Anne im Traumhaus von steffinudel ================================================================================ Kapitel 18: Miss Josephine Barrys Geschenk ------------------------------------------ In den darauf folgenden Wochen kamen viele schöne Augenblicke, aber auch eine ganze Menge Stress auf die jungen Eltern zu. In so mancher Nacht, war der Schlaf nicht gerade üppig.Gilbert hatte zu dem nun auch die Praxis von Dr. Blair übernommen. Er hatte die Leute in Avonlea und in Carmody ärztlich zu versorgen. Oft kam er erst spät nach Hause, oder wurde mitten in der Nacht aus dem Schlaf geholt. Anne und Gilbert kamen also beide nicht oft zu einer ausgeschlafenen Nacht. Susan Baker hatte sich ein kleines Häuschen in Avonlea gemietet. Sie blieb jedoch bei Anne und Gilbert angestellt, um im Haushalt zu helfen. Alle, auch Marilla und Mrs. Blythe unterstützten Anne, so gut sie konnten. Aber natürlich konnte nur Anne nachts aufstehen und den kleinen Jem stillen, wenn er Hunger hatte. Eines Nachts hatte Anne Jem gerade wieder in seine Wiege gelegt und beobachtete noch seinen friedlichen Schlaf, als Gilbert nach Hause kam. Er betrat das Kinderzimmer, Anne lächelte ihn an. „Pssst“, sagte sie flüsternd „er ist gerade eingeschlafen.“ Gilbert legte seine Arme um ihre Tailie und Anne lehnte sich mit dem Rücken an ihn. Eine Weile betrachteten sie still ihren Sohn. Dann nahm Anne Gilberts Hand und leise gingen sie ins Schlafzimmer hinüber. „War es ein anstrengender Tag?“, fragte sie ihn, nachdem sie die Tür zum Kinderzimmer angelehnt hatte. „Etwas! Ich war eigentlich gerade schon auf dem Heimweg von Mr. Harrison, als mich Peter Sloan abgefangen hat. Bei seiner Frau hatten die Wehen eingesetzt. Also war doch noch nichts mit Feierabend“, sagte er lachend, während er auf dem Bett saß und sich die Schuhe auszog. Anne setzte sich zu ihm und nahm seine Hand. „Und dann waren es auch noch Zwillinge“, seufzte Gilbert und sah ihr in die Augen.„Wie war dein Tag, Karotte?“ „Wir haben einen Brief von Miss Josephine Barry bekommen“, sagte Anne und holte den Brief von ihrem Nachtisch, um ihm Gilbert zu zeigen. „Lies ihn mir doch vor“, sagte er, während er anfing seinen Kragen zu lösen. „ `Ich freue mich von der Geburt Eures Sohnes zu hören und ich möchte Euch herzlich gratulieren. Ich hoffe, dass ich den kleinen James Matthew bald einmal sehen werde. Im Moment ist es mir aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, nach Avonlea zu kommen. Obwohl ich das sehr gerne täte. Doch wenn ich nach den Prognosen der Ärzte gehe, wird das auch nicht so bald möglich sein. Aber was will ich auch in meinem Alter erwarten. Lange habe ich mir überlegt, was ich Euch am besten zur Geburt Eures Sohnes schenke. Ich habe diesem Schreiben einen Scheck beigelegt. Legt das Geld gut für seine spätere Ausbildung an. Er braucht damit später mal kein Stipendium, um aufs College zu gehen, obwohl er das bei diesen Eltern bestimmt schaffen würde. Nehmt mein Geschenk bitte an. So wird ein Teil von meinem Geld zumindest vernünftig verwendet. Viele Grüße Josephine Barry`“ Gilbert sah Anne verdutzt an. „Gil, der Scheck ist auf dreitausend Dollar ausgestellt. Wie können wir das annehmen?“ „Na, das ist wirklich ein bisschen viel. Wie kommt sie darauf ein so großzügiges Geschenk zu machen?“, fragte Gil kopfschüttelnd. „Vielleicht sollte ich ihr noch mal schreiben und versuchen ihr zu erklären, dass dies viel zu viel ist. Besser gesagt ich könnte sie auch anrufen, schließlich hat Miss Barry ja auch ein Telefon.“ „Ja, ich denke, dass wird das beste sein. Ruf sie an, Anne und rede mit ihr“. Er legte die Arme um sie und küsste sie. Anne seufzte. „Wird es immer so sein, Gil?“ „Was meinst du mein Schatz?“ Anne lachte: „Ich meine, werden deine Küsse mich immer so entflammen, selbst wenn wir dreißig Jahre verheiratete sind?“ Gilbert küsste sie erneut und Anne gab sich die Antwort danach selbst. „Ich denke ja. Auf jeden Fall, wenn du mich in dreißig Jahren noch so küsst.“ Am nächsten Tag besuchte Diana sie, den kleinen Fred und Anne-Cordelia im Schlepptau. Anne berichtete der Freundin von Miss Barrys Geschenk. "Ich weiß gar nicht, was du hast, Anne. Für Fred und Anne-Cordelia hat sie ebenfalls einen Scheck ausgestellt. Warum willst du ihn denn nicht annehmen?" Diana zuckte verständnislos mit den Schultern. "Aber das ist doch etwas ganz anderes, Diana. Mit dir ist sie zumindest verwandt. Aber ich habe sie doch nur manchmal besucht, nichts weiter." "Anne, Tante Jo mag dich, das weißt du. Ich glaube fast, dass sie dich mehr mag als mich. Sie will dir damit eine Freude machen und schließlich hat sie doch genügend Geld." Diana konnte nicht verstehen, wieso Anne so ein Theater daraus machte. "Ich werde sie trotzdem anrufen“, verkündete Anne. "Wenn du unbedingt meinst“, sagte Diana und wechselte dann das Thema, während sie Anne-Cordelia auf den Arm nahm, die ungeduldig zu weinen begonnen hatte. In den nächsten zwei Tagen kam Anne jedoch nicht dazu Miss Barry anzurufen. Erst kam Mrs. Allan überraschend zu Besuch und dann wollte Jem einfach nicht schlafen. Sie fand irgendwie keinen Moment, um in Ruhe mit Miss Barry zu telefonieren. Als Gilbert am Abend nach Hause kam sagte Anne sogleich: "Ich habe es immer noch nicht geschafft, Miss Barry anzurufen. Jem hat den ganzen Tag kaum geschlafen." Sie sah in Gilberts Gesicht und stockte. "Was ist? Ist irgendetwas passiert?" Gilbert konnte vor Anne einfach nichts verbergen. Seine Augen und sein Blick sagten ihr sofort, dass etwas vorgefallen war. "Ich habe gerade Fred getroffen", begann er, während er ihre Hand nahm. "Anne, Miss Barry ist heute Morgen gestorben." "Was?", Anne wurde blass. "Das kann doch nicht sein, Gil. Ich meine.... sie hat mir doch erst diesen Brief geschickt." Tränen stiegen ihr in die Augen. Miss Josephine Barry war tot. Warum nur hatte sie nicht gleich angerufen? Gilbert zog sie in seine Arme und sie lehnte sich weinend an seine Schulter. Die Beerdigung fand bereits zwei Tage später in Charlottetown statt. Anne bedauerte sehr, dass sie nicht daran teilnehmen konnte. Jem war noch zu klein, als das sie ihn hätte mitnehmen können. Aber sie konnte ihn auch noch nicht bei Marilla lassen, denn wenn er Hunger bekam war klein Jem unerbittlich und von Charlottetown war man nicht schnell in zwei Stunden wieder in Avonlea. Diana hatte natürlich Verständnis dafür. Ihre Kinder würden solange bei Freds Eltern bleiben, schließlich war Anne-Cordelia bereits alt genug, um mit Brei gefüttert zu werden. Wie gerne hätte Anne Miss Barry mal mit dem kleinen Jem besucht. Doch nun war es zu spät. Sie nahm sich vor das Grab von Miss Barry mit Blumen zu schmücken, sobald sie wieder in Charlottetown war. Das Geld für Jem wurde auf einem Sparbuch angelegt. Anne würde ihm, wenn er alt genug war von Miss Barry erzählen. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und begann die Geschichte von Miss Barrys Leben, so gut sie es wusste, aufzuschreiben. Von der netten, alten Dame die ganz zu Unrecht als `alter Drachen` bezeichnet worden war. Eine verwandte Seele war aus der Welt geschieden. Die Geschichte von Miss Barry wurde Annes neues Buch. Es war ihr leicht gefallen, dieses Buch zu schreiben und sie widmete es natürlich Miss Josephine. Mit diesem Buch würde Tante Jo weiter im Gedächtnis bleiben, denen die sie kannten und auch denen die sie nicht kannten, die jetzt aber einen Teil ihres Lebens kannten.         Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)