besseres zu tun?“, grinste der Amerikaner breit und stand lässig am Türrahmen gelehnt. Darauf musste er antworten, da war sich Max sicher. Unter der Decke raschelte es nochmals, bis ein verschlafener, schlecht gelaunter und grimmig guckender Kai sich aufsetzte. „Klappe.“, sagte er unberührt davon, dass Max versuchte ihn aufzuziehen. Der konnte und wollte es nicht lassen. „Naja, als Ehemann hast du schon so manche 'Verpflichtung'.“, grinste er noch breiter und da dämmerte es auch Kai, worauf der Amerikaner anspielte. „Träum' weiter.“, und ließ sich darauf wieder zurück ins Bett sinken. Max zog die Schultern hoch und ging zum Bad. „Wo ist sie eigentlich?“, fragte der Russe den blonden. Doch der verstand es und zögerte nicht, weiter herum zu sticheln. „Hast du etwa Sehnsucht nach ihr?“ „Nein!“ „Natürlich nicht.“, verdrehte der Amerikaner seine Augen und verschwand im Badezimmer. Kai blieb weiter im Bett liegen. Max hatte gelernt, wie er den Russen reizen konnte und in Momenten der Zweisamkeit, zwischen ihnen, nutzte er das auch schamlos aus. Eigentlich fand er das gerechtfertigt. Schließlich hatte Kai sie auch immer mit zusätzlichem Training drangsaliert. Nach einer ausführlichen Dusche trat Max wieder in das Schlafzimmer ein. Kai hatte sich noch keinen Meter bewegt und verweilte immer noch im Bett. „Schläfst du etwa schon wieder? War wohl doch eine anstrengende Nacht, was?“, versuchte er es aufs Neue. Schweigend stand der Blau-haarige nun auf und kam auf den blonden jungen Mann zu. Er war nur mit dunkelblauen Shorts bekleidet. Und verschlafen war er ebenfalls nicht mehr. Kai's Blick war nun mehr durchdringender. Neben dem Amerikaner blieb er stehen und schloss kurz die Augen. „Sie ist nicht Kate.“ „Aber du bist immer noch Kai. Und du kannst die Finger nicht von hübschen Frauen lassen.“, belehrte Max seinen Freund. Max wusste, dass Kate das Bedürfnis hatte, öfter mit Kai intim zu werden, als dem manches Mal lieb war. Aber auch Kai war kein Kind von Traurigkeit, denn er tröstete sich auch gerne mit anderen Frauen. Darauf erntete er einen vernichtenden Blick, ehe Kai ins Bad trat. Die Tür ließ er offen, denn er rechnete mit weiteren Fragen. Auch zum gestrigen Tag. „Ich habe meinen Körper sehr gut unter Kontrolle. Mach dir darüber mal keine Sorgen.“ „Apropos Kate...“ „Nein. Ich will nichts mehr von ihr hören.“, blockte er unverzüglich ab, als er vor dem Spiegel stand. Max ruderte herum. „Hil bleibt bei dir, hab ich gehört?“ „Hm.“ „Hörst dich ja nicht so begeistert an. Musstest du sie etwa zwingen?“, sagte er mehr im Scherz, als ernst. Dass Kai dabei so ruhig blieb, ließ Max aufhorchen. „Du hast sie gezwungen?“ „Nein. Sie kann gehen wohin sie will.“ „Und warum bist du dann mit ihr zusammen? Um dich über Kate hinweg zu trösten, hättest du Hil nicht heiraten brauchen. Das hat sie nicht verdient!“ Kai atmete tief durch, warf sich eiskaltes Wasser ins Gesicht und trocknete es ab. „Ich liebe sie, klar?! Nur, weil sie meine Frau ist, werde ich nicht zu einem anderen Menschen!“, giftete der Blau-haarige seinem Partner an, bevor er sich ausgiebig im Spiegel betrachtete. Die Hände an den Seiten des Waschbeckens gestützt, sah er in sein eigenes grimmiges Gesicht. Sein Blick senkte sich. Max sprach einfach aus, was ihn belastete. Tröstete er sich wirklich über Kate hinweg? Nein. Mit jedem Tag wuchs das Verlangen nach der braunhaarigen. Jeder Blick, jede Berührung spürte er intensiver denn je. Über die Aussage seines Freundes überrascht, wurde Max entspannter und lächelte sanft. „Du bist schon ein anderer Mensch geworden, ein besserer. Du stehst zu ihr, obwohl Kate immer noch hinter dir her ist. Du kannst dich vielleicht damit belügen, aber mich nicht.“ Der Halbrusse starrte in das Waschbecken, grinste und schloss die Augen. Dann sah er den blonden an, der tat es ihm gleich. „Du bist ein Idiot.“, sagten beide zeitgleich zueinander und schmunzelten. Wie ähnlich sie sich doch geworden waren. Max war abgestumpfter geworden, er ließ nicht mehr so viel an sich heran und konnte manchmal genauso stur werden wie Kai. Und der, war durch Max's offene Art, viel entspannter geworden, sah die Dinge nicht mehr so verbissen und ließ Ereignisse einfach geschehen. Jeder profitierte von dem anderen. Kai ging zurück ins Schlafzimmer. Als er an Max vorbei kam, schlugen sie ihre Fäuste grinsend gegeneinander. „Wie soll es jetzt zwischen euch weitergehen?“ „Mal sehen. Erstmal ziehen wir in das Haus und dann...“, Kai überlegte kurz. „...lass ich mich überraschen.“ „Ganz toller Plan! Ich hätte mehr von dir erwartet, Kai.“, sagte Max in einem belustigten Tonfall, dann fiel ihm noch etwas ein, dass er schon bei seiner Ankunft fragen wollte, aber immer davon abkam. „Sag mal, habt ihr gar keine Ringe?!“ Kai, der sich gerade anzog, sah den blonden von der Seite an. „Wozu? Die stören, sind lästig und man muss ständig aufpassen, dass man sie nicht verliert.“ „Sie zeigen, dass ihr zusammengehört.“ „Hm.“ „Meinst du nicht, dass Hil sich welche wünschen würde?“ „Sie hat nie davon geredet.“ „Natürlich nicht!! Sie will dir ja nichts vorschreiben! Mann! Das ist das Non-plus-Ultra für eine Frau, einen Ring am Finger zu tragen!!“ „Mag sein. Hilary ist anders.“ „NEIN! IST SIE NICHT!! Sie zeigt es nur nicht!!“ „Ich werd drüber nachdenken.“ Max raufte seine Haare. Das konnte doch nicht sein ernst sein! Wieso ging er immer davon aus, dass Hilary anders sei, als alle anderen Frauen? Klar, war sie nicht die typische Frau, die sich aufreizend schminkte oder extrem provozierende Kleidung trug, aber eine kleine Prinzessin schlummerte dennoch in ihr. Auch wenn sie das nicht zugeben würde. Ohne Max's Aktion, von eben zu beachten, ging er an ihm vorbei nach unten. Max schnaufte nochmal lautstark und folgte ihm dann. Kapitel 54: Russisch für Anfänger --------------------------------- Kapitel 54 Unten wartete Hilary schon, mit der angezogenen Emilia, auf dem Arm. Sie saß bereits am Tisch und aß genüsslich eines der belegten Brötchen, als die Jungs dazu kamen. „Wir haben schon mal angefangen.“, sagte die brünette, ehe sie nochmal von dem Brötchen abbiss und Emilia ein kleines Stück in den Mund schob. Wortlos betrachtete Kai seine Frau samt Kind und goss sich einen Kaffee ein, der hinter den beiden auf der Arbeitsfläche stand. Als Max dann ebenfalls dazu kam, warf er dem blau-haarigen eine auffordernde Geste zu. Der sah den Amerikaner genervt an, trat von hinten an Hilary's Stuhl und küsste sie von der Seite auf die Wange. „Morgen.“, nuschelte er ihr ins Ohr. Hilary erschrak und riss den Kopf herum zu ihm. Doch da hatte Kai sich schon ein ganzen Stück von ihr entfernt und setzte sich gerade an den Tisch. Er sah sie nicht weiter an. Dann kam auch Max, gut gelaunt an den gedeckten Tisch, begrüßte Emilia und grinste Kai, der ihm gegenüber saß, breit an. „Das kriegst du wieder.“, fauchte er den Blondschopf auf russisch an, der ihm ebenfalls auf russisch, ein herzallerliebstes 'Ich dich auch~' entgegnete. Hilary schaute von einem zum anderen, da sie nichts verstand. Emilia allerdings, amüsierte sich bei dem gebotenen Programm prächtig. Sie klatschte lachend in die Hände. Als Kai sie aber darauf ernst ansah, verstummte das Klatschen. Kai's Tochter verzog das Gesicht. Aus dem lächelnden Mund, wurde ein grimmig verzogener. Max und Hilary konnten nicht mehr und prusteten laut los. Emilia versuchte wirklich das ernste, grimmige Gesicht ihres Vaters nachzuahmen. Dann hielt sie die Arme auf und wollte zu dem blau-haarigen. „Sie will zu dir!“, sagte Hilary und forderte Kai auf, sie zu nehmen. Skeptisch zog er eine Augenbraue hoch. Das letzte Mal endete es in lautem Gebrüll, dachte er zurück. Emilia aber wollte nicht mehr warten. Sie wand sich in den Armen ihrer Mutter und strampelte ungehalten los. Also packte Kai Emilia an den Seiten und zog sie zu sich herüber. Er schaute sie noch einmal grimmig an, als wolle er ihr sagen, dass sie sich zusammenreißen sollte, und setzte sie darauf auf seinen Schoß. So hatte er es immer bei Hilary gesehen. Und kaum saß sie bei ihrem Vater, war das kleine Kind zufrieden, schaute interessiert über den Tisch. „Steht dir gut!“, grinste Max und kassierte darauf einen Tritt gegen sein Schienbein. Und Emilia griff sich das Brötchen ihres Vater und lutschte darauf herum. Als Kai es ihr wegnehmen wollte, zerrte sie angestrengt an ihrer, eben errungenen Beute. Resignierend trat er das Brötchen an seine Tochter ab, schnaufte und trank nur seinen Kaffee. „Übrigens...In zwei Tagen ziehen wir um.“ „Schon?!“, Hilary war sichtlich überrascht über die Information. Denn so wie das Haus bei der Besichtigung aussah, konnte sie es sich nicht vorstellen dort in ein paar Tagen schon einzuziehen. „Ich habe vorhin eine E-Mail bekommen. Die Arbeiten werden bis dahin abgeschlossen sein. Möbel rein, fertig.“, Kai sah dem Ganzen wohl eher gelassen entgegen. Wenn die Firma es ihm schon schrieb, würde es wohl stimmen. Für die braunhaarige jedoch noch ziemlich ungewohnt. Max sah innerlich schon das Ende seines Aufenthalts bei den beiden und verabschiedete dabei schon von Emilia. Dabei würde er sie so gerne mit in die USA nehmen. „Ähm, so schnell?“, vergewisserte sich die junge Frau nochmal. Kai nickte nur stumm und trank seinen Kaffee weiter, während Emilia das angelutschte Brötchen jetzt mit ihren kleinen Fingern auseinander pflückte. „Und was ist mit mir?“, fragte Max nun leise von der gegenüberliegenden Seite. Hilary zuckte mit ihren Schultern und schaute abwartend ebenfalls zu Kai. Der blieb einen Moment still, schien zu überlegen, was er antworten sollte. „Ich lass dir ein Hotel in der Nähe buchen.“, sagte er entspannt und lehnte sich zurück. Dabei hielt er Emilia mit beiden Händen an der Hüfte fest und sie ließ sich auch nach hinten fallen. Irgendwie schien sie total ausgeglichen auf dem Schoß ihres Vaters. Lag es daran, dass sie ihren Willen bekam, oder eher an der ruhigen Art Kai's? Hilary bemerkte an dem blau-haarigen, dass er gelassener und nicht so kühl, wie sonst immer, war. Ob er gefallen daran fand Vater zu sein? Max beendete das Frühstück, als er abrupt freudig aufstand, darüber dass er weiter mit Emilia spielen konnte, und räumte den Tisch ab. „Hilary.“, gerade als sie aufstehen wollte, um ihrem Freund zu helfen, hielt Kai sie davon ab. Er sprach ziemlich leise, so dass Max nicht weiter auf ihn aufmerksam wurde. Die brünette sah ihn an. „Jetzt musst du wirklich mal Russisch lernen, Hil!“, fuhr Max dazwischen. „Wenn du jetzt hier bleibst, wirst du nicht drum...herum...kommen?“, Max pausenloser Satz verlangsamte sich mehr und mehr. Ihn durchbohrten die rot-funkelnden Rubine von Kai. „Äh...hä hä...“, der Blondschopf räusperte sich kurz und drehte sich schnell herum zur Küche. Er drehte das Wasser extra weit auf, damit er nicht hören konnte was Kai mit seiner Frau zu besprechen hatte. Sein Talent dafür, in genau den Augenblicken dazwischen zu fallen, wo es am unpassendsten war, lag ihm anscheinend im Blut. Warum sollte er eigentlich nicht mithören? „Max hat Recht. Dein Russisch ist miserabel und ab heute werden wir nur noch bedingt japanisch mit dir sprechen.“, sprach der blau-haarige zu Hilary, die aus allen Wolken fiel. Das wäre ihr Untergang. Jetzt würde nicht einmal mehr ihre Freunde verstehen. Wie gemein, aber es passte zu Kai. Jetzt wo Tisch und Geschirr abgeräumt und sauber waren, unterrichtete Kai auch Max sein Vorhaben. Etwas mitleidig sah der blonde seine Freundin an, aber Kai hatte es bei ihm nicht anders gemacht. Er war zuversichtlich und lächelte. „Das packst du schon! Als erstes...hier! Präg' dir die Begriffe von den alltäglichen Gegenständen ein!“, Max hielt der brünetten eine Unmenge an verschiedenen Gegenständen vor die Nase, die Kai auf Russisch benannte, und Hilary die Worte wiederholte. So gut sie es eben konnte. Dann verlagerten sie ihren Unterricht ins Wohnzimmer. Die brünette hatte keinen Moment lang mehr Ruhe. Alles was sie anschaute oder berührte musste sie benennen. So ging der Tag schnell hinüber und am Abend konnten sie schon erste Erfolge verbuchen. Hilary verwechselte zwar noch einiges, aber ihren ersten Sätze klangen schon sicher. Kai, der sich ober erfrischt hatte, kam nun mit seinem Laptop unter dem Arm nach unten und erntete einen gequälten Blick. „Bitteeee keine Arbeit, Kai!“ Der Russe verdrehte die Augen, schüttelte den Kopf und legte Hilary das Gerät auf den Schoß. Er klappte es auf. Der Bildschirm zeigte eine Internetseite mit unendlich vielen Möbeln. „Äh...?“ Mit einer Geste deutete er ihr, dass sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Laptop richten sollte. „Such dir was aus.“, sagte Kai locker und setzte sich zu Max und Emilia auf den Teppich. Verdutzt sah sie ihm hinterher, fragte aber nicht weiter nach. Als sie dann den nächsten Gegenstand sah, den Max hoch hielt, schaute sie schnell auf den Laptop. „Kriegt sie eine Pause?“, erkundigte sich Max auf russisch. „Ja.“, bekam er die gleichsprachige Antwort. Sie hatte schon viel gelernt, fand der Halbrusse. Etwas Ablenkung dürfte da nicht fehlen. „Darf ich Emilia ins Bett bringen, Hil?“ „Hmmmm.“, gab sie nur von sich und Max verschwand mit der kleinen in dem Nebenzimmer. Hilary war vertieft in die große Auswahl an Möbeln, die sich ihr bot. Vorrangig suchte sie Möbel für Emilia's Zimmer. Der Rest war ihr erstmal egal. Kai hatte einen guten Geschmack was die Einrichtung betraf, also verließ sie sich auf ihn. Der stand nun auf und stützte sich provokant mit seinen Armen an der Lehne ab. Er wollte sie einfach nur ein bisschen necken. Mit Erfolg. Hilary wurde sichtlich nervös. Doch Kai war die Ruhe selbst. Grinsend beobachtete er das Schauspiel vor ihm. Dann zeigte er auf den Monitor. „Sieht doch gar nicht so schlecht aus, oder?“ Hilary sah kurz auf seinen Arm, dann auf den Bildschirm. „Ja.“ „Und auf den Preis brauchst du nicht zu achten.“ „Hm...ok.“, trotzdem achtete sie auf den Preis, egal was er wollte. Max kam auch wieder zurück. Er ließ sich auf die Couch fallen und schaltete irgendeine Sendung im TV an. „Schläft sie etwa schon?“ „Да.“, beantwortete Max ihre Frage auf russisch. Hilary nickte. Denn 'Ja.' kannte sie schon von ihrer Hochzeit. Kai befand den Unterricht für heute als ausreichend. „Sagt mal...seid ihr auch so geschafft wie ich?“ „Нет.“, kam es von beiden Männern. Es war auch nicht anders zu erwarten. Hilary drehte sich zu Kai um. „Kann ich den mit nach oben nehmen?“, der Russe nickte und Hilary verabschiedete sich mit einem schlechten 'Gute Nacht' auf russisch, nach oben. Die beiden Geschäftspartner sahen sich kurz vielsagend an. „War wohl ein bisschen zu viel des Guten, hm?“ „Hm. Vielleicht.“, Kai atmete laut aus. „Ich geh auch hoch.“ Max grinste. „Viel Spaß euch beiden!“, und widmete sich weiter seiner TV-Sendung. Oben hatte es sich Hilary gerade etwas gemütlich gemacht, als Kai die Treppe herauf kam. Überrascht folgte ihr Blick seinen Bewegungen. Die Hände hatte er in den Hosentaschen. Kurz vor ihr, zog er eine Hand heraus und hielt ihr seinen Schlüsselbund vor die Nase. Eine Augenbraue frech hochgezogen, grinste er sie an. „Bitte nicht noch mehr...“, flehte die brünette. Ihr Kopf war zum Zerbersten mit russischen Worten gefüllt. Kai ließ den Schlüsselbund wieder sinken, setzte sich auf die Bettkante, den Rücken zu ihr gewandt. „Du hast dich wirklich gut geschlagen heute.“ „Und du hast wohl vergessen, dass du nur noch russisch reden wolltest?“,neckte sie ihn. „Nein, sicher nicht. Ich wollte dir nur eine Pause gönnen.“, jetzt drehte er seinen Oberkörper zu ihr herum. Lächelte sie sanft an. Hilary tat es ihm gleich. „Danke.“ Kai beugte sich langsam zu ihr, kam der jungen Frau näher. Auch Hilary wusste was nun folgen würde. Ein Kuss. Doch weit gefehlt. Kai schielte interessiert auf den Bildschirm und sah dann keck zu seiner Frau. „Na? Doch nicht das eingetreten, was du dachtest?“ „Äh-?“ Sie rechnete mit einem Kuss, er rechnete damit, dass sie so denken würde. Schlimmer ging es nicht. Hilary wurde knallrot und senkte ihren Kopf. Doch Kai war noch nicht fertig. „Schön, dass es selbstverständlich für dich wird.“, dann griff er ihre Hand und küsste sie auf den Mund. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Wie schaffte er es immer wieder, sie so zu überrumpeln? Ganz automatisch legten sich ihre Hände um seinen Hals, umarmten ihn sehnsüchtig, griffen leicht in sein Haar. Schnell wurde der Laptop und das Suchen nach neuen Möbeln in den Hintergrund gestellt und sie hatten nur noch Augen füreinander... Kapitel 55: Der Einzug ---------------------- Kapitel 54 Schlussendlich brach der letzte Tag in der kleinen Waldhütte an, bevor Hilary und Kai in ihr gemeinsames Haus ziehen würden. Nach der vergangenen aufregenden Nacht, fiel es beiden am Morgen sichtlich schwer aus den Federn zu kommen. Hilary öffnete angestrengt die Augen und sah direkt aus dem Fenster. Heute schien die Sonne nicht. Dicke Wolken verhängten den sonst so blauen Himmel und große Schneeflocken fielen herab. „Es schneit.“, langsam setzte sie sich auf, um mehr zu sehen. Sie mochte den herabfallenden Schnee. Alles sah so unberührt, so schön aus. Ohne Spuren von Autoreifen, Streusalz oder Schuhabdrücken. Der Mann neben ihr blieb regungslos liegen. Ihn interessierte der Schnee nicht. Schon zu viel von der weißen Pracht hatte er schon gesehen. Doch er überwand sich und drehte sich ebenfalls zum Fenster. „Kai? Bist du schon wach?“ „Nein...“, murrte er mit seiner tiefen Stimme. „Dann schlaf' noch weiter. Ich werd nach unten gehen. Max ist sicher schon wach.“ „Der kann warten...“, Hilary spürte wie sich eine kräftige Hand um sie legte und sie zurückzog. „Bleib hier.“, so verschlafen er noch aussah, so befehlsartig klangen seine Worte. Die brünette ging seiner Aufforderung nach, glitt zurück zu ihm unter die warme Decke. Sie genossen die Zeit zu zweit, bis sie leise Schritte auf der Treppe hörten. Kai verdrehte die Augen, setzte sich auf und zog seine Shorts über. Als die Geräusche verstummten, sprach Kai. „Was ist, Max?“ „Wie hast du mich bemerkt?! Ich war doch extra leise!! Mist. Ich wollte nicht lauschen oder sowas!“ „Sondern?“ „Ähm...aufs Klo?“ Hilary lachte bei seiner übertriebenen Art, setzte sich auch auf und zog die Decke so hoch dass sie noch alles wichtige verdeckte. Verlegen rieb sich Max seinen Kopf. „Ähm...darf ich jetzt aufs Klo?“ „Geh schon...nicht dass du hier alles unter Wasser setzt.“ „Danke!!“, der Blondschopf schlug die Hände vor seinem Gesicht zusammen und einen Moment später flog die Badezimmertür zu. Die brünette ließ sich wieder ins Bett fallen. „Denk nicht mal dran.“, mit einem Ruck wurde ihr unsanft die warme Decke weggezogen. „Schlafen kannst du, wenn du tot bist. Also raus aus den Federn.“ Hilary zog die Beine schnell an den Körper. Wie gemein er doch sein konnte. Aber sie wusste doch, worauf sie sich einließ. Hastig suchte sie etwas zum überziehen. Die Decke konnte sich Hilary nicht mehr zurückerobern ehe Max erleichtert aus dem Bad kam. Er warf ihr einen vielsagenden Blick und ein eindeutiges Grinsen zu und ging dann nach unten. Nacheinander machten Kai und Hilary sich ebenfalls frisch. Den Tag ließen die vier entspannt anlaufen. Mit einem gemütlichen Frühstück, soweit es Kai zuließ, danach packten sie alle ihre Sachen zusammen. Kai mahnte die beiden, dass sie ja nichts vergessen sollten. Schließlich sollte sein Vater nichts von seinem Aufenthalt mitbekommen. Nachmittags drehten sie eine Runde durch die Schneelandschaft und beendeten den Tag vor dem Fernseher. Morgen würden sie endlich aus dieser verlassenen Holzhütte herauskommen, zurück in die Zivilisation. Als Hilary am Abend ihre letzten Waschutensilien in ihrem Kulturbeutel verstaute wurde sie etwas wehmütig. Es war eine schöne Zeit hier in dem kleinen Häuschen. Sie lernte Kai besser kennen und kam ihm näher, sie erlebten sehr viele Momente, die sie schon viel früher mit ihm erleben wollte. Doch diese Momente konnten ihr keiner mehr nehmen. Langsam vernahm sie die drängelnde Stimme von ihrem Mann, die sie ins Jetzt zurückholte. Rasch legte sie alles zusammen und ging ins Schlafzimmer. „Na, endlich.“ „Sorry, ich war in Gedanken.“ „Hm.“ „Wie läuft das morgen eigentlich ab?“, wollte die brünette wissen, als sie sich ins Bett legte. „Wir packen, fahren zum Haus und räumen dort alles wieder aus.“, erwähnte er nebenbei und wusch sein Gesicht am Waschbecken. „Ha ha.“ „Dann wohnst du dort. Und nicht mehr in einer Bruchbude.“, Kai schnappte sich das Handtuch neben dem Waschbecken und trocknete sein Gesicht, während er zum Bett ging. „Hey, mach dir keinen Kopf.“, der blau-haarige legte sich zu ihr. „Du brauchst vor nichts mehr Angst zu haben. Schlaf jetzt. Morgen wird ein stressiger Tag.“ „Hm...“ Vorfreude hörte sich bei der brünetten eindeutig anders an. Was bedrückte sie? Ohne etwas zu erwidern, legte sie sich auch schlafen. Morgen würde ein anstrengender Tag werden, da brauchte sie ihren Schlaf... Endlich war der langersehnte Tag gekommen. Heute würden sie und Kai zusammenziehen. Wie oft hatte sie diesen Gedanken im Kopf gehabt. Wie oft hatte sie es sich vorgestellt eine richtige Familie mit ihm zu haben. Jetzt würde alles wahr werden. Die Vorfreude auf diese Aussicht ließ Hilary kaum zur Ruhe kommen in der Nacht. Sie war ziemlich müde und gar nicht ausgeruht. Dafür aber früh wach. Sie schaute ein letztes Mal aus dem Fenster, genoss die Aussicht, die Stille und die Unberührtheit der weiß bedeckten Natur. Schade, dass sie nun wieder gehen musste. Eine ganze Weile später öffnete auch Kai seine Augen, denn er merkte, dass der warme, zarte Körper neben ihm fehlte. Ohne eine Miene zu verziehen, sah er sie an, etwas nachdenklich. Hilary bemerkte das nicht. Erst als er sich zum Anziehen aufsetzte und kurz im Bad verschwand. Beide wechselten kein Wort miteinander. Jeder hing in seinen Gedanken fest. Dann kam auch schon ein schwarzer Benz vorgefahren. Es stieg ein älterer Herr in schwarzer Kleidung aus. Schätzungsweise war er Mitte vierzig. Er stapfte durch den Schnee und klopfte kräftig an die Eingangstür. Kurz darauf öffnete Max die Tür und empfing ihn freundlich. Der Blondschopf kannte den Mann wohl auch schon. Fragend sah Hilary ihn an, bis Kai mit gepackten Koffern herunter kam. „Gabriel. Du bist schon da.“ „Guten Morgen, Master Kai. Lassen Sie mich das machen.“, der ältere Herr mit beginnendem Grauhaaransatz eilte zu dem Russen und wollte ihm die Koffer abnehmen. „Ich kann das auch allein.“, stur wie ein Esel, ließ er Gabriel stehen, der darauf ergeben schnaubte. Er erblickte die brünette und stellte sich unverzüglich vor. „Guten Tag, junges Fräulein. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Gabriel und ich bin Master Kai's persönlicher Angestellter. Ich kenne ihn bereits seit seiner Geburt. Allerdings habe ich damals noch für seinen Vater gearbeitet.“ „Gabriel! Lass die ellenlangen Vorträge.“ „Jawohl, Master Kai.“, er lächelte Hilary freundlich an und beendete seinen Vortrag. „Ich werde Ihnen in einer ruhigen Minute mehr erzählen, wenn sie möchten.“, bat er lächelnd an und Hilary nickte und stellte sich darauf auch kurz vor. „Es freut mich sehr Sie kennenzulernen, junges Fräulein.“, dann entschuldigte er sich und ging zu Kai herüber. „Master Kai? Das junge Fräulein, wie stehen sie zu Ihr?“ Einen Moment lang überlegte und zögerte der Halbrusse. „...eine Freundin...“, nuschelte er in seinen nicht vorhandenen Bart, während Gabriel weiter lächelte. Genervt räumte er das Gepäck in den Wagen. Max war ihm dabei keine große Hilfe, denn er und Emilia spielten schon den ganzen Vormittag miteinander. Und Hilary wollte er die schweren Sachen auch nicht tragen lassen. So war eine halbe Stunde später alles fein säuberlich verstaut. Kai drehte eine letzte Runde durch das Häuschen, achtete dabei auf jede Kleinigkeit. „Wir können.“, an der Eingangstür stehend, zog er die schwere Holztür zu und verschloss sie wieder. Ohne sich umzudrehen stieg er im Wagen ein. So konnten sie endlich in ihr eigenes Heim fahren. Hilary spürte innerlich eine immer größer werdende Aufregung. Zwar setzten sie Max vorher noch an einem nahe gelegenen Hotel ab, aber die junge Frau konnte an nichts anderes mehr denken. Max hätte wahrscheinlich Emilia mitnehmen können, ohne dass sie es bemerkt hätte. Ganz in Trance verabschiedete sie ihren blonden Freund und setzte sich darauf wieder in den Wagen. An dem Eingang wechselte Kai noch einige Worte mit Max und Gabriel, ehe auch er wieder einstieg. Zu Hilary's Überraschung auf dem Fahrersitz. „Ich hab Gabriel nach Hause geschickt. Den Rest schaffen wir auf allein.“. Ungefähr 15 Minuten später bog der Wagen in die Einfahrt zu ihrem neuen Haus ein. Da war es wieder. Dieses wundervolle Haus, mit riesigem Grundstück. Wie es wohl jetzt aussah von innen? Das Klopfen gegen die Fensterscheibe ließ Hilary aufschrecken. „Komm endlich!“, hörte sie von innen nur gedämpft. Sie öffnete die Autotür, ging vor zur kleinen Treppe. Kai hatte schon die Koffer vor der Tür zu stehen und war gerade dabei aufzuschließen. „Passiert das hier alles wirklich?“, fragte sie sich, denn sie fühlte sich wie in einem Traum gefangen. Das Zwicken an ihrem Arm und Kai's rubinrote Augen bestätigten ihr aber die Realität. Gebannt starrte sie auf die Tür, die Kai langsam öffnete. Im Inneren bot sich ihr ein wahrhaft zauberhafter Anblick. Der kleine Vorflur ging nahtlos über in den großzügigen Wohnbereich, der jetzt nicht mehr verstaubt aussah, sondern einen glänzenden dunklen Parkettboden vorwies, dunkle edle Schränke mit allerlei Verzierungen und doch erstaunlich normale Möbel. Sie erkannte sofort den gehobeneren Stil, doch sah es immer noch 'normal' aus. „Wow...“ „Ich nehme an, dass es dir gefällt?“ „Nein, es ist überwältigend! Das hast du in so kurzer Zeit arrangiert? Unfassbar.“ „Mit den richtigen Mitteln, geht alles.“ Natürlich ließ der Herr des Hauses sich nicht in die Karten schauen. Voller Begeisterung irrte Hilary durch ihr neues Zuhause. Jeder Raum wurde genauestens von ihr untersucht. Alles inspiziert und getestet. Von Emilia's Zimmer war sie besonders beeindruckt. Alles stand so wie sie es Kai bei ihrem ersten Besuch beschrieben hatte. Verblüfft drehte sie sich herum, als der Russe zufrieden grinsend am Türrahmen lehnte. „Das ist fantastisch geworden! Alles ist so wie ich es mir vorgestellt habe! Kai!“, er trat näher an sie umfasste ihr Kinn und brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen. Vermutlich würde sie noch den ganzen Tag weiter von diesem Haus schwärmen. Kapitel 56: Was nun? -------------------- Kapitel 56 Es vergingen einige Wochen des neuen Lebens in den neuen vier Wänden der jungen kleinen Familie. Langsam schlich sich der Alltag in das junge Glück ein und Hilary lernte weiter russisch, um sich im Alltag durchschlagen zu können, während Kai intensiv an der Fertigstellung des Zentrums arbeitete. Er stand nun kurz vor der Eröffnung seines Moskauer Zentrums. „Kaaaaai...“ Leicht genervt drehte sich der junge Russe zu Hilary um. Er war schon spät dran an diesem Morgen und hatte jetzt keine Lust die immer wiederkehrende Diskussion zu führen. Das konnte er nämlich an ihrem unterschwelligem Ton erkennen. „Was?“, fragte er nur knapp. „Kannst du mich nicht doch mitnehmen?“ Kai seufzte laut auf und verdrehte innerlich die Augen. Seit geraumer Zeit wollte sie immer mehr über seine Arbeit wissen, mitreden und planen, dabei wusste er selbst noch nicht wie er alles nach der Eröffnung laufen ließ. Aber eins wusste er sehr genau: „Nein! Und ich fange nicht wieder an mit dir zu diskutieren.“ „Weil du weißt, dass du verlieren wirst.“, grinste Hilary und stemmte ihre Hände siegessicher in die Seite. Ein wissendes Grinsen huschte nun auch über Kai's Gesicht. Bei ihrer letzten Diskussion darüber, ob Hilary Mitspracherecht bekäme oder nicht, hatte sie ihn mit eindeutigen Argumenten in die Flucht geschlagen. Oder, anders ausgedrückt, sie waren im Bett gelandet. Daran erinnerte er sich nur zu gut. Trotzdem blieb er standhaft. Er drückte ihr einen gefühlvollen Kuss auf den Mund und verließ zügig das Haus ohne weiter auf ihre Bitte einzugehen. Zwischen den beiden hatte sich eine gewisse Vertrautheit breit gemacht. Sie berührten und küssten sich mehr und intensiver, konnten immer öfter nicht voneinander lassen und Hilary wurde langsam wieder zu der Frau, die sie früher schon gewesen ist: offenherzig, schlagfertig und lebensfroh. Sie versteckte sich auch nicht mehr vor ihm. Er nahm sie wie sie war. Und das tat Hilary auch bei Kai. So verbrachte Hilary einen weiteren Tag damit dem russischen Fernsehprogramm aufmerksam zuzuhören, Emilia zu bespaßen und das Haus in Schuss zu halten. Kai dagegen steckte schon mitten im Arbeitsstress. Ein Haufen Mitarbeiter wollten koordiniert werden, jeder brauchte Ablaufpläne und jeder hatte Fragen. Langsam kam er sich vor wie in der Schule. Dort hörten die Schüler den Lehrern auch nicht zu und eine ähnliche Situation zeigte sich hier. Nach einer geschlagenen Stunde war jeder Mitarbeiter eingewiesen und zufrieden an seinem Arbeitsplatz. Dadurch, dass das Gebäude rundlich aufgebaut war, befanden sich die Bey-Arenen, als Herzstück des Zentrums, in der Mitte dieser runden Konstruktion. Kai's Büro konnte nach einem großen Krach mit dem Bauleiter doch an die Stelle gebaut werden wo er es haben wollte. Und so blickte er zufrieden auf die Arenen hinunter. Bald schon würden dort die ersten Kinder und Jugendlichen ihr Training absolvieren. Begleitet und betreut von qualifizierten Trainern. Das machte ihn stolz. Denn entgegen den Worten seines Vaters brachte er es doch zu etwas. Nun hieß es für den jungen Mann erstmal die restlichen Bewerbungen und Anmeldungen durchzuarbeiten, schließlich brauchte er entsprechende Mitarbeiter. Und die Auswahl überließ er keinem anderen... Am anderen Ende der Stadt stand eine ältere Frau vor dem Staatshospital Moskaus. Gebannt sah sie auf das Gebäude vor ihr. Ihr schulterlanges helles Haar wirbelte im Wind herum. Über die Schultern hatte sie nur eine Wolldecke gelegt. Vereinzelt wurde sie angesprochen, ob man ihr helfen könnte. Doch sie blieb stumm. Eine Erinnerung verriet ihr, dass dieses Hospital ein besonderer Ort war, aber nicht warum. Sie hatte überhaupt keine Erinnerungen mehr an ihr früheres Leben. Vor einigen Tagen hatte sie einen Traum von eben diesem Ort und ihr Innerstes sagte ihr 'Du musst dahin.'. Jetzt stand sie hier und wusste nicht weiter. Wo sollte sie jetzt weiter suchen oder an wen sollte sie sich wenden? Was sollte sie dann fragen? Die Frau drehte sich gerade zum Gehen, als jemand in die hinein lief. Der Mann gleichen Alters stieß gegen ihre Schulter und so hatte sie Probleme das Gleichgewicht zu halten. „Oh! Entschuldigen Sie bitte! Geht es Ihnen gut?“, sofort packte er sie am Arm um schlimmeres zu verhindern. Die Frau sah ihn erstaunt an. Ihre Blicke wirkten vertraut. „Entschuldigen Sie.“, überfordert von diesem nicht geplanten Zusammenstoß entzog sie sich seinem Griff. Schnellen Schrittes entfernte sie sich von dem schlanken Mann, der ihr noch einen Moment verwirrt hinterher sah. „Zufälle gibt’s...verrückt.“ Eilig sah er auf seine teure Armbanduhr, griff seinen braunen Lederkoffer und lief in das Hospital. Ein paar Minuten später... „Sorry, dass ich zu spät gekommen bin, ich hatte eben noch einen kleinen Unfall.“, nebenher legte er die Tasche und seinen Mantel ab. Von seinen Kollegen erntete er fragende Blicke. Also klärte er sie auf. „Ich bin draußen mit einer Frau zusammengestoßen und könnte schwören sie schon einmal gesehen zu haben.“ „Du meinst aber nicht die Mitvierziger-Frau?“ „Hm?“, verwirrt schaute er seinen grauhaarigen Kollegen an. „Die steht hier schon seit einigen Tagen immer wieder herum. Wer weiß was die will. Sie redet nicht, sondern starrt Tag ein Tag aus auf das Hospital.“, beschwerte sich der ältere Herr im weißen Kittel. „Vielleicht sollten wir mal das Sicherheitspersonal davon in Kenntnis setzen.“, mischte sich nun auch ein junger Mann am PC ein. „Nein, vermutlich hat sie einen triftigen Grund hier jeden Tag zu stehen-“ „Gregor...kommt da etwa schon wieder dein Helfer-Syndrom durch? Du weißt, dass dir das nur wieder Ärger einbringen kann. Wie damals...also lass das lieber.“, belehrte ihn sein älterer Kollege. Gregor, der nun seinen Koffer öffnete, seufzte ergeben auf. „Vielleicht hast du recht... Hier sind die Unterlagen die du haben wolltest.“, er reichte einen Stapel getackertes Papier herüber. Nickend nahm der Oberarzt den sortierten Stapel entgegen und blätterte gleich darin herum. Dann wand sich der junge angehende Arzt an Gregor. „Doktor Starck, der Dienstplan hat sich übrigens schon wieder geändert. Der Assistenzarzt im zweiten Jahr ist unerwartet krank geworden. Sie müssen jetzt seinen Dienst mit abdecken.“ „Klasse, ich hatte eh nur ein Rendezvous mit meiner Couch am Wochenende...“, scherzte Gregor trocken. Jeder seiner Kollegen wusste, dass er single war und keine Familie hatte, wie andere Männer in seinem Alter. Warum sollte er da nicht arbeiten können. „Ja tragt mich eben mit ein. Eh das Chaos hier wieder ausbricht, weil kein kompetenter Arzt da ist. Ich muss jetzt weiter meine Patienten warten.“, im Gehen zog er seinen Arztkittel an und legte lässig das Stethoskop um den Hals. Sollte er sich der Frau doch annehmen oder den Rat seines Kollegen befolgen? Gut, er hatte wirklich ein Helfer-Syndrom, das konnte er nicht abstreiten, aber entgegen seiner Schwäche, fand er die Frau anziehend und zugleich abschreckend. Weiter kam der schwarzhaarige allerdings nicht mehr mit Denken, denn der erste Notfall-Patient rang nach Luft und klagte über Herzschmerz. „Dann wollen wir mal sehen...“ Am späten Nachmittag hatte Kai schon über die Hälfte aller Bewerbungen durchgesehen und gerade mal zehn Mappen auf einen separaten Stapel gelegt. Die Auswahl an qualifiziertem Personal stellte er sich größer vor. Genervt fuhr er sich durch die Haare und lehnte sich zurück. Seit der Mittagspause fühlte er sich nicht mehr wohl in seinem Körper. Fieber hatte er nicht, er kannte seinen Körper. Vielleicht etwas falsches gegessen. Der junge Geschäftsführer verwarf seine Gedanken vom Krank-werden. Jetzt beschloss er erstmal Feierabend zu machen. Schließlich würde ihm die Arbeit nicht weglaufen. Als er aufstand wurde ihm kurz schummrig vor Augen. Angestrengt stützte er sich an dem massiven Schreibtisch ab und wartete auf Besserung. Nach wenigen Sekunden trat diese auch ein. Tief durchatmend lockerte Kai die Krawatte am Hals. Zügig verließ er das Zentrum. Auch das schnelle Laufen musste er, am Auto angekommen, auch wieder bereuen. Sich erneut abstützend stand er nun an der Autotür. Wütend darüber, seinen Körper nicht im Griff zu haben, ballte er die Hand zur Faust. „Das kann doch alles nicht wahr sein...“, sagte er stur vor sich her. Jetzt krank zu werden fehlte ihm noch... Zuhause angekommen verweilte er noch einen Moment im Wagen. Der blau haarige durfte sich jetzt nichts anmerken lassen gegenüber Hilary. Sie hatte scheinbar einen siebten Sinn dafür, wenn es jemandem nicht gut ging. Kai beschloss sich so zu verhalten wie immer. Unter seinem Arm trug er einige Unterlagen mit ins Haus. Dort erwartete ihn, wie jeden Tag, seine Frau, die er mit einem Kuss begrüßte. Im nächsten Moment kam schon Emilia um die Ecke gesaust. Die Arme ihrem Vater entgegen gestreckt. Kai nahm seine Tochter etwas angestrengt auf den Arm zur Begrüßung. „Baba!“, rief die kleine ihm freudestrahlend ins Gesicht und entlockte ihrem Vater ein stolzes Grinsen. „Warst du brav?“, erkundigte er sich bei seiner Tochter. Die nickte überzeugt. Ein Blick zu Hilary zeigte, dass Emilia's Aussage nur teilweise zu bejahen war. „Wie war dein Tag, Kai? Du siehst fertig aus.“ „Alles läuft so wie es soll. Kein Grund zur Sorge.“, er setzte Emilia wieder ab. „Na wenn du das sagst...ruh' dich aber bitte trotzdem nachher aus.“, rief ihm die braunhaarige besorgt hinterher. Ahnte sie etwa schon etwas? „Es fehlt mir nichts...“, sprach der Russe überzeugt zu sich und ging heiß duschen, um seinem Kreislauf wieder auf die Sprünge zu helfen. Und die Dusche tat ihm außerordentlich gut. Er fühlte sich erholter, nicht mehr so kränklich wie noch zuvor. In lockerer Kleidung spazierte der junge Mann zu seiner Frau ins Wohnzimmer. Sie wartete schon auf ihn. „Das Essen steht auf dem Tisch.“ „Danke.“, nickend holte er das Essen in die Wohnstube. Gerade liefen Nachrichten im Fernseher. Das abendliche TV-Programm eben. Hilary verstand das russische Fernsehen Zusehens besser, sie fragte kaum noch nach Wörtern. „Wie lief es heute?“, setzte sie erneut an. Kai schaute nicht zu ihr. „Eine Menge Bewerbungen, Anträge, Listen. Willst du wirklich noch mehr wissen?“, fragte er während des Essens. „Wenn du so fragst, warum nicht? Ist sicher ganz spannend einen Haufen Bewerbungen zu lesen bei dem nur 30% wirklich qualifiziert genug sind für dich.“, grinste Hilary ihren Mann von der Seite an. Der schüttelte nur den Kopf. „10%. Ich habe hohe Ansprüche an meine Mitarbeiter.“ „Oh stimmt! Die müssen wohl den ganzen Tag genauso grimmig herumlaufen wie du, oder?“, lachte sie und lehnte zärtlich ihren Kopf an seine Schulter. „Ha ha.“, Kai ließ den Teller in den Schoß sinken. „Sorry, das war nur Spaß.“ „Schon gut. Ich leg' mich hin. Es war ziemlich stressig im Zentrum.“, er küsste sie liebevoll auf die Stirn, strich dann über ihre Wange. „Warte, ich komm auch mit!“ „Nein. Bleib ruhig auf. Deine Serie fängt doch gleich an.“ Hilary hatte im Programm schon eine favorisierte TV-Serie für sich entdecken könne. Liebe, Drama, Abstürzte, Neuanfänge, Herzschmerz. Was ein Frauenherz eben so begehrt. „Na guuut...aber wenn was ist, ruf mich, ja?“ „Klar.“ Leise stieg er die Treppe hinauf. Hilary merkte, dass er wirklich nicht gut drauf war. Gegessen hatte er auch nicht viel. Also räumte sie noch schnell das Geschirr in die Küche zurück und beschloss ihm nachher einen Tee zu machen. Jetzt schaute sie ihre Serie. Kai lag oben bereits erschöpft im Bett. Doch abschalten konnte er nicht. Ein paar E-Mails musste er noch beantworten, dann könnte er den Tag beenden. Die Arbeit war nun endgültig erledigt. Unachtsam legte er das Handy und den Laptop weg und drehte sich zum Schlafen um. Es dauerte auch nicht lang, da schlief er tief und fest. Er bemerkte nicht einmal mehr, dass sich Hilary kurze Zeit später zu ihm legte... Kapitel 57: Die geheimnisvolle Frau ----------------------------------- Kapitel 57 Gegen 23 Uhr hatte Gregor's Schicht im Hospital endlich ein Ende gefunden. Wieder zwei Überstunden. Er konnte die Notfälle ja schlecht auf den nächsten Tag vertrösten. Im Ärztezimmer zog er den Kittel aus, schloss seine Sachen in den Spint. Ein unauffälliger Blick nach draußen, zeigte ihm, dass die Frau von heute Vormittag schon wieder am Eingang stand. Oder immer noch. „Gregor...“ Ertappt zuckte der Arzt im Feierabend zusammen. „Ich will doch nur wissen wer sie ist.“, verteidigte er sich darauf zügig und spähte nochmal zu ihr. „Sie hat es dir echt angetan...“, sprach der Oberarzt im fortgeschrittenen Alter zu ihm. Die beiden arbeiteten schon über 15 Jahre zusammen, so konnte er sich dieses Gespräch ohne Scheu mit ihm leisten. „Möglich. Ich muss jetzt los. Wir sehen uns morgen.“, Gregor griff seine Sachen und den kleinen Koffer. Mit einem mulmigen Gefühl ging er zu den Fahrstühlen. Ob sie wohl noch dort stehen würde? Die Eingangshalle verlassend, erblickte Gregor auch schon die geheimnisvolle Frau. Sie beachtete ihn nicht, sondern konzentrierte sich nur auf die beleuchteten Fenster. So merkte sie auch nicht wie Gregor auf sie zu kam. Er ging an ihr vorbei, drehte sich herum und blickte mit ihr auf das hell erleuchtete Gebäude. „Es gibt schönere Orte als ein Krankenhaus.“ Erschrocken fuhr sie mit dem Kopf herum, die Augen weit offen. Gregor spähte aus dem Augenwinkel zu ihr. Sie sagte nicht. Verstand sie kein russisch? Er probierte es auf japanisch, auf englisch und gebrochen auf französisch. Doch ebenfalls keine Reaktion. Ein letzter Versuch überkam ihn. Er versuchte sich mit Zeichensprache zu äußern. Ein kaum kaum erkennbaren Kopfschütteln kam von ihr. „Was wollen Sie von mir?“, sprach sie in sehr gutem russisch. „Wissen, warum eine so hübsche Dame tagelang allein hier herumsteht. Gregor Starck.“, er streckte ihr seine Hand entgegen. „Yulika.“, seine Hand nahm sie nicht. Er sah darüber hinweg. „Also...was machen Sie hier, Yulika?“ Es herrschte erneut Stille und die Frau in den Sternenhimmel. „Darf ich Sie auf einen Tee einladen? Es ist ziemlich frisch...und so lang wie Sie heute schon hier stehen, dürfte Ihnen kalt sein.“ „Nein danke.“ „Kommen Sie schon. Ein nettes Gespräch ist sicher spannender, als hier zu stehen.“, auffordernd drehte sich der dunkelhaarige zum Gehen. „Ist nicht weit weg. Wir müssen hier entlang.“, er ging ohne zu warten langsam los und hoffte sie würde ihm folgen. Yulika stand weiter starr auf der Stelle... Einige Minuten später liefen die beiden stumm nebeneinander her. Sie war ihm doch gefolgt, nahm somit seine Einladung an. Gregor brach das Schweigen. „Erzählen Sie mir von sich. Wo kommen Sie her, was hat Sie hierher verschlagen?“ „Diese Fragen kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich bin selbst auf der Suche nach Antworten.“ „Haben Sie keine Erinnerungen?“ „Nein.“ „Ein Gedächtnisverlust...hm..wie sind Sie auf das Krankenhaus gekommen?“ „Ein Traum.“ „Hm...und können Sie sich an weitere Details erinnern?“ „Herr Starck, hören Sie auf mich mit Ihren unendlich vielen Fragen zu löchern. Könnte ich mich erinnern, würde ich nicht jeden Tag in der Kälte stehen.“, warf sie ihm etwas genervt entgegen. Das hatte gesessen. „Entschuldigen Sie... Sie wissen auf jeden Fall, dass Sie aus Russland kommen. Bei der perfekten Sprache.“ „Sprachen kann man lernen. Das sagt rein gar nichts über eine Herkunft aus.“, plötzlich redete sie auf japanisch. Ungewöhnlich für eine russische Frau, die ihr, vermutlich, ganzes Leben in Russland verbrachte. Aber vielleicht zog sie früher aus Japan hier her? So abwegig war dieser Gedanke nicht. Es gab einige aus seinem Bekanntenkreis, die vor 20 Jahren ausgewandert waren. Schweigend liefen sie jetzt wieder nebeneinander her. Gregor erwiderte nichts mehr, fragte auch nicht weiter. Ungefähr 10 Minuten später kamen Yulika und Gregor in einer Wohnsiedlung an. Hier stand ein mehrgeschossiges Haus an dem das Treppenhaus außen an der Hauswand in die einzelnen Etagen führte. Der Russe deutete seiner Begleitung stumm den Weg zur Treppe. In die dritte Etage mussten sie. Yulika schaute sich interessiert um, ihr Blick schweifte hinüber auf die kleine beleuchtete Grünanlage des Wohnkomplexes. Plötzlich vernahm sie ein unerträgliches Stechen in ihrem Kopf. Bilder zogen vor ihrem inneren Auge unscharf vorbei. Sich am Geländer stützend blieb sie stehen. Mit der freien Hand drückte sie gegen den Schmerz in ihrem Kopf. „Was ist los? Stimmt etwas nicht mit Ihnen?“ Gregor. Er kam ein paar Stufen nach unten zu ihr und fasste sie an der Schulter. Yulika schloss ihre Augen, verzog das Gesicht. „Nichts. Es ist nichts. Wo müssen wir hin?“, wieder schob die Frau sich an ihm vorbei, entzog sich seiner Berührung. Seufzend folgte er ihr. „Da oben rechts.“, rief er hinterher und nahm dann zwei Stufen mit einem Mal. Wieder aufgeholt wühlte er seinen Schlüsselbund aus der Hosentasche. Vor der schweren, grauen metallähnlichen Tür blieb er stehen und schloss sie auf. „Ich muss mich schon vorher entschuldigen. Es ist nicht sehr aufgeräumt...“, klackend sperrte er die Tür auf und bat seine weibliche Begleitung herein. Kaum auf der Türschwelle stehend durchfuhr Yulika ein weiterer Stich. Wieder Bilder... Dieses Mal deutlicher... Eine Universität... Sie und zwei junge Männer... Lachend vor einer Uni-Treppe... Ein weißer Lichtblitz... Schwarz... Ein unterdrückter Laut vor Schmerzen. Erneut hielt sie ihren Kopf. Das konnte doch nicht möglich sein! Gregor besah sie skeptisch, griff nicht ein und sagte dieses Mal nichts. Er ging dutzende Theorien durch. Schließlich war er Arzt und auf einigen Gebieten spezialisiert. Wenn diese Frau wirklich einen Gedächtnisverlust erlitten hatte, erinnerte sie sich vielleicht an etwas. Er musste abwarten... Der dunkelhaarige Mann ging an ihr vorbei, seine Jacke und Schuhe flogen unachtsam in die Garderobe. „Möchten Sie einen Tee?“ Yulika schloss die Tür hinter sich. „Hm...ja.“, gedankenversunken antwortete sie ihm. Ihre Schuhe stellte sie ordentlich nebeneinander. Diese Wohnung war sehr spartanisch eingerichtet. Es war nur das Nötigste darin zu finden. Keine übermäßige Dekoration, fast keine Farbe an den Wänden nur auf dem Couchtisch lagen Unmengen an Zetteln und Formularen. Vorsichtig lief Yulika durch das Wohnzimmer. Nicht einmal Familienfotos konnte sie sehen. Hatte er keine Familie mehr? Auch keine Kinderfotos. Ob er keine hatte? „Leben Sie hier allein, Gregor?“ Bedrückte lachend lehnte er an dem Türrahmen zur Küche. „Wenn ich meine ganzen imaginären Freundinnen mitzähle, wohne ich gar nicht allein.“, er kniff ein Auge zusammen und verschwand wieder in der Küche. Also konnte Yulika sich weiter ungestört im Wohnzimmer umsehen. Um ehrlich zu sein, war ihr schon recht kalt draußen und die warme Heizung bot sich zum Wärmen geradezu an. Entspannt lehnte sie dagegen und genoss die aufsteigende, sich ausbreitende Wärme an ihren Beinen. Ihre Hände stütze sie auch auf, bis ihr Blick auf die Seite fiel. Neben der Heizung stand eine Kommode, darauf stand ein Foto. Das einzige Foto in diesem Raum. Gefesselt starrte sie auf eben dieses. Mit zitternden Händen nahm sie es vom Schrank. Diese Frau auf dem Bild war jünger als sie, doch sie war Yulika wie aus dem Gesicht geschnitten. Wie konnte das sein? Hatte sie eine Schwester oder gar eine Tochter, mit ihm? „Ich hoffe Sie mögen Apfeltee.“, gerade kam Gregor zurück in die Stube. Vorsichtig stellte er das kleine Silbertablett auf den Tisch, wissend worauf sie schaute. „Sie...haben es also entdeckt...“, er ließ sich auf das Sofa fallen, legte den Kopf in den Nacken. „Wer ist sie?“, ruhig kam Yulika, mit dem Bild in der Hand, zu ihm. Sie setzte sich neben ihn und stellte das Foto auf den Tisch. Ihr Blick haftete daran. „Sie ist tot.“ In der warmen Wohnstube breiteten sich diese drei Wörter aus wie ein eiskalter Hauch. Sie waren schon lange verstummt, doch es hallte immer noch in ihren Ohren. 'Sie war tot.', aber wer war sie? „...das tut mir leid...“, Yulika senkte ihren Kopf. „Wie ist das passiert?“ Gregor setzte sich wieder aufrecht hin. „Wollten wir nicht Ihrem Gedächtnis auf die Sprünge helfen? Ich habe mit der Vergangenheit abgeschlossen.“ „Aber...sie sieht aus wie ich. Wer war sie? Ihr Name, woher kannten Sie sie?“ Ein schweres Seufzen ertönte neben ihr. „Yulia Hiwatari.“ Kapitel 58: Der Zusammenbruch ----------------------------- Kapitel 58 Der nächste Tag kündigte sich mit lauten Regengeprassel an. Hilary wurde von dem durchgehenden Rauschen geweckt, allerdings versuchte sie das Geräusch auszublenden und weiter zu schlafen. Daraus wurde aber nichts. So sehr sie sich bemühte es zu ignorieren umso lauter wurde es. Aufgebracht riss die braunhaarige ihre Augen auf und starrte die Zimmerdecke an. Ein Schnaufen. Sie drehte den Kopf, schaute auf ihren schlafenden Mann. Kai lag mit dem Gesicht zu ihr, halb auf dem Bauch. Seine rechte Hand verdeckte knapp die geschlossenen Augen. Sein Gesichtsausdruck wirkte immer noch etwas kränklich, daher beschloss Hilary ihn nicht zu wecken. Sie schlich leise aus dem Bett, um nach Emilia zu sehen. Doch auch in dem Mädchenzimmer sah sie nur das schlafende Bild ihres Kindes. „Menno...“ Leicht betrübt, jetzt keine Aufgabe zu haben, schlappte sie die Treppe nach unten. Eigentlich war es auch mal schön Zeit für sich zu haben, dachte sie. Doch beim Vorbeigehen am Fenster wurde sie daran erinnert, dass heute kein guter Tag war. Regen soweit sie blicken konnte. Nicht sehr aufmunternd. Kurze Zeit darauf brodelte das Wasser in dem Wasserkocher vor sich hin. Ein heißer Tee könnte ihre Laune vielleicht etwas aufheitern. Erdbeer-Vanille, für die braunhaarige die beste Teesorte aller Zeiten. Schweigend saß sie dann am Tisch. Die heiße Tasse mit den Händen umgriffen, um sich zu wärmen. Auf einmal klingelte das Telefon. Flüchtig schaute Hilary auf die Wanduhr. Kurz vor Acht. Wer rief denn zu so einer zeit an? Sie nahm den Hörer ab. „Ja? Tachibana?“ „Hil! Man, sag mal wo steckt Kai?“, am anderen Ende vernahm sie Max' angespannte Stimme. „Kai schläft. Was ist denn los?“ „Weck' ihn! Er wollte mich vor einer halben Stunde vom Flughafen abholen!“ „Oh. Davon hat er mir gar nichts erzählt. Warte kurz.“, nebenbei ging die brünette nach oben um nach ihrem Mann zu sehen. Der schlief weiterhin tief und fest. Vorsichtig fasste sie an seine Schulter. „Kai? Hey...“, ein kurzes Rascheln und ein tiefes Ein- und Ausatmen ertönte. „Max ist am Telefon. Er sagt du wolltest ihn vom Flughafen abholen.“ „Er soll sich ein Taxi nehmen...“, das war es auch schon, was der Russe dazu zu sagen hatte. „Max?“ „Ich hab's gehört...Man...“ „Kai fühlt sich nicht so gut.“ „Super...er hätte wenigstens anrufen können! Bin in zirka 20 Minuten bei euch...“, dann legte er auf. Wenn Max seinen Freund sehen könnte, würde er nicht so über ihn reden. Hilary stand im Flur und ließ den Hörer langsam sinken. So ein blöder Tag... Die knappe halbe Stunde verging unheimlich schnell. Sie schaffte es aber noch Emilia anzuziehen und ihr Frühstück zu machen. Jetzt deckte sie den Tisch für Max und Kai, während ihre Tochter schon auf einem Brötchen herumkaute. Als es dann an der Tür klingelte, lief die braunhaarige schnell dorthin. Freundlich empfing sie ihren langjährigen Freund. „Hey! Geht es dir gut?“ „Mir ist jetzt nicht nach Scherzen, Hil.“, antwortete der Amerikaner knapp, nahm Hilary aber kurz zur Begrüßung in den Arm. „Wo ist Kai?“ „Er schläft immer noch.“ „Ist jetzt nicht wahr!“ „Doch. Er sieht schlecht aus...ich glaube er wird krank...Kai schläft sonst nie so lange.“ „Ja, schon ungewöhnlich für ihn. War er beim Arzt?“ „Ich glaube nicht. Aber er wollte!“, während ihrer Unterhaltung legte Max seine Sachen ab und sie gingen zurück in die Küche, wo Max sich gleich an den Tisch zu Emilia setzte. „Du glaubst nicht ernsthaft, dass er zum Arzt geht!“, Hilary schüttelte nur den Kopf. „Eher geht die Welt unter.“, die Japanerin ließ die Schultern hängen. „Ich kann ihn doch nicht zwingen.“ „Klar. Ihr seid verheiratet.“, grinste er zu Emilia und nahm ein Stück Wurst von ihrem Teller. Max hatte irgendwie recht. In Gedanken spielte sie kurz einige Szenarien durch, nur um dann festzustellen, dass es doch zwecklos war einen Kai Hiwatari zu etwas zu zwingen. Rasch schüttelte sie den Kopf und wand sich an Max. „Ähm, magst du was trinken?“ „Yes, Coooffeeeee!“, rief er auf englisch und die brünette verstand. Emilia hatte ihr halbes Brötchen verputzt und brachte nun fast ihr ganzes Spielzeug in die Küche zu Max. Der saß vor seinem heißen, schwarzen Kaffee. Bei jedem Spielzeug bedankte er sich bei der kleinen und ermunterte sie so weitere Sachen zu holen. Von oben konnten sie nun gedämpfte Schritte hören. Das musste Kai sein. Endlich war er aufgestanden. Immerhin war er schon kurz vor Neun. Die Schritte im Obergeschoss konnte Hilary erst auf dem Flur und darauf auf der Treppe ausmachen. Abwartend saßen sie am Tisch. Der junge Russe kam auf Socken die Treppe hinunter und stützte sich am Geländer. Er trug einen olivgrünen Rollkragenpullover, dazu eine dunkelblaue verwaschene Jeans und jede verdammte Stufe bereitete ihm heute Probleme. Schon leicht genervt trat er ein. „Guten Morgen, Kai.“ „Schön, dass du deinen Körper auch mal zum Aufstehen bewegt hast.“, kam es stichelnd von dem blonden. Ein abwertender Blick seitens Kai zeigte dem Amerikaner, dass er heute keinen gewünschten Erfolg mit seinen Sprüchen haben würde. Der blau haarige ging auf seine Frau zu und nahm die Tasse Kaffee, die sie ihm zu schob. Mit der anderen Hand fuhr er ihr kurz über die Wange. Mit der Tasse in der Hand ging er zum Tisch. Dabei stolperte er über eines von Emilia's Spielsachen, was er einen Moment vorher noch registriert hatte. „Verdammt!“, zischte er wütend über sich selbst. Was war denn los? Sein Körper gehorchte ihm einfach nicht mehr. Hilary atmete erleichtert auf, denn sie setzte schon an, um ihm zu helfen. „Bist wohl echt nicht so auf der Höhe, was?“, Max grinste breit, während Kai sich angestrengt am Tisch abstützte. Seine Hand ballte er kraftvoll zur Faust, sein Gesicht zeigte zum Boden und er atmete schwer. „Setz dich doch bitte hin Kai.“ „Nein!“, die Wut über sich selbst und sein Stolz, verboten ihm sich zu setzen. Hilary kam besorgt auf ihn zu, doch noch bevor sie ihn berühren konnte, sackte Kai regungslos zusammen. All seine Kraft, die er zuvor noch ausstrahlte, war verschwunden. „Oh Gott, Kai!!“, die Japanerin stürzte zu ihm auf den Boden. Max sprang aufgeregt vom Stuhl auf und rief ebenfalls nach ihm. Doch Kai zeigte keine Reaktion. Gemeinsam drehten sie ihn auf den Rücken und versuchten ihn wieder zu Bewusstsein zu bekommen. „Er atmet wenigstens.“, sagte der Amerikaner erleichtert, während Hilary Kai's Kopf auf ihrem Schoß hielt und ihm sanft durch das Haar strich. „Ich ruf jetzt einen Arzt. Ob er will oder nicht.“, er telefonierte kurz, redete mit der Zentrale und schilderte, was eben geschah. Emilia, die wieder in die Küche kam, stand total verwirrt in der Tür und ließ darauf ihr Kuscheltier fallen, dass sie noch in der Hand hielt. „Baba...?“ Geschockt fuhr die junge Mutter herum und versuchte für ihre Tochter Sicherheit auszustrahlen. „Es wird alles wieder gut, Emilia! Deinem Papa geht es nur gerade nicht so gut.“ „Die schicken einen Krankenwagen.“, gab Max bekannt und sah die kleine in der Tür stehen. „Emilia. Dein Daddy ist krank und ruht sich jetzt aus. Komm wir gehen ein bisschen spielen.“, sagte er lächelnd und kam auf die kleine zu. Sofort streckte sie ihre kleinen Ärmchen nach ihm aus. „Ich geh mit ihr spielen. Der Rettungswagen ist auf dem Weg.“ „Ja...ist gut... Sie braucht nicht mitbekommen, was hier gleich noch passiert. Danke Max...“, Max nickte und ging mit der kleinen aus der Küche. Hilary schluckte schwer und unterdrückte ihre Tränen. Sie wollte jetzt stark sein für Kai. Ständig schaute die junge Frau zum Fenster hinaus, doch vom Boden aus sah sie nur den wolkenverhangenen Himmel. Dann haftete ihr Blick an dem reglosen Körper. „Kai...was machst du nur... Mach die Augen auf...bitte...“, nach einer schier unendlich langen Zeit, vernahm sie die Sirene des Rettungswagen. „Hörst du das Kai? Gleich geht es dir besser... Halt durch!“ Max hatte die nahenden Sirenen auch gehört und stand schon am Eingang und winkte den Sanitätern zu. Mit Emilia auf dem Arm erklärte er knapp die Situation. Gemeinsam liefen sie in die Küche, doch Max blieb vor der Küche stehen, schloss dann die Tür hinter den Rettungshelfern. Hinter der Tür musste sich Hilary einem regelrechten Kreuzverhör stellen. Der Arzt bombardierte sie mit unzähligen Fragen. War er krank? Hatte er Allergien auf bestimmte Medikamente? Musste er Medikamente einnehmen oder hatte er chronische Erkrankungen? Alles Fragen, die die junge Frau nicht so richtig beantworten konnte. Darüber sprachen sie noch nie. Warum auch. Jetzt stellte sie sich etwas abseits der Helfer, um deren Arbeit nicht zu behindern. Schnell befreiten sie den reglosen Oberkörper von der Kleidung, schlossen Geräte an und legten Zugänge um Medikamente zu verabreichen. „Was ist denn jetzt mit ihm?“, fragte Hilary unsicher nach, ihre Stimme bebte. Nach und nach rollten dabei Tränen über ihr Gesicht. Und der Arzt gab ihr keine klare Aussage. 'Jetzt können wir nichts dazu sagen.'. „Wir nehmen ihn mit ins Moskauer Staatshospital. Sie können gerne mitkommen.“, die Tür zum Flur sprang auf und auf einer Liege trugen sie Kai nach draußen in den Rettungswagen. Geistesabwesend folgte die braunhaarige bis an die Haustür und sah hinterher. Max kam dazu, stand still neben seiner Freundin. Er fasste ihr auf die Schulter. „Soll ich mitfahren?“ Sie nickte stumm. Der blonde gab ihr ihre Tochter auf den Arm. „Ich ruf dich an, sobald ich was weiß!“, dann rannte Max nach draußen und stieg mit ein. Kurz darauf rollte der Krankenwagen mit lauten Sirenen davon. Kapitel 59: Krankenhausaufenthalt --------------------------------- Kapitel 59 Es vergingen unendlich viele Stunden für Hilary und am Nachmittag meldete sich endlich Max bei ihr. Wie ungeduldig hatte sie auf seinen Anruf gewartete. Sie konnte jetzt zu Kai ins Krankenhaus kommen. Eilig packte die brünette eine kleine Tasche zusammen, in der Essen und Trinken für Emilia waren und zog sich an. Wenn die beiden sich beeilen, würden sie die nächste Bahn in die Innenstadt noch schaffen. Eine dreiviertel Stunde später hatte die junge Frau das Hospital gefunden. Unterwegs musste sie zweimal nach dem richtigen Weg fragen. Und das, mit ihrem noch nicht perfektem Russisch. Schnellen Schrittes schob sie den Kinderwagen ins Gebäude. An der Anmeldung blieb sie stehen. Eine dickliche junge Frau mit auffälligem Make-Up musterte sie von oben bis unten. Als Hilary auf sie zu kam, lehnte die sich zurück und kaute unübersehbar auf einem Kaugummi herum. „Guten Tag. Ich...äh ich möchte zu Kai Hiwatari.“ „Und wer sind Sie?“, fragte die pummelige Frau und tippte gelangweilt den Namen in den Computer. „Ich? Hilary Tachibana.“ „Hilary! Hier!“, verwunderte drehte sie sich zur Stimme herum. „Max! Wo ist Kai?“ „Komm mit, ich bring dich hin.“, Max antwortete ihr auf japanisch, was sie kurzzeitig irritierte. „Die Frau an der Rezeption ist verdammt neugierig. Von mir wollte sie schon wissen wo ich wohne... Komm jetzt!“, gemeinsam gingen sie zum nächsten Fahrstuhl. Max sah nochmal kurz zu der blonden Frau an der Anmeldung. Nur um sicher zu gehen. Die Fahrstuhltür schloss sich. „Und was ist nun mit ihm? Was hat er? Max sag doch!“ „He, jetzt warte doch mal. Ich kann dir doch gar nichts erzählen. Die Ärzte geben nur Informationen an die Angehörigen...aber ich weiß, dass er stabil ist. Sonst würde er nicht auf der normalen Station liegen.“ Auf der 4. Etage stiegen sie aus. Der typische Geruch von Desinfektionsmittel stieg Hilary in die Nase. Beklemmend, wie sie empfand. Nervös suchte sie in Max' Augen Beruhigung. Der grinste sie aber zuversichtlich wie immer an. „Komm schon. Wir müssen da lang.“, wieder folgte sie dem blonden. Vor Zimmernummer 1.5.21 blieben sie stehen. Max klopfte an der Tür und öffnete sie. Zögernd ging die brünette hinterher. Kai lag allein in dem Zimmer. Um ihn herum waren piepsende Geräte angeschlossen, die dauerhaft seine Vital-werte aufzeichneten. Er hatte die Augen geschlossen. Bis zur Brust war er zugedeckt. Sie konnte auf seinem freien Oberkörper die Plättchen vom EKG erkennen. Überall führten Kabel zu seinem Körper. Sie konnte alles gar nicht richtig zuordnen. Ein dünner Schlauch führte in eines seiner Nasenlöcher, wohl die Sauerstoffversorgung. Seine Arme lagen ausgestreckt über der Decke. Auch hier waren auf beiden Seiten Infusionen angesteckt. Die junge Japanerin musste sich sehr anstrengen um nicht in Tränen auszubrechen. Kurz strich sie Emilia über den Kopf und entfernte sich vom Kinderwagen. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf seine. „Kai...“ „Die Ärzte sagen, dass er alles mitbekommt was in seiner Umgebung passiert.“ „Ist er im Koma?“ „Davon haben die Ärzte nichts gesagt.“, Max schnallte Emilia ab, sodass die kleine sich im Zimmer bewegen konnte. Gespannt lief sie zum großen Fenster und schaute heraus. „Wann wacht er denn jetzt wieder auf?“ „Hiiiiiil, ich weiß es nicht! Lass uns auf einen Arzt oder eine Schwester warten...Dir geben sie sicher mehr Informationen...“ „Entschuldigung...“, dann schwiegen die Freunde sich an. Nur der Amerikaner erzählte hin und wieder mit Emilia, erklärte dem kleinen Mädchen die so große Welt. Ihre Mutter hing in ihren Gedanken fest. „Herr Doktor? Hier ist die nächste Patientenakte.“ „Hm? Was ist da passiert?“ „Junger Mann, 20 Jahre, Zuhause zusammengebrochen. Laut einer Freundin ging es ihm einen Tag vorher schon nicht gut.“ „Hm...ja ich sehe...die Blutwerte sind nicht erhöht...Keine Infektion...hm...Das EKG ist auffällig...Was?“, die Krankenschwester lief neben dem dunkelhaarigen Arzt her und hatte ihm noch weitere Details erzählt. Doch denen beachtete er keine große Aufmerksamkeit, als er den Namen seines nächsten Patienten las. Zügiger als sonst, lief er zum nächsten Zimmer. 1.5.21. Es klopfte an der Zimmertür, doch die junge Frau bemerkte weder das Klopfen, noch das Eintreten des Arztes. „Oh!“, der schnelle Schritt verlangsamte sich umgehend, als der Arzt Hilary, Max und Emilia erblickte. „Guten Tag, Doktor Starck mein Name. Ich bin der behandelnde Stationsarzt.“ Erschrocken schaute die brünette herum. „Was? Oh...Hallo. Ich bin Hilary Tachibana...“ „Angenehm. Schön auch dich zu sehen, Max.“ „Hey!“, begrüßte Max den Arzt kurz, den er anscheinend kannte. Sofort wurde er von Emilia aber wieder in Beschlag genommen. Gregor stellte sich an das Fußende des Krankenbettes und stützte sich mit der Akte in der Hand daran ab. Zunächst streng, dann aber mitfühlend schaute er auf Kai. „Was machst du nur für Sachen, Junge...“ „Was ist denn jetzt mit ihm, Doktor?“ Gregor beäugte Hilary neugierig. „Du bist wohl die Freundin die bei ihm war?“ „Ja.“, sie nickte. „Dann kannst du mir noch einiges erzählen. In der Akte steht, dass es Kai am Vortag nicht gut ging. Wie hat sich das geäußert?“ Die Japanerin erzählte von seinem ungewöhnlichen Verhalten am Abend zuvor und auch, dass er unüblich sehr lange schlief. Als sie ihm alles geschildert hatte, wollte sie auch endlich Antworten. „Was hat Kai denn nun?!“, frage Hilary mit mehr Nachdruck. „Eigentlich darf ich euch nichts erzählen, dass wisst ihr, oder?“ „Hören Sie mal, Max und ich, wir sind schon seit Ewigkeiten mit ihm befreundet! Wissen SIE das eigentlich?! Wird er wieder gesund??“ „Kommen Sie schon!“, mischte Max wieder mit. Es ging um seinem Kumpel und um seinen Geschäftspartner, das ging ihn gewissermaßen auch etwas an. Gregor warf den Kopf zurück, seine Augen geschlossen. Die Arme noch immer am Bett gestützt, ließ er den Kopf schwungvoll nach unten sinken. Ein lautes Seufzen folgte. „Ach...ihr werdet es eh herausfinden... Kai...hat einen Herzfehler und der hat das ganze Spektakel hier ausgelöst. So. Mehr kann ich euch dazu aber echt nicht sagen. Sonst krieg ich mächtig Ärger.“ „Aber-!“, Hilary wusste gar nicht recht wie sie anfangen sollte. Was bedeutete das jetzt im Klartext? „Tut mir leid. Ich KANN euch nicht mehr sagen. Wenn Kai aufwacht fragt ihn.“, Gregor schlug die Krankenakte auf und notierte sich einige Werte, die auf den Geräten angezeigt wurden. Er kontrollierte noch die Infusion. Aus dem Augenwinkel schielte er erneut zu Kai. Die braunhaarige hatte ihre Hand auf seiner und anscheinend reagierte er auf diesen äußeren Reiz. Gregor dachte sich seinen Teil dazu. „Gut. Soweit ist alles in Ordnung. Ich muss dann zum nächsten Patienten.“, mit diesen Worten verabschiedete er sich zugleich, schlug die Akte zusammen und ging zur Tür. „Übrigens, du hast eine echt süße Tochter! Also dann.“ „Hm?“ Hilary spürte etwas unter ihrer Hand. Eine minimale Bewegung von Kai. Hand Hand zuckte kurz. Dann wieder. Die Finger ballte sich zur Faust, gleichzeitig blinzelte der Russe ein paar Mal, bis die Augen einen Spalt geöffnet blieben. „Kai! Er ist aufgewacht!“ „Was?“, der Doktor schlug die Tür wieder zu und eilte zurück. „Du bist wach, Kai... Ein Glück...“, sein Kopf neigte sich zur Seite, schaute noch benebelt auf die brünette. Die Augen fielen wieder zu. Jetzt griff Doktor Starck ein. „Kai? Mach die Augen wieder auf. Hörst du mich?“ Hilary merkte darauf wie sich seine Hand unter ihrer entzog. Langsam bewegte sich sich hoch in sein erschöpftes Gesicht. Mittlerweile atmete er durch den Mund. Gezielt, ohne wirklich gesehen zu haben was sich an ihm befand, packte er den Schlauch an seiner Nase und zog kräftig an ihm. Ein scharfes Ein- und ein erleichtertes Ausatmen folgte. „Kai, hör auf damit!“, ermahnte ihn der dunkelhaarige Arzt. Doch der junge Mann dachte nicht daran aufzuhören. Er spürte noch weitere Fremdkörper auf seiner Brust. Er setzte wieder an, dieses mal auf dem Oberkörper um die Elektroden des EKG's loszuwerden. Beherzt griff Hilary seine Hand, um ihn davon abzuhalten. „Kai...“, wisperte sie. „Bitte...hör auf...“, sein Atem ging schneller, die Unzufriedenheit in ihm wuchs. Er wollte das alles nicht. Wer hatte ihn gefragt, ob er das wollte? „Wo...bin ich...?“, fragte der blau haarige schwach. „Du bist im Krankenhaus, mein Guter.“, Kai bewegte den Kopf zur anderen Seite. „Gregor...“ Der zückte eine kleine Lampe aus seinem Arztkittel. „So, jetzt schau mal auf das Licht. Nach links. Zur anderen Seite. Gut. Weißt du welchen Tag wir heute haben?“ „Lass diesen Mist...“ „Weißt du es, oder nicht? Pfff...du Sturkopf. Du ersparst mir eine Menge Arbeit und dir eine Menge Untersuchungen. Also stell dich nicht so an.“, der Arzt grinste. Kai schloss die Augen. „Donnerstag.“ „Sehr gut. Der Sturz hat also keine Kopfverletzungen verursacht. Hier steht übrigens noch, dass dein Vater informiert werden soll, wenn etwas mit dir ist...“ „Nein!“ „In Ordnung, dass dachte ich mir bereits. Dann nehme ich an, dass Kate bereits informiert ist?“ „Nein.“, die Augen des Russen starrten kalt an die weiße Wand gegenüber. Gregor zog eine Augenbraue hoch „Okay Kinder. Lasst ihr mich kurz mit Kai allein?“ „Ja gut. Komm Hil, ich hab Lust auf einen heißen Kakao. Und Emilia auch!“, beide grinsten, als hätten sich sie abgesprochen. Hilary zögerte trotzdem noch und warf einen prüfenden Blick auf Kai. Der bemerkte, dass die brünette ihn ansah und schaute sie auch an. Jedoch nur kurz, bis er denk Blick senkte. Hilary rutschte von der Bettkante herunter. „Wir warten im Flur...“, sprach sie leise und ließ damit seine kühle Hand los. Kai versuchte die Berührung noch länger zu erhalten, als wäre es seine letzte mit ihr. Die Tür fiel ins Schloss... Kapitel 60: Neugier ------------------- Kapitel 60 „Schuldgefühle?“ „Warum sollte ich welche haben?“ „Weil sie, statt Kate an deinem Bett steht? Da wirst du dir einiges anhören können von ihr.“ „Kate ist Geschichte.“ „Aus?“ „Ja.“ „Und die Frau eben? Wie hieß sie noch...Hilary? Was läuft mit der?“, neugierig fragte Gregor drauf los. Kai schluckte und beantwortete seine Frage nicht. Indirekt aber doch, denn die angeschlossenen Geräte lieferten dem Arzt seine gewünschte Antwort. Sie zeigten nämlich einen erhöhten Herzschlag und Puls an. „So so...du willst also nicht darüber sprechen...Ist es denn was Ernstes oder nur was für Zwischendurch? Ich meine...Kate mit so einer Frau zu ersetzen...und dann noch mit Kind...ist auch für dich neu.“ „...“ „Wie du willst. Kommen wir zum eigentlichen Thema zurück. Der Grund warum du hier bist...“ „Wann kann ich hier wieder raus?“ „Hahaha, du Scherzkeks. So schnell sicher nicht.“, er fuhr sich durch seine kurzen Haare. „Dadurch, dass du deine letzten Kontrolltermine hast sausen lassen, war das hier vorhersehbar! Du bist absolut verantwortungslos mit deiner Gesundheit umgegangen! Du kannst dich glücklich schätzen, überhaupt noch atmen zu dürfen.“ Ein langgezogenes „Ja...“, folgte. „Kai, das ist hier kein Kaffeekränzchen mehr, das ist bitterer Ernst!“ „...“ „Du bist so ein sturer Esel...fast schlimmer als dein Vater.“, scherzte Gregor und erwischte Kai auf dem falschen Fuß. „Vergleich mich nicht mit ihm!“ „Oh natürlich. Ich vergaß. Du magst es ja nicht, wenn du mit deinem alten Herrn verglichen wirst. Aber deine Sturheit kommt nicht von irgendwo.“ „Wann kann ich hier wieder raus?“, fragte der blau haarige nochmal nach. Gregor stellte sich an die Zimmertür und öffnete sie unsanft. „Wir müssen noch einige Tests mit dir machen, dann kann ich dir mehr sagen.“, herein gepurzelt kam Max, der an der Tür lehnte. „Bis später.“ Sofort schob sich Hilary an dem Blondschopf vorbei. Emilia folgte ihr ebenfalls. „Und? Was ist nun?“ Kai seufzte schwer und kaute etwas auf seiner Unterlippe. „Ich muss wohl ein paar Tage hier bleiben.“, schaute dann zum Fenster hinaus in den blauen Himmel. „Aber was ist mit deinem Herz?“ „...verdammt...“ Max rieb sich noch seinen Rücken, auf dem er unsanft landetet. „Max. Steh doch bitte vom Boden auf...die Leute...“ „Oh...ja!“, schnell hüpfte er auf und klopfte seine Hose ab. „Ach Max...komm doch nochmal zu mir. Ich muss dich kurz sprechen.“, Gregor winkte den blonden zu sich. Der wusste genau, was der Arzt von ihm wollte. „Hil? Ich hol mir noch einen Schoki! Bin gleich wieder da!“, dann ging die Tür auch schon zu. „Max... Du bist doch schon eine ganze Weile mit Kai befreundet...Was hat sie mit ihm zu tun?“ Der Amerikaner grinste breit. „Keine Ahnung. Das fragen Sie ihn lieber selbst.“, der kurzhaarige schien betrübt darüber keine Informationen über Kai's Beziehungsstatus zu bekommen. „Mist...“ „Er hat es Ihnen wohl nicht verraten?“ „Nein...Sag du mir nur, ob sie zusammen sind oder nicht. Bitte.“, der gestandene Arzt konnte wahrlich zum Kleinkind mutieren, wenn er an Informationen kommen wollte. Daher zog er die Augenbrauen hoch und lächelte übertrieben. „Ja, sind sie.“, damit öffnete Max wieder die Tür und verschwand im Raum. Gregor sah erstaunt aus. „Und Kai, wie geht’s dir denn nun?“ „Ich liege in einem Krankenhaus. Mir geht es prächtig.“, Kai's Stimme strotzte geradezu vor Sarkasmus. „Naja...ich mein doch nur wegen der Arbeit. Ich muss dich ja vertreten solang du nicht da bist.“ „In ein paar Tagen bin ich hier wieder weg.“ „Bevor die Ärzte nicht sagen, dass alles in Ordnung ist, bleibst du hier drin! Weißt du eigentlich wie groß meine Angst um dich war?“, Hilary nahm ihrem Mann den Wind aus den Segeln. Überrascht sah er zu ihr. „Hm?“ „Hil hat Recht! Du wartest bis die Ärzte ihr O.K. Geben.“ „Seit wann entscheidest du jetzt, wann ich wo hin gehe?“, der Amerikaner kassierte einen strengen Blick von seinem Freund. „Naja...Eigentlich muss er es doch selber entscheiden, Hil...“, Max versuchte zu seine Angst etwas zu überspielen und kapitulierte. Der Nachmittag neigte sich langsam dem Ende zu und die Sonne stand kurz vor dem Untergang. Da klopfte es erneut an den Tür und kurz darauf trat die Nachtschwester ein und schaute nochmals nach den Geräten. „Hey. Wie lang muss ich hier blieben?“, richtete sich der blau haarige an die Schwester. Sie drehte sich halb zu ihm um, als sie etwas einstellte. „Mit Ihrem Zustand beehren Sie uns mindestens zwei Wochen. So ein auffälliges EKG und unregelmäßige Herzschläge habe ich selten gesehen.“, erklärte die Frau schroff und Kai's Miene verzog sich düster. „Dass was Sie jetzt brauchen ist Ruhe und zwar ganz viel! Keine Arbeit, keinen Stress, nur absolute Ruhe.“, die Krankenschwester schaute nun seinen Besuch an, da Emilia quengelte. „Absolute Ruhe! Lautes Geschrei und quengelnde Kinder tragen nicht zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes bei! Bitte gehen Sie jetzt.“, sie hatte nun ihre Arme in die Seiten gestemmt, um ihre Aufforderung zu verdeutlichen. Hilary sah ihren Mann an, der mit einer nickenden Kopfbewegung signalisierte, dass sie lieber gehen sollten. „Ok...wie du meinst. Ruh dich gut aus... Bis morgen.“, die brünette strich ihm über die Stirn. Er schloss dabei die Augen. Hilary hob noch Emilia hoch. „Sag Tschüss!“, und die kleine winkte kurz. „Bis morgen und halt die Ohren steif!“, Max klopfte ihm auf die Schulter. „Besuchszeit ist ab 15 Uhr!“, wetterte die Schwester noch hinterher. Einer der beiden hätte es vielleicht vergessen können. „Man war die unfreundlich...“ „Ja...ich wäre gerne noch bei ihm geblieben...“ „Du ja, aber Emilia hatte keine Lust mehr.“, scherzte Max. Gemeinsam verließen sie das Hospital und machten sich auf den Heimweg. Kai musste sich noch einen Moment länger, als gewollt, mit der Nachtschwester abgeben. Sie hatte noch einiges zu nörgeln, nachdem sie den Besuch heraus geschmissen hatte. Die, schätzungsweise Anfang 50-jährige Frau, zupfte am Bett herum und zog schließlich die Vorhänge zu. Der Russe verdrehte die Augen. Auch das blieb der Stationsschwester nicht verborgen. „Ruhen Sie sich lieber aus! Morgen steht Ihnen ein anstrengender Tag bevor!“ „Lassen Sie die Vorhänge auf.“ „Und...glauben Sie ja nicht, nur weil Ihr Vater ein hohes Tier ist, dass Sie sich hier alles erlauben können!“ Ein lautes Schnaufen drang durch den Raum. Warum sollte er sich für etwas besseres halten? Dem blau haarigen war es egal, ob sein Vater bekannt war oder nicht. „Gute Nacht!“, mit einem kräftigen Zug waren die langen Fenstervorhänge wieder zugezogen, ehe die Frau das Zimmer verließ. Stur starrte der junge Mann auf die mintgrünen Vorhänge. Im Dunkeln kamen Hilary, Emilia und Max Zuhause an und der blonde kochte heute etwas Warmes für die zwei Mädels. Er kochte zwar nicht so gern, aber er konnte es. Ihm war das Abwaschen und Aufräumen zu anstrengend, weshalb er lieber anderen diese Aufgabe überließ. Hilary zog derweil ihre Tochter um. „Raus aus den dicken Sachen und rein in den kuscheligen Schlafanzug!“, summte die brünette ihrer Tochter zu. Emilia streckte die Arme nach oben, damit sie umgezogen werden konnte. „Da!“ „Hm? Was meinst du, Emilia?“, Hilary drehte sich um. „Du willst noch spielen?“, Emilia klatschte begeistert in die Hände. „Warte kurz, wir fragen vorher Max.“, sie nahm Emilia auf den Arm und ging zur Treppe. „Max? Wie lang brauchst du noch?“, rief die junge Frau die Treppe herunter und wartete auf Antwort. Der Gerufene öffnete die Küchentür: „Ähm...ich denke noch zehn Minuten!“ „Gut! Hast du gehört? Ein paar Minuten können wir noch spielen!“, lächelte sie und hüpfte mit der kleinen zurück ins Zimmer. Emilia holte darauf Eimer mit Bausteinen, den sie prompt ausschüttete und die Steine durchwühlte. Hilary versuchte ihr Unsicherheit zu überspielen. „Ach was machst du denn? Lass uns lieber etwas bauen!“, sogleich nahm Hilary ein paar Steine und begann zu bauen. Einen einfachen Turm. Drei Steine stapelte sie aufeinander. Und Emilia zerstörte diesen. Das gleiche Spiel wiederholte die Mutter noch fünfmal bis Emilia und auch sie die Lust daran verloren. Max rief zum Abendessen. Ein Glück. Es gab Toast Hawaii. Mit einem mulmigen Gefühl betrat Hilary die Küche. Sofort sah sie Kai wieder auf dem Boden liegen, das Bild hatte sich eingebrannt. „Lass uns lieber im Wohnzimmer essen.“, bat sie. „Hm? Okay, wie du willst.“ Als Hilary später ihre Tochter zu Bett brachte, dachte Max nochmal über den Tag nach. Er hatte Kai gar nicht so eingeschätzt, dass er krank war oder einen Herzfehler hatte. Hätten sie das nur früher gewusst, aber der Russe schwieg lieber alles tot, als sich irgendwem zu öffnen. Hilary gesellte sich einige Zeit später wieder zu Max und gemeinsam schauten sie einen Film. Dabei sprachen sie viel über den Tag, stellten Mutmaßungen an, wie lange Kai wohl im Krankenhaus bleiben müsste. Später am Abend lag die brünette im Bett. Sie vermisste Kai neben sich. Seine Wärme, sein leises Atmen und die zufälligen Berührungen im Schlaf beim Drehen. Wie lange sie wohl darauf verzichten müsste? Ob es wirklich nur zwei Wochen waren... Kapitel 61: Die bittere Wahrheit -------------------------------- Kapitel 61 Am anderen Morgen wurde Hilary unsanft aus ihrem, viel zu kurzen Schlaf geweckt. Emilia schlief in der Nacht auch überhaupt nicht gut. Auch kein Wunder bei der Aufregung am gestrigen Tag. Max klopfte zum wiederholten Male an die Schlafzimmertür. „Hil? Bist du wach?“, er bekam eine Antwort. „Hiiiil, komm wach auf! Du musst mir sagen wo Kai die ganzen Unterlagen für das Zentrum hat! Hil?“, das Türschloss klackte zweimal und verschlafen öffnete die junge Frau die Tür. „Was willst du denn?“, müde rieb sie ihre Augen. Die junge Frau schaute durch einen kleinen Türspalt auf den Flur. „Wo sind die Unterlagen fürs Zentrum? Ich brauch die, wenn ich Kai vertreten muss.“ „Warte kurz...“, sie schlug die Tür zu und zog sich etwas über. Aus Gewohnheit schlief sie nur in Top und Hotpants. Mit einem dicken Pulli, der ihr fast bis zu den Knien reichte, kam sie erneut heraus. „Kai hatte eine Mappe in der er alles geordnet hat...wo war die noch gleich...“, im Halbschlaf taumelte die braunhaarige voraus ins Wohnzimmer. „Hm...eigentlich müsste sie hier liegen.“ „Und?“ „Keine Ahnung wo er die hingelegt hat. Ich glaube, da waren sowieso nur Bewerbungen drin.“ „Okay. Dann mach ich mich auf den Weg und schaue was ich dort an Unterlagen finde. Bin dann gegen Mittag zurück!“ „Bis nachher.“ Früh am Morgen im Krankenhaus. Der Halbrusse lag noch bis spät am Abend wach. Grimmig hatte er noch auf die Vorhänge geschaut, die gegen seinen Willen wieder zugezogen wurden. Nach zweimaliger Ermahnung der strengen Nachtschwester, hatte er aber den Kampf gegen die Müdigkeit aufgegeben. Es klopfte kurz laut an der Tür bis die Schwester hereinkam. „Guten Morgen, Herr Hiwatari!“, stürmisch rannte die grimmige Schwester zum Fenster und riss die Vorhänge auf. Kai, der mit dem Gesicht zum Fenster lag, bekam die volle Ladung Morgensonne ab. Genervt drehte er sich weg. „Los! Die Augen auf! Hätten Sie gestern nicht so lange wach gelegen, wären Sie ausgeschlafen! Hier Ihr Frühstück. In einer halben Stunde holen meine Kollegen Sie für die heutigen Untersuchungen.“, eilig holte sie das Essen herein, welches noch abgedeckt war. Dann trabte sie schnell weiter zum nächsten Zimmer. „So ein Stress...und mir sagt sie, dass ich Ruhe brauche...“, angestrengt rieb er die Augen und setzte sich leicht auf. Soweit es sein Körper zuließ. Wenigstens schien die Sonne an diesem beschissenen Tag. Der blau-haarige aß nicht viel, ihm war nicht danach. Obwohl er damit riskierte wieder eine Standpauke der nervigen Schwester zu bekommen. Es klopfte erneut. Mit einem Mal kamen gleich zwei Schwestern herein. Die alte nervige verabschiedete sich so knapp es eben ging und stellte die Schwester der Tagschicht vor. Mitte zwanzig, Anfang dreißig, schätzte der Russe. Freundlich war sie auch. Sie nahm das Tablett mit und meldete sich an in fünf Minuten wieder bei ihm zu sein. So war es auch. Das Krankenbett schob die Frau etwas angestrengt durch die Gänge zum gewünschten Untersuchungszimmer. Als er in den Raum kam wurde Kai schon keck grinsend von Doktor Starck erwartet. Normalerweise durfte er keinen Patienten behandeln den er privat auch kannte, doch Kai's Vater hatte es mal so arrangiert. „Na? Gut geschlafen?“, grinste er weiter. Angesprochener erwiderte nichts. „Keine Lust zu reden? Auch nicht schlimm.“, er zog sich blaue Latexhandschuhe über und streckte die Finger. „Was wir jetzt machen ist ein Herzultraschall, dauert nicht lang, vielleicht 15 Minuten und du bist hier raus.“ „Hm.“ Den ganzen Vormittag ging es so weiter. Sein Terminplan war voll gequetschter als bei ihm im Zentrum. Weitere Untersuchungen, Tests und Arztbesuche auf dem Zimmer. Es war schon fast Mittag und Kai spürte wie sehr ihn dieses hin und her anstrengte. Doch eine Untersuchung stand ihm noch bevor, dann hatten die Ärzte hoffentlich ihre dämlichen Ergebnisse. Ein weiteres Mal wurde seine Zimmertür aufgerissen. Verdammt, er hatte doch nur kurz die Augen schließen wollen! Er fühlte sich wie unter Beobachtung. „Ich hoffe, du hast dich etwas ausgeruht. Jetzt darfst du Sport machen.“ „Wie soll ich denn ausruhen, wenn ständig jemand hereinplatzt?!“, giftete Kai den dunkelhaarigen Arzt an. „Dafür kann ich nichts. Also los. Ich will nur sehen, wie dein Herz auf Belastung reagiert.“, zwei blutjunge Frauen kamen mit ihm herein. Wohl Auszubildende oder Studenten. Wie er das hasste. „Schaut genau zu und lernt.“, ermahnte Doktor Starck zur Aufmerksamkeit. „Deine Visage ist Belastung genug!“ „Selten so gelacht. Steh bitte auf.“ „Hm?“ „Du darfst aufstehen!“ Das ließ sich der junge Mann nicht noch einmal sagen. Prüfend legten sich die rubinroten Augen auf Gregor, doch aus dem Gesicht konnte er nichts lesen. Was sollte das nun wieder? Abwartend verschränkte der Arzt die Arme vor der Brust. Und Kai setzte sich mit einem Ruck auf. Wohl etwas zu schnell. Alles drehte sich urplötzlich, ihm war schwindelig. Er stützte sich mit den Händen und bewegte die Beine nacheinander heraus. Eine der jungen Frauen stellte ihm Schlappen hin in die er schlüpfen sollte. Gott, verdammt. Er kam sich vor wie ein alter Knacker. Dabei war er gerade mal zwanzig Jahre! Gregor notierte alles was die Geräte anzeigten. Positiv oder negativ konnte der blau-haarige nicht erkennen. Er rutschte langsam vom Bett herunter, dann stand er. Kurz. Denn schon Sekunden nachdem er stand, wollten seine Beine ihn nicht mehr tragen und gaben nach wie Pudding. Gregor griff ein und stützte ihn indem er unter seine Schulter griff. „Mist!“, mit sich selbst unzufrieden fluchte Kai vor sich her. „In Ordnung...wir haben alles was wir brauchen. Du kannst dich wieder hinlegen. Weiterhin strenge Bettruhe!“, die Frauen halfen ihm beim Hinlegen und Zudecken. Was für eine Demütigung. „Sobald ich alle Ergebnisse ausgewertet habe, komme ich zu dir.“ „Ja.“, die Antwort presste er nur heraus. Innerlich kochte der Halbrusse vor Wut. Keiner gab ihm Antworten, nur die dämlichen Tests, bei denen er sich vorkam wie ein kleines Kind. Kurz nach der letzten Untersuchung klopfte er wieder an der Tür. „Ja, verdammt!“ Darauf trat ein älterer Herr herein. „Entschuldigen Sie, ich bringe Ihr Mittagessen.“ Als Kai den älteren Mann sah, tat ihm dieser forsche Ton leid. Jetzt mussten die anderen wieder unter seiner schlechten Laune leiden. „Stellen Sie es hier her. Danke...“ „Ich wünsche Ihnen einen guten Hunger.“, leise und zügig schlappte er aus dem Raum heraus. Ein lautes, einsames Seufzten ertönte ihm Zimmer. Stumm öffnete er den Deckel vom Tablett. „Nudeln...wenigstens was...“ Langsam aß er die Portion Nudeln und Soße auf. Und schloss den Deckel wieder. Und starrte wieder auf die Wand ihm gegenüber... Endlich hatte er Ruhe. Dass, worauf die Krankenschwester gestern so pochte. Am liebsten würde er sich jetzt in Arbeit stürzen, doch Max hatte ihn am Telefon abgewürgt. 'Lass mich das nur machen!', sagte der blonde zu ihm. Wenn er das sagte, ging meist etwas schief. Doch kontrollieren konnte er es von hier aus auch nicht. Wieder ein Schnaufen. Das nichts Getue machte den Russen noch verrückt. Schließlich ermahnte er sich selbst zur Ruhe, drehte sich auf die Seite und schaute aus dem großen Fenster. Vereinzelt flogen Vögel vorbei. Nach wenigen Augenblicken der Ruhe übermannte ihn die Müdigkeit... Irgendwann, noch bevor die Besuchszeit begann, kam Gregor in das Krankenzimmer von Kai. Als er aber den jungen Mann schlafen sah, schmunzelte er. „Du schläfst immer noch wie damals...“ Eine Hand unter dem Kopfkissen, die andere locker auf seiner Hüfte abgelegt. Sein Gesicht entspannt, doch auch die Anstrengung vom Vormittag sah man ihm an. Leise trat der Arzt zurück, verließ den Raum wieder und ging einer anderen Aufgabe nach. Die Zeit verging und die Besuchszeit nahte. Hilary sehnte diese Zeit des Tages seit dem Morgen herbei. Am liebsten wäre sie schon früh nach dem Aufstehen zu Kai ins Krankenhaus gefahren. Jetzt saß die brünette im Zug, der sie zu ihrem Mann bringen würde. Verträumt spielte sie an ihren Fingernägeln herum und sah die vorüberziehende Landschaft aus Häusern an. Wie es Kai wohl ging? In nicht einmal 15 Minuten würde sie es erfahren. Die Aufregung stieg in ihr, als käme sie zu ihrem ersten Date mit Kai. Schnell stieg sie aus und lief weiter Richtung Hospital. Ein kurzer Blick auf die Uhr zeigte, dass sie gut in der Zeit lag. „Kurz vor Drei.“, murmelte die Japanerin beim Laufen vor sich her. Sie achtete dabei nicht auf ihre Umgebung und stieß prompt mit jemandem zusammen. „Oh, sorry!“, entschuldigte sie sich umgehend, erntete von der Frau aber nur ein müdes Lächeln. Sie hatte die Frau gestern Abend schon gesehen, als sie mit Max aus dem Krankenhaus kam. Die braunhaarige dachte nicht weiter darüber nach. Jetzt wollte sie zu Kai. Ungeduldig wartete sie auf den Fahrstuhl. Hilary hätte auch die Treppen nehmen können, doch dann wäre sie durchgeschwitzt gewesen. Das wollte sie nicht. Ein angenehmer Ton signalisierte ihr die richtige Etage. Tief Ein- und Ausatmend trat sie heraus. Ein Glück konnte sie die Schwester vom Vortag nicht finden. Vor seiner Tür blieb sie kurz stehen. Klopfte dann vorsichtig an und trat ein. „Hey Kai.“, Hilary ging weiter in den Raum und bemerkte, dass sie keine Antwort bekam. „Kai?“, fragte sie mit zittriger Stimme noch einmal nach. Er lag zum Eingang und beim näheren Herangehen, sah die junge Frau, dass er schlief. Sofort schlich sie auf Zehenspitzen zu ihm. Ein glückliches Lächeln zierte die Lippen der Frau. Leise holte Hilary sich einen Stuhl heran. Sie konnte die Augen nicht von ihrem schlafenden Mann lassen. „Hm...Hilary...?“ „Hey...ich wollte dich nicht wecken...“, zärtlich küsste sie ihn. „Das wäre nicht das erste Mal heute...“, sprach er noch recht brummig und lächelte verschlafen. Kai drehte sich dann auf den Rücken und schien verwirrt. „Wo ist Emilia?“ „Max hat sich angeboten. Du kennst ihn ja.“ „Ja...“ „Wie sind die Untersuchungen gelaufen?“ Ein trotziger, zugleich genervter Blick von Kai funkelte ihr entgegen. „Man Kai! Was soll das? Warum machst du so ein Geheimnis daraus!“ „Keine Ahnung. Gregor war noch nicht da.“ „Hm...“ Es klopfte und kurz darauf trat besagter Arzt noch einmal ins Zimmer. „Ah, endlich bist du wach. Vorhin hast du geschlafen wie ein kleines Baby.“ „Lass den Mist...“ „Hallo Hilary.“ „Guten Tag, Doktor.“, sie reichte ihm die Hand. Gregor stützte sich darauf aus Gewohnheit heraus mit den Unterarmen wieder am Gitter des Bettes ab. Ernst schlug er die Mappe auf. „Ich habe die Tests ausgewertet.“ „Und??“, fiel Hilary ungeduldig dazwischen. „Ehm...ich muss dich bitten heraus zu gehen. Das sind vertrauliche Daten.“ „Sie bleibt. Ich habe keine Geheimnisse vor ihr.“ „Na gut. Folgendes...wie du selbst schon bemerkt hast, Kai...rebelliert dein Körper derzeit schon bei den kleinsten Anstrengungen. Allein das aufrecht Sitzen hat dir Probleme bereitet, vom Stehen nicht mal gesprochen...“ „Hn...“, Gregor hatte sogar das bemerkt. Kai ärgerte sich sehr. „Aber was heißt das nun?“ „Das heißt im Klartext, und dir dürfte es auch schon dämmern, Kai, dass du nicht weiter medikamentös behandelt werden kannst.“, Kai schaute ihn verständnislos an. Gregor stieß die Luft laut aus. „Eine Operation ist unumgänglich.“ „Und was ist, wenn ich das nicht will?“ „Darüber haben wir damals schon gesprochen, Kai...“ „Ich will keine Operation!“ „Die OP ist lebensnotwendig für dich! Länger können wir die nicht herauszögern!“ „Wird er...sterben?“ „Nicht, wenn er operiert wird. Die OP birgt zwar auch Risiken, aber die Chance auf Erfolg ist deutlich höher als ohne. Also?“ „Nein.“, Gregor schüttelte missmutig den Kopf. „Hach...für den Fall habe ich diese Einverständniserklärung dabei. Du unterschreibst, dass du die OP freiwillig ablehnst und mit den Konsequenzen lebst. Überleg' es dir gut.“, Gregor hielt ihm einen A4-Zettel hin. Von oben bis unten beschrieben. Beidseitig. „Kai! Du musst diese Operation machen! Willst du etwa sterben?!“ „Halt dich da heraus.“ Hilary konnte nicht fassen, was sie gerade hörte. Kai lehnte im Ernst eine lebensnotwendige Operation ab, die ihm das Leben retten konnte? Und da sollte sie sich einfach heraushalten? Innerlich spürte sie wie Wut und Trauer in ihr aufstieg. Mit einem Mal kam ihr auch noch das Gespräch mit Max in den Sinn, 'Ich kann ihm doch keine Vorschriften machen.', 'Klar, ihr seid verheiratet!'. „Du unterschreibst das nicht!“, schrie sie ungehalten heraus. Sowohl Kai als auch Gregor sahen erstaunt zur brünetten. „Du hast das nicht allein zu entscheiden, Kai. Bitte!“ Gregor räusperte sich. „Ähem...er ist volljährig und ein Mann ohne Verpflichtung. Warum sollte er auf dich hören?“, kühl sprach er zu ihr. „Weil wir verheiratet sind!“ Jetzt sah der Arzt Kai mit hochgezogenen Augenbrauen an, doch Kai schwieg. „Wenn das stimmt, zählt ihre Stimme auch dazu. Und meine Meinung zur OP kennst du seit knapp 10 Jahren. Du wärst überstimmt.“ „Denk doch mal an die anderen...das Zentrum...Max...Emilia...“, betroffen sah der blau-haarige zur Seite weg, kniff die Lippen aufeinander. „Bitte!“, Hilary flehte ihn an... Kapitel 62: Das endgültige Urteil --------------------------------- Kapitel 62 „Denk doch mal an die anderen...das Zentrum...Max...Emilia...“, betroffen sah der blau-haarige zur Seite weg, kniff die Lippen aufeinander. „Bitte!“, Hilary flehte ihn an... „Halt dich da einfach heraus! Gibst du mir den Zettel, Gregor?“, auffordernd hielt er dem Arzt seine ausgestreckte Hand entgegen. Wortlos händigte der dunkelhaarige das Dokument aus. „Das kannst du nicht machen!“, fassungslos starrte sie den Russen an. Ihr stiegen die Tränen in die Augen als ihr Mann, gegen ihren Willen, unterschrieb. „Hilary...es tut mir leid...aber letztendlich können wir ihn nicht dazu zwingen.“, er trennte einen Teil des Dokuments ab, den er in seine Unterlagen heftete. „Wie kannst du dein Leben einfach so wegwerfen?! Ich habe dich als Kämpfer kennengelernt, der für das gekämpft hat, was er erreichen wollte! Und jetzt lässt du dich einfach so unterkriegen?! Das kann ich nicht verstehen!“, die ersten Tränen rollten über ihr Gesicht, die sie sich schnell wegwischte. Gregor trat an Hilary heran und legte tröstend seine Hand auf ihre Schulter. „Ich habe auch einen anderen Kai in Erinnerung...“ Es herrschte eine unangenehme Stille zwischen den Erwachsenen. Kai hielt stur das kleine Papier in der Hand, während die brünette betroffen zum Boden blickte. Der Arzt brach schließlich das Schweigen. „Darüber sprechen wir nochmal.“, wand er sich an seinen Patienten und drehte sich zum Gehen. „Nein.“ Mit einem lauten Geräusch zerriss der Russe das kleine Papier in kleine Teile. Hilary starrte mit verweinten Augen ungläubig auf das Krankenbett. War das alles ein schlechter Scherz? Kaum überrascht drehte sich Gregor wieder zurück, öffnete erneut die Krankenakte und zerriss die Einverständniserklärung wie Kai es tat. „Gut. Hätten wir das geklärt. Ich werde veranlassen, dass die OP so schnell wie möglich durchgeführt wird.“ „Hm.“ Es klopfte an der Tür. Kai wies seinen langjährigen Freund an, sie zu öffnen. „Heeeey! Oh. Stör ich?“ „Nein, komm nur rein, Max. Es ist bereits alles geklärt. Wenn es Neuigkeiten gibt, informiere ich dich. Ich meine euch...“ „Gibt es was Neues? Weißt du jetzt wann du wieder nach Hause darfst?“ „Kai muss operiert werden...“ „Was?! Wann denn???“ „Sobald wie möglich.“, Emilia stürzte ihrer Mutter an die Beine und umarmte sie fest. „Hey mein kleiner Engel! Du hast mich ganz schön vermisst, hm?“, sie hob die kleine hoch, damit auch Kai seine Tochter begrüßen konnte. In diesem Moment verspürte er ungemeine Erleichterung, sich nicht doch gegen die Operation entschieden zu haben. Die Aussicht darauf sein Kind nur noch eine begrenzte Zeit reden oder lachen zu hören, schmerzte ihn. Müde lächelte er Emilia an, die sich sofort zu ihm vorbeugte. Hilary setzte sie langsam auf seine Oberschenkel. Die kleine fing rasch an vor sich her zu brabbeln, fast schon schien es, als führte sie ein Gespräch mit ihrem Vater. Einziges Problem: er verstand kein Wort. Manchmal nickte er kurz, wenn sich ihre Tonlage so anhörte, als würde sie ihm eine Frage stellen. Max war amüsiert darüber, dass auch sein Eisklotz von Freund liebevoller Zuhörer sein konnte. „Im Zentrum ist im Übrigen alles geklärt, dass bis auf weiteres alles mit mir zu regeln ist. Du kannst in Ruhe gesund werden!“, berichtete der Amerikaner stolz. Kai blieb jedoch skeptisch. „Ich will trotzdem, dass du alles vorher mit mir absprichst.“ „Klar, Chef!“ Zufrieden grinste der Russe. „Es wird Zeit, dass ihr geht. Der Drachen von gestern wird heute auch wieder hier sein.“, das war nicht gut. Wieder eine Standpauke zu bekommen von der unfreundlichen Krankenschwester, wollte keiner der Drei. „Klar...der will ich nicht mal im Dunklen begegnen!“, spielte Max übertrieben. „Seid ihr mit der Bahn hier hergekommen?“ „Nein, hab das Auto genommen. Also keine Wartezeit heute.“ Die jungen Erwachsenen verabschiedeten sich voneinander. Hilary gab Kai wider Willen doch einen Abschiedskuss, bei dem Max sich das Lachen verkneifen musste. Der Kerl stellte sich in Sachen Liebe und Gefühle zeigen echt kindisch an. „Raus jetzt mit euch!“ „Ciao!“ Darauf fiel die Tür zu und Kai's zuvor fröhliche Miene verzog sich zur kalten, emotionslosen. Das musste er allein durchstehen. Er wollte kein Mitleid der anderen, schon gar nicht von Hilary. Ihm wäre es lieber gewesen, sie hätte gar nichts davon erfahren. Bedrückt legte er seine Arme auf das Gesicht. Auf dem Weg zum Auto sahen Max und Hilary die Schwester vom Vortag. Genauso grimmig und schlecht gelaunt. Zum Grüßen war sie zu weit entfernt. Vielleicht auch ganz gut. „Ist das eine gefährliche OP für Kai?“ „Vermutlich. Der Arzt meinte, dass er ohne sie nicht überlebt.“ „Hm... Oh Shit!“ „Was ist denn?“, Max griff an die Windschutzscheibe des Autos. „Damn! Ein Strafzettel...“, der blonde suchte nach einem Verkehrsschild, welches die Parkordnung anzeigte. „Toll...mit Parkuhr... Wer denkt sich sowas an einem Krankenhaus aus?!“ „Ist doch nicht so schlimm...“ „Ja...Kai ist schlechter dran...“ „Ja...“ Max setzte sich geknickt ins Auto, während seine Freundin noch Emilia festschnallte. Dann stieg auch sie ein. „Hast du noch einen Wunsch? Oder direkt zu euch?“ „Fahr nach Hause.“, der Wagen rollte langsam los. Die Japanerin war vertieft. Wieder etwas womit keiner gerechnet hatte. Erst der Zusammenbruch, dann auch noch eine Operation die bedrohlich werden könnte... Was sollte noch kommen? Emilia brauchte doch ihren Vater... Die Japanerin riss die Augen blitzartig auf. In ihrem Kopf schwirrte plötzlich ein grausiger Gedanke. „Halt an, Max!“ „Hä?“ „Halt an!!“, schrie sie zu ihm. Max trat sofort auf die Bremse und Hilary sprang aus dem Auto. „Wo willst du hin?!“, die Antwort blieb ihm verwehrt. Hilary sprintete zurück in die Klinik. In den Fahrstuhl und auf die Station, wo Kai lag. Hektisch schaute sie den langen Gang entlang, suchte irgendetwas. „Doktor Starck! Warten Sie!“, so schnell sie konnte rannte die junge Frau ihm hinterher. Überrascht seinen Namen zu hören, blieb er stehen. „Hm? Oh! Hilary! Hast du etwas vergessen?“ „Nein! Können Herzfehler vererbt werden?!“, fragte sie ganz außer Atem. „Wie kommst du denn darauf?“ „Beantworten Sie einfach meine Frage! Bitte!“ „Puh...Grundsätzlich kann man nicht genau sagen ob ja oder nein. Dazu müssen eine Reihe von Faktoren zusammenkommen die das entscheiden. Was soll denn das jetzt?“ Ohne ein Wort zu antworten, drehte die braunhaarige auf dem Schuhabsatz herum und verschwand. Gregor kratzte sich ratlos mit seinem Kugelschreiber am Kopf. „Verrücktes Huhn...“ Bei Max zurück sprach Hilary ebenfalls keinen Ton mehr. Lediglich mit ihrer Tochter sprach sie. Aber die konnte zum Glück noch keine nervigen Fragen stellen. Etwas später am Abend. Gregor hatte gleich Dienstschluss und bevor er ging, wollte er nochmal nach seinem Problemkind sehen. Da es den Tag über sehr ruhig auf der Station war, genehmigte er sich einen Kaffee im Pausenraum. Und wie immer: Kalt. „Lecker...kalter Kaffee...etwas worauf ich mich den ganzen Tag freue...“, er griff nach ein paar Stücken Zucker. „Hm? Ach, das gibt’s doch nicht...leer... Dann eben ohne Zucker...“, und nach der Milch. Allmählich zierte sich eine kleine Wutader an seinem Hals ab. Der Arzt goss das letzte Schlückchen Milch aus der Packung. „Unfassbar...“, mit der Tasse verließ er den Pausenraum. Jetzt schlappte er zu Kai. Es war 19:45 Uhr. „Hoffentlich schläft er nicht wieder.“ „Doktor?“ Eine Stationsschwester an der Anmeldung, hielt sie auf. Sie hatte bis eben telefoniert. „Bitte keinen Notfall mehr. Ich hab doch gleich Feierabend...“ „Kein Notfall, Doktor. Es geht um ihren Patienten Kai Hiwatari...“, die schwarzhaarige Schwester sprach kurz mit Gregor, erklärte ihm etwas und zeigte auf verschiedene Unterlagen. „Ja, danke. Dann weiß ich Bescheid.“ Kurz darauf klopfte er bei dem blau-haarigen an der Zimmertür und trat ein. „Was willst du?“, wurde er freundlichst von seinem 'Problemkind' begrüßt. „Nur ein bisschen plaudern.“ Skeptisch zog Kai eine Augenbraue hoch. „Und worüber?“ „Es gibt Neuigkeiten. So wie es aussieht könntest du noch diese Woche operiert werden. Termin und Uhrzeit stehen allerdings noch nicht fest.“, locker zog er sich einen Stuhl heran, setzte sich. „Klasse.“, Kai wusste nicht so recht ob es ihn freuen sollte, oder nicht. Wenn die OP noch in der Woche stattfinden sollte, könnte er noch früher den Löffel abgeben, als geplant. „Es steht noch nichts fest, aber es sieht gut aus. Und Schiss brauchst du keinen zu haben. Wir beherrschen allesamt unser Handwerk.“ Das Augenrollen reichte dem Arzt als Antwort. „Ich hab gleich Feierabend und mal sehen was der Abend noch so bringt.“, versuchte der Arzt ein neues Thema zu beginnen. Worauf er hinauswollte? Natürlich auf seine geheimnisvolle Bekanntschaft. „Hast du was am Start?“ „Nein. Obwohl sie ziemlich hübsch ist.“ „Aha.“ Sie steht übrigens immer draußen vor dem Hospital. Tagein, tagaus. Spricht kein Wort, aber einen Tee haben wir bei mir schon getrunken.“ „Soll ich dir Beifall klatschen?“ Gregor lachte kurz auf. „Nein, aber sie erinnert mich an Yulia.“ „Meine Mutter ist tot.“, der Russe drehte den Kopf zum Fenster weg. „Ja, leider. Wenn du hier wieder raus bist, stelle ich sie dir vor. Dann wirst du sehen wovon ich gesprochen habe.“ „Klar...“ Gregor schlürfte seinen kalten Kaffee und sah auf die Uhr. „Hach, geschafft! Feierabend!“ „Bis morgen.“ „Willst du mich loswerden?“ „Ich will dich nicht aufhalten.“ „Scherzkeks. Deine Freundin-“ „Frau.“ „-Frau. Mein ich doch . Ist sie schwanger?“ „Nein.“ „Aber ihr plant Kinder, oder?“ „Verdammt, wie kommst du jetzt darauf?!“, zischte Kai genervt. „Weil deine Frau bei mir war und sich erkundigte, ob Herzfehler vererbt werden können.“ Kai starrte auf die Bettdecke vor sich. Tausende Gedanken schossen durch seinen Kopf. Dann drehte sich ihm der Magen um. Ihm wurde heiß und kalt auf einmal. „Emilia...“ „Was sagst du?“ „Emilia! Sie hat wegen ihr gefragt!“ Zögerlich sah er auf Kai. „Das kleine Mädchen? Sag mir nicht...“, der blau-haarige schaute ihn bitter ernst an. „...dein Kind? Ich hätte es wissen müssen...“, er fuhr angestrengt durch die kurzen Haare. Gibt es vielleicht noch etwas neues in deinem Leben?“ Als würde sein Privatleben den dunkelhaarigen etwas angehen. Er war mit seinem Vater befreundet, woher sollte Kai da wissen, ob diese nicht zufällig von Gregor ausgeplaudert werden würden? Ohne Frage war Gregor eine Plaudertasche und hin und wieder vergesslich, was das Geheimhalten erschwerte. Außerdem, je weniger Informationen die anderen über sein Privatleben wussten, umso weniger Angriffsfläche bot er potentiellen Neidern. Das war auch der Grund warum der Halbrusse so wenig von sich preis gab. „Nein.“ „Erst hast du eine Frau, dann noch ein Kind.. Hast du eventuell noch eine Leiche im Keller versteckt?“ „Frag meinen Erzeuger nach den Leichen. Da wirst du sicher fündig.“ „Hör auf damit, Kai. Du weißt, dass das nicht stimmt...“, Gregor packte seine Sachen zusammen. „Ich muss jetzt los. Morgen berichte ich dir wie es gelaufen ist mit meiner neuen 'Freundin'.“ Der blau-haarige verdrehte nur die Augen und hob die Hand zum Abschied. Kapitel 63: Auf der Suche nach mir selbst ----------------------------------------- Kapitel 63 Gregor schaffte es heute zügig die Kardiologie zu verlassen. Keiner der Patientenangehörigen verwickelte ihn in ein Gespräch und niemand rief ihn wegen eines Zwischenfalls zurück. Ein Glück, dachte er sich und eilte aus dem Gebäude. Der kurzhaarige Mann hoffte insgeheim Yulika wieder zu treffen. Ob sie wohl draußen stand, wie jeden Tag? Gregor sollte nicht enttäuscht werden. Sie stand auf der gleichen Stelle wie sonst auch. Als hatte sie eine Markierung aufgemalt. Sein Schritt verlangsamte sich und ein kleines Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Hallo, Yulika!“ „Oh, hallo.“, überrascht schaute sie zu ihm. „Erinnern Sie sich an mich?“ „Gregor. Natürlich erinnere ich mich.“ „Darf ich Sie zum Abendessen einladen? Ich wollte kochen, aber für eine Person ist der Aufwand zu groß.“ „Sie lassen wahrlich nichts unversucht, um mich von diesem Ort weg zu bringen...“ „Das verstehen Sie ganz falsch! Ich möchte Ihnen helfen. Und vor einigen Tagen konnten Sie sich doch an Teile erinnern. Sie haben es nur gut überspielt.“, klärte Gregor sie auf. „Gut, lassen Sie uns gehen.“ Das taten sie auch. Eine viertel Stunde später standen sie vor Gregor's Wohnung. Ohne neue Erinnerungsteile. „Kommen Sie!“ „Danke.“, wieder zog Yulika die Schuhe aus und stellte sie ordentlich neben die von ihrem Gastgeber. Ein Schmunzeln umspielte ihre Mundpartie. Der dunkelhaarige Russe tappte voraus ins Wohnzimmer, legte seine Akten und seinen Schreibkram auf dem kleinen Wohnzimmertisch ab. Das würde er später noch erledigen. „Wieder einen Tee?“ „Hm? Ja, gerne.“, Yulika fühlte sich schlecht. Bei ihrem ersten Besuch ging sie einfach, als Gregor eingeschlafen war. Und er behandelte sie weiter ganz normal. Das schlechte Gewissen plagte sie. „Wegen letztens...“ „Ach, da brauchen Sie sich nicht entschuldigen. Ich hab schon schlimmeres erlebt! Möchten Sie mir helfen?“, mit einem Messer und Paprika bewaffnet, stand er ihr gegenüber. „Gerne doch.“, lächelnd nahm sie ihm beides aus der Hand und setzte sich an den Küchentisch. „Konnten Sie denn mit den Erinnerungen schon etwas anfangen?“, Yulika sah kurz auf und schnitt eilig weiter. „Nein.“ „Schade...“, Gregor schnaubte enttäuscht. „Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie jemandem davon erzählen.“ „Ich weiß nicht.“ „Geben Sie sich einen Ruck!“ Widerwillig stieß die Frau Luft aus. „Na schön... Als ich damals hier zur Tür hereinkam, sah ich drei junge Leute. Zwei Männer, die hatten kurze, dunkle Haare wie Sie, gut aussehend...“ „Auch wie ich?“ „Hören Sie auf!“, schmunzelte Yulika, versuchte es gleichzeitig zu unterdrücken. „Die dritte Person war wohl ich. Sie sah aus wie ich. Und wir standen vor einem Gebäude...und eine breite Treppe führte hinauf zum Eingang... Das war es auch schon.“ „Ein Gebäude zu dem eine breite Treppe führt...da gibt es unzählige Möglichkeiten... Wissen Sie welche Kleidung die Männer und Sie trugen? Gab es Kennzeichen?“ „Ich weiß es nicht...“ „Hm...wir könnten die Orte abklappern, bis wir den aus Ihrer Erinnerung gefunden haben.“ „Das ist viel zu aufwendig!“ „Aber eine Möglichkeit.“ Yulika hörte auf zu schneiden. „Sie haben Recht! Wenn ich mich wirklich erinnern will, dann darf ich nicht untätig herumsitzen.“, fest entschlossen hielt sie das Messer und zeigte auf Gregor. Der drückte es sanft zum Tisch herunter. „Dann sollten wir uns ab jetzt duzen.“, schlug er vor und Yulika stimmte nickend zu. So bereiteten die beiden gemeinsam das späte Abendessen zu. „Könntest du schon mal den Tisch decken?“ Yulika nahm Besteck und Geschirr aus dem Schrank und ging ins Nebenzimmer. Dort staunte sie nicht schlecht. Der Tisch, den sie decken sollte, war voll gestellt bis ins die kleinste Ecke. „Wo soll ich die Sachen darauf hinstellen?“ „Einfach alles auf den Schreibtisch!“, rief der kurzhaarige aus der Küche. Sie kam seiner Bitter nach und räumte den ganzen Stapel Papier und Bücher herüber. Die Unterlagen, die er zuvor von der Arbeit mitbrachte, wollte sie zuletzt abräumen, damit er sie nicht suchen musste. Als sie den Stapel Akten hoch nahm, rutschten ihr ein paar der Mappen heraus und alles fiel zu Boden. „Oh nein...“, schnell bückte Yulika sich herunter und hob alles auf. Dabei fiel ihr Blick auf eine aufgeklappte Mappe. Sie schaute auf das Patientenfoto, das an einem Zettel hing. Irgendetwas hielt die Frau davon ab, ihren Blick abzuwenden. „Ah! Was ist denn hier passiert?“ „Es tut mir schrecklich leid...“ „Geht schon in Ordnung. Ich muss das sowieso sortieren und aufarbeiten.“ Yulika's Neugier siegte. „So ein junger Mann...Was hat er?“ „Ah Kai. Grad mal 20 Jahre alt. Herzfehler. Ein guter Freund von mir. Er hat als kleiner Junge seine Mutter verloren.“ „Schrecklich...“ „Kommt er dir bekannt vor?“ „Nein... Vielleicht seine Eltern?“ „Tomoto und Yulia Hiwatari. Ich habe mit den beiden studiert... Er Jura, Yulia und ich Medizin. Moment Mal... Die Universität... Die hat eine breite Treppe zum Lesungssaal. Und dort treiben sich immer viele junge Leute herum!“, Gregor nahm ihr jetzt die Unterlagen ab und klappte die Mappe wieder zusammen. Er hätte ihr das gar nicht erzählen dürfen. „Dort sollten wir als erstes nachsehen!“, schlug der dunkelhaarige Russe vor. „Aber zuerst essen wir! Sonst haben wir alles umsonst gekocht.“, bremste Yulika ihren Freund aus. „Ja.“, sie holten das Essen herein und gemütlich nahm sie die Mahlzeit ein. „Wollen wir noch zur Universität fahren?“ „Jetzt?“ „Warum nicht? Jetzt ist fast nichts auf dem Gelände los und wir wären ungestört.“ Yulika sah zur Uhr. Es war schon fortgeschrittener Abend, die Uhr zeigte fast 22 Uhr. „Also was ist? Oder hast du noch was wichtigeres vor als dein Gedächtnis zurück zu holen?“, Gregor sah seinen hübschen Besuch auffordernd an. „Kann ich etwas dagegen sagen?“ „Nein.“, grinste er und so war es beschlossen, dass die beiden zur Universität fuhren. Draußen war es stockfinster, nur die Straßenlaternen spendeten genügend Licht um sich orientieren. Vereinzelt fuhren einige Autos auf der Straßen, doch es war menschenleer. Auf dem großen Universitätsparkplatz stellte Gregor den Wagen ab. „Da wären wir. Kommt dir schon was bekannt vor?“, wortlos stieg die Frau aus, sah sich suchend um. „Nein. Wo ist die Treppe?“ „Hier lang! Wir müssen ein Stück laufen.“, kurze Zeit später standen beide an besagter Treppe. „Und?“ „Ich bin mir nicht sicher...“, nachdenklich stieg Yulika einige Stufen hinauf. Sie schaute sich wieder um, hoffte irgendeinen Hinweis zu bekommen. Dann überkam sie ein Stechen, wieder ein heller Lichtblitz vor ihrem inneren Auge. Ein Baum. Sie und die beiden Männer saßen darunter. Unterhielten sich. Aßen miteinander. Schmerzvoll hielt sie ihren Kopf. „Der Baum... Komm!“, Yulika lief seitlich von der Treppe auf eine Rasenfläche. Ohne nachzufragen folgte Gregor ihr gespannt. Dort standen Bäume. An einem blieb sie stehen. „Hier.“ „Was ist hier? Hattest du eine Vision?“ „Ja, ich habe hier mit den zwei jungen Männern gesessen. Wir haben uns unterhalten.“ „Und du bist dir sicher?“ „Ja!“ „Das kann unmöglich sein! Yulia, Tomoto und ich, wir haben hier auch gesessen, jeden Tag!“, das konnte doch nicht wahr sein. Yulika stand an genau der Stelle, wo er damals in seiner Studienzeit immer gesessen hatte. Yulika konnte davon unmöglich wissen! Es sei denn... Nein, Gregor verwarf den Gedanken sofort wieder. Yulia war tot Und der hatte ihren Totenschein ausgefüllt. „Das muss ein Zufall sein...es gibt tausende Studenten, die diesen Platz sicher auch als ihren beansprucht haben!“, versuchte er ihre Vision zu erklären. „Vielleicht habe ich hier auch studiert.“ „Möglich. Die Jahrbücher verraten uns sicher mehr. Lass uns fahren.“ Schwermütig stimmte Yulika zu. Zu gerne hätte sie sich noch weiter umgesehen... Zurück in Gregor's Wohnung, schaltete dieser seinen Rechner an und suchte nach den Jahrbüchern der vergangenen Jahre. Im Internet konnte man mittlerweile fast alles finden was man suchte. Also warum nicht eine Frau, die ihr Gedächtnis verloren hat? Er klickte durch die einzelnen Bilder. Yulika schaute ihm dabei genau über die Schulter. „Nichts.“ Er klickte weiter. „Nein...“ „Das muss aber ungefähr dein Jahrgang sein. Schau genau hin!“ „Ja doch...“, er klickte noch ein Bild weiter. Entmutigt schüttelte sie wieder ihren Kopf. Gregor seufzte. Stellte er es sich zu einfach vor? Oder kam sie doch nicht aus Moskau? Es gab so viele Möglichkeiten. Wieder ein Klick. „Warte, nicht so schnell.“, er klickte zurück und wartete auf ihre Reaktion. „Hm...hier... Ah-“, sie hielt ihren Kopf, stützte sich an Gregor. „Das kommt mir...bekannt vor. Kannst du es ausdrucken?“ „Klar.“ „Bitte so groß wie möglich. Damit ich die Gesichter erkennen kann.“, kurz darauf hielt sie das Bild in den Händen und betrachtete es genau. „Ich würde es mir gerne in Ruhe ansehen...“ „Du willst gehen?“ „Wenn es dir nichts ausmacht.“ „Ach wo! Ich kann dich hier nicht festhalten, du bist ein freier Mensch!“, er dachte nicht einmal daran sie aufzuhalten. „Vielen Dank, Gregor. Für deine Hilfe, für alles!“, danken umarmte sie ihn. Er tat es ihr gleich, dann verließ sie die Wohnung. Gregor stand am Türrahmen und sah noch eine Weile auf den schwach beleuchteten Park der Siedlung. War es Zufall? Warum wollte sie genau dieses Foto ausgedruckt haben? Hatte sie wieder eine Vision? Wusste sie gar wer sie war? Es ließ ihm keine Ruhe mehr. Schnell ging er zurück an den Rechner, öffnete die letzte Seite erneut und schaute nochmal nach dem Bild. „Das kann doch nicht-“, der Russe traute seinen Augen nicht. Es war genau das Abschlussfoto von ihnen. Tomoto, Yulia und er. Hatte sie Yulia gesehen und dachte nun, sie sei es? Die Ähnlichkeit sprach für sie, aber er wusste es besser... Bevor sie zu ihrer Unterkunft zurückging, streifte Yulika noch durch den Park des Wohnkomplexes. Dieser Gregor brachte sie so schnell voran. So viele Erinnerungen hatte sie noch nicht auf einmal gehabt. Kannte sie ihn vom Studium? Die Frau setzte sich und betrachtete das ausgedruckte Foto. Wieder durchfuhr sie ein stechender Schmerz. Sie wurde bedroht. An eine Wand gedrückt. Sie war voller Angst. Der Mann hatte kurze, dunkle Haare. Trug eine Brille. Schreie. Von einem Kind. Ein Licht. Yulika hielt sich den Kopf. Es überkam sie eine ungeheure Panik. Irgendwas sagte ihr, dass sie flüchten musste. Sie musste hier weg. Was hatte das zu bedeuten? Wer war dieser Mann? Gregor? Ein Kind, dass nach seiner Mama rief. Wo war dieses Kind? So schnell sie konnte rannte sie weg vom Park, in die Dunkelheit hinein... Kapitel 64: Der Termin ---------------------- Kapitel 64 Einige Tage später... Gregor hörte und sah seit drei Tagen nichts mehr von seiner geheimnisvollen Bekanntschaft. Sie schien wie vom Erdboden verschluckt. Vor dem Hospital stand sie ebenfalls nicht mehr. „Ungewöhnlich...“, der kurzhaarige Arzt trat seinen Dienst mit einem unguten Gefühl an, obwohl er gute Neuigkeiten zu verkünden hatte. Unauffällig trat er bei seinem Lieblingspatienten ins Krankenzimmer ein. Kai tippte auf einem Handy herum. „Wer hat das denn herein geschmuggelt?“, fragte er ihn mahnend, worauf dieser das Handy schnell verschwinden ließ. „Du hast nichts gesehen.“ Fies grinsend kam er näher ans Bett. „Und was ich gesehen habe.“, er streckte schwungvoll seine Hand aus. „Strenge Bettruhe plus Handyverbot auf der Station...das weißt du.“, der Halbrusse händigte das Telefon aus. „Lass mir wenigstens eine Möglichkeit am öffentlichen Leben teilzunehmen.“ „Schreibst du mit deiner Frau?“, grinste er breit. „Und wenn schon!“, mit einem Ruck, zog der junge Mann das Telefon aus Gregor's Hand zu sich zurück. „Wie dem auch sein...ich habe jetzt einen festen Termin für deine Operation.“ „...?“, abwartend schaute er Gregor an. „Du bist Montag früh der erste auf meiner 'To-Do-Liste'. Um Acht Uhr geht es los.“ „Montag schon?“ „Ja. Oder hast du da einen Friseurtermin?“ Kai schnaufte. Natürlich hatte er keinen Friseurtermin. „Du brauchst nichts weiter zu machen. Wir bereiten alles vor. Soll ich Hilary davon erzählen oder willst du selber?“ „Ich mache das! Wer operiert?“ „Wenn sich nichts mehr ändert, dann darf ich.“ „Gut.“ „Ich garantiere aber für nichts.“ „Guten Morgen!“, zwei sehr bekannte Stimmen begrüßten Gregor und Kai. „Ach, hey ihr zwei! Ihr kommt gerade recht. Kai hat euch etwas zu erzählen und ich muss leeeeider zu meinem nächsten Patienten.“ „Hm? Was hast du denn zu erzählen?“, hakte Max gleich neugierig nach. Hilary und Emilia sahen ihn ebenfalls gespannt an. „Montag ist es soweit.“ „Deine OP?“ „Ja.“ „Endlich! Und wenn du wieder raus bist, gehen wir erstmal ordentlich feiern!“ „Wenn ich hier rauskomme, richtig.“ „Denk' nicht so negativ. Wer, außer du, sollte Max denn sonst auf Trab halten?“ „Da wird sich sicher jemand anderes finden.“, Kai blieb ernst. „Hey!“ „War doch nicht so gemeint, Max“, entschuldigte sich die brünette und der blonde schmollte. „Bei eurem Pech bleibe ich euch noch eine Weile erhalten.“ „Hoffentlich!“, alle drei grinsten sich an. Hilary war überglücklich, dass es doch so schnell klappte mit dem Termin. Und das würde auch heißen, dass Kai schneller wieder Zuhause sein würde. Mit der ausgelassenen Stimmung verbrachten sie einen Tag im Krankenhaus. Zum Glück war die Besuchszeit am Wochenende anders geregelt, als unter der Woche. So konnten die beiden schon vormittags zu ihm. Allerdings hatten Hilary und Kai noch einiges zu besprechen vor der entscheidenden Operation. Die brünette bat ihren blonden Freund mit Emilia ein Stück spazieren zu gehen, damit sie ungestört reden konnten. Liebevoll legte sich Hilary's Hand auf seinen Arm. Sie hatte Angst um ihren Mann, keine Frage. Kai spürte es auch. Und auch er war unsicher darüber, wie die OP verlaufen würde. Nur konnte er es besser überspielen. „Ich werde bei dir sein!“ „Das brauchst du nicht. Da muss ich alleine durch.“ „Aber-“ „Es ist schon schwer genug dem Tod ins Gesicht zu schauen, da musst du es nicht noch erschweren.“ „Du wirst das überstehen. Das sind alles erfahrene Ärzte, meinte Doktor Starck!“ „Er muss das sagen...“ „Ich glaube ihm aber...“, betroffen schaute die braunhaarige zu Boden. „Und wenn du aufwachst, werde ich da sein.“ „Du kannst nicht den ganzen Tag im Krankenhaus verbringen.“, er wollte einfach nicht, dass Hilary bei ihm sein würde. Früher störte es auch niemanden, ob er allein war oder nicht. Sie sollte ihn nicht schwach und verletzlich sehen. Niemand sollte das. Deswegen blockte er all ihre gut gemeinten Angebote ab. „Wann wirst du denn genau operiert?“ „Früh.“, fasste er knapp zusammen. „Die genaue Zeit!“ „...“, nun schwieg er ganz. Nein, sie sollte nichts wissen! Warum verstand sie ihn denn einfach nicht? Es verging noch eine Weile, in der die Japanerin versuchte ihm die genaue Zeit zu entlocken, doch alles betteln half nichts. Kai blieb hart. Schließlich gab sie auf. Als Gregor nach Schichtende wieder zu Kai ging, machte ihm der Halbrusse auch nochmal unmissverständlich klar, dass er seiner Frau die genaue Uhrzeit nicht mitteilen sollte. Das enttäuschte Hilary nur noch mehr. Wenn er sie vor dem Eingriff nicht mehr sehen wollte, konnte sie nichts machen. Sie respektierte seinen Wunsch, genau wie er ihre genauso respektierte. Am späten Nachmittag verabschiedeten sie sich und gingen. Gregor nahm die brünette an die Seite. „Das kann ich gar nicht mit ansehen... Dieser Sturkopf. Es wird Kai zwar nicht passen aber...er wird um Acht in den OP gebracht. Vorher könntest du noch zu ihm. Er würde sich bestimmt freuen.“ „Er will das aber nicht...“ „Und? Kai ist ein guter Schauspieler, trotzdem hat er einen haiden Respekt vor dem Eingriff. Er freut sich bestimmt, wenn du vorher bei ihm bist...“, der Arzt zwinkerte ihr zu. „...dann kann er eh nichts dagegen machen.“, gluckste der Mann vor sich her. Scheinbar hatte er eine geheime Leidenschaft Kai ständig mit Sticheleien aufzuziehen. Die beiden Gesprächspartner verließen das Hospital zusammen. Draußen kam ihnen Max mit Emilia entgegen. Gregor verabschiedete sich darauf zügig. So liefen die beiden Freunde auf direktem Weg nach Hause. Für Emilia waren die Besuche im Krankenhaus unglaublich langweilig. Egal wie viele Spielsachen ihre Mutter ihr einpackte, alles andere in dem Zimmer war doch interessanter. Anfassen durfte sie auch nichts. Am Haus angekommen, blieb Hilary mit ihrer Tochter im Garten, spielte und tobte dort mit ihr. Max verzog sich ins Warme. Er musste einige Mails beantworten und Dienstpläne schreiben. Gregor hingegen fuhr mit seinem Auto durch halb Moskau. Dass Yulika sich nicht mehr meldetet und auch nicht mehr am Hospital stand, machte ihn stutzig. Was war auf einmal mit ihr los? War ihr gar etwas zugestoßen? Dann die Sache mit dem Abschlussfoto, er wollte wissen was passierte. Als erstes fuhr er zur Universität, fragte sich mit einem alten Bild von Yulia nach Yulika durch. Hier hatte sie niemand gesehen. Frustriert fuhr er zu sich, suchte den Park vor seiner Wohnung ab. „Auch nichts...“, besorgt ließ er sich auf die Bank hinter sich fallen und breitete die Arme aus. „Na, Jungchen? Warum so betrübt? So schönes Wetter sollte man genießen, solange man kann.“, eine alte Frau mit Gehstock und Kopftuch sprach ihn an. Gregor sah auf. „...ich suche eine Frau...sie hat ihr Gedächtnis verloren...und nun habe ich sie auch verloren...“ „Sie werden sie schon finden, da bin ich sicher.“, die Dame lächelte schwach und ging weiter. „Nur wie...“, sollte er weiter suchen? Oder darauf warten, dass sie zu ihm kommt? „Nicht einmal eine Telefonnummer habe ich von dir...“, er tippte sinnlos auf seinem Handy herum, ließ es wieder sinken. „Wie soll ich dich nur finden...“ Der Russe sah in den dämmernden Himmel. Dünne Wolken verschleierten das Abendrot, während das Rascheln und Rauschen der Bäume ihn beruhigte. Langsam sah er ein, dass er doch zu naiv an die ganze Sache herangegangen war. Seine Kollegen hatten ein weiteres Mal recht behalten. Und nun saß er wieder allein in der Gegend... Es nahte der letzte Tag vor Kai's Herzoperation, Sonntag. Eigentlich ein Ruhetag, doch nicht im Krankenhaus. Der blau-haarige musste sich Blut abnehmen lassen und es wurden nochmals kleinere Untersuchungen durchgeführt um sicher zu gehen, dass dem Eingriff nichts mehr im Weg stand. Für Kai war das alles Zeitverschwendung. Sollten sie doch einfach die OP machen und ihn mit dem ganzen Heckmeck in Ruhe lassen. Gedankenversunken starrte er aus dem Fenster seines Zimmers. Nichts mehr lange, dann würde er sein Schicksal in Gregor's Hände legen. Es gab nichts was er noch tun konnte. Am frühen Abend brachte die grimmige Schwester das Abendessen mit der drohenden Geste, ja nichts mehr danach zu essen bist zum nächsten Morgen. Sie nervte ihn so sehr.Er fühlte sich unterdrückt, bevormundet und erniedrigt, jedes Mal, wenn sie zu ihm ins Zimmer kam. Wie in seiner Kindheit. Als die Schwester herausging, kamen seine Frau samt Anhang kurz herein. „Hey, wir wollten dich nochmal besuchen vor deinem großen Tag.“, sagte der blonde ungewohnt ruhig. Hilary nickte. „Dann könnt ihr jetzt wieder gehen.“, entfuhr es dem Russen eiskalt. So einen Abschied brauchte er nicht. Das Mitleid konnte er sich sparen. „Ich drück dir trotzdem die Daumen für Morgen... Halt die Ihren steif!“, geknickt trottete Max aus dem Raum. Hilary sah verständnislos hinterher. „Was soll das?“ „Ich brauche kein Mitleid.“ „Das war auch kein Mitleid, sondern echte Freundschaft! Max kennt dich seit Ewigkeiten und er weiß, wie sehr du das hasst! Sei nicht so mürrisch...er kann nichts dafür...genauso wie ich...“ Kai zog die Luft scharf ein. So meinte er es nicht. „Kai...ich will dich nicht verlieren... Ich werde immer bei dir sein. Immer...“, überwältigt von ihren Gefühlen, liefen ihr Tränen über die Wange. Kai zeigte keine Anstalten, dem etwas entgegen zu setzen. Sie küsste ihn zum Abschied und beendete ihren, viel zu kurzen, Besuch. Wenn Kai jetzt schon so reagierte, wie sollte es da erst morgen vor der OP sein? Am Abend langen Hilary, als auch Kai, wach in ihren Betten. Die braunhaarige versuchte alle Gedanken, dass die Operation für Kai nicht gut endete beiseite zu schieben und nur das positive zu suchen. Um die leere in ihrem Bett zu füllen, hatte sie jetzt eines seiner Shirts mit zu sich ins Bett geholt. Damit fühlte die junge Frau sich wohler, als würde er doch neben ihr liegen. Auch Kai konnte nicht schlafen. Einerseits zermarterte er seinen Kopf darüber, wie es wohl sein würde, wenn er wirklich sterben würde. Aber, es würde ihn gar nicht mehr interessieren. Schließlich war er dann tot. Die anderen müssten damit klarkommen. Und da war der Knackpunkt. Hilary war ihm zu wichtig geworden, als dass es ihn kaltlassen würde, wenn er nach dem Eingriff nicht mehr aufwachen würde. Die beiden verbrachten eine so kurze Zeit miteinander, aber so intensiv und er fühlte sich noch nie so lebendig wie jetzt. Andererseits sprach sein Magen Bände. Das Abendessen war ein Witz. Eine Scheibe Brot, dazu eine Scheibe Käse und Wurst. Und die Butter nicht zu vergessen. Das Stück ungefähr so groß, als hätte man ihm auf den Teller gespuckt. Davon sollte er satt werden. Ein Witz. Vielleicht würde er sich bei Gregor beschweren, wenn er noch dazu käme. Jetzt war es schon weit nach Mitternacht und in ein paar Stunden war es schon soweit. Er versuchte, wenigstens das bisschen Zeit zu nutzen, um etwas zu schlafen. Kapitel 65: Der Tag der Entscheidung ------------------------------------ Kapitel 65 Nachdem Kai eingeschlafen war, begann es zu schneien. Die vorher so triste Gebäudelandschaft verwandelte sich über Nach in eine wundervoll leicht bedeckte Schneelandschaft. Alles war unberührt, kein Auto fuhr auf den Straßen und niemand stapfte auf den Wegen entlang. Für einen Moment stand die Zeit scheinbar still. Punkt Sechs Uhr in der Frühe klopfte es an Kai's Zimmertür. Eine junge Krankenschwester trat herein und weckte den jungen Mann. Der Russe schlug seine Augen auf und schaute der Schwester hinterher, wie sie den Fenstervorhang aufzog. Er sah die weiß bedeckten Häuserdächer. Der Gedanke an die nahende Operation war vergessen. Auch wenn er es ungern zugab, er mochte den Schnee, die Eiseskälte, das Unberührte an diesen Tagen. „Es hat die ganze Nacht geschneit. Wundervoll, nicht wahr?“ „Hm.“, der blau-haarige konnte sich nur zu einem kurzen Brummen hinreißen lassen. Viel lieber würde er selbst am Fenster stehen wollen und in die Gegend sehen. „Denken Sie bitte daran, dass sie nüchtern bleiben. Kein Essen und Trinken.“ „Ja.“ „Die Ärzte werden Sie nachher über die Risiken und Nebenwirkungen vor dem Eingriff aufklären.“ „Die kenne ich schon. Leben oder sterben. Kürzer geht es nicht.“ „Sie haben einen starken Willen. Glauben Sie fest daran. Wenn Sie noch etwas brauchen, klingeln Sie.“ „Hm...“, die Krankenschwester ging und Kai döste einen Moment. Kurz, dachte er, bis später Gregor herein kam. Er klopfte nicht, sondern riss die Tür einfach auf. Er wirkte nervös und war außer Atem. „Kai? Ah, du bist schon wach.“ „Was ist?“, der Mann im weißen Kittel schritt an das große Fenster heran. „Ich darf dich nicht operieren.“, Kai sah seinen alten Freund fassungslos an. „Sie denken, dass ich die OP nicht schaffe, da wir uns auch privat sehr gut kennen. Befangenheit...“ „Wer?“ „Mein Kollege Doktor Jarov wird das machen. Du weißt schon...der ältere Chefarzt mit den grauen Haaren.“ „Aber-“ „Ich darf mit dabei bleiben und im Notfall eingreifen. Also denk nicht mal daran.“, die Blicke beider Männer waren gesenkt. „...es muss Schicksal sein, dass es in der Nacht geschneit hat.“, Gregor hob seinen Blick und sah auf die weiße Pracht. „So?“ „Meines Wissens nach war Schnee für dich immer ein gutes Zeichen.“ „Mal sehen.“, ein verlorenes Lächeln zierte die Mundpartie des Halbrussen. Kurz vor Sieben Uhr tauchte dann auch der operierende Arzt auf. Höflich stellte sich der ältere Herr vor, befragte Kai nochmals und machte sich ein Bild seines Patienten. Hierbei war auf Doktor Starck immer verlass. Er lieferte ausführliche Berichte zu seinen Patienten. Ohne seine Patienten gesehen zu haben, wusste er die wichtigsten Fakten auf einem Mal. Das ersparte in diesem Beruf eine Menge Arbeit und kostbare Zeit. „Wenn Sie alles verstanden haben, unterschreiben Sie hier.“, wortlos unterschrieb Kai. „Ziehen Sie das über. Wenn Sie fertig sind, fahren wir Sie in den OP-Saal.“, sagte Doktor Jarov und deutete seinem jüngeren Kollegen, dass er beim Umziehen helfen sollte. Gregor versicherte sich bei Kai, dass er auch wirklich seine Hilfe annahm. „Hast du Angst?“ „...“ „Hör mal...ich bin nicht wie dein Vater...“ „Natürlich habe ich eine scheiß Angst! Wie würde es dir gehen, wenn du zwischen Leben und Tod stehen würdest?!“ „Vermutlich nicht anders als dir.“ „Dann stell nächstes Mal nicht so dumme Fragen...“ „Ok. Jetzt wird es ernst, Kai.“ Er hatte jetzt das OP-Hemd an. Dieses Grün stand ihm nicht, aber was sollte das noch ändern. Der dunkelhaarige gab Bescheid und mit einer Krankenschwester fuhren sie zum Operationsbereich. Vor der Schleuse kam Hilary eilig auf sie zugelaufen. „Doktor!“ „Ah, da bist du ja.“ Kai fuhr mit dem Kopf herum, als die Stimme seiner Frau vernahm. Sie sollte doch nicht zu ihm kommen. Wütend und zugleich dankbar, funkelte er Gregor an. „Ein Glück...ich bin nicht zu spät. Kai...“, die brünette trat an das Bett heran und nahm seine Hand. „Du solltest nicht herkommen...“ „Das ist mir egal...ich lass dich nicht allein. Schau mal...“, Hilary zog ein kleines Stück Stoff aus ihrer Jackentasche hervor. „Das ist von Emilia. Sie hat es mir heute früh einfach mitgegeben. Ein Glücksbringer, für dich.“, das kleine Stoffstück entpuppte sich als kleines Kuscheltier seiner Tochter. Um genau zu sein, das liebste seiner Tochter. Ein kleiner Hase, der nirgends fehlen durfte. Den gab die kleine sonst nicht ab. Kai schätzte diese große Geste seiner Tochter und hielt das Stofftier fest in der Hand. „Pass gut darauf auf!“ Er lächelte schwach. Einen Augenblick später fiel Hilary ihm um den Hals. Sie wollte nicht, dass er stirbt. Emilia wartete auf seine Heimkehr und die braunhaarige ebenso. Der Halbrusse umfasste sie am, Rücken, drückte sie fest an sich, als würde er wissen, dass es kein Wiedersehen gab. „Ich liebe dich.“, hauchte er ihr kaum hörbar ins Ohr. Die Dämme brachen und Hilary weinte bitterlich. Kai klopfte ihr ein paar Mal tröstend auf die Schulter, bis sie sich erhob. Seine Hand hielt sie immer noch. „Können wir?“ „Ja.“, Kai nickte widerwillig. Langsam setzte sich das Krankenbett in Bewegung und fuhr weiter durch die Tür zum OP-Bereich. Die Hände des jungen Paares hielten sich, bis es nicht mehr möglich war. „Ich warte auf dich!“, rief Hilary ihm hinterher, dann schloss sich die Tür automatisch. Gregor stand noch kurz bei ihr. „Geh nach Hause. Das dauert jetzt.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich bleibe, denn ich hab es ihm versprochen! Sagen Sie mir bitte sofort Bescheid, wenn alles gut ist? Oder Schwierigkeiten sind??“ „Mach ich. Ich muss dann auch...“, er deutet auf die Tür. „Passen Sie gut auf ihn auf...“, nun stand die Japanerin allein im Wartebereich. Um sie herum liefen einige Ärzte und Pflegepersonal herum, doch sie fühlte sich einsam. Im sterilen Bereich wurden nun letzte Vorbereitungen an Kai vorgenommen. Auch Doktor Starck war umgezogen und stand in blauem Aufzug vor Kai. Fast hatte er seinen langjährigen Freund nicht erkannt. In dem Zeug sahen alle Ärzte gleich aus. Er gähnte. „Müde?“ „Hm.“ „Du kannst gleich deinen Schlaf nachholen.“, nebenher wurden Geräte und Infusionen angeschlossen. „Wenigstens etwas.“, ein größeres Tuch wurde über seinen Oberkörper gelegt, die linke Brusthälfte lag unbedeckt. „Du und dein unverbesserlicher Humor... Kann's losgehen?“ „Ja.“ „Na, dann. Schlaf gut.“, die Narkoseschwester hielt dem blau-haarigen eine Maske über Nase und Mund und leitete so den Beginn der Operation ein. Schon einige Atemzüge später wurde Kai schläfrig. Die letzten Handgriffe wurden getan und als Kai fest schief, konnte es losgehen. Draußen, vor dem OP-Bereich, schaute Hilary schon ungeduldig auf die Uhr. Eine Stunde war bereits vergangen und die Operation war in vollem Gang. Gregor sagte ihr, dass diese Art Eingriff mindestens bis Mittag dauern würde, wenn nichts dazwischen käme. Eine lange Zeit die sie warten musste. Zusehens wurde es im Wartebereich lebendiger. Immer mehr Patienten erwachten aus dem Schlaf, mussten zu Untersuchungen oder wurden entlassen. Letzteres hoffte sie für ihren Mann bald. Um die lange Zeit zu überbrücken, nahm die brünette ein Buch von Zuhause mit. Sie wollte es schon seit einiger Zeit lesen, doch auch hier kam sie nicht dazu. Die Ungewissheit machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Nach den ersten zwei Seiten, die sie bereits dreimal las, klappte sie das Buch wieder zu und steckte es zurück in die kleine Handtasche. Wie lange es noch dauern würde? Es war 10:24 Uhr, bis Mittag war es nicht mehr allzu lang. Nicht wissend was sie mit sich anfangen sollte, stand Hilary auf und ging zum Getränkeautomat einen Gang weiter. Jetzt brauchte sie etwas, um ihre Nerven zu beruhigen. Prüfend fuhr sie mit dem Finger über die Angebotsfläche. Ein Piepen ertönte und kurz danach lief eine heiße Instandschokolade in den Becher. Langsam schlurfte sie zurück auf ihren Platz.Mit einem Mal öffnete sich die silberfarbene Tür. Eine Schwester lief rasch heraus. Hilary schnellte von ihrem unbequemen Stuhl auf und sah sie abwartend an, doch die Frau lief an der brünetten vorbei, achtete sie nicht einmal mit einem Blick. Hilary seufzte. Zehn Minuten später tauchte eine Horde von Ärzten auf, die aufgeregt im Operationsbereich verschwanden. Sofort fuhr Hilary wieder von ihrem Sitz auf und hielt eine Ärztin auf. „Was ist denn los??“, fragte sie besorgt und in Angst um ihren Mann. Die Ärztin stoppte kurz und entschuldigte sich. Sie rannte geschwind durch die Tür und die Japanerin blieb ohne Antwort zurück. „Was- aber- Was ist mit Kai...“ 11:47 Uhr. Keiner der Ärzte kam aus dem sterilen Bereich zurück, sie erfuhr einfach nichts. Dabei versprach ihr Gregor, zu ihr zu kommen wenn etwas nicht in Ordnung war. Irgendetwas stimmte nicht. Sie fühlte es einfach. Oder machte sie sich zu viele Sorgen? Es vergingen zwei weitere quälend lange Stunden. Erneut öffnete sich die schwere Eingangstür. Drei blau bekleidete Personen kamen heraus. Teilweise konnte Hilary an ihrer Kleidung frisches Blut erkennen, die sie auszogen und in große Müllsäcke steckten. Sie murmelten irgendetwas vor sich hin, doch die junge Frau verstand nichts. Es kam sogar noch eine zweite Frau zu ihr in den Wartebereich. Völlig außer Atem setzte sie sich zu der Japanerin. Wartete sie etwa auch auf Kai? Die Frau war bestimmt doppelt so alt, wie sie... „Puh...“, die Automatiktür öffnete sich und Doktor Starck trat aus dem OP-Bereich heraus. Noch bevor Hilary mit ihm sprechen konnte, fiel die andere Frau dazwischen. „Gregor! Ein Glück dich zu sehen!“, überrascht lief er ihr beinahe in die Arme. „Yulika. Wo warst du so lang? Ich habe mir Sorgen gemacht!“, er umfasste ihre Arme. „Das ist unwichtig. Ich hatte unendlich große Schmerzen in der Brust! Als würde mir jemand das Herz zerreißen! Hilf mir bitte!“, begann Yulika aufgelöst und deutete auf die Stelle. Gregor versuchte sie zu beruhigen. „Das kann alles mögliche gewesen sein. Vielleicht eine falsche Bewegung oder ein Muskelziehen. Das kann öfter vorkommen und ist vollkommen ungefährlich.“ „So einen Schmerz hatte ich noch nie!“ „...wenn es dir so am Herzen liegt, dann lass dich auf der Station untersuchen. Ich habe leider keine Zeit momentan. Aber sag dort einfach, dass ich dich geschickt habe, dann fragen sie auch nicht weiter.“ Yulika nickte leicht und ging zügig zum nächsten Fahrstuhl. Warum tauchte sie so plötzlich wieder auf? Erst verschwand sie, war wie vom Erdboden verschluckt und nun das. Vielleicht war sie wirklich krank? Gregor schnaufte und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Jetzt musste Hilary mit dem Arzt sprechen. „Doktor Starck, was ist mit Kai?!“, irritiert sah er auf Hilary. „Hast du...etwa die ganze Zeit hier gewartet?“ „Ja! Was ist mit ihm? Geht es ihm gut? Lebt er???“ „Ganz ruhig...lass mich kurz durchatmen...“, an seinen Handschuhen konnte sie noch Blut erkennen, dass er an der blauen OP-Kleidung abwischte. Der Arzt zog die Kleidung aus, verschnürte alles und schmiss sie ebenfalls in einen der Müllsäcke, die bereit standen. Er schnaubte erneut, wischte sich Schweiß von seiner Stirn. „...also?“ „Die Operation ist recht gut verlaufen...“ „...aber hier sind vorhin so viele Ärzte her gestürmt!“ „Ja. Es gab Probleme...“ Ihre Augen weiteten sich. „...aber jetzt ist er stabil.“ „Und wo ist er jetzt?“ „Noch im OP. Meine Kollegen vernähen gerade alles, dann ist es geschafft. So 10- 15 Minuten.“ Erleichtert setzte sich die junge Frau. Überglücklich drückte sie ihre Hände fest aneinander. Er hatte die OP also überlebt... Kai war eben schon immer ein Kämpfer. „Heißt das, dass er jetzt außer Gefahr ist?“, der kurzhaarige sah zur brünetten und stützte die Arme auf den Beinen ab. „Sagen wir mal so: er hat das Gröbste überstanden. Jetzt muss sich Kai nur noch erholen.“ Nach besagten 15 Minuten kamen nun auch die restlichen OP-Schwestern und Ärzte mit mäßigem Lauftempo aus dem OP. Als letztes der Chefarzt, der neben dem Krankenbett des blau-haarigen herlief. „Doktor Starck. Sie noch hier?“, wand er sich verwundert an ihn. „Ich wollte sicher gehen, dass er nicht wieder Probleme macht.“, scherzte er sichtlich erschöpft. Ein lautloses Ausatmen bekam er zur Antwort. Die Japanerin, die sofort aufsprang als sie Kai sah, stand hoffnungsvoll an seinem Bett. Seine Augen geschlossen, der Ausdruck als würde er schlafen. Um ihn herum leuchteten immer noch die Geräte. „Und Sie sind?“ „Die junge Dame ist seine Frau.“ „Achso. Die Operation Ihres Mannes ist gut verlaufen. Es gab einen kleinen Zwischenfall bei dem wir ihn reanimieren mussten, aber wie Sie sehen ist jetzt alles in Ordnung.“ „Vielen Dank, Doktor! Wann wacht er auf?“ „Die Wirkung der Narkose wird in den nächsten Stunden nachlassen, dann wacht er auch auf. Jetzt muss er sich ausruhen. Bringt ihn auf die ITS.“ „ITS? Wo kommt er hin?“, Gregor klärte seine junge Freundin auf. „Sie bringen ihn auf die Intensivstation, das ist völlig normal. Du kannst später zu ihm. Jetzt steht er erstmal unter Beobachtung.“ „Ich möchte aber jetzt zu ihm...ständig werde ich vertröstet...“ „Beruhige dich doch... Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Nach der ganzen Aufregung habe ich einen Bärenhunger...und du sicher auch...“, wie aufs Wort knurrte Hilary's Magen. Vor lauter Sorge dachte sie nicht daran etwas zu essen. „Das kann ich jetzt nicht mehr abstreiten...“ „Komm. Danach gehen wir zu Kai.“ In der Krankenhausmensa aßen die beiden. Zwischen alle den Leuten fiel Hilary kaum auf. Sie hätte seine Schülerin sein können. Eins verstand sie trotzdem nicht: „Wie können Sie nach einer anstrengen und bestimmt blutigen Operation einfach so essen?“, der Arzt sah vom Teller auf. „Nun ja, mit der Zeit härtet einen das Business ab. Zu Studienzeiten habe ich nach meinen ersten Operationen tagelang keinen Bissen herunter bekommen.“ „Also stört es Sie nicht mehr, wenn sie Wunden oder tote Menschen sehen?“ „Bei Patienten, die eine OP nicht überlebt haben, ist es schon hart, aber dass muss man lernen auszublenden. Arbeit und berufliches trennen, sonst geht man kaputt.“ „Hm...“ „Keinen Hunger mehr?“, er sah, wie die Japanerin in ihrem Essen herumstocherte. „Schmeckt es nicht?“ „Hm...was? Oh Entschuldigung! Doch es schmeckt sehr gut...aber...“ „...dir lässt Kai keine Ruhe. Lass uns nachsehen wie es ihm geht.“ „Ja!!“, unachtsam schob sie den Teller zurück auf das Tablett, den Nachtisch rührte sie nicht an. „Kommen Sie!“, forderte die braunhaarige den älteren Mann auf, er konnte ihre Ungeduld nachvollziehen. Also beendete er auch das Essen, obwohl ihm der Nachtisch so gut schmeckte. Schweren Herzens stellte er die halbvoll Glasschale zurück und folgte Hilary. „Wo müssen wir hin? „Hier lang.“, sagte der kurzhaarige und steckte seine Hände beim Laufen in die Hosentaschen. Jetzt liefen sie gefühlt dreimal im Kreis herum, mit dem Fahrstuhl nach oben und auf der nächsten Ebene wieder halb im Kreis, bis die beiden ankamen. Hilary's Schritte wurden schneller. Gregor bog ab, Hilary verpasste es und stand ratlos allein im Gang. „Hey, wo bleibst du denn?“, Gregor schaute um die Ecke. „Hier.“ Beiden standen vor dem Zimmer. „Warte kurz, ich muss noch etwas klären.“, er verschwand ein paar Minuten. „So. Wir können.“, leise traten sie herein. Hilary's Herz klopfte ihr bis zum Hals. So laut, dass sie meinte, jeder könnte es hören. Kai lag zugedeckt allein in dem Raum. Es war recht dunkel darin, nur die elektronischen Geräte spendeten dem Zimmer schwaches Licht. Die Japanerin schaute fragend zu Gregor. „Kann er uns hören?“ „Ja. Er hört und fühlt alles, also rede mit ihm, damit er weiß, dass du da bist.“ „Ja... Kai... ich bin so froh, dass du so stark warst...“ „Es wird vermutlich noch etwas dauern, bis er dir wieder antwortet. Die Narkose wirkt nicht mehr, er schläft. Das heißt er entscheidet jetzt, wann er aufwacht.“ „Lass dir Zeit...so viel wie du brauchst...“, vorsichtig strich sie ihm eine Strähne aus dem Gesicht. Kai sah aus wie immer. Wie sollte er auch sonst aussehen? Sie operierten sein Herz nicht sein Gesicht. Die Geräte piepten in gleichen Abständen kurz auf. Keine Reaktion von Kai. „Hat er Schmerzen, wenn er aufwacht?“ „Nein, er bekommt starke Schmerzmittel. Die werden erst nach und nach verringert.“ „Ok...“ „Hör mal...ich muss mich an der Stelle mal ausklinken... Da war doch die Frau vorhin...ich will sehen, ob es ihr gut geht.“ „Sie mögen sie.“ „Ach wo. Sie ist eine Freundin. Mehr nicht.“, er fuhr dabei mit der Hand durch seine Haare, strich sie zurück und lächelte. „Nur eine Freundin.“, wiederholte Gregor zur Sicherheit nochmal und verließ den Raum. Hilary blieb an Kai's Seite. Sie setzte sich auf den kleinen Hocker, der unter dem Bett stand. Wie lange es dieses Mal dauern würde, bis er aufwachte? Kapitel 66: Das klärende Gespräch --------------------------------- Kapitel 66 In der Zwischenzeit war Gregor zurück auf Station um nach Yulika zu sehen. Am Empfang sah er die Warteliste durch, während die Rezeptionistin ihn an Behandlungszimmer 2 verwies. Er klopfte und trat ein. „Entschuldige, dass du warten musstest. Es ging nicht schneller.“ „Die Schwestern waren sehr nett.“ Der Arzt setzte sich an den Schreibtisch, schaute auf den Zettel, den die Schwester mit den Symptomen aufschrieb. „Tja...wie geht es dir denn jetzt?“ „Ich fühle mich wie immer. Nur, dass dieser unerträgliche Schmerz in der Brust war.“ „Ein EKG habt ihr schon geschrieben...wir schauen zur Sicherheit trotzdem mal drauf...“ Yulika zog ihr Oberteil aus und legte sich für die Untersuchung auf die Liege. Gregor fing mit dem Ultraschall an. Kurz darauf konnte er schon Entwarnung geben. „Ich kann absolut nichts finden. Du bist kerngesund.“, er dreht sich zur Akte herum, auf der er alles notierte. „Was war es dann?“ „Du hast keinerlei Beeinträchtigungen...Möglich, dass es wirklich nur eine Verspannung war oder du dich falsch bewegt hast.“ „Wie du meinst...Danke, dass du mich trotzdem ernst genommen hast.“ „Hör mal, dass ist mein Beruf.“, lächelte er ihr entgegen und verabschiedete sie. „Sehen wir uns heute Abend?“ „Tut mir leid Gregor...ich muss mir erstmal über einiges klar werden.“ „Dann melde dich einfach bei mir.“, er reichte eine kleine Visitenkarte, die Yulika dankend annahm. Vielleicht würde sie später bei ihm anrufen. Jetzt warteten auf Doktor Starck noch einige Patienten. Auf der Intensivstation sah Hilary erwartungsvoll bei ihrem Mann, erzählte viel von den letzten Tagen und was sie mit Emilia und Max erlebte. Kai hörte ihr scheinbar zu, nur dass er die Augen nicht öffnete. „...willst du mir nicht auch etwas erzählen? Was hast du geträumt? Träumst du immer noch? Hach...ich vermisse deine Stimme...“, die brünette seufzte. Wieder vergingen die Stunden. Langsam kam der Halbrusse wieder zu Bewusstsein. Er sog die Luft scharf ein, als ob er Schmerzen hatte. Hilary sah wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte und drückte sofort auf die Klingel. Es dauerte nicht lang, bis ein Arzt und zwei Schwestern hereinkamen. „Er ist aufgewacht!“, rief die Japanerin überwältigt. Das medizinische Personal untersuchte ihn und der Arzt wollte, dass Kai die Augen öffnete. In dem Gesicht konnte man die Anstrengung erkennen. Einer der Krankenschwestern injizierte ihm Schmerzmittel, worauf Kai nach einigen Augenblicken einen ruhigeren Ausdruck annahm. „Herr Hiwatari, wenn Sie mich hören können, öffnen Sie einmal die Augen.“, gab der Arzt die Anweisung. Kai's Augen blinzelten kurz auf, fielen schwer wieder zu. Nach einigen Versuchen schlug er kräftig die Augenlider ganz auf. Er nahm seine Umgebung nur schemenhaft wahr. Dies änderte sich schnell. „W...o... bi..n i...ch...?“ „Sie sind im Moskauer Staatshospital. Mein Name ist Doktor Jarov und das hier ist die Intensivstation. „...ja...“, Kai's Kopf legte sich auf die Seite. Die brünette erschrak, doch Doktor Jarov beruhigte sie wieder. „Das ist alles noch sehr anstrengend für ihn nach der schweren Operation. Geben Sie ihm Zeit. Am besten Sie kommen morgen wieder.“, Hilary sah schnell ein, dass eine Diskussion mit einem Chefarzt wohl aussichtslos war. Er würde die besseren Argumente hervorbringen. „Ist gut. Ab wann kann ich morgen zu ihm?“ „Zu den normalen Besuchszeiten.“ „So spät erst?! Was ist mit Doktor Starck? Kann er nicht-?“ „Er ist angestellter Arzt, nicht die Klinik-Leitung.“ „Ok ok...einen Versuch war es wert... Bis morgen Kai...“, sie küsste dem schlafenden die Stirn und zusammen verließen alle das Zimmer. Nach diesem anstrengenden Tag kam Hilary Zuhause an und wurde schon sehnsüchtig von Emilia erwarte. Sie durfte ausnahmsweise so lang aufbleiben, bis ihre Mutter zurück war. Das war etwas früher als gedacht, aber für den Notfall waren sie gewappnet. Max rannte aufgeregt hinter dem kleinen Mädchen hinterher. „Hil! Wie war es???“ Erschöpft fiel sie dem blonden Freund mit Emilia in die Arme und berichtete von dem Tag. Umso mehr erfreute ihn die Nachricht, dass Kai die Operation lebend überstand. Endlich würde alles gut werden. Zusammen spielten sie noch bis Emilia ins Bett ging. Den restlichen Abend ließen die zwei Freunde ruhig ausklingen. Mit einem Glas Rotwein und ganz nach Max' Geschmack mit einer Liebeskomödie vom feinsten. Hilary bekam davon nur bedingt etwas mit, da die Müdigkeit sie übermannte. In der Nähe des Krankenhauses. Gregor widmete sich seinem Stapel Akten, die er sich vor knapp einer Woche mitgebracht hatte, Die Akte von Kai war bereits abgearbeitet, die hatte höchste Priorität. Er saß gerade an der nächsten Patientenakte, als er sein Handy in der Jacke vibrieren hörte. Eigentlich wollte er nicht gestört werden beim Aufarbeiten der Akten, aber Gregor stand doch auf und wühlte sein Handy aus der Jackentasche. Auf dem Display stand 'Tomoto'. Was wollte der denn? Mit hochgezogener Augenbraue nahm er das Telefonat an. „Ja?“ „Endlich gehst du ans Telefon! Was ist mit Kai?“, fragte sein Gesprächspartner am anderen Ende. Gregor ging zurück an den Schreibtisch, sah auf eine Akte und antwortete kühl. „Es geht ihm gut.“ „Hast du mit ihm gesprochen?“ „Klar. Aber mit dir will er weiterhin nichts zu tun haben.“ „Verdammt...wenn etwas mit ihm ist, sag mir das Gregor! Ich hab seit dem Mittag ein verdammt ungutes Gefühl!“ „Schmerzen in der Brust?“ „Woher weißt du das?“ „Langjährige Berufserfahrung. Es geht ihm gut, mach dir keine Sorgen. Geh lieber selbst zum Arzt und lass dich durchchecken.“ „He he...“, ein unterschwelliges Auflachen dröhnte durch den Hörer. „Trink weniger, dann hast du auch weniger Probleme. Ich muss dich jetzt abwürgen, die Arbeit wartet.“ „Vielleicht befolge ich deinen Rat... Bis bald.“ Gregor beendete das Gespräch schnell und schmiss das Handy vor sich hin. War das alles schon wieder nur ein Zufall? Erst Yulika, dann Tomoto. Er schnaufte und lehnte sich nachdenklich zurück. Wie konnte sie so empfindlich reagieren wie er? Am liebsten würde er bei Yulika anrufen um ihr das zu erzählen, doch ihre Nummer hatte er nicht. Gezwungenermaßen setzte er sich zurück an die Akten und arbeitete noch bis weit nach Mitternacht. Um so wundersamer war es, dass Gregor am Morgen keine Augenringe hatte. Es klingelte an seiner Tür, doch erst beim zweiten, energischeren Klingeln, schreckte er hoch und merkte, dass es kein Traum war. Eilig stürzte sich der kurzhaarige Mann aus dem Bett zur Tür. „Guten Morgen; Gregor. Habe ich dich geweckt?“ „Nein, ganz und gar nicht. Ich war...wach.“ „Hihi...“, Yulika hielt die Hand vor den Mund und trat darauf ein, da Gregor die Tür weiter öffnete. Für einen kurzen Moment verschwand er im Schlafzimmer und kam angezogen zurück ins Wohnzimmer. „Gut, dass du hier bist...es gibt da etwas was wir besprechen müssen.“, fing Gregor ungewohnt ernst an. Seine Freundin nickte zustimmend. „Das glaube ich auch...“, ihre hellblauen Augen fixierten den älteren Russen. „...wer ist Tomoto?“ Gregor senkte seinen Kopf und schloss die Augen. Das alles war also doch kein Zufall. Nur wie? Wieder sah er auf Yulika. „...er war dein Ehemann.“ „Du kennst ihn?“, fragte sich geschockt. Sie rechnete mit einer anderen Antwort. „Ja und auch dich kenne ich...Yulia.“, das war zu viel. Yulika schlug die Hände vor das Gesicht. „Du wusstest es...die ganze...Zeit?“ „Nein. Ich hatte ein vage Vermutung, die sich nach und nach bestätigte. Eigentlich bist du nicht mehr am Leben...daher schien mir dein Auftauchen etwas seltsam...“ „Ich habe mich an ein brennendes Fahrzeug erinnert...“ „Ein Bus.“ „Um mich herum schrien Menschen nach Hilfe...niemand kam...“ „Zwei Stunden später hat ein Radfahrer das brennende Wrack gesehen und Hilfe geholt. Für die meisten zu spät...“ „Dann kann ich mich an nichts mehr erinnern...“, sie hielt sich schuldig den Kopf. „Du wurdest darauf in das Krankenhaus eingeliefert vor dem du tagelang gestanden hast. Damals habe ich noch in der Notaufnahme gearbeitet. Du hattest Verbrennungen am ganzen Körper, konntest kaum atmen... Wir versuchten alles...doch am Schluss konnten wir nichts mehr tun...“, Gregor setzte sich. „Wie hast du doch überlebt?“ „Das kann ich nicht sagen...ich bin in einem Frauenkloster wieder zu mir gekommen. Schwester Gabriele versorgte meine Wunden und nahm mich auf wie eine eigene Tochter. Sie sagte mir nichts von meiner Herkunft oder wo sie mich fand... Bevor sie starb gab sie mir nur das Krankenhaus als Anhaltspunkt...“ „Und deswegen hast du jeden Tag dort gestanden...“ „Ja...“ „Wie lang weißt du schon wer du wirklich bist?“, sie zögerte. „...seit unserem letzten Treffen... Das Foto-“ „Du hast Tomoto und mich erkannt und nichts gesagt?! Warum??“ „Ich hatte schreckliche Angst! Ich wusste doch nicht wo er war...Tomoto...Er hat mich bedroht! Ich konnte nicht bleiben! Ich musste erst einmal wieder klar werden...“ „Verstehe...“ „Hat er sich denn...verändert?“, fragte sie unsicher nach. „Tomoto? Es war ein harter Schlag für ihn...aber...ich weiß es nicht...“ „Weißt du wo er ist?“ „Du willst doch nicht allen ernstes zu ihm? Nach allem was er dir angetan hat?!“ „Vielleicht hat er sich verändert...ich möchte ihn wiedersehen...ich habe so viele Fragen an ihn... Wo dieses Kind aus meiner Erinnerung ist und was aus ihm geworden ist... Weißt du etwas darüber?!“ „Überfordere dich nicht. Alles zu seiner Zeit Yulia...überleg es dir gut, ob du zu ihm zurück willst...“ „Ich möchte zu ihm!“, entschlossen sah sie Gregor an. Der nahm stumm Zettel und Stift in die Hand und schrieb etwas auf. „Hier...seine Adresse...aber pass auf dich auf...“, widerwillig überreichte er den Zettel. „Das werde ich, Gregor. Würdest du mich begleiten?“ Gregor schüttelte den Kopf. Er würde sie ungern allein zu ihm lassen, doch er musste später in die Klinik. „Ich muss nachher noch arbeiten...verzeih...“ „Dann mache ich mich allein auf den Weg. Ungefähr weiß ich wohin ich gehen muss.“, Yulika lächelte enttäuscht. Sie zog sich bereits die Schuhe an , als Gregor in den kleinen Flur kam. „Yulia! Hier. Wenn du nicht weißt wo du hin sollst.“, er streckte ihr die Hand entgegen in den ein kleiner silberner Schlüssel lag. „Der ist für meine Wohnung...Damals hattest du keinen...du hättest ihn gebrauchen können...“ „Was meinst du?“, fragte sie verwirrt. Wovon redete er? Verunsichert nahm Yulika den Schlüssel an sich und ging. Ein Teil ihrer Erinnerung war noch nicht zurückgekommen. Sicherlich würde sie sich noch erinnern. Er musste einen Grund dafür gehabt haben. Gedankenversunken schaute der dunkelhaarige ihr eine Weile nach. Yulika...Yulia war seine beste Freundin, endlich konnten sie wieder über alles reden, Spaß haben, traurige Momente teilen. Doch wie würde sein langjähriger Freund Tomoto damit umgehen, dass seine tot geglaubte Frau am Leben ist? Oder gar Kai? Dem jungen Mann würde er davon nichts erzählen. Vorerst nicht. Seine vollständige Genesung ging vor. Später konnte er immer noch alles erfahren. Um die Mittagszeit herum musste Gregor dann auf die Arbeit. Er war gespannt, wie es Kai heute ging. Mit der neuen Erkenntnis, dass seine geheimnisvolle Freundin, DIE Freundin von damals war, Kai's Mutter, wollte er ihm eigentlich nicht unter die Augen treten. Denn der Brillenträger war ein äußerst schlechter Lügner. Von ihm konnte man alles erfahren, wenn man ihn lange genug in die Ecke drängte. Auf der ITS schaute er noch vor Arbeitsbeginn vorbei. Kai war bei Bewusstsein und schaute grimmig wie immer. Isoliert von den anderen Menschen, nicht einmal einen Fernseher gab es in dem Zimmer. Es war tot langweilig. Umso mehr heiterte ihn Gregor's Krankenbesuch auf. Ein halbwegs normaler Mensch mit dem er nicht nur über die OP oder die nächste Untersuchung reden konnte. „Hey Kai.“, dieser hob kurz die Hand um seinen Freund ebenfalls zu grüßen. „Na, wie geht’s dir? Ausgeschlafen?“ „Besser als gestern.“ „Freut mich zu hören. Gibt es was Neues?“ „Nein, nur das Standardgedöns... Also gehe ich davon aus, dass ich in ein paar Tagen wieder hier raus bin.“ „Hm...darf ich mal?“, er deutete auf die Krankenakte die am Fußende des Bettes hing. Kai nickte und Gregor schlug das aktuelle Krankenblatt auf. „Hm...die Werte normal, keine Auffälligkeiten...ganz gut. Nur...die 'paar Tage' werden knapp eine Woche sein. Nur um sicher zu gehen.“ Der blau-haarige zog die Augenbrauen hoch. „Ist das wirklich nötig?“ „Bei deiner schlampigen Art sich an Kontrolltermine zu halten, ja.“ Kai verdrehte nun die Augen. „Die kriegst du auch noch herum. Im übrigen hat dein Vater angerufen.“ „Was will der denn...“, genervt legte er den Kopf zurück. „Er wollte wissen wie es dir geht.“ „Und du hast ihm alles haarklein erzählt?“, fragte er schnippisch. „Wo denkst du hin? Natürlich nicht.“ „Gut... Wenn er dich wieder anruft, sag ihm, dass ihn mein Leben einen Scheiß angeht!“ „Schon klar. Dass übliche eben. Entspann dich wieder. Trotzdem war er sehr besorgt.“ „Komm mir nicht damit.“, schnaufte der junge Mann. „Das letzte Mal als er 'besorgt' war, hat er mich zurück in die Abtei geschafft. Also erzähl mir nicht, er sei besorgt.“ Gregor seufzte und ließ den Kopf nach unten sinken. Kai blieb ein Sturkopf. Egal was er versuchte um ihn und seinen Vater wieder zusammen zu bringen. „So ist er eben... Hör mal, ich muss jetzt rüber, mein Dienst fängt gleich an. Ich komm später nochmal vorbei, ok?“ „Hm...warte...weißt du war von...Hilary?“ „Deine Frau? Nein, sie war gestern noch kurz bei dir und musste dann auch los. Sie kommt sicher heute zu dir. Ruh dich weiter aus.“, lächelte der Arzt ihn kurz an bevor er den Raum verließ. Kai langweilte sich weiter. Nicht einmal Zeitschriften oder die aktuelle Tageszeitung wollten sie ihm bringen. Dann verirrte sich doch eine Krankenschwester in sein Zimmer. Kapitel 67: Gute Neuigkeiten ---------------------------- Kapitel 67 Um die Mittagszeit herum herrschte bei Hilary Zuhause regen Treiben. Sie bereitete mit Max zusammen Essen vor, dass sie mitnehmen würden ins Krankenhaus. Max wusste bereits wie fad das essen dort schmeckte und Kai war schon ein kleiner Feinschmecker. Emilia hielt unbesorgt ihren Mittagsschlaf als Hilary wie ein aufgescheuchtes Huhn durch das Haus lief. „Ich wecke jetzt Emilia.“ „Aber wir haben doch nicht Zeit.“, warf der blonde ein. „Ich aber nicht!“, zischte die junge Frau zurück. Max verfiel in lautem Gelächter. „Haha, du kannst es kaum erwarten!“ Doch Hilary ließ sich nicht aus der Unruhe bringen. „Ja! Eine Frechheit, dass ich erst zu den üblichen Besuchszeiten zu ihm darf!!“, regte sich die brünette weiter auf und stieg die Treppe nach oben. Max entschied sich dann dafür seine Freundin einfach machen zu lassen. Er beruhigte sich schnell wieder und zog sich an. Es hatte wieder geschneit in der letzten Nacht und die Einfahrt lag voll mit Schnee. Um dann nicht von Hilary eins auf den Deckel zu bekommen, entschloss er sich freiwillig dazu Schnee zu schieben. Sicher ein halber Meter der in der Nacht fiel. Aber in der kalten Jahreszeit kein Wunder in Russland. Die Vorweihnachtszeit begann und es wurde für russische Verhältnisse kalt. Genau dieses Wetter mochte Max nicht. Schnee schieben noch viel weniger. Um an den Wagen zu kommen, blieb ihn nichts anderes übrig. Mit dem Schneeschieber bewaffnet erkämpfte er sich den Weg zur Garage. Wenigstens das Auto bräuchte er nicht vom Schnee befreien. Gerade als er fertig war, kam Hilary mit Emilia dazu und um das ganze abzurunden, fielen erneut große, weiße Flocken vom Himmel. „Aaaaahhhh....nicht schon wieder...“ Hilary wusste sofort worauf er anspielte. „Ist doch toll! Nicht so wie in Tokio...“ „Ihr passt echt zusammen...“, und seufzte. „Hm?“, Hilary begriff den Zusammenhang nicht schnell genug um darauf zu kontern. „Komm steig ein!“ „Ja ja! Komm Emilia, wir besuchen deinen Papa.“, die kleine grinste wie ein Honigkuchenpferd. Emilia war schon so groß, dass sie nicht mehr in die Babyschale passte, sondern einen normalen Kindersitz bekam. Stolz schaute sie während der Fahrt aus dem Fenster. Seit einigen Tagen versuchte die kleine freihändig zu laufen. Noch wollten die kleinen Beinchen nicht das tun was sie sollten. Doch bis zu ihrem ersten Geburtstag würde sie es noch schaffen können. Nach Erreichen des Ziels, wollte Hilary gerade losrennen, als Max sie erneut ausbremste. Er konnte ja verstehen, dass sie zu Kai wollte, aber warum musste sie immer rennen? Er warf ihr einen verständnisvollen Blick zu. Sie seufzte. „Ist ja guuuut...“, so liefen sie gemeinsam auf die Intensivstation. Heute brauchte sich Hilary nicht erkundigen, denn sie wusste immerhin wo sie ihren Mann finden würde. Vor seiner Zimmertür blieben sie stehen. „Max, wartest du kurz mit Emilia? Ich will sehen ob es ihm gut geht.“, Max nickte zustimmend und Hilary klopfte an, bevor sie die Tür öffnete. Doch anders als erwartet, war das Zimmer leer. Die Japanerin stand wie von einem Blitz getroffen im Raum. Ihr Herz raste, sie atmete unkontrolliert schnell. „...w-was....“, mit weit aufgerissenen Augen stürzte sie heraus. „Was ist hier los?! Kai ist weg! Max!! Er ist nicht da!“, ein ungutes Gefühl durchfuhr sie. „Was wenn-“, stürmisch hielt sie eine vorbeilaufende Fachkraft an. „Was ist hier los?! Wo ist Kai??“ „Meinen Sie Herrn Hiwatari?“, fragte sie völlig perplex. „Ja! Wo ist er?!“, brülle die Japanerin sie verzweifelt an. Doch die Krankenschwester blieb professionell und klärte die brünette auf. „Herr Hiwatari wurde zurück auf Station gebracht.“ „Er lebt?!“ „Natürlich. Nach 24 Stunden Beobachtung werden die Patienten wieder zurück auf die normale Station gebracht. Wenn alles ohne Komplikation war.“ „Also geht es ihm wieder gut?“ „Soweit ja. Entschuldigen Sie mich.“ Hilary lehnte sich außer Atem an die Wand. Sie rechnete mit dem schlimmsten. Warum informierte sie keiner? Max zog sie aus den Gedanken. „Komm schon , Hil. Lass uns zu ihm gehen.“ Etwas später standen die drei vor dem Krankenzimmer in dem Kai vor der Operation lag. Mittlerweile verunsichert klopfte sie erneut an und öffnete die Tür. „Hallo Kai?“, überraschte drehte sich angesprochener herum. „Oh! Ich bin so froh, dass du wohlauf bist!“, glücklich fiel sie an seinen Hals. Der Russe zog scharf die Luft durch den Mund ein. Hilary wich zurück. „Ich... ich wollte dir nicht wehtun...“ „Passt schon. Schön euch zu sehen.“ „Wir freuen uns auch! Emilia hat dich echt vermisst!“, meldete sich auch Max zu Wort. „Ja total! Seid du im Krankenhaus bist, schläft sie sehr unruhig. Hoffentlich bist du hier schnell raus.“ „Gregor meinte, dass ich noch eine Woche hier bleiben muss. Zur Beobachtung.“ „Das ist ja fantastisch!“ „Dann kannst du uns endlich wieder herum kommandieren.“ „Worauf du dich verlassen kannst.“, sagte der Russe trocken und sah seinen blonden Freund vielsagend an. „Wir haben dir übrigens etwas mitgebracht.“, Max kramte im Rucksack herum und zog eine Plastikdose heraus. „Tadaaa! Da ich weiß, dass das Essen hier grausig ist, hat Hilary dir was leckeres gekocht.“ „Danke. Ich werde später essen, wenn es euch nicht stört.“ „Nein.“, sagte die Japanerin und holte Emilia aus dem Wagen. Jetzt konnte die kleine auch wieder zu ihrem Vater. Er sah nicht mehr so ungewöhnlich aus für sie. Am Vortag hingen überall Schläuche an ihm, alles piepste. Heute sah er wieder normal aus, vielleicht noch etwas blass um die Nase aber das würde sich auch schnell bessern. Hilary stellte ihre Tochter hin und ließ sie los. Etwas wackelig und unsicher tapste die kleine drauf los. Ihr Ziel klar im Blick. „Sie läuft?“ Stolz stemmte sie die Hände in die Seiten. „Ja! Max und ich haben fleißig geübt mit ihr! Oh!“, Emilia's Beine gaben nach. Der kurze Weg war doch zu viel für sie. Also nahm die brünette sie hoch und ging zum Bett. Die kleine setzte sie auf Kai's Schoß. Gespannt musterte sie ihren Vater. Der hob die Hand mit einem 'Hey.'. Emilia grinste. Auch Kai musste bei dem frechen Grinsen lächeln. „Da mama papa! Dida, na!“, die kleine plauderte fröhlich drauf los und schaute ihren Vater, der nichts verstand, mit großen Augen an. „Ähm...willst du was essen?“ „Hö?“ „Keks?“, Kai griff in den kleinen Nachttisch und holte einen eingepackten Keks vom Mittag heraus. „Ja!“, sie klatschte in die Hände und griff danach. Zügig wickelte er den Keks aus und gab ihn seiner Tochter, die glücklich auf dem Bett herum krümelte. Und Hilary war dabei die Bettdecke wieder zu säubern. „Du brauchst das nicht zu machen.“, versuchte Kai seine Frau zu stoppen. Er legte seine Hand ruhig auf ihre. „Ich lass euch zwei mal alleine!“, Max merkte, dass er gerade überflüssig geworden war. Daher ging er und bestellte sich in der Cafeteria einen großen Eisbecher. „Wir waren erst auf den Intensivstation...ich dachte, du wärst-“ „Unkraut vergeht nicht.“, er umfasste ihre Hand kraftvoller worauf Hilary ihn ansah. „Es geht mir besser. Sobald die Ärzte ihr OK geben, darf ich sogar wieder aufstehen.“ „Geht das denn so einfach?“, fragte sie verunsichert. „Klar.“ „Ich meine wegen der Operation. Du musst dich doch sicher noch eine ganze Weile schonen.“ „Du machst dir zu viele Gedanken, Hilary...“, ausdruckslos sah er die brünette an und zog sie zu sich herunter. Ihre Lippen berührten sich zärtlich. Seine Augen waren geschlossen, eine Hand an ihrem Arm, die andere hielt seine Tochter. Sehnsüchtig griff die junge Frau in die Haare den Russen. „Ich hab' dich so vermisst...“, hauchte die Japanerin ihm zu, als sie kurz den Kuss unterbrach. Als er das hörte ließ er die Hand seiner Liebsten los, drückte ihren Kopf dichter an sich und lächelte unbemerkt. Er war auch glücklich sie wiederzusehen. Sie berühren zu können, sie zu küssen, sie zu riechen. Es war wie neu geboren zu sein. Auf einmal schob sich vom unteren Ende mit brachialer Gewalt auch Emilia zwischen ihre Eltern. Sie wollte jetzt auch Aufmerksamkeit und schmusen und geküsst werden. Hilary wich zurück um ihrer Tochter Platz zu machen. „Du fühlst dich wohl missachtet?“, lächelte die Mutter verträumt. Kai wuschelte der kleinen durch die Haare. „Kein Wunder, wenn du nur Augen fr mich hast.“, packte Kai noch einen Rüffel oben drauf. „Stimmt doch gar nicht...“, rechtfertigte sie sich und nahm Emilia zu sich auf den Arm um sie zu kuscheln. Die kleine schmiegte sich an die Brust ihrer Mutter. „Wo ist eigentlich Max hin?“ „Hm...weiß nicht. Ich schreib ihm mal eine Nachricht.“, Hilary zückte ihr Handy und tippte mit einer Hand darauf herum. Nicht mal eine Minute später klingelte es und sie hatte Antwort. Nachricht von: Max 16:48 Uhr „Bin unten in der Cafeteria. Sie ihr fertig? ;-)“ Hilary tippte erneut auf dem Display herum. Diesmal mit hoch rotem Kopf. „Was denkt der sich eigentlich...“ „Schreib ihm, dass wir noch 10 Minuten brauchen. Nach einer OP sollte man es langsam angehen lassen.“ „Hm?!“, Hilary starrte ihren Mann überrascht an. „Aus dir kann man mehr lesen als aus einem offenen Buch. Schreib schon. Er wird schon wissen, dass es nicht von dir kommt.“ Ertappt hielt die junge Frau die Löschen-Taste gedrückt, bis ihr kompletter Text, in dem sie Max ziemlich deutlich sagen wollte was sie von seiner Nachricht hielt, verschwunden war. Sie tippte jetzt Kai's Vorschlag ein und schickte es wortlos ab. Es vergingen darauf nicht einmal fünf Minuten ehe Max schon vor der Tür stand und lautstark anklopfte. Neugierig streckte er seinen blonden Schopf durch den Türspalt. „Fertig?“ Auf diese Frage bekam er prompt Antwort. Hilary schleuderte ihm eine Packung Taschentücher entgegen und verfehlte ihn nur knapp. „Hey?!“ „Schade, ich hätte nicht verfehlt.“ „Probier's doch.“, gezielt warf Max die Packung auf den Halbrussen. „Wenn ich hier raus bin.“, und reichte die Packung an Hilary weiter. „Spielverderber...“ „Kai darf keinen Stress haben.“, mischte sich nun eine Stimme an der Türschwelle ein. „Schon gar nicht darf er sich belasten. Er ist frisch operiert, die Narbe könnte aufplatzen. Denk doch mit!“, ein leichter Hieb mit einer Akte auf Max' Kopf unterstützte diese Aussage. „Wie ich sehe bist du gut angekommen. Und...dein Frauchen hat auch zu dir gefunden.“, Gregor wollte es sich nicht nehmen lassen ihn aufzuziehen. Anders als erwartet, blieb Kai ziemlich gelassen. „Das gilt auch für dich, Gregor.“, Max buffte dem Arzt in die Seite und schaute gespielt ernst. „Ihr seid mir ein paar Granaten... Ich muss euch trotzdem mal raus schmeißen.“ „Warum?“, hakte die brünette nach. „Weil ich die Narbe anschauen muss. Und jetzt raus.“, begründete der Arzt knapp und schroff. Die drei verließen das Zimmer. Gregor wechselte die Seite am Bett. „Hast du Schmerzen?“ „...“ „Heißt wohl 'Ja'... Wo?“ Kai atmete angestrengt aus. Musste das nun wieder sein? „Gut. Ich finde die Stelle schon.“, grinste Gregor und löste vorsichtig das Pflaster und begann die Brusthälfte rund um die Narbe abzutasten. Der blau-haarige schloss dabei die Augen. Ganz in der Nähe der frischen OP-Narbe musste der Halbrusse einen Laut unterdrücken. „Hier also... Ja es dürfte etwas spannen...aber das sollte sich in den nächsten Tagen legen.“ „Wie groß ist sie?“ „Schau sie dir doch an.“ „Nein. Sag mir wie groß.“ Ein Seufzen von Gregor. „Circa 15 cm.“ „hm...“, das war schon ziemlich groß. Zumal der Russe akribisch auf sein Aussehen achtete. Und nun zierte seinen Oberkörper eine unschöne Narbe, die er schlecht verstecken konnte. „Einen schönen Mann kann nichts entstellen...“, versuchte der Brillenträger ihn etwas aufzuheitern. Nachdem ein frisches Pflaster die Narbe verdeckte, öffnete auch Kai wieder die Augen. Mit dem Aussehen musste er sich erst einmal arrangieren. „Versuch mal bitte dich aufzusetzen.“ Kai tat das worum Gregor ihn bat. Er griff an die rechte Seite seines Bettes und hielt den Knopf an der Fernbedienung gedrückt. Langsam fuhr die Lehne hoch und die Augenbrauen des Arztes wanderten bei beträchtliches Stück weiter hoch. „Was-?“ „Klappt.“ Der dunkelhaarige verschränkte die Arme vorm Körper. „Du warst schon immer pfiffig... und jetzt ohne Blödsinn. Ich mein es ernst.“, Gregor griff die Fernbedienung und fuhr die Lehne wieder herunter. „Jetzt, aufsetzen.“ Dieses Mal war Kai gezwungen sich ohne Hilfe aufzusetzen. Er stützte sich zuerst auf den Unterarmen an und drückte sich dann in die aufrechte Position. Die Schmerzen verdrängte er soweit es ging. In der Abtei musste er früh lernen Emotionen zu unterdrücken. „Zufrieden?“, fragte er pampig. „Sehr. Hast du jetzt Schmerzen? Schwindel?“ „Nein.“, verblüffend, dass eine Operation so schnelle Abhilfe schaffen konnte. Die Überwachungsgeräte zeigten auch keine dramatischen Veränderungen. Zufrieden grinste der Arzt. „Dann darfst du dich hier im Zimmer bewegen. Aber nur kurze Wege und nicht länger als 10 Minuten! Du kannst die Zeit langsam steigern, wenn du merkst, dass alles in Ordnung ist. „Ja.“ „Überschätz' dich nicht.“ „Jaaaaaa...“ „Dann einen schönen Abend noch.“, der Art verabschiedete sich und war sichtlich froh, dass Kai nichts merkte von seinem aufregenden Vormittag. Er schickte Hilary und Max erneut zu ihm und bog in den nächsten Gang ab. „Du sitzt ja schon!“ „Darfst du-“ „Ja.“, schnitt Kai den Satz seiner Frau vorher ab und schaute sie gelassen an. „Wahnsinn...“ „Und du wolltest die OP erst gar nicht machen...“, sagte Max zufrieden. „Ich möchte mich jetzt ausruhen. Könntet ihr gehen?“ „Klar, ruh dich nur aus! Ich komm morgen wieder vorbei, ja?“ „Hm.“ Max winkte seinem Kumpel beim Gehen zu und der blau-haarige ließ sich zurück auf das Bett sinken. Er sah zum Fenster hinaus. Draußen war es dunkel, doch der Himmel leuchtete in rot, die Laternen ließen das Rot noch kräftiger aussehen. Der junge Mann sammelte erneut Kraft und schob die Beine aus dem Bett. Jetzt wollte er es genau wissen und stand auf. Das erste Mal nach dem verunglückten Versuch vor der Operation. Es war nicht weit bis zum großen Fenster. Er tat die paar Schritte, stützte sich dann angestrengt an der Glasscheibe. Eine überragende Aussicht über die Stadt bot sich ihm zur Belohnung. Kapitel 68: Tag der Entlassung ------------------------------ Kapitel 68 Drei Tage vergingen. Hilary besuchte Kai jeden Nachmittag und schmuggelte immer heimlich eine kleine Dose mit ihrem Essen herein. Ihr Mann machte zusehends Fortschritte in der Genesung. Heute sollte noch eine Nachkontrolle gemacht werden. Sie war gespannt auf die Ergebnisse. Als sie zu ihm ins Zimmer kam, stand Doktor Starck schon mit einer Krankenschwester im Raum. Kai saß auf dem Bett. Seine Beine baumelten herunter und er sah aus dem großen Fenster. „Das Auswerten wird noch bis zum Nachmittag dauern...hm? Oh, hallo Hilary. Ich hab dich gar nicht reinkommen hören.“ „Hallo, Entschuldigung ich wollte Sie nicht unterbrechen.“, lächelte sie verlegen und trat an das Bett heran. Der blau-haarige drehte den Kopf zur Seite, konnte Hilary aber aus dem Augenwinkel nicht sehen. Das wusste sie und legte zur Begrüßung ihre Hände auf seinen Rücken. Kurz schreckte er zusammen, denn ihre Hände waren kalt. „Muss das sein?“, murrte er sie an, doch die brünette fuhr mit den kühlen Fingern weiter über den Nacken und den Seiten entlang. Gregor grinste stumm vor sich hin. Hin und wieder blickte er auf die Akte, die er in der Hand hielt. „Ach ja, bevor ich es ganz vergesse, dein Pflaster kann nachher entfernt werden. Die Wunde verheilt gut. Oder soll ich das gleich erledigen?“ „Nein!“, kam es von dem Russen wie aus der Pistole geschossen. „Gut. Ich wollte dich nicht übergehen. Also schicke ich nachher eine Schwester zu dir.“ „Hm.“ „Nicht mehr lang, Kai...“, flüsterte die Japanerin ihm lächelnd ins Ohr. Ihre Freude stieg ins Unermessliche je näher der Tag der Entlassung rückte. „Ja...“, entspannt legte Kai den Kopf zurück gegen Hilary's Brust und schloss die Augen. Dann endlich konnten sie wieder für sich sein. Später am beginnenden Abend schaute, wie vereinbart, eine Schwester bei dem Halbrussen vorbei. Sie kam um das Pflaster zu entfernen. Das schlimmste daran war, dass es die Krankenschwester war, die schon vom ersten Tag an auf Kriegsfuß mit ihm stand. Vermutliche würde sie ihm das Pflaster mit einem Ruck herunter reißen und dabei auch noch Spaß haben. „Legen Sie sich flach hin und machen Sie den Oberkörper frei.“, sagte sie streng. In der Zeit schrieb sie irgendetwas auf einen Zettel und steckte ihn wieder in die Tasche ihrer Uniform. Kai legte sich flach hin und zog das weiße Shirt nur hoch. „Habe ich undeutlich gesprochen?“, fragte sie mit hochgezogenen Brauen. Wie gern hätte er 'Ja“ gesagt... „Nein...aber ehe ich das Shirt ausgezogen habe, steht das Abendessen auf dem Tisch.“ Schnaufend verschränkte sie die Arme vor der üppigen Brust und trat an die linke Seite des Bettes. „Wenn das Pflaster ab ist, dürfen Sie morgen duschen gehen. Holen Sie einen Pfleger dazu, falls doch etwas passiert. „Ja...ja...“, sein Blick wanderte herüber zur Tür. Es kam zwar niemand herein, doch besser als diese Narbe auf seinem Körper anstarren zu müssen. Vorsichtig zog die Schwester das Pflaster herunter, beschaute die Stelle noch einmal genaustens und cremte sie sorgfältig ein. „Das machen Sie jetzt auch jeden Tag!“, befahl sie und stellte die kleinen Dose auf das Nachttischchen. „Sie sind fertig.“, wieder schrieb sie etwas auf. Kai zog ohne einen Blick auf die Narbe zu werfen das Shirt wieder herunter und die Schwester verließ den Raum. In dem blau-haarigen schienen Unmengen an Gedanken zu kreisen. Nachdenklich und zögernd stand er auf. Ganz unwillkürlich stand er in dem kleinen Bad. Der übergroße Spiegel zeigte sein grimmiges Gesicht. Er stützte sich am Waschbecken und schnaufte laut aus. Die Narbe konnte er durch das Shirt nicht sehen. Gut so. Aber er hatte den Drang danach. Gleichzeitig auch nicht. Seine Hand griff das weiße Stück Stoff am Kragen und zog es langsam nach unten. Kai beobachtete sich dabei im Spiegel. Der Atem wurde unruhiger. Aufregung und Unmut mischten sich miteinander. Die Narbe blitzte hervor und er starrte auf sein Spiegelbild. Damit musste er jetzt sein restliches Leben herumlaufen. Ausdruckslos ließ er das Shirt los, ging zurück zum Bett und schaute wieder aus dem Fenster. So hatte er sich das nicht vorgestellt... Am darauf folgenden Vormittag hatte der blau-haarige Gregor zu sich bestellt. Beide Männer befanden sich im kleinen Badezimmer. Während Kai unter der Dusche stand, saß Gregor auf dem Toilettendeckel und wartete. Er war lediglich eine Absicherung für Kai, falls er wirklich Hilfe brauchen sollte. Nebenbei las er in einer Zeitung, die er auf dem Gang mitgenommen hatte. „Kommst du klar?“ „Ja. Nerv mich nicht.“ „Ist gut...tz...“ „Was?“ „Nichts!“ Kurze Zeit später schickte Kai seinen Freund heraus. Zügig stieg er aus der Dusche und trocknete sich ab. Mit dem Handtuch um die Hüfte kam er zu Gregor. Der saß zufrieden auf der Bettkante. „Sieht doch gar nicht so schlecht aus.“ „Ich dachte sie sei kleiner...“ „Das lässt sich nun mal nicht vermeiden. Mit der Zeit wird die Intensität abnehmen und nur noch leicht zu sehen sein. Wie die auf dem Rücken.“ „Klar...“, er zog sich nebenbei an. „Was macht deine geheimnisvolle Frau eigentlich? Du redest gar nicht mehr von ihr.“ „Ach sie...wir verstehen uns ganz gut...haben einiges erlebt...und...“ „Und? Bist du mit ihr zusammen?“ „Nein! Um Gottes Willen! Du würdest mich- äh...“, er stoppte. „Hm? Was würde ich?“ „Du würdest mich...für verrückt erklären!“ „Aha.“, Kopf schüttelnd wand er sich ab. Gregor log unglaublich schlecht. War sie nicht hübsch genug? Hatte sie ihre Familie oder Verwandten gefunden? „Sie hat sicher Mann und Kind.“, schlussfolgerte der junge Russe. „Ähh...Ja...auch...ein erwachsendes...aber egal...ich muss jetzt los...ich stell sie dir bei Gelegenheit vor!“, aufgeregt sprang er auf und hatte Angst sich doch zu verhaspeln. „Bis dann!“ Ein Glück hatte er die Situation entschärfen können. Jedoch würde Kai gemerkt haben, dass der Arzt etwas vor ihm verheimlichte. Er dachte erstmal nicht weiter über das Verhalten von Gregor nach. Wenn er ihm nichts erzählen wollte, war das eben so. Nur was er mit der ganzen Sache zu tun haben sollte, erschloss sich ihm nicht. Zwei Tage später war er endlich da, der Tag der Entlassung. Kai freute sich wirklich darauf endlich wieder selbst frische Luft zu atmen und sich selbst bewegen zu können. Seine Frau sollte auch jeden Moment bei ihm eintreffen, daher legte er seine restlichen Sachen zusammen in seine Tasche. Viel hatte er nicht im Krankenhaus. Als der blau-haarige ins kleine Bad ging um nachzusehen ob er alles mitgenommen hatte, klopfte es an der Tür und Hilary trat ein. „Kai?“, sie sah sich um. „...ach hier bist du.“, lächelnd kam sie näher. Ihr Mann drehte sich zu ihr herum und schaute die braunhaarige von oben bis unten an. Sie sah anders als sonst aus. „Ist das neu?“ „Nein. Ich hab' nur ein paar Teile im Schrank wiedergefunden die ich ewig nicht getragen habe.“, klärte sie ihn auf, worauf Kai sie an der Taille umfasste und zu sich zog. „Wären wir nicht noch in diesem verdammten Krankenhaus...“ „Heb' dir das für Zuhause auf.“, unterbrach sie ihn und küsste ihn zart. Seine Augen schlossen sich und er genoss den Augenblick. „Hast du alles?“, fragte sie brünette leise, worauf Kai nickte. „Dann können wir los, oder?“ „Ich muss auf Gregor warten, er will noch die Entlassungspapiere vorbeibringen.“ „Gut, dann warten wir eben.“, Hilary setzte sich auf die Kante des Krankenbettes während Kai sich an das Fußende lehnte. Keine zehn Minuten später wedelte der Arzt mit den nötigen Papieren vor der Nase des Halbrussen. Der kurzhaarige war ihm die letzten Tag Tage geschickt aus dem Weg gegangen. „Hier hast du alles was du brauchst Es sind noch einige Hinweise darauf, aber das kannst du dir später durchlesen oder gar nicht wie ich dich kenne.“ „Hm.“ „Schon' dich die nächsten Wochen noch. Der Heilungsprozess dauert länger als du hier in der Klinik bist.“ „Jaaa ja...“ Der Arzt verdrehte die Augen und schüttelte zugleich den Kopf. „Achte bitte mir darauf Hilary.“, sie nickte. „Okay, dann will ich euch nicht noch länger aufhalten. Ich komm die Tage mal bei euch vorbei.“ „Ja. Bis dann.“, sagte der Russe kühl wie er ihn kannte und schulterte seine Tasche. „Geht's?“ „Ja. Komm.“ Hilary folgte ihm und winkte dem Arzt zum Abschied. Er war wirklich sehr nett, fand die junge Frau. Vielleicht sollte sie ihn zu einem Abendessen einladen um sich bei ihm zu bedanken. Am Ausgang traten bei durch die automatische Glastür. Kai blieb dann stehen. Er schloss die Augen und atmete tief ein. Die kalte, frische Winterluft füllte seine Lungen. Noch nie empfand er frische Luft als so wohltuend wie jetzt. Bei Ausatmen öffnete er seine rubinroten Augen wieder. „Lass uns nach Hause gehen.“ Kapitel 69: Klarheit -------------------- Kapitel 69 Zurück in den eigenen vier Wänden wurde der Russe stürmisch von seiner kleinen Tochter begrüßt. Als die kleine die Haustür klappen hörte, rannte sie wie von der Tarantel gestochen los. Kai hockte sich hin um die nahenden Schritte im Arm aufzufangen. Emilia hatte so viel Schwung auf sich, dass sie es fast schaffte ihren Vater aus dem Gleichgewicht zu bringen. „Papaaaa!“, schrie die kleine ihm in die Ohren, überglücklich wie sie war. Kai strich ihr derweil über den Kopf, roch die frisch gewaschenen Haare die nach Waldbeeren dufteten. Hilary benutzte immer das gleiche Shampoo und er musste schmunzeln. „Warst du immer brav?“, fragte er seine Tochter ernst und nahm sie auf den Arm hoch. Von unten herauf schaute die kleine ihren Vater an und nickte. Kai zog die Augenbraue nach oben. So recht glauben wollte er das nicht. Als Hilary Emilia's Nicken bestätigte, stieß er vorsichtig seine Nase gegen ihre. Ein Quieken der kleinen folgte und sie fiel ihrem Vater wieder um den Hals. „Dann bin ich jetzt die nächsten Tage wohl abgeschrieben.“, scherzte die brünette. Sie hatte ihre Schuhe ausgezogen und hob Kai's Tasche, die sie in das Wohnzimmer brachte. Kai zog darauf seine Schuhe mit den Füßen aus und folgte seiner Frau. Als er im Wohnzimmer ankam stand dort ein neugieriger Blondschopf, der es kaum erwarten konnte seinen Kumpel und Geschäftspartner wieder in die Arme schließen zu können. „Eeeendlich bist du wieder da! Wurd' auch höchste Zeit.“ „Zu viel Stress mit der Arbeit?“, zog er den Amerikaner auf der prompt abwinkte. „Noooo! Wenn es danach geht, hättest du noch weitere vier Wochen im Krankenhaus bleiben können!“, er hob die Arme und verschränkte sie vor der Brust. Kai wusste genau, was auf ihn zukommen würde, wenn er die Arbeit wieder selbst übernehmen würde. Unendliches Chaos würde ihn erwarten. Dabei tat Max sein Bestes um das zu umgehen. Kai sollte sich eh noch nicht voll belasten mit der Arbeit, also beschloss der Blonde alles Stück für Stück dem Halbrussen näher zu bringen. Kai ließ seine Tochter zurück auf den Boden und setzte sich erleichtert auf die Couch. Was für ein gutes Gefühl. Das Sofa war weitaus bequemer als die Krankenhausmatratze auf der er die Zeit über geschlafen hatte. Wie wäre es da erst, wieder im eigenen Bett zu liegen? Zusammen mit seiner Frau. In seinem Kopf spielten sich unzählige Möglichkeiten ab, doch nach den ersten wurde er unsanft wieder aus seinen Gedanken gerissen. Emilia kletterte zu ihm auf die Couch und turnte auf dem Schoß ihres Vaters herum. Kai griff unter ihre Schultern und setzte sie hin. Sogleich schmiegte die kleine sich an seine Brust. Ein seltsames Gefühl, wie er empfand. Emilia sah ihn immer nur kurz in den letzten Wochen, und doch war sie jetzt so auf ihren Vater fixiert. Hilary ließ die drei in Ruhe. Sicherlich hatten sie viel zu bereden. Sie wand sich in der Küche den Vorbereitungen des Mittags zu. Es sollte einen Nudelauflauf geben, den konnte Emilia auch schon ohne Probleme mitessen. Viel vorzubereiten gab es da nicht. Die Nudeln waren schnell gekocht und das Gemüse und Fleisch schnell geschnitten. Kai lehnte entspannt an der Couch und lauschte den Worten seines blonden Freundes, der ihm den aktuellen Status über die Firma verriet. So schlecht lief es wohl doch nicht in seiner Abwesenheit. Max hatte viel gelernt in der Zeit die sie zusammen arbeiteten. Anfangs machte er Schusselfehler die der Russe dann ein paar Tage später ausbaden durfte. Heute bedachte er gleich alle möglichen Risiken und Optionen. Max wirkte auch viel seriöser im Umgang mit Kunden und potenziellen Investoren. Kai war zufrieden. „Gute Arbeit, Max. Ich hatte die Befürchtung-“ „Dass du einen Haufen Schutt und Asche vorfindest?“, nahm er dem Russen die Worte aus dem Mund und beendete seinen angefangenen Satz. Kurzum folgte ein bejahendes Nicken des blau-haarigen. „Wenigstens bist du ehrlich.“, grinste Max und sah es als Kompliment, dass er gut arbeitete. „Ich will die Zahlen und Berichte trotzdem alle durchgehen.“ „Klar!“ „Gibt es sonst irgendwelche nennenswerten Auffälligkeiten?“ „Nein, nicht dass ich wüsste.“, der blonde schaute angestrengt an die Decke und verzog das Gesicht nachdenklich. „Nein. Nichts.“, wiederholte er sicherer.“ „Gut, dann könnt ihr schon den Tisch decken. Das Essen ist jeden Moment fertig.“, Hilary stellte den beiden Männern Teller und Besteck auf den Wohnzimmertisch und verschwand nochmal in der Küche. Max schnappte sich das Geschirr ehe Kai danach greifen konnte. „Du sollst dich ausruhen.“ Der ehemalige Krankenhauspatient ließ sich Augen rollend zurück auf das Sofa fallen. Als er dann bemerkte, dass er von der Seite auffällig gemustert wurde, fuhr er langsam mit dem Kopf herum. Emilia schaute ihren Vater mit großen Augen an, machte aber nichts weiter außer starren. Kai tat das gleiche bis Emilia die Mundwinkel nach unten verzog und schelmisch anfing zu grinsen. Der ältere sah nach vor und schüttelte den Kopf und schmunzelte ebenfalls vor sich hin. Dieses Kind schaffte es doch ohne ein Wort zu sagen ihn zum Lachen zu bringen. „Unfassbar...“, er drehte sich halb herum und stubste seine Tochter an, die sich prompt zur Seite fallen ließ. Lautes Lachen und Gekreische dröhnte zu der Japanerin in die Küche. Sie lächelte glücklich als sie zur geöffneten Küchentür heraus sah. Anders als erwartet sah sie nicht Max mit Emilia herumtollen, sondern Kai. Noch nie sah sie ihren Mann so mit seiner Tochter albern. Sie atmete entspannt durch die Nase aus und schnappte sich den Nudelauflauf der frisch aus dem Backofen kam. „So Jungs, Essen ist fertig!“, rief sie während sie mit der heißen Form in das Wohnzimmer eilte. Behutsam stellte sie es ab und nahm die einzelnen Teller zum Befüllen. Kai setzte derweil Emilia in ihren Hochstuhl. Sie hielt den Löffel schon griffbereit zum Essen. „Guten Appetit!“, wünschten sich alle. Am Tisch herrschte eine entspannte Atmosphäre. Sie unterhielten sich über aktuelle Tagesereignisse, über Geschehenes und auf Ereignisse die bald anstünden. So auch Weihnachten. Hilary hatte die letzten Tage schon etwas genutzt um das Haus zu dekorieren mit weihnachtlichem Schmuck. Zu viel wollte sie noch nicht aufhängen, Kai würde es wieder abnehmen und an einem Ort verstecken wo die Brünette es nicht wieder finden würde. Sie sprachen im Krankenhaus bereits darüber. „Aber bis Weihnachten dauert es nicht mehr lang!“ „Stimmt.“, nickte Max. „Und für Emilia ist es etwas ganz Besonderes!“, fügte die Japanerin hinzu. „Ja.“, nickte Max wieder. Kai sah auf den Platz neben sich. „Wenn du meiner Frau noch einmal den Rücken stärkst, führe ich das Zentrum alleine weiter.“, sagte er ruhig und gelassen. Sofort wechselte Max die Seiten. „Genau Hilary, wenn Emilia die ganzen Kugeln herunter reißt ist alles kaputt. Kai meint es doch nur gut!“, zwinkerte er sie an. „Hab ich eine Chance gegen euch zu gewinnen?“, seufzte sie schwer und stocherte in ihrem Essen herum. „Nein.“, bekam sie die Antwort ihres Mannes auf ihre eher rhetorische Frage. „Super...“ Nachdem alles aufgegessen war, brachte Hilary Emilia ins Bett und half Max beim Abwaschen des Geschirrs. Der war schon fast fertig als die Brünette in der Küche ankam. Zu ihrer Überraschung stand auch Kai mit einem Geschirrhandtuch an der Spüle. „Du sollst dich doch ausruhen.“ „Geht schon. Du dich in den letzten Wochen nicht einfach ausruhen können. Also leg dich auch hin.“ Max grinste sie breit an. „Genau, hör auf deinen Mann!“ Hilary grinste ebenfalls. „Ihr zwei!“, sie kam auf Kai zu und küsste ihn zart auf die Wange. „Danke.“, flüsterte sie ihm zu. Er nickte darauf. Also legte sich Hilary auf die Couch und deckte sich etwas zu. Am anderen Ende der Stadt stieg Gregor die Metalltreppe zu seiner Wohnung nach oben. Sein Blick schweifte über die weißen Wege und kahlen Büsche. Ein kühles Lächeln legte sich auf seine Lippen. Oben schloss er die Eingangstür auf. Die Wärme aus dem Flur strömte sofort nach draußen und mischte sich mit der kalten Luft. Angestrengt schnaufte er nach dem Temperaturwechsel. Die Schuhe zog er achtlos aus. Mit seinen Gedanken noch im Krankenhaus, bemerkte er die Anwesenheit einer weiteren Person nicht. „Da bist du ja.“, Yulika kam aus der Küche mit einer heißen Tasse Tee. Sie lächelte Gregor an. Der schreckte aus seinen Gedanken auf und machte einen Satz zurück. „Du kannst mich doch nicht so erschrecken!“, schrie er ungehalten, als er Yulika vor sich stehen sah. „Möchtest du auch einen Tee?“ Gregor öffnete ein paar Knöpfe an seinem Hemd. „Gern.“ Yulika reichte ihm den Tee, den sie eben für sich zubereitete. „Nimm den, ich mache mir einen neuen.“, lächelte sie ihn sanft an. Er nahm ihr die Tasse ab und sah ihr hinterher. Sie war fast wie immer. Wie damals vor dem schrecklichen Unfall. Ob sie schon die Erinnerung von ihrem zurück hatte? Sicherlich würde Yulika ihn darauf ansprechen... Gregor schüttelte seinen Kopf. Er machte sich zu viele Gedanken, aber er musste es ihr bald sagen. „Wie war die Arbeit?“ „Hm? Ach...ganz gut, wenn ich es so sagen kann. Es gab schlimmere Tag. Wie war dein Tag? Warst du bei Tomoto?“, hakte er unsicher nach, doch Yulika schüttelte den Kopf. „Ich möchte dich lieber dabei haben.“ „Hmm...ich werde dich begleiten. Aber nicht heute.“, es war später Nachmittag, es dämmerte schon und die Wolken verrieten, dass es gleich schneien würde. „Ich habe mir etwas überlegt.“ Der dunkelhaarige horchte auf. „So? Was hast du denn überlegt?“ „Damals habe ich mit Tomoto in einem Haus gelegt. Weißt du wo es stand?“ „Natürlich weiß ich das.“ „Vielleicht kehren meine Erinnerungen zurück, wenn wir dorthin fahren. Und ich muss wissen was mit diesem Kind ist. Wie hieß es...war es mein eigenes?“ „Yulika...“, seufzte der kurzhaarige. Es war wohl an der Zeit ihr die ganze Wahrheit zu berichten. Wenn ihr Bedürfnis so groß war etwas über dieses Kind zu wissen, dann wollte er ihr keine Steine mehr in den Weg legen. „Sei mir bitte nicht böse...aber ich habe dir nicht die ganze Wahrheit erzählt.“ „Was weißt du, Gregor?“, sie lehnte sich hoffnungsvoll vor, während ihre Augen verzweifelt zu ihrem alten Freund sahen. „Das Kind von damals ist dein Sohn. Er heißt Kai und ist mittlerweile auch erwachsen.“ „Kai... Ah!“, sie hielt ihren Kopf für einen Moment. „...er...er war mein kleiner...Sonnenschein... Wo ist er jetzt?“ „So wie ich ihn kenne arbeitet er schon wieder.“ „Warum hast du mir nicht gleich alles erzählt? Ich hätte ihn doch schon sehen können!“ „Ich dachte es ist besser so für dich! Viele Patienten die ihr Gedächtnis verloren haben können es besser verarbeiten, wenn sie zunächst nur Teile der Vergangenheit erfahren. Das Gehirn muss die Informationen erstmal verarbeiten und zuordnen bevor neue dazukommen! Sonst kann es passieren, dass Ereignisse durcheinander gebracht oder gar ganz vergessen werden. Du wirst ihn wiedersehen. Aber nicht sofort...“ „Warum? Wir können doch sicherlich zu ihm fahren! Oder nicht? Er würde sich bestimmt freuen mich wiederzusehen!“ „Das weiß ich nicht...“, Gregor verzog nachdenklich das Gesicht. Yulika sah ihn zweifelnd an. „Was redest du da? Natürlich wird es sich freuen! Nach der langen Zeit!“ „Diese Zeit war zu lang! Er kennt dich nur noch aus seiner Erinnerung“ Kai hat sich verändert. Er ist nicht mehr der kleine Sonnenschein, sondern ein erwachsener Mann. Über stürze nichts und handle nicht unbedacht, Yulika, Bitte. Ich werde ihn dir vorstellen, aber jetzt ist nicht die richtige Zeit dafür. Glaub mir.“, er legte seine Hand an ihren Rücken und strich vorsichtig darüber. „Glaub mir bitte.“, Yulika standen die Tränen in den Augen. „Wann denn dann?“ „Bald...“ Plötzlich hielt Yulika sich erneut den Kopf und begann unruhig zu atmen. „Gregor...Wo ist Kai aufgewachsen?!“, ihre Finger hielte seinen Arm fest. Pure Angst stand in ihren Augen. Wieder zögerte er mit seiner Antwort. Er wusste, dass seine Antwort, ihre Welt zerstören würde. Ergeben seufzte er und ließ die Schultern hängen. „Es tut mir leid... Es ist in der Abtei aufgewachsen... Ich konnte es nicht verhindern!“, sagte er deprimiert und sah ihr nicht ins Gesicht. „Nein...“, sagte sie wild mit dem Kopf schüttelnd. „Nein! Nein!! Nein!!!“, sie schrie mit jedem Mal lauter. Ihr geliebter Sohn musste in dieser Umgebung bei diesen emotionslosen Menschen aufwachsen! „Warum?!“, Yulika weinte bitterlich. Die Abtei wäre das Letzte gewesen wo sie ihren Sohn hingegeben hätte. Und doch musste er dort bleiben. Gregor konnte nichts weiter tun als seine Freundin zu trösten. Zu gern hätte er damals verhindert, dass Kai zu Boris in die Abtei kam. „Er hat ihn von einen auf den anderen Tag...Ich wusste nicht, dass Tomoto das vor hat...“, betroffen und voller Schuld neigte er den Kopf zur Seite. „Ist er...etwa auch so...wie die anderen Kinder behandelt worden?“ Gregor nickte stumm. Yulika besuchte damals mit ihrem Mann die Abtei zweimal bevor sie merkte, was dort für schreckliche Dinge geschahen. Nie wollte sie dort zurück. Kapitel 70: Kochen - (k)ein guter Zeitvertreib? ----------------------------------------------- Kapitel 70 ~~~„Ist er...etwa auch so...wie die anderen Kinder behandelt worden?“ Gregor nickte stumm. Yulika besuchte damals mit ihrem Mann die Abtei zweimal bevor sie merkte, was dort für schreckliche Dinge geschahen. Nie wollte sie dort zurück. ~~~ „Das kann nicht wahr sein Gregor bitte sag mir, dass das nicht die Wahrheit ist!“ „Doch...leider...und deshalb ist es besser, wenn du ihn jetzt nicht besuchst. Tomoto und Voltaire haben nach deinem Tod kein Wort mehr über dich verloren. Weder durfte Kai von dir Abschied nehmen noch um dich trauern. Ich habe alles nur am Rande mitbekommen...aber jedes Mal, wenn ich Kai wiedergesehen habe, war er ein Stück weniger Kind.“ „Wie sieht er jetzt aus?“ „Lass mich überlegen...hab ich ein Foto von ihm... Ah! Warte, ich kann dir alte Berichte zeigen. Er war Weltmeister im Beybladen. Kai schaffte es damals der Abtei den Rücken zu zu kehren. Er wurde richtig berühmt. Ach...wo hab ich es denn...?“, er zog eine Schublade auf und wühlte darin. An der Seite lehnte ein Album in dem Gregor ein paar Berichte über die Zeit der ersten Weltmeisterschaft aufbewahrte. In den Artikeln war ein Gruppenfoto der Bladebreaker abgebildet. „Hier ist es doch.“, der ältere hielt ihr das Album hin. Vorsichtig griff Yulika es und legte es auf ihren Schoß. „Na? Welcher von denen ist wohl Kai?“ Die Mutter schaute bedächtig das ältere Foto an. Leicht strich sie über das Bild. Ein Lächeln tauchte auf ihren Lippen auf, dann zeigte sie auf einen der Jungen. „Es kann nur er sein...“, ohne auch nur einmal auf ihren Freund zu sehen wusste sie instinktiv, wer ihr Sohn war. Die Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem Vater war unverkennbar aber auch sich selbst konnte Yulika auf gewisser Art erkennen. „Da war er 15 Jahre alt. Ein aktuelleres kann ich dir nicht zeigen.“ „Er ist wunderschön...“ „Das finden die Frauen in seinem Alter auch.“ „Hm?“ „Naja... Er ist seinem Vater sehr ähnlich geworden. Nicht nur charakterlich...“, Yulika verstand nach seiner Andeutung was der kurzhaarige ihr vermitteln wollte. „Weißt du...er ist sehr erfolgreich geworden. Mittlerweile hat er ein eigens Unternehmen gegründet. Es scheint gut zu laufen.“, wieder sah die blau-haarige Frau auf ihren Sitznachbarn. Er konnte erkennen, dass sie stolz auf ihn war, obwohl sie ihn gar nicht mehr richtig kannte. „Das freut mich sehr...“ „Ich werde mal mit ihm sprechen, wann es ihm zeitlich passt.“ „Oh bitte!“, ihre Augen funkelten wie kleine Kristalle. Gregor dämpfte ihre Freude aber wieder. „Sei aber nicht enttäuscht, wenn es nicht sofort klappt.“ „Nein bestimmt nicht!“ Also griff der Russe nach seinem Handy, dass er auf dem Tisch zu liegen hatte und wählte Kai's Nummer. Einen Moment später: „Die Mailbox. Ungewöhnlich, dass er sein Handy aus hat. Ich werde es morgen nochmal probieren.“, überrascht klang Gregor allerdings nicht. Es war genau das, was er ihm naher legte als Arzt. Wie sollte sich Kai erholen, wenn ständig sein Handy klingelte? Er befolgte endlich mal einen Rat den Gregor ihm gab. Yulika war enttäuscht. Gerne hätte sie die Stimme ihres Sohnes gehört. „Magst du spazieren?“, schlug der Brillenträger Yulika vor, um sie auf andere Gedanken zu bringen. „Bei diesem Wetter?“ „Klar. Weißt du nicht mehr? Wir waren oft bei Schnee spazieren. ...später natürlich mehr mit Tomoto als mit mir. Also, hast du Lust?“ „Na gut, lass uns ein Stück gehen.“ Zurück bei der jungen Familie saßen die drei Erwachsenen am Tisch mit einem Stapel Ordner. Gerade schnappte der blau-haarige einen Ordner, als Hilary ihm dazwischen fiel. „Kann das nicht bis morgen warten? Du solltest dich schonen!“ „Beim Lesen werde ich mich schon nicht überanstrengen.“, kam es abweisend zurück. „Ich will aber auch Zeit mit dir...“, protestierte die junge Frau enttäuscht. Im gleichen Moment knallten beide Hände ihres Mannes auf die beschriebenes Seite und er erhob sich ruckartig. Der Russe fuhr mit dem Gesicht zu seiner Frau herum. „Max. Leg mir die wichtigen Berichte raus. Ich werde jetzt ins Bett gehen.“, er lockerte die Hände auf dem Papier und klappte ihn wieder zu. Schon wieder hatte er nur die Arbeit im Sinn und vergaß dabei die eigentlich wichtigen Dinge. Hilary. Die schluckte bei dem Schreck ihren dicken Kloß herunter und sah ihm nach wie Kai die Treppe nach oben ging. „Äh...“, fragend sah sie zu Max. „Da hast du wohl den Nagel auf den Kopf getroffen!“, grinste er sie vielsagend an. Hilary lief ihm schnell hinterher. „Hach wie süß...“, schwärmte der Blonde noch eine Zeit vor sich hin, ehe er die langweiligen Ordner durchsah. Oben im Flur der ersten Etage stand Kai vor der Zimmertür und wollte gerade hereingehen, als Hilary dazu kam. „Schön, dass du wieder da bist.“, sagte sie leise. Der Russe öffnete die Tür darauf, sodass beide eintreten konnten. Den Blick nicht auf seine Frau gerichtet steuerte er direkt das Bett an um sich schlafen zu legen. Doch die brünette dachte anders und hinderte ihn daran. Sie legte ihre zarten, weichen Hände auf seine Brust. „Hilary...“, halbherzig versuchte er sich aus ihrer Umarmung zu befreien, doch die junge Frau hielt ihn weiter fest. „...bitte...“ „Was ist denn los mit dir? Freust du dich gar nicht mich wiederzusehen?“, Hilary war irritiert von seinem Verhalten. Kai seufzte. „Doch...nur...ich bin müde...“, noch einmal wollte er sich auf ihrem Griff befreien, doch auch dieser Versuch endete erfolglos. Seine Frau fuhr ihm stattdessen leicht an den Seiten entlang, sie spielte mit ihm und wollte noch nicht schlafen gehen. Sie wollte Zweisamkeit mit ihm nach Wochen der Entbehrung. Sie dachte, dass es ihm genauso gehen würde. Ganz Unrecht hatte sie damit aber nicht. Auch der Russe verspürte unendliche Lust auf seine Frau, dass verriet ihr sein unruhig werdender Atem. Warum also wollte er sie nicht? „Endlich sind wir wieder zu zweit.“, sie küsste seinen Nacken, dann den Hals. Und er, er konnte dieser Versuchung nicht mehr länger standhalten. In ihren Armen drehte er sich zu ihr und umarmte sie fest. Ein eher zurückhaltender Kuss folgte darauf. Die brünette spürte seine Lust, seine Berührungen, seine Blicke. Sein heißer Atem, der ihre Halsbeuge streifte, brannte auf der Haut wie Feuer, aber Kai zeigte keinerlei Initiative. Sie half ihm also etwas indem sie, neben ihren Verstand raubenden Berührungen, sein Shirt auszuziehen. Anders als erhofft fuhr seine Hand dazwischen und beendete ihre Handlung abrupt. Ihre Küsse verstummten. „Was ist denn?“ Unruhig sah er an ihr vorbei. Was sollte er jetzt sagen? „Nicht heute...“, er befreite sich auf ihrem Griff. „...bitte...ich bin müde...“, er zog sich, bis auf das weiße T-Shirt und Shorts aus und legte sich ins Bett. Sichtlich enttäuscht stieg seine Frau zu ihm. „Was ist los mit dir? Freust du dich gar nicht, dass wir wieder zusammen sind?“ „Denk' doch sowas nicht... Ich bin...einfach nur...müde.“, versuchte er sein ablehnendes Verhalten zu erklären. Zum Anfang musste das genügen. Er hatte seine Gründe dafür. Der einzige Ausschlag gebende Punkt war eigentlich nur seine frische Operationsnarbe, die seiner Meinung viel zu groß war und ihn entstellte. Solang er die nicht an sich akzeptierte, konnte er sich Hilary auch nicht offenbaren. Hilary legte sich dicht zu ihm. Ganz ungewohnt war der Stoff zwischen ihr und seinem Körper, aber sie konnte sich denken warum er es trug. Kai schaltete das Licht aus und es vergingen einige Minuten in denen beide still nebeneinander lagen ehe es sich auf Kai's Seite bewegte. „Ich hab' dich vermisst.“, wisperte er ganz nah an ihrem Gesicht. Ein vorsichtiger Kuss legte sich auf ihre Stirn, dann drehte er sich um. Und der braunhaarigen zauberte er durch diese kleine Geste ein Lächeln auf ihr Gesicht bevor sie auch einschlief. In den nächsten Tagen konnte Kai sich der Japanerin wieder mehr annähern, auch die Zärtlichkeiten zwischen ihnen wurden wieder intensiver und leidenschaftlicher. Die brünette machte sich also vollkommen zu Unrecht Sorgen um das Verhalten ihres Mannes. Auch Weihnachten rückte immer näher heran und der Halbrusse musste sich langsam etwas einfallen lassen, was er seine Frau schenken sollte. Am Vormittag saß er vor dem Laptop und durchstöberte diverse Verkaufsportale, um sich inspirieren zu lassen. All die Sachen dort waren eher materiell und kosteten viel Geld. Alles Dinge, die er nicht seiner Frau schenken wollte. Er seufzte laut auf während er genervt durch seine Haare fuhr. „Na? Kaufst du Weihnachtsgeschenke?“, grinste Max, der sich bis Anfang Dezember bei seinen Freunden mit einnistete. Keiner hatte mit dem blonden ein Problem, eher waren sie froh, dass Max da war. „Wenn das so leicht wäre...“ „Schenk ihr doch eins von diesen teuren Armbändchen, die gerade in Mode sind.“, schlug Max sicher vor. Kai schüttelte den Kopf. „Nicht sowas...“ „Hm...Dann schenk ihr ne Nacht mit dir!“, feixte der Amerikaner nun. „Braucht sie nicht...hat sie schon 365 Tage im Jahr. Ich werd' noch wahnsinnig... Es wird doch möglich sein ein Geschenk für Hilary zu finden!“, murmelte er unzufrieden vor sich her. „Tja, sie ist eben nicht wie die anderen...“ „Das weiß ich selbst! Hat sie irgendwelche Andeutungen dir gegenüber gemacht?“ „Bei mir? Nein...sonst hätte ich es dir schon gesagt.“ „Stimmt auch wieder...“ „Hey ihr zwei! Wir sind wieder da. Ihr glaubt gar nicht was das gerade für ein Wetter ist! ...hm? Was macht ihr da?“, Hilary wollte nur mal auf das Display schauen, als es von ihrem Mann zugeklappt wurde. „Die Arbeit.“ „Na toll.. Und du lässt ihn einfach machen, Max...“, man konnte Hilary ihren Unmut anhören. „Er hat gar nicht viel gemacht. Echt jetzt! Was hast u eigentlich schönes eingekauft?“, lenkte er die Aufmerksamkeit auf ihre prall gefüllten Einkaufstüten. „Ich? Ach, ich hab ein paar Geschenke für Emilia gekauft.“ „Zeig mal!“ „Was? Nein! Max!!“ „Ist da etwa auch was für mich bei?“, fing er schelmisch an zu grinsen. „Nein.“, nahm sie ihrem Freund den Spaß, der nun geknickt an der Couch hing. Sie begrüßte Kai mit einem liebevollen Kuss. „Es schneit riesige Flocken...“ „Das wird mindestens ein Meter.“, fügte Kai hinzu. Er spähte aus dem Fenster. Der graue Himmel hing über Moskau fest. Das dauerte sicher noch bis der Schneefall abflaute. Hilary hatte sich heute vorgenommen eines ihrer neuen Rezepte auszuprobieren, die sie mal in irgendeiner Zeitung gelesen hatte. Max orderte sie gleich mit in die Küche. Es gab einiges zu schneiden und einen Plausch konnte sie auch gebrauchen. Max schnitt die Zutaten und versuchte vergebens zu erfahren, was in der einen Einkaufstüte war, die seine Freundin nicht auspackte. Da fiel ihm das Problem seines Freundes wieder ein. „Sag mal Hil...schenkt ihr euch eigentlich was zu Weihnachten?“ Sie überlegte kurz. „Ich weiß nicht...Vielleicht will er gar nichts...ich weiß gar nicht was er mag... Außer Arbeit fällt mir nichts ein.“, lächelte sie schwach. Die brünette hatte sich den Kopf auch schon darüber zerbrochen, was ihrem Mann wohl gefallen könnte. „Hast du vielleicht eine Idee? Ihr seid beste Freunde und wer wüsste besser Bescheid als du?“ Max rieb sich angestrengt die Stirn. Jetzt saß er in der Zwickmühle. Er musste nicht mehr nur für Kai herausfinden was Hilary gerne mochte, sondern nun auch andersherum. „Nun ja...“, begann der Amerikaner vorsichtig. „...Kai ist da sehr speziell...“ „Wie meinst du das?“ „Er gibt nicht viel auf Weihnachten und andere Festtage. Da würde er am liebsten Arbeiten.“, lachte Max los. „Schenk ihm lieber nichts, wenn du nicht weißt was er mag.“ „Hm...vielleicht hast du recht...“, Hilary schüttete eine Schale der geschnittenen Zutaten mit in den Topf. Im Haus duftete es langsam nach dem Essen, dass in der Küche vor sich her brodelte. Auch Kai's Neugier lockte ihn in die Küche. Zuvor wurde er von Max angehalten hereinzukommen, doch mittlerweile roch es ganz angenehm. An der Tür stand er gelehnt und schaute der kochenden beim Rühren zu. „Wie lang braucht ihr noch?“ „Es ist gleich fertig, willst du mal probieren?“ „Nein, die paar Minuten warte ich noch.“, er stieß sich vom Türrahmen ab und holte aus dem Hängeschrank Teller. Max schnappte sich passendes Besteck und folgte seinem Kumpel. Kai nutzte die Möglichkeit sich bei ihm auf den aktuellen Stand zu bringen. „Und?“ „Nichts und...sie will einfach nicht sagen was in der Tüte ist...“, der blonde erntete dafür eine hochgezogene Augenbraue seines Freundes. „Max...“ „Hil hat nichts erwähnt.“ „Na toll. Wie soll ich ihr da was schenken?!“, zischte er den Amerikaner forsch an, wovon Hilary nichts mitbekam. „Weiß ich doch nicht. Habt ihr mal geredet, ob ihr euch überhaupt was schenkt? Wenn du ein Geschenk hast und sie nicht, dann ist sie sicher geknickt.“ „Ich. Hasse. Dich.“ „Und wenn sie was für dich hat und du nicht für sie, stehst du doof da!“ „Ja...“ „Sprich das Thema einfach mal an.“ „Vielleicht.“, da wollte er Max nicht die Bestätigung geben, die er haben wollte. Ob er seine Frau trotzdem danach fragen würde, behielt er für sich. Dann kam schon Hilary mit dem Essen herein. „Essen ist fertig! Puh, schwer!“ Max wagte einen Blick in den Topf. „Und du meinst wirklich, dass das schmecken soll?“ „Ja! Das hab ich dir vorhin schon erklärt!“, motzte sie den blonden an, der weiter herum mäkelte. „Probier' doch erstmal!“, fauchte sie weiter. „Beruhig dich Hil. Was auf den Tisch kommt, wird auch gegessen.“ „Aaaaaaber Kaaaaaai?!“, volle Verzweiflung konnte er bei Max heraushören, doch das half nichts. Hilary wünschte einen guten Appetit. Vorsichtig kostete sie ihr neues Gericht. Und auch Kai aß ohne Widerworte davon. Nur Max popelte mit seinem Löffel alle Kleinteile sorgfältig heraus, die er nicht mochte. „Es schmeckt gar nicht so schlecht.“, stellte die Japanerin zufrieden fest. „Vielleicht noch ein bisschen nachwürzen und fertig.“, sie streute Salz und Pfeffer dazu und aß weiter. Kai genügte es auch ohne nachwürzen. Und Max überwand sich schließlich doch von dem Eintopf zu kosten, aber er konnte sich nichts abringen, das Essen schmeckte ihm einfach nicht. „Sorry Hil, aber das schmeckt mir echt nicht...sorry...“ „Bleibt eben mehr für uns!“, grinste sie und füllte sich noch auf. Etwas später am Abend: Die Drei saßen gemütlich bei einem Gläschen Wein in der Stube und sahen fern, als Max unruhig auf dem Sessel herumrutschte. „Oh man...ich glaub das Essen rumort noch im Bauch herum...“ „Du hast doch kaum was davon gegessen.“, stellte Kai ausdruckslos fest. Hilary konnte sich auch nicht erklären, was er meinte. Sie musste schon zugeben, dass das Essen ihr schwer im Magen lag, aber sonst ging es ihr gut. „Ich mach dir einen Tee. Warte.“ „Hast du denn keine Probleme, Kai?“, wand er sich Bauch kneifend an seinen Freund. Der vermeinte mit einem Kopfschütteln und folgte dem Film weiter. „So, hier. Kamille soll den Magen beruhigen.“ „Wieso machst du gleich zwei?“ „Weil ich auch einen mit trinke. Vielleicht verträgt sich der Wein nicht mit dem Abendessen.“ „So ein Blödsinn.“, fuhr Kai dazwischen und leerte sein Glas Rotwein. „Wir werden ja morgen sehen, ob es dir besser geht oder uns.“, jammerte Max und trank langsam seinen Tee. Hilary kuschelte sich wieder an ihren Mann, der den Arm um sie legte. Nicht einmal eine viertel Stunde später war Hilary diejenige die unruhig wurde. Sie setzte sich auf und atmete tief durch. Die verwunderten Blicke der Männern ignorierte sie. „Was ist los?“, fragte Kai schließlich bei ihr nach. Sie sah blass aus. „Irgendwie ist mir nicht gut...“ „Das Essen?“, scherzte Max, dem es wieder blendend ging. Doch zum Antworten kam die junge Frau nicht mehr. Sie stürzte aus dem Wohnzimmer ins Bad. Dort musste sie sich übergeben. „Ohje...hoffentlich war das Essen nicht schlecht...“, bangte Max nun. Kapitel 71: Good News?! ----------------------- Kapitel 71 Kai sah nach seiner Frau die im Badezimmer vor der Toilette hing. „Alles ok? Du warst ziemlich blass.“ Hilary wischte sich das Gesicht sauber und rutschte auf den Wannenrand. „Mir geht’s echt scheiße...“ „Das sieht man dir an. Du solltest dich hinlegen.“ „Ja...Kannst du mir einen Tee machen?“ „Hm..“, doch vorher brachte er Hilary nach oben, wo sie sich umgehend hinlegte. Es ging ihr auch schon etwas besser nachdem alles draußen war. Ein paar Minuten später brachte ihr Kai den gewünschten Tee. Unten im Wohnzimmer rätselte Max woran es bei seiner Freundin gelegen haben könnte. Da es dem blau-haarigen gut ging, konnte er das Essen eigentlich ausschließen, es sei denn Kai bekäme auch Magenprobleme. „Wie geht’s ihr?“ „Scheiße.“ „Ohje...“ „Habt ihr irgendwas gegessen was nicht mehr gut war?“ „Nein, keine Ahnung. Wir haben in der Küche beim Kochen von den frischen Sachen genascht...Wenn da etwas nicht gut gewesen wäre, hätten wir es gemerkt.“ „Hm. Sie meinte es geht ihr auch schon wieder besser... Wer weiß...“ „Oh man, die Arme...“ „Ich werd' mich auch hinlegen. Bis morgen.“ „Ja und steck' dich nicht an!“ Die Nacht blieb ruhig. Hilary schlief erschöpft bis zum nächsten Morgen durch und wachte müde auf. Sie setzte sich auf und fühlte ihre Stirn. „Fieber hab' ich nicht...“, sie fühlte sich noch nicht besser. Kai lag auch nicht mehr neben ihr, er musste schon wach sein. Aus dem Bad hörte die Japanerin Wasser rauschen. „Kai?“ Einen Moment lang wurde es still, dann klackte das Schloss. „Guten Morgen. Wie geht es dir heute?“, er umarmte sie leicht und wollte ihr einen Kuss geben, als Hilary aber sein After Shave in die Nase stieg löste das die Befürchtete Reaktion im Bauch aus. Die Hand vor dem Mund drückte sie ihren Mann von sich und stürmte zur Toilette. Sie hatte gehofft, dass flaue Gefühl würde nachlassen, doch das war weit gefehlt. „Immer noch nicht besser?“ Ein Kopfschütteln reichte ihm als Antwort. „Ich rufe Gregor an, er soll dich untersuchen.“, sagte der Russe beim Verlassen des Badezimmers. „Ist sicher nur eine Magenverstimmung...“, langsam trottete die brünette hinter ihm her. Erschöpft ließ sie sich gleich auf der Couch nieder. „Geht's dir noch nicht besser, Hil?“ „Nein, ihr geht’s genauso scheiße wie gestern Abend.“, antwortete Kai für seine kranke Frau. „Gregor kommt nachher vorbei.“ „Er soll sich keine Umstände machen...wenn es der Magen ist, dann geht’s mir morgen wieder besser... Außerdem hat er selbst genug zu tun...“ „Wie du meinst.“, also schrieb der Russe dem Arzt noch eine Nachricht und sagte ihm wieder ab. Gregor war zwar kein Allgemeinmediziner doch war sein Arztwissen unheimlich groß. Irgendwie wusste er aus allen Fachbereichen Bescheid, egal worum es ging. Max kümmerte sich derweil um Emilia, die rannte querbeet durch das Haus und wollte spielen. Bei ihrer Mutter hielt sie. „Mama?“ „Mami ist krank Mausi...“, sagte ihre Mutter schwach und schloss die Augen wieder. „Komm wir gehen oben was spielen Emilia!“, animierte sie Max und Kai dankte es ihm. Gegen späten Nachmittag ging es Hilary wieder besser. Ihr flaues Gefühl im Bauch blieb, doch übergeben musste sie sich nicht nochmal. Und Gregor wollte es sich nicht nehmen lassen bei der jungen Frau vorbei zu schauen. „Hey, du krankes Huhn. Warum bist du nicht im Bett?“, tadelte der Arzt sie umgehend. „Es geht mir wieder besser Gregor.“, lächelte sie. Der kurzhaarige setzte sich bewaffnet mit seinem Arztkoffer auf die Couch. „So gut siehst du aber nicht aus. Ich werd' dich mal untersuchen. Hast du was falsches gegessen?“ „Keine Ahnung... ich hab die ganze Zeit ein flaues Gefühl im Magen...“ „Hast du genug getrunken?“ „Ja...“ „Gegessen auch?“ „Nein...nichts...“ Ein Seufzen. „Solang du ausreichend trinkst wird ein Tag ohne Essen nicht schaden. Wenn dir wieder nach essen ist, fang mit leichten Sachen an.“ „Ja, das weiß ich, Gregor...“ „Ich würde noch gerne deinen Bauch abtasten, nur um auszuschließen, dass es der Blinddarm sein könnte.“, Hilary nickte und legte sich auf der Couch flach hin worauf Gregor sie abtastete. „Hmm...nichts ungewöhnliches...hast du Schmerzen?“ „Nein.“ „Gut, dann beobachte deinen Zustand. Wenn es weiter anhält stellst du dich bitte bei meinem Kollegen vor. Ich werde ihn von deinem Zustand berichten. „Ist schon ok Gregor...es geht mir ja besser.“ „Unterschätz' es trotzdem nicht.“ „Danke, dass du dir die Zeit genommen hast.“ „Für dich immer! Gute Besserung!“ In den nächsten Tagen ging es Hilary wieder deutlich besser nur vereinzelt fühlte sie sich ausgelaugt und schlapp. Zum Arzt entschied sie, bräuchte sie nicht mehr. Es war doch alles wieder gut. Bis eine Woche später wieder alles von vorne losging. Gerade stand sie beim Abwasch, als es sie überkam. Kai und Max waren noch auf der Arbeit und so war sie auf sich allein gestellt. Da Emilia noch Mittagsschlaf machte legte sie sich auch gleich noch eine Stunde hin. Am Nachmittag war alles wie weggeblasen. Hilary fühlte sich gesund und munter, als die Männer von der Arbeit kamen. „Geht's dir wieder nicht gut?“ „Hm?“, Kai deutete auf den Couchtisch auf dem eine Tasse Tee stand und das Fieberthermometer lag. „Heute Mittag war mir nicht gut...aber jetzt ist alles wieder ok!“ „Hast du dich übergeben?“ Ein zartes Nicken bejahte seine Frage. Ihm war die Sache nicht mehr geheuer. Was hatte sie nun wieder? „Ist wohl doch noch nicht richtig auskuriert.“, meinte die brünette. Es war ihr verdammt unangenehm das zuzugeben. Aber so langsam fragte sie sich auch was los war mit ihr. Normalerweise hatte sie keine Probleme mit dem Magen. „Gregor sagte letzte Woche, dass ich es beobachten soll. Vielleicht ist es doch der Blinddarm.“ Die beiden Männer schauten sich ratlos an. Wenn Gregor mit der Sache entspannt umging, konnte es nichts schlimmes sein, dachten die beiden. „Okay, wie du meinst, aber sollte das nochmal vorkommen, schleife ich dich höchstpersönlich zu Gregor zum untersuchen.“ „Ja...“ In den weiteren Tagen konnte die junge Frau nicht von Besserung sprechen. Mindestens einmal am Tag musste sie sich übergeben und das in den unmöglichsten Situationen. Zum Glück waren Kai und Max in diesen Zeiten immer im Zentrum. Aber was sollte sie jetzt machen? War sie krank? Hilary versuchte krampfhaft eine Lösung dafür zu finden, als ihr noch ein anderer Gedanke kam. Wann war ihre letzte Periode? Aber sie spürte doch keine Anzeichen wie damals. In einer ruhigen Minute rechnete sie zurück. Am Kalender stehend suchte sie mit dem Finger nach dem Tag an dem Kai ins Krankenhaus kam. Das war mittlerweile schon über vier Wochen her. Sie hatte ihre Tage in der Zeit wo er im Krankenhaus war, da war sie sich sicher, aber genau sagen konnte Hilary das nicht mehr. Sie hatte so viel Stress alles zu managen und sich damit zu arrangieren, dass Kai vielleicht sterben könnte. Sie atmete tief durch. „Bleib ruhig Hil...Das kann nicht sein...“ Im Kopf überschlug sie wann die Zeit für die nächste Periode eintreten könnte. „In den nächsten zwei Wochen...“, flüsterte sie sicher zu sich selbst. Solang wollte sie noch warten. Wenn bis dahin nichts kam, hatte sie ein Problem. Und zwar ein ziemlich großes. Sie wusste gar nicht ob Kai noch weitere Kinder wollte und wenn nicht, was sollte dann passieren? Würde er sie verlassen? Dann stände sie wieder alleine da – mit zwei Kindern. Hilary wurde sichtlich unruhig und musste sich setzen. „Okay...beruhig dich. Beruhig. Dich. Hil...“, sicher machte sie sich zu viele Gedanken, so wie es immer war. Doch ein Gedanke blieb: Was, wenn doch? Am Abend nahm sie ihren ganzen Mut zusammen. Als mit ihrem Mann gemeinsam im Schlafzimmer saß und er sich die Kleidung für den nächsten Tag herauslegte, fragte sie ihn leise. „Sag mal...“ „Hm?“, kam aus der anderen Ecke. „...willst du ...eigentlich...noch mehr...Kinder?“ „Wie kommst du denn auf diesen Schwachsinn?“ Sichtlich verunsichert nahm sie ein Kissen vor den Bauch und umklammerte es. „Ach...nur so...“ „Willst du etwa noch Kinder?“, seine Frage hörte sich so vorwurfsvoll an, dass Hilary ein schlechtes Gewissen hatte, als sie ihm antwortete. „Naja...eigentlich wollte ich schon noch Kinder...“, dann versuchte die Japanerin ihrem Mann gerecht zu werden. „...also wenn du auch noch welche willst...“ „Derzeit will ich kein weiteres Kind. Geschweige denn Kinder. Ich will eine sichere Zukunft für uns aufbauen. Da kann ich jetzt nicht an noch mehr Kinder denken. Ich...will auf den richtigen Zeitpunkt warten.“ Das war eindeutig. Ein harter Schlag mitten ins Gesicht der jungen Frau. Was sollte sie ihm sagen, wenn sie doch schwanger war? „Hm...“ „Wie kommst du darauf?“, fragte der Russe und setzte sich zu seiner Frau auf das Bett. Hilary rutschte auf ihre Seite. „Ach, nur so...“ „Hm. Willst du eigentlich was zu Weihnachten?“, fragte er leer in den Raum ohne auf das vorherige Thema weiter einzugehen. Ihm war die Situation unangenehm. Warum konnte er sich nicht erklären. Mit Kate hatte er nie so ein Problem. Wenn sie etwas haben wollte, sagte sie es ihm sofort. Aber Hilary? Sie schwieg lieber. „Weihnachten? Ich brauche nichts...ich bin froh, wenn du bei mir bist...und...bei mir bleibst, egal was kommt...“ „Also willst du nichts?“ „Nein... Du?“ „Ich geb nicht viel auf Weihnachten oder Geschenke.“ „Also schenken wir uns nichts?“ „Ja.“ Beide waren erleichtert, dass der andere keine Wünsche äußerte. Das machte die Situation aber nicht einfacher, denn Hilary wollte ihm gerne ein Geschenk geben, gerade weil es ihr erstes gemeinsames Weihnachten war. Nicht als Freunde, sondern als Familie. Weiter zwei Wochen vergingen und Hilary's gesetzte Frist verstrich. Zu Beginn der Woche verspürte die braunhaarige ein Ziehen im Unterleib und ihr war den ganzen Tag nicht gut, ständig war ihr schwindelig. Sie hoffte so sehr, dass es endlich soweit war, doch...das einzige was geschah war, dass die junge Frau einfach so umkippte. Sie stand vom Sofa aus um Kai zu begrüßen und fiel dann einfach um. Der Russe bekam den Schock seines Lebens. Aufgeregt stürmte er zu ihr, drehte sie um, versuchte sie wach zu bekommen. „Hil=! Verdammt, Hil, wach auf! Scheiße!!“, er zog sein Handy aus der Tasche und rief Gregor an. „Verdammt! Du musst herkommen! Hilary ist zusammengebrochen!“, schrie er fast ins Telefon und legte wieder auf. Im selben Moment kam Hilary wieder zu sich. „...mh? Was...? Kai?“, lächelte sie ihm entgegen. Kai fiel ein Stein vom Herzen. Er drückte seine Frau fest an sich. „Was machst du für Sachen??“ „...was denn?“ „Du bist einfach umgekippt!“ „Tut mir leid...“, zärtlich fuhr ihre Hand über sein Gesicht. „Komm hoch.“, vorsichtig hob er Hilary hoch und die brünette legte sich auf die Couch. „Gregor wird gleich hier sein.“ „Was? Nein! Warum?“ „Du bist ohne Grund zusammengebrochen?!“ Hilary schwieg. Kurz darauf klingelte es an der Tür. Gregor war wohl in der Nähe, dass er so schnell bei ihnen war. Kai öffnete ihm und besagter Arzt kam eilig herein. „Ist sie wieder bei Bewusstsein?“ „Ja.“ Hilary hörte die beiden Stimmen näherkommen. „Hilary! Was machst du für Sachen?“ „Tut mir leid...ich hab wohl zu wenig getrunken.“, sofort fing er an die brünette zu untersuchen, Blutdruck, Pupillen und alles was dazu gehörte. „Hast du Beschwerden?“ „Mir ist den ganzen Tag schon etwas schwindelig...“ „Musst du dich immer noch übergeben?“, fragte er routinemäßig weiter. Hilary war die Fragerei unangenehm. „Hilary?“ „..ja...“ Gregor atmete tief durch. „Kai könntest du uns wohl einen Moment allein lassen?“ „Hm. Wenn es sein muss.“, er ging nach oben zum Umziehen. Nun sah der Arzt seine Patientin eindringlicher an. „Hilary...seit wann hast du diese Beschwerden?“ „Nicht so lange...“ „Hilary...“, er seufzte hörbar verzweifelt, „...Sei bitte ehrlich... Nicht zu mir, sondern zu dir... Dein Zustand ist nicht auf irgendeine Krankheit zurückzuführen... Und das weißt du, denke ich, auch.“ Beschämt sah die junge Frau herab. „Du kippst um, du übergibst dich über mehrere Wochen ohne Grund und dir ist ständig schwindelig.“ „Das kann aber nicht sein...“, ihr rollten erste Tränen über die Wangen. Der ältere legte das Stethoskop vom Hals ab und schloss die Augen. „Du musst es ihm sagen und dich von einem Facharzt untersuchen lassen.“, sagte er fast sanft. „Seit wann hast du das?“ „Ein paar Wochen vielleicht. Wir haben aber-“ „Es spielt doch keine Rolle wie. Und es brauch dir bei Weitem auch nicht peinlich zu sein.“ „Ach, ich weiß es nicht...“, verzweifelt und überfordert mit der Situation wischte sie die Tränen mit ihrem Ärmel ab. „Dann musst du es ihm sagen. Baldigst.“ „Ich..will aber erst...Sicherheit...“ „Das überlasse ich dir. Aber du musst es ihm sagen!“ „Ja...“ „Tja...“, er sah Kai die Treppe herunterkommen. „...da kann ich leider nichts weiter tun. Du musst viel mehr trinken und dich ordentlich auskurieren.“, zwinkerte er seiner Patientin zu, die nicht sehen konnte, dass ihr Mann zurück kam. Hilary spielte mit, obwohl sie sah, dass Gregor das nur tat, um sie in keine brenzlige Lage zu bringen. „Und? Was ist jetzt mit ihr?“ „Alles in Ordnung soweit. Sie hat einfach zu wenig getrunken. Und...das mit dem Magen wird sich in den nächsten Wochen wieder bessern. Versprochen. Pass also gut auf sie auf!“ „Aber was hat sie denn jetzt?!“, fragte der Russe mit mehr Nachdruck, während der Arzt seine Sachen zurück in den Koffer legte. Er klopfte dem blau-haarigen auf die Schulter. „Sie hat nichts, was nicht geheilt werden kann...“, sagte er grinsend und verabschiedete sich von dem Ehepaar. Kai blieb ahnungslos zurück. Kapitel 72: Nikolaus -------------------- Kapitel 72 ~~~„Sie hat nichts, was nicht geheilt werden kann...“, sagte er grinsend und verabschiedete sich von dem Ehepaar. Kai blieb ahnungslos zurück.~~~ Hilary versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber dass sie weinte konnte auch ihr Mann nicht übersehen. „Ist es so schlimm?“ „Nein...es belastet mich nur...“ „Hm.“ Kai versuchte darauf Hilary so viel wie möglich zu entlasten. Er ging Emilia spazieren und brachte sie am Abend ins Bett. Die brünette verschwand an diesem Abend auch sehr früh im Bett, sie wollte nicht in einem Gespräch mit dem blau-haarigen gestehen müssen, dass sie nicht wusste ob sie schwanger war. Seine Antwort darauf kannte sie ja schon. Am nächsten Morgen war Kai schon früh aus dem Haus und somit konnte Hilary ihrem Termin nachgehen. Gerade war die junge Japanerin auf dem Weg zum Krankenhaus, um sich dort von einem Facharzt untersuchen zu lassen. Mit einem mulmigen Gefühl betrat sie die kleine Praxis und trat an die Rezeption. „Guten Morgen, ich würde gerne zum Doktor...“, die brünette hielt ihre Chipkarte bereit. „Haben Sie Beschwerden?“, fragte die freundliche Sprechstundenhilfe. „...ähm...ich glaube...dass ich schwanger bin...“, druckste die braunhaarige herum. Doch die Schwester lächelte sie sanft an und bat Hilary im Wartebereich einen Moment Platz zu nehmen. Ein paar Minuten später kam die freundliche junge Sprechstundenhilfe nochmal auf sie zu. „Frau Tachibana? Ich müsste bei Ihnen mal den Blutdruck messen.“ „Ja.“, stumm folgte Hilary der Frau ins Nebenzimmer. „Seit wann haben Sie die Vermutung, dass sie schwanger sein könnten?“ „Seit zwei Wochen...ich muss mich übergeben, mir ist ständig schwindelig und...meine Periode kam auch nicht...“ „In Ordnung.“, sie notierte alles auf der Karteikarte. „Ihr Blutdruck ist etwas hoch. Sind Sie aufgeregt?“ „Ja...“ „Das wird schon. Der Doktor wird sich gut um Sie kümmern.“ Kurz darauf war Hilary auch schon an der Reihe. Sie schob Emilia's Wagen in den Behandlungsraum und grüßte den Arzt freundlich. „Guten Tag, Frau Tachibana. Was führt Sie zu uns?“, erkundigte auch er sich bei der Japanerin. „Ich bin schwanger...“, beim zweiten Mal ging ihr der Satz schon leichter über die Lippen als noch zuvor an der Rezeption. „Sehr schön. Herzlichen Glückwunsch. Dann wollen Sie sicher wissen wie es Ihrem Baby geht, was?“ „Äh...ja...“ „Dann kommen Sie mal mit. Und du, Kleine? Wirst wohl eine große Schwester werden?“, Emilia grinste darauf schelmisch den Arzt an. Er wand sich wieder an die Mutter. „Machen Sie sich bitte frei zum Ultraschall.“, er begann die Untersuchung und schon kurz nach Beginn stockte der braunhaarigen der Atem. Sie erkannte das Bild auf dem Monitor sofort. „Ist das...etwa-?“, sie zögerte es auszusprechen und erste Tränen bahnten sich den Weg. „Ja, da haben wir Ihr kleines Baby!“, Hilary ließ nun den Tränen freien Lauf. Es waren aber keine, die sie aus Traurigkeit weinte, sondern sie hatte wieder dieses unbeschreiblich schöne Gefühl. Das erste Bild von ihrem ungeborenen zu sehen, zu sehen, dass es ihm gut ging. „Geht es ihm gut??“ „Wir hören mal...“, der Arzt tippte auf seiner Tastatur und rollte mit dem Rädchen umher. Aus dem Lautsprecher drangen pochende Geräusche. „Putzmunter! Das hört sich sehr gut an. Wir gucken mal noch wie groß der Embryo ist und in welcher Woche Sie sich ungefähr befinden.“, wieder tippte der Mann in Weiß auf dem Gerät herum, maß das kleine Würmchen, das aussah wie ein Gummibär, vom Scheitel bis zur Sohle. „Von der Größe her lieht Ihr Baby total im Normbereich. Es ist alles in Ordnung!“ „Und, wie weit glauben Sie bin ich?!“ „Sie können die doch eingrenzen, oder etwa nicht?“ „Schwer zu sagen...ich hatte viel psychischen Stress...“ „Oh...also laut Größe des Kindes dürften sie in der 9. Woche sein. Ganz genau kann man das aber nie genau sagen.“, scherzte er herum. „Okay, dann sind wir damit durch. Ich würde Sie noch zur Schwester draußen schicken, die soll Ihnen noch Blut abnehmen.“, Hilary nickte. Ihr waren diese Abläufe ja noch bekannt. Nachdem sie nun schwarz auf weiß zu stehen hatte, dass sie ein Kind in sich trug, musste sie Kai davon erzählen. Ob sie wollte oder nicht. Ob er sich freuen würde? Hilary schlenderte durch die Einkaufspassagen. Alles glitzerte und glänzte weihnachtlich. Die Geschäfte waren voller Weihnachtsdekoration. An einem der Kramläden blieb sie kurz stehen. Ihr fiel ein kleiner roter Nikolausstiefel auf, der aus Filz genäht war. Ihr kam eine Idee, wie sie es Kai schonend beibringen könnte... Die nächste Tag kündigte sich schleichend an, denn es war ein besonderer Tag – Nikolaus. Emilia staunte nicht schlecht, als sie in ihrem Stiefel einen großen Schokoladennikolaus und Mandarinen fand. Stolz schüttete sie gleich alle Sachen aus dem Schuh auf den Boden. Der Nikolaus musste als erstes daran glauben. Dem biss die kleine einfach den Kopf ab. Für ein kleines Kind schon ziemlich brutal. Hilary grinste zufrieden. Die kleine Welt ihrer Tochter war so einfach glücklich zu machen, anders als bei den Erwachsenen. Mit einer Mandarine tappste sie zu ihrer Mutter. „Äsden!“ Die Japanerin schmunzelte. „Komm mit, ich schäl' sie dir ab!“, die Gedanken an ihren Auftritt am Abend verdrängte sie noch erfolgreich. Ob sie das wirklich durchziehen würde...? Den Tag über ging es ihr sehr gut und auch Emilia war geschafft von diesem spannenden Tag. Abends saß sie auf der Couch und wartete gespannt auf ihren Mann, der gerade zur Tür herein kam. „Hey.“ „...hey.“ „Wie war dein Tag?“ „Gut und deiner?“ „Nervig...irgendjemand hat sich den Scherz erlaubt allen Kindern und Mitarbeiter ein Nikolausgeschenk zu hinterlassen...“ „Aber das ist doch toll. Die Kinder haben sich bestimmt gefreut.“ „Klar...nur war das gegen meine Anweisung.“ „Hm...“, Hilary senkte ihren Blick. Sie schaute auf ihre Beine und rang mit sich. „Hm?“, wiederholte Kai ihren gedämpften Laut. „Ähm...der Nikolaus hat dir hier auch ein Geschenk gebracht...“, sie zückte den kleinen roten Nikolausstiefel hinter ihrem Rücken hervor. Kai zog die Augenbrauen skeptisch hoch. „Wir wollten uns nichts schenken?“, sagte er und nahm das Stück roten Filz. „Was ist das drin?“ „Sieh nach...aber-“ „Aber?“, er tastete den Stiefel ab und öffnete ihn langsam. „Sei mir nicht böse!“ Der Halbrusse griff verwundert nach dem Stück Papier, dass er darin fand und zog es ein Stück heraus. „Was ist...Das?“, ohne einen lesbaren Ausdruck zog er das Bild ganz heraus und betrachtete es. Ein schwarz-weiß Bild. Kai erkannte darauf nichts. „Was ist das?“, fragte er nochmal, denn er hatte auch eine vage Vorahnung, so wie seine Frau sich verhielt. „Es tut mir leid!“ Kai's Atem wurde schneller. Seine Mund leicht geöffnete, vielleicht wollte er etwas sagen, doch er schloss ihn wieder. „Ist das... Ist das etwa, dass was ich denke?“ „Ja...das ist ein Ultraschallbild...“ „Das ist nicht dein ernst, Hilary. Wir haben doch erst darüber gesprochen und jetzt kommst du damit?! Was soll das? Du weiß, was ich gesagt habe und meine Meinung ändere ich nicht!“, sagte er bestimmt und legte den Stiefel samt Foto auf den Tisch vor sich. „Ich wusste es doch selber nicht!“ „Deswegen ging es dir auch so schlecht...“, schlussfolgerte er daraus. „Ich wusste nicht, dass-“, verteidigte sie sich und schwieg wieder. „Hilary, wir hatten keinen ungeschützten Sex. Das kann nicht sein!“ „...ich bin in der 10. Woche...“ „Du musst es abtreiben.“, platzte es knallhart aus dem Russen heraus. „Was? Aber-“ „Nein!“, rief der blau-haarige lauter und zog sich den Mantel erneut an. „Wo gehst du hin??“ „Raus!!“ Dann knallte auch schon die Haustür. Die brünette war am Boden zerstört. Sie weinte bitterlich. Das konnte er doch nicht verlangen! Sie wollte das Kind nicht abtreiben. Ihr liefen die heißen Tränen über die Haut, jede brannte so unendlich... So schmerzlich... Nicht unweit von der jungen Frau stand Kai draußen vor dem Haus. Er ging nicht weg, sondern saß auf der Treppe und schaute den still schweigenden Schneeflocken zu, wie sie den Boden bedeckten. Sein Kopf war voll, aber kein klarer Gedanke wollte sich auftun. Was sollte er machen? Eine knappe Stunde später klingelte es bei Gregor an der Tür. „Wer will denn jetzt noch was?“, fragte er sich verwundert und ließ von seinem Vorhaben das Abendessen für sich zu kochen ab. Leicht bekleidet machte er auf. „Oh. Kai. Was führt sich denn zu mir?“ „Hast du Zeit?“ „Ja, komm rein, ich wollte mir gerade eine Kleinigkeit kochen.“ Die beiden Männer gingen in die Küche. Der blau-haarige setzte sich auf einen der Stühle und stützte die Ellenbogen auf den Tisch. „Was gibt’s denn?“, wand er sich an seinen Besuch und schnitt das Fleisch weiter in kleine Stücke. „Hilary ist schwanger.“, sagte Kai nachdenklich. Der ältere hingegen spielte den Unwissenden. „Oh, das ist ja fantastisch! Glückwunsch!“ „Nein!“, fuhr Kai dazwischen. „Hä? Man du wirst Vater! Das ist doch klasse!“ „Nein ist es nicht! Ich will jetzt kein Kind!“ „Wann denn dann?“ „Ich will auf den richtigen Zeitpunkte warten!“, schimpfte er ungehalten. Gregor drehte sich wieder zum Herd und legte das Fleisch ins heiße Öl. Ruhig fragte er seinen jungen Freund: „Gibt es denn überhaupt den 'richtigen Zeitpunkt'?“, gedankenversunken rührte er in der Pfanne herum. Auch Kai schien nachzudenken. „Er ist auf jeden Fall nicht jetzt!“ „Aha.“ „Ich hab ihr gesagt, dass sie es wegmachen lassen soll.“ „Hör auf, dass hast du nicht!“ „Doch.“ „Warum? Du hast dir immer eine Familie gewünscht! Auch wenn d es nie jemandem erzählt hast! Und jetzt sowas? Und dann lässt du sie auch noch in der Situation allein!“ „Ich musste meinen Kopf frei kriegen...“ „Dann rede mit deiner Frau darüber!“ „Hab ich doch...“ „Du knallst ihr an den Kopf, dass sie das Kind abtreiben soll und gehst...Klasse Gespräch, Kai...“ „Außerdem haben wir noch nie über dieses Thema gesprochen...“ „Und anstatt dich dieser Herausforderung zu stellen, willst du es einfach weg haben. Mal im Ernst , Kai...Sie ist doch nicht allein daran Schuld, dass es jetzt so ist, wie es ist. Du hattest doch sicher auch deinen Spaß an der Sache.“, der Angesprochene lehnte sich zurück und verschränkte die Arme zur Verteidigung. „Schon...aber sie kann nicht einfach über meinen Kopf hinweg entscheiden!“ „Und du kannst ihr nicht die gesamte Schuld aufbürden!“ Der ältere traf damit voll ins Schwarze. Das konnte Kai nun wirklich nicht. Beiden waren so gesehen Mitschuld an ihrer Situation. Der jüngere erwiderte nichts mehr, stattdessen biss er sich auf seiner Unterlippe. Gregor füllte sein Abendessen in eine kleine Schale und setzte sich mit an den Tisch. „Willst du auch was?“ „...nein.“ „Auch gut.“, genussvoll begann Gregor sein knusprig gebratenes Fleisch zu verspeisen. „Hm. Du Kai, weißt du eigentlich wie eine Abtreibung abläuft? Ich mein, dass ist kein Zuckerschlecken für die Frauen und im schlimmsten Fall sind sie danach unfruchtbar.“, sprach er munter beim Essen weiter. Es störte den Arzt nicht sonderlich über diese Themen zu reden. Bei der Arbeit musste er das auch tun. Sein Gegenüber horchte aber auf. Im schlimmsten Fall würde er also gar keine Kinder mehr mit seiner Frau bekommen können? Was für ein absurder Gedanken, dachte er. Ruckartig stand er vom Tisch auf, zielgerichtet auf die Tür. Im Vorbeigehen schnaufte er nochmal tief aus. „Rede mit ihr...“, richtete der kurzhaarige seine Worte an Kai und aß in Ruhe weiter. Nun lag das Schicksal nicht mehr bei ihm, sondern bei dem jungen Paar. Sie mussten jetzt das Beste daraus machen. Oder auch nicht. Zurück an seinem Haus brannte nirgendwo mehr Licht, auch nicht im Schlafzimmer. Sonst wartete die braunhaarige auf ihn und legte sich dann mit ihm gemeinsam hin, doch heute nicht. Leise betrat er den Flur und zog sich Mantel und Schuhe aus. Die Kälte hatte seinen Kopf ordentlich durch gekühlt, sodass er sich beruhigte. Auch über die Worte von Gregor dachte er nach. Stillschweigend legte er sich neben Hilary. Sie lag mit dem Rücken zu ihm, zusammengekauert. Kapitel 73: Merry Christmas --------------------------- Kapitel 73 Die nächsten Tage verbrachte jeder in seiner eigenen Gefühls- und Gedankenwelt. Hilary besorgte sich einen Termin für ein Beratungsgespräch bei einem Arzt der Abtreibungen vornahm. Ohne das Wissen ihres Mannes. Sie bekam viel Infomaterial zum Lesen und die brünette musste zu einem psychologischen Gespräch. Am Nachmittag saß sie am Tisch und las gerade einer der Broschüren genauer durch als Kai dazu kam. „Hey.“, fuhr es kühl aus ihm heraus worauf Hilary gleiches erwiderte. „Ich hab für nächste Woche den Termin...“, fing sie vorsichtig an und wartete auf die Reaktion des blau-haarigen. „Aha.“, drang es an ihr Ohr. Vollkommen ohne Emotionen. „Warum so schnell?“, erkundigte er sich doch nachträglich. „...weil es nur bis zur zwölften Woche erlaubt ist...und...da ich schon in der elften Woche bin...ist nicht mehr so viel Zeit...“, Hilary starrte nur auf die Broschüre vor ihr als sie den Halbrussen darüber aufklärte. Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust. Die Aufregung ließ ihre Hormone verrückt spielen. Erste Tränen rollten wieder über das Gesicht der Japanerin. Diese versuchte sie schnell zu verbergen und lief aus der Küche. Kai unternahm dagegen nichts. Sie hatten auch nicht mehr darüber gesprochen. Das schwere Seufzen hallte durch den Raum. Einen Tag vor der geplanten Abtreibung, saß Kai mit seiner Tochter beim Abendessen. Er schmierte ihr ein Brot, dass sie sich wünschte – Frischkäse, Gurke, Wurst und dazu noch Ketschup. Die klein geschnittenen Stückchen steckte sie nacheinander in den kleinen Mund. Kai ging, wie in jeder freien Minute derzeit, seinen Gedanken nach. Entschied er sich wirklich für das Richtige? Hilary war jetzt schon tot unglücklich, wie sollte es ihr erst nach dem Eingriff gehen? Im Wohnzimmer hörte die braunhaarige die Schritte ihres Mannes und Emilia's Brabbeln. Für Emilia war jetzt Schlafenszeit. Vorsichtig drückte sie ihrer Tochter einen Kuss auf die Wange ehe Kai mit ihr nach oben verschwand. Als er nach knapp 30 Minuten wieder nach unten kam um für sich das Abendessen zuzubereiten, saß dort schon seine Frau am Küchentisch. „Hm?“ Vor ihr lagen zwei verschiedene dünne Stapel. Eines davon war ein kleines Buch, das andere irgendwelche Zettel zum aufklappen. Er trat näher heran. „Was soll das?“ „Kannst du dich bitte hinsetzen?“ Schweigend kam er ihrer Bitte nach. Er saß ihr gegenüber am anderen Tisches. Hilary schob ihm die zwei Stapel entgegen und stellte ihn vor die Wahl. „Ich möchte...dass du dich entscheidest...jetzt...“ Näher betrachtet erkannte der blau-haarige die Dokumente. Einer der Flyer über Abtreibungen, das andere ihr Mutterpass. Ungläubig starrte er von seiner Frau zu den Papieren. Schweigend wartete Hilary auf seine Entscheidung. Kai verharrte still in seiner abgeneigten Haltung. Er musste jetzt eine Entscheidung treffen, DIE Entscheidung. Entschied er sich falsch, wäre vielleicht alles zu Ende. Er schluckte hart. 'Gibt es denn überhaupt den richtigen Zeitpunkt?', Gregor's Frage hallte in seinem Kopf immer lauter. Gab es ihn denn eigentlich? Als er noch kein Kind hatte, hätte er sicherlich mit 'ja' geantwortet. Doch jetzt als Familienvater war er unsicher. Sein Blick senkte sich. Die Schultern schlaff und nur die linke Hand fuhr aus seinem Schoß hervor. Seine Entscheidung war gefallen. Er griff nach der Broschüre auf der linken Seite, faltete sie sorgsam auf, besah die Bilder und Artikel. Das Heft schob er ein Stück von sich weg. Hilary konnte kaum Atmen vor Aufregung, sie kämpfte erneut mit den Tränen. Einen Augenblick später fiel das Stück Papier der Broschüre mit schmackes auf den Tisch, worauf es auf den Boden rollte. Das laute Zurückfahren des Stuhls auf dem Holzboden und das anschließende Knallen der Tür ließ die brünette zusammenfahren. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie leer auf den Tisch. Hatte er das gerade wirklich getan? Vorsichtig legten sie ihre Hände auf ihren Bauch. Ihre Lippen, ihr Kinn, alles bebte vor Anspannung die mit einem Mal von ihr abfiel. Unendliche Tränen bannten sich den Weg über das Gesicht der jungen Frau. Sie konnte diesen Strom an Tränen gar nicht aufhalten, auch wenn sie es gewollt hätte. Am Morgen darauf musste Hilary schon um 07:30 Uhr im Krankenhaus sein, um sich erneut einem Gespräch zu unterziehen vor dem Eingriff. Das Gespräch verlief ok und die Braunhaarige wurde noch für einen Moment ins Wartezimmer gebracht. Um Acht Uhr war sie planmäßig an der Reihe. Zuhause wachte der blau-haarige Russe von seinem Weckerklingeln auf. Genervt tippte er auf seinem Handy um es auszuschalten. Plötzlich fuhr er hoch und sah auf die andere Bettseite. Hilary lag nicht mehr dort, war sie...? An diesen Gedanken wollte er gar nicht denken, er schnappte sein Handy und rief sie an, doch nur die Mailbox ging an. „Scheiße.“, erneut wählte er eine Nummer ins Telefon. „Ja, ich bin es.“, versuchte er nicht aufgebracht u klingen, als sein alter Freund das Gespräch annahm. „Kannst du nach Hilary sehen? Sie ist im Krankenhaus.... Ja...für die Abtreibung...“, gestand er dem Arzt der seiner Bitte gerne nachkam. Vor Arbeitsbeginn wollte er nach dem braunhaarigen sehen, doch suchen musste er sie nicht mehr. Wie ein Häufchen Elend saß die Japanerin auf einem der Stühle im Eingangsbereich. Zielgerichtet steuerte er sie an. „Guten Morgen Hilary... Wie...geht es dir?“ Hilary versuchte sich ein Lächeln abzuringen. „Es ist alles in Ordnung, Gregor. Danke, dass du da bist. Ich muss los...“ Noch ehe er etwas darauf sagen konnte, stand sie auf und verließ das Krankenhaus wieder. Der Arzt schickte dem Russen eine Kurznachricht in der er zusammenfasste was er sah. Gegen 10 Uhr traf Hilary dann wieder Zuhause ein. Gespannt vor Sorge sprang Kai auf, als er die Eingangstür klappen hörte. Seine Frau zog sich leise aus, nahm ihre Tasche hoch. Als sie Kai im Flur stehen sah, spielten ihre Gefühle erneut verrückt. Was sollte sie ihm denn nun sagen? War es falsch was sie tat? Oder nicht? Dieses furchtbare Durcheinander der Gefühle ließ einen anderen Zustand wieder hochkommen. Panisch rannte Hilary ins Bad. Kai blinzelte ein paar Mal ehe er in die Küche ging und darauf zu seiner Frau kam. Er setzte sich auf den Wannenrand, seine Frau hockte noch vor der Toilette und ließ sich dann erschöpft auf dem Boden nieder. „Ich dachte, die Symptome lassen gleich nach, aber...“, fing er an. Hilary schüttelte den Kopf, ihr Blick gesenkt. Kai rutschte zu ihr auf den Boden herunter und saß neben ihr. „Hier. Das betäubt den Schmerz...“, der Russe hielt ihr eine Flasche gekühlten Wodka hin, doch die brünette verneinte Kopf schüttelnd. „Ich...war nicht-... Ich konnte es nicht...Kai...“, sagte Hilary Stück für Stück. Ihr Partner ließ die Flasche in den Schoß sinken. „Also...trinkst du keinen mit mir...?“, stellte er fragend fest. „...mh...“ Kai's Blick schweifte durch den Raum. „Na dann...Prost.“, er nahm einen großen Schluck direkt aus der Flasche. Hilary sah ihn groß an. „Auf was...trinkst du?“ „Hm...es einige Gründe...Zum Einen...dass es dir gut geht...oder dass du...nicht bei dem Termin warst...und...“, er machte eine Pause und nahm noch einen Schluck. „Vielleicht...dass ich...nochmal Vater werde.“, ein zufriedenes Lächeln huschte kurz über seine Lippen als er das sagte. Er zog seine Frau zu sich heran und schaute nachdenklich an die Zimmerdecke. „Es tut mir leid Kai...“ Der Russe seufzte. „Meinst du wir schaffen das?“, er klang verunsichert. Hilary ließ ihren Kopf an seine Brust sinken.“ „Du bist ein toller Vater... So wie du mit Emilia umgehst...wirst du sicher keine Probleme haben...“, lächelte sie. „Ich war heute trotzdem bei einem Termin.“ „Wie?!“ „Ja...aber das war ein reiner Vorsorgetermin...beim Frauenarzt. Und schau mal, ein Bild von unserem Baby...“, sie wühlte in ihrer Handtasche herum, die bei weitem nicht handlich war und zog das Heftchen hervor in dem sie die Ultraschallbilder aufbewahrte. „Schau mal...“, sie zeigte ihm das kleine schwarz-weiß Bild hin, worauf er es langsam zu sich nahm. „Hm. Was sieht man da jetzt?“, fragte der blau-haarige ahnungslos. Schließlich hatte er noch nie so ein Ultraschallbild betrachtet. Geschweige denn sich mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt. Seine Frau half ihm auf die Sprünge. „Schau mal, das da ist der Kopf. Und hier die kleinen Hände und Füße...und der Bauch.“, er schaute flüchtig bei den Erklärungen seiner Geliebten in ihr Gesicht und er stellte fest wie glücklich sie war. Sie lächelte so verträumt. Kai merkte wie dumm er war und erst jetzt merkte er, wie viel er damit kaputt gemacht hätte. Seine Hand wanderte von ihrer Schulter hin zu ihrem Kopf, den er fest an sich drückte und ihr einen liebevollen Kuss auf den Haarschopf gab. „Ich bin froh...dass es so ist, wie es ist.“ Das junge Paar verharrte noch eine Weile im Badezimmer dicht nebeneinander. Sie redeten nicht miteinander, sie genossen einfach nur die Zeit miteinander... Etwa zwei Wochen später stand das Weihnachtsfest unmittelbar vor der Tür. Am Weihnachtsvormittag huschte Hilary hektisch von einer Ecke des Hauses in die andere. Sie wollte jetzt alles schön dekoriert und weihnachtlich haben. Gerade auch für ihre Tochter, die dieses Weihnachten das erste Mal wirklich bewusst wahrnahm. Kai wurde Zusehens genervter von all dem Dekokram. Er versuchte immer mal etwas verschwinden zu lassen was aber gehörig nach hinten losging, da Hilary dafür einen siebten Sinn haben musste. Alles was nicht mehr an seinem Platz stand wurde wieder hingestellt. Ohne wenn und aber. Da konnte sich auf ein Kai Hiwatari nicht durchsetzen. Vielleicht auch besser so. Sollte sie sich doch den Stress machen. Schön sah es trotzdem aus, das musste auch der Weihnachtsmuffel Kai zugeben. „Kai?“ „Hm?“, Hilary kam zu ihm an die Couch und lehnte sich zu ihm über die Lehne. „Sag mal...wollen wir nicht Gregor zum Abendessen einladen? Er ist doch allein und hat sicher nichts vor.“ „Die letzten Weihnachten hat er immer Dienst im Krankenhaus geschoben. Und das freiwillig.“ „Ich frag ihn trotzdem mal.“, sie ging zum Telefon herüber und nahm den Hörer. Allerdings stellte sie ein Problem fest. „Äh...Kannst du mit seine Nummer geben?“, grinste sie verlegen. Das hatte Hilary ganz vergessen. Sie hatte Gregors Nummer ja gar nicht. Kai zog darauf selbst sein Handy und wählte die Nummer seines Freundes. „Hey Kai!“, kam es vom anderen Ende der Leitung. „Hey. Hilary will dich was fragen.“ „So? Dann gib sie mir mal.“, er reichte sein Handy weiter. „Hallo Gregor? Ja, wir wollten dich heute zum Abendessen einladen.“, Kai fuhr herum zu seiner Frau und fing an in Zeichensprache wild zu hantieren. Hilary wand sie an und ließ sich nicht abbringen von ihrem Vorhaben. „Hättest du Zeit?“ „Das müsste ich hinbekommen. Wann soll ich denn bei euch sein? „18 Uhr?“ „Gut. Bis später!“ Beide legten auf und Hilary wollte Kai's Handy zurückgeben, als er anfing: „'Wir' wollen ihn einladen?! Das war ja wohl deine Idee!“ „Na und? Außerdem ist er auch dein Freund also hättest du ihn einladen müssen!“, meckerte sie zurück. „Er legt doch gar keinen Wert auf solche Sachen!“ „Aber du umso mehr?“, konterte die brünette. Das bedeutete Schach. „Ach, mach doch was du willst...“, Schach und matt. Die beiden motzten sich an und gaben dann wieder Ruhe. Etwas später bereitete Hilary zusammen mit das Essen für den Abend vor. Es sollte Klöße geben, dazu ein Stück Rehbraten, Soße und Rotkraut. Das bedeutete noch einiges an Vorbereitung. Parallel dazu kochte die braunhaarige auch noch das Mittagessen. Als später alles erledigt war, merkte sie, dass sie sich etwas übernommen hatte mit der Aufgabe. Hundemüde fiel sie auf das Sofa zu ihrem Mann, der vor dem Fernseher saß. Den Kopf auf seinen Oberschenkeln sah sie fern mit ihm, bis die Müdigkeit sie überrannte. Der Russe machte es sich ebenfalls bequemer so gut es ging und legte den Kopf zurück. Am später Nachmittag beschlossen die beiden mit der Bescherung zu beginnen. Emilia war hübsch angezogen. Sie trug ein rotes Kleid das weiße Rüschen hatte. Für den Weihnachtsmann fand Hilary niemanden und Kai wollte so eine Show nicht. Also legten die beiden die Geschenke einfach unter den Weihnachtsbaum. Die Lichter erhellten den spärlich beleuchteten Raum und die Stimmung wurde richtig heimelig. Emilia staunte mit großen Augen den wunderschönen Weihnachtsbaum an. Dann entdeckte die kleine die Geschenke darunter. „Da!“, sie zeigte auf ein Päckchen, fragend ihre Mutter anschauend rief sie: „Meina?“, Hilary grinste breit. „Ja! Reiß es auf! Das ist nur für dich!“, animierte die brünette ihre Tochter, die freudestrahlend los stürzte. Kai der auf der Couch Sicherheitsabstand von allem Weihnachtstrubel nahm, lächelte zufrieden vor sich hin. Er war verdammt stolz auf seine Frau und auf seine kleine Tochter. Dass sie bald zu viert sein würden fühlte sich gar nicht mehr so verkehrt an. Als Emilia alle Geschenke ausgepackt hatte, schnappte sie sich die größeren Papierstücke und zupfte sie sorgsam in kleinere. Sehr zum Unmut ihrer Eltern. Während Hilary das größere Übel in Sicherheit zu bringen versuchte, fegte Kai die kleinen Schnipsel mit dem Besen zusammen und hielt seine Tochter davon ab die Teile noch kleiner zu rupfen. Das tat er gekonnt mit seinem Fuß auf dem Rücken der kleinen, den er leicht auf den Boden drückte damit sie nicht wieder davon lief. Nach kurzem Quengeln bis Hilary das Papier beseitigt hatte, zeigte sie Emilia ihr neues Spielzeug. Eine Puppe mit Puppenwagen. Hilary hob die Puppe auf den Arm, gab ihr die Flasche und legte sie zurück in den Wagen. Emilia deckte sie zu. Glücklich und zufrieden fuhr sie mit dem Puppenwagen quer durch das Haus. Mittlerweile war es 18 Uhr durch und von Gregor war noch keine Spur zu sehen. Um 18:17 Uhr klingelte Kai's Handy. Kaum überrascht schaute er auf das Display. „Gregor?“ „Ahhhh! Kai!! Ich schaff es nicht pünktlich! Wir haben gerade einen Notfall rein bekommen! Also fangt doch schon mal ohne mich an, ja?“ „Wie lange dauert das?“, fragte der blau-haarige nüchtern nach. „Schwer zu sagen! Aber hebt mir was vom Essen auf. Ich komme nachher sicher vorbei!“, rief er hektisch ins Telefon und legte auf. „Gregor kommt später.“, stellte der junge Mann nochmal für seine Frau fest. „Dann essen wir jetzt. Emilia ist schon müde. Solang hält sie noch nicht aus.“ „Hm.“ Die drei aßen ihr Festmahl also ohne ihren Freund. Emilia ging ohne großes Aufgebot ins Bett und schlief kurz darauf fest wie ein Stein. Kai bemühte sich derweil das schmutzige Geschirr abzuwaschen. „Komm ich helfe dir.“ „Lass mal. Ruh dich lieber aus.“ „Man, ich will aber auch helfen!“ „Du bist-“, er zögerte einen Moment, doch er sprach es aus. „-schwanger. Du brauchst Ruhe.“ „Ja, ich bin schwanger! Das heißt aber nicht, dass ich gar nichts mehr machen kann! Was glaubst du wie ich damals gelebt habe, als ich mit Emilia schwanger war? Da hat niemand gefragt ob er mir helfen kann. Also lass das!“, stauchte sie ihren Mann zusammen. Kai gewährte ihr die sauberen Teller abzutrocknen. Ob das schon die Hormone waren? Zufrieden schnaubte Hilary. Von Kai bekam sie allerdings einen mahnenden Seitenblick zugeworfen, den sie aber nicht sehr beeindruckend fand. Als endlich der letzte Teller abgewaschen war und die letzte Gabel getrocknet war, wollten sich die beiden gerade zum Ausruhen auf das Sofa fallen lassen, als es an der Haustür klingelte. Das konnte nur einer sein. Kai trottete zur Tür und öffnete dem Besuch. „Frohe Weihnachten!“, grüßte ihn ein ziemlich atemloser Arzt. Er beeilte sich sehr um nicht noch später anzukommen und räusperte sich. „Tut mir leid, dass ich es nicht früher geschafft habe.“ „Kein Problem.“ Gregor zog eilig die Schuhe aus und stellte sie zu den anderen ehe er sich an den jüngeren wand. „Wie geht es Hilary?“, nichtsahnend davon was eigentlich passiert war. „Ganz gut.“, mehr gab der blau-haarige nicht Preis. Er wies seinen Freund an in die Stube zu kommen. Langsam mit mulmigem Gefühl, wissend, dass sie junge Frau das Kind nicht mehr in sich trug, trat er ein. „Hallo Hilary.“, grüßte er sie, wie er es immer tat. Überrascht sah sie auf, da sie gerade ihre Füße auf dem Tisch abgelegt hatte. Schnell nahm sie sie wieder herunter. „Hey Gregor, schön, dass du da bist.“, lächelte die braunhaarige ihn sanft an. Gregor wirkte irritiert. War die Japanerin schon darüber hinweg? Nach zwei Wochen? Er verstand die Welt nicht mehr, aber nachfragen wollte er auch nicht. „Magst du noch was essen?“ „Ohja! Ich hab Riesenhunger! Wo ist Emilia?“ „Sie schläft, was denn sonst?“, antwortete Kai genervt. „Wärst du früher hier aufgetaucht, wäre sie noch wach.“, Hilary schlichtete zwischen den beiden Männern. „Sie war total müde und schläft jetzt.“ „Oh ach so...dabei hab ich ihr auch ein Geschenk mitgebracht.“ „Das ist lieb von dir.“, sie nahm die kleine bunte Tüte und legte sie mit unter den Weihnachtsbaum. Morgen würde sie die finden. Der kurzhaarige aß nebenbei von dem aufgewärmten Essen und schwärmte in höchsten Tönen davon. Hilary fühlte sich geschmeichelt und war glücklich, dass es ihm schmeckte. Außer Max, kannte sie niemanden, der ihr Essen nicht mochte. „Puuuh...jetzt bin ich voll...“, voll gefuttert lehnte Gregor sich zurück und legte die Hände auf seinen Bauch. Dann nahm er sie schnell wieder herunter. Vielleicht erinnerte es Hilary an das Baby...er wollte doch nicht in jedes Fettnäpfchen treten... Da fiel ihm etwas ein. „Ach! Bevor ich es vergesse, ich hab euch etwas mitgebracht! Zwar nur was kleines, aber ihr werdet es schon mögen.“, er reichte eine Papiertüte weiter in der einen kleine Pralinenschachtel verpackt war. Kai erkannte sie ohne das Geschenk zu öffnen. „Du willst uns wohl abfüllen?“, die Pralinen waren reich gefüllt an Alkohol. Von Kai wusste er, dass er gerne mal eine Schnapspraline aß, und für seine Frau dachte er ähnlich. Kai hatte nur ein müdes Seufzen übrig. „Noch mehr, was ich alleine essen muss...“, klagte der Russe und stellte die Tüte ebenfalls unter den Baum. „Isst du etwa keine Pralinen, Hilary?“ „Doch, aber ohne Schnapsfüllung.“, sie stupste ihren Mann fast unsichtbar in die Seite. Anscheinend gab sie ihm ein Zeichen. Kai verstand sofort, rollte kurz übertrieben mit den Augen und überlegte wie er am besten anfangen sollte. „Hm....Gregor...wir haben für dich jetzt kein Geschenk besorgt...ähm...“, er druckste herum. Wie sollte er das am besten formulieren? „Na und? Die Einladung zum Essen war Geschenk genug!“ Kai seufzte erneut als Hilary ihn ein weiteres mal anstupste. „Also...“, begann er nochmal und wollte es besser machen. „...wir haben da vielleicht doch ein Geschenk...“ „Aber nur ein kleines!“, mischte sich Hilary ungeduldig ein und strahlte über beide Ohren. Der Arzt verstand nun gar nichts mehr. „Ich bin schwanger!“, rief die Japanerin glücklich heraus und ihrem Gegenüber entgleisten sämtliche Gesichtszüge. „Nein! Das ist nicht euer ernst!?“, perplex über die Aussage der brünetten, konnte er gar keine Worte fassen. Kapitel 74: Schöne Bescherung ----------------------------- Kapitel 74 Der dunkelhaarige musste seine Gedanken neu sortieren. „Warte mal...Du bist schwanger...“, er deutete auf Hilary. „...aber du warst doch... Und du wolltest das Kind doch nicht?“, er deutete auf Kai. „Aber wieso das denn jetzt?!“, verwirrt sprang er vom Stuhl auf und umarmte die werdende Mutter. Auch der werdende Vater bekam einen ermutigenden Blick zugeworfen. Sein Blick fiel nun auf das kleine Geschenk. „Mensch...da habe ich das komplett falsche Geschenk besorgt!“ „Scheint so.“, stimmte Kai trocken zu. „Oh Wahnsinn...ich freue mich total für dich...ich mein euch! Dass du dich doch dafür entschieden hast, du Sturkopf.“ „Pffff....“, entfuhr es dem Russen nebenbei. „Darauf müssen wir erstmal einen trinken!“, beschloss Gregor und holte die Flasche Wodka aus dem Kühlschrank. Er sah streng zu Hilary. „Aber du nicht!“ „Nein, keine Sorge. Ich mag das Zeug eh nicht besonders...“, winkte sie schnell ab und die drei setzten sich in gemütlicher Runde auf das Sofa. Gregor schaute hin und wieder auf seine Armbanduhr. Kai musterte ihn neugierig. „Hast du noch was vor?“ „Nein! Wie kommst du darauf? Ich warte nur auf etwas.“ „Es ist kurz vor Neun, da wird wohl keine Post mehr ausliefern...“, stellte er nüchtern fest. „Stimmt, es ist aber noch ein Geschenk unterwegs...ziemlich groß...“ „Davon hast du uns gar nichts erzählt.“ „Ja, es sollte doch eine Überraschung sein.“ „Für wen?“ „Für Kai. Ich habe ein wunderbares Geschenk für dich! Was habt ihr euch eigentlich geschenkt?“, lenkte er das Thema gezielt um. Das junge Paar schaute sich überfragt an. „Nichts.“, sagte Kai und nahm einen Schluck aus seinem kleinen Glas. „Wie langweilig... Ihr seid so jung und schenkt euch nichts...“ Kai verdrehte die Augen. Im gleichen Moment klingelte Gregor's Handy. Erschrocken zog er es aus der Hosentasche, um dann noch nervöser das Display zu betrachten. „Ihr entschuldigt mich bitte kurz, ja?“, rasch rannte er vom Wohnzimmer in den Flur. „Was hat er denn?“ „Keine Ahnung...aber ich weiß, dass wir jetzt ein wenig Zeit für uns haben.“, der blau-haarige rückte näher zu seiner Frau. Der schlug das Herz bis zum Hals. Worauf wollte er hinaus? Er fuhr fort: „Da du unsere Abmachung nicht eingehalten hast...war ich gezwungen sie ebenfalls zu brechen.“ Hilary sah ihn ratlos an. Kai war nicht untätig gewesen in den zwei Wochen nachdem die Japanerin ihm gebeichtet hatte, die Abtreibung doch nicht gemacht zu haben. Er zog eine kleine Schachtel hervor und hielt sie seiner Angebeteten hin. Die brünette wusste nicht ob dieser Moment wahr oder Traum war. Wollte er etwa? Er öffnete die kleine blau überzogene Samtschachtel. „Naja, jetzt wo wir bald zu viert sein werden...dachte ich, dass du vielleicht meine Verlobte sein willst?“, er öffnete die kleine Schachtel langsam und der jungen Frau funkelte ein dünner silber-roter Ring, der in Blütenform gefertigt wurde, entgegen. In der Mitte der Blüte blitzte ein kleiner Rubin hervor. Hilary stand der Mund offen. Sie blinzelte einige Male ehe sie antwortete. „Der- der ist wunderschön...“, bestaunte sie das kleine funkelnde Schmuckstück vor ihren Augen. „Wir sind zwar schon auf dem Papier verheiratet aber...Vielleicht willst du noch Frau Hiwatari werden.“, verdeutlichte er sein Anliegen. Das war also doch kein Scherz von ihrem Mann. Er fragte sie wirklich. Er machte ihr einen Antrag an Weihnachten! Es gab für die junge Frau keine andere Antwort. „Ja!“, rief sie unter Strom und er steckte ihr den Rosenring vorsichtig an. Darauf folgte ein hauchzarter Kuss von Kai, der sichtlich erleichtert war, dass sein Vorhaben nicht scheiterte. Glücklich fiel Hilary ihrem Mann um den Hals. Sie konnte den Blick gar nicht mehr von ihrer Hand lassen. Erst Gregor lenkte ihren Blick auf sich als er zurück in die Stube kam. „Oh, ich wollte euch bei nichts stören!“, entschuldigte er sich sofort, da er Kai noch kein einziges Mal so nah bei seiner Frau gesehen hatte. Mehr als einen verstohlenen Blick warf er der brünetten nie zu in seinem Beisein. Die beiden jetzt Arm in Arm zu sehen, war etwas viel auf einmal. „Musst du etwa wieder arbeiten?“, erkundigte sich Hilary. „Nein. Aber dein Geschenk wird jeden Moment hier eintreffen.“, wand er sich an Kai. Just im selben Augenblick klingelte es an der Haustür. Sein Geschenk konnte eigenständig an der Tür klingeln? Was führte er nun wieder im Schilde? „Ich geh kurz aufmachen.“, lächelte der Arzt und huschte erneut aus der Stube. Das junge Paar warf sich ratlose Blicke zu. Hilary zuckte mit den Schultern. Sie war nicht eingeweiht, dass war klar. Die beiden mussten einen Moment warten, der schier unendlich dauerte. Endlich wurden sie erlöst. Gregor kam in Begleitung einer Frau in seinem Alter herein. Zurückhaltend trat sie ein und hob verunsichert ihre Hand. „Guten Abend.“, sagte sie leise. „Nicht so schüchtern. Darf ich euch Yulia vorstellen? Ich habe sie vor einigen Monaten kennengelernt und wollte sie euch vorstellen.“, lächelte der Brillenträger erst Hilary und Kai an, dann Yulia auch. „Das soll deine Überraschung sein?“, entfuhr es dem blau-haarigen ungeduldig. „Deine Unbekannte, von der du im Krankenhaus schon gesprochen hast? Was hab ich mit ihr zu tun?“ Gregor wirkte verunsichert. Kai machte nicht den Eindruck, als wäre er hellauf begeistert. „Naja so ist das nicht. Eigentlich ist sie sehr bekannt.“, versuchte der kurzhaarige die Situation zu wenden. „ehm...ich kenne sie schon ganz gut. Naja...“, druckste er weiter. „Und was willst du uns jetzt sagen, Gregor? Komm zum Punkt.“ „Ja, natürlich...äh...Yulia ist nicht nur 'die Unbekannte' von der ich dir erzählt habe, sondern...wie sag ich es am besten...Yulia, das ist Kai!“, sagte er überzeugt. „Kai...ähm...das ist Yulia Hiwatari...deine Mutter.“ Hilary sah ihren Mann verdutzt an. Was sagte er da gerade? Der Halbrusse war gelähmt. Das konnte nicht sein. Seine Mutter war tot. Seit über 15 Jahren! Diese Frau konnte unmöglich seine Mutter sein! „Nein. Sie ist tot.“ „Ganz im Gegenteil! Zusammen haben wir herausgefunden, dass sie noch lebt! Sie lebt, Kai!“ „Nein.“, sagte er bestimmter. Das wollte nicht in seinen Kopf. Seine Mutter war tot! Er sah sie im Krankenhaus. Die Ärzte stellten die Geräte ab und- „Nein! Das ist nicht wahr!“, wütend stand er von der Couch auf. „Kai...“, sprach Yulia sanft zu ihrem Sohn. Sie hatte unglaubliche Angst davor, dass er sie nicht erkennen würde. Es waren 15 Jahre vergangen. „...ich habe damals mein Gedächtnis verloren...nach dem Unfall...ich wusste nicht was mich zurück nach Moskau brachte, aber mit Gregor's Hilfe habe ich es geschafft mich zu erinnern!“ „Nein. Ich glaube dir kein Wort. Meine Mutter ist tot.“, da konnte ja jede dahergelaufene Frau in ihrem Alter ankommen und behaupten seine Mutter zu sein. Er wusste war er als Kind gesehen hatte, aber der blau-haarige hatte nur noch verschwommene Erinnerungen daran. „Bitte glaub mir, Kai. Ich habe mich an Tomoto erinnert, dass ich studiert habe mit Gregor...und an dich...du warst noch so jung damals...“; in ihr kamen unendlich große Schuldgefühle auf. Sie konnte nicht mehr für ihren Sohn da sein. Sie wurde ihm einfach entrissen. „Ich weiß, dass das jetzt nicht leicht für dich ist-“ „Raus. Geht!“, er deutete Richtung Ausgang. „Ist das dein ernst?“, fragte sein langjähriger Freund ungläubig. „Raus!“ Hilary fuhr zusammen und stand ebenfalls auf. „Beruhig' dich bitte, Kai...“, flüsterte sie ihm zu und legte ihre Hand auf seinen Oberkörper. Sie wand sich an Yulia und Gregor. „Vielleicht ist es wohl besser ihr geht jetzt...bitte...“, die Japanerin brachte den Besuch zur Haustür und entschuldigte sich dort noch einmal bei ihnen. Der Arzt machte sich nichts aus Kai's Reaktion. Im Gegenteil, er rechnete damit und auch Yulia hatte er auf eine barsche Abfuhr vorbereitet. „Mach dir nichts daraus, Hilary. Kai ist bei diesem Thema sehr empfindlich.“, erklärte er und umarmte die brünette, ehe er mit Yulia hinaus in die Nacht ging. „Ich hab es dir ja gesagt. Er ist nicht mehr der liebe, kleine Kai von damals.“, redete der kurzhaarige drauf los, während Yulia stumm neben ihm lief. Sie hoffte, dass ihr Sohn sie wieder erkennen würde, doch dafür war scheinbar zu viel Zeit vergangen. „Ach komm Yulia...“, Gregor sah, dass sie weinte und drückte sie an sich. „...er ist stur. Wir müssen nur am Ball bleiben. Kopf hoch...“ „Ja...“, alle Aufmunterung half ihr gerade nicht. Zu sehr war sie enttäuscht. Und auch in Kai's eigenen vier Wänden wollte nicht mehr so recht Weihnachtsstimmung aufkommen. Der Abend war gelaufen und in dem Halbrussen rissen all die alten Wunden wieder auf, der er sorgfältig versuchte zu verschließen. „Was denkt sich Gregor eigentlich dabei? Irgendeine wildfremde Frau hier an zu schleppen und behaupten zu lassen SIE sei meine Mutter?!“, er redete sich in rage. Hilary versuchte ihn zu beschwichtigen. „Was, wenn es die Wahrheit ist?“ „Nein! Ich habe gesehen wie sie gestorben ist!“, rief er erzürnt und ließ seiner Frau das Blut in den Adern gefrieren. Er musste mit ansehen wie sie starb? Als kleines Kind? „D- das ist ja...fürchterlich...“, Hilary hielt ihre Hand vor den offenen Mund. Sie wusste nicht was sie darauf sagen sollte, denn der Schock saß tief. „Wie soll sie denn überlebt haben, hm? Ein toter Mensch wird wohl kaum wieder von selbst anfangen zu atmen!“ „Das weiß ich...aber...vielleicht gibt es doch eine-“, die Japanerin wusste sich keinen Rat auf ihre Aussage, daher brach sie ihren begonnenen Satz ab. „Keine Ahnung wie das gehen soll...aber du siehst ihr ähnlich...“, er horchte auf. „Das kann auch ein dummer Zufall sein. Es gibt Milliarden Menschen auf diesem Planeten!“ „Ja...“, sie seufzte. „...hast du denn ein Foto von deiner Mutter?“ „Wieso?“ „Wenn wir es ihr zeigen, erinnert sie sich vielleicht daran.“, das war keine schlechte Idee, auch wenn der Russe überzeugt war, seine Zeit damit zu verschwenden. „Einen Versuch ist es wert. Ein Foto habe ich aber nicht.“ „Schade...“, enttäuscht sah sie zu Boden. „Es hätte so ein schöner Abend werden können...“, seufzte die brünette leise vor sich hin und räumte den Couchtisch ab. Ihr Mann, der in Gedanken aus dem Fenster schaute, nickte stumm. „Ich geh jetzt hoch. Ich bin total müde. Ist das okay für dich?“, wand sie sich an Kai. „Ich komm auch gleich...“, er sah ihr kurz nach als die braunhaarige die Treppe hoch ging. Kai konnte erkennen, dass sie den Ring erneut ansah und ihr Hand darauf fest an sich drückte. Oben dachte Hilary darüber nach, wo eigentlich Kai seinen Ring hatte. Sie sah keinen an seiner Hand. Als ein paar Minuten später ins Schlafzimmer kam, visierte sie unauffällig seine Hand an. Hilary ergriff die Initiative. „Kai? Ich hab mich gerade gewundert... Wo ist dein Ring?“ Lässig mit den Händen in der Tasche schritt er an das Bett und zog die Hände aus den Hosentaschen. In einer Hand hielt er ebenfalls einen Ring. Er war breiter als ihrer aber auch in silber-rot. „Hier.“ „Trägst du ihn nicht?“ „Nein. Schmuck ist hinderlich während der Arbeit, außerdem stört es mich etwas an den Fingern zu haben.“, und ließ das kleine Schmuckstück zurück in die Tasche gleiten. Erneut konnte die braunhaarige nur enttäuscht nicken. Ob es ihn wirklich nur störte? „Leg dich hin.“, jeder rutschte auf seinen Platz und deckte sich zu. Hilary rückte ein Stück näher an ihren Mann heran, einfach weil sie jetzt seine Nähe brauchte und er vielleicht ihre auch. Am folgenden Morgen war die schwangere schon früher auf, als der blau-haarige Russe neben ihr. Sie hatte am Abend zuvor einen Plan ausgeheckt, den sie jetzt umsetzen wollte. Sie schlich leise aus dem Schlafzimmer heraus, herüber ins Badezimmer, denn die Japanerin hatte genau vor Augen was sie brauchte. Gezielt griff sie in eines ihrer Kästchen und zog etwas heraus. Strahlend beäugte die brünette das glänzende Stück ehe sie zurück ins Schlafzimmer schlich. Vermutlich würde Kai schon bald bemerken, dass seine Frau nicht mehr neben ihr lag. Hilary hockte sich vor die gestrige Kleidung ihres Mannes und kramte das Gegenstück zu ihrem Ring aus der Tasche. Nur ein paar Augenblicke später setzte sich Kai im Bett auf. Von dem Geraschel geweckt gab er sich Mühe die Augen aufzuhalten, da wurde ihm schwungvoll etwas über den Kopf gelegt.Auf einem Schlag war er wach. „Was?“, er sah in Hilary's strahlende Augen. „Ausgeschlafen?“, lächelte sie zufrieden. Kai rieb sich nochmal die Augen und kratzte sich kurz am Shirtkragen. Da fiel ihm auch, was ihm um den Hals gelegt wurde. Er hielt inne um seinen Blick zu senken. „Was soll das?“ „Ich dachte, wenn du ihn schon nicht am Finger trägst, dann vielleicht lieber so?“, ihre Freude über ihre geniale Idee konnte Hilary einfach nicht verbergen. An seinem Hals baumelte eine dünne Silberkette an der sein Verlobungsring hing. „Ganz tolle Idee... Ich trage keinen Schmuck, Hilary.“, im gleichen Moment nahm er das kleine Geschenk wieder ab. „Aber das kannst du nicht machen!“ „So?“ „Nein! Weil es Unglück bringt, wenn einer seinen Ring nicht trägt!“, versuchte die schwangere ihn wieder dazu zu bewegen die Kette wieder anzulegen. Kai bliebt unbeeindruckt von ihrer Drohung. „So ein Blödsinn.“ „...dann trag ihn doch wenigstens für uns...“, die Stimmung der Japanerin schlug mit einem Mal um. Sie war traurig darüber, dass er einfach nicht zeigen wollte, dass sie beide zusammengehörten. Hilary verließ das Schlafzimmer. Der Halbrusse musste sich erneut sammeln. Er war nicht einmal richtig wach und wurde gleich mit so einem Unterfangen überrumpelt. Jetzt piepte auch noch sein blödes Telefon. Am liebsten hätte er sich wieder hingelegt. Der Russe sah auf das leuchtende Display. 1 neue Nachricht von Gregor: Guten Morgen, Kai! Entschuldige die Aktion gestern war etwas undurchdacht. Vielleicht kommt ihr einfach zum Mittagessen vorbei? Gregor Genervt schloss er die Augen und atmete tief durch. Womöglich keine schlechte Idee, dachte sich Kai. Da konnte er seinem Freund gehörig auf den Zahn fühlen. Seine Antwort fiel entsprechend knapp aus. „O.k.“, tippte er in sein Display ein und schickte die Nachricht ab. Darauf fuhr er sich mit den Händen durch die Haare und stand auf. Eine lockere Hose und ein kurzes Shirt reichten ihm Zuhause. Jetzt galt es erstmal seine Frau zu beschwichtigen. Dazu schnappte der blau-haarige sich das kleine Geschenk seiner Frau und ließ es in der Hosentasche verschwinden. Hilary fand er im Wohnzimmer. Sie schaute zur Ablenkung fern. „Hil?“, doch auf seine Ansprache reagierte sie nicht. Er kam auf die brünette zu und nahm ihr die Fernbedienung aus der Hand. Das Bild wurde schwarz. „Hey!“ „Ich rede mit dir.“ „Was ist denn?“, entfuhr es ihr genervt. „Wegen eben. M-“ „Ja, du trägst keinen Schmuck, ich weiß es...“ „Ja...aber das sollte in Ordnung gehen.“, er zog die Kette aus der Tasche und ließ sie vor seinen Augen baumeln. „Die stört sicher nicht so sehr, wie ein Ring an der Hand.“ „W-wie?“, jetzt fuhr sie herum, als er die Kette anlegte. Er stützte sich auf der Couchlehne ab. Ein kecker Blick von der Seite zu seiner Frau, ließ ihr ein kleines Grinsen entlocken. „Ich war nicht mal richtig wach...und du überraschst mich so...“ „Hm...da brauch ich mich nicht wundern... Dass du so reagierst... Gefällt es dir trotzdem?“, fragte sie vorsichtig nach. Er lächelte sie sanft an, worauf der blau-haarige seine Frau zu sich zog und sie liebevoll küsste. Gedanklich war der Halbrusse schon beim nächstes Tagespunkt. Als ihr Kuss endete fuhr er fort. „Wir sind heute bei Gregor zum Mittagessen eingeladen.“ „Oh toll! Sag ihm, dass wir kommen.“ „Hab ich schon. Da kann er sich was anhören.“ „Fang doch nicht schon wieder damit an...“ „Ich will wissen was Sache ist. Weiter nichts.“ Die brünette seufzte. Scheinbar konnte sie ihren Mann nicht davon abbringen, mehr erfahren zu wollen. Am Vormittag machten sich die drei auf den Weg zu Gregor. Sie parkten in der Nähe der Klinik und liefen das restliche Stück zu Fuß. Alles war bedeckt mit Neuschnee. Sehr zur Freude von Emilia. Sie tapste wild durch den Schnee und versuchte ihn mit ihren kleinen Handschuhen aufzuheben. Jetzt wo die kleine selbstständig laufen konnte, war nichts mehr sicher vor ihr. Für ihre Eltern bedeutete das allerdings, dass sie noch mehr Acht geben mussten auf ihre Tochter. Denn die war jetzt auf dem Weg zur nahe gelegenen Rutsche. Mutig stieg Emilia die erste Stufe hinauf als sie von ihrem Vater heruntergehoben wurde. „Das ist noch nichts für dich.“, sagte er ruhig und nahm sie auf den Arm. Emilia passte das aber nicht. Sie wehrte sich mit Händen und Füßen und strampelte verrückt herum. Das nutzte ihr nichts. Einen Moment später fand sie sich im Wagen sitzend wieder. Protesthalber fing sie an zu schreien und brach in Tränen aus. „Ach Emilia...wir wollen doch zu Gregor. Nachher kannst du spielen. Jetzt gehen wir essen.“, erklärte Hilary ihrer Tochter, die sich daraufhin etwas beruhigte. Von ihrem Vater erntete sie einen strengen Blick. Schließlich kamen sie am Appartement von Gregor an. Kai klingelte und setzte sein Pokeface auf. „Schau nicht so ernst.“, die braunhaarige strich ihrem Mann über das Gesicht, worauf er sich entspannte bis die Tür geöffnet wurde. Hallo ihr drei!“, Gregor öffnete die Tür fröhlich. „Frohe Weihnachten! Kommt doch herein!“ „Danke für die Einladung.“, bedankte sich Hilary höflich, wie sie es gelernt hatte und umarmte den Brillenträger einen Moment. Er beugte sich herunter zu Emilia um auch sie zu begrüßen. „Frohe Weihnachten auch dir, kleine Maus.“, grinste er breit. „Hat sich dein Papa wieder beruhigt?“, grinste er weiter und wusste, dass er in einem Hornissennest herumstocherte. Kai überhörte gekonnt seine Anspielung auf den gestrigen Abend. Wortlos hängte er die Mäntel von sich und Hilary auf und begab sich in das Wohnzimmer in dem es schon köstlich duftete. Als er dort Yulia erblickte, die gerade mit einem Stapel Teller hereinspazierte, trafen sich ihre Blicke. Sein kalter Ausdruck traf sie mitten ins Herz. Yulia hielt inne. Sie wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Ihr Sohn drehte sich zum Gehen herum. „Du bleibst schön hier! Das haben wir besprochen, Kai!“, der Halbrusse drehte sich genau in Hilary's Arme, die mit Emilia in der Tür stand. Leicht legte die brünette ihre flache Hand auf seine Brust und schon ihn zurück ins Wohnzimmer. „Reiß dich bitte zusammen.“, zischte sie ihm leise aber bestimmt entgegen ehe sie Yulia freundlich begrüßte und sofort ihre Hilfe anbot. Emilia stelle sie Yulia vor. Sie kannte die kleine noch nicht. „Schau mal Emilia, das ist Yulia. Sie ist eine Freundin von Gregor.“, Yulia lächelte verlegen und bot der kleinen ihre Hand zur Begrüßung. Nach einem prüfenden Blick griff Emilia zaghaft nach der weichen Frauenhand. „Freut mich dich kennenzulernen, Emilia.“ Gleich darauf stellte Hilary ihre Tochter herunter um sich zu schonen. Die schwangere durfte nicht mehr schwer heben, und wenn doch nur kurz. Sie wusste was sie tun durfte und was nicht. Emilia genoss es noch sehr getragen zu werden. Sie wollte schon protestieren, da erblickte sie einen leuchtend bunt geschmückten Weihnachtsbaum in der Ecke des Raumes. Ihre Unzufriedenheit wich sofort der Neugier. Zielsicher tapste sie drauf los. „Die kleine ist ja zuckersüß.“ „Danke.“, lächelte Hilary kurz und griff sich ein paar Teller. „Lass mich dir beim Tisch decken helfen.“ Am anderen Ende des Raumes herrschte ein ganz anderer Ton. „Was soll der Mist? Erst schleppst du sie bei mir Zuhause an, dann entschuldigst du dich, lädst uns zum Mittagessen ein und dann steht sie auch hier und deckte seelenruhig den Tisch!“, Kai machte keinen Hehl daraus, wie sehr ihn die Anwesenheit von Yulia störte. „Sie kann doch nirgend wo anders hin. Ich habe ihr angeboten bei mir zu wohnen.“ Skeptisch hob der blau-haarige eine Augenbraue. „Und da Yulia diene Mutter ist, ist es das mindeste was ich für sie tun kann.“, fuhr er fort. Kai überzeugte aber auch diese Aussage nicht im geringsten. „Hast du ein Fotoalbum von der Zeit in der meine Mutter noch lebte?“ „Natürlich.“ Der jüngere sah seinen Gegenüber auffordernd an. Gregor schnaufte. „Du willst, dass ich das Album jetzt auskrame...“ „Du hast es erfasst.“ Ein paar Minuten später blätterte Kai in dem Album herum. Jedes Bild seiner Mutter betrachtete er genauestens. Einige waren älter als er selbst, die würden sich nicht eignen für seinen Test. Und auf Gregor konnte er sich auch nicht verlassen, wenn er behauptete, dass sie seine Mutter war. Er blätterte weiter stumm in dem Buch herum. „Das Essen ist fertig!“, rief Hilary aus der Küche und spazierte mit einer großen dampfenden Porzellanschale herein. Sorgsam stellte sie die ab. „Komm Emilia. Es gibt leckeres Essen!“, die kleine sah nur flüchtig zu ihrer Mutter und wollte ihr Vorhaben, eine dieser bunten Weihnachtskugeln zu angeln, beenden. Vorsichtig griff sie danach. „Die Kugeln gefallen dir, was?“, hockte sich der Brillenträger neben sie, worauf Emilia die kleine Hand sofort zurück zog und nur darauf zeigte. „Da!“ Gregor lächelte wissend. „Hier.“, er hängte die Kugel ab, die Emilia ihm eben zeigte. Jetzt baumelte sie vor dem kleinen Gesicht. Ihre Kinderaugen wurden mit jeder Sekunde größer und größer. Aufgeregt versicherte sie sich bei dem Brillenträger, dass dieser nicht schimpfen würde und griff nach dem Band der Kugel. „Komm, nimm sie mit zum Tisch.“, sie nickte und tapste stolz mit ihrer Kugel zu Tisch und zeigte sie glücklich herum. „Dann können wir jetzt anfangen.“, stellte Yulia zufrieden fest. Als alle am Tisch saßen verteilten die beiden Frauen das Essen auf die Teller. Kai schaute überrascht auf seinen Teller, der ihm gereicht wurde. Das Essen sah köstlich aus und schon beim bloßen Anblick lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Emilia bekam auch ihre kleine Portion. Während die Erwachsenen darauf mit einem Glas Wein anstießen, begann Emilia schon zu essen. Danach herrschte eisige Stille am Tisch. Nur Hilary, die ab und zu mit ihrer Tochter redete, bildete die Ausnahme am Tisch. Kai der neben seiner Frau saß, beäugte kritisch seinen Gegenüber. Gregor. Seine Blicke durchbohrten den Brillenträger förmlich, bis dieser sein Besteck niederlegte. „Könntest du das bitte sein lassen, Kai...“ Der Angesprochene zog lediglich eine Augenbraue hoch und sah zurück auf seinen Teller. Ein kurzer Blick zu seiner Frau zeigte, dass ihr sein Verhalten nicht entgangen war. Sie ging nicht darauf ein, sondern wand sich an Yulia. „Das Essen schmeckt wirklich sehr gut.“, versuchte die braunhaarige ein Gespräch zu beginnen. Geschmeichelt von ihren Worten bedankte sich Yulia bei ihr. „Danke. Es ist gar nicht so schwer, weißt du? Und in der Vorbereitung dauert es auch nicht lang.“ „Wirklich?“ „Ja. Wenn du alles richtig machst, brauchst du nicht mehr als eine Stunde dafür. Außerdem war es Kai's Leibgericht. Ich musste es ihm fast täglich kochen, als er klein war.“, lächelte sie in Erinnerungen vertieft. Kai schloss seine Augen und hielt einen Moment inne, um sich zu beruhigen. „Glaubst du ihr jetzt endlich?“, erkundigte sich Gregor erneut bei dem blau-haarigen. „Nur Yulia selbst, weiß was du als Kind mochtest und keiner weiß es besser als sie!“ „Du weißt auch gut über mich Bescheid. Ich glaube ihr gar nichts.“ „Ach Junge...“, Gregor verzweifelte immer mehr. So stur und ignorant sah er den Russen selten. Und irgendwann musste es doch auch wieder gut sein. Er sammelte das Besteck und die mittlerweile leeren Teller zusammen, um sie zurück in die Küche zu bringen. Yulia half ihm dabei. Nur Kai blieb stumm am Tisch sitzen. Er hatte einen Plan, den er jetzt umsetzen wollte. Als Hilary Emilia ins Bett gelegt hatte und zurück am Tisch war, schnappte sie sich die letzten Töpfe und ging aus dem Raum. Gerade kam Yulia zurück an den Tisch als Kai aufstand. Er atmete angestrengter. Wenn sie ihm das erklären konnte, hätte er den Beweis für sich. Er knallte ein leicht vergilbtes Foto auf den Tisch. „Was ist auf dem Foto passiert?“, sagte er hart und schaute Yulia ungeduldig an. Yulia nahm das Foto in die Hand und schaute es sich ruhig an. „Was soll das Kai?!“, fiel der Brillenträger dazwischen als er sah, was er gerade verlangte. Kapitel 75: Verblasste Erinnerung --------------------------------- Kapitel 75 ~~~„Was ist auf dem Foto passiert?“, sagte er hart und schaute Yulia ungeduldig an. Yulia nahm das Foto in die Hand und schaute es sich ruhig an. „Was soll das Kai?!“, fiel der Brillenträger dazwischen als er sah, was er gerade verlangte.~~~ „Ich will wissen ob sie meine Mutter ist oder nur eine dressierte Lügnerin.“ Gregor hielt die Luft an. Yulia konnte sich doch nur teilweise an ihre Vergangenheit erinnern. Wenn sie jetzt nicht wusste, was auf diesem Foto passiert war, würde Kai sie endgültig als Lügnerin hinstellen. „Also?“ Auf dem Foto war ein kleiner Junge abgebildet, Kai mit seiner Mutter. Beide befanden sich im Badezimmer vor einem Waschbecken. Die Mutter hielt den Jungen auf dem Arm und rieb mit einem Handtuch über seine Haare. Die waren scheinbar nass. Auf dem Waschbeckenrand standen einige Dosen, Aftershaves und Parfümgläschen. Seine Mutter schaute ihn schmunzelnd an, der kleine Kai ließ das Trocknen der Haare nur mit erkennbarem Widerwillen über sich ergehen. Yulia sah das Bild einige Minuten konzentriert an. Man merkte, dass sie angestrengt nachdachte. Doch wusste sie wirklich was dort geschehen war? Gregor trat hinter seine alte Freundin, um sich ebenfalls das Bild anzusehen. Er presste die Lippen fest aufeinander, um sein Grinsen zu verstecken. Ja, er erinnerte sich sehr gut an die Situation auf dem Foto. „Weißt du nun, was dort passierte oder nicht?!“, fragte der blau-haarige dessen Geduld sich dem Ende neigte. Er wollte endlich eine Antwort! „Ich...“; begann Yulia zögerlich. „Das sind wir beide Kai.“ „Das ist nicht schwer zu erraten.“, fiel er unbeeindruckt dazwischen. Sie fuhr fort: „Du hattest dich bekleckert...glaube ich...“ Kai sah sie weiter kühl an. Gregor setzte sich wieder zu ihr und hoffte, dass sie sich beweisen konnte. Helfen konnte der kurzhaarige ihr nicht. Gerade als er nach dem Foto greifen wollte hinderte Yulia ihn daran. „...das war bei Gregor!“, fiel es ihr mit einem Schlag ein. Sie erkannte das Badezimmer darauf wieder. „...du hast dich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, dass ich dich abtrockne, weil...“, sie überlegte. Ihre Augen sahen unruhig auf dem Foto umher. Sie wusste nicht mehr weiter. Gregor betete im Stillen für sie. Hoffentlich fiel ihr doch mehr ein. „Weil?“, wiederholte Kai das letzte Wort seiner Mutter. Es war ein guter Anfang den Yulia darbot. Sie erkannte das Bad und allem Anschein nach vermutete sie richtig, dass Kai nicht abgetrocknet werden wollte. Doch das wichtigste fehlte ihm noch. Nur er, Gregor und seine Mutter wussten von diesem Malheur, welches damals passierte. „Du weißt es nicht. Natürlich nicht. Weil du eine Lügn-“ „Nein!“, Gregor fiel ihm laut ins Wort. „Sie ist keine Lügnerin!“, er wand sich bittend an Yulia. „Bitte versuch dich zu erinnern! Du kannst es! Bitte!“, er legte seine warme Hand auf ihre und drückte sie fest zusammen. Das konnte nicht wahr sein. So kurz vor dem Ziel konnte doch nicht Schluss sein! Der Brillenträger sah seine Freundin eindringlich an. Yulia versuchte ihr möglichstes, nur was sollte sie noch tun? Ihre vor Aufregung kalte Hand verlor die Spannung mit der sie das Foto hielt. Ein tiefer Atemzug schloss gleichzeitig ihre Augen. Auf einmal nahm sie einen leichten Parfümduft war, der ihr in die Nase stieg. Sie kannte ihn von früher und mit einem Schlag war alle zurück. Ihre geschlossenen Augen schlugen auf und die Spannung der Hand war zurück. „Kai...du konntest die Finger einfach nicht von meinem Parfüm lassen... Du wolltest den Duft immer bei dir tragen und hast dir die kleine Flasche über deine Kleidung und Haare geschüttet.“, Yulia lächelte sanft. „...du hast noch Wochen später danach gerochen... Hier, dieses Fläschchen war es, aber das weißt du sicher selbst.“, sie zeigte auf eine der Flaschen die auf dem Waschtisch standen und sah auf in das starre Gesicht ihres Sohnes. Der hatte jetzt seinen Beweis bekommen. Vor ihm saß leibhaftig seine Mutter. „Yulia, du hast dich erinnert! An all die Details, die damals geschehen sind! Fantastisch!!“, Gregor wusste, dass es nur ein kleiner Schritt für Yulia war, doch es brachte ihr ein Stück Familie zurück. Hilary war berührt von so vielen Erinnerungen. So viel Einblick bekam sie noch nie in seine Kindheit. Daraus machte er ein großes Geheimnis. Es war schön zu hören, dass der sture, grimmige Kai als Kind ganz normal war. Was geschah später mit ihm, dass er so verschlossen wurde? „Reicht dir das als Beweis?“, fragte Gregor den blau-haarigen. Der sah ihn abwartend aus dem Augenwinkel an. „Das hast du ganz toll hinbekommen. Eine filmreife Leistung. Und wo hast du es immer gekauft?“ Erneut erstarrte Gregors Miene. Er wollte gerade wutentbrannt auf Kai schimpfen, da kam ihm Yulia zuvor. „Ich habe es nicht gekauft...Dein Vater hat es aus Frankreich mitgebracht.“ Kai erhob sich vom Stuhl. „Das ist richtig.“ Gregor war erleichtert. Kai's Rubin rote Augen legten sich erst auf Gregor, dann auf Yulia. „Glaub ja nicht, nur weil du alles richtig beantwortet hast, dass ich dir um den Hals falle.“, seine eiskalte Miene verzog sich nicht einen Millimeter. Er drehte sich herum und steuerte den Flur an, bereit zum Gehen. „Wo willst du hin?“, hörte er seine Frau vom Esstisch her rufen. Er stoppte und überlegte einen Moment, ehe er sich entschied zu gehen. Die Tür fiel ins Schloss. Von draußen lehnte der blau-haarige seinen Kopf gegen die Tür. Erneut drehte sich sein Leben um 180 Grad und er konnte verdammt nochmal nichts dagegen tun! Das ganze Leben ging er davon aus, dass er Halbwaise war. Jetzt doch nicht. Ohne ein Ziel lief er in die Gegend... Hilary wollte drinnen an die Tür sprinten doch Gregor hielt sie auf. „Lass ihn. Er braucht Zeit und wird wieder auftauchen. Schließlich hat er gerade bewiesen bekommen, dass Yulia seine Mutter ist.“ „Er hat sich so verändert.“, missmutig schaute Yulia in Richtung Flur. „Kai ist eben nicht mehr der, der er als Kind war. Das habe ich dir von Anfang an gesagt.“ „Ja...ich weiß.“ „Aber es ist doch toll, dass du ihn wiedergefunden hast und dich erinnern kannst.“, ermunterte die Japanerin die ältere Frau. Sie war froh, dass diese Aussprache ruhiger verlief, als die am gestrigen Abend. „Ja, das ist wirklich Wahnsinn! Wie ist das passiert, Yulia?“ „Ich weiß nicht. Auf einmal habe ich diesen Geruch in der Nase gehabt und es kam alles auf einmal.“ „Einen Geruch?“ „Ja. Ein Parfümduft. Es war aber nicht der von meinem...ein anderer...“ „Das ist außergewöhnlich. Darf ich mal?“, Gregor deutete auf das Foto, welches Kai seiner Mutter gab. Jetzt wollte er es anschauen. Yulia reichte es ihm gleich. „Unglaublich, dass der Esel damals schon so stur war.“, murmelte der kurzhaarige vor sich hin. Das machte auch die brünette neugierig. Sie wollte auch einmal das Bild sehen, auf dem ihr Mann als Kind zu sehen war. Sie kam auf die andere Seite des Tisches und schaute über Gregor's Schulter. „Oh wie süß! Das ist wirklich Kai?“ Die älteren schmunzelten vor sich hin. „Ja. Da war er noch richtig süß.“, scherzte Gregor. Hilary wurde verlegen. „Das ist er jetzt auch noch...“, murmelte sie leise. Einige Zeit später kam Kai zurück in die Wohnung seines alten Freundes. Er hatte sich scheinbar beruhigt und war wieder besserer Laune. Die anderen saßen gemütlich bei Tisch uns unterhielten sich miteinander. Als das Türschloss erneut zu hören war, verstummten die Gespräche und auch Hilary sah sich neugierig um. „Hey.“, Kai kam herein in die Stube als wäre zuvor nichts geschehen. Er setzte sich mit an den Tisch. Die braunhaarige roch sofort, dass er geraucht hatte. Besorgt sah sie ihn von der Seite an. „Schön, dass du wieder da bist.“, entgegnete ihm Hilary ruhig, aber ihr enttäuschter Blick offenbarte dem Halbrussen, was seine Frau dachte. Demonstrativ unterbrach er ihren Augenkontakt, nur um zu seiner Mutter zu sehen. „Ich will einen Gen-Test.“, forderte er, worauf Yulia auch gleich zustimmend nickte. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass sie ihrem Sohn gegenüber saß. Wenn dieser noch immer Zweifel hatte, mussten diese beglichen werden. „Gerne, Kai.“ „Gregor? Kannst du alles besorgen?“ Stumm nickte der Brillenträger mit verschränkten Armin vor sich hin. „Dann gehen wir jetzt, Hilary.“ Überrumpelt von seiner Aufforderung, brauchte sie einen Moment ehe sie verstand, was ihr Mann von ihr wollte. „Was ist mit Emilia?“ „Leg sie in den Wagen.“ „Dann wacht sie auf. Können wir nicht solange noch warten?“ „Ich kann Emilia nachher zu euch bringen, wenn sie wach ist.“, schlug Gregor vor. Hilary sah zu ihrem Mann und wartete auf seine Antwort. Der nickte kurz und die Japanerin schenkte ihm ein Lächeln. „Danke Gregor! Bis nachher.“, umarmte sie ihm schließlich, dann zog sie sich schnell an um Kai zu folgen, der bereits an der geöffneten Wohnungstür stand. „Bis bald, Yulia!“, winkte sie der älteren Frau zurück. Kai dagegen verabschiedete sich nicht. Er warf Gregor einen vielsagenden Blick zu, mit dem er signalisierte, dass die Sache noch nicht abgeschlossen war, ehe er die Tür zu zog. Gregor prustete darauf erleichtert aus. „Was für ein Krampf! Ich hatte damit gerechnet, dass es nicht einfach wird, aber Kai hat es getoppt!“ „Er ist wie sein Vater geworden.“ „Ja. Leider...und Voltaire hatte seine Finger auch im Spiel.“ „Sein Großvater?“ „Kannst du dich erinnern? Er sollte in die Abtei kommen.“, nebenher räumte er die Gläser vom Tisch ab, die Yulia in der Küche abwusch. Ein lautes Klirren von splitterndem Glas schreckte ihn auf. „Yulia?“, er lief zu ihr. Sie stand vor den Glassplittern, die an ihren Füßen verteilt lagen. „Zu Boris in die Abtei?! Sag mir nicht-“ „Doch, er war dort.“ Yulia's Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen. Nein, dass wollte sie nicht! So oft sprach sie mit Tomoto darüber, und doch schickte er seinen Sohn dorthin! „Das ist nicht wahr... Sag mir, dass es nicht wahr ist!!“, schrie sie weinend. Gregor konnte seiner Freundin keine andere Antwort geben, so sehr er es gewollt hätte. Betroffen senkte er den Kopf. „Kurz nach deinem schrecklichen Unfall kam er zu Boris. Ich glaube, Kai hat das Erlebte bis heute nicht richtig verarbeiten können. Nicht einmal ich weiß was da drin mit ihm passiert ist.“ „Wie lange war er...dort?“ „Den Großteil seiner Kindheit. An den Wochenenden war er manchmal bei Tomoto.“ „Der arme Junge...ich hätte ihm das niemals angetan!“ „Ich weiß, Yulia... Ich weiß...“, Gregor stieg über die Scherben, um Yulia in den Arm zu nehmen. Sie klammerte sich fest an ihren alten Freund und brach erneut in Tränen aus. Beruhigend strich er ihr über den Rücken. „...Kai ist der festen Überzeugung, dass dein Unfall kein Zufall war.“ Sie erstarrte. Ihr blieb die Luft weg. „N-Nicht?“, Yulia drückte sich von seiner Brust ab, um ihn voller Angst anzusehen. „Es gibt keine Beweise, ob Kai recht hat oder nicht, aber er behauptet es.“ „Oh Gott...“ „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Bei mir bist du sicher. Kai wird der letzte sein, der seinem Vater Bescheid gibt, dass du lebst.“, er drückte sich wieder fest an sich. „Es wird alles gut werden...“, flüsterte er ihr zuversichtlich ins Ohr. Zeitgleich liefen Kai und Hilary zu ihrem Auto und bekamen von dem Gespräch zwischen Yulia und Gregor nichts mit. Stattdessen konnte Kai noch nicht damit fertig werden, dass diese Frau seine tot geglaubte Mutter sein sollte. Die Brünette holte ihn zurück in die Realität. „Du bist als Kind total süß gewesen.“, schwärmte die junge Frau von dem Foto, dass sie sah. „Verrückt, dass du dich kaum verändert hast.“, sie musterte ihn auffällig. „Danke.“, war die knappe Antwort auf ihr Kompliment. Als seine Frau stehen blieb, drehte er sich zu ihr herum. „Was ist?“, sie hatte die Hände auf ihren Bauch gelegt und sah nachdenklich aus. „Glaubst du...dass unser Baby genauso hübsch wird wie Emilia?“ Kai, der mit einer ganz anderen Frage rechnete, blickte stutzig herein. Er holte den Abstand zwischen sich und ihr auf, als er sich gefangen hatte. Der werdende Vater legte seine Hände auf ihre Schultern. „Natürlich.“, lächelte er sie kurz an, worauf ein kurzer Kuss folgte. „Komm jetzt.“ „Warum hast du ihr nicht erzählt, dass wir ein Baby bekommen? Yulia würde sich bestimmt freuen.“ „Solang es nicht 100%ig bewiesen ist, erfährt sie gar nichts.“ „Wie du meinst...“ Am Auto angekommen fuhren die beiden zurück in ihr Haus. Hilary ruhte sich aus, denn die Zeit ohne Emilia genoss die braunhaarige auch gerne mal. Sie konnte ungestört Kontakt zu ihrem Babybauch aufnehmen, ganz still für sich. Zwar konnte sie noch nichts erkennen und auch Bewegungen konnte sie nicht spüren, aber doch merkte sie, dass in ihr etwas war. Dabei erinnerte sie sich zurück wie es in ihrer ersten Schwangerschaft war. Ein kleines Lächeln huschte über uhr Gesicht. „Was grinst du denn wie ein Honigkuchenpferd?“, fragte der werdende Vater seine Frau, die darauf überrascht von ihrem Bauch aufsah. „Ich habe mich gerade erinnert, wie es mit Emilia war.“, sie lächelte erneut liebevoll auf ihren Bauch. Kai näherte sich der Couch auf der Hilary lag. Er stützte sich mit den Unterarmen ab und sah in den Raum hinein. „Und, wie war es?“, fragte er ohne sie anzuschauen. „Es war genauso überraschend wie jetzt auch. Nur, dass du jetzt da bist.“, sie griff nach seiner Hand und legte ihre in seine. Er sah weiter nicht auf, aber drückte ihre Hand fest, als wolle er sie nicht mehr gehen lassen. Hilary stimmte das glücklich und lächelte erneut. „Musst du nicht Klamotten für das Baby kaufen?“ „Das hat noch Zeit. Es ist doch noch so winzig. Außerdem kommt es nicht schon morgen auf die Welt.“, beruhigte die Japanerin ihren Mann, der plötzlich alles erledigt haben wollte. „Du musst dafür doch wissen, was es wird.“ „Nein...ich will es nicht wissen. Hauptsache das Baby ist gesund. Die Ärzte können es eh frühestens in acht Wochen erkennen. „Nicht? Und was ist mit dem Namen?“, fragte er skeptisch. „Da müssen wir uns wohl zwei überlegen.“, lachte Hilary und strahlte. „Was hältst du von Katharina?“ „Nichts.“ „Wieso? Der Name ist doch schön!“ „Mag sein. Aber es wird nicht noch ein Mädchen.“ „Und da bist du dir sicher, weil?“ „Keine Ahnung.“ „Dann schlag du einen Namen vor!“, forderte die brünette. Wenn ihm dieser Name nicht gefiel, sollte er es besser machen. „Das hat noch Zeit.“ „Was?“, Hilary traute ihren Ohren nicht. Kai klaute doch tatsächlich die Worte, die sie einen Augenblick vorher selbst gesagt hatte. Damit brachte er ihre Diskussion über derzeit unwichtige Themen zum Ende. Zwar klang der blau-haarige Russe sehr informiert, in Wirklichkeit hatte er jedoch keinen blassen Schimmer vom Thema Schwangerschaft. Ihn betraf es in dem Sinne noch nie wirklich. Eine Stunde darauf brachte Gregor Emilia zurück zu ihren Eltern. Sie kleine hatte keine große Lust bei Mama und Papa zu bleiben und wäre liebend gern wieder mit Gregor gefahren. In den nächsten Tagen hatten die jungen Eltern nur sporadisch Kontakt mit dem Arzt und somit auch zu Yulia. Jeder ging seiner Wege. Kurz vor Silvester brachte Gregor den Gen-Test. Kai würde ihn erst im neuen Jahr benutzen, denn dazu musste er seine Mutter noch einmal treffen, worauf er wenig Lust hatte. An Silvester bekam Kai dutzende Einladungen von Bekannten und Freunden, doch er entschied sich dagegen auf eine dieser Einladungen einzugehen. So verbrachte er mit seiner Familie einen ruhigen Jahreswechsel. Mit dem neuen Jahr nahm sich der blau-haarige Dinge vor, die er immer wieder aufschob. Eines davon war ein Besuch bei seinem Vater nachdem er Klarheit über sein Verhältnis zu Yulia hatte. Danach würde er ihn mit seinen Vermutungen konfrontieren, der Unfall seiner Mutter war Vorsatz. Das musste aber noch warten. „Wie hast du dir das eigentlich gedacht mit diesem Test hier?“ „Sie kommt hierher, gibt die Probe ab und geht wieder. Mehr nicht.“, ob sein Plan so einfach umsetzbar war, wie er dachte? „Sie müssten gleich hier sein.“ Währenddessen bei Gregor im Auto: „Wo wohnt Kai überhaupt? Hat er ein Haus oder ein Appartement? Ich bin sehr gespannt zu sehen, wie er lebt.“ „Das wirst du gleich sehen. Kommt dir hier etwas bekannt vor? Ich meine, fällt dir zu der Gegend etwas ein?“ Yulia konzentrierte sich nun mehr auf die Gebäude und Straßen außerhalb des Autos. Im ersten Moment wollte sie seine Fragen verneinen, dann erkannte sie die Gegend wieder. „Hier in der Nähe ist doch-“, sie stockte beim Sprechen. „Ja richtig. In dem Viertel hast du mal gewohnt.“ „Ja...“, Gregor bog in die nächste Seitenstraße ab. Yulia verstand nicht wohin ihr Freund sie führte. Er wollte sie zu ihrem Sohn bringen, nicht aber zu dem Haus in dem sie mit Tomoto gelebt hatte. „Gregor, was- was soll das?“, ihr ungutes Bauchgefühl verstärkte sich, als Gregor ihr nicht antwortete. Was sollte das? „Gregor? Bitte halt an. Ich möchte aussteigen.“, bat sie den Fahrer, der aber erneut blinkte und auf ein großes Grundstück abbog. „Das ist-!“ „Wir sind da.“, grinste Gregor vor sich hin. Hier war sie schon einmal. Bei ihrem ersten Besuch erinnerte sie sich nicht an das Haus und dessen Bedeutung. Jetzt jagte ihr dieser Gedanke schreckliche Schauer über den Rücken. „Hier wohnt-?!“ „Nein, beruhige dich. Hier wohnt Kai.“ „Allein?“ „Nein. Mit seiner Frau. Hilary weißt du?“ „Er ist verheiratet?“ „Ja“ „Ich dachte, sie wäre eine Freundin von euch.“ „Ist sie auch. So lange sind die beiden noch nicht verheiratet.“ „...dann ist er nicht der Vater von dem Kind?“ „Emilia? Du musst sie dir genau ansehen, dann hast du deine Antwort.“ „In Ordnung...“, die Stimmung entspannte sich wieder, je mehr Yulia erfuhr. Als die beiden vor der Haustür standen, drückte Gregor auf den Klingel und Hilary öffnete kurz darauf dem erwarteten Besuch. „Hallo!“, rief sie freundlich und bat ihre Gäste herein. Yulia betrat mit mulmigem Gefühl den Flur des Hauses. Alles sah komplett anders aus, jetzt wo Kai hier wohnte. Die drei gingen weiter in die Wohnstube in der Kai wartete. Auf dem Weg dorthin spürte die junge Frau wie sich der Blick des Brillenträgers durch ihre Kleidung bohrte. Die brünette trug etwas weitere Pullover um ihren langsam wachsenden Bauch vor solch neugierigen Blicken zu verstecken. In der letzten Zeit sahen sie sich weniger und Gregor hatte kaum die Möglichkeit sich über ihren Zustand zu informieren. Kai ging mit den Informationen auch sehr sparsam um. Im Wohnzimmer wartete Kai auf die anderen. Er saß auf der Couch, vor ihm die Verpackung und ein großer Briefumschlag. „Habt ihr es auch endlich geschafft.“, stellte er kühl fest. „Ja, wir standen im Stau. Die ganzen Baustellen rauben mir den letzten Nerv.“ „Hallo, Kai.“, begrüßte Yulia ihren Sohn leise. Dieser sah kurz auf. „Lasst uns zum wesentlichen kommen. Gregor hat alles besorgt, was ich haben wollte. Es fehlen nur noch unsere Proben.“, erklärte der blau-haarige knapp. Gregor wühlte sich derweil durch die Packungsbeilage. Für ihn war es das erste Mal, dass er einen Gen-Test durchführen sollte. Da konnte einiges schiefgehen. Auch als Arzt wusste er nicht alles. „Ich beschrifte die Röhrchen, dann kann es losgehen. Wir fangen mit dir an, Kai.“ „Kann ich euch was zu trinken bringen?“, mischte sich Hilary kurz ein und bekam ein freundliches Nicken seitens Gregor. Er deutete auf Yulia und sich, sodass Hilary Wasser für zwei Tassen Tee aufsetzte. Der Brillenträger drehte ein kleines Röhrchen auf, an dem ein Wattestäbchen befestigt war. „Einmal den Mund auf, bitte.“ Kai schnaufte tief durch, ehe er dies tat und genervt die Augen schloss. So etwas blödsinniges. Warum musste es ausgerechnet auf diese Weise sein. Es sah dämlich aus, wie er fand. „Jetzt du, Yulia.“, er vollzog das gleiche Prozedere bei ihr und verschloss das Röhrchen wieder fest. Beschriftet mit beiden Namen und dem jeweiligen Status, wanderten die beiden Röhrchen in den Umschlag. Im selben Moment kam Hilary mit dem Tee herein. Sie stellte die Tassen vorsichtig samt Unterteller auf dem Tisch ab und setzte sich zu den anderen. „Habt ihr alles schon erledigt?“, fragte sie ungläubig, da sie dachte, dass es länger dauern würde. „Klar, ist doch keine große Sache. Das muss nur noch weggeschickt werden und in zirka vier Wochen habt ihr die Antwort schwarz auf weiß vor euch. Danke für den Tee, Hilary.“, Gregor verrührte zwei Stück Zucker in seinem Tee. Kai's Blicken nach zu urteilen, wäre es ihm lieber gewesen Gregor hätte seinen Tee 'to go' mitgenommen. Hilary war einfach zu nett. Manchmal verfluchte er sie dafür. „Wie geht es dir denn? Emilia hält dich sicher auf Trab!“ „Danke, es geht mir gut. Emilia wird ein richtiger Wirbelwind. Sie ist überall und nirgends.“ „Genau wie jetzt.“, fügte Kai hinzu und horchte nach verdächtigen Geräuschen. „Das ist doch toll! Nichts ist besser als ein selbstständiges Kind zu haben!“, lobte Gregor die kleine hoch in den Himmel. „Yulia hat es bei dir auch sehr gut gemeistert. Findest du nicht?“, er wand sich an seine alte Freundin, die stumm nickte und ihren Sohn verschüchtert anschaute. „Es hat sich viel verändert in dem Haus.“, begann Yulia leise und schaute sich in ihrem ehemaligen Wohnsitz um. „Ja.“, kam es kühl vom Halbrussen als Antwort. „Hast du die ganzen Fotoalben noch?“ „Welche Fotoalben?“, fragte die braunhaarige überrascht. Ihrem Mann warf sie einen fragenden Blick zu, den er mit Schulter zucken beantwortete. Er wusste von den alten Alben. Die hatte sein Vater sicher bei seinem Auszug mitgenommen. „Ihr habt sie nicht? Da- darf ich-?“, Yulia deutete auf die andere Hälfte der Wohnstube in sie sich umsehen wollte. Kai nickte flüchtig als Zustimmung. Sofort erhob sich Yulia, die von ihren Erinnerungen getrieben wurde. An einer Wand blieb sie stehen und klopfte an ihr. „Was wird das?“, Kai zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Seine mutmaßliche Mutter ließ sich davon nicht beirren, weiter klopfte sie Stück für Stück an der Wand herum. Als der Ton hohl klang horchten Kai und die anderen überrascht auf. Kapitel 76: Gleiches mit gleichem? ---------------------------------- Kapitel 76 ~~~~~„Was wird das?“, Kai zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Seine mutmaßliche Mutter ließ sich davon nicht beirren, weiter klopfte sie Stück für Stück an der Wand herum. Als der Ton hohl klang horchten Kai und die anderen überrascht auf.~~~~~ Sie grenzte den Bereich weiter ein ehe die hellhaarige an der Tapete herumzog und ein kleines Stück der Wand freilegte. Kai traute seinen Augen nicht, da er gleich darauf ansetzte, um ihr Einhalt zu gebieten, doch er erstarrte als er sah, dass seine Mutter ein kleines Türchen zum Vorschein brachte. „Hier. Ich muss nur-“, vorsichtig drückte sie mit ihren Fingerspitzen darauf. * klick * „Ein Geheimfach?!“, hörte man es zeitgleich von Hilary und Gregor. Vorsichtig griff Yulia in eines der staubigen Regale hinein, um eine Flasche verstaubten Whisky hervorzuziehen, der ungeöffnet die letzten 15 Jahre dort stand. Gregor nahm ihr die Flasche ab und gleich darauf griff sie noch einmal hinein. Jetzt zog sie ein großes Buch heraus. Das legte sie liebevoll in ihre Arme und begann darin zu blättern. „Das sind die Fotoalben... Sie sind unversehrt. Wie schön...“, Yulia lächelte überglücklich, als sie die leicht vergilbten Bilder betrachtete. „Woher weißt du-“ „Ich habe Jahre hier gelebt. Da vergisst man so etwas besonderes nicht. Diesen Whisky sollte dein Vater zu seinem Geburtstag bekommen...doch dazu kam es nicht mehr...“ Gregor besah die Flasche genauer. Sie war veredelt und in besonderer Form gestaltet. „1898?! Der ist tausende wert!“, rief der Brillenträger urplötzlich und zog damit ungewollt alle Aufmerksamkeit auf sich. Behutsam stellte er das Behältnis auf den Tisch. Yulia lächelte wissend. „Ja, es sollte etwas besonderes sein.“ Getrieben von diesem ungeplanten Zwischenfall, näherte sich Kai, der bis eben alles aus sicherer Ferne beobachtete und wollte jetzt das Fach genauer betrachten. Er wusste nichts von seiner Existenz. „Sind das alles Bilder?“ „Ja, von deiner Geburt an.“ „Hm.“, er zog wahllos eines der Bücher heraus und blätterte darin herum, doch er legte sie wortlos zu in das Fach. Ihm wurde einiges klar. Diese Frau musste seine Mutter sein, das würde der DNA-Test nur noch bestätigen. Ein paar Wochen später holte Hilary die langersehnte Antwortpost aus dem Postkasten. Am Frühstückstisch übergab die brünette den Brief. „Das Testergebnis ist da.“ Interessiert schaute der blau-haarige auf. „Gibst du mir jetzt den Brief oder nicht?“ „Äh, ja! Hier.“ Kai schaute sich den Absender der Post an. Ein Labor, Hilary hatte Recht. Er riss den Umschlag an der Seite auf und zog einen Zettel hervor. „Nein.“, und schob ihn wieder zurück. „Was machst du?“ „Ich will Sie dabei haben.“ Das hätte sich die Japanerin denken können. Direkt nach dem Frühstück telefonierte Kai mit Gregor und bestellte ihn und Yulia erneut zu sich. Nicht einmal eine halbe Stunde später saßen die vier abermals zusammen im Wohnzimmer. Jetzt vor dem Ergebnis des Gen-Tests. Auch Emilia war an dem heutigen Tag mit von der Partie. Sie hatte es sich bei ihrer Mutter bequem auf dem Schoß gemacht und beobachtete alles was passierte. Und momentan passierte wirklich gar nichts. Stumm saßen die vier Erwachsenen um den Tisch herum und starrten auf den Briefumschlag der vor ihnen lag. Die kleine fuhr mit ihrem Spielzeugauto auf dem Arm von Hilary auf und ab. „Also, macht es nicht so spannend! Wie ist das Ergebnis?“, dem Brillenträger konnte man seine Neugier förmlich aus dem Gesicht ablesen, wogegen Yulia vor Nervosität kein Wort hervorbrachte. „Ich habe noch nicht nachgesehen.“, verkündetet Kai ehrlich und nahm den Umschlag vom Tisch. Dieses Mal enthüllte er den Zettel vollständig und faltete ihn auseinander. Er las den Brief für sich. „Na, sag schon!“, drängte Gregor erneut, worauf Kai anfing laut weiter zu lesen. „...die von Ihnen übersandten genetischen Proben von Yulia Hiwatari in Klammern Mutter und Kai Alexander Hiwaratari in Klammern Sohn ergaben folgende Ergebnisse...“, der junge Mann machte eine Pause um durchzuatmen und um die Zahl auf dem Papier für einen Moment zu verinnerlichen. „...eine Verwandtschaft zu den oben genannten Personen liegt zu 99,8971 % vor... Das heißt, da bist meine-“, er hielt erneut inne. Nein, das konnte, nein das wollte er nicht aussprechen. „Das ist fantastisch! Du bist seine Mutter! Oh wie gut ist das denn?!“, Gregor konnte seine Freude nicht mehr zurückhalten. Jetzt konnte Kai nichts mehr abstreiten. Es sah es schwarz auf weiß. Auch Yulia fiel ein riesiger Stein vom Herzen. Langsam erhob sie sich von ihrem Platz und schritt auf ihren Sohn zu. Mit einem herzlichen Lächeln kam sie zu ihm und öffnete ihre Arme. „Kai...“, sie legte vorsichtig ihre Hände um seinen Hals, in der Angst er könne verletzt werden, und drückte ihn leicht an sich. Der blau-haarige hatte keine Kontrolle mehr über seinen Körper. Seine Arme und Beine fühlten sich unendlich schwer an. Der so leichte Zettel so schwer wie Beton. So sank seine Hand, während der warmen Umarmung seiner Mutter einfach nach unten. Ein wohliges Gefühl breitete sich in seinem Körper aus, die sein Herz schneller schlagen ließ. Er fühlte sich nicht schlecht an und er erkannte dieses Gefühl. Ja, so umarmte sie ihn immer, wenn es ihm nicht gut ging. Er nicht wusste, was passierte. Seine Augen suchten keinen Punkt im Raum auf den er sah, sie waren nur weit geöffnet. Allmählich vernahm der Russe den immer lauter werdenden Herzschlag in seiner Brust. Er blinzelte kurz, warf einen Blick auf die Frau vor sich und schob sie fast sanft von sich. Kai versuchte seine ernste Miene wieder herzustellen, in dem er sie grimmig ansah und die Arme verschränkte. „Glaub ja nicht, ...dass ich dich jetzt mit 'Mutter' anspreche.“, diese Worte entfuhren ihm weicher, als er es eigentlich geplant hatte, doch Yulia nickte verständnisvoll. „Das erwarte ich auch gar nicht von dir.“, sprach sie leise. „Lass mich einfach nur Teil an deinem Leben haben...“, bat seine Mutter vorsichtig. „Das wird die Zeit zeigen...“, darauf senkte der blau-haarige seinen Kopf. „Ich denke, es wird euch gut tun, wenn ihr euch einfach seht, zufällig mein ich. Vielleicht einmal in der Woche oder wie es eben kommt. Ihr habt viel aufzuholen und das schafft ihr sicher nicht, wenn ihr euch dazu zwingt Mutter und Sohn zu sein.“, schlug der Brillenträger vor und zog sein Jackett zurecht. „Wie dem auch sei, ich muss bald im Hospital sein. Yulia, soll ich dich noch nach Hause bringen?“ Yulia sah Kai an, der unverändert seinen grimmigen Ausdruck aufrecht hielt. „Wenn du so freundlich wärst, Gregor.“ „Klar, komm.“ „Auf wiedersehen, mein Sohn.“ „Pass auf dich auf.“, gab Kai seiner Mutter mit auf den Weg, bevor sie das Haus verließ. „Unglaublich, dass sie wirklich deine Mutter ist. Wie geht es dir damit, Kai?“, die junge Frau an seiner Seite bemerkte seine innere Unruhe. „Im Leben hätte ich nicht damit gerechnet, sie noch einmal wiederzusehen. Und jetzt das.“ „Dein Vater wird sich-“ „Mein Vater...ist der letzte der jemals von ihr erfahren wird.“ „Entschuldige...“ „Was nicht heißt, dass ihr Aufleben neue Hindernisse aufwirft.“ „Wie meinst du denn das schon wieder?“ „Wenn es Leute hab, die sie töten wollten und die erfahren, dass sie noch lebt, werden die es sicher nochmal versuchen.“ „Dann ist sie in Gefahr!“, Hilary schlug die Hand vor den Mund. „Nicht bei Gregor. Dort wird sie eine Weile sicher sein. Lange kann sie sich eh nicht verstecken.“, bis zu diesem Zeitpunkt musste der Halbrusse einiges klären. „Papa, wo Gregor ist?“, mischte sich eine piepsige Stimme in das Gespräch der Eltern ein. „Emilia.“ „Gregor ist arbeiten.“, antwortete er. „Auto?“ „Ja, mit dem Auto.“ „Und Fau?“ „Was?“ „Sie meint Yulia.“ „Ah... Die ist auch mit dem Auto gefahren.“ „Lass uns was spielen gehen, Emilia.“ „Emija auch Auto?“ „Nein, das geht nicht. Komm wir holen deine Autos.“, Hilary schaute ihrem Mann in die Augen und ging mit Emilia hoch in ihr Zimmer. Zurück blieb Kai, der die kurze Zeit für sich gut gebrauchen konnte. Ständig änderte sich etwas in seinem Leben. Was war nur los? Was wohl als nächstes passieren würde? Ein fliegendes Einhorn oder gar Außerirdische? „Blödsinn...“, er verscheuchte seine wirren Gedanken die in seinem Kopf herumspukten. Zurück im Wohnzimmer holte er eines der Fotoalben heraus und schaute sich die Bilder an. Das Buch war von vor seiner Zeit. Es gab nur Bilder von Yulia, Gregor und Tomoto. Bilder von der Hochzeit seiner Eltern, und dann ein Foto auf dem Yulia stolz ihren Babybauch präsentierte. So sah sie also aus. „Sie hat sich kaum verändert...“, murmelte er vor sich hin. „Sie ist wunderschön.“ Kai bemerkte nicht das Hilary zurück was und mit in das Buch schaute. Eilig klappte er es zu. „Lass das sein.“ „Hey...ich wollte doch auch mal schauen... War dein Vater auch auf einem der Bilder?“ „Hör auf von ihm zu sprechen.“ „Ich möchte nur wissen, ob du ihm wirklich so ähnlich siehst wie Gregor immer sagt...“, sie legte ihre Hand auf seine und führte seine Hand so geschickt, dass er das Album wieder öffnete. Sein Blick, den der Russe ihr schenkte, sprach Bände, doch dem konnte sie immer besser standhalten. „Hier.“, er deutete auf einen Mann neben seiner Mutter. „Das ist er.“, und schlug das Buch zu. „A-aber-“ „Schluss.“, er duldete kein Widerwort mehr und stellte das Buch zurück an seinen Platz. „Du hast ihn gesehen, mehr wolltest du nicht.“ „Wie gemein...“ Er drückte seine Frau an sich, die ihm ein schmollendes Gesicht entgegenstreckte. „Pass auf, dass dein Gesicht nicht so bleibt.“, unweigerlich musste Hilary grinsen. So was das Thema für beide vergessen. In der nächsten Zeit versteckte sich Yulia weiter bei Gregor. Sie ging nur bei Nacht heraus oder in höchst seltenen Fällen am Tag. Gregor legte es ihr nahe. Doch eine Frage stellte sich ihr immer häufiger: Wie würde Tomoto auf reagieren? Ihr Freund besorgte ihr alles was sie brauchte, doch nicht herausgehen zu können wann man wollte, erdrückte sie beinahe. Eine Woche später rief sie bei Kai an. Verwundert nahm er ein Gespräch von einer unbekannten Nummer an. „Hiwatari?“, meldete er sich. Es knisterte am anderen Ende, dann wurde der Anruf beendet. „Was soll der Mist?“ „Was ist denn los?“ „Irgendwelche Kinder spielen Telefonstreiche...lächerlich...“, er schaltete kurzum das Handy aus. Jetzt gab es wichtigere Dinge zu besprechen. Zum Beispiel den Ultraschalltermin seiner Frau. Nervös tippte er mit dem Fuß auf dem Boden herum. Er saß zum ersten Mal in einer Frauenarztpraxis. Dabei kam er sich mächtig dämlich vor zwischen all den Frauen die auch schwanger waren. „Frau Tachibana?“, rief die Sprechstundenhilfe in den Warteraum. „Ja, hier! Komm Kai.“, rief sie ihm an der Tür stehend zu. Sein Herz klopfte unruhig. Warum war er nochmal mitgegangen? Wenn du nicht mitkommst, dann suche ich den Namen für das Baby aus und glaub mir, Tyson oder Emily würden dir sicher nicht gefallen! < Ja, genau damit erpresste sie ihn. Und wahrlich diese beiden Namen wollte er unter gar keinen Umständen in seiner Familienchronik sehen. „Wie geht es Ihnen Frau Tachibana? Hat sich die Übelkeit der letzten Wochen gegeben?“ „Ja, es geht mir wieder besser. Und die Morgenübelkeit ist auch nicht mehr so stark wie am Anfang. Ich bin so froh darüber.“, lächelte sie erleichtert. „Sehr schön.“, der Arzt notierte sich alles. „Dann wollen wir mal sehen, wie es Ihrem Kind geht. Kommen Sie bitte.“ „Ja.“, sie folgte der Handbewegung des Arztes zur Liege. Als er den jungen Mann bemerkte fragte er interessiert nach. „Oh und Sie haben heute Verstärkung mitgebracht?“ „Gezwungenermaßen.“, antwortete der werdende Vater schneller als seine Frau, die bereits auf der Liege saß und ihren Bauch frei machte. „Irgendwie musste ich dich hierher bekommen!“, rief sie schnippisch zurück, während der Arzt das Gel auf dem Bauch verteilte und mit der Untersuchung begann. Ein Schnauben von Kai ließ die Diskussion fürs Erste erlöschen, denn seine Aufmerksamkeit fiel auf den großen Monitor der an der Wand hing. Darauf zu sehen war viel durcheinander. Er erkannte darauf nichts. Alles war schwarz und ein bisschen weiß und grau und komplett wirr. Erst die Erklärungen des Arztes brachten Licht ins Dunkle. Hilary war mittlerweile im fünften Monat. Man konnte deutlich den Bauch der Schwangerschaft erkennen und das Verstecken wurde nach und nach schwieriger. Es trug auch nichts dazu, dass langsam die wärmeren Tage begannen. Weniger Kleidung bedeutete auch weniger Möglichkeit den Bauch zu verhüllen. „Schauen Sie mal her. Das ist der Kopf, sehen Sie? Hier.“, der Arzt fuhr mit dem kleinen Mauszeiger den kleinen Kreis aber und fuhr fort. „...messen wir Ihr Baby und sehen wie gut oder schlecht es gewachsen ist.“, er tippte ein paar Werte in das Gerät ein, maß den Abstand von oben nach unten und von einer zur anderen Seite. Gespannt verfolgte Kai den Handlungen des Arztes. Er warf einen Blick zu seiner Frau. Fasziniert von den Bildern, konnte die junge Frau nicht den Blick von ihrem Baby abwenden. Sie war wie in einer anderen Welt. So glücklich. Einige Minuten des Ausmessens später, stellte der Arzt eine interessante Aussage in den Raum. „Zum Schluss versuche ich Ihnen die Preisfrage zu beantworten...Das Geschlecht Ihres Kindes!“, er wischte mit dem Ultraschallkopf über den Bauch um das Gel neu zu verteilen und suchte nach den kleinen Beinchen. Das Baby war munterer als gedacht. Es wand sich hin und her, hüpfte fast schon im Bauch herum. Hilary war das etwas unangenehm. „Jetzt hab ich dich. Ihr Kind ist sehr aufgeweckt. Also hier sind die Beine und jetzt versuch ich- ach ja, wollen Sie das Geschlecht Ihres Kindes eigentlich wissen?“, fiel dem Mann in weiß plötzlich ein und hielt mit seinem Ultraschall ein. „Nein.“, Kai erinnerte sich an seine letzte Diskussion mit Hilary. Sie wollte es nicht wissen. „In Ordnung, dann hören wir hier auf. Ich vermerke das in Ihrer Akte, damit wir nicht noch einmal in die Situation kommen.“, er lächelte freundlich und reichte der Schwangeren ein kleines Tuch zum Säubern. „Was ist nun mit dem Baby?“ „Soweit ich das hier sehen kann...hat sich ihr Kind gut entwickelt. Es ist etwas kleiner als erwartet, aber alle anderen Werte sind super. Hier haben Sie noch ein Bild.“, aus dem Drucker zog der Arzt ein kleines schwarz-weiß Bild. Kai nahm es entgegen, da Hilary ihre Kleidung richtete. Das war also sein Kind im Profil. Er konnte deutlich das Gesicht erkennen, Nase, Mund und eine Hand. Innerlich platzte der blau-haarige fast vor Stolz, aber das konnte er hier nicht zeigen. Auf dem Rückweg zog er das Bild erneut aus seiner Tasche. „Hier.“, er reichte das Bild seiner Frau. „Oh, du hast es? Ich dachte, wir hätten es vergessen! Süß...schau mal es winkt uns zu!“, berührt von dem Foto legte sie ihre freie Hand auf den Bauch. „Er ist eben jetzt schon gut erzogen.“ „Quatsch. Außerdem wird es kein Junge!“ „Das werden wir sehen...“ „Ja genau! Oh?“, ein Anruf unterbrach ihre angehende neue Diskussion über das Geschlecht des Kindes. Kai nahm das Gespräch an. Es war Gregor, der sich nach dem Befinden der Japanerin und des Babys erkundigte. Der werdende Vater rückte nur spärlich mit den Informationen heraus. 'Alles in Ordnung.', verriet er. Zuhause angekommen, wollte Gregor den Rest ausführlicher wissen, da er auf Emilia aufpasste. Und glücklicherweise war Hilary redseliger als Kai. So bekam er doch alles zu hören und sogar das Ultraschallbild mit winkendem Baby. Später am Abend: Hilary war an diesem Tag besonders früh müde. Nichts ungewöhnliches in der Schwangerschaft. Sie legte sich ins Bett und ruhte sich aus. Kurz darauf folgte auch Kai, der seine Arbeit ungewollt früher beendete. Als er das Schlafzimmer betrat, wunderte er sich, denn Hilary schlief zu aller Überraschung noch nicht. Sie lag auf dem Rücken und streichelte ihren Bauch, der wild herumzappelte. Der blau-haarige bemerkte erst jetzt wie groß der Bauch geworden war. „Wolltest du nicht schlafen?“, erkundigte er sich vorsichtig und riss Hilary aus Ihrer Gedankenwelt. „Was?“, sie legte den Kopf seitlich und lächelte. „...doch, aber das Baby lässt mich nicht. Da!“, sie deutete auf eine große Beule an ihrem Bauch. Scheinbar hatte das Baby etwas gegen den Schlaf seiner Mutter einzuwenden, weshalb es sich drehte und von innen Klopfgeräusche von sich gab. Kai setzte sich zu ihr auf das Bett und schaute ungläubig auf den Bauch. „Das war jetzt nicht-“ „Doch. Das kleine strampelt seitdem ich hier liege...“, sie seufzte. „...aber das ist normal...sobald die Mutter zur Ruhe kommt, werden die Babys im Bauch putzmunter, weil sie nicht mehr geschaukelt werden...“, begann sie zu erklären. „Aha?“, skeptisch zog er eine Augenbraue hoch, als ein weiterer großer Huckel zu sehen war. „Leg du mal deine Hand drauf. Vielleicht hast du mehr Glück und ich kann endlich schlafen...“, sie griff nach seiner Hand und führte sie auf ihren Bauch. Er sträubte sich etwas dagegen, doch zögernd legte er sie ab. „Und jetzt?“, fragte er ungeduldig auf eine Reaktion wartend. „Jetzt fängt es sicher gleich wieder an zu treten.“ Skeptisch betrachtete der Russe den Bauch weiter. Dort regte sich gar nichts. „Der kleine weiß eben auf wen er zu hören hat.“, grinste er fies und nahm die Hand zurück. „Es wird kein Junge!!“, rief sie entnervt. Warum sollte es unbedingt ein Junge werden? Das verstand die brünette immer noch nicht. Prompt erhob sich eine große Beule auf dem Bauch. „Heeey! Hör auf mit deinem Papa gemeinsame Sache zu machen!“ „Siehst du.“, folgte es überzeugt. „Zieh dich aus und schlaf endlich.“ Hilary seufzte erneut tief. Das war doch ein Witz. Das Baby war noch nicht mal auf der Welt und es verschwor sich schon mit Kai gegen sie. Die Schwangere zog sich ebenfalls aus und legte sich unter die Decke. „Schlaf du doch auch endlich...“, flüsterte sie angestrengt ihrem Bauch zu. Kai drehte sich zu ihr herum. „Wenn der kleine eben ruhig war, dann...“, es raschelt unter der Decke. Hilary spürte seine Hand auf ihr. Seine Wärme breitete sich gleichmäßig auf ihrem Bauch aus und nach einigen Tritten gegen seine Hand versiegten sie. Die Japanerin lächelte glücklich und legte ihre Hand auf seine, die er umgehend fest mit ihrer verhakte. Einige Wochen später: Es waren weitere zwei Monate vergangen. Der Frühsommer weckte die Vögel schon bei Zeiten und der Gesang hallte durch die Gärten. Zwischen diese schönen Gesänge, mischte sich ein Ton der überhaupt nicht harmonierte: ein Telefon. Es läutete hartnäckig vor sich hin und weckte das junge Paar, dass neben dem Nachtschränkchen im Bett lag. „Kai...dein Handy...“, murmelte die braunhaarige verschlafen. Sie gab ihm mit der Hand einen Schubser, sodass er tief einatmete. Er versuchte bereits dieses Handy zu ignorieren, durch Hilary wurde es nicht leichter. „Lass es doch...“ „Geh schon ran...ich bin müde...“, sie stupste ihn nochmals kräftiger an. Gezwungen linste er auf das Display. „Unbekannte Nummer...“ „Lohoooos...“ „Was krieg ich dafür?“, fragte er spitz und schielte seiner Frau zu, die ihm auch entgegen schaute. „Das sehen wir dann.“, zwinkerte sie mit einem verschmitzten Grinsen. Also nahm er das Telefonat mit verdrehten Augen an. „Hiwatari.“, meldete er sich ernst wie immer. Als er am anderen Ende erfuhr wer dort mit ihm sprach, zog er die Augenbrauen hoch und war mit einem Schlag wach. „Ja. Nein, das ist kein Problem.“, Hilary verstand kein Wort am anderen Ende. Wenn er so aufmerksam zuhörte war es bestimmt wichtig. Um ihn etwas von seiner Ernsthaftigkeit abzulenken spielte sie galant mit ihren zarten Fingern auf seiner Brust. Langsam fuhr sie hoch zu seinem Hals, dann verdächtig weit hinunter zu seinen Shorts. Folglich warf der Russe ihr einen mahnenden Blick zu und griff mit der freien Hand nach ihrer. Damit kriegte sie ihn perfekt abgelenkt, denn er fragte bei seinem Gesprächspartner erneut nach. Sie streckte ihm die Zunge heraus und führte das Spiel weiter bis er auflegte. „Was sollte das?“, fragte er ärgerlich. Das Handy war vergessen und er rollte sich halb auf Hilary und hielt ihre Arme seitlich fest. Wäre ihr Bauch nicht im Weg, hätte er jetzt noch weitaus andere Dinge mit ihr getrieben. „Du wolltest doch etwas dafür haben...“ „Aber nicht währenddessen...“, maulte er. Die brünette formte ihre Lippen zu einem Kussmund. Ein kurzer Kuss folgte seitens Kai, dann noch einer und noch einer. Ehe er sich versah nahm seine Lust überhand an dieser Situation, doch Hilary bremste ihn aus. „Wer war eigentlich am Telefon?“, fragte sie während ihr Hals weiter mit Küssen bedeckt wurde. „Später...ich muss dich erst bestrafen...“ „Was?!“, schneller als sie gucken konnte, lagen seine Hände an ihren Seiten und kitzelten sie kräftig aus. Hilary brach in lauten Lachen aus. „Lass das! Hör auf!“, flehte sie unter ständigem Lachen, doch es half nichts. Gegen die Kraft ihres Mannes kam sie nicht an und er machte schonungslos weiter. Er beugte sich in einer Pause vor zu ihrem Ohr und flüsterte ihr etwas zu. „Wenn du momentan nicht so verdammt ungelenkig wärst, würde ich dir zeigen wie die Vögel hier noch zwitschern...“, hauchte er ihr entgegen und bedeckte ihren Körper wieder mit kurzen Küssen. Unbeeindruckt davon lenkte die Japanerin erneut um. „Wer war denn nun am Telefon?“ „Hil...“, Kai ließ den Kopf hängen. „...konzentrier dich bitte...“ „Das geht schlecht...ich muss dringend auf die Toilette...“, knurrend gab er es auf seiner Frau ein paar Zärtlichkeiten zu entlocken. Tja, die Blase bei Schwangeren war ziemlich beansprucht. Zur Tür gedreht lag er auf dem Bauch und wartete auf die Rückkehr seiner Frau. „Ich muss für eine Woche weg.“, warf Kai in den Raum als Hilary diesen betrat. Sie stoppte abrupt. „Wohin?“ „Nach Japan. Um genau zu sein: Tokio.“ „Also war der Anruf aus-“ „Ja. Mister Dickenson will mich dringend sprechen. Ich versuche so schnell wie möglich zurück zu sein.“ „Nein! Ich komme mit!“ „Das geht nicht.“ „Ich würde mich so freuen ihn wiederzusehen.“ „Du bist schwanger...“ „Ahja...ich darf bis zum Ende des siebten Monats fliegen! Nur zu deiner Information.“ „Ich überlege es mir...“, Kai erhob sich und zog sich an. Den restlichen Tag versuchten Hilary den blau-haarigen davon zu überzeugen auch mit nach Japan fliegen zu dürfen. Sie freute sich die anderen zu treffen. Am Nachmittag kam dem Halbrussen eine Idee. Wenn Hilary ihn erpressen konnte mit zu einem Arzttermin zu kommen, konnte er das gleiche mit ihr auch machen. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er ging zu Hilary ins Wohnzimmer. Sie spielte gerade auf dem Teppich mit Emilia. Die beiden bauten einen Zoo auf indem sie einzelne Tiere einzäunten. Kai setzte sich dazu und nahm eines der Tiere aus dem Gehege. „Ich hab mir das mit Japan nochmal überlegt...“ „Echt? Ich darf also mitkommen?“ „Unter einer Bedingung.“ „Und die ist?“ „Du wirst deine Eltern besuchen.“ Kapitel 77: Harte Verhandlungen ------------------------------- Kapitel 77 ~~~~~„Ich hab mir das mit Japan nochmal überlegt...“ „Echt? Ich darf also mitkommen?“ „Unter einer Bedingung.“ „Und die ist?“ „Du wirst deine Eltern besuchen.“~~~~~ Die Japanerin riss die Augen weit auf. Den kleinen Esel, den sie in der Hand hatte, landete unsanft auf dem Boden. Ihr Herz raste wild in der Brust. War das sein Ernst? Sie hatte ihm doch erzählt weshalb sie keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern hatte. „Ist das dein Ernst?“ „Das ist meine Bedingung.“ „Kai...“ „Jetzt liegt es bei dir.“, er stellte das Schaf in den Stall und verließ das Zimmer. Später nachdem sie Emilia ins Bett gebracht hatten, suchte die brünette nochmal das Gespräch mit ihrem Mann. „Kai, das mit vorhin...war das wirklich-“ „Ja. Hast du dich entschieden?“ „Ich würde so gerne wieder nach Japan...aber das mit meinen Eltern...“ „Du sagtest damals, du bist einfach verschwunden ohne ihnen ein Wort zu sagen. Denkst du nicht sie machen sich Sorgen?“ Hilary biss sich auf die Unterlippe. „...doch...“ „Also?“ Die junge Frau zögerte sehr. „...na gut...du nimmst mich mit!“ „Und du triffst dich mit deinen Eltern.“, fügte Kai streng hinzu. Hilary nickte kaum sichtbar. Ihre Freude wurde von dieser Last verdrängt. Wie sollte sie das machen? „Ich habe die Flüge für morgen Abend gebucht. Dann kannst du dich mit Emilia während des Fluges ausruhen.“ „Ja...“ In der kommenden Nacht lag Hilary noch lange wach. Sie konnte ihre Gedanken einfach nicht ausschalten. Ob das gutgehen würde? Am folgenden Nachmittag machten die drei sich auf den Weg zum Moskauer Flughafen. Das Gepäck geben sie am Schalter ab und gingen in den Wartebereich, wo ihr Flugzeug ankommen würde. Eine knappe Stunde später saßen sie auf ihren Plätzen. Der Start der Maschine verzögerte sich nur um wenige Minuten, dann hoben sie ab gen Himmel. Emilia staunte nicht schlecht bei dem was sie sah und schaute begeistert aus dem Fenster. Kai buchte ihnen First class Tickets, somit konnten sie viel Platz genießen. Hilary kam das ganz recht. Als die Sonne unterging legte sie Emilia schlafen und ruhte sich auch aus. Bedrückt sah sie zum kleinen Fenster hinaus auf die kleinen Lichter, welche die Dunkelheit erhellten. „Machst du dir immer noch Sorgen?“, flüsterte Kai ihr zu, worauf sie kurz nickte. „Ich werde bei dir sein. Ruh dich aus. Morgen wird ein anstrengender Tag für dich.“, er reichte ihr eine weiche Decke, die sie dankend an nahm und sich darin einkuschelte. Etwas später schlief sie ein. Einige Stunden vergingen bis Kai sie weckte. „Hey. Hey, Hil. Wach auf. Wir sind gleich da.“, vorsichtig versuchte er sie zu wecken. Müde rieb sie sich ihre Augen. „Schon da?“ „Ja, schnall dich an.“ 15 Minuten darauf landetet das Flugzeug sicher auf dem Tokio Airport. Emilia setzten sie in den Wagen und Kai schon die kleine bis zum Gepäckband, an dem sie auf ihre Koffer warteten. Es war ungewohnt wieder in der Heimat zu sein empfand Hilary. Kai schien das nichts auszumachen. Mit den Koffern im Schlepptau gingen sie zu einem der Taxen. Der blau-haarige hatte bereits alles arrangiert, so dass sie problemlos vom Flughafen zum Hotel kommen würden. Ein Chauffeur stand bereit um die Gepäckstücke einzuladen. Im Hotel frühstückten sie und Kai eröffnete den weiteren Tagesablauf. „Hör mal...ich dachte die Sache mit deinen Eltern erledigen wir gleich. Dann hast du es hinter dir.“, Hilary schien nicht sehr beeindruckt von seiner Idee. „Nein, anders. Wir fahren am Tag unserer Abreise zu ihnen.“ „Die Abreise kann sich spontan früher ergeben oder nochmal verschieben. Es wäre dumm so zu handeln. Nach dem Frühstück fahren wir los.“ Kai wollte das unbedingt durchziehen. Er würde sie zwingen zu ihren Eltern zu gehen. Verübeln konnte sie es ihm nicht, sie stellte ihn auch schon öfter vor die Wahl. Ändern konnte sie es nicht mehr, sie sagte ja bereits zu. Hilary machte sich im Hotelzimmer frisch und zog such andere Kleidung an, ehe sie losfuhren. Kai mietete einen Leihwagen mit dem die unabhängig von den öffentlichen Verkehrsmitteln waren. Die waren stets überfüllt. „Wo wohnen deine Eltern nochmal?“, die brünette leitete ihn durch die Straßen, bis sie etwas außerhalb in ein Wohngebiet fuhren. Es standen überall Einfamilienhäuser und die Straßen waren eng und verwinkelt. „Jetzt weiß ich wieder.“ „Kai...ich hab ein ungutes Gefühl...“ „Geht's dir nicht gut?“, besorgt sah er zu ihr. „Doch...schon...“ „Welches Haus war es noch gleich?“ „Dort vorne auf der linken Seite...“ Kai hielt ein Stück nach der Einfahrt zum Haus. Der schwarze Wagen fiel in diesem Wohngebiet sofort auf. Niemand dort fuhr einen gehobeneren Wagen. „Na dann, los.“, der Russe schnallte sich ab und öffnete die Fahrertür. „Halt, warte! Ich möchte das alleine machen.“, bat sie eilig, worauf Kai zurück in den Sitz glitt und die Tür schloss. „Gut. Ich warte hier.“ „Danke, Kai...“, nervös spielte die schwangere an ihrer Handtasche herum. „Du schaffst das.“, bestärkte er sie und drückte ihre Hand fest. Hilary holte tief Luft und stieg aus. Mit jedem Schritt, den sie machte, wurde ihre Angst größer. Wie würden ihre Eltern reagieren? Würden sie ihre Tochter wieder wegschicken? Sie stand vor der Tür. Unsicher verdeckte Hilary den Bauch mit ihrer Handtasche. Ein prüfenden Blick über die Schulter, gab ihr Sicherheit, dass Kai dort auf sie wartete. Sie konnte jederzeit einfach gehen...doch vorher nahm sie all ihren Mut zusammen und drückte auf die Klingel. Drinnen ertönte das Klingeln, kurz danach näherten sich Schritte. In der geöffneten Tür stand eine ältere Frau und schlug sich die Hände vor das Gesicht. „Hilary?“, sagte sie bestürzt darüber wen sie sah. „Hey...Mom...“, erwiderte die brünette zaghaft. Es war ihr sehr unangenehm. „Du bist es wirklich! Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht!“, die ersten Tränen liefen ihr über die Wangen, außer sich vor Freude über das Wiederauftauchen ihrer Tochter. Als sie diese umarmen wollte, wich Hilary zurück. Ihre Mutter ließ die Hände sinken. „Oh...entschuldige... Wie kommt es, dass du wieder da bist?“ „Ähm...ich...“, die junge Frau wusste nicht was sie sagen sollte. Sollte sie gleich die Wahrheit sagen? Oder nicht? Aus dem Hintergrund vernahm sie eine Stimme. „Wer ist denn an der Tür, Asako? Komm wieder rein!“, Hilary erkannte die tiefe Stimme sofort. „Gleich, Henry!“, rief ihre Mutter zurück und wand sich wieder Hilary zu. „Ich freue mich so, dass du wieder da bist.“ „Ich bleibe nicht lange...“ „Wieso nicht? Du bist doch immer willkommen bei uns.“, ihre Mutter versuchte sie umzustimmen, als ihr Vater genervt an die Tür kam. „Was ist hier los?“ „Henry, sieh doch! Hilary ist wieder da!“ „Mom...bitte....“ Ungläubig trat der neben seine Frau und sah sie abwertend an. „Und was willst du hier? Drei Jahre hast du dich nicht blicken lassen und nun tauchst du wieder auf?“ „Henry, es ist doch wunderbar, dass sie wieder da ist! All unsere Sorgen waren unbegründet! WO hast du die letzten Jahre gelebt?“ „In Osaka und ich wollte euch etwas sagen.“ „Und was?“, giftete ihr Vater gleich drauf los. „...dass du von irgendeinem Typen geschwängert wurdest, der dich sitzen ließ?! Was versteckst du da überhaupt hinter deiner Handtasche?!“, hakte der Japaner schlecht gelaunt nach. Zögernd ließ Hilary die Tasche an die Seite sinken. Ihre Mutter schlug erneut geschockt die Hand vor den Mund. „Du bist wirklich?“ Die braunhaarige nickte und schaute auf den Boden. Ihr Vater lachte siegessicher. „Und nun brauchst du Geld von uns, um das Kind durchzubringen? Du bist nicht einmal verheiratet und schleppst uns diese Schande an?!“ „Aber Papa...ich bin..“ „Henry, beruhige dich doch bitte.“ Hilary wurde mit jedem Wort ihres Vater kleiner. Sie erinnerte sich daran, dass sie von ihrem Vater immer nur schlechtes gehört hatte. Egal wie gut ihre Leistungen in der Schule waren oder ob sie eine weitere Weltmeisterschaft mit den Bladebreakern gewann. Sie war nie gut genug... „Es reicht jetzt aus.“, Hilary sah vom Boden auf. Diese ruhige, bestimmte Stimme holte sie aus dem dunklen Loch in dem sie sich gerade befand. Die junge Frau sah in zwei entschlossene Rubine die vor Wut funkelten. „Kai...“ „Was willst du hier? Das ist eine Sache zwischen mir und meiner Tochter!“ „Das sehe ich anders. Hilary versucht Ihnen etwas zu erzählen. Und Sie hören ihr jetzt verdammt nochmal zu!“, der Russe war rasend vor Wut. Aus dem Auto hörte er dem Gezeter ihres Vaters eine Weile zu ehe er entschied dazu zu kommen. Wie konnte er so mit ihr reden? „Du glaubst, du kannst dich hier aufspielen, weil du meine Tochter von früher kennst? Hilary braucht keine Unterstützung von einem Kerl, dem die jahrelang hinterher geheult hat!“ „Doch. Und ich werde Sie solange unterbrechen, bis Sie meiner Frau endlich zuhören!“, bäumte sich der Russe vor ihrem Vater auf und stellte sich schützend vor die brünette. Mit seiner finsteren Miene starrte er seinem Gegenüber ins Gesicht. „Kai bitte...“, Hilary sah die Situation eskalieren und wollte alle beruhigen. Sie legte die Hand auf seine Brust um ihn zu bremsen. Was würde sonst noch passieren? „Deiner Frau?“, Asako glaubte sich verhört zu haben. Sie versuchte ebenso ihren Mann zu bremsen, denn der drohte auf Kai loszugehen. Hilary wollte genau dieser Situation entgehen. Sie wollte das alles nicht, Nicht so! Warum passierte das?! Endlich fand sie ihre Sprache wieder. „Ja, Mom...“, der blau-haarige drehte seinen Kopf herum. „...wir sind verheiratet.“ Ihr Vater holte gerade zu einem nächsten Schlag aus. „Du hast dich auf den Kerl eingelassen, der dich nie beachtet hat? Ich dachte, du wärst klüger!“ „Passen Sie auf, was Sie sagen!“, fiel Kai dazwischen. „Beruhige dich endlich, Henry! Denk doch an die Nachbarn!“, Asako bangte um das Ansehen ihrer Familie. Henry wurde augenblicklich still. „Lasst uns doch bitte reingehen.“, bat sie versöhnlich an, doch Kai gab ihr keine Antwort. Er wartete auf die Entscheidung seiner Frau. Zögerlich nickte sie. Kai nickte ebenso und sagte ihr auf russisch, dass er Emilia holen würde. Freudestrahlend lief die kleine hinüber zu ihrer Mama, die in die Hocke ging und sie herzlich umarmte. Die geschockten Gesichter ihrer Eltern bemerkte sie nicht. Drinnen setzten sich alle Beteiligten in die Küche. Dort gab es genügend Platz um sich ruhig zu unterhalten. Kai ließ Hilary und Emilia keinen Augenblick aus den Augen. Die brünette sah verschüchtert aus, als sie sich an den Tisch setzte. Ihr gegenüber saßen ihre Mutter und ihr Vater, der bereits wieder streng schaute. Jeden Moment rechnete Hilary damit sich wieder mit seinen unendlichen Vorwürfen auseinander zu setzen. „Du bist also mit diesem Kerl zusammen?“ „Vorsicht.“, warnte dieser ihn bedrohlich. „Ja. Und ich bin glücklich!“, verteidigte sie sich und fühlte sich plötzlich sicherer mit ihrem Mann an der Seite. Ihre Mutter freute sich dagegen für ihre Tochter. „Sehr schön, und das Kind?“, sie nickte Emilia zu. „Unsere Tochter.“, erklärte Kai so knapp es ging.“ „Wie heißt du denn, kleine?“ Emilia schaute sich suchend nach ihrem Vater um. In ihrem jungen Alter hatte sie schon gelernt nicht mit jedem zu sprechen. Ein kurzes 'Ja.' auf russisch gab ihr Erlaubnis und sie verkündete stolz ihren Namen. „Emiya!“ „Eine Schande...“ „Henry!“ „Bist du wegen diesem Kerl von Zuhause abgehauen?!“, fragte er wütend. Kai wollte erneut dazwischengehen. „Ja. Deshalb konnte ich nicht hier bleiben...“ „Was hast du Flegel mit ihr angestellt?!“ „Er hat gar nichts gemacht!“, der Russe sog die Luft scharf ein. „...ich wollte es...“ Ein lauter Knall auf den Tisch ließ alle zusammenschrecken. „Das glaube ich nicht! Du hast meiner Tochter das Herz geraubt und bist einfach nach Russland zurückgegangen! Für dich war sie nur eine von vielen!“, hetzte Henry erneut los. „Das ist nicht wahr!“, nun wurde auch Kai laut. Seine Hand stützte sich ebenfalls kraftvoll auf dem Tisch ab. Ihm gefiel es gar nicht, wie über ihn geredet wurde. „Ich musste meiner Arbeit nachgehen! Da war keine Zeit mehr!“ „Natürlich hattest du keine Zeit! Die Gefühle der Mädchen waren dir schon immer egal! Und jetzt spielst du mit den Gefühlen meiner Tochter!!“ „So ein-“ „Kai, lass es bitte...“, hörte er Hilary leise auf russisch sprechen. Ihr Vater würde nicht aufhören, egal war er jetzt antworten würde. Der blau-haarige erwiderte erregt etwas auf russisch. Er wollte das nicht auf sich sitzen lassen. Hilary verstärkte ihre Stimme. „Bitte....“, sie klang zittrig, fast so als würde sie jeden Moment zerbersten, also gab er widerwillig nach. Ihre Mutter versuchte beide Seiten zu beruhigen. „Oh, Hilary, du weißt doch, egal, was passiert, wir sind für dich da...“ „Auch, wenn Ihre Tochter Ihnen gesagt hätte, sie sei schwanger?!“, der blau-haarige konnte das einfach nicht auf sich sitzen lassen. Wenn Hilary nicht den Mut hatte sich ihrem Vater zu widersetzen, so würde er es für sie tun. Die Japanerin hielt ihre Arme verkrampft vor dem Bauch verschränkt. Warum konnte er es nicht gut sein lassen? Asako sah Kai und Hilary an. Sie beugte sich vor und legte liebevoll ihre Hand auf die Schulter ihrer Tochter. „Natürlich, das hätte wir doch alles geschafft.“, lächelte sie betrübt und bei der brünetten brachen alle Dämme. Sie versuchte ihre Tränen zu unterdrücken, doch es half nichts. Kai schloss seine Augen und atmete bedrückt aus. Er konnte es nicht ausstehen, wenn Frauen weinten. Er fühlte sich hilflos. Henry schob seinen Stuhl schwungvoll zurück und verließ ohne ein Wort die Küche. Es war noch immer rasend und musste sich beruhigen. „Ich dachte, ihr wollt mich dann nicht mehr haben...“, schluchzte die braunhaarige und verdeckte ihr Gesicht mit den Händen. „Was redest du denn da?“, Asako umarmte ihre Tochter kräftig. Niemals hätte sie das Gedacht! „Ich freue mich wirklich für dich. ...für euch.“, sie sah auf und lächelte. „Du musst mir alles erzählen Hilary.“, die wischte einmal mehr ihre Tränen weg und berichtete ihrer Mutter. Jetzt verstand Kai auch warum Hilary die Bladebreaker nie zu sich einlud. Bei diesem aufbrausenden Vater hätte er sicher vor ihrem Besuch nicht Halt gemacht. So wie beim ihm auch nicht. Die brünette war das komplette Ebenbild ihrer Mutter, herzlich, liebevoll, aufopfernd. Absolut gar nichts hatte sie von ihrem Vater. Ein Glück. Asako verstand nach ihrem Gespräch, welche Ängste die junge Frau damals hatte. Da konnte sie auch verstehen, dass sie keinen Kontakt wollte. Sie schämte sich für das, was geschehen war. Immerhin galt es in Japan als große Schande unverheiratet ein Kind zu bekommen. Jetzt saßen sie schon eine Stunde in der Küche und sprachen über die Vergangenheit. Emilia taute mittlerweile auch auf und verstand, dass Asako ihr nichts böses wollte. Sie saß auf ihrem Schoß und kritzelte mit einem Stift auf Papier herum. „Wo übernachtet ihr eigentlich?“, erkundigte die ältere Frau sich nach einer längeren Gesprächspause. „Wir haben ein Hotel gebucht.“, sprach Kai kurz, der sich sehr zurückhielt während des Gesprächs seiner Frau. Ihre Mutter wirkte traurig. „Vielleicht wollt ihr lieber hierbleiben?“, sie stand vom Tisch auf und holte ein wenig Gebäck aus einer Schublade. Das junge Paar schaute sich kurz an. In ihren Augen sah man, wie sie eine stumme Unterhaltung führten. Hilary's Blick senkte sich kurz darauf unentschlossen. Es fiel der brünetten schwer, dass merkte Kai ihr an. Der ergriff die Initiative und antwortete stattdessen. „Wir werden im Hotel bleiben. Danke für Ihre Einladung.“, dankend und erleichtert schloss Hilary die Augen. „Bist du müde, Hilary? So eine Schwangerschaft kann sehr kräftezehrend sein.“ „Ja, etwas...“ „Komm leg dich hin. Ich hol dir eine Decke.“ „Nein, Mama...“ „Hm?“ „Wir fahren jetzt.“, verkündete Kai überraschend. Für Hilary war es genug für heute. Ihre bittende Hand auf seinem Knie erleichterte ihm die Entscheidung umso mehr. Asako nickte. „Vielleicht besucht ihr uns nochmal... Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr Zeit findet.“ „Ja, vielleicht.“, die schwangere ließ ihre Entscheidung offen. Sie wollte nur noch weg, sie war müde und das Baby setzte ihr auch zu. Im Hotel angekommen war Hilary sich unverzüglich auf das weiche Bett, während Kai mit Emilia die Zimmer anschaute und die Koffer leerte. Kai buchte eines der besten Hotels. Sie hatten ein großzügig geschnittenes Hotelzimmer mit Nebenraum für Emilia und ein schönes Bad. Der kleine Balkon war über ein großes Panoramafenster erreichbar. Da Hilary nirgends mehr hingehen wollte, bestellten sie das Essen aufs Zimmer. Am zweiten Tag der Geschäftsreise winkte der erste Termin mit Mister Dickenson. Kai war früh auf und zog Emilia an, um seiner Frau unnötige Anstrengung abzunehmen. Er war mittlerweile viel sicherer im Umgang mit seiner Tochter geworden. Sie war nicht mehr so zerbrechlich wie zum Anfang ihres Kennenlernens. Jetzt spielte er unbeschwert mit ihr, trug sie auf dem Arm und erklärte ihr das Leben. Wie das Väter eben so machen. Zusammen weckten die beiden Hilary auf. Die wäre lieber noch im Bett geblieben, doch sie wollte Mister Dickenson unbedingt auch treffen. In der Zeit, wo Kai den Termin bei dem Chef der BBA hatte, konnte Emilia im hoteleigenen Spieleparadies die Zeit mit anderen Kindern verbringen. So musste sie sich nicht langweilen bei dem Termin. Im Gebäude der BBA nahmen die beiden das Fahrstuhl in die obere Etage. Kai wurde zusehends ruhiger und versuchte sich auf alle erdenklichen Themen im Kopf vorzubereiten. Da ihm Mister Dickenson am Telefon nichts genaues erzählte, war es schwer für ihn abzuschalten. Oben angekommen legte er seine ernste Miene auf, kalt, undurchdringbar, knallhart. Er wies Hilary an zu warten, während er bei der Sekretärin Bescheid gab, dass er eingetroffen war. Früher als nötig, aber es konnte nicht schaden. Die Sekretärin wusste von seinem Erscheinen. Dass er nicht allein kommen würde, erwartete sie nicht. Sie entschuldigte sich, um in das Büro von Mister Dickenson einzutreten. Kai und Hilary setzten sich auf die Stühle vor dem Büro. „Alles in Ordnung?“, Kai fiel auf das Hilary angestrengt atmete und ihren Bauch hielt. Sie lächelte ihn an. „Ja, es geht schon. Ob Mister Dickenson von uns weiß?“, überlegte sie. „Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal warum er mich sprechen will.“, der blau-haarige faltete seine Hände angespannt und schaute nachdenklich zum Fenster. „Sollen wir es ihm sagen?“ „Es wird eh nicht lange geheim bleiben. Unser gemeinsamer Auftritt und deine Schwangerschaft werden ihm sicher nicht verborgen bleiben.“ Auf einmal öffnete sich mit einem Ruck die Bürotür. Mister Dickenson trat heraus, gab seiner Sekretärin noch Arbeit mit an den Tisch und kam freundlich lächeln auf das junge Paar zu. Kai erhob sich augenblicklich um ihn zu begrüßen. „Hallo, Kai! Schön, dass du es einrichten konntest.“, er reichte ihm die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. „Warum wollten Sie mich sprechen?“, fiel der Halbrusse gleich mit der Tür ins Haus. „Das besprechen wir in meinem Büro.“, er bemerkte Hilary, die ebenfalls vom Stuhl aufgestanden war, um ihn zu begrüßen. „Oh, es ist schon, dass du auch hier bist, Hilary. Wie kommt es?“ „Hallo, Mister Dickenson! Ich wollte Sie einfach wiedersehen. Schließlich ist es schon eine gefühlte Ewigkeit her.“ Der ältere Herr lächelte. „Lass mich kurz mit Kai das Geschäftliche besprechen, dann habe ich noch Zeit für euch.“, er rückte seine Krawatte zurecht. Kai warf einen kurzen Blick auf Hilary, atmete aus und folgte dem Herrn in sein Büro. Die Holztür fiel ins Schloss und Hilary konnte nur noch das Klappern der Tastatur der Sekretärin hören. Im Büro setzten sich die beiden Männer gegenüber. Mister Dickenson saß an seinem große Schreibtisch auf dem Unmengen an Zetteln und Papierstapeln herumlagen. Er suchte ein paar einzelne Zettel zusammen. Kai wartete mit hochgezogener Augenbraue. „Jetzt zu deiner Frage, Kai. Ich verfolge seit geraumer Zeit deine Arbeit in Moskau. Du hast wirklich bemerkenswertes geleistet.“ „Danke.“ „Das du mit Max das Sportzentrum in Moskau und New York betreibst, möchte ich dir anbieten, hier in Tokio, das gleiche zu tun.“, erklärte Mister Dickenson freudig seine Idee. Der blau-haarige sah interessiert auf sein Gegenüber. Er wollte durchaus nach Japan erweitern, aber so plötzlich? „Ich würde mich sehr freuen, dich, hier in der BBA begrüßen zu dürfen.“, lächelte er weiterhin freundlich. Kai fiel aus allen Wolken. „Deshalb wollten Sie mich sprechen?“ „Ja.“ Der Russe fuhr sich ein paar Mal durch die Haare, er war unentschlossen. „Ich kann das jetzt nicht entscheiden.“ „Das ist mir natürlich klar. Ich habe dir ein paar Unterlagen vorbereitet.“, er reichte einige Zettel zu ihm. „...ließ es dir in Ruhe durch und denk darüber nach.“ „Das werde ich.“ „Ich brauche bis spätestens Ende der Woche eine Entscheidung von dir.“ „Ja.“, abwesend blätterte Kai durch die Verbindlichkeiten des Vertrages. Dabei stolperte er über einen interessanten Punkt, der er noch ansprechen musste. „...hier steht, dass ich eine Leitung für das japanische Zentrum finden muss...“, er sah ernst auf. „Gibt es niemanden, dem Sie es zutrauen würden?“ Der alte Mann schüttelte betrübt den Kopf. „Nein, leider. Meine erste Wahl fiel auf die ehemaligen Bladebreaker, aber nachdem ich feststellen musste, dass ihr alle eigene Ideen verfolgt, verwarf ich das. Du warst meine letzte Hoffnung.“ „Hm...“ „Ich warte einfach auf deine Antwort. Überlege es dir gut. Gut, lass uns zu Hilary gehen, sie wartet sicher schon.“ „Hm.“, er biss die Zähne zusammen und folgte erneut dem grauhaarigen. Im Flur sah Mister Dickenson erstaunt auf Hilary, die gerade liebevoll ihren Bauch streichelte. „Entschuldige, dass es so lang gedauert hat. Oh? Welch eine Überraschung, du bekommst ein Kind?“, Mister Dickenson kam auf die brünette zu und lächelte sie breit an. „Fantastisch, wir brauchen Nachwuchs!“, Kai verfolgte seine überschwängliche Freude wortlos hinter ihm stehend. Hilary lächelte verlegen. „Ja, aber ob es bladen wird, soll es selbst entscheiden. Wie ist es denn gelaufen?“, erkundigte sie sich auch gleich bei Kai, als sie ihn erblickte. „Erklär ich dir später.“ „Warum denn? Hilary wäre doch sicher auch perfekt dafür geeignet!“ „Wofür geeignet?“, ihr Blick wanderte ahnungslos zwischen den Männern hin und her. „Mister Dickenson...Sie bekommt ein Kind. Da hat sie andere Verpflichtungen.“, versuchte Kai möglichst professionell zu klingen. „Ja, trotzdem könntest du sie mit Max in der Zeit unterstützen. Schließlich habt ihr schon Erfahrungen auf dem Gebiet gesammelt.“ „Mister-“ „Du wohnst doch noch in Tokio?“ Hilary war irritiert von dem was der grauhaarige von ihr wollte. Was sollte sie denn machen? Wofür war sie perfekt geeignet? Sie atmete hörbar laut aus. „Mister Dickenson, ich glaube, es gibt da einiges aufzuklären. Ich wohne schon länger nicht mehr in Tokio. Und...es hat sich auch noch mehr verändert. Ich bin nicht zum ersten Mal schwanger, sondern habe schon eine Tochter. Und, dass Kai und ich zusammen hier sind, ist auch kein Zufall.“ „Wir leben zusammen in Moskau.“, brachte es Kai auf den Punkt, worauf der ältere Herr sich zu ihm drehte. Verständnisvoll nickte er. „Damit habe ich nicht gerechnet. Dann wirst du mein Angebot wohl nicht annehmen.“ „Hm.“, das konnte der Russe ihm nicht beantworten. Er müsste jemanden finden, dem er eine so große Aufgabe widmen könnte. Und der dafür geeignete Führungsqualitäten besaß. Viele gab es seiner Meinung nach nicht. Und die Zeit drängte. Mister Dickenson holte ihn aus seinen Gedanken. „Was haltet ihr von einem Abendessen? Ich lade euch ein.“ „Wollen Sie mich damit beeinflussen?“ Lauthals lachte der grauhaarige los. „Natürlich nicht. Du hast schon immer das gemacht, was du wolltest.“, unweigerlich musste auch der junge Mann grinsen. Wie recht er doch hatte. Also machten sich die drei einen Termin für den Abend aus. Das junge Paar beschloss, dass es besser wäre das Abendessen in ihrem Hotel einzunehmen, um Emilia später schlafen zu legen. Zurück im Hotel wurden die beiden sehnlichst von ihrer Tochter erwartet. Sie spielte in der Zeit über mit den anderen Kindern, tobte, malte und bastelte. Das musste sie ihren Eltern beim Mittagessen alles erzählen. Danach fuhren sie mit dem Fahrstuhl in ihre Etage. Kai trug seine Tochter über den Flur, denn vom vielen herumtollen war die kleine ziemlich geschafft. Das Hotelzimmer glich fast einer kleinen Wohnung. Das große Zimmer mit einem Doppelbett, Couch, TV, Schreibtisch und Mini-Bar wurde sehr stilvoll eingerichtet. Angrenzend das kleinere Zimmer in dem Emilia schlief. Hier stand das Bett neben dem Fenster, ein kleiner Schreibtisch mit Stuhl, ein großer Kleiderschrank und ein kleines TV-Gerät. Ebenso hochwertig und stilvoll wie im Nebenzimmer. Kai brachte die kleine ins Bett und als er wieder herauskam lag auch seine Frau im Bett und ruhte sich aus. „War wohl doch zu viel, hm?“ „Nein...ich bin nur müde...“ „Wie du meinst.“, der blau-haarige legte sich auf die Couch, überschlug die Beine und studierte den Vertrag, den er am Vormittag bekam. Am Abend bereiteten sich die drei auf das Abendessen vor. Hilary suchte passende Kleidung für sich und Emilia heraus, wogegen Kai schon fertig gestylt war. Eine lockere Hose, ein weißes Hemd und dünnes Jackett. Die Krawatte sparte er sich, denn mit dem Binden kam er nicht zurecht. Er checkte vor dem Spiegel sein Aussehen und zupfte das Hemd zurecht, als Hilary aus dem Nebenzimmer kam und zwei Kleider hoch hielt. „Welches davon soll ich anziehen? Das? Oder doch eher das?“, sie stand nur in Unterwäsche im Türrahmen. „Wow...du siehst umwerfend aus!“ Kai sah zu ihr und konnte ein Grinsen nicht verbergen. „Danke, du siehst auch nicht schlecht aus...egal welches dieser unnützen Kleider du anziehst.“, er kam auf sie zu und packte sie an den Seiten. Hilary lief hochrot an. „Heeeey! Hör auf abzulenken!“ „Mama?“, tönte es neben der brünetten fragend. Mit einem Schreck fuhr sie zusammen und drückte Kai zurück. Dieser ließ sie gewähren. „Komm wir ziehen und schick an...“, die Tür flog mit Schwung vor der Nase des blau-haarigen zu. Der nickte stumm der Tür zu und begab sich für einen Moment zum großen Panoramafenster, um in die Stadt zu sehen. Die ersten Lichter auf den Straßen leuchteten bereits, es dämmerte. Warum brauchten Frauen immer so lange im sich zurecht zu machen? Im Nebenzimmer hörte er Hilary brüllen. Das tat sie selten. „Neeeeeiiiiin! EMILIA!“ Kai klopfte an die Tür. „Alles ok bei euch? Wir müssen los!“ „Geh du schon mal vor! Das dauert noch etwas bei uns...“ „Okay.“, dass ließ er sich nicht zweimal sagen und ging los. Wo wollten sie sich eigentlich mit Mister Dickenson treffen? Da sie nichts genaues ausmachten, wartete an der Rezeption des Hotels. Wenig später traf er auch schon Mister Dickenson, der wie immer einen schwarzen Anzug mit Hut trug. „Guten Abend, Kai. Wo hast du denn Hilary gelassen?“ „Die ist noch oben. Sie wissen doch...Frauen...“, etwas verhalten lächelte der ältere Mann. „Lass sie uns zum Tisch gehen.“ „Ich hoffe, ihr hattet keine Umstände, wegen der kurzfristigen Einladung.“ „Nein.“, die beiden Männer nahmen an einem Tisch für vier Personen platz. Etwas zehn Minuten später kamen auch Hilary und Emilia dazu. „Entschuldigen Sie die Verspätung, aber Emilia und ich, wir hatten noch eine Meinungsverschiedenheit...“, der grauhaarige Herr erhob sich zum begrüßen der beiden Damen. Auch Kai tat selbiges und rückte seiner Frau den Stuhl zurecht. „Was war los?“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Emilia wollte das gelbe Kleid nicht anziehen...und hat es zerrissen... Jetzt hat sie das an was sie wollte...“, antwortete die Japanerin und Kai zog die Augenbraue verdächtig hoch und schaute die Kleine eindringlich an. Emilia trug eine kurze blaue Jeanshose kombiniert mit einem rot-weiß gestreiftem Shirt, weiße Ringelsöckchen und schwarzen Lackschuhen. „...das ist dein Sturkopf...“, fügte die braunhaarige hinzu, worauf Kai schwer seufzte. Seine Frau entschied sich gegen beide Kleider die sie ihm gezeigt hatte, sondern trug eine bequeme orangene Bluse unter der ein weißes Top durchschimmerte, eine schwarze Stoffhose und leichte Schuhe. „Das ist deine große Tochter, ja? Hallo kleine, verrätst du mir deinen Namen?“, Emilia verriet etwas schüchtern ihren Namen, vermutlich bereitete Hilary sie darauf vor. „Was für ein toller Name! Ich habe ein kleines Geschenk für dich mitgebracht.“, der alte Herr kramte in seiner Innentasche vom Anzug und zog einen kleinen Beyblade heraus. Emilia war sofort gefesselt von dem glänzenden Kreisel. Kai schaute skeptisch. „Ist das etwa kein gutes Geschenk?“ „Doch, vielen Dank!“, antwortete Hilary schnell. Kurz darauf kam der Kellner und nahm ihre Bestellungen auf. Danach breitete sich Stille am Tisch aus, die Mister Dickenson versuchte zu brechen. „Ihr gebt wirklich ein tolles Paar ab! Wie kam es denn doch dazu?“ „Das ist eine lange Geschichte.“, wollte Kai gerade das Thema umgehen, doch seine Frau erzählte munter drauf los. Einige Punkte ließ sie wohl wissend aus, von denen sie wusste, dass sie privat bleiben sollten. Zwischendurch brachte der Kellner schon die Getränke. Mister Dickenson war hellauf begeistert von dieser Geschichte. Es war schon damals ein offenes Geheimnis, dass Hilary für den blau-haarigen mehr empfand, doch dass Kai je auf sie eingehen würde, damit rechnete niemand. Während des Essens kamen noch weitere Themen auf den Tisch. Sie sprachen viel über die Vergangenheit, Kai erzählte von seinen Plänen mit Max und der Forschung an neuen Beyblade-Teilen und Startern und Emilia spielte mit ihrem ersten eigenen Beyblade am Tisch. Als der nun schon zum sechsten Mal herunterfiel, hatte Kai keinen Nerv mehr ihn ein siebtes Mal aufzuheben und legte den Blade in die Mitte des Tisches. Dort kam Emilia nicht mehr heran. Sofort brach ein lauter Schrei aus der kleinen heraus, der durch das komplette Restaurant zu hören war. Kai ignorierte das Verhalten seiner bockigen Tochter und trank etwas aus seinem Glas. Als dann zufällig Emilia Löffel vom Teller, gefolgt von der Serviette auch unter dem Tisch landeten, schaltete sich auch Hilary ein und wies ihre Tochter zurecht. Das tat sie auf russisch, denn das verstand die kleine am Besten. Zwei Minuten später weinte Emilia mit einem übertrieben verzogenen Mund. Den Beyblade bekam sie dadurch auch nicht zurück. „Ich werde mit Emilia hochgehen. Sie ist sicher müde, deswegen ist sie so zickig. Entschuldigen Sie, Mister Dickenson.“ „Ach was, kein Problem. Das haben wir doch alle einmal durchgemacht.“, lachte er keineswegs böse über die eskalierte Situation am Tisch. Kai war darüber nicht sehr erfreut, so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben mit seiner Tochter. „Es ist nicht leicht mit Kinder, was?“, scherzte der ältere. Der jüngere dagegen ließ sich in den Stuhl fallen und leerte sein Glas. „Hm. Ein stures Kind.“ „Russisches Temperament.“, grinste der grauhaarige vor sich hin. Kai zog die Augenbrauen hoch. Klar wusste er worauf Mister Dickenson anspielte. Aber das er mal als Kompliment. Dem blau-haarigen fiel der Beyblade auf. Hilary hatte ihn nicht mitgenommen. Er nahm ihn zu sich und sah ihn prüfend an. Die Ausführung der Teile war makellos und auch das Gewicht schien gut ausbalanciert. Sein Handyklingeln ließ ihn vom Beyblade abkommen. Hilary rief an, nur um ihm zu sagen, dass sie nicht nochmal zu ihnen ins Restaurant kommen würde. Sie wollte sich ausruhen, da Emilia oben einen weiteren Wutanfall bekam. Nach seinem Gespräch nutzte Mister Dickenson seine Chance. „Das ist ein Prototyp der neuen Reihe.“, erklärte der grauhaarige und erweckte Kai's Interesse. Der zerlegte den Blade in seine Einzelteile und schaute sich jedes genau an. „Haben Sie vor, hier in Tokio, mit der neuen Reihe in Serie zu gehen?“, erkundigte sich der junge Mann, während Mister Dickenson die Rechnung für das Abendessen bezahlte. Sie würden ihr Gespräch an der Bar weiterführen. Dort wurden die härtesten Verhandlungen geführt. „Erstmal sollen Tests absolviert werden zu Qualität und Genauigkeit.“ „Deswegen wollen Sie Max und mich ins Boot holen, nicht wahr?“, sie setzten sich auf die Barhocker und Kai bestellte zwei Wodka. „Hehehehe...so kann man das ungefähr sagen.“, gab er ertappt zu. „Die neuen Zubehörteile für Beyblades müssen auf Herz und Nieren getestet werden. Nicht nur auf dem Papier oder im Labor, sondern von Menschen, begeisterten Kindern. Und da kann ich mir niemand besseren als dich oder Max als Trainer vorstellen.“ Das hörte sich keinesfalls schlecht für den Russen an. Er könnte damit eine engere Zusammenarbeit zwischen BBA und PPB erreichen. Eine gegenseitige Offenlegung der Forschungsergebnisse würde dazu führen, dass noch rasanter neues Zubehör auf den Markt kommen würde. „Das hört sich alles nicht schlecht an Mister Dickenson...aber, als Geschäftsführer des Moskauer und New Yorker Sportzentrums kann ich das Angebot so nicht annehmen. Sie schreiben in ihrem Vertrag davon, dass eine Zentrumsleitung gestellt werden muss. Für mich wäre es kein Problem jemanden zu organisieren. Allerdings wird es dann nicht nach den Plänen der BBA, sondern nach meinen Plänen laufen. Max und ich führen ein sehr strukturiertes Trainingssystem in Moskau und New York. Wir wollen damit das maximale aus den Schülern dort herausholen und das erreichen wir nicht, wenn diese unregelmäßig trainieren und keine feste Trainingszeit haben. Wenn ich den Vertrag unterschreibe, wird der Hauptsitz in Moskau als Inhaber dieser Trainingshalle eingetragen und die BBA lediglich als Förderer neuer Produkte. Mitarbeiter, Bewerbungen, Trainingspläne...das wird alles von mir entschieden.“ Mister Dickenson schluckte schwer. „Du hast dir eine Menge Gedanken über mein Angebot gemacht.“ „Ich habe klare Vorstellungen von dem, was ich in Japan erreichen will. Und wenn das nicht über die BBA umsetzbar ist, werde ich einen anderen Weg finden. Dann allerdings als Konkurrent der Beyblade Battle Association.“ Kapitel 78: Zu früh?! --------------------- Kapitel 78 ~~~~~„Ich habe klare Vorstellungen von dem, was ich in Japan erreichen will. Und wenn das nicht über die BBA umsetzbar ist, werde ich einen anderen Weg finden. Dann allerdings als Konkurrent der Beyblade Battle Association.“~~~~~ „Nun gut, Kai. Ich merke, dass du hart verhandelst. Wie wäre es, wenn du dir morgen die Halle anschaust über die wir reden?“ „Gute Idee.“ „Du kannst dir vor Ort ein Bild davon machen.“ Der Abend verstrich rasant bei den hitzigen Verhandlungen, die sich die beiden Männer leisteten. Entscheiden wollten sich beide aber trotzdem nicht. Einige Etagen über dem Restaurant wachte Hilary aus ihrem Schlaf auf. Sie wurde von einem unangenehmen Druck geweckt, der aus ihrer Bauchgegend kam. Verschlafen setzte sie sich auf und atmete ein paar Mal tief aus. Waren das etwa die ersten Wehen? Ruhig atmete sie weiter. Das würde gleich wieder vorüber sein. Als ihre Schmerzen nachließen, legte sie sich wieder hin. Das war allerdings nur von kurzer Dauer, denn eine viertel Stunde später holten sie die gleichen unangenehmen Schmerzen nochmal aus dem Schlaf. Das konnte doch nicht wahr sein. Sie wollte doch einfach nur schlafen. Hilary bemerkte, dass Kai noch nicht zurück war. Ob er noch unten saß? Sie griff nach dem Handy und schaute darauf. „23:12 Uhr...“, sie wählte die Nummer ihres Mannes und kurz darauf hörte die brünette ein Freizeichen. Hoffentlich nahm er schnell ab. In der Bar sah der Russe auf das Display und entschuldigte sich. „Hil?“, er drehte sich von Mister Dickenson weg. Am anderen Ende hörte er das angestrengte Atmen seiner Frau. „Kannst du bitte...hochkommen?“, sie atmete laut aus. „Was ist denn?“, ihr Verhalten war höchst ungewöhnlich für die Japanerin. Sie rief ihn nie an, wenn er unterwegs war oder bat ihn zurück zu kommen. Er zog die Augenbrauen nachdenklich hoch, während er in sein leeres Glas schaute und auf Antwort wartete. „Bitte...irgendwas stimmt nicht...“ Wie vom Blitz getroffen erstarrte der Russe. „Mister Dickenson, rufen Sie einen Arzt! Zimmer 208! Verdammt!“, mit diesen Worten lief er schon Richtung Fahrstuhl und drückte angekommen die Taste unzählige Male, als ob die Tür sich dadurch schneller öffnen würde. In der Bar rief der grauhaarige hektisch einen Arzt. Er wusste nicht einmal was passiert war. Am anderen Ende wurde er weitergeleitet an einen örtlichen Arzt in Bereitschaft. Der kündigte sein Ankommen schnell an. Oben eilte Kai aus dem Fahrstuhl heraus den langen Flur Richtung Hotelzimmer. In seinem Kopf spielten sich unzählige Szenarien ab. Was erwartete ihn gleich? Mit eiligen Schritten lief er weiter und hielt an der Zimmernummer 208 an. Er holte kurz Luft um sich zu sammeln und um sich auf das vorzubereiten, was ihn erwartete. „Hil! Was ist los?“, Kai sah seine Frau im Bett sitzend, die ihren Bauch hielt. Noch völlig außer Atem von seinem Sprint, kam er näher. „Ich glaube...das sind Wehen...“, und atmete wieder aus. Hilary war erstaunlich ruhig und gefasst. Klar, sie bekam ja schon ein Kind. Aber Kai war unglaublich unsicher. „Und jetzt?“ „Kannst du einen Arzt rufen?“ „Der ist unterwegs.“ „Gut...dann warten wir jetzt...und hoffen, dass das Baby nicht jetzt kommt...“ „Jetzt?! Aber was ist-“ „Beruhig dich, Kai...das können auch Übungswehen sein...“ „Zur Hölle! Was soll ich tun?!“, motzte er aufgescheucht wie ein Huhn. Hilary lächelte kurz. „Hol mir einen kühlen Lappen... Mir ist warm...“, sofort eilte der werdende Vater los, stolperte fast über das Schränkchen neben der Couch, zum Bad. Zurück am Bett gab er den kühlen Lappen ab, den sich die braunhaarige sofort auf die Stirn legte. „Bleib ruhig Kai...“, Hilary nahm es gelassen und versuchte weiterhin den blau-haarigen zu beruhigen. Dem war allerdings so gar nicht nach ruhig bleiben. Wenn das nur Übungswehen waren, wie sollten dann die richtigen sein? Wenig später näherten sich Schritte auf dem Hotelflur. Mister Dickenson erwartete den Arzt bereits am Hoteleingang um ihm den Weg zu zeigen. Kai öffnete ungeduldig die Zimmertür. Er machte dem Arzt bereits Platz. Mit seinem Arztkoffer bewaffnet, stoppte er an der Tür und wollte sich nach dem Patient erkundigen. „Haben Sie mich gerufen?“, der blau-haarige nickte mit weit geöffneten Augen. Hatte er sich gerade versehen? „Äh- ja. Da lang.“, perplex deutete er in den hinteren Bereich des Zimmers, worauf der Arzt los eilte. Kai folgte ihm nervös. Das konnte doch nicht möglich sein. „Was ist denn passiert?“, erkundigte sich der schwarzhaarige Arzt und schaute nun schockiert auf die Patientin, die ihn erwartete. „Hilary?“, rief er überrascht und rückte seine Brille zurecht. Kai antwortete für seine Frau. „Sie hat Schmerzen...und-“, gab er schnell als Antwort. Der junge Mann nickte kurz. Die brünette legte sich erneut den kühlen Lappen auf die Stirn als sie sah wer dort in der Tür stand. „Hey... Ich habe Wehen bekommen...glaub ich...Kommt mein Baby etwa schon?“, sie hielt ihren Bauch und atmete tief durch. Gerade plagten sie weniger die Schmerzen, als die unerträgliche Hitze in Tokio. „Seit wann hast du die Schmerzen?“, fragte der Mann mit chinesischen Wurzeln beiläufig und kramte in seiner Tasche herum. „Bestimmt schon...20 Minuten? Aber die Abstände sind sehr unregelmäßig.“ „Okay, ich seh mir das mal an. Kannst du dich bitte hinlegen?“, er zog ein Mini-CTG aus der Ledertasche. „Ich muss sehen wie es dem Baby geht...“ „Ja...“, sie legte sich flach hin und der junge Arzt schloss das Gerät an, welches sofort anfing gleichmäßige Geräusche von sich zu geben. „In welcher Woche bist du?“ „26. Woche.“ „Das ist noch sehr früh. Sollte das Kind geboren werden-“ „...stehen die Chancen nicht gut, oder?“, beendete die schwangere den Satz des Arztes, der ihr stumm zustimmte. Allerdings gab er nach ein paar Minuten Entwarnung. „Was machst du hier, Ray?“, Kai konnte sich während der kurzen Pause in der das Gerät die Aufnahmen schrieb durchringen sich bei dem Arzt zu erkundigen. Der wurde aus seinen Gedanken geholt und rückte wieder seine Brille hoch. Lächelnd nickte er. „Das CTG zeigt bislang keinerlei Auffälligkeiten. Sollten die Wehen stärker werden, musst du sofort ins Krankenhaus. So wie es aussieht hast du Übungswehen die bei dir momentan etwas stärker sind. Deinem Baby geht es soweit gut.“, er nahm beiläufig das Gerät wieder ab. „Kannst du ihr nicht irgendetwas gegen die Schmerzen geben?!“, schaltete sich Kai erneut ein, der der Untersuchung aus der Ferne gefolgt war. „Tut mir leid. Nein. Die Wehen sind von Frau zu Frau unterschiedlich und jede Frau hat ein anderes Schmerzempfinden. Man kann den Schmerz also nicht verallgemeinern.“, erklärte er kurz. „Ich würde sie morgen gerne noch einmal bei mir in der Praxis wiedersehen.“, Kai nickte dem Chinesen zu, der dem Russen seine Visitenkarte in die Hand gab. „Sie soll morgen gegen 11 Uhr da sein.“ Anschließend verabschiedete sich ihr alter Freund mit dem gut gemeinten Rat, dass Hilary sich schonen und ausruhen sollte. Kai schloss erleichtert die Zimmertür. „Hast du noch Schmerzen?“, erkundigte er sich zur Sicherheit nochmal bei seiner Frau die den Kopf ermüdet schüttelte. „Dann solltest du jetzt schlafen. Du hast den Arzt gehört.“ „Hmmm....“, sie atmete tief aus und versuchte zu entspannen. Es war ihr einfach zu viel... Am Tag darauf wachte Hilary kurz nach ihrem Mann auf, der sie schon eine Weile vom Fenster aus beobachtete. Sie hatte in der restlichen Nacht keine Schmerzen mehr. Verschlafen setzte sie sich auf und fasste sich an die Stirn. „Du wirst nicht glauben, was ich heute Nacht geträumt habe...“ „Du hast heute einen Termin. 11 Uhr. Es war kein Traum.“, antwortete ihr Gegenüber. Geschockt blinzelte die schwangere auf ihren Wecker. „Du hast noch genügend Zeit. Es ist 8 Uhr durch.“, erleichtert schnaubte sie. „Ray ist also Arzt?“, vergewisserte sich die Japanerin. „Scheint so...“, er drehte die Visitenkarte um, die er gestern von Ray bekommen hatte. Gleich darauf ließ Hilary sich wieder ins Bett fallen. „Schläft Emilia noch?“ „Keine Ahnung. Es ist verdächtig ruhig.“ langsam öffnete der Russe die Nebentür zu dem Zimmer in dem Emilia schlafen sollte. Kai zog eine Augenbraue in die Höhe, schielte zu seiner Frau und öffnete die Tür ganz, sodass auch Hilary sehen konnte was darin vor sich ging. Die gemeinsame Tochter hüpfte glücklich auf ihrem großen weichen Bett herum. Sie hatte scheinbar schon länger ausgeschlafen und verbrachte die langweilige Zeit so. Hilary traute ihren Augen nicht und wollte fast aus dem Bett sprinten, doch vorher räusperte sich Kai um die Aufmerksamkeit seiner Tochter auf sich zu lenken. Sofort ließ die kleine sich auf das Bett fallen und drehte sich herum. Streng sah Kai die kleine an. „Na, ausgeschlafen?“, entfuhr es ihm dann weniger streng. Emilia nickte und stürmte auf dem Bett Richtung ihres Vaters. Der fing sie auf, worauf sich die kleine an ihn schmiegte. „Hast du Hunger?“ „Jaaaaa!“, kam die unüberhörbare Antwort wie aus der Pistole geschossen. Nach dem reichhaltigen gesunden Frühstück am Buffet waren sie gestärkt für den Tag. Sie fuhren zu der Adresse die auf der Visitenkarte stand. In der Nähe parkten sie und gingen das restliche Stück zu Fuß. Bevor sie das Gebäude betraten klingelte Kai's Handy. „Ja?“, nahm er knapp an und hörte dem Gesprächspartner zu. „Nein...ich hab einen wichtigen Termin dazwischen bekommen. Ja, es tut mir leid...“, übertrieben verdrehte er die Augen. „...nein...ich werde ganz sicher da sein...ja Ihnen auch...“, er legte unter den neugierigen Blicken seiner Frau auf. „Scheiße.“ Sie brauchte gar nichts zu sagen, da wurde sie bereits aufgeklärt. „Mister Dickenson wollte mir eine leer stehende Trainingshalle zeigen...das war vor einer halben Stunde.“ „Es tut mir leid, dass du wegen mir deinen Termin verpasst hast...“, fühlte sich die brünette schuldig. „Du hast nur Ärger mit mir..Vielleicht wäre es doch besser gewesen, wenn ich nicht mitgekommen wäre...“ Kai fuhr sich genervt über sein Vergessen gestresst durch die Haare. „Die Arbeit muss warten. Ich lass dich jetzt nicht allein!“, er schaltete sein Handy auf lautlos. „Wir sollten reingehen.“, und hielt seiner Frau die Tür auf. Mit dem Fahrstuhl fuhren sie in die fünfte Etage. Dort sah Kai das Praxisschild, welches Hilary laut vorlas. „Doktor Ray Kon...Facharzt für Frauenheilkunde und...Geburtsvorbereitung...“, sie stockte bei jedem Wort mehr. „...ich will nicht, Kai...“, der musterte sie undurchschaubar. „Glaubst du, ich hab Lust darauf? Los jetzt.“ Hilary atmete tief durch und öffnete darauf die milchige Glastür zur Praxis. Sofort begrüßte sie eine Schwester an der Rezeption. Kai dagegen fühlte sofort dieses beklemmende Gefühl von Krankenhäusern und Ärzten. Der Geruch von Desinfektionsmittel stieg ihm in die Nase und liebend gern, wäre er auf dem Absatz wieder umgedreht. „Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“ „Äh...hallo. Ich sollte heute um 11 Uhr hierher kommen...“ „Name?“ „Äh...Tachibana, Hilary.“ „Ah! Sie sind das. Der Doktor erwähnte schon, dass sie kommen würden. Nehmen sie bitte noch einen Moment Platz.“, lächelte die schwarzhaarige hinter dem Tresen und widmete sich wieder ihrer Arbeit. Das Paar nahm im Wartebereich Platz. Es war schon recht leer nur eine junge Frau saß in einem beige farbenem Stuhl. Sie trug ebenfalls einen kugelrunden Bauch vor sich den sie liebevoll streichelte. Bald würde die brünette auch wieder so aussehen. Unweigerlich musste sie an ihre erste Schwangerschaft zurückdenken. Als die Frau aufgerufen wurde, sah Ray um die Ecke in den Wartebereich, wo er Hilary und Emilia und überrascht auch Kai erspähte, der mit verschränkten Armen neben ihr saß. Mit einer kleinen Geste deutete er ein kurzes 'Hallo' an, bevor er der Patientin ins Sprechzimmer folgte. Nervös stand der Russe von seinem Platz auf. Er schaute sich etwas um. Die Wände waren in einem hellen Fliederton gestrichen, wogegen die Stühle das Gesamtbild abrundeten. Eine Wand war mit unzähligen Baby-Fotos geziert. Vermutlich alles Frauen, die sich für die Behandlung bedankten. Scheinbar steckte Ray viel Arbeit in die Praxis. Das änderte aber nichts daran, dass Kai solche Umgebungen hasste. Etwa 10 Minuten später öffnete sich die Sprechzimmertür und der Chinese begleitete seine Patientin zum Ausgang und verabschiedete sie freundlich. Teilnahmslos verfolgte der Russe das Geschehen und bereitete sich gedanklich auf ein nicht enden wollendes Verhör vor. Bevor der schwarzhaarige zu den beiden herüber ging, sprach er mit seiner Sprechstundenhilfe. Sie suchte daraufhin im Aktenschrank einige Karteikarten heraus und blätterte darin. „Du kannst danach Feierabend machen, Himiko. Den Rest schaffe ich allein.“, lächelte er freundlich und begab sich zu seiner letzten Patientin. „Hallo ihr drei! Schön euch zu sehen. Wie geht es dir, Hilary?“, er begrüßte sie mit einer zarten Umarmung und schüttelte Emilia sachte das kleine Händchen. Kai wurde mit einem Handschlag begrüßt. „Es geht wieder.“ „Prima! Mensch, als ich dich gestern gesehen habe, wurde mir ganz anders!“, erklärte er wahrheitsgetreu und wechselte das Thema. „Man Emilia ist ja groß geworden! Letztes mal war sie noch so winzig.“, sprach er begeistert von ihrer prächtigen Entwicklung. Kai zuckte leicht mit den Schultern als Ray ihn ansah und auf eine Reaktion des Russen hoffte. „Kann sein.“ „Du bist gesprächig wie immer.“, lachte er. „Hm.“ „Okay, dann untersuche ich dich erstmal, Hil, und danach gehen wir was essen?“ „Gerne!“, beantwortete die Japanerin seine Frage. Vor der Untersuchung graute es ihr allerdings noch. Ray war bereits vorgegangen. „Ray? Kann...ähm...“, sie deutete hinter sich. „Klar kannst du Emilia mitnehmen.“ „Ähm...ich möchte Kai dabei haben.“ „Eigentlich nehme ich nur Angehörige mit ins Sprechzimmer...“ „Ich möchte es aber.“ Ray wunderte sich darüber schon am Abend sehr. „Habt ihr eine bessere Beziehung als damals?“ Hilary nickte und auch Kai beantwortete seine Frage wortlos mit einem fast nicht sichtbarem Nicken. „Er weiß auch, dass Emilia seine Tochter ist. Danke nochmal dafür...“, fasste Hilary schnippisch zusammen. Die Japanerin hatte ihm seine Aktion damals noch nicht verziehen. Im Nachhinein war es das Beste, was ihr passieren konnte. „Gerne.“, neckte er die brünette mit einem Zwinkern. „Können wir dann? Ich hab keine Lust hier länger Zeit zu verbringen als nötig.“ „Ja, natürlich.“; er schlug die Tür weit auf und ließ der schwangeren den Vortritt. Kai folgte ihr selbstverständlich mit Emilia im Wagen, was Ray erneut skeptisch werden ließ. Hilary würde sich doch nie ein zweites Mal auf Kai einlassen, dachte er. Nach allem was er ihr angetan hatte, musste sie doch gelernt haben. Gerade als Ray seinen alten Freund aufhalten wollte, deutete er mit seinem Finger auf Hilarys Hand und ließ zeitgleich seine Kette samt Anhänger hervorblitzen. Dem Chinesen fiel es wie Schuppen von den Augen. „Ihr sagt mir jetzt nicht wirklich-“ „Hm?“, Hilary sah überrascht zurück in das geschockte Gesicht ihres Freundes. Ein wissendes Lächeln von ihr über seine Reaktion bestätigte Kai's Deutung. Mit einem zufriedenen Grinsen schob er sich an Ray vorbei, um seiner Frau Beistand zu leisten. Ray staunte nicht schlecht, aber Hilary schien wirklich unbelehrbar zu sein, wenn es um den Halbrussen ging. Während des Ultraschalls warf der schwarzhaarige immer wieder kurze verunsicherte Blicke auf Kai, der seine hart erwiderte. Hilary ließ sich nicht stören, sie war vollkommen fasziniert von dem Anblick ihres Babys. Der junge Arzt checkte alle Werte des kleinen Bauchbewohners und folgerte, dass dem Baby noch nicht danach war, früher auf die Welt zu kommen. Die werdenden Eltern waren sehr erleichtert dies zu hören, allerdings hatte Ray noch eine andere Vermutung, woher die frühen Wehen und Schmerzen kamen. „Hilary...“, begann er als sie an seinem Schreibtisch saßen und den Ultraschall auswerteten. „...es kann sein, dass die Wehen durch schwere Belastungen oder Stress verursacht wurden. Gab es in den letzten Tagen so etwas in der Art bei dir?“ „Nein...“, die brünette überlegte. „...na ja, wir sind mit dem Flugzeug nach Tokio geflogen-“ „Deine Eltern.“, entfuhr es ihrem Mann streng. „Du meinst- ach quatsch, das war doch nichts.“, sie versuchte die Begegnung herunter zu spielen. Ray hakte nach. „Was ist da passiert, Kai?“ „Das Wiedersehen mit ihren Eltern ist nicht sehr harmonisch verlaufen.“, sein Hass gegenüber ihrem Vater war mit einem Schlag aufgetaucht. „Das war nicht so schlimm wie du behauptest!“ „Du wurdest aufs Übelste beleidigt von ihm!“, sprach der blau haarige strenger auf russisch weiter, um nicht noch mehr Fragen aufzuwerfen. Seine Frau senkte den Kopf und schaute auf ihren Bauch. „Du solltest solche Treffen in deinem Zustand vermeiden, Hil. Jetzt musst du dich unbedingt schonen und darfst keinen Stress haben. Schon gar nicht, wenn du so stark darauf reagierst!“ „Ja...“ „Ruh dich viel aus und denk an dein Baby. Euer Baby.“, korrigierte er sich und versuchte mit einigen Schwierigkeiten alle Daten in den Mutterpass einzutragen, welcher dummerweise auf russisch geschrieben war und er somit Kai's Hilfe benötigte. Nach dem Termin schloss Ray seine Praxis ab und die drei Freunde suchten sich ein Restaurant um Mittag zu essen. Die Wahl durfte Hilary treffen, denn die Gelüste einer Schwangeren waren unberechenbar. Kurz darauf saßen sie in einem No-Name Restaurant in dem es allerlei Leckereien gab. „Was ist mit Kate passiert?“ „Nichts.“, antwortete Kai knapp und schwieg. „Und...ihr?“, startete der Chinese den nächsten Versuch. „Siehst du doch.“, kam der Russe seiner Frau zuvor, hob die Hand von ihr mit dem Ehering, zeigte auf ihren Bauch und aß weiter. Hilary musste unweigerlich lachen. „Was Kai sagen wollte... Wir haben uns nochmal getroffen. Und...naja... Da kam eins zum anderen.“, lächelte sie verliebt. „Das ist die gekürzte Fassung.“, beteuerte Kai und leerte seine Schüssel. „Was gibt es bei dir neues, Ray?“, fragte nun Hilary neugierig nach. Seit ihrem letzten Treffen waren auch wieder ein paar Jahre ins Land gezogen. Nun, und mit dieser Frage traf Hilary genau ins Schwarze bei dem Chinesen. Der wurde mit einem Mal puterrot und wusste nicht mehr wohin er schauen sollte. Kai roch den Braten und schlussfolgerte mit hoch gezogener Braue: „Du und Mariah.“ Wie vom Blitz getroffen saß Ray Kerzengerade auf seinem Stuhl. „Ist nicht wahr!“, schlug Hilary die Hände vor dem Gesicht zusammen. Die beiden zeigten damals schon reges Interesse aneinander und auch auf der Abschiedsparty ging es heiß her zwischen den Beiden. Ray war es trotzdem sichtlich peinlich. „Es stimmt schon...“, er kratzte sich verlegen. „...damals...das war nur der Beginn...später ein ständiges on off durch mein Studium...naja und jetzt haben wir es doch irgendwie geschafft zusammen zu kommen. So...richtig.“ „Wow.“ „Genauso schätze ich Mariah ein.“ Ungeachtet von Kai, fragte die brünette freudig weiter. „Und habt ihr auch schon Kinder? Oder willst du keine, weil du jeden Tag damit konfrontiert wirst?“ „Doch schon. Wir arbeiten daran...aber der richtige Moment kam noch nicht.“, gab Ray etwas enttäuscht zu. „So etwas kommt meist sehr...“, Kai blickte wissend zu seiner Frau. “...überraschend.“, schelmisch grinsend streckte sie ihm in einem geeigneten Moment die Zunge heraus was er mit einem Augen rollen hin nahm. Hilary munterte ihren gemeinsamen Freund auf. „Das wird schon noch! Macht euch nicht zu viel Stress!“ „Ja!“, nickte der Chinese. Er sollte es doch wissen als Frauenarzt. Nach dem Mittag verabschiedeten sich die Freunde wieder voneinander und tauschten vorher die Handynummern aus. Jetzt wo sie sich durch Zufall getroffen hatten, konnten sie doch sicher mal einen Ausflug an den Strand machen. Wenn es die Arbeit von Kai zu ließ. Deswegen waren sie ja eigentlich in Japan. Auf der Rückfahrt ins Hotel schliefen Emilia als auch Hilary im Auto ein. Kai fand einfach keine passende Erklärung, wie es Ray in der kurzen Zeit geschafft hatte ein Medizinstudium komplett zu beenden und sich auch noch zu spezialisieren. Normal würde es mehr als sechs Jahre brauchen dafür, darüber sprach er mal mit Gregor. Doch wie schaffte es Ray? Vielleicht würde seine Frau ihn später darauf ansprechen. Zurück im Hotel gönnten sich alle eine weitere Runde Mittagsruhe. Gut, alle außer einer. Kai. Der saß an seinen Unterlagen und arbeitete daran. Erneut sah er den Vertrag von Mister Dickenson durch. Per Internet war er mit Max verbunden. Um Hilary die verordnete Ruhe zu lassen, unterhielt er sich nur per Chat mit seinem Geschäftspartner, der momentan wieder in New York arbeitete. Sie diskutierten über jeden einzelnen Punkt den Kai fand. Auch Max war hellauf begeistert von Mister Dickensons Idee. Der blonde hätte das Angebot auch ohne Verhandlungen angenommen. Das einzige Problem was sich beiden auftat war die Besetzung der Position im japanischen Zentrums, sollten sie diesen Vertrag annehmen. Ray fiel dabei schon aus. Auch Max und Kai konnten sich nicht drei teilen um überall gleichzeitig wirken zu können. Max (14:01) Was hältst du von Mariah? Wenn sie mit Ray zusammen ist, könnte sie doch den Posten besetzen. Kai (14:07) Nein. Sie wird mich nicht als Geschäftsführer akzeptieren. Außerdem hat sie andere Pläne mit Ray. Kai (14:08) Wusstest du, dass Ray Arzt ist? Erkundigte sich der Russe bei seinem Chat-Partner. Da Max ihm nur wilde Fragezeichen sendete, war seine Frage beantwortet. Max (14:08) ??????????????? Kai (14:11) Ich erlär die alles, wenn wir uns wiedersehen. Max (14:15) Hm... eine Idee hätte ich noch... Max (14:16) Die würde dir aber nicht gefallen... Der Amerikaner schickte einen fies grinsenden Smiley mit Teufelshörnern hinterher. Kai (14:16) ? Es folgten einige Minuten des Wartens. Auf einem Mal zeigte der Chat wieder an, das Max schrieb und prompt kam die Antwort. Max (14:22) Tyson? Am liebsten hätte der Russe Max durch den Chat gezogen. Max wusste was Kai von Tyson hielt. Und das war nicht mehr viel. Seit dem Festival konnte er Tyson nicht mehr für voll nehmen. Er protzte nur vor Berühmtheit und wie bekannt sein Dojo geworden war nachdem er es von seinem Großvater vor dessen Tod übernommen hatte. Als der blau haarige in einer ruhigen Minute danach im Internet suchte, kam die ernüchternde Wahrheit ans Licht. Sein Dojo war nichts außergewöhnliches und auch die Bewertungen auf diversen Portalen waren nicht sehr überschwänglich. Somit wäre Tyson für den Posten ebenfalls ausgeschieden. Es sei denn der Russe wollte in den nächsten Monaten Insolvenz anmelden. Genau so schrieb Kai es seinem Freund auch. Der erwartete keine andere Reaktion. Max (14:35) Dabei war er im bladen sehr gut. Selbst du konntest ihn nicht besiegen... Max (14: 37) Vielleicht könnte er doch behilflich sein. Immerhin hast du mich auch auf zack gebracht xD Das stimmte allerdings schon. Max' Anfänge waren katastrophal und nun war er zu einem seiner verlässlichsten Mitarbeiter geworden. Trotzdem blieb er skeptisch. Er würde sich das wohl noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Fürs erste beendete der Russe das Gespräch mit seinem Freund. Am darauffolgenden Tag fand der verschobene Termin mit Mister Dickenson in der leerstehenden Trainingshalle statt. Kai machte sich frühzeitig auf den Weg, um nicht wieder irgendeinem Hindernis zu begegnen. Hilary blieb im Hotel und kam der Aufforderung ihres Mannes nach, der strenge Ruhe für Mutter und Kind forderte. Um Emilia brauchte sie sich keine Gedanken zu machen. Kai nahm sie mit. Mit dem Nötigsten bewaffnet kam er an der Halle an. Dort wurde er schon erwartet. Im Hotel wurde es der werdenden Mutter unterdessen recht langweilig. Noch nie hatte die Japanerin nach der Geburt von Emilia einfach nur Zeit für sich. Immer musste sie arbeiten oder von Termin zu Termin sprinten damit sie ihre Tochter rechtzeitig abholen konnte. Sie war es gar nicht mehr gewohnt. Tief in ihrem Inneren fühlte sie sich leer. Ständig lief sie durch das Hotelzimmer ohne jeglichen Sinn. Es war der brünetten ZU ruhig. Draußen schien die Sonne vom Himmel herab, es war keine Wolke zu sehen und sie sollte hier drin bleiben. „Als würde ich den ganzen Tag hier verbringen...“, schnaubte sie zu sich während sie erneut ziellos durch die Zimmer stiefelte. Sie griff schließlich nach ihrer Handtasche und verließ das Hotel. Sie streifte durch alle naheliegenden Straßen. Es hatte sich einiges verändert. Viele Läden die sie damals besuchte waren nicht mehr da, dafür bewohnten dort riesige Firmenketten die einst kleinen Geschäfte. Ungeachtet davon zog Hilary daran vorbei. Nach geschlagenen zwei Stunden war sie weit vom Hotel entfernt. Es war nun nicht mehr so weit bis zum Strand, dass wusste sie genau. Dort hatten sie immer trainiert, auch wenn sie damit eher die Jungs meinte als sich selbst. Ihr fielen unendlich viele Erinnerungen ein, die sich damals abspielten. Wie Kai damals die gesamte Truppe am Strand joggen ließ oder wie Tyson sich mit seinem Teamkapitän wieder in die Wolle bekam, weil dem wieder etwas nicht passte und zum 100. Mal ausgeführt werden musste. Ehe sie sich versah, stand sie vor dem rauschenden Meer. Eine kühle Brise schlug ihr ins Gesicht und der Wind durchwehte ihr braunes Haar. Ihr Blick fiel auf die sich brechenden Wellen, die unaufhörlich auf den Strand prasselten. „Wie schön.“, lächelte die junge Frau und ließ sich auf der kleinen Steinmauer nieder. Einige Zeit ließ sie die Gegend auf sich wirken, beruhigend. Das vermisste sie. Es gab in Moskau keinen Strand zu dem sie gehen konnte. Zwar waren die Landschaften dort auch sehr schön, doch die konnten ihr nicht das gleiche geben wie dieser Strand. Also zog sie ihr Handy aus der Tasche und fotografierte den Strand mit den Wellen im Hintergrund vor einem wunderschönen Himmel. Sie wollte das Foto gerade an Kai schicken, als ihr seine Worte wieder ins Gedächtnis kamen. „Nein...“, sie würde es ihm heute Abend zeigen und ihr Handy verschwand wieder in ihrer Handtasche. Noch einen Moment würde sie hier bleiben, und sich dann wieder auf den Rückweg machen. Am Strand kamen einige Kinder mit ihrem Trainer gelaufen. Hilary beobachtete sie. Eines der Kinder stolperte und fiel mit dem Gesicht in den Sand. Sofort dachte die braunhaarige an Tyson, der genauso tollpatschig war. Der Trainer kam einige Schritte zurück, meckerte mit dem Kind und half ihm dann auf. Für einen Moment glaube sie ihren alten Freund erkannt zu haben. Kam er immer noch hierher zum Trainieren? Waren es seine Kinder? Aus der Ferne konnte sie nichts genaueres erkennen, vielleicht hatten die Kinder dasselbe Alter. Im Laufschritt joggten sie weiter und kamen auf Hilary zu. Neben ihr lag der nähst gelegene Ausgang zur Stadt. Die Japanerin war aufgeregt, ihr Herz schlug schneller als die Personen sich näherten. „Oh Gott...“, Hilary drehte reflexartig ihren Kopf weg, denn sie erkannte wirklich Tyson in dem Trainer. Ihren Bauch hinter der Handtasche versteckend, hoffte sie nicht von ihm erkannt zu werden. Doch weit gefehlt. Tyson bemerkte die junge Frau beim Vorbeilaufen. Ein paar Meter von ihr entfernt beendete er das Training der Kinder und schickte diese nach Hause. Nur um noch einmal umzudrehen. Von hinten sprach er die brünette schüchtern an. Vermutlich war er sich nicht sicher. „Äh...he he...äh- Entschuldigung?“, lachte er unsicher vor sich her und kratzte am Cappy herum. Hilary durchfuhr der Schreck. Er erkannte sie doch. Wie sollte er sie nicht erkennen? Verändert hatte sie sich kaum...die Haare trug sie wie immer, ihr Kleidungsstil hatte sich auch nicht groß verändert und...ihre Haltung wohl auch nicht. Langsam drehte sie ihren Kopf zu ihm, wobei der starke Wind ihre Haare ins Gesicht wehte. Sie hielt die Strähnen mit der Hand zurück und sah dem erstaunten Tyson in die Augen. Kurz lächelte sie ihn an. „Hey.“, kam es kurz. „Äh...Hilary? Du bist es wirklich!“, strahlte er immer sicherer, wogegen sie gleichgültig die Schultern hob. „Was machst du hier?“, fragte er und setzte sich neben sie. „Spazieren. Ich wollte das Meer sehen.“, erklärte sie nüchtern. Tyson hier wiederzusehen war ebenfalls so ungeplant, wie Ray als Arzt zu testen. Sie seufzte. „Du trainierst wohl Kinder?“ Stolz schob sich Tyson von der Mauer ab und verschränkte die Arme. „Ja! Und ich bin verdammt berühmt geworden!“ „Mit dem Dojo deines Großvaters?“ „Klar! Du kannst ja gerne vorbeikommen und dich davon überzeugen! Außerdem bräuchte ich noch eine Managerin! Du kannst das doch, Hil!“, feuerte er direkt aus allen Rohren um Hilary dazu zu bewegen bei ihm anzufangen. Diese winkte ab. „Danke, Tyson. Aber ich bin nur zu Besuch hier.“ „Komm schon! Sieh es dir wenigstens an!“, bettelte er weiter. „Die nächste Stunde fängt auch gleich an. Da kannst du mich in Action sehen!“, protzte er weiter. Was sollte das werden, fragte sich die Japanerin. Wollte er sie wirklich für sein Dojo als Managerin haben? Sie wurde unsanft aus ihrer Gedankenwelt gerissen, denn seine Hand packte sie am Arm und riss sie von ihrem Platz hoch. Versehentlich fiel dabei ihre Handtasche zu Boden. „Oh nein...“ „Oh! Sorry, Hil!“, gerade hob Tyson ihre Tasche auf, bevor sie noch einmal in den Sand fiel. Ein heftiger Wind blies gegen ihr blumenverziertes Kleid, welches ihren Bauch deutlich abzeichnete. Als sich Tyson wieder gefangen hatte, hob er erneut die Tasche auf um sie seiner Freundin zu übergeben. Betroffen nahm sie ihren Besitz zurück. „Danke.“, sie wischte über die glatte Oberfläche an der ein paar Sandkörner hafteten. Das konnte doch nicht wahr sein... Wieso musste sie gerade ihm begegnen? Sie schulterte ihre kleine Tasche. „Ich muss los... Schön dich wiedergetroffen zu haben.“, schnurstracks lief sie die Promenade entlang Richtung Stadt. „Warte Hil!“, Tyson rannte ihr nach und hielt sie erneut am Arm. „Warte. Komm doch morgen einfach vorbei!“ „Ich kann nicht, Tyson! Bis dann.“, bestimmt schob sie seine Hand von sich und lief schneller von ihm weg. Warum? Warum? Warum? Warum gerade er?! Hilary war wütend auf sich. Wieso musste sie das Hotel verlassen? Konnte sie nicht einmal auf ihren Mann hören? Außer Atem stützte sich sich an der nächsten Laterne um zu verschnaufen. Plötzlich hupte ein Wagen direkt hinter ihr und kam neben der brünetten zum Stoppen. Das Fenster öffnete sich langsam. Der finstere Blick dieser funkelnden Rubine brauchten keine Worte mehr. Sie erkannte ihn und noch während sie in den Wagen stieg, fiel sie ihrem Mann weinend um den Hals. Schluchzend hielt sie ihn fest. Seine Wut über ihre Sorglosigkeit war mit einem Mal wie weg geblasen. Stattdessen war die Überraschung ihrer Reaktion zu groß. „Es tut mir leid...“, weinte sie weiter und vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge. Kai, der immer noch nicht mit weinenden Frauen umgehen konnte, strich ihr über die Haare. „Schon gut...“, er wollte das nicht sagen. Eigentlich wollte er ihr einen Vortrag halten, doch es ging nicht. „Beruhig' dich...“ „Ich bin so froh...dass du da bist...“, worauf seine Hand ihren Kopf fester an seinen Körper drückte. Was hatte sie so aus der Fassung gebracht? Beide verharrten gefühlt ewig beieinander bis sich die schwangere beruhigt hatte. Die Tür flog zu und der Wagen setzte sich wieder in Bewegung. „Was war das eben?“, erkundigte sich der Russe bei seiner Frau, die ihren Blick aus dem Fenster richtete. „Hallo? Antworte mir!“, sagte er ungehalten. Hilary senkte das Gesicht. Ein Kopfschütteln folgte. „Irgend so ein Kerl hat versucht meine Handtasche zu klauen...“, Kai zog skeptisch die Augenbrauen in die Höhe. „...und ich hab mich gewehrt...bin dann hier her gelaufen...“, sie krallte sich an ihrem Kleid fest. „Hast du den Typ gesehen?“ Ein Kopfschütteln beantwortete seine Frage. „Mach das nie wieder...“, seine Hand legte sich beruhigend auf ihre. Sie nickte. Vermutlich wäre es besser für Hilary seine Ratschläge anzunehmen... Kapitel 79: Erinnerungen ------------------------ Kapitel 79 ~~~~ Nach der Partynacht bei Tyson erwachten langsam die ersten Bladebreaker aus ihrem komatösen Zustand und krochen aus ihren Betten. Kenny, Ray und Max waren die ersten die sich in der Küche am Tisch einfanden. Dizzy war schon hellwach. Sie konnte sich einen Vortrag über den gestrigen Abend nicht verkneifen und wetterte was das Zeug hielt. Kenny fiel ein Brief auf der unter Dizzy lag. Er schaute nur ein kleines Stück hervor, sodass der fast übersehen wurde. „Was ist das für ein Umschlag, Dizzy?“, erkundigte sich der Brillenträger bei seiner elektronischen Freundin. Und auch die anderen zwei interessierten Gesichter wollten eine Antwort. „Der ist von Kai. Er hat ihn heute morgen hier gelassen.“, verkündete Dizzy und die Jungs waren urplötzlich hellwach. „Aber Kai sagte doch gestern, dass sein Flug erst am Mittag geht!“, sagte Max traurig. „Typisch Kai. Habt ihr was anderes erwartet? Er hat noch nie lange Abschiede gemocht.“, erinnerte Kenny seine Teamkameraden. „Ja...“, stimmte auch Ray zu und öffnete den Umschlag. „Dass er einen Brief schreibt, ist auch nicht gerade 'normal' für ihn.“, er faltete den Zettel auseinander. „Und was schreibt er?“, wollte Dizzy ungeduldig wissen. Sie hatte mitbekommen, dass er am Tisch neben ihr saß und diesen Brief schrieb. Doch antwortete er ihr auf keine Frage. Ray begann die ersten Zeilen zu lesen: Hey Leute, ich habe einen früheren Flieger nach Moskau genommen. Wenn ihr das also lest, weil ihr sicher erst vor dem Mittag aus dem Bett kommt, bin ich schon fast angekommen. Ihr wisst, dass ich es hasse mich zu verabschieden, deshalb der Brief. Vielleicht sehen wir uns irgendwann wieder. Kai< „Mehr hat er nicht geschrieben?!“, überrascht fuhren die drei Augenpaare zu Tür herum in der Hilary und Tyson standen. Tyson war rasend vor Wut. „Wie kann er es wagen einfach abzuhauen! Mit dem hab ich noch ein Hühnchen zu rupfen! AAAAARRRRGHHHH!!“, er zog die Ärmel seiner Jacke hoch und schnaufte erzürnt. „Beruhig dich doch, Tyson! Du kennst doch Kai.“, versuchte Max ihn zu beschwichtigen. Hilary dagegen ging an ihm vorbei und nahm Ray den Brief aus der Hand. War das wirklich alles was er schrieb? Kein Wort an sie? Die brünette las die Zeilen erneut. Darauf nochmal. Das konnte doch nicht sein! Hilary zerdrückte den Zettel in ihrer Hand. „Wie kann er nur...Wieso...“, sie war wütend auf sich. Auf ihn. Auf alle! Warum ging er einfach ohne sich bei ihr zu verabschieden?! „Ist alles in Ordnung, Hil?“, wollte Ray wissen der sah, dass ihr die Tränen in den Augen standen. Sie zog die Nase hoch und schluckte ihre Enttäuschung herunter. Ein Nicken folgte. Die Worte ihres Freundes waren dennoch nicht sehr hilfreich. „Wir wissen was du für Kai empfindest...Aber Kai ist nun mal Kai...und er wird auch immer der Eisklotz bleiben, der er ist...du kennst ihn doch auch... Du weißt wie er ist...“, sprach Ray behutsam weiter, doch aufbauen konnte er sie damit nicht. Sie ließ sich in den Stuhl sinken und ihre Tränen bahnten sich den Weg. Die anderen wussten nicht warum sie weinte. Sie konnten es sich vielleicht denken. Hätten sie es gewusst...würden sie nicht diese Worte wählen... Tyson konnte das nicht weiter mit ansehen. Er schlug kräftig mit der Faust auf den Tisch und brachte Dizzy damit zum Beben. „Der Typ soll bleiben wo der Pfeffer wächst! Und seinen Brief kann er sich auch in die Haare schmieren!!“, schrie Tyson drauf los, denn auch er wusste wie Hilary von Kai dachte. Und dass er sie zum weinen brachte machte ihn noch wütender. Die Küchentür flog mit einem lauten Knall zu und kurz darauf auch seine Zimmertür. „Oh man...“ „Wann ist er denn bei dir gewesen, Dizzy?“, wollte der Amerikaner wissen. „Hmmmm, lasst mich überlegen... Er kam gegen 03:00 Uhr in die Küche und saß fast eine Stunde hier. Viel gesagt hat er nicht.“ „Kai braucht doch keine Stunde um die paar Zeilen zu schreiben.“, stutzte Kenny. Kai war ein Ass, auch in der Schule. Da würde ihm das Schreiben der Zeilen keine Probleme bereiten. Die anderen gaben Kenny recht. Ray entdeckte daraufhin unter Dizzy eine Auffälligkeit. Er zog an dem Stück unter ihr und ein weiterer Umschlag kam zum Vorschein. Anders als beim ersten Brief, war dieser zugeklebt und es stand ein Name darauf. „>Hilary<“, las er vor. „Deshalb hat er also eine geschlagene Stunde hier gesessen.“, grinste Max vor sich hin. „Mach schon auf!“, drängte er die Japanerin die Ray den Brief abnahm. „Sei doch still, Max!“, mahnte Ray den blonden. Hilary kämpfte erneut um ihre Fassung. Er hinterließ ihr doch ein paar persönliche Worte. Sie war glücklich aber zugleich voller Angst. Max reichte ihr ein Messer zum Öffnen. „Los~ mach~ schon~“ „Hm...“, vorsichtig zerschnitt sie das Papier des Umschlags und zog den linierten Zettel hervor. Nacheinander schaute sie ihren Freunden in die Augen. „Kommt, wir gehen.“, Ray griff Kenny und Max unter die Schultern und zog sie hinter sich heraus aus der Küche. Um diesen Brief zu lesen würde Hilary wohl Zeit ohne ihre Freunde brauchen. Sie schaute erneut auf den Brief. Hey Hilary. Nachdem ich diesen Brief zum vierten Mal angefangen habe, bin ich trotzdem nicht zufrieden damit. Aber wie du sicher erfahren hast, werden wir uns heute nicht mehr sehen. Es fällt mir scheinbar leichter diesen Brief zu schreiben, als dir nach der Nacht in die Augen zu sehen. Vielleicht verstehst du das. Vielleicht auch nicht. Sollten wir uns irgendwann wiedersehen hoffe ich, dass du mir verzeihen kannst. Bis bald. Kai< Die junge Frau las erneut. Ihr kullerten unendlich viele Tränen über die Wangen. Sie wollte einfach nicht verstehen warum er gegangen war, dabei hatte er ihr erzählt, dass er zurück nach Russland gehen würde. Seine Heimat. Aber es tat ihr so unendlich weh. Es fühlte sich an, als würde ihr Herz nach einer glücklichen Nacht in tausend Teile zerspringen. Dizzy versuchte nichts um die Japanerin zu trösten, denn all ihre Worte konnten ihr nicht helfen bei dem Schmerz den sie empfand. Stumm blieben beide in der Küche bis Dizzy etwas einfiel. „Ich habe noch eine Nachricht für dich.“ Hilary wischte die Tränen mit den Ärmeln von den Augen und sah Dizzy unwissend an. „Das sollte ich dir noch ausrichten in einer ruhigen Minute.“, Dizzy öffnete ein anderes Programm, der Bildschirm veränderte sich und auf dem Bildschirm tauchten einige Wörter auf. ES TUT MIR LEID < „Ist das...?“, schluchzte sie wieder. Dizzy bejahte ihre Frage und wechselte wieder zu ihrem normalen Bildschirm. „Er sah bedrückt aus. Was hat er denn getan, dass er sich bei dir entschuldigt?“, wollte Dizzy genauer wissen, doch die Antwort verwehrte ihr die brünette. Nein, das könnte sie ihren Freunden nicht antun. Sie sollten nicht in die Sache mit ihm hineingezogen werden. Etwas später klopfte es an der Küchentür. Die braunhaarige zuckte zusammen. Schnell faltete sie den Brief in ihrer Hand und ließ ihn in ihrer Hosentasche verschwinden. „Ja?“, sie stand auf und richtete ihr Haar. Schwungvoll schlug die Tür auf und Tyson brach herein. „AAAAH Hil! Ich hab hunger!!!“, Tyson stürzte zum Kühlschrank um dort festzustellen, dass nur noch alkoholische Reste darin lagerten. Mit weinenden Augen drehte er sich zu seiner Freundin um. Die vorangegangene Wut war wie weggeblasen. „Kannst du mir was zu essen kochen, Hil?“, fragte er kleinlaut, mit dem Gedanken, dass es Hilary vorhin schlecht ging. „Tut mir leid... Ihr habt gestern Abend alles aufgegessen. Vielleicht hat Max noch was versteckt.“, lächelte sie gezwungen. Tyson ließ die Schultern hängen und taumelte Richtung Tür. „Ich...hab...hunger... Wo...ist...Max...?“, spielte er übertrieben. Hilary konnte nicht anders, als sich ein Lachen zu unterdrücken. Dieser Kerl würde sich wohl nie ändern egal wie alt er war. „Lass sie uns zusammen suchen.“, versuchte sie nun ihren Freund aufzumuntern. Somit gingen die Pläne beider auf, den jeweils anderen wieder aufzumuntern. Auf dem Granger Anwesen suchten die beiden nach ihren Freunden. In den Zimmern wurden sie nicht fündig und auch nicht im Dojo wo sie sonst immer saßen. „Wo sind sie denn alle hin?“, fragte die Japanerin mehr sich selbst als ihren Begleiter. Der schien in Gedanken versunken. „Sag mal...Hil?“, begann er zögernd als sie den überdachten Bereich im Innengarten betraten. „Hm?“, sie blieb darauf stehen und sah auf ihn zurück. „Was findest du an Kai?“ „Wie- Wie meinst du das?“ „Na, warum magst du ihn?“ „Naja...“ „Er sieht gut aus und hat Talent aber das haben die anderen auch! Also was ist es?“ „Ich weiß es nicht...seitdem ich ihn das erste Mal sah, war er-“ „Nur, weil er gut aussieht?! Er hat einen miesen Charakter! Quält sein Team und ist Mister Eisblock in Person! Was kannst du an ihm mögen? Gut, dass er endlich weg ist... Jetzt kann er dich wenigstens nicht mehr zum Weinen bringen!“ „Was ist denn mit dir los, Tyson?“, Hilary verstand nicht worauf er hinaus wollte. Es hatte ihn sonst auch nicht interessiert, was sie an ihrem Teamchef fand. Jetzt wo er weg war machte er so einen Aufstand. Tyson ballte beide Fäuste. „Ich habe immer gesehen wie du ihn angeschaut hast... Ich habe jedes Mal unendliche Wut empfunden, als er dich ignoriert hat... Ich habe mitbekommen, dass du jedes Mal wegen ihm geweint hast...“ „Tyson...“, sie schlug die Hand vor den Mund. „...Hil! Versteh doch endlich, dass du nur eine von vielen gewesen wärst! Ich weiß was du für ihn empfindest...“, seine Hände entspannten sich für einen Moment. „...aber es hat ihn nie interessiert... Hilary...“, er stand vor ihr und legte seine Hände zart auf ihre. Die braunhaarige stand wie angewurzelt vor ihm. Was sollte das werden? „...ich würde dich nie zum Weinen bringen...“, er schloss sie fest in die Arme. „Weil ich dich schon seit dem ersten Tag liebe!“ Hilary konnte es nicht glauben. Tyson war ihr bester Kumpel und jetzt haute er ihr das an den Kopf. Er würde sie lieben? Nein, was war überhaupt Liebe? Tyson verhielt sich immer wie ein Kleinkind, machte Spaß mit jedem und verstand sich mit allen. Wieso auf einmal? „Warum erzählst du mir das...“ All die Jahre konnte er es für sich behalten, doch jetzt wo Kai nicht mehr da war, versuchte er es? Tyson umschloss seine Freundin. Seine Arme hielten ihren zarten Körper fest an sich.Er wollte sie nicht mehr loslassen. Niemand sollte sie je mehr zum Weinen bringen. Schon gar nicht dieser Nichtsnutz von Kai, der einfach ging ohne sich zu verabschieden. „Hil, es war mir nie richtig klar, aber du bist das Beste was mir je passiert ist! Kai hätte dich nie glücklich machen können... Er hätte dich mit der nächsten Frau betrogen!“, redete Tyson weiter und wollte Hilary mehr und mehr für sich gewinnen. Sie sollte sich nicht nur körperlich von dem Halbrussen entfernen, sondern auch ihre Gefühle für ihn begraben. Seine Worte dröhnte in ihren Ohren, der Griff um ihren Körper war so fest, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Mit aller Kraft befreite sich Hilary aus seinem Griff und schubste Tyson zurück. Was dann folgte war ein ohrenbetäubender Knall. Tyson ging zu Boden. Die braunhaarige verpasste ihrem langjährigen Freund eine Ohrfeige, die sich auch noch kurze Zeit danach auf seinem Gesicht abzeichnete. Verdutzt hielt er die schmerzende Wange. „Nein!“, schrie Hilary ihn aus vollem Hals an. Niemals würde sie sich auf ihn einlassen. Er war noch immer ein kleines Kind, dass gefangen war in dem Körper eines Erwachsenen. Nein, das wollte sie nicht! Sie würde auf Kai warten und wenn sie ihr restliches Leben warten würde! „Du weißt gar nichts, Tyson...“, sie kniff die Augen fest zusammen, denn ihre Tränen wollten nicht zurückbleiben. „Ich werde ihn immer lieben!!“, schrie die Japanerin so laut es ihre Stimme zu ließ, denn schon darauf versagte sie. Von dem aufgebrachten Schrei wurden auch die restlichen Bladebreaker aufmerksam und eilten aus dem Garten zum Haus zurück. Das Bild was sich ihnen bot war für alle Beteiligten eine große Überraschung. Tyson saß auf dem Boden, in seinem Gesicht eine Stelle die dunkelrot verfärbt war. Ihm gegenüber die Brünette deren Tränen über die Wangen liefen und schließlich auf den Holzboden tropften. Als sie ihre Freunde sah, ergriff Hilary die Flucht. Nein, niemand sollte sie jetzt sehen. Es war ihr peinlich, sie schämte sich so sehr. Alles wurde immer komplizierter! So schnell sie konnte rannte sie die Straßen entlang. Zurück im Dojo blieben drei verwirrte Freunde und Tyson, der seinen ganzen Mut zusammengenommen hatte... ~~~~ Mit einem Schreck fuhr die junge Frau aus ihrem Bett auf, ihr Blick fiel sofort auf die andere Bettseite. Neben ihr schlief ihr Mann mit dem Gesicht zu ihr gewandt. „...ein Glück...“, lächelte sie außer Atem von ihrem aufregenden Traum. Sie brauchte doch Ruhe, warum träumte sie dennoch so etwas? Auf der anderen Bettseite blieb dem Russen mit seinem leichten Schlaf nicht verborgen, dass seine Frau im Bett saß. Er zog sie im Halbschlaf zu sich heran. „Schlaf weiter...aber...tritt nicht wieder...“, murmelte er und umfasste sie sicher. Nah bei Kai wurde ihre Aufregung weniger. Bei ihm konnte sie sich entspannen, egal was vorher war. Hatte der Traum mit ihrem Treffen zu tun? Hilary schaute eine Weile in das schlafende Gesicht des blau-haarigen ohne an irgendetwas zu denken. Es brachte nichts, sich verrückt zu machen. „...nur...ein Traum...“, murmelte die schwangere ehe sie wieder eingeschlafen war. Die Sonne stand schon am frühen Morgen in ihrer vollen Pracht am Himmel. Es war schon unerträglich heiß und die Sonnenstrahlen brannten auf der Haut. Hilary fuhr sich mit einem kühlen Tuch über das Gesicht. Sie schwitzte unerträglich. Dazu kam das schwüle Wetter und die Schwangerschaft tat ihr übriges. Sicher würde es noch ein Unwetter geben, dachte sie. Emilia und Kai schienen mit den Temperaturen keinerlei Probleme zu haben. Die Kleine tobte vergnügt über den Spielplatz und ließ ihrem Vater keine Minute zum Verschnaufen. Er schnappte sich Emilia, worauf sie laut quietschte und lachte. „Komm, wir gehen was trinken.“, er trug sie auf der Schulter in den Schatten zu Hilary. Die hatte schon zwei Wasserflaschen aus der Tasche geholt. „Es wird immer wärmer...Vielleicht sollten wir zurück zum Hotel?“ „Ich habe gleich noch einen Termin mit Mister Dickenson, das dauert nicht sehr lang... Willst du mitkommen oder vorher ins Hotel?“ „Gerne, ich komme mit. Dann kann ich mich gleich dafür entschuldigen, dass du den Termin meinetwegen verpasst hast.“ „Das lässt du schön bleiben. Es ist alles geklärt.“, bremste er sie aus. Die Besichtigung der neuen Trainingshalle lief relativ gut und Ideen hatte er auch schon was die räumliche Verteilung anging. „Es geht heute nur um ein paar vertragliche Änderungen.“ „Wieso das denn?“ „Mister Dickenson wollte die BBA als Eigentümer der neuen Halle haben, doch nun wird es wohl doch eine Außenstelle des Moskauer Zentrums, wie das was wir schon in New York haben. Die BBA wird lediglich Förderer und Sponsor bleiben.“ „Wow...dass du knallhart mit Mister Dickenson verhandelt hast... Dann wirst du wohl in Zukunft häufiger nach Tokio reisen deswegen?“, die Japanerin befürchtete das Schlimmste. „Das kann hin und wieder vorkommen...allerdings wird es hier wie auch bei Max in den USA eine separate Leitung geben, die hier die Stellung hält.“ „Und wer soll das machen? Ray kannst du nicht fragen.“ „Nein, das hatte ich mir anders erhofft. Ich habe aber schon jemanden im Hinterkopf...aber ob das klappt...“, er schloss das Auto auf und verstaute den Buggy im Kofferraum. „...ist fraglich...“, murmelte er zu sich und ging nach vorn. „Du wirst schon die richtige Entscheidung treffen, da bin ich mir sicher!“, wurde er sogleich von Hilary aufgemuntert. Ein stummes Nicken seinerseits folgte. Während der Fahrt herrschte eine seltsame Atmosphäre zwischen dem Paar. Hilary schien nervös zu sein. Sie wusste nicht so recht wo sie hinschauen sollte und strich auffällig oft ihr Kleid glatt. „Was ist?“ „Nichts!“, sie sah Kai an der weiter konzentriert auf die Straße blickte. Er warf ihr einen kurzen durchdringenden Blick von der Seite zu, worauf die braunhaarige laut seufzte. „Ach...man...“ „Hm?“ „Du willst das vielleicht nicht hören... Aber könnten wir bitte noch einmal zu meinen Eltern fahren?“ „Du sollst Aufregung vermeiden hat Ray doch ausdrücklich gesagt.“, antwortete er ruhig aber bestimmt. „Ich weiß... Ich würde meiner Mutter gerne alles erklären...“ „Das hast du doch schon. Du hast meine Bedingung erfüllt... Mehr habe ich von dir nicht verlangt.“ „Aber ich möchte es...kannst du nicht dort vorbeifahren? Und wenn das Auto von meinem Vater da ist, fahren wir einfach weiter...Okay?“, es war schön für die Japanerin wieder mit ihrer Mutter zu sprechen. Jetzt wo sie wusste, dass sie keinerlei Vorwürfe von ihr zu erwarten hatte, fühlte sie sich noch besser. Von dem blau-haarigen bekam sie darauf keine Antwort. Er fuhr weiter konzentriert durch die Stadt. „Da mussten wir doch runter!“, stellte die Schwangere überrascht fest. Kai blieb ruhig. „Ja...aber du wolltest doch zu deiner Mutter? Ich hab noch etwas Zeit und die dürfte gerade so reichen um nachzuschauen ob deine Eltern da sind oder nicht.“ Ein breites Lächeln überkam die junge Frau. „Danke Kai.“ Zehn Minuten später fuhren sie wie vor einigen Tagen mit Schritttempo durch die Siedlung. Den Weg kannte Kai wieder, auch ohne Hilarys Hilfe. Langsam kamen sie der Auffahrt ihres Elternhauses näher. Das Tor geöffnet. „Er scheint nicht da zu sein. Halt bitte an.“ Kai tat was Hilary sich wünschte und stoppte langsam den rollenden Wagen. „Na los... Ich muss gleich in der BBA sein.“ „Ja!“, eilig sprang sie aus dem Wagen und nahm Emilia mit. Am heruntergelassenen Fenster hatte der Russe allerdings noch etwas zu sagen. „Wenn dein Vater auftaucht...ruf mich sofort an oder verschwinde dort.“ Ein liebevolles Lächeln entfuhr seiner Frau. „In Ordnung. Mach dir keine Sorgen.“, sie gab ihm einen Kuss durch das geöffnete Fenster und Kai fuhr mit einem mulmigen Gefühl weiter. Ob das gutgehen würde? Hilary näherte sich langsam ihrem Elternhaus. Das Gartentor stand offen und gemeinsam mit ihrer Tochter klingelte sie an der Haustür. Sie schnaufte laut. Alles blieb still. Sie klingelte noch einmal, doch wieder war von drinnen nichts zu hören. Ob alles in Ordnung war? Sie wollte zum Fenster hineinsehen, als ihre Mutter aus dem Garten nach vorne kam. „Entschuldigung, ich habe die Klingel zu spät gehört-“ „Hey Mom.“, begrüßte die Brünette ihre Mutter mit einem vorsichtigen Lächeln. Emilia schaute wieder skeptisch auf die ihr noch sehr fremde Frau. „Hilary! Du hier! So ein Glück! Du hast gerade deinen Vater verpasst.“ Wissend nickte sie. „Deswegen bin ich jetzt hier. Ich will ihm nicht begegnen...“ „Ach so... Hast du etwas Zeit mitgebracht? Kommt doch mit nach hinten. Ich mache uns einen Tee!“ Ihren Tee beschlossen die Frauen dann doch drinnen zu trinken, draußen brannte die Sonne weiterhin erbarmungslos herab. In der Küche surrte die Klimaanlage stetig und hielt den Raum angenehm kühl. „Mom...ich möchte mich bedanken, dass du mir keine Vorwürfe machst... Es tut mir so leid... Ich hätte mit dir reden sollen...stattdessen bin ich einfach gegangen...“ „Ich kann deine Entscheidung von damals nachvollziehen... Dein Vater hätte genauso reagiert, wie er es jetzt getan hat... Vielleicht hättest du diese kleine süße Maus jetzt nicht, wenn du geblieben wärst.“, Asako lächelte betrübt. „Was du getan hast, war für uns eine große Enttäuschung, doch sie war für dich die einzige Lösung.“ „Ich hatte zwar eine sehr schwere Zeit, aber ich bin jetzt glücklicher als ich es je war.“ „Das sieht man dir an, Hilary. Du trägst ein Leben in dir von dem Mann, den du schon immer geliebt hast. Was gibt es schöneres?“ „Ja...“, liebevoll strich sie über ihren Bauch. Emilia sah diese kleine Geste und tat es ihrer Mutter gleich. Auch sie strich zärtlich mit ihren kleinen Händchen über den großen Bauch ihrer Mutter. Bald würde sie ein Geschwisterchen bekommen, dass wusste sie schon. Doch was genau damit gemeint war, verstand Emilia noch nicht. Die beiden Frauen fanden schnell wieder zueinander. Ihre Gemeinsamkeiten ließen sie all das vergessen was vor ein paar Jahren passiert war. Unterdessen verging die Zeit bei Kai doch langsamer als er es erhofft hatte. Die Verträge waren nicht zu seiner Zufriedenheit ausgearbeitet. Es blieben zu viele Grauzonen – seiner Meinung nach. Das musste schnellstens geändert werden. Die Büroangestellte schien es nicht im Geringsten zu interessieren, dass der Russe es eventuell eilig haben könnte und tippte in aller Seelenruhe den Vertrag neu. Vielleicht war sie auch nur eine Praktikantin die von ihrem Vorgesetzten diese Aufgabe bekam. In einem unbeobachteten Moment zog Kai sein Handy aus der Hosentasche und prüfte das Display in der Hoffnung Hilary hätte sich gemeldet. „Nichts...“, murmelte er etwas lauter und zog die Aufmerksamkeit von Mister Dickenson auf sich. Schnell schob er das Handy zurück in die Tasche. „He he...du brauchst das nicht verstecken, Kai. Du hast Familie, da will man schon wissen ob etwas passiert ist oder nicht. He he he.“, lachte der alte Mann schelmisch und mahnte die Praktikantin schneller zu schreiben. „Hm...“, kam es knapp vom blau-haarigen. Er streckte sich ausgiebig. „Wie lang dauert es noch?“, fragte er ungeduldig und lehnte den Arm über die Couchlehne. Die Praktikantin entschuldigte sich unaufhörlich, dass sie nicht schneller schreiben konnte und zog erneut alles noch mehr in die Länge. Nach einer weiteren halben Stunde waren alle Formalitäten geklärt und auch der Vertrag zu Kai's Zufriedenheit geändert. „Um den Ausbau der Halle werde ich mich selbstverständlich allein kümmern. Sobald es einen Ansprechpartner für Sie gibt, teile ich Ihnen den Namen mit.“ „Natürlich Kai. Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit.“, beide schüttelten eifrig die Hand des Anderen. Auf dem Rückweg versuchte Kai seine Frau zu erreichen. Es war um die Mittagszeit herum, vielleicht würde Emilia schon schlafen. Ob sie schon zurück im Hotel war? Er bekam keine Antwort auf seine Frage, denn Hilary ging nicht ans Telefon. Bei ihrem Elternhaus angekommen stieg er eilig aus, sein Blick fiel auf das noch geöffnete Tor. Ihr Vater schien noch außerhalb zu sein. Gerade als er Klingeln wolle öffnete sich die Tür schlagartig. „Kai!“, seine Frau fiel ihm um den Hals. Sie hatte ihn schon vom Fenster aus gesehen als er das Grundstück betrat. „Wie war dein Termin?“ „Alles in Ordnung. Was ist mit dir?“ „Komm rein. Es ist alles ruhig. Mom freut sich dich zu sehen.“ „Wir sollten lieber los.“ „Das geht nicht. Emilia ist im Wohnzimmer eingeschlafen.“ Er sog unüberhörbar Luft ein. Das konnte nur in einem Chaos enden. Trotzdem tat er ihr den Gefallen. Höflich wie es die Sitten in Japan verlangten, begrüßte er seine, nun ja, Schwiegermutter. Die stand noch in der Küche und wusch Geschirr ab. „Möchtest du etwas essen? Wir haben wohl etwas zu viel gekocht.“, lud Asako ihn ein. Er hob die Hand zum Abwinken, doch seine Frau schob ihn von der Seite vorwärts. „Komm schon...bitte...“, zischte sie ihm zu. Er sollte wohl etwas auf ihre Familie zugehen nachdem was bei ihrem letzten Treffen passiert war. Eine Schüssel Reis mit Gemüse und Rindfleisch später bedankte der Halbrusse sich für die Mahlzeit. „Wollen wir nach oben gehen?“, fragte Hilary müde, sie gähnte in einer Tour. Kai nickte. Er sah Emilia im Wohnzimmer auf der Couch liegen, beruhigt, dass sie schlief. Doch er wandte sich an Asako. „Ist es für Sie in Ordnung, wenn ich mit Ihrer Tochter nach oben gehe?“ Asako lachte kurz auf. „Ihr seid verheiratet, da mache ich euch keine Vorschriften mehr.“, mit einer Handbewegung zeigte sie an, dass die beiden gehen sollten. „Ich passe auf meine Enkeltochter auf, wenn das in Ordnung ist.“, gab sie lächelnd zurück und entlockte so auch dem Russen ein zufriedenes Grinsen. Im Flur zeigte die Treppe in den ersten Stock. Kai blieb davor stehen. „Das ist das erste Mal, dass du hier hoch kommst.“, sprach Hilary seine Gedanken aus. „Ja.“ „Komm.“, sie zog ihn mit sich bis vor ihre Zimmertür. Die brünette öffnete unsicher ihre Tür. Das letzte Mal betrat sie ihr ehemaliges Jugendzimmer mit einem Schwangerschaftstest. „Hier sieht alles so aus wie früher-“ Kai trat ebenfalls ein. Er war zwar gefühlt eine Ewigkeit mit ihr befreundet, doch noch nie in ihrem Zimmer gewesen. „Schön hast du es hier.“, er schob die Gardine mit einem Finger an die Seite und sah nach draußen. Hilary sah sich genau um. Wirklich alles war noch so wie sie es verlassen hatte. Selbst der Brief den sie ihren Eltern schrieb, lag noch auf dem Schreibtisch. Schnell zerknüllte sie das Papier. Ihr Zimmer war recht großzügig geschnitten. Es lag direkt unter dem Dach und hatte ein Dachfenster, dass zur Straßenseite zeigte und ein normales an dem Kai gerade stand. Unter der Dachschräge stand ihr bei und unter dem Dachfenster stand abschließend vom Bett ihr Schreibtisch. Sie besaß einen großen Kleiderschrank, der in der Wand eingelassen war. Gegenüber vom Bett stand eine helle Kommode auf der ein TV-Gerät bereits etwas eingestaubt war. Die Japanerin ließ sich auf ihr Bett fallen. „Es ist so lange her, dass ich hier gelegen habe...“ „Es war bestimmt eine schwere Zeit, die du als letztes hier hattest.“ Hilary legte ihre Arme überkreuzt über ihr Gesicht und nickte. Eigentlich wollte sie nicht mehr daran denken. „Ich bin froh, dass du jetzt mit mir hier bist.“ „...darf ich?“, er stand wartend vor ihrem Bett. Hilary nickte erneut, worauf er sich neben sie setzte und auf den Unterarm stützte. Mit der anderen Hand befreite er ihr Gesicht von ihren Armen. Sie hatte gerötete Augen. Er konnte zwar nicht nachvollziehen wie schwer sie es wirklich hatte, aber er wollte sie nicht mehr weinen sehen. „Hör auf zu weinen...“ „Tut mir wirklich leid, dass ich ständig heule...liegt sicher an den Hormonen...“ Er strich ihr ein paar Haare auf dem Gesicht. „Lass mich deine schlechten Erinnerungen durch schöne ersetzen...“, Hilary schlug die Augen auf als sie seine warmen Lippen auf ihren spürte. Ihre Hände legten sich sofort um seinen Hals und hielten seinen Kopf fest. Sie würde ihn nie wieder gehen lassen...genauso wenig wie er sie. Kapitel 80: Ein neues Problem ----------------------------- Kapitel 80 ~~~~ „Lass mich deine schlechten Erinnerungen durch schöne ersetzen...“, Hilary schlug die Augen auf als sie seine warmen Lippen auf ihren spürte. Ihre Hände legten sich sofort um seinen Hals und hielten seinen Kopf fest. Sie würde ihn nie wieder gehen lassen...genauso wenig wie er sie. ~~~~ Es nahten die letzten Tage für die kleine Familie in Tokio. Es waren vertraglich die wichtigsten Dinge geklärt, und Kai wirkte mittlerweile ziemlich entspannt. Am letzten Morgen vor ihrer Rückreise hatte er sich mit Emilia sogar durchgerungen herunter an den Pool zu gehen. Es war noch angenehm kühl am Wasser doch die Liegen wurden schon vorsorglich mit Handtüchern blockiert. Kai ließ sich davon nicht weiter stören, nahm Handtücher von zwei Liegen und legte seinen eigenen darauf. Emilia hielt eine kleine Schüssel in den Händen die reichlich mit frischem Obst gefüllt war. Das naschte sie auf dem Weg. „Du weißt schon, dass du jetzt nicht schwimmen gehen darfst?“, der Blick seiner Tochter verriet ihm, dass es ihr herzlich egal war, ob sie ins Wasser durfte oder nicht. Schwimmen konnte sie nämlich eh nicht. Genüsslich steckte sie noch ein Stück Erdbeere in den Mund. „Damit sinken deine Chancen weiter.“, hockte er sich wissend neben sie und drückte den Finger gegen ihre dicke Wange, in der sie die Erdbeere hamsterte. Emilia musste sich sehr anstrengen um ihrem Vater die Zunge heraus zu stecken. Das gestaltete sich schwieriger als gedacht. Der kleine Mund öffnete sich und die Zunge lugte ein kleines Stück heraus ehe es PLOPP machte und das unzerkaute Stück Obst aus der Wange flog. Für einen kurzen Moment herrschte betretene Stille zwischen den beiden. Emilia schlug beide Hände vor den Mund als sie die hochgezogene Augenbraue ihres Vaters sah. Der Anblick seiner Tochter war unbeschreiblich und ließ den sonst so beherrschten Russen in ein unaufhörliches Lachen verfallen. Emilia sah ihren Vater überrascht an, hatte sie ihn noch nicht oft lachen sehen. Unter ihren Händen musste auch sie grinsen. „Ihr scheint eine Menge Spaß zu haben!“, rief es ein Stück entfernt von ihnen. Hilary war auch aufgestanden und gesellte sich zu den beiden. Sie trug einen türkis farbenen Bikini und um die Hüften ein dünnes Tuch gebunden. „Was ist denn so lustig?“, grinste sie ebenfalls, denn viel brachte ihren Mann nicht dazu in der Öffentlichkeit eine derartige Gefühlsregung zu zeigen. Kai räusperte sich, stand auf und nahm die Erdbeere vom Boden. „Das bleibt unser Geheimnis.“, er legte symbolisch seinen Finger auf den Mund und zwinkerte seiner Tochter vielsagend zu. Die nickte sofort. Dann wand er sich seiner Frau zu. „Na, endlich ausgeschlafen?“, seine Hände legten sich sanft auf ihre Seiten, gefolgt von einem Kuss. Hilary verzog das Gesicht. Sie hätte gerne noch weiter geschlafen. „Es gibt da jemanden, der dachte, dass die paar Stunden ausreichen würden...“, sagte sie übertrieben betont, wobei sie ihren Bauch streichelte. „Das Baby ist heute ziemlich aktiv.“ „Vielleicht ist dem kleinen zu warm da drin...“, schlussfolgerte der blau-haarige, worauf seine Frau kopfschüttelnd abwinkte. „Blödsinn... Aber vielleicht hilft eine Abkühlung. Und hör auf immer zu behaupten es wird ein Junge!“, seine Anmerkungen zum Geschlecht des Babys häuften sich je größer ihr Bauch wurde. Dabei ließen sich die beiden überraschen und Hilary glaubte nicht daran, dass Kai einen 7. Sinn dafür besaß. Kai zog die Schultern hoch. „Wie du meinst.“, und sprang mit einem gekonnten Köpper ins kühle Nass. Er tauchte auf und hielt sich am Beckenrand fest. „Los, komm schon. Das Wasser ist angenehm.“ Kurze Zeit später schwammen sie zu dritt durch den Pool. Ihren letzten Tag verbrachten sie großteils draußen am Pool und ehe sie sich versahen war es Abend geworden. Die letzten Sachen packten die beiden am Morgen darauf ein. Ihr Flug würde gegen 12 Uhr Mittag starten, somit konnten sie den Vormittag in aller Ruhe nutzen. Ein letztes japanisches Frühstück im Hotel, danach im Park den Spielplatz unsicher machen. Kurz vor dem Mittag gab Kai den gemieteten Wagen zurück, den er sich am Anfang in Tokio besorgt hatte. Endlich hatten sie den Check-In überstanden, die Koffer abgegeben und die restliche Zeit hieß es warten. Für Emilia eine wahre Freude, denn diese außergewöhnlich großen Vögel zogen sie magisch an und sie klebte regelrecht an der großen Fensterscheibe. Jetzt näherte sich ihr Flieger, der direkt vor der Scheibe zum Stehen kam. Unten bereiteten die Mitarbeiter die Schleuse vor, es wurden letzte Anweisungen gegeben. Eine halbe Stunde später waren sie in der Luft. Der Flug dauerte ein paar Stunden und alle waren erleichtert heil in Moskau festen Boden unter den Füßen zu spüren. Zurück im eigenen Heim hielt der Alltag schnell wieder Einzug. Die folgenden Wochen vergingen zügig und auch die Arbeit im Sportzentrum ging wieder ihren geregelten Gang. Allerdings nicht zur Freude des Chefs. An einem Vormittag klopfte es an seiner Bürotür. „Ja!“, rief er laut und seine Mitarbeiterin trat ein. Sie war in seinem Alter, allerdings ziemlich nervös wie es schien. Vorsichtig kam sie dem Schreibtisch näher, Kai deutete mit einem Wink an, dass sie sich setzen sollte. Er trug auf einer Liste ein paar Zahlen ein, dann wand er sich der Person vor ihm zu. „Ich höre.“, ihm war der Zettel, den sie in der Hand hielt beiläufig schon aufgefallen, worauf er gleich zum Punkt kommen wollte. Die junge Mitarbeiterin hatte großen Respekt vor ihrem Chef, das sah man ihr an der Nasenspitze an. Ihr blondes Haar war gelockt und über die Schulter nach vorn gelegt. Zögerlich legte sie den Zettel auf den Schreibtisch. Kai, der bis eben noch zurückgelehnt in seinem Bürostuhl saß, lehnte sich vor um das Schriftstück zu lesen. Dabei sah er seiner Mitarbeiterin flüchtig ins Gesicht und bemerkte, dass sie geweint hatte. Ein tiefes Schnaufen hallte durch den Raum als er den Zettel kurz überflogen hatte. „Herr Hiwatari...es tut mir leid...“ „Ein Beschäftigungsverbot? Das heißt dann wohl...“ „Ich bin schwanger. 6. Woche. Der Arzt hat sofort das Verbot ausgestellt, als ich ihm gesagt habe wo ich arbeite.“, sie senkte ihren Kopf und rang mit den Tränen. Der blau-haarige reichte wortlos eine Packung Taschentücher herüber. Wie sehr er nicht ausstehen konnte, wenn Frauen weinten... Eine passende Antwort auf die ungeplante Situation wollte ihm auch nicht gelingen. „Da kann man nichts machen...“, innerlich ohrfeigte er sich für diese dumme unprofessionelle Antwort. Einen Moment später wirkte er wieder geordneter. „Ich brauche zusätzlich noch irgendeine ärztliche Bescheinigung, die bestätigt, dass Sie wirklich schwanger sind.“, sprach er kühl weiter. Die junge Frau nickte und wischte mit dem Tuch über ihr Gesicht. „Reicht Ihnen das hier erstmal?“, sie öffnete den Reißverschluss ihrer Handtasche und zog ein kleines Ultraschallbild hervor. „Hm. Ich denke für den Moment schon.“, er nahm das Bild, kopierte es und legte es zu ihrer Personalakte. „Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie das Heft bekommen und einen genauen Termin wissen.“, damit reichte er das kleine Bild wieder zurück an ihre Besitzerin, die erneut nickte. Kai erhob sich, um die Akte wieder wegzuräumen. „Gibt es noch etwas?“ Aufgeschreckt sprang sie vom Stuhl. „Nein! Nein...ähm...auf Wiedersehen Herr Hiwatari.“ „Ja. Herzlichen Glückwunsch.“ „Danke.“, damit verließ die Mitarbeiterin das Büro und hinterließ eine Lücke im Zentrum um das Kai sich jetzt kümmern musste. Der gezielte Griff zum Telefon war schon unbewusst gemacht. Da war es auch nicht verwunderlich, dass er den Amerikaner am anderen Ende der Leitung begrüßte. „Wir haben hier ein Problem.“ „Wir?“ „Ja, ich brauch dich hier.“ Ein Murren vom anderen Ende war zu hören. „Weißt du eigentlich wie spät es ist?“ „09:47 Uhr.“ Erneut ein resigniertes Seufzen. „Das war eine rhetorische Frage...was ist denn los?“ Kai schilderte die erlebte Situation mit seiner Mitarbeiterin und bekanntlich war Max der Letzte, der einem Freund Hilfe verweigern würde. Doch es war mitten in der Nacht bei ihm, daher war sein Gemütszustand nicht der beste. Auch die Tatsache, dass Emily neben ihm lag und herum moserte, förderte dies nicht unbedingt. „Ich werde sehen was ich machen kann...aber...lass mich bitte eine Nacht darüber schlafen...“ Nach dem Telefonat mit seinem Geschäftspartner, welches sich anders entwickelt hatte als er im Kopf hatte, klopfte er nervös mit dem Kugelschreiber auf seinem Schreibtisch herum. Es musste doch eine Lösung für dieses unvorhergesehene Problem geben... Kai schrieb dem Amerikaner zusätzlich noch eine Email in der er erklärte, was genau passiert war. Und, dass er dringend Personal bräuchte. Als nach einigen Stunden des Wartens seine Email beantwortet wurde gab es noch ein größeres Problem: Eine weitere Angestellte gestand ihrem Chef die Schwangerschaft und damit sofortiges Beschäftigungsverbot. „Warum ausgerechnet jetzt...“, murrte er unzufrieden vor sich her, als er gedankenversunken über den langen Flur zu den Bey-Arenen lief. Er hatte mittlerweile seinen Anzug gegen einen lässigen Trainingsanzug getauscht um die beinahe ausfallende Trainingseinheit selbst zu leiten. In der Hand trug er ein Klemmbrett, welches ihm den Stand seiner Schüler verriet. Es war bereits nachmittags und das sollte die letzte Einheit des Tages gewesen sein, die seine schwangere Angestellte hätte leiten sollen. Nach einer Stunde verabschiedeten sich die Kinder und wurden freudig von ihren Eltern in Empfang genommen. „Was für eine Truppe...“ Damit am morgigen Tag nicht wieder so ein Chaos herrschen würde, überarbeitete er bis zum frühen Abend die Dienstpläne und verteilte alle Trainer neu. Das sollte für den Moment kein größeres Problem darstellen. Allerdings könnte er nicht auch noch das Training der Kinder neben der Büroarbeit übernehmen. Hinzu kam, dass Hilary mittlerweile hochschwanger war und es nur noch eine Frage der Zeit war bis die Geburt losging. Zuhause wurde er bereits mit einer warmen Mahlzeit erwartet. Mal wieder kam er viel zu spät von der Arbeit. Hilary war bereits daran gewöhnt, doch wünschte sie sich etwas mehr Zeit mit ihm zu verbringen. Der Russe brachte auf Wunsch seiner Tochter, diese ins Bett und ihr fiel immer wieder etwas neues ein was sie ihm erzählen musste. Aufmerksam hörte ihr Vater den spannenden Geschichten seiner Tochter zu bis er nach einer Stunde dem Ganzen den Riegel vor schob. „Es reicht jetzt aus, Emilia. Leg dich hin...so zudecken...“, spaßig warf er die Decke über ihren Körper samt Kopf, was die kleine urkomisch fand. „Okay, jetzt ist aber wirklich Schluss.“, vermutlich maßregelte er sich gerade selber mehr als Emilia. Die lag nun bereit für das abendliche Hörspiel eingekuschelt im Bett. „Papaaaaaa...? Wann kommt das Baby?“, fragte sie ihren Vater nachdem er die CD angeschaltet hatte. Ein lauter Seufzer verließ seinen Mund, er zuckte mit den Schultern. „Hoffentlich lässt es sich noch Zeit...Gute Nacht...“, er schloss leise die Tür und kehrte zu seiner Frau zurück. Sie hatte ihre Füße bereits hochgelegt. Die Schwangerschaft strengte sie immer mehr an. Auch ihr Bauch wurde zusehends praller. Kai ließ sich neben ihr nieder und sofort kuschelte sie sich an ihn. Er legte seinen Arm um sie. „Was gibt es neues bei dir?“, erkundigte sie sich. Sein Seitenblick verriet ihr allerdings nicht weiter danach zu fragen. Er warf müde seinen Kopf nach hinten... „Beschissener hätte es heute echt nicht werden können... Ich brauche neues Personal...“ „Ohje, hat etwa jemand gekündigt?“ „Schlimmer...zwei Frauen aus dem Trainerteam sind schwanger...mit sofortigem Arbeitsverbot. Max kann auch niemanden entbehren und frühestens in einer Woche herkommen...“, genervt fuhr er sich durch die Haare. „Dann musst du jemand neues einstellen!“ „Schlaumeier...daran hab ich auch schon gedachte. Die Auswahl ist allerdings nicht sehr überzeugend...“ „Probier es doch aus. Schalt eine Anzeige in der Zeitung oder wo auch immer und dann warte ab.“ „Genau da ist der Knackpunkt. Ich kann nicht warten. Ich brauche jetzt jemanden, der das Training in Eigenregie leiten kann. Und zuverlässig ist.“ Hilary atmete lautstark aus. Konnte er nicht einmal in so einer Situation seine Ansprüche ein Stück herunterfahren? Klar, verstand sie ihn sehr gut, doch war sich Kai mal wieder selbst im Weg... Tags darauf hatte Kai erneut eine Mail von Max im Postfach. Dieser konnte es einrichten Anfang nächster Woche bei ihm zu sein. „...das wären dann...“, er blätterte in seinem Terminkalender, der vor ihm auf dem Tisch lag. „...fünf Tage...ohne Wochenende drei... Das sollte machbar sein.“, redete er mit sich selbst. Eine seltsame Angewohnheit, die er entwickelt hatte. Gut, dass ihn niemand hören konnte. Er mailte Max zurück, dass es in Ordnung gehen würde. Innerlich hoffte er natürlich, dass sein Stellvertreter eine Nonplusultra-Lösung im Gepäck haben würde. Ein weiterer Tag verging und er zog sich wie Kaugummi in die Länge. Wieder einmal überarbeitete er die Pläne und erstellte geeignete Trainingspläne für die übernommenen Gruppen. Das bereitete ihm mehr Freude, schließlich war er sehr gut darin, sein damaliges Team zu drangsalieren. Mit Erfolg. „Hey...ich bin wieder da.“, rief er durch den Flur. Hilary hatte ihn bereits gesehen und winkte, dass er leiser sein sollte. „Emilia ist gerade erst eingeschlafen...sshh...“, sie deutete auf die Couch auf der die kleine in eine Decke eingekuschelt lag. Wissend nickte er. Emilia wollte auf ihren Papa warten, so wie sie es von ihrer Mama gelernt hatte. Die wartete nämlich auch jeden Tag auf ihn. Er gab seiner Frau einen liebevollen Kuss ehe er seine Tochter auf den Arm nahm und sie in ihr Bettchen trug. Vorsichtig deckte er sie zu und strich über ihr Gesicht. Unten erwartete Hilary ihn bereits. Er setzte sich mit seinem Essen an den Küchentisch und bekam gleich ein paar Zettel vor die Nase gehalten. „Hier.“ Er nahm ahnungslos die Zettel entgegen, „Ein Entwurf für eine Stellenausschreibung für das Zentrum.“ „Hilary...wir haben darüber gesprochen... Das ist meine Arbeit.“ „Und ich bin deine Frau und will etwas für dich tun! Also ließ es dir doch wenigstens mal durch...“ Ungern nahm er die Hilfe seiner Frau an. Es waren zwei Entwürfe für die Ausschreibung der zu besetzenden Stellen. Kai gab keinen Laut von sich, nur die Augenbrauen sprachen für ihn. „...und?“, fragte die Brünette und setzte sich zu ihm. „Hm.“, kam es knapp, worauf er das Papier hinlegte und zu essen begann. „Hört sich nicht schlecht an...“ „Echt? Schau mal, ich hab hier mal geguckt...“, sie zückte erneut einen Zettel. „Da, da und da könntest du die Anzeigen günstig schalten. Da würden sie von vielen gesehen werden. Und wenn du bei dem-“ „Stopp!“ „Was?“ „Du hast das alles schon in Sack und Tüten?“ „Ja. Du musst es nur noch absegnen.“, grinste sie und legte eine Strähne hinter ihr Ohr. Ein Schnauben war gleichzeitig unüberhörbar. „Du hast dich gegen meinen Willen eingemischt..., eine Anzeige entworfen...und soweit, dass sie nur noch online gehen muss...“, er warf sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „...über welche Zeitspanne reden wir hier?“ Hilary's Augen wurden größer. Schnell suchte sie nochmal nach den genauen Zahlen. „Ähm...die hier wäre für vier Wochen....und...die sogar für acht Wochen. Wobei...“ „Lass beide online gehen.“ „Echt jetzt?“ „Hab ich undeutlich gesprochen?“ „Was? Nein! Aber- das heißt du machst das?“, ihr zufriedenes Lächeln wurde immer breiter. Das war einfacher als sie dachte. Im Großen und Ganzen war er wohl doch einfach dankbar über die Arbeit, die sich Hilary machte ohne etwas dafür zu verlangen. „Das Geld haben wir auch noch übrig.“, zuckte er gleichgültig mit den Schultern. „...danke.“ „Das mache ich doch gerne für dich...und das weißt du hoffentlich auch.“, sagte sie liebevoll und umarmte ihn. Am selben Abend nur später, saßen die zwei im Bett vor Kai's Laptop. Er tat er wirklich. Er veröffentlichte gerade die Anzeigen über die er tags zuvor noch geschimpft hatte. „So. Online. Zufrieden?“, er klappte den Laptop zu. „Ja, sehr.“, bestätigte sie ehrlich seine Frage. „Dann heißt es jetzt warten.“ Hilary ließ sich ins Bett fallen. „Ja... Wie lange dauert so etwas eigentlich bis sich jemand meldet?“ „Wenn ich Glück habe nur ein paar Tage...“, er sprach die andere Variante erst gar nicht aus um nichts herauf zu beschwören. Die nächsten Tage vergingen wie die zurückliegenden, sie zogen sich endlos in die Länge. Kai prüfte mehrmals täglich das Mailfach, welches er extra für die Anzeigen eingerichtet hatte. „Immer noch nichts...“, grimmig schloss er das Email-Programm. Das konnte doch nicht so schwer sein jemanden zu finden... Warum meldete sich niemand? Er prüfte die Anzeigen erneut auf Fehler, Telefonnummern prüfte er auf Richtigkeit, ebenso die Email Adresse. Alles stimmte. Dann kam ein Anruf von Max rein. „Heeeey Mann! Was geht ab? Gibt's schon was neues?“, diese überschwängliche Freude und Zuversicht ruinierten seinen restlichen Tag komplett. Knurrend verneinte der Russe die gut gemeinten Fragen seines Kumpels. „Oh man... Ich hab dafür Neuigkeiten! Da wir momentan in New York wenig zu tun haben, konnte ich eher einen Flug buchen und sitze gerade beim Check-In.“ Sprunghaft erhob sich eine Augenbraue des Zuhörers. Sein Tag wurde vielleicht doch nicht so bescheiden wie er eben noch dachte. „Morgen früh sollte ich landen, wenn alles nach Plan läuft. Ich hab gesehen, dass du eine Anzeige geschaltet hast.“ „Hör mir auf...die ist nicht auf meinen Mist gewachsen...“ „Ah, Hil...ich verstehe.“, grinste Max am anderen Ende der Leitung. „Hat sich denn schon jemand gemeldet?“ „Nein...“, da war sie wieder die schlechte Laune von vorhin. Nebenbei öffnete er wieder das Postfach. Immer noch nichts. „Cool bleiben, das braucht manchmal eine Weile bis es läuft.“, der Amerikaner hatte bereits mit Judy über diese Art von Onlineschaltungen gesprochen. Sie suchten in New York nur über diese Plattformen nach neuem Personal. Und das ziemlich erfolgreich. Da würde es Kai sicherlich auch schaffen. Es verging eine weitere Woche, die der Russe damit verbrachte, Trainingspläne zu schreiben, Dienste zu ändern und ganze Trainingsstunden zu übernehmen. Das konnte er sich glücklicherweise mit Max teilen, der ein tatkräftige Unterstützung bot. Regelmäßig checkte Kai die Emails nach Bewerbungen, bis an einem Abend eine Nachricht auf seinem Handydisplay aufploppte. „1 neue Nachricht“, Kai schnappte sein Handy und tippte darauf herum. » Betreff: Bewerbung.....“ „Wer schreibt dir denn jetzt noch?“, Hilary drehte sich müde zu ihm herum. „Nicht so wichtig. Schlaf ruhig weiter...“ „Hmm....“, schon war die brünette wieder im Land der Träume. Vermutlich war sie gar nicht richtig wach und würde sich am nächsten Morgen gar nicht mehr an diese Frage erinnern. Wie spät war es eigentlich? Ein nochmaliger Blick auf das Display verriet ihm die Zeit. Kurz vor elf. Na diese Person hatte Nerven zu so einer Zeit Bewerbungsunterlagen einzureichen. Auch wenn die Zeit etwas unpassend war und er eigentlich schlafen wollte, überflog er die erhaltenen Unterlagen. Er schloss seine Augen für einen Moment. Wieder eine Frau, dachte er sich, als er den Namen las. Dennoch wollte er dieser Person eine Chance geben und sie nicht vorverurteilen. Beim Überfliegen des Anschreibens stellte er fest, dass ihre Referenzen sehr gut waren. So hatte es den Anschein. Schließlich konnte jeder Schreiben was er wollte, ob es nun der Wahrheit entsprach würde er noch herausfinden müssen. Moment. Gab er dieser Frau da gerade eine gedankliche Zusage auf ein Vorstellungsgespräch? Das lang ersehnte Wochenende war endlich da und gemütlich saß die kleine Familie samt Max am Frühstückstisch. Als dieser aber die ganze Zeit auf seinem Handy herumtippte, wies der Herr des Hauses ihn in die Schranken. Wortlos entfernte er das störende Ding aus Max' Hand. „Hey!“ „Komm runter...du kannst später mit Emily weiter diskutieren.“ Eins zu Null für Kai. Max tippte gefühlt seit er in Moskau angekommen war auf dem Teil herum. „Ich hab eine erste Bewerbung bekommen.“ „Das ist super! Ist es denn auch jemand der deinen Ansprüchen gerecht wird?“, Hilary war erleichtert. Nun würde er vielleicht wieder bergauf gehen und ihr Mann hätte nicht mehr so viel um die Ohren. Kai zuckte mit den Schultern. „Die Bewerbung ist aussagekräftig. Hört sich nicht schlecht an. Einziger Haken: eine Frau.“ „Muss doch nichts schlechtes heißen.“, erwiderte Max. „Ja, bis zu dem Tag an dem sie schwanger sind.“, dafür kassierte er einen schmerzhaften Ellenbogenhieb in die Seite von seiner Frau. „Ist nun mal so, Hil...“, rechtfertigte er sich wissend und rieb die schmerzende Stelle. „Wann hast du sie eingeladen?“ „Sie hat keine Telefonnummer hinterlassen. Aber ich hab ihr per Email geantwortet. Es wird schon einen Grund geben, warum sie keine Nummer angegeben hat.“ „Vielleicht wird sie ja polizeilich gesucht oder ist eine Spionin von Boris.“, scherzte Max und brach in lautem Gelächter aus. Der Russe hatte für diese Ausschweifungen allerdings kein müdes Lächeln übrig, denn so abwegig klang das für ihn nicht. Wenn sein Großvater die Finger im Spiel hatte oder sogar Boris, dann könnte das eine verheerende Wendung nehmen. Soweit wollte er aber gar nicht denken. Am späten Abend erreichte den Halbrussen erneut eine Email, die Antwort von seiner Bewerberin. Max, der neben Kai am großen Küchentisch saß und am Laptop die neuen Stundenzeiten eingab, schaute interessiert zu seinem Nachbar. „Und?“ „Sie hat den Termin bestätigt.“ „Und wie heißt sie? Hat sie ein Bild in der Bewerbung?“, Max war äußert interessiert an dieser unbekannten Bewerberin. „Sie heißt Elena. Elena Bogdanowa.“, er rief die Email auf den Laptop und öffnete das Bewerbungsfoto. „Uh...sie sieht ja ziemlich gut aus.“, grinste der Blonde. „Das sollte sie auch. Damit passt sie ganz gut ins Team. Und als gelernte Physiotherapeutin kann sie nicht aussehen wie ein Sack Kartoffeln. Sie hat ein paar gute Qualifikationsnachweise, das sollte schon passen.“ „Wenn sie dich noch persönlich überzeugen kann, heißt es.“, lachte Max los. Drei Tage später sollte das vereinbarte Vorstellungsgespräch mit dieser gewissen Elena am Nachmittag stattfinden. Max war total hibbelig auf diesen Termin, während Kai dem eher kühl entgegen sah. Er rechnete nicht damit, dass diese Frau so professionell sein würde. Es war gerade Mittag und Hilary eröffnete ihrem Mann, dass sie Lust auf Pizza hatte. So war Kai mehr oder weniger gezwungen diese zu besorgen, denn Max nutzte die Chance um weiter mit Emilia zu spielen. Nachdem er die Pizzen im Wagen verstaut hatten, wollte er sich wieder auf den Heimweg machen. Doch er wurde durch einen Zwischenfall aufgehalten. Gerade als Kai das Auto startete sah er auf dem Gehweg zwei junge Leute die sich miteinander stritten. Oder eher der Mann, der seine Begleitung wüst beschimpfte. Der Blau-haarige verharrte hinter dem Steuer um die Situation zu beobachten. Wilde russische Beschimpfungen prasselten auf die junge Frau ein, die erfolglos versuchte ihren aufgebrachten Begleiter zu beruhigen. Dieser wurde in dem Moment handgreiflich und packte die Frau grob am Oberarm. Geschockt erstarrte sie in ihrer Bewegung während er sie weiter hinter sich her zog und beschimpfte. „Hey! Lassen Sie die Frau los!“, rief der blau-haarige den beiden ruhig aber mit Nachdruck hinterher. Er war aus dem Auto gestiegen um der jungen Frau zu helfen. Sofort drehte sich der stämmige muskulöse Mann um. Er trug die Haare kurz rasiert und sein Gesicht verriet dem Halbrussen, dass er mit Vorsicht voran gehen musste, um die Frau, welche er immer noch fest am Oberarm hielt, nicht weiter zu gefährden. „Verpiss' dich! Was geht dich das an, hm?!“, zusammen mit der jungen Frau drehte er sich um zum Weitergehen. „Ganz offensichtlich ist diese Frau nicht zufrieden damit wie Sie mit ihr umgehen! Also lassen Sie sie los!“, forderte er erneut. Eine prompte Reaktion des Gehenden folgte unmittelbar und er blieb stehen. Mit einem Ruck schubste er die Frau von sich, um sich dem Halbrussen zu zuwenden. „Du hast wohl heute noch keine Prügel kassiert oder warum flehst du danach?! Das Mädchen gehört mir und ich mache mit ihr was ich will!“, er schob seine Jackenärmel hoch und kam bedrohlich auf Kai zu. Dieser nahm die Hände aus den Hosentaschen, zu allem bereit. Sein Gegenüber fixierte er. Jede noch so kleine Bewegung nahm er wahr. Mit einem Mal ballte der stämmige Mann die Faust und schleuderte sie dem blau-haarigen entgegen. Dieser wich zurück und der nahende Schlag verfehlte ihn nur knapp. „Bitte nicht!“, rief die braunhaarige verzweifelt im selben Moment und konnte nichts als hilflos daneben stehen. Würde sie jetzt dazwischen gehen, könnte seine Aggression auch auf sie übergehen. Kai schlug die Faust des Gegenübers kräftig zur Seite doch schon kam die andere geflogen. Und diesmal traf der kräftige Kerl den Halbjapaner in die Seite. Der Schlag war fest und zeigte sofortige Wirkung. Kai zog scharf Luft ein und taumelte ein Stück zurück, wobei er sich die eben getroffene Stelle hielt. „Nicht schlecht.“, spottete der Unbekannte. „Du kannst noch stehen, ha ha ha!“, dem Russen schlug eine mächtige Alkoholfahne entgegen. Das erklärte wohl sein reizbares Verhalten. „Sergej! Hör doch auf!“, rief die Frau flehend noch einmal, griff aber weiterhin nicht ein. Kai hatte den letzten Schlag verkraftet und setzte jetzt zu einem Gegenschlag an. Eigentlich war das nicht seine Art sich auf offener Straße zu prügeln, doch gegen offensichtliche Gewalt an einer Frau musste er eingreifen. Er holte aus und versuchte den stämmigen Mann zu treffen. Der wich aus und auch ein zweites Mal ging Kai's Schlag daneben. Er musste sich auskennen. Vielleicht war er Boxer oder machte Kampfsport. Nach einem weiteren Schlag stoppte der Russe abrupt in seiner Bewegung. „Keine Bewegung, klar?“, der Unbekannte hatte aus irgendeiner Tasche an der Hose ein Messer gezückt und richtete es jetzt auf den Jüngeren. Er war gewillt es auch einzusetzen. Die Situation war höchst gefährlich und drohte zu eskalieren. Kai hob langsam die Arme, um ihm zu signalisieren, dass er ihn ernst nahm. Doch kurz darauf fuchtelte er wie wild mit dem Messer herum. „Ich hab gesagt, keine Bewegung!“, er kam ein Stück auf Kai zu und stach in der Luft herum. Kai hatte weder etwas um sich zu verteidigen, schon gar nichts um ihn anzugreifen. In seinem Kopf rotierten die Gedanken. Wie sollte er aus dieser Situation entkommen? Wenn er einfach wegfuhr, was würde aus der Frau werden? Wieder holte wildes Gefuchtel ihn aus seinen Gedanken zurück. Kai sprang schlagartig einen Satz nach vorne, griff nach der Hand seines Gegenübers in der das Messer war. Nur knapp zog der bewaffnete sich zurück und der Russe griff direkt in die Messerklinge hinein. Ein Schmerz durchfuhr seinen gesamten Körper, doch davon konnte er sich jetzt nicht unterkriegen lassen. Mit der rechten Faust schlug er so fest zu wie er konnte. Erst auf die Hand mit dem Messer und ein zweiter Schlag mit dem Ellenbogen direkt gegen sein Kinn. Sofort ließ der Typ das Messer los und taumelte benebelt von dem kräftigen Hieb zurück. „W-w-was...?“, das Messer fiel klirrend zu Boden. Ein paar Ausfallschritte des großen Kerls nach hinten hielten den Russen nicht auf. Als der sah, dass sein Gegenüber sich wieder gefangen hatte, setzte er nochmal zu einem Schlag an. Diesem konnte der alkoholisierte Mann nicht mehr standhalten. Kai knockte ihn aus und der kräftige Kerl sackte zusammen. „Oh nein! Sergej! Hey! Sergej!!“, die junge Frau seinen Alters rannte zu besagtem Sergej und versuchte ihn zu Bewusstsein zu bekommen. „Wach doch auf! Sergej!“, sie rüttelte aufgebracht an ihm. Kai nahm derweil das Messer an sich und stellte sich neben die braunhaarige. „Alles in Ordnung bei Ihnen?“, er hockte sich neben sie, worauf sie schnell nickte. „Ja...aber wenn er zu sich kommt...“ „Dann sollten Sie nicht in seiner Nähe sein.“, stellte der Russe bestimmt fest. „Wenn ich nicht da bin wird er-“ „Randalieren?“ Ihr Kopf sank nach unten und nickte erneut. „Wir wohnen im nächsten Aufgang dort. Helfen Sie mir ihn nach Hause zu bringen! Bitte! Wenn die Polizei ihn mitnimmt-“ „Okay...“, er griff dem Bewusstlosen unter die Arme und die junge Frau versuchte ihr Bestes eben dasselbe zu tun. Es waren nur einige Meter, die sie schnell schafften. „Welcher Stock?“ „Der erste gleich. Dort!“, gemeinsam hievten sie den Mann drei Treppenstufen hinauf, in die Wohnung hinein und legten ihn auf die Couch im Wohnzimmer. „Der Typ ist voll wie ein Fass Wein...“, stellte er Russe noch einmal fest, doch stieß er damit auf taube Ohren. „Er trinkt sonst nicht so viel...nur ein bisschen...“ „Sie sollten sich von ihm fernhalten. Wer weiß, was er das nächste Mal macht.“ „Sergej ist ein guter Mensch! Das war er nicht selbst! Glauben Sie mir.“, sie beschützte ihn auch noch nach dem Aufsehen gerade auf der Straße? Entweder war sie dumm oder naiv. Oder beides. „Ihre Hand!“, sie lenkte die Aufmerksamkeit auf die stark blutende linke Hand. An seinen Fingern tropfte das Blut auf den Holzboden. „Scheiße...“, der blau-haarige hielt mit der anderen Hand das tropfende Blut auf. „Haben Sie ein Taschentuch?“ „Da wird wohl kein Taschentuch reichen.“, die brünette musste unweigerlich lächeln. „Kommen Sie mit. Hier entlang.“, sie ging voraus und der Russe folgte ihr stumm. Die Frau vor ihm war etwas kleiner als er. Schlank und gut gebaut. Ihre langen braunen Haare trug sie zu einem sportlichen Zopf gebunden. „Setzen sie sich...ich hab...hier nehmen Sie das erstmal.“, sie reichte ein paar Papiertücher um das Blut aufzufangen. Währenddessen kramte sie aus dem Badezimmer einen kleinen Erste-Hilfe-Koffer. „Das ist nicht nötig.“, winkte Kai direkt ab. Er wollte ihr nicht noch mehr Umstände bereiten, die sie eh schon hatte. „Das muss aber verbunden werden so stark wie es blutet... Es tut mir so leid...“ „Ist schon gut...wenigstens hat er Sie losgelassen.“, kühl wie je, blockte er ab. „Bitte! Ich lasse Sie nicht eher gehen!“ Der Russe schnaubte trotzig. Wortlos legte er die Hand auf den Tisch, damit die Brünette sie von dem vielen Blut befreien konnte. Vorsichtig tupfte sie beide Schnittstellen ab. „Ich desinfiziere noch die Wunde...dass könnte etwas brennen...“, sie goss vorsichtig etwas Flüssigkeit auf ein kleines Tuch und tupfte um die Wunde herum. Und verdammt, es brannte mächtig doll! Kai versuchte sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen. Es ging ein Zucken durch seine Hand bei jeder Berührung. Schließlich verband sie notdürftig seine Hand. „Das wäre wirklich nicht nötig gewesen...“ „Damit sollten Sie noch zu einem Arzt gehen...“ „Ich kann alle Finger bewegen. Also halb so schlimm.“, demonstrativ bewegte er alle Finger seiner verbundenen Hand und grinste. „Passen Sie auf sich auf.“, er stieg die Stufen hinab und öffnete die Haustür. „Wie heißen Sie eigentlich?“, rief sie ihrem Retter hinterher. Er blieb noch einmal stehen. „Kai.“, er hob die Hand ehe er aus der Tür nach draußen ging. „Danke...Kai...“ Im Auto angekommen schnaufte er tief durch. Warum musste er sich auch einmischen? Das hatte er nun davon, eine tiefe Schnittwunde die Gregor mit hoher Wahrscheinlich nähen wollen würde. Sein Blick fiel dann auf den Beifahrersitz. „Na toll...und wie erklär' ich das meiner Frau...“, die Pizzen, die er vorhin eingepackt hatte, waren kalt geworden. Genervt fuhr er nach Hause. Nachher hatte er noch dieses Vorstellungsgespräch. Am liebsten würde er es absagen. Seine Laune näherte sich dem heutigen Tiefpunkt. Absagen konnte er es nicht...er brauchte Personal. Das Vibrieren seines Handys holte ihn zurück. Das steckte allerdings in der rechten Hosentasche. Mit der rechten Hand hielt er das Lenkrad. Mit der linken konnte er es nicht aus der Tasche fischen. Ein Teufelskreis! Er ließ es also gezwungenermaßen Klingeln. Auch nicht schlecht, und das Klingeln verstummte nach wenigen Sekunden. Kurz darauf bog er in die Auffahrt ein. Mit den kalten Pizzen, die er mit der rechten Hand trug, ging er zügig zur Tür und klingelte. Schnell wurde ihm auch geöffnet. „Mensch wo warst du denn so lange? Ich hab mir Sorgen gemacht!“, Hilary fiel ihm um den Hals und gab ihm einen Kuss. Kai deutete auf die Kartons die er trug. Hilary nahm sie ihm ab und ging schon vor in die Küche. „Was ist denn das?!“, brüllte es unüberhörbar aus der Küche. „Die sind ja kalt!“ „Sorry, es hat etwas länger gedauert. Mach sie einfach nochmal warm.“, Max griff ihr unter die Arme und schmiss eine Pizza nach der anderen nochmal in den Backofen. Die, von Emilia und Hilary zu erst, denn hungrige Frauen waren unberechenbar. Zufrieden saßen die beiden Damen des Hauses vor ihren Pizzastücken. „Hey Kai, wo bleibst du?“, erkundigte sich der Blonde nach seinem verschwundenen Freund. „Ja ja...“, aus dem Nichts kam er in die Küche und setzte sich ebenfalls mit an den Tisch. Während Max sich auch endlich seiner Pizza widmen konnte, nahm sich der blau-haarige nur zwei Stücken. Aufmerksam beobachtete seine Frau ihn. „Warum hat das denn so lange gedauert?“, genussvoll biss sie in das nächste Stück Pizza. „Es gab einen kleinen Zwischenfall.“, gab er teilweise zu und zeigte die verbundene Hand. „Wow! Was hast du denn gemacht?!“, Max fiel aus allen Wolken und auch Hilary konnte ihre Überraschung nicht verstecken. „Papa aua!“, auch die kleinste in der Runde konnte schon ahnen was sich unter dem weißen Verband versteckte. Beruhigend strich er ihr über den Kopf. „Kai was ist passiert?“, Hilary stand sofort auf um sich das ganze genauer anzusehen. Doch ihr Mann legte die Hand in den Schoß. „Halb so wild.“, speiste er das Thema wieder einmal ab. „Ich hab mich nur geschnitten.“, Schulter zuckend aß doch ein Stück mehr Pizza und das nahm er sich von dem Amerikaner. Nachher brachte Max seine kleine Lieblingsprinzessin ins Bettchen. Er liebte sie einfach, denn sie war so süß. Es wurde für Max und Emily höchste Zeit auch ein Kind zu bekommen, fand Hilary. Sie kümmerte sich gerade um ihren Mann. Unter Protest ließ er auch noch seine Frau einen Blick auf die, seiner Meinung nach, harmlose Schnittwunde werfen. „Was hast du da gemacht? Das sieht echt schlimm aus.“, sie entfernte den Verband vorsichtig. „Übrigens dürfte Gregor auch gleich da sein. Ich hab ihm geschrieben.“, ein fassungsloser Blick seinerseits ließ sie in liebevolles Lächeln übergehen. „Ich weiß doch, was du brauchst.“, zärtlich strich sie ihm über den Arm und küsste ihn. Resigniert schnaubte er. Was sollte er da noch tun? Etwas später war auch Gregor eingetroffen und kam zu dem Schluss, dass er die Schnittverletzung nähen wollte. Auch dies ließ er ohne Murren über sich ergehen, schließlich musste er in knapp zwei Stunden bei dem Gespräch sein. Mit einer frisch genähten Schnittwunde und einem professionellen Verband machte sich der Russe bereit. Auch Max zog sich bereits um. Er hatte Kai in den letzten Stunden noch einmal ordentlich genervt, dass er mitkommen könnte. Mit Erfolg. Sauber gestriegelt und mit den benötigten Unterlagen in der Tasche, waren sie abfahrbereit. Kapitel 81: Bewerbungsgespräch ------------------------------ Kapitel 81 ~~~~~~Mit einer frisch genähten Schnittwunde und einem professionellen Verband machte sich der Russe bereit. Auch Max zog sich bereits um. Er hatte Kai in den letzten Stunden noch einmal ordentlich genervt, dass er mitkommen könnte. Mit Erfolg. Sauber gestriegelt und mit den benötigten Unterlagen in der Tasche, waren sie abfahrbereit.~~~~~~ „Ich wünsche euch ganz viel Glück, dass die Bewerberin in eurer Team passt!“, drückte die brünette ihren beiden Männern ganz fest die Daumen. Schließlich profitierte sie auch von der Entlastung ihres Mannes. Das Baby würde bald da sein, da bräuchte sie ihn mehr denn je. Sie verließen das Haus und fuhren in das Sportzentrum. Dort warteten sie auf die Bewerberin. Etwa zehn Minuten warteten sie bereits. „Einen Minuspunkt hat sie bereits gesammelt...Unpünktlichkeit ist das, was ich überhaupt nicht brauche...“, Kai war jetzt schon genervt. Vielleicht war es wirklich nur eine Fake-Bewerbung. „Ach komm schon, vielleicht kommt sie mit der Bahn. Oder es gab einen Unfall. Oder-“ „Ja ja ja ja... irgendeine Ausrede wird sie wohl sicherlich haben. Und ich hoffe, eine verdammt Gute, sollte sie hier noch aufkreuzen.“, mit dem Kugelschreiber in der Hand tippte er auf dem Tresen im Eingangsbereich herum. Max wurde zusehends genervter. „Kannst du das endlich lassen? Du machst mich wahnsinnig!“, das ungeduldige Geklapper seines Chefs raubte ihm den letzten Nerv. „Was hast du eigentlich an der Hand gemacht?“, erkundigte er sich kurz bei seinem Freund. Der erzählte ihm die Kurzfassung von dem stattgefundenen Streetfight. Nach fast 20 Minuten des Wartens näherte sich eine junge Frau dem Eingang. „Na endlich. Da ist sie.“, Kai steuerte zielgerichtet auf die Tür zu. „Entschuldigen Sie vielmals die Verspätung! Ich h-“, sie wurde Stück für Stück langsamer während sie sprach ehe sie realisierte wen sie vor sich zu stehen hatte. „Kai?“, auch der Angesprochene staunte nicht schlecht wer da vor ihm stand. „Sie?“, für einen Moment konnte er seine Überraschung nicht verbergen. „Kommen Sie rein.“ „Entschuldigen Sie wirklich-“ „Sparen Sie sich das.“, sagte er mehr streng. Er konnte sich denken was der eigentliche Grund für ihre Verspätung war. „Das ist der stellvertretende Leiter des Sportzentrum Max Tate.“, stellte er den Amerikaner ebenfalls professionell vor. „Er leitet das Sportzentrum in New York und ist aushilfsweise hier in Moskau.“ „Angenehm! Hello!“, winkte der Blonde freudig über die doch noch erschienene Bewerberin und kassierte von Kai einen mahnenden Blick dafür. Max räusperte sich kurz und versuchte professionell zu bleiben. Das war schließlich Teil der Abmachung zwischen den Beiden, damit er überhaupt dabei sein durfte. Mittlerweile im Chefbüro angekommen nahmen alle Platz. Kai und Max saßen nebeneinander und ihre Bewerberin ihnen gegenüber. Der Russe übernahm die Gesprächsführung. „Schön, dass Sie es doch noch geschafft haben, Frau Bogdanowa. Also erzählen Sie etwas von sich.“, forderte der Inhaber des Sportzentrums kühl, um mehr von seiner vielleicht Angestellten zu erfahren. Max' Aufgabe bestand darin Protokoll zu führen. „Ja, also mein Name lautet Elena Bogdanowa, ich bin 23 Jahre alt und wohne hier in Moskau. Derzeit arbeite ich in einer Bar hinter dem Tresen aber ich möchte gerne in meinen alten Beruf zurück.“ „Wie kommt es, dass Sie sich hier beworben haben?“, bohrte der Russe weiter. „Nun ja...ich habe diese Anzeige im Internet gesehen und dachte, dass es meine Chance ist. Zumal es Standorte in mehreren Ländern gibt. Ich möchte nämlich gerne ins Ausland. Am Besten New York!“, gab sie ehrlich zu und hielt sich mit ihrem Traum nicht zurück. Max notierte alles auf den am Klemmbrett befestigten Block. Gleich dazu machte er sich mehrere Notizen für Kai. Eine Angestellte, die gar nicht in Moskau bleiben, sondern nach Amerika will. Das waren schon mindestens zwei Minuspunkte auf Kai's Liste. „Warum wollen Sie nach New York? Die Stelle ist ausführlich für den Standort hier in Moskau ausgeschrieben. Des Weiteren gibt es in ihrer Bewerbung mehrere Unklarheiten, die ich erläutert haben möchte. Unter anderem steht hier keine Telefonnummer von Ihnen. Und auch die angegebene Adresse hier ist in einem Postfach. Sie haben also einiges aufzuklären.“, gab er kalt und ohne jede Emotion weiter. Ihre ausgedruckten Bewerbungsunterlagen legte er auf den Tisch. Oben drauf packte der Chef einen Stift zum Ausfüllen. Wenn sie mit ihm ein Spiel spielen wollte, war sie bei ihm falsch. „Das ist die einzige Möglichkeit für Sie jetzt mit offenen Karten zu spielen. Das sollten Sie nutzen.“, legte er ihr Nahe. Auch Max nickte stumm von der Seite und blickte weiter auf sein Klemmbrett. Zögernd nahm sie den Stift und schrieb ihre vollständigen Daten auf. „Bitte...Sie erreichen mich schneller über die Email-Adresse und dem Postfach. Es gibt-... Es gibt Gründe dafür, dass ich unbedingt nach New York möchte...“, sagte sie nachdem sie die Zettel zurück auf den Tisch legte. Kai nahm die Unterlagen zurück. Die Adresse, die nun auf dem Zettel stand, entsprach der, die er heute Mittag betrat. Es war ihr wirklich ernst und es war dem Russen auch vollkommen verständlich warum. Sie führten das Gespräch noch eine ganze Weile weiter. Fragen über den Arbeitsbereich, Qualifikationen und am Ende ein kleiner Rundgang durch den vielleicht baldigen Arbeitsplatz. An der Ausgangstür verabschiedeten sich die drei voneinander. Draußen dämmerte es bereits. Elena gab jedem die Hand. „Vielen Dank, dass Sie sich noch die Zeit genommen haben für mich.“ „Hm. Sollten Sie wirklich eine Zusage bekommen, sollte das die erste und letzte Verspätung gewesen sein. Ich melde mich bei Ihnen.“, gab Kai der jungen Frau mit auf den Weg. „Max, du kannst auch gehen. Ich komme später nach.“, entließ er den Blonden, der sich gleich darauf verabschiedete und Elena mit nach draußen geleitete. Wieder draußen holte die braunhaarige tief Luft und atmete erleichtert aus. Das war eine nervliche Herausforderung für sie. Der Chef des Sportzentrums ließ sich überhaupt nicht in die Karten schauen. Sie konnte keinerlei Emotion oder Reaktion aus seinem Gesicht ablesen, anders als einige Stunden zu vor, als er ihr half. Der Blonde beobachtete die Bewerberin grinsend. „Keine Panik. Er ist nicht so streng wie er aussieht, außer man ärgert ihn.“, und zwinkerte der Frau lachend zu. „Wo müssen Sie sie lang?“, Elena zeigte unschlüssig in eine Richtung. „Danke, Herr Tate, aber ich gehe lieber alleine.“ „Max, ich bin Max! Außerhalb der Arbeit!“, grinste er weiter breit. Mit seinem amerikanischen Sunnyboy-Charme umgarnte er sein Gegenüber und schließlich begleitete er sie doch ein Stückchen auf ihrem Weg. „Ich bin Elena...“ „He he... ich weiß.“, strahlte er weiter. „Also ich würde dich einstellen!“ „Wirklich?“ „Klar!“, und zeigte zuversichtlich den Daumen nach oben. So kamen sie ins Gespräch. Allerdings nahm Max ihr die Hoffnung, dass sie so schnell nach New York kommen würde. Dazu wusste sie rein gar nichts von den dortigen Abläufen. Das verstand sie, dennoch hoffte sie irgendwann dorthin zu kommen. „Und eine gelernte Physiotherapeutin im Team zu haben soll ja sehr vorteilhaft sein!“, lachte er wieder zufrieden. „Okay, ich muss jetzt da lang. Muss noch was besorgen für jemanden. Hier falls du was wissen willst...“, er reichte ihr einen Zettel auf dem er seine Handynummer geschrieben hatte. Überrascht nahm sie das Papier. „Äh. Okay. Danke... Max.“, dieser hob die Hand zum Abschied und lief weiter. „Bye!“, auch Elena hob die Hand zur Verabschiedung. Was für ein komischer Kauz fand sie. Das lag sicher daran, dass er aus den Staaten stammte. Nun eilte sie schnell zu sich nach Hause... Im Sportzentrum saß Kai noch in seinem Büro. Er übertrug die fehlenden Angaben in die Akten und machte noch etwas Ordnung. Dann beschloss auch er Feierabend zu machen. Zuhause empfing Hilary ihren derzeitigen Mitbewohner ungeduldig. Sie suchte nach ihrem Mann. „Wo ist Kai?“ „Der ist noch im Büro. Ich schätze mal, dass er das Gespräch nochmal haarklein durchgeht.“, grinste er breit vor sich her. Genau darüber wollte sie mehr erfahren. „Wie ist sie denn so?“ „Na ja...sie kam erstmal viel zu spät.“ „Oh, da hat sie bei Kai keine guten Chancen...“, nahm sie ihm die Worte aus dem Mund, worauf Max zustimmte. „Genau! Aber sie hat einen guten Eindruck gemacht. Ob sie allerdings auch Kai überzeugt hat...“, er hob unwissend die Schultern und Hände. „...weiß ich nicht. Er hat keine Miene verzogen.“ „So kennen wir ihn.“, lachte die Braunhaarige und wurde aufmerksam auf die kleine Tüte die er bei sich trug. „Warst du noch einkaufen?“, neugierig versuchte sie einen Blick in die Tüte zu werfen. „Ja, Emily wollte ein Parfüm haben. Ich hab ihr vor ein paar Monaten mal davon erzählt und sie wollte es unbedingt haben...“, er stellte die Papiertüte auf den Couchtisch, sodass auch Hilary endlich einen Blick hineinwerfen konnte. Sie staunte nicht schlecht. „Das habe ich auch schon mal gesehen. Das ist ziemlich teuer!“ „Ja...aber das spielt keine Rolle für sie...“, Max ließ sich müde auf das Sofa fallen. So ein Bewerbungsgespräch war verdammt anstrengend, wenn Kai es führte... „Sag mal...Max, telefoniert ihr denn gar nicht miteinander? Ich hab noch nie gesehen, dass ihr miteinander sprecht.“, sie legte ihre Hand beiläufig auf ihren Bauch, da das Baby sich bewegte. Max schaute nach hinten zu ihr und versuchte das Ganze herunterzuspielen. „Du weißt doch wie es ist mit der Zeitverschiebung...Wenn es hier früh am Morgen ist...ist es bei ihr mitten in der Nacht...Da wird sie nicht aufstehen, um mit mir zu telefonieren.“, wieder zuckte er mit den Schultern. Hilary ahnte böses. Lief es mit den beiden etwa nicht gut? Hilary konnte aber beide Seiten gut nachvollziehen. Allerdings würde sie es nicht aushalten, wenn sie nicht mit Kai telefonieren könnte und sie so weit voneinander getrennt wären. „Warum kommt sie denn nicht einfach mit?“ „Ohh...das fragst du wirklich? Emily und Kai sind wie Feuer und Wasser! Sie hassen sich seit sie sich das erste Mal getroffen haben! Vielleicht hätte Kai das kleinere Problem damit, wenn sie mitkommen würde...aber Em... No way!“, er kreuzte die Arme zu einem X. Hilary schmunzelte. Sie wusste ja selber wie Kai war. Aber Emily? „Schade, eigentlich... Oh!“, sie klang plötzlich sehr überrascht. „Was ist los Hil?!“, Max drehte sich sofort zu ihr, um zu sehen was los ist. „Kommt das Baby?!“, er klang panisch. „Nein, nein...“, sie lächelte gezwungen. „Das Baby hat ziemlich doll getreten...Puh...“, erleichtert ließ Max sich wieder auf die weiche Couch fallen. „Na ein Glück...“ Kai kam fast zwei Stunden später ebenfalls nach Hause. Er traf Max gerade noch an der Haustür, denn er wollte nochmal los. Wohin behielt er aber für sich. Also ließ er ihn ziehen. Was sollte er auch machen? Die letzte Party war auch schon eine Weile her. Vielleicht brauchte er mal eine Auszeit. „Hey ich bin wieder da.“, er suchte nach seiner hochschwangeren Frau, die er nirgends finden konnte. „Hil?“, auch in der Küche fand er sie nicht. Ungewöhnlich. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl. Er ging nach oben, vielleicht war sie noch bei Emilia? Auch dort im Zimmer war nur seine Tochter die tief und fest schlief. Viele Zimmer blieben dem Mann nun nicht mehr übrig. „Hilary?“, rief er nun nochmal über den Flur. Sie reagierte nicht mal auf seine Rufe. Schlief sie etwa schon? Das Schlafzimmer war ebenfalls leer. Das konnte doch nicht wahr sein. Nervös lief er zurück über den Flur. Er klopfe an die Badezimmertür und trat dort ebenfalls ein. „Hilary! Oh Gott... Was machst du hier?!“, erleichtert seine Frau gefunden zu haben, die seelenruhig in der Badewanne lag und Musik über Kopfhörer hörte. Als Kai ihr einen aus dem Ohr herauszog, erschrak sie total und spritzte das Wasser aus der Wanne. „Kai! Was- was machst du hier?!“ „Ich wohne hier.“, sagte er nüchtern, während ihm das Wasser über das Gesicht lief. „Oh tut mir leid! Komm her.“, sie setzte sich mühevoll auf und zog ihn zu sich. Ihre nassen Finger strichen über sein Gesicht, mit denen sie nur noch mehr Wasser auf seiner Haut verteilte. Ein hauchzarter Kuss ihrerseits ließ seine Angst mit einem Mal verschwinden. Es war alles in Ordnung mit ihr. Kai wischte sein Gesicht trocken. Er blieb noch bei Hilary, die sich wieder in der Badewanne lang gemacht hatte. Sie genoss das warme Wasser auf der Haut auch wenn es in Moskau sommerlich warm war zur Zeit. Das Wasser umspielte ihren großen Bauch. Sehr zu ihrem Leidwesen wurde das Baby wieder aktiver. Als würde es einen verschlüsselten Morsecode nach draußen senden, drückte und bewegte es sich in ihr drin. Fasziniert davon ließ Kai etwas Wasser aus seiner Hand auf ihren Bauch tropfen. Sogleich bewegte es sich wieder im Bauch. „Wahnsinn...das da wirklich...ein Baby drin ist...“, für den jungen Mann immer noch unvorstellbar. Von der ersten Schwangerschaft hatte er ja nichts mitbekommen und nun war er so nah dran. „Nicht mehr lange...“, lächelte sie verträumt und streichelte ihren Bauch, der wieder mit einer großen Beule antwortete. „Wie lange ist es denn noch ganz genau?“ „Es sind noch fast vier Wochen...und ich mag nicht mehr... Alles ist so anstrengend geworden... Treppen steigen...das Stehen...das Gehen...und so weiter...“ „Die paar Wochen schaffst du auch noch.“ „Mir bleibt doch nichts anderes übrig!“, schaute sie ihn wehleidig an. Dann setzte sie sich wieder auf. „Ich steige jetzt aus. Gregor meinte, ich soll nicht mehr zu lange baden, weil das Wehen auslösen kann... Und so eilig hab ich es jetzt doch noch nicht. Ähm...Kai?“, der war gerade davor aus dem Bad zu gehen. „Hm?“ „Hilfst du mir bitte beim Aussteigen...der Bauch...ist zu groß...“, stotterte die brünette peinlich berührte, nachdem sie bemerkte, dass das Hineinkommen in die Badewanne einfacher war als wieder heraus zu kommen. Der Russe musste sich ein breites Grinsen verkneifen, was auch seiner Frau nicht entging. „Das ist nicht lustig!!“, giftete sie ihn an. „Bleib ruhig. Stress soll schlecht fürs Baby sein.“, neckte er sie und reichte ihr seine Hand, die sie auch dankend zur Hilfe nahm. „Ich komm mir vor wie ein gestrandetes Walross...“, angestrengt drückte sie sich hoch und Kai zog sie ebenfalls hoch. „Ein hübsches Walross.“, sagte er tot ernst, was ein Fehler war. „Hast du mich gerade fett genannt?“, sie stand nun splitternackt vor ihm in der Badewanne, ihre Hände ruhten auf seinen Schultern, das Gesicht mit einem bitterbösen Blick. „Ich schätze schon?“, antwortete er vorsichtig, ihre Reaktion abwartend. Geknickt ließ sie den Kopf hängen. Es nützte nichts jetzt einen Streit vom Zaun zu brechen. Immerhin brauchte sie gerade seine Hilfe. „...hilf deinem Walross endlich aus der Wanne...“, er grinste kurz nicht sichtbar für sie. Dann umfasste er sie an ihren Seiten und hob sie an. „Kai!“, sie klammerte sich fest an seinen Hals, als er sie hob und zog die Füße hoch. Kurz darauf stand sie auf sicherem Boden. „Kai...jetzt bist du ganz nass...“, sie schaute an ihm herab, gleiches tat er auch. „Tja...was machen wir da jetzt...“, sprach er gespielt ratlos. Hilary brauchte einen Moment bis sie verstand worauf der Russe hinauswollte, denn seine Hände strichen langsam an ihren Seiten hinauf. Sie küssten sich zärtlich, ehe die Japanerin langsam sein durchnässtes Hemd öffnete.... Ein paar Tage später. Max tippte schon den ganzen Vormittag auf seinem Handy herum. „Chattest du mit Emily?“, fragte die Brünette ihren langjährigen Freund. Der hatte nur ein kurzes 'hm' für sie übrig. Sie versuchte es erneut. „Hallooooo, Erde an Max?“, ein breites Grinsen zierte nun sein Gesicht. „Hm? Was? Was ist Hil?“ „Mit wem schreibst du?“ „Oh, nur mit einem Bekannten. Vielleicht gehen wir heute Abend in den Club.“ „Ach so... Wie läuft es denn mit Emily?“, ein genervtes Augenrollen folgte auf die Frage. „...ich verstehe...“ „Ach, weißt du Hil...sie hat an allem etwas auszusetzen! Bin ich bei ihr, ist es ihr zu viel! Flieg' ich nach Moskau, ist es ihr zu weit weg!“ „Du denkst aber nicht darüber nach...“ „Hm? Nein...“, scheinbar dachte er schon mal an das Thema Trennung. Doch dazu war er viel zu lieb und harmoniebedürftig. „Was ist denn das Problem?“ Resigniert seufzte der blonde. „Ich weiß auch nicht...sie sagt, dass sie Kinder will...“ „Das ist doch prima! Du wünschst dir doch auch welche...oder nicht?“ „Klar! Aber wenn sie mich nicht ran lässt...“ „Oh...“; Hilary verstand. Ohne das gewisse Etwas konnten nun mal keine Babys zustande kommen. „Wenn ich versuche sie zu verführen, blockt sie sofort ab. Und am nächsten Tag beschwert sie sich über zu wenig Zärtlichkeit!“ „Versteh' einer die Frauen...“, mischte sich eine dritte Stimme in das Gespräch ein. Beide Köpfe drehten sich herum. „Wir sind wieder zurück.“, Kai und Emilia waren zurück von ihrem kleinen Ausflug. Er sollte noch einmal zur Kontrolle der Hand bei Gregor vorbeischauen und Emilia liebte den Arzt ganz besonders. Zu seiner Mutter wurde das Verhältnis langsam gelöster. Emilia stürmte los als ihr Vater sie vom Arm ließ. Hilary hielt die Arme auf aber anders als erhofft, rannte sie dem Blonden in die Arme. „Hey du kleine Maus! Wollen wir nachher spielen?“ „Jaaaaaaa!“, schrie sie lautstark in sein Ohr und rannte die Treppe hoch in ihr Zimmer. Dort räumte sie schon ihre Spielsachen heraus, die Max gleich mit ihr spielen sollte. „Meine Frau behauptet sie sei ein-“ „Wehe Kai!!!“, unterbrach ihn Hilary lautstark. Sie wusste ganz genau was er sagen wollte und auf welche Situation er anspielte. Das würde er Max nicht erzählen! Beschwichtigend hob er beide Hände und gab seiner Frau einen Kuss auf die Wange. „Na ja...du hast dich gerade noch einmal gerettet.“, gab sie schnippisch zu und drehte sich übertrieben beleidigt weg von ihm. „Siehst du? Genau das. Versteh einer die Frauen.“, er zuckte ebenfalls mit den Schultern. Manchmal war der Russe leicht genervt von dem Verhalten seiner Frau. „MAAAAAAAAX!!!!“ „Oh, ich glaube, mein Typ wird verlangt! Wenigstens ein Mädchen, dass auf mich steht!“, lachte er laut als er aufstand und nach oben eilte. Von ihren Eltern kassierte er zwei Blicke, die ihn fast tot umfallen ließen. „War nur ein Scherz! Ihre Eltern sind mir zu unheimlich! Hehe.“ Hilary blickte an ihrem Mann vorbei, die Treppe hinauf. Als sie Kai's Blick traf, drehte sie sich wieder weg von ihm. „Komm schon, ist das dein ernst? Bist du echt sauer auf mich wegen eben?“, er stützte sich auf der Lehne der Couch ab. Als sie nicht auf seine Frage antwortete, kam er zu ihr auf die Couch. Versöhnlich legte er den Arm um ihre Schulter. „Eiskalt...“, sprach er trocken und brachte seine Frau doch dazu sich zu ihm zu drehen. Ein paar leuchtende Rubine sahen ihre rehbraunen Augen durchdringend an, ehe seine Lippen sich zart auf ihren legten. „Ich hoffe, dass das nur die Hormone sind... Wieder gut?“, sagte er nun etwas sanfter. Hilary lehnte sich gegen seine Brust und nickte. „...ich glaube Max hat ein Problem...“, hauchte sie ihm kaum hörbar gegen die Brust. Der Russe atmete tief ein. Sein Blick wanderte gen Raumdecke. Vermutlich wusste er schon worauf sie hinaus wollte. „Hm.......“, übertrieben zog er seinen Laut beim Ausatmen in die Länge. „Sein Problem fängt mit 'E' an und hört mit 'mily' auf...“ „Kannst du nicht-“ „Nein.“ „Bitte.“, flehte die Japanerin den blau-haarigen regelrecht an. Zum Einen wollte sie für Max da sein und ihm helfen. Zum Anderen wollte sie unbedingt mehr über die ganze Sache wissen, weshalb sie Kai darauf anzusetzen versuchte. Der ließ sich nach hinten auf die Couch fallen. „Er will heute Abend feiern gehen...hab ich vorhin mitbekommen.“, gab sie ganz nebenbei bekannt. „Vielleicht könntest du ihn begleiten?“, bei dieser Frage überschlug sich die Japanerin fast in ihrer Betonung. So eindringlich und zugleich fordernd, dass er kaum eine Chance hatte, sie abzulehnen. „Ich hab schon oft mit ihm darüber gesprochen. Er ist alt genug und muss das alleine klären.“, er zuckte fahrig mit den Schultern.. Sein Kopf schien allerdings schon etwas auszuhecken. „Andererseits...war ich schon ewig nicht mehr mit ihm im Club...“ „Also machst du es?“, die Augen der schwangeren blitzten regelrecht auf, als sie den Russen anschaute. Er begegnete ihr nur gleichgültig. „Wenn es sein muss...“, und zuckte erneut mit den Schultern. Lässig zog er zeitgleich sein Handy aus der Hosentasche und öffnete einen Messenger. Max' Chat war der oberste. Scheinbar schrieb er oft mit dem Amerikaner, schlussfolgerte Hilary, als sie mit auf sein Handy linste. Dafür kassierte sie einen kurzen strafenden 'Ich-sehe-genau-was-du-da-tust-Blick' von Kai. Der mochte es nämlich überhaupt nicht, wenn sie so neugierig war. Sie hatten voreinander zwar keine Geheimnisse, aber das Handy des jeweils anderen war Privatsache, auch wenn sie verheiratet waren und sich das Bett miteinander teilten. Nach der kurzen Pause öffnete er den Chat. Er überlegte kurz und tippte dann eine knappe Nachricht, die er direkt sendete. 10:32 Uhr Kai: Party 2 n8? Zwei graue Häkchen verrieten ihm und seiner Partnerin, dass die Nachricht schon bei ihm angekommen sein musste. Und schon leuchteten sie blau auf. 10:32 Uhr Max: Wo? Antwortete Max ebenso knapp zurück und war wieder offline. Kai tippte direkt weiter. 10:33 Uhr Kai: schickt ihm einen Würfel Kai: Cube? Sofort war Max wieder online. Im Cube waren sie schon öfter. Der Russe hatte ihm den Club mal nahe gelegt und er hatte nicht zu viel versprochen. 10:33 Uhr Max: Kannst du vergessen...heute nur geladene Gäste... 10:34 Uhr Kai: Ich regel das. 10:34 Uhr Max: schickt einen Daumen nach oben Ein zufriedenes Grinsen umspielte die Lippen des Halbrussen. Es stand also fest. Der Abend heute gehörte ihm und Max. Als er den stechenden Blick seiner besseren Hälfte vernahm, versuchte er sein Grinsen zu unterdrücken. Sie holte gerade Luft, um zum Sprechen anzusetzen, als Kai ihr schon das Wort abschnitt. „Sag jetzt nichts.“, er schaltete das Display aus. „Ähm...okay... Sind eure Gespräche immer so 'ausführlich'?“, konnte sie sich dann doch nicht verkneifen. Sie erntete einen hämischen Blick. „Es ist alles besprochen.“ „Danke, Kai.“, sie küsste ihn freudig auf die Wange. „Freu' dich nicht zu früh. Ich profitiere schließlich auch davon. Und wenn du den da los bist...“, er deutete beiläufig auf den prallen Babybauch, „...kommst du auch mit.“ Am Abend machten sich Max und Kai fertig für den Club. Sie wollten gegen 21 Uhr aufbrechen und unter den interessierten braunen Augen seiner Frau, suchte Kai gerade ein paar Sachen aus dem Schrank. Er schien unentschlossen zu sein. „Na? Nichts zum Anziehen?“, neckte Hilary ihn vom Bett aus, sie cremte ihren Bauch ein. Außer einem gelangweilten Blick über die Schulter bekam sie nichts. Er hob wieder ein paar Teile hoch nur um sie wieder zurückzulegen. Das fiel ihm doch sonst nicht so schwer etwas passendes für einen Clubabend zu finden. Die brünette stand plötzlich neben ihm. Sie beäugte ihn mit einem Blick der Bände sprach. Still rollte der Russe mit den Augen, schnaufte und zog eine lockere dunkle Hose aus dem Schrank, die er direkt anzog. „Zufrieden?“ „Nein.“, sie schob sich an ihm vorbei, zog wahllos ein Hemd vom Bügel. „Das.“ „Willst du mich ärgern?“, der blau-haarige zog seine Augenbraue verdächtig weit nach oben, als er Hilary's 'Wahl' sah. Wahrscheinlich das unmöglichste Hemd aus dem Kleiderschrank. „Rot kariert?“, das hatte er mal geholt, als Max ihn auf eine Mottoparty mitgeschleift hatte. Das konnte nicht ihr ernst sein. „Wenn du dich nicht entscheiden kannst, mach ich das für dich.“, grinste sie unschuldig. „Also, ziehst du es an?“ „Nein.“, seine Wahl fiel dann recht zügig auf ein einfarbiges Hemd, natürlich in blau - hellblau. Darunter zog er ein schwarzes ärmelloses Shirt und fuhr einige Male durch sein Haar. „Das sollte passen.“, ein Spritzer von seinem Lieblingsduft rundete das Komplettpaket ab. Am Club 'Cube' angekommen offenbarte sich den beiden das Ausmaß dieser Party. Vor dem Club standen jede Menge feierwütige junge Leute an. Das würde ewig dauern, bis sie dort reinkommen würden, dachte sich Max. Kai steuerte aber nicht das Ende der Warteschlange an, ganz im Gegenteil. Er ging schnurstracks auf den Eingang zu. „Und du glaubst, dass ist 'ne gute Idee? Wir kommen da nie rein, so wie die Türsteher aussehen...“, Max schüttelte es am ganzen Körper, denn vor der Tür des Clubs stand ein riesiger Hüne mittleren Alters, dick bepackt mit Muskeln. Ebenso der zweite. „Wart's nur ab.“, er hob seine Hand zur Begrüßung, als sie fast bei ihnen waren. „Hey Denis.“, rief der Russe gut hörbar über die Hälfte der Straße auf der sie noch liefen. Der Angesprochene mit Sonnenbrille nickte seinem Partner zu, ehe er kurz aus dem Eingangsbereich heraustrat. Er nahm die Sonnenbrille ab und begrüßte Kai ebenfalls – mit Handschlag. „Ich wusste gar nicht, dass du jetzt hier arbeitest.“ „Lange Geschichte... Und du bist auch mal wieder auf der Lauer, hm?“, spottete der größere. „Mehr oder weniger. Kannst du uns reinlassen?“ „Sorry, heute nicht. Nur mit Gästeliste.“ „Sag ich doch!“, der Blonde sah ihn wissend an und hob auch kurz die Hand. „Lass mich kurz telefonieren...“, er tippte eine Nummer auf dem Display ein. Der Türsteher deutete dem Halbrussen an, dass er zurück an die Arbeit musste und verabschiedete sich von den beiden, während Kai ihm zu nickte. „Ja, hey... Bist du im Cube? Hm... Ich steh davor. Ja... Okay.“, er beendete das Telefonat. „Es dauert einen Augenblick.“ Max machte große Augen. „Woher kennst du denn den Muskelprotz?“, fragte er fassungslos. Kai sah derweil in Richtung Eingang. „Hm...sein Sohn trainiert bei uns im Zentrum.“, erklärte er beiläufig. „Was?!“ „Er ist selten da. Sagt dir- ah...“, Kai hob erneut die Hand. „Das ging schnell.“ „Hey! Meld' dich doch gleich bei mir, wenn du hier bist!“, ein Mann mit dunkelblonden gestylten Haaren kam auf sie zu und begrüßte die beiden Männer überschwänglich. Er war gut gekleidet, schick aber lässig genug für einen Clubabend. Kai schlug auch mit ihm ein und Max erkannte wer vor ihm stand. „Matt! Lange nicht gesehen!“, Max tippte noch auf einen Zufall, dass er hier auf Matt traf. Wieder sah er zu seinem blau-haarigem Freund. „Denkst du, dass ER uns jetzt in den Club bringt?“, Kai nickte wortlos. Wie sollte das gehen? Der Türsteher von eben sagte es doch schon klar und deutlich. Nur geladene Gäste. Matt winkte den beiden zu und deutete ihnen an ihm zu folgen. Er sprach ein paar Sätze mit Denis, dem Türsteher, der in ihre Richtung schaute. Dann hielt er die schwere Tür auf. „Na, kommt schon!“, worauf Kai, und Max überrascht aber grinsend an den wartenden Gästen vorbeizog. „Okay Jungs, die Party ist eröffnet. Wir sehen und nachher an der Bar! Viel Spaß!“, trällerte Matt vor sich hin und machte sich von dannen. „Auf ihn ist immer Verlass.“, gab Kai trocken mit aufgesetztem Pokerface in Richtung Max, der sich gerade einen Überblick verschaffte. „Krass...wen kennst du hier nicht?“, Max kannte Matt auch schon von ein paar vorherigen Clubnächten mit Kai im Cube, aber eins wusste er noch nicht. Matt war nicht nur Gast im Cube, ihm gehörte der ganze Laden nämlich auch. Der blonde schaute weiter durch den überfüllten Club. Auf der Tanzfläche drängten sich viele junge Leute dicht aneinander zur laut dröhnenden Musik. Max fühlte schon wie der Beat auf ihn überging, denn sein Körper bewegte sich wie von allein. Mit seinem Begleiter hatte er weniger Glück was das Tanzen anging. Egal wie oft der Blonde es versuchte, Kai blieb ein Tanzmuffel. Und mehr als ein Fingertippen auf dem Tresen oder ein leichtes Mitwippen des Fußes zur Musik konnte er nicht erwarten. „Ich besorg' uns Getränke.“ „Okay, ich such nach 'nem Tisch!“, während Kai sich genervt durch die Massen Richtung Bartresen drängte, glitt der Amerikaner mit geübten Tanzschritten durch den Club, womit er auch einige Frauen auf sich aufmerksam machen konnte. Da in dem Moment passenderweise eine Sitzgruppe frei wurde, ließ er sich gekonnt lässig darauf nieder und grinste breit, denn er war schneller als die Gruppe von Möchtegernposern. „Hier.“, zwei bunt gemixte Drinks brachte der Russe kurze Zeit später an den Tisch und ließ sich erleichtert nieder. „Heute scheint die Altersklasse jünger auszufallen als sonst.“, sein nüchterner Blick schweifte über die Teils ziemlich jungen Gäste. Max lehnte sich vor und funkelte seinen Gegenüber finster an. „Hey, du hast Hilary! Denk' nicht mal dran!“, nun war es Kai der seinem Freund einen eisigen Blick zuwarf als er ihn ansah. „Hast du dir die 'Frauen' mal angesehen? Die sind nicht älter als 16...und ganz ehrlich...zwei Kinder reichen mir.“, funkelte er den blonden an, während er nebenbei am Strohhalm zog. „Das gibt nur Probleme...“, er schüttelte den Kopf. Max grinste. „Wenn sie hier reingekommen sind, müssen sie alt genug sein.“, er grinste breiter. Den Kopf auf seine Hand gestützt, zur Tanzfläche schauend. „Denk du nicht mal dran.“ „?“, Max sah verwirrt zum Russen. Der merkte, dass sein Kumpel vor hatte auf der Tanzfläche das Weite zu suchen... „Ich bin nicht ohne Grund mit dir hier.“ „Hm.....“, dem Amerikaner schwante böses. Gelangweilt drehte er den Kopf zu seinem Freund, mit dem Mund den Strohhalm von seinem Drink suchend. Kai war auch nicht begeistert davon, aber derzeit seine einzige Möglichkeit in den Club zu gehen. „Emily.“ Genervt verdrehte Max die Augen. „Come on! Echt jetzt? Ich dachte wir wollten Party machen!“, kam es vorwurfsvoll von ihm. Kai zuckte mit den Schultern und lehnte sich mit einem undurchdringbaren Blick vor. „Was ist los, Max.“, zischte er gefährlich ernst über den Tisch. „Ich bekomme es seit geraumer Zeit mit. Erst dachte ich es wäre nur eine Ausnahme. Aber sie macht dir nur schöne Augen, wenn sie etwas von dir will.“ Max sah ihn entrüstet an. „Das stimmt gar nicht!“, versuchte er sich halbherzig zu verteidigen, was Kai nicht sonderlich überzeugte. „Was ist mit den Klamotten, die du ihr besorgt hast, weil sie so 'toll' waren? Die teure Uhr? Das Armband mit Gravur? Und nicht zuletzt das Parfüm?“, schob er seine Argumente schonungslos hinterher. „Glaubst du, keiner bekommt das mit?“, sagte er bedrohlich ernst über den Tisch. „Sie nutzt dich nur aus. Und du machst alles brav, nur um den letzten Streit zu beschwichtigen. Selbst Hilary merkt, dass etwas faul ist.“, er nippte erneut an seinem Drink. „...sie ist im Übrigen auch der Grund warum wir hier sitzen...“, schnaufte er nun genervt. „Also...je eher du mit der Sprache rausrückst-“ „Ja, ja...umso eher erlöst du mich... Schon klar...“, Max schmiss sich nach hinten wie ein bockiges Kind, dass bei einer verbotenen Sache erwischt wurde und überkreuzte die Arme. Er saß wortwörtlich in der Höhle des Löwen. „Sie nervt einfach...in ihren Augen mache ich alles falsch... Mom hat schon gefragt was los ist...und da kam mir dein Anruf letzte Woche ganz recht.“, er lehnte sich angespannt vor, nur um sich mit dem Drink in der Hand wieder anzulehnen. „...und jetzt fangt ihr auch damit an...“ „Man müsste schon blind sein, um deine Anspannung zu übersehen...“ „Ich dachte, Abstand tut uns beiden gut!“ „Nicht, wenn man das eigentliche Problem vor sich her schiebt.“, Kai erhob sich abrupt vom Sitz. „Das scheint noch 'ne Weile zu gehen...ich brauch' was hochprozentigeres...“, er deutete auf ihr Gespräch von eben. Max war klar, dass er nur vor dem 'eigentlichen Problem' davonlief. Aber er konnte doch nicht so viele Jahre einfach in den Wind schießen. Sie hatten auch gute Zeiten. Und seine Mom appellierte auch an ihn, nicht einfach das Handtuch zu schmeißen wenn es mal schwierig wird. Das Klirren auf dem Tisch holte ihn aus seinen Gedanken zurück. „Hä?“, er ließ überrascht den Strohhalm aus dem Mund fallen mit dem er eben noch gedankenversunken seinen Drink sprudelte. Kai stellte zwei kleine Gläser auf den Tisch. Gefolgt von einer Flasche Wodka. Eisgekühlt. „Dann mal weiter im Text.“, sprach er ruhig und schien sich mit der Situation abgefunden zu haben. Er goss beide Gläser voll. Eins davon leerte er und füllte es nochmal. Max seufzte ergeben und stürzte das kalte Getränk ebenfalls hinunter. Vielleicht fiel es ihm leichter darüber zu sprechen wenn er betrunken war... Doch er verzog das Gesicht und schob das Glas weit weg an die Seite. Nein, Wodka schmeckte ihm immer noch nicht. „Also gut... Was willst du hören...“ „Wie willst du weitermachen?“ „Wie soll ich schon weitermachen...“ „Du wirst also bei ihr bleiben.“, stellte er nüchtern fest und brachte Max an den Rand der Verzweiflung. „Maybe... Man Kai... Ich kann nicht einfach so gehen...“ „Was hält dich denn? Ihr seid nicht verheiratet, habt keine Kinder...“, zählte er nacheinander auf. „...Sex?“ „Wenn wir wenigstens welchen hätten...“, er schob resigniert sein leeres Gläschen zur Mitte des Tisches und erntete eine hochgezogene Augenbraue. Wortlos schenkte der blau-haarige nach. „Ich verstehe...“, das klang hart für den Russen. Kein Sex, trotz Freundin? Würde ihm nicht in den Sinn kommen. Damals machte er kurzen Prozess. Wenn die eine nicht wollte, suchte er im Cube eine neue. „Max...“, der Halbrusse schaute zur Tanzfläche. „Oh man...ich hab sogar schon drüber nachgedacht-“, er zögerte. Kai schien es trotzdem zu verstehen und gab seinem Freund einen Rat, nachdem er einen weiteren Shot gekippt hatte. „Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.“, er zuckte ganz beiläufig mit den Schultern. „Really?“, auch Max sah wieder zur Tanzfläche. „Klar, warum nicht? Da ist doch bestimmt was für dich bei.“, gab er seinem Freund gerade eine Steilvorlage für einen Seitensprung? Nicht, dass es ihn stören würde wenn Max was mit einer anderen haben würde. Aber sollte er das tun, sollte es unbedingt unter ihnen beiden bleiben. Sollte Hilary Wind davon bekommen...wäre nicht nur der Amerikaner, sondern auch der Russe einen Kopf kürzer. Max schien wirklich über die Idee seines Freundes nachzudenken. Er suchte regelrecht nach Frauen in der Menge. Und checkte sie nacheinander ganz genau ab. Ein prüfender Blick wanderte zu Kai. „Meinst du wirklich?“, fragte er verunsichert. Er war Emily immer treu und war noch nie für One Night Stands. Der blau-haarige drehte seinen Kopf zu den Massen. „Ich hab nichts gesehen.“, damit stand er auf, in Richtung Tresen wandernd. Max trug mit seinem Gewissen einen unerbittlichen Kampf aus. Es vergingen Minuten in denen er nichts tat, als da sitzen. Die Musik um ihn herum nahm er nur noch halb wahr so sehr war er in seinen Gedanken versunken. Jetzt endlich regte sich sein Körper wieder. Alles schien ihm klarer zu werden. Seine Entscheidung war also gefallen. Er leerte sein Glas und genehmigte sich noch einen Wodkashot, den er gleich darauf wieder bereute. Es schüttelte ihn regelrecht. Dann verschwand er im wilden Gemenge der Tanzenden. „Okay Ladies, Max ist mit von der Partie!“ Während Max auf der Tanzfläche seine neuen Moves vorzeigte, kam Kai am Tresen an. Unter den neugierigen Blicken einiger Frauen, bestellte er unbeeindruckt einen weiteren Wodka auf Eis. Scherzhaft wissend prostete er ihnen zu. Dann wand er sich Matt zu der hinter dem Tresen seine Gäste bediente. „Wozu die Gästeliste, Matt?“, rief er etwas lauter zu ihm, denn die Musik wurde lauter, je später es wurde. Matt gab kurz zu verstehen, das er kurz warten sollte. Er mixte ein Getränk für eine Frau schräg von ihm und stellte anschließend noch zwei Flaschen Bier auf den Tresen. Dann kam er zu dem blau-haarigen. „Der Gastgeber hat eine ganze Menge Geld springen lassen für seine Tochter. Deshalb kommt hier nicht jeder rein.“, Kai grinste wissend. „Natürlich seid ihr eine Ausnahme.“, fügte er lachend hinzu. „Machst du mir noch einen?“, er zeigte zugleich auf sein leeres Glas. Matt nickte und schenkte ihm nach. „Du ziehst die Blicke heute wieder förmlich auf dich!“ „Hm?“ „Dort hinten.“, er zeigte mit dem Kopf in Richtung einer jungen Frau die den blau-haarigen schon im Visier hatte. Kai besah sie, schnaubte und kippte den nächsten Wodka hinunter. Wie sollte das noch weitergehen? Matt sah ihn verwirrt an. „Nicht dein Typ?“, er schlug sich lässig das Geschirrtuch über die Schulter. Kai gab einen abwertenden Laut von sich, als er sah wie die vollbusige blonde Frau auf ihn zusteuerte. Sie ließ sich aufreizend auf dem Barhocker neben ihm nieder. Kai wusste genau worauf sie aus war. „Bist du alleine hier?“, startete die Frau einen ersten Beutecheck. Kai sah kurz an ihr herab. Sie war wie fast alle russischen Frauen...oder jungen Mädchen. Aufgetakelt, ein Haufen Schminke im Gesicht und natürlich durfte das Kleidchen nur knapp über dem Hintern enden. Über die hervorquellende Oberweite wollte er nicht genauer nachdenken. Große Brüste waren zwar ganz gut, aber die von seiner Frau reichten ihm mittlerweile völlig aus. „Momentan ja.“, antwortete er also knapp. Die blondhaarige winkte Matt zu, der sofort mit dem Kopf zu ihr nickte. „Was darf's denn sein, Lady?“, lächelte er charmant, sich auf den Tresen lehnend. Ihr Blick wanderte zu ihrem Nebenmann, der sie aus dem Augenwinkel beobachtete. Hatte er doch Interesse? Er ließ den Blick auf sein Glas zurückschweifen. Matt verstand. Die fast leere Flasche Wodka vom Tresen stellte er vor Kai. „Viel Spaß. Ich schreib's an.“, der Blondine stellte er ein Gläschen hin. „Bist du öfter hier? Ich hab dich hier noch nie gesehen!“, rückte sie ihm näher, damit er sie besser verstehen konnte. Die Musik war laut. Er kippte einen Shot. „Weißt du...ich hab auf das hier keinen Bock.“, sprach er ehrlich. Sie waren vielleicht etwas mehr als zwei Stunden im Cube und er nicht mal zehn Minuten an der Bar, da bekam er schon die ersten Angebote. Nicht das er sich darüber freuen würde, aber die Zeiten waren vorbei für ihn. Matt beobachtete seinen Freund und polierte die Gläser nebenher. Er sah wie Kai eine Kette unter seinem Shirt hervorzog. Der blau-haarige löste den Ring aus der Kette und steckte ihn an seinen rechten Ringfinger. „Ich bin verheiratet. Such' dir 'nen anderen.“, giftete der Russe die Unbekannte an, die ihm daraufhin auf russisch vielfältige Beleidigungen entgegenwarf und weiter auf Beutezug ging. „Wow, ist das deine neue Art den Frauen zu sagen, dass du nicht auf sie stehst?“, lachte Matt laut, zapfte weitere zwei Bier. Unbeeindruckt kippte Kai noch einen Shot. „Nein.“, kam es gedankenversunken von ihm. Er starrte auf seinen Ring, den er zum ersten Mal an der Hand trug, und schnaubte. Wenn er ihn wieder abnahm, würde die nächste Frau nicht lange auf sich warten lassen... Max hingegen verausgabte sich auf der Tanzfläche. Er fühlte sich wohl zwischen all den dicht gedrängt tanzenden Leuten. Es war ihm egal ob Mann oder Frau. Hauptsache Körperkontakt. Nah vor ihm tanzte eine junge Frau. Sie machte einladende Bewegungen in seine Richtung. War das seine Chance? Er grinste breit, ehe er sich näher auf sie zu bewegte. „Wie heißt du??“, die Frau lachte und zog ihn am Shirt zu sich herunter. „Anja!“, rief sie in sein Ohr, denn auf der Tanzfläche dröhnte die Musik um einiges lauter. Der Amerikaner zeigte den Daumen nach oben. Dann drehte er das Spiel um. „Ich bin Max!“, rief er nun nah an ihrem Ohr und beide bewegten sich nahe aneinander zur Musik. Damit war das Gespräch auch schon beendet. Sie tanzten ausgelassen weiter bis sich beide einig waren an die Bar zu gehen. Das Bewegen zur Musik ließ beide schwer atmen an der Bar. „Hey Matt! Machst du uns zwei Mojito?“, gestikulierte Max und ließ sich neben Anja nieder. Der nickte und machte sich an die Arbeit. „Hast du Kai gesehen?“ „Er war vorhin hier und hat sich mit einer Frau unterhalten!“, rief er. „Und wo ist er jetzt?!“, Max schien beunruhigt zu sein, früher hatte sein Kumpel jede Chance genutzt um eine gutaussehende Frau abzuschleppen. „Keine Ahnung! Er hat sich einen Ring angesteckt und behauptet er wär' verheiratet“; lachte Matt abermals. „Der hatte wohl schon zu viel Wodka!“, die beiden Mijotos stellte er vor die beiden. „Oder was denkst du?“ „Wenn er das sagt, wird es wohl auch stimmen!“, schoss es grinsend aus seinem Mund. Anja deutete ihm derweil schon an, dass sie wieder tanzen wollte. Dem war Max nicht abgeneigt. „Ich komm nachher nochmal!“, winkte er ab und folgte ihr ins Gedränge... Kapitel 82: Nach dem Abend, ist vor dem Abend --------------------------------------------- Kapitel 82 ~~~~~~ „Keine Ahnung! Er hat sich einen Ring angesteckt und behauptet er wär' verheiratet“; lachte Matt abermals. „Der hatte wohl schon zu viel Wodka!“, die beiden Mijotos stellte er vor die beiden. „Oder was denkst du?“ „Wenn er das sagt, wird es wohl auch stimmen!“, schoss es grinsend aus seinem Mund. Anja deutete ihm derweil schon an, dass sie wieder tanzen wollte. Dem war Max nicht abgeneigt. „Ich komm nachher nochmal!“, winkte er ab und folgte ihr ins Gedränge... ~~~~~~ Für den Halbrussen begann der Morgen träge. Er lag auf einer Couch, die er schnell als seine ausmachte. Er fühlte sich schwer, so schwer, dass er seine Augen nicht öffnen wollte. Wie viel hatte er getrunken? Und dann diese Frauen... Tief holte er Luft und dämmerte erneut ein. Seine Frau war bereits ausgeschlafen. Sie konnte nicht wirklich ein Auge zu tun, bei dem Gedanken, dass Kai in einem Club voller Frauen war. Das bedachte sie am Tag zuvor nicht, als sie ihm überschwänglich anbot, mit Max einen drauf zu machen. Sie seufzte und stieg die Treppen vorsichtig nach unten. Sie sah kaum noch die nächste Stufe vor sich, so groß war ihr Bauch schon. Alles lief unfallfrei. Unten angekommen wollte sie noch die Unordnung von gestern Abend beseitigen, Emilia ließ ihr ganzes Spielzeug im Wohnzimmer herumliegen. Die Schwangere ließ sich am Couchtisch nieder. Sie sammelte die ersten Spielsachen ein ehe sie ihren Mann auf der Couch liegen sah. Zur Seite gedreht, halb auf dem Bauch. Die Wodkaflasche in der Hand. „Echt jetzt?“, murmelte sie Augen rollend zu sich und versuchte leise die Spielsachen in die Stoffkiste zu legen. Er sah fertig aus, bemerkte die brünette. Nun ja...wenn er eine Flasche Wodka intus hatte, wunderte sie das nicht. Ihr Gesicht war genervt. Sie erinnerte sich an die letzte Party mit ihm und Wodka. Das war...ihre erste Nacht mit ihm... Sofort nahm das Gesicht der jungen Frau einen zarten rot-Ton an. Was, wenn er in der Nacht-? Sie schlug die Hand vor den Mund. „...nein....“, hauchte sie ängstlich. Nein, dass würde er nicht tun, oder? Hilary war hin und hergerissen zwischen ihren Gedanken. 'Nein! Bestimmt nicht!', sagte sie innerlich. Dann fiel ihr Blick wieder auf die Wodkaflasche in seiner Hand. Er hielt sie am Flaschenhals, und sie stand schräg auf dem Boden. Hilary seufzte erneut. Die Flasche würde sie erstmal wegräumen, nicht dass er nach dem Aufwachen direkt weiter trinken wollte. Sie stockte, die Augen weit geöffnet. „Das...“, sie sah den Ring an seinem Finger. Das war eindeutig sein Ehering! Ihre Hand zog sie zurück. Auf ihren Lippen zeichnete sich ein glückliches Lächeln ab. Wie gerne würde sie ihm jetzt um den Hals fallen! Das würde sie nachher tun, wenn er ausgeschlafen war. Jetzt legte sie ihm vorsichtig eine weiche Decke über und ließ ihn seinen Rausch ausschlafen. Ein paar Stunden später wachte der Russe auf. Nicht mehr an die Flasche denkend, drehte er sich auf den Rücken zum Strecken. Das Klirren machte auch Hilary wieder aufmerksam. Genervt streckte er sich nochmal, um dann nach der Flasche zu angeln. „Hast du ausgeschlafen? Ich dachte du kommst ins Bett...“ Der blau-haarige öffnete seine Augen mehrmals bis er seine Frau ganz erkannte. „Hm....“, wortkarg fiel die Antwort aus. „Wollte dich nicht wecken...“ „Ach so...“, sagte sie enttäuscht. „Wann seid ihr denn wiedergekommen?“, erkundigte sie sich. „Hmmm....weiß nicht...war spät...“, die Flasche stellte er auf dem kleinen Tisch ab. Wo hatte er die denn mitgehen lassen? Er musste sich bei Matt melden deswegen. „...keine Ahnung wo Max ist...“, er zuckte mit den Schultern. Seine Frau musterte ihn auffällig. „Ihr wart doch zusammen unterwegs?“ „Ja.“, er starrte weiter auf die Wodkaflasche. „Hab ihn aus den Augen verloren.“, er streckte sich erneut, dabei seine Frau hinter ihm suchend. Sie nahm seine Hände in ihre und führte sie auf ihren Bauch. „Du trägst deinen Ehering...“, hauchte sie, als die Schwangere wieder das glänzende Schmuckstück an ihm sah. Sein Kopf fiel gegen die Lehne und er schnaubte. „Hatte keinen Bock auf dumme Anmachsprüche...“, gab er seiner Frau ehrlich zu verstehen. „Du hast also keine...“, wollte sie ihre Unsicherheit beseitigen. Kai löste seine Hände von ihr, damit er in ihr Gesicht sehen konnte. „Nein...es gibt nur dich.“, lächelte er sie liebevoll an. Ein inniger Kuss, der noch nach Wodka schmeckte, räumte ihre Unsicherheit komplett aus der Welt. Der nächste Morgen kam auch unerwartet schnell für den Amerikaner. Angestrengt öffnete er die Augen, die gleich darauf wieder zufielen. Er versuchte es nochmal. Alles, was gerade noch verschwommen war, sah er etwas deutlicher. Ein großes Panoramafenster... Wann hatte Kai ein Panoramafenster in sein Gästezimmer bauen lassen? Die Augen fielen wieder zu. Dann kam der große Hammerschlag. Es dämmerte ihm. Das hier war nicht Kai's Haus. Aufgeschreckt fuhr er hoch, was er sogleich bereute. „Oh man...“, schmerzerfüllt hielt er seinen Kopf. Vielleicht hatte er etwas zu viel gestern Abend. Wann war er denn eigentlich...? Ach...er ließ es sein. Max hatte keine Ahnung wie spät es war als... Und wie war er...? Auch das konnte er nicht genau sagen, sein Kopf schmerzte. Allerdings stellte sich eine Frage immer lauter: Wo war er...? Das Zimmer kam ihm überhaupt nicht bekannt vor. Vom Mobiliar her schloss er auf ein Hotelzimmer. Unter großer Anstrengung setzte er sich auf die Bettkante zum Fenster hin. Der Himmel war behangen mit grauen Wolken. Es regnete in Strömen. Er stöhnte laut auf. Ein verdächtiges Rascheln hinter ihm holte ihn zurück. „Morgen...“, murmelte es auf der anderen Bettseite. Max fuhr erschrocken herum. „Eh? ...autsch...“, wieder dieser Schmerz. Auf der anderen Seite lag wirklich eine Frau. Schnell drehte er sich zurück. Wer war sie? Was - sein Kopf warf ihm eine gestrige Erinnerung nach der anderen hin. „...shit“, seufzte er, als eine zarte Hand sich um seine Schulter legte. „Hast du gut geschlafen?“ Max konnte nichts Ausführliches darauf äußern. Der Schock stand ihm noch ins Gesicht geschrieben. Kreidebleich vor Angst drehte er sich noch einmal herum. Er stellte die alles entscheidende Frage... „Hatten wir was mit...ein...ander...?“, die Frau, die er als Anja identifizierte, küsste ihn auf die Schulter. „Du warst ausdauernd, Maxi...“, ihre Hände glitten auf seinem Oberkörper auf und ab und bereiteten dem Amerikaner eine Gänsehaut. „Wow....ähm...ich sollte gehen...“, ihre Hände schob er von sich und begann seine Klamotten zusammen zu sammeln. Scheiße, sie lagen im ganzen Raum verteilt. Er hatte soweit alles. Wirklich alles? Verdammt, wo lagen seine Shorts??? Panisch sah er sich im Raum um. „Suchst du die hier?“, kam es verführerisch vom Bett. Anja ließ seine dunkelrote Unterhose um ihren Finger kreisen. Max erstarrte. „Ja!“, versuchte Max gezwungen zu grinsen. Schnell schnappte er sich das noch fehlende Stück und verschwand in dem kleinen Bad. Man, war ihm das peinlich! Er zog in Windeseile seine Kleidung über, besah sich im Spiegel. „Holy Shit...“, seine Haare waren komplett zerzaust, er hatte Augenringe und sah aus wie der Tod auf Latschen. Ob es seinem Freund ebenso ging? „Kai!“, er hatte ihm gar nicht Bescheid gegeben, oder? Er kramte sein Handy aus der Hosentasche. Es war bereits nach 14 Uhr. Die anschließenden Nachrichtenverläufe zeigten ihm, dass er dem Russen nichts schrieb in der Nacht. Leise öffnete er die Tür vom Badezimmer. Wie sollte er hier jetzt herauskommen? 'Hey, war schön mit uns, ich geh dann mal'? Max schüttelte den Kopf und lief prompt in seine nächtliche Eroberung. „Oh! Ähm...“, begann er zu stottern. „Ich versteh schon. War schön mit dir! Vielleicht sehen wir uns ja nochmal.“, begann Anja freundlich genau das zu sagen, was er verwarf. So einfach war das? War sie ihm nicht böse, dass er gehen wollte? „Ähm...Sorry...ja war echt schön und so...ähm....Bye!“, er schnappte noch seine Jacke und verließ das Hotelzimmer. Im Foyer des Hotels angekommen, holte Max erneut sein Handy heraus. Was Kai wohl noch gemacht hatte gestern? Er wählte seine Nummer und rief ihn an. „Nein...“, er legte direkt wieder auf. Das wollte er nicht. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie der Russe aussah, wenn er ihn fragen würde, ob er ihn abholt. Lieber suchte er sich ein Taxi um zurückzukommen. Er schickte dem blau-haarigen lieber eine Nachricht. 14:23 Uhr Max: Schon wach? Bei dem Russen ging die Nachricht ein. Er döste auf der Couch. Seine Frau ebenfalls, nur seine Tochter schaute gespannt auf den knallig bunten Kinderfilm, der gefühlt seit einer Stunde lief. Ja, auch die beiden parkten ihre Tochter mal vor dem Fernseher. Er bemühte sich sein Handy aus der Tasche zu ziehen. 14:27 Uhr Kai: Schon lange vor dir. Kai: Wo bist du? 14:30 Uhr Max: Bin auf dem Weg zu euch...sitze im Taxi... 14:30 Uhr Kai: Wo? 14:30 Uhr Max: Nähe Kreml... 14:31 Uhr Kai: Lange Nacht gewesen...hm? 14:32 Uhr Max: Red nicht davon... Max: Bin in ca. 30 Minuten da 14:35 Uhr Kai: Ok. Kai bemerkte wieder den neugierigen Blick seiner Frau. „Kannst du das bitte lassen...“ „Hast du etwa Geheimnisse?“ „Nein. Was hast du gestern eigentlich gemacht?“, wollte der Halbrusse lieber wissen. „Ich? Nichts besonderes...“, gab sie schnippisch als Antwort. Kai grummelte vor sich hin, das Augenrollen konnte sich Hilary vorstellen ohne ihn dafür anzusehen. „Emilia, komm mal her! Was haben wir gestern tolles gemacht?“, rief sie die Kleine zu sich. Sie kletterte zwischen die beiden Erwachsenen. „Pizzaaaaaaaa!“, schrie sie voller Freude, wobei sie sich groß machte und ihre Ärmchen nach oben warf. Dabei kippte die kleine nach hinten, weil sie zu viel Schwung nahm. „Eh?“, Hilary sah ihre kleine Tochter schon auf die Kante des Tisches fallen. Automatisch griff sie mit der freien Hand nach Emilia und auch Kai schien den selben Gedanken gehabt zu haben. Beide griffen eine Hand der kleinen und zogen sie zurück auf die Couch. Hilary war erleichtert, sofort fiel Emilia ihren Eltern in die Arme. Jedem ein bisschen. Sie fand das Ganze eben total witzig! Lachend riss sie nochmals die kleinen Ärmchen in die Luft und fiel absichtlich nach hinten. Hilary stockte erneut der Atem, als Kai sie schon mit dem Bein vor dem Fall bewahrte. Emilia lachte sich bald zu Tode, als ihr Vater noch anfing mit dem Bein zu wippen, wobei er sie ein kleines Stück nach hinten fallen ließ und sie direkt wieder auffing. „Was war auf der Pizza?“, wollte der blau-haarige von seiner Tochter wissen. Die gluckste weiter vor sich hin. „Hm?“ , seine Augenbraue wanderte nach oben. „Käseeeeeeee!“, rief sie lauthals heraus und lachte wieder unaufhörlich. Selbst Kai musste unweigerlich anfangen zu lachen. Er quetschte seiner Tochter auf diese Art noch die restlichen Antworten über das gestrige Abendessen heraus. „Aaaaahhhhaaa haaahaha! Paaaaaapaaaa!“, sie war total außer Atem vom Lachen, das merkte auch Kai. Er zog sie zu sich auf das Sofa zurück, wo Emilia sich direkt auf ihn kuschelte. Er wagte es nicht sich zu bewegen, hatte er der Kleinen doch immer nur das Nötigste an Körpernähe gegeben, so wie er es auch erfahren hatte. Mit offenem Mund suchte er hilflos nach Rat bei seiner Frau, die über beide Ohren grinste. Das Bild war zu süß, ihre beiden Lieblinge so miteinander zu sehen, fand sie. „Entspann' dich einfach!“, legte sie ihm Nahe. Er sah auf den kleinen braunhaarigen Schopf, der sich noch immer an ihn kuschelte und beide Händchen fest um seinen Hals gelegt hatte. Es fühlte sich so unglaublich gut an, diesen kleinen quirligen Zwerg auf sich liegen zu haben. Ein verträumtes Lächeln umspielte seinen Mund. Er strich ihr liebevoll über den Kopf bis hin zum Rücken, wo er sie vorsichtig näher an sich drückte. Ja...die kleine war sein Ein und Alles! Und um nichts in dieser Welt würde er sie je wieder hergeben! Genauso wenig wie seine Frau, die ihn zärtlich küsste. Dieser Kuss sollte jedoch grobmotorisch unterbrochen werden, denn Emilia wollte ihren Papa gerade nicht mit ihrer Mutter teilen und schob sie unsanft von seinem Gesicht weg. Kai griff die Hand seiner Tochter. „Lass das.“, sagte er bestimmt, aber seltsam weich. Er fuhr zu seiner Frau herum, die ihn erneut zärtlich küssen wollte. Ihre Lippen legten sich aufeinander und Kai spürte schon wie Emilia wieder dazwischengehen wollte, also hielt er beide Händchen fest und genoss den innigen Kuss zu seiner Frau, während seiner Tochter im wahrsten Sinne die Hände gebunden waren. Doch auch die kleine sollte auf ihre Kosten kommen. Nach dem Kuss ihrer Eltern bekam auch sie ihre Aufmerksamkeit zurück. Hilary überhäufte die kleine mit vielen kleinen Küsschen, wobei sie sich wieder kaputtlachte, denn wehren konnte sie sich immer noch nicht... Etwas später kam auch Max bei der jungen Familie an. Die Fahrt verging wie im Flug. Er war nochmal eingenickt. Vor der Eingangstür checkte er schnell seine Haare im Handydisplay und hoffte, dass keiner der beiden etwas bemerken würde. Die Tür fiel leise ins Schloss. Emilia hörte das als erstes und stürmte unaufhaltsam in den Vorflur. Ihre Eltern hörten anhand ihres freudigen Geschrei, dass Max angekommen war. Er versuchte seine kleine Freundin zu beruhigen, denn sein Kopf brummte mächtig nach der vergangenen Nacht. Schließlich kam er vorsichtig mit Emilia auf dem Arm ins Wohnzimmer geschlichen und erstarrte aber gleich darauf. Kai und auch Hilary sahen ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Wo warst du denn so lange?“, ergriff Hilary das Wort und stellte fast vorwurfsvoll ihre Frage. Max fühlte sich damit schon ertappt und druckste herum. „Lass ihn. So wie er aussieht hat er die Nacht zum Tag gemacht.“, scherzte Kai trocken und ging in die Küche. Max ließ Emilia wieder runter und sah zu, dass er schnellstmöglich von Hilary Abstand bekam. Erstmal musste er duschen. Der Geruch des letzten Abends hing in seiner Kleidung und auf ihm fest...wenn nicht noch mehr. „Max!“ „Shit...“, er hatte gehofft, Kai auch entgehen zu können. Weit gefehlt. Er stand in der Küchentür, schüttelte scherzhaft die Flasche Wodka in seine Richtung, dabei grinsend. „Oh. Nein. Kein. Wodka.“, er wollte lieber schnell weiter nach oben. „War sie gut?“, fragte der Russe als sein Kumpel auf halber Treppe war. Wieder schien der blonde kurz zu Eis zu gefrieren ehe er so schnell er konnte die Flucht ins Bad ergriff. Kai stand derweil weiter mit der Wodkaflasche in der Küchentür mit der er liebäugelte. Er dachte darüber nach, sich einen zu gönnen. „Das machst du nicht...“ Ertappt ließ er das Hochprozentige niedersinken. „Nein...“, sagte er langgezogen. „Ich hab überlegt, wo ich mir die besorgt habe...“, sprach er nachdenklich. „Und zu welchem Schluss bist du gekommen?“ „Das ich Matt 'ne Menge Geld schulde...“ „Ach ja?“ „Hm... eine drei Liter Beluga Wodkaflasche hab ich bislang nur im Cube gesehen. Alle anderen Clubs nehmen es nicht so genau mit Wodka.“, klärte er seine Frau auf, die nur Bahnhof verstand. „Ist wohl so ein Russending...dass du so etwas weißt? „Ha. Ha. Wenn du wieder trinken darfst, erklär ich dir den Unterschied.“, grinste er wieder. Er wusste, dass sie nicht exzessiv Alkohol trinken würde. Die Flasche stellte er zurück in die Kühlschrank. „Wo ist denn Max schon wieder hin?“, der Russe deutete nach oben. Er würde später noch alles aus ihm herausquetschen können. Oben versuchte Max einen Moment abzuschalten. Das warme Wasser prasselte auf ihn nieder. Es tat ihm gut. Regungslos stand er einfach nur unter der Dusche, bis sich sein Gewissen meldete. Die Bilder vom letzten Abend schossen ihm in den Kopf. Bilder von Anja. Wie er mit ihr. Er schüttelte wild den Kopf und wuselte durch seine blonden Haare. Da waren sie wieder – Kopfschmerzen. Er ließ schlaff seine Hände sinken. „Wie soll ich ihr das nur erklären...“, sprach er mit sich und hoffte auf eine Antwort, die ihm verwehrt blieb. 'Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß', kamen ihm Kai's Worte wieder in den Kopf. Sollte er das wirklich unter den Tisch kehren? Das Wasser drehte er zu und stieg aus der Dusche heraus. Flüchtig hatte der blonde sich abgetrocknet, als er schon mit dem Handtuch um die Hüfte über den Flur zu seinem Zimmer eilte. 16:03 Max: Ich hau mich wieder auf's Ohr... Kai las die Nachricht, antwortete aber nicht weiter darauf. Mit seiner Frau machte er sich später einen ruhigen TV-Abend... Tags darauf war der Russe früh auf. Es war Sonntag und so langsam musste er endlich eine Entscheidung treffen, ob er diese Elena einstellte oder nicht. Allerdings hatte er ein ungutes Gefühl. Er zog den Ärger damit förmlich an, wenn er sie einstellte. Grimmig und in Gedanken versunken saß er mit seinem Kaffee vor dem Laptop und wägte Pro und Kontra ab. Dabei half ihm die Liste von Max, die er beim Bewerbungsgespräch schrieb. Ein genervtes Schnaufen hallte durch den Raum. Er musste sie einstellen. Am Laptop öffnete er das Email-Postfach. In ihren Unterlagen blätterte der Inhaber des Sportzentrums nochmal nach ihrer Email-Adresse und tippte sie sorgfältig ab. Da er das Risiko nicht eingehen wollte, griff er auf diese Möglichkeit zurück. 'Sehr geehrte Frau Bogdanowa, ich möchte Sie am kommenden Donnerstag...' „So ein Schwachsinn...“, er löschte das eben Geschriebene wieder und fasste sich so knapp wie möglich. Er hasste diese förmlichen, hochtrabenden Floskeln. Also schrieb er: Sehr geehrte Frau Bogdanowa, kommenden Mittwoch am Roten Platz, 15 Uhr. Pünktlich! Gez. K.H. Sofort schickte er die E-Mail ab. Sie würde schon wissen, wer ihr schrieb. Blieb nur zu hoffen, dass dieser irre Kerl nicht dazwischen funkte. Gelangweilt blätterte er in den Unterlagen herum. In ihm rotierten verschiedene Gedanken... Wie lange bräuchte er, um sie einzuarbeiten? Könnte er jemanden aus Max' Team von New York nach Moskau abziehen? Würde sie überhaupt... „Papa?“ „Hm...“ „Papa!“, wurde die zarte Stimme energischer. „Hm?“, er drehte den Kopf herum. „Emilia? Du bist schon wach...Was ist?“, wand er sich ganz der kleinen zu. „Da...“, traurig hielt sie ihren kleinen Stoffhasen hoch, aus dem die Watte herausquoll. Sie stand kurz vorm Weinen und schniefte ständig. „Oh. Was ist denn da passiert...?, sorgsam nahm er seine kleine Prinzessin auf den Schoß, stapelte rasch seine Unterlagen auf der Seite vom Küchentisch und besah das Stofftier genauer. „Hasi hat Aua...“, sie schniefte erneut verdächtig laut und zeigte auf die kaputte Stelle. Gleich darauf rollten ihr die ersten Tränen über das noch verschlafene Gesicht. Kai holte tief Luft. Nicht schon wieder, dachte er sich. Sein Einfühlungsvermögen war mit Nichten genauso gut wie das eines Steins...und selbst der würde das besser hinkriegen als er. Krampfhaft suchte der Vater nach einer Lösung. „Zeig' mal her...“, die kleine übergab ihm den kleinen Hasen. „Weißt du...manchmal...“, er versuchte die Watte wieder hineinzudrücken und eine Geschichte zusammen zu reimen. „...da wird man krank...und man braucht einen Arzt...“, die Watte quoll direkt wieder aus der offenen Stelle heraus. „So wie ich...siehst du?“, er deutete auf seine Verletzung an der Hand. Emilia hörte ihm mucksmäuschenstill zu und nickte, und hatte bereits vergessen, dass sie voller Trauer über ihr Kuscheltier war. „Wir sollten deinen Hasen hier...auch zu einem Arzt bringen...“, die kleinen Augen der braunhaarigen wurden umgehend riesengroß. „Gregor?“ Ihr Vater lachte kurz auf. „Der wird wohl noch schlafen...nein...“, sofort schmollte die kleine wieder und war den Tränen nahe. Kai zog die Augenbrauen ergeben weit hoch, sodass seine Stirn sich in Falten legte. „Warte kurz...“, er setzte die kleine auf seinen Stuhl und suchte etwas in den Küchenschubladen. Neugierig verfolgte sie ihren Vater. „Hier.“, er stellte das kleine Nähkästchen auf dem Tisch ab. Wenn der Arzt noch schlief, musste er wohl den Bereitschaftsdienst übernehmen. Emilia hob er auf den Tisch hoch, übernahm ihren kleinen Patienten und kramte in dem Kästchen. Passendes Werkzeug fand er schnell. Gezielt fischte er einen roten Faden heraus und begann mit der Notoperation. Zehn Minuten später sah das Kuscheltier halbwegs annehmbar, mit ein paar Kreuzstichen, zusammengenäht aus. Emilia störte das Aussehen der Naht aber überhaupt nicht, es zählte, dass der plüschige Patient überlebte! Überschwänglich kuschelte sie den Hasen wieder fest an sich. „Spasibaaa!“, rief sie glücklich und krabbelte auf den Arm ihres Vaters. Er sah ebenfalls zufrieden aus und strich ihr über den kleinen Kopf. „Jetzt gehst du aber nochmal ins Bett...“, es war nicht einmal sieben Uhr in der Frühe, also brachte er seine Tochter zurück ins Bett. Es dauerte nicht lange da war sie wieder eingeschlafen, glücklich mit ihrem Hasi. Leise schlich er sich aus dem Zimmer seiner Tochter. Die Tür nebenan öffnete sich leise. „Kai?“ „Hm....Du auch schon wach?“, was war das für ein verrückter Morgen? Seine Frau stand mit einem weiten Shirt vor ihm. „Ja...irgendwie fühl ich mich nicht gut...“, sie hielt ihren Bauch und atmete verspannt ein und aus. Schlagartig kam dem Russen die Erinnerung von vor ein paar Monaten ins Gedächtnis. „Das Baby?!“ „Hmmm....puuuuuh... Ich schätze schon...puuuuuh...“, sie stützte sich am Türrahmen ab. Kai trat näher an sie und versuchte sie irgendwie zu stützen. „...wir müssen warten... vielleicht sind es einfach nur Senkwehen...“, wieder atmete sie angestrengt aus, den Bauch haltend. „Leg' dich wieder hin! Ich- ich rufe Gregor an!“ „Nein... Bleib' bitte ruhig...Kai.“, drückte die Japanerin ihren Mann an der Schulter und atmete tief aus. Das hatte sie damals schon gelernt im ersten Geburtsvorbereitungskurs. Kai allerdings nicht. Er wurde gerade ins kalte Wasser geschmissen. „Bitte.“ Der Russe holte ebenfalls tief Luft um sich zu beruhigen. „Okay...aber nur eine halbe Stunde. Was soll ich machen?“ „Meine Krankenhaustasche nach unten bringen.“, er tat wie ihm aufgetragen und seine Frau ging langsam ins Badezimmer. Kurz darauf klopfte es an der Tür. „Alles okay?“, hörte sie ihren Mann beunruhigt von draußen fragen. „Ja...komm rein...“, schnell trat er ein. Hilary saß auf dem Toilettendeckel, sich auf den Beinen abstützend. „Es geht schon wieder.“, lächelte sie etwas gequält. Dafür erntete sie eine skeptisch hochgezogene Augenbraue ihres Mannes. „Ehrlich.“, sie stand auf und ging zurück ins Schlafzimmer wo sie sich anzog. „Weißt du, ein paar Wochen bevor der Geburt rutscht das Baby tiefer ins Becken... Das sind Senkwehen. Also halb so wild.“, sanft legte sie ihre Hand auf seine Wange. „Allerdings hatte ich das nicht so schmerzhaft in Erinnerung.“, grinste sie ihn an. „Na toll...“ Am Vormittag informierte Kai sicherheitshalber doch seinen Freund über Hilary's Gemütszustand, der beruhigte ihn aber ebenfalls. Solang die Brünette keine regelmäßigen Abstände zwischen den Wehen hätte, bräuchte er sich keine Sorgen machen. Das war leichter gesagt, als es umzusetzen war. Also durfte sie den restlichen Tag auf der Couch verbringen und sich von ihren Männern bedienen lassen. Max ging in seiner Aufgabe völlig auf. Er schien seinen Beruf verfehlt zu haben, hätte er lieber Kellner oder Butler werden sollen. „Hey...ähm...wegen gestern...“, begann Max in der Küche als er das schmutzige Geschirr in den Spüler räumte. „Das bleibt wirklich unter uns, okay?“ „Du hast wirklich eine abgeschleppt?“, fragte er sichtlich verblüfft. „Schätze schon...“, seufzte der Amerikaner peinlich berührt. Der Russe hingegen wartete auf mehr Informationen, schließlich erzählte er Max damals auch von einigen seiner Eroberungen. „Ich fühl mich schlecht.“ „Das ist völlig normal. Vergeht mit der Zeit.“, zuckte Kai emotionslos die Schultern worauf Max ihn entrüstet ansah. „Das sagst du so leicht. Ich fühl mich hundeelend... Wie soll ich das Emily erklären?“ „Fragst du mich das wirklich?“, gab er genervt zurück. Ein lautes Seufzen entwich dem blonden erneut. „War sie denn gut?“ „....ja.“, hörte er seinen Kumpel kleinlaut zugeben. „...es war wahnsinnig gut...“, fügte er noch an. Bei dem Russen zeichnete sich deutlich ein unterdrücktes Grinsen ab. „Ich hab's dir ja gesagt.“, er klopfte dem Amerikaner stolz auf die Schulter. Er hatte den ersten Schritt in die Unabhängigkeit getan, auch wenn er das noch nicht einsehen wollte. „Übrigens... Ich hab für Mittwoch den Termin zur Vertragsunterzeichnung ausgemacht.“, sagte er beiläufig und fing an Kartoffeln für das Abendessen zu schälen. „Cool. Kann ich wieder mitkommen?“ „Klar, warum nicht. Hier, hilf mir damit.“, er warf Max eine große Kartoffel zu. „Mich braucht ihr für's Abendessen nicht einzuplanen.“, und legte das Gemüse auf der Küchenzeile ab. „So?“, fragte er überspitzt. „Bin verabredet mit dem 'Night Flight'“, grinste Max und ließ Kai nicht schlecht staunen. „Du erzählst mir, dass du dich scheiße fühlst nach dem One Night Stand und gehst dann direkt in einen Stripclub?“ „Na ja...sie ist nicht hier. Da ist es wohl was anderes.“, überlegte er gedankenversunken. „Und was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß. Deine Worte!“, konterte Max und kickte den Russen ins Aus. „Touché.“ Beide warfen sich noch einen vielsagenden Blick zu und grinsten sich wissend an. Max gefiel ihm. War er nach dem Druckausgleich wieder viel entspannter und geerdeter als noch vor zwei Tagen. Sollte sich der Amerikaner doch in Moskau austoben wie er wollte, der Russe würde ihn sicher nicht daran hindern. Zufrieden grinsend schälte er die restlichen Kartoffeln fürs Abendessen weiter. Max bereitete sich darauf vor erneut auf die Piste zu gehen. Frisch geduscht verließ er das Bad mit dem Handtuch um die Hüften. Mit einem zweiten rubbelte er über seine noch nassen Haare. In der anderen Hand das Handy. Er scrollte durch seine Telefonliste. „Hm...“, wen sollte er fragen? Alleine ging er nicht so gern aus, zu zweit sah das anders aus. Da Kai heute Abend ausfiel, musste er jemand anderen finden. Vielleicht Anja? Er scrollte zurück nach oben. „Nein, lieber nicht.“ Im Zimmer angekommen flog das Telefon auf's Bett. Zielsicher zog er ein paar lockere Sachen heraus. Es sollte heute Nacht außergewöhnlich warm bleiben in Moskau, weshalb er sich auch für olivgrüne Cargoshorts und ein schwarzes T-Shirt mit Aufdruck entschied. Geldbeutel und Handy verschwanden in den Hosentaschen. Die Jacke sparte er sich. Unten im Flur checkte Max vor dem großen Wandspiegel seine Frisur und zupfte ein paar Strähnen nach vorn ins Gesicht. „Du hast dein schlechtes Gewissen aber schnell abgelegt.“, hörte er die vertraute Stimme des Russen hinter sich. Max zwinkerte ihm wissend zu. Was sollte er auch trübsal blasen? Jetzt oder nie! Er war schließlich nur einmal jung. „Übertreib es nicht.“, fügte er an. „Hehe, ich doch nicht.“, leichtfüßig drehte er sich zu seinem Kumpel und präsentierte sich. „Was sagst du?“, grinste er wieder und wollte eine Meinung zu seinem Outfit hören. „Mich würdest du damit nicht herumkriegen.“ „Du bist auch nicht mein Typ!“, lachte Max laut los. „Come on!“, er wollte seine Meinung jetzt wissen. „Ganz passabel.“ „Auch für's Night Flight?“ „Klar.“ „Oooookay!“, er zupfte sein Shirt locker von der Brust und wand sich zum Gehen. „Wir sehen uns morgen!“, winkte er fröhlich, als Kai ihn nochmal zurück pfiff. „Hier. Die wirst du mehr brauchen als ich im Moment.“, er zog ein paar Kondome aus seiner Hosentasche und drückte sie dem Amerikaner schmunzelnd in die Hand. Max war darauf nicht vorbereitet. Seine Gesichtsfarbe ähnelte nun der einer überreifen Tomate. Schnell verstaute er die Gummis in seiner Geldbörse. „Man! Du bist peinlicher als Mom!“, warf er ihm sichtlich errötet vor, ehe er sich endgültig aus dem Staub machte. In der Innenstadt tummelten sich wie ein paar Tage zuvor jede Menge junger Leute. Es war angenehm warm um diese Uhrzeit, und dass heute Sonntag war störte niemanden hier. Am Night Flight war es seltsam ruhig. War der Laden noch nicht offen? Er drückte gegen die Eingangstür, doch entgegen allem konnte er eintreten. Sofort war er versetzt wie in eine andere Welt. Es schlug ihm ein angenehmer Duft in die Nase – Kirsche und Vanille? Er war sich nicht ganz sicher. Dann sah er sich genauer um. Scheinbar stand er in mitten eines Restaurants. Stimmte. Das Night Flight war nicht nur Stripclub, sondern auch Nachtclub und Restaurant in einem. Weiter im inneren des Etablissements dröhnte gedämpft Musik an ihn heran. Hinter einer schweren, gepolsterten Metalltür erdrückte es ihn. Hier lief die Party also. Laute Musik, Bässe die einem bis ins Mark gingen. Um ihn herum massenhaft Menschen. Die Sitzgruppen waren alle besetzt und auch wenn es noch nicht sehr spät war, hatten einige Besucher ihre Hemmungen bereits verloren. „Hm?“, sein Handy vibrierte. 21:59 Uhr Kai: Dein Dienst beginnt um Punkt 9 Uhr. Kai: Keine Minute später. Max entglitten für einen Moment die Gesichtszüge. 22:00 Uhr Max: I know :D Vermutlich müsste er die Nacht zum Tag machen um nicht zu verschlafen. Er öffnete seine Kamera und drehte ein kurzes Video, was er dem Russen sogleich schickte. 22:01 Uhr Max: Mega Stimmung hier! Kai öffnete nichtsahnend das Video. Er erschrak, als ihm die laute Musik aus dem Club entgegen schlug, genau wie seine Frau, die kurz vor dem Einschlafen war. „Spinnst du?!“, giftete sie ihn an. Der blau-haarige schaltete den Ton umgehend aus. „Ja....sorry...“, versuchte er seine aufgebrachte Frau nicht zu sehr zu beachten. Er tippte stattdessen eine Antwort an Max. 22:05 Uhr Kai: Korrektur: Kai: Dienstbeginn 8:30 Uhr Das würde der Amerikaner nicht noch einmal machen, hoffte der Russe. Er schaltete das Display aus. Auch Max verstaute das Handy wieder in der Hosentasche. Etwas gedämpft in seiner Partystimmung, über den früheren Dienstbeginn, lief er zur Bar. Davon würde er sich den Abend nicht vermiesen lassen. „Hey!“, lächelte er die knapp bekleidete Bedienung hinter dem Tresen an. „Ein Bier bitte!“, prompt stand eine geöffnete Flasche des Getränks vor ihm. Dankend prostete er ihr zu und zog Richtung Tanzbereich ab. Die Stunden vergingen. Wie ließ der Amerikaner den Alkohol in Strömen fließen. Nicht so viel und nicht so durcheinander wie im Cube, dennoch mehr als sonst. Sein Glück bei den Frauen hatte ihn an diesem Abend auch verlassen. Er flirtete zwar was das Zeug hielt, doch konnte er nichts angeln. Gegen ein Uhr in der Nacht beschloss er es aufzugeben. Müde leerte er das letzte bisschen aus dem Glas und bezahlte. Was für ein ernüchternder Abend. Er lief wieder durch die schwere Metalltür durch das Restaurant. Auch hier machten die Bedienungen allmählich Feierabend. „Meinst du ich kann schon los?“ „Ach, klar! Ich mach den Rest hier fertig. Geh nur!“, unterhielten sich zwei junge Kellnerinnen, eine von ihnen wusch benutzte Gläser, während die andere diese abtrocknete. Sie stellte das saubere Glas in die Vitrine hinter sich. „Danke, du bist ein Schatz!“, herzlich drückte sie ihre Kollegin und legte ihre Kellnerschürze ab. Sie zog eilig ihre Handtasche unter dem Tresen hervor. „Mach nicht mehr so lange!“, ihre Kollegin winkte abwesend hinterher. „Wo hab ich denn die Tücher?“, sie kramte beim Gehen in der Tasche herum. „Wow hey, kannst du dich für eine Seite entscheiden?“, Max stolperte fast über die junge Frau, die auf Zickzackkurs nach draußen lief. Sie hörte ihm an, dass er alkoholisiert war. Nichts neues um diese Uhrzeit in diesem Club. „Hm?“, sie sah von ihrer Tasche auf als sich auch schon ein Arm um sie legte. „Hey lassen Sie mich!“, zischte sie in der Drehung. „Sie?!“, sie stoppte und war sichtlich überrascht den blonden Mann hier zu sehen. Er schien sie nicht direkt erkannt zu haben. „Bleib ruhig... Hä?“, Max besah sich die junge Schönheit von oben bis unten genauer. „Waaaaaah! Du?!“, er wich augenblicklich von ihr zurück. „Oh, sorry ich wollte nicht -“ „Schon gut...was machen Sie hier, Max? Sollten Sie nicht im Bett liegen?“, es war Elena, die er gerade noch versucht hatte mit seiner Überschwänglichkeit zu beeindrucken. Sie stutzte immer noch darüber den stellvertretenden Inhaber des Moskauer Sportzentrums in so einem Laden anzutreffen. „Ich wollte gerade gehen....und du???“, Elena lächelte kurz. „Meine Schicht ist zu Ende. Ich arbeite hier.“, sie deutete zurück auf die Eingangstür aus der sie beide herausgingen. „Was... Wirklich? Ist das nicht gefährlich? So....als Frau, meine ich!“, beide gingen nebeneinander die gut beleuchtete Hauptstraße entlang. Der braunhaarigen entlockte er damit ein müdes Lächeln. „Wenn man in der Branche arbeitet, darf man keine Angst zeigen. Verstehen Sie?“ „Oh... Hm....“, Max dachte darüber nach, doch ihm kam noch etwas anderes in den Sinn. „...waren wir nicht eigentlich beim 'Du' angekommen?“, fiel ihm ein. „Stimmt.“ „Und.... Was machst du jetzt noch? Du gehst doch nicht etwa schon schlafen, oder? Lust auf einen Absacker?“, durchlöcherte er seine Begleitung regelrecht mit Fragen und überforderte sie damit. Sie geriet in Erklärungsnot. „Na ja...im Normalfall ja. Ich...ähm...nehme die nächste Metro nach Hause...aber manchmal geh ich mit meiner Kollegin noch etwas Trinken...“, erklärte sie schnell und kramte erneut in ihrer Handtasche. Max besah sie dabei. „Also hast du noch Zeit, ja?“, grinste er sie fast bettelnd an. Sie war seine letzte Möglichkeit noch einen angenehmen Abend zu haben. Sie durfte noch nicht gehen! Seine Begleitung war verunsichert. „Ach, komm! Ich kenne hier 'ne Bar! Ganz in der Nähe! Die haben echt gute Drinks!“, gab er ihr zu verstehen und zog sie am Arm lachen mit sich. „Ich kann aber nicht! Ich muss nach Hause...“, versuchte sie den blonden zu stoppen. „Einer ist wohl drin, hm?“, er grinste sie zuckersüß an. „Na los!“, Max huschte hinter sie und schob die junge Frau vorwärts. Ihre anfängliche Gegenwehr nahm mit jedem Schritt ab, den Max sie voran drückte. Als sie jedoch selbst los lief, stolperte Max überrascht ein paar Schritte nach vorn und brach in schallendem Gelächter aus. „Oh yeah! Komm! Da vorne!“, Max deutete auf das Hotel vor ihnen. Dort war er vor ein paar Monaten schon mal gewesen. „Warte!“ „Nein...Komm! Da ist die Bar drin!“ Kurz darauf saßen sie beide wirklich an der hoteleigenen Bar. Max bestellte einen Long Island Iced Tea und Elena suchte sich einen Piña Colada aus. „Ich kann wirklich nicht lange bleiben...“, entschuldigte sie sich bei ihrem Sitznachbarn. Der beobachtete die junge Frau ganz genau. Vielleicht lag es daran, dass sie sich gerade mit einem Feuchttuch kräftig über die Augen und Wangen wischte um die Schminke zu entfernen. In dem kleinen Klappspiegel überprüfte sie ihr Gesicht erneut nach Schminkresten. „Warum schminkst du dich ab?“ „Hm?“, sie hielt kurz inne. „Weißt du...ich mach das nur für die Arbeit... Danach kommt das Zeug sofort wieder runter...“ „Ach so... Schade...dabei steht es dir!“, der blonde wirkte geknickt. Dabei war Elena wirklich hübsch und sie trug auch nur dezentes Make-Up. Aber jeder sollte es halten wie er wollte. Er zog an seinem Long Island. Elena wischte noch energischer über ihr Gesicht. Es war ihr total unangenehm, dass er ihr Komplimente machte. Sergej wollte nicht, dass sie sich schminkte. Sie würde nur die Blicke von anderen Männern auf sich ziehen, sagte er ihr damals, als sie sich für ihn einmal geschminkt hatte. „Halloooo?“, holte Max sie aus ihren Gedanken zurück. „Alles klar bei dir?“ „Äh...ja! Entschuldige...Was war?“ „Ob du schon mal in der Beyblade-Branche gearbeitet hast.“, wiederholte er grinsend seine Frage. „Nein, ich hab ehrlich gesagt von diesen Teilen keine Ahnung.“, gab sie ehrlich zu und legte ein paar ihrer Haarsträhnen hinter das Ohr. „Dann kannst du echt gut schauspielern! Und ich dachte, wir können uns über jedes einzelne Teil unterhalten...aber jetzt...bin ich wohl Alleinunterhalter.“ „Tut mir leid.“ „Oh! Ich kann dir alles beibringen! Kai wird Augen machen...“, heckte er einen Plan in seinem Kopf aus und ließ Elena hellhörig werden. „Kai?“ „Äh...hehe... Ich meine natürlich Herr Hiwatari!“ „Ist er wirklich so streng?“, fragte sie vorsichtig und nahm einen großen Schluck von ihrem Drink. „Manche sagen ja...andere sagen nein.“ „Und was sagst du?“ „Wenn du zu spät kommst, macht er einen Spießrutenlauf mit dir!“, er stützte sich mit dem Ellenbogen auf dem Tresen ab und legte den Kopf schief in die Hand. „Er ist nett, aber du solltest ihn dir aus dem Kopf schlagen... Er ist vergeben.“, grinste er wieder breit, diesmal in Elena's smaragdgrüne Augen. Sie spürte wie ihr die Scham hinaufkroch und wand sich von ihm. Dieser Mann hatte wirklich etwas von einem Sunnyboy. „Ich will einfach dort arbeiten! Mehr nicht! Und nach New York...“ „Dann musst du mit mir klar kommen!“, sein Grinsen wurde breiter. „Und jetzt entschuldige mich kurz...“, Max eilte zu den Toiletten. Elena holte tief Luft. Sie spürte die Müdigkeit in sich aufsteigen. Sollte sie einfach gehen? Und ihn hier ahnungslos sitzenlassen? Wie sollte sie ihm dann noch unter die Augen treten können, wenn er in New York ihr Chef war? Erschöpft legte sie ihren Kopf auf den Tresen. Wie sollte sie das alles nur schaffen? Sie hörte das Vibrieren ihres Handys. Stille. Erneutes Vibrieren, gefolgt von einem Moment der Stille. Wieder vibrierte das Handy von Elena und sie schreckte hoch. „Ach du scheiße! Wo-?“, sie suchte panisch nach ihrem Handy. „Scheiße....scheiße....“, auf dem Display leuchtete der Name 'Sergej' auf. Ihr ganzer Körper zog sich zusammen. Wie war sie denn hierher gekommen? „Oh Gott!“, sie sah an sich herab, schlug die große Decke von ihrem Körper und weckte damit Max auf, der sich zerknautscht aufsetzte. „Lass mich noch schlafen, Mom...“, nuschelte er verschlafen. „Ich bin nicht deine Mom! Was machen wir hier?!“, brüllte sie hysterisch durch das Zimmer. Schlagartig war Max wach. „Ohhhh nein! Warte! Nicht das, was du denkst!“, er hob beschwichtigend die Arme. „Du warst am Tresen eingeschlafen als ich zurück war! Und da ich keine Ahnung habe, wo du wohnst, hab ich ein Zimmer gebucht!“, klärte er sie schnell auf. Er kratzte sich aber dann verlegen am Hinterkopf. „...und da ich auch ziemlich durch war...hab ich auch hier geschlafen.“ Wieder vibrierte das Mobiltelefon in Elena's Hand. Die Panik stand ihr wieder ins Gesicht geschrieben, als sie erneut sah, dass Sergej sie anrief. „Scheiße...“ „Sorry...ich wollte dich nicht in Schwierigkeiten bringen...“ „Hast du aber!“, sie griff ihre Handtasche, die Max auf einem Stuhl abgestellt hatte und rauschte aus dem Zimmer heraus. Die Tür knallte ins Schloss. Auf einmal war es seltsam still. „Wow...“, wenn sie mit ihm schon so sprach, könnte Kai sich warm anziehen, dachte er und legte sich zurück ins Bett. Aus dem er sogleich heraussprang und seine Hose nach seinem eigenen Handy absuchte. Wie spät war es?! „Kurz vor acht... Puuuuh....“, er atmete erleichtert aus. „Immerhin hab ich nicht verschlafen...“, er schnappte sein Shirt vom Vorabend und zog es über. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)