adventures of my mind von Earu (#aomm) ================================================================================ #Stigma - Broken Wings ---------------------- „Du bist spät.“ „Nicht nach Londoner Zeit.“ „London?“ „Ja, ein Sprössling des Königshauses musste wieder einmal in Versuchung geführt werden, irgendeine jugendliche Dummheit anzustellen und damit die ganze Familie zu diskreditieren.“ „Du bist unverbesserlich.“ „Nein, ich bin der Teufel, mein lieber Gabriel, das weißt du doch.“ „Pfft“, schnaubte ich und winkte ab, während Lucifer mich breit angrinste. Natürlich wusste ich, dass er der Morgenstern, der Gefallene, der Teufel höchstpersönlich war. Sonst würde ich vielleicht auf den dummen Gedanken kommen, dass dieser Gesichtsausdruck ernst gemeint war und nicht nur eine Show war, um mich auf die Palme zu bringen. Oh, wie ich dieses jährliche Theater hasste! „Na los, lass es uns endlich hinter uns bringen. Ich hab noch jede Menge zu tun und kann nicht den ganzen Tag hier vertrödeln.“ „Na na, Gabriel, solch harsche Worte vor den Ohren deiner lieben kleinen Schützlinge!“, proklamierte er mit absichtlich viel Theatralik und beugte sich schließlich etwas nach links, um an mir vorbeischauen zu können. Dann wurde er zwar nicht wirklich ernst, ließ aber zumindest das Gehabe sein: „Wo sind denn die süßen kleinen Racker? Habt ihr euch wieder die Creme de la Creme der Gutmenschen von der Erde gepickt, um sie als Schutzengel zu versklaven?“ Ich warf ihm einen finsteren Blick zu, die Arme vor der Brust verschränkt, sodass er abwehrend die Hände hob und zurückruderte: „Schon gut, schon gut. Ich weiß ja: Keine Sticheleien, nur die Belehrung, fertig.“ „Schön, dass du es endlich verstanden hast. Dann könnten wir ja dieses Jahr vielleicht etwas schneller-“ „Aaaber!“, unterbrach mich Lucifer einfach, „keiner hat je gesagt, dass wir das alles ohne das kleinste Bisschen Spaß durchziehen müssen. Ich meine, allein die Tatsache, dass sie dich, den Boten von Gottes Wort und Vorsteher aller Engel nach dem Herrn, schicken, um so einen Popelkram zu erledigen, ist doch schon ein Witz. Es muss doch nerven, dass der Alte das immer dir aufhalst.“ „Er vertraut mir“, entgegnete ich, überging den Alten geflissentlich, konnte aber ein leichtes Zähneknirschen jetzt schon nicht verhindern. Das würde wirklich ein Spaß werden – wie jedes Jahr. „Jaaa“, zog er seine Antwort ausgiebig in die Länge. Mir war klar, dass da noch etwas kommen würde. Und ich hatte natürlich recht: „Selbstverständlich vertraut er dir, dass du als einziger dieser Aufgabe gewachsen bist. Er hat ja nicht genug Erzengel, die seit Jahrhunderten in dem Business arbeiten. Von den Scharen an anderen Engeln mal ganz abgesehen.“ Er feixte. „Lucifer?“ „Ja, mein Lieber?“ „Halt die Klappe und mach deinen Job! Wir haben zu tun.“ Er seufzte daraufhin übertrieben: „Mach dir mal nicht in die Tunika, Gabi.“ Dann ging er an mir vorbei und hielt direkt auf meine Schützlinge zu, die ihn allesamt mit Respekt und großen Augen ansahen. Manche von ihnen zitterten auch ein bisschen, aber ich war mir nicht sicher, ob es an der Anwesenheit des Teufels lag oder dem Ort, an dem dieses Treffen immer stattfand: irgendwo tief im Himalaya-Gebirge, wo sich nie eine Menschenseele hin verirrte, da es hier nur Geröll, Moos und schlechtes Wetter gab. Wanderer wären verrückt, wenn sie hier herkommen wollten. Selbst mir behagte dieser Platz nicht, auch wenn ich mein Gefühl für Kälte schon vor einer Ewigkeit abgelegt hatte. Als Lucifer sie halb erreicht hatte, steckte er zwei Finger in den Mund und stieß einen kurzen Pfiff aus – ein Signal für seine Begleiter, die sich sogleich aus dem Nichts materialisierten. Sie sahen wesentlich besser gelaunt aus, geradezu neugierig auf ihre Pendants von der himmlischen Seite. „Na los, ihr Frechdachse, setzt euch dazu, und sperrt die Ohren auf. Heute lernt ihr ein paar Grundlagen.“ Dann wartete er, bis seine Schar Dämonen bei meinen Engeln saß und einigermaßen Ruhe gab. Ganz still bekam man sie sowieso nicht, also gab ich mich mit einem gemäßigten Geräuschpegel zufrieden. In der Zwischenzeit konnte ich mich ebenfalls dazugesellen, immer noch mit verschränkten Armen, denn ich war sauer auf Lucifer – ich war immer sauer auf ihn, sobald ich ihn sah. Das hatte nicht zwingend etwas mit unserer Gegensätzlichkeit zu tun, sondern eher mit der Tatsache, dass er mich aufzog, sobald er mich sah. „Nur zu deiner Information: Hier trägt niemand mehr Tunikas – schon seit Jahrhunderten nicht mehr“, zischte ich ihm zu. Eigentlich war es überflüssig, schließlich trug ich Jeans und ein Sweatshirt, das konnte er sehen. Für meine Bemerkung erntete ich ein weiteres Grinsen und die Antwort: „Ja, aber vom Weiß kommt ihr immer noch nicht weg und Schuhe könnt ihr euch nach wie vor nicht leisten. Ihr führt ein Leben ohne Sinn für Stil – ob es nun eine Tunika oder zeitgemäße Klamotten sind, spielt dabei keine Rolle.“ „Aber ein violetter Anzug und ein Zylinder, die aussehen wie aus dem vorletzten Jahrhunderte tun es?“ „Zweifelsohne, Gabi. Ich liebe das England der 1980er-Jahre.“ „Hör auf, mich so zu nennen!“ „Sonst machst du was? Mich vors Schienbein treten? Oh, hochgeschätzter Erzengel Gabriel, was bist du doch heute wieder niedlich!“ „Also!“, erhob ich meine Stimme, wandte mich dem Nachwuchs zu und zwang mich dazu, diesen Idioten zu ignorieren, „ihr seid heute hier, um ein paar Dinge über unser Dasein zu lernen. Ihr werdet euch sicher noch an euer irdisches Leben erinnern, und vielleicht habt ihr damals etwas von dem gehört, was sich die Menschen über uns zusammengereimt haben. Einiges davon stimmt, anderes nicht. Heute-“ „Und besonders die Dämonen sind dabei schlecht weggekommen, diese Bastarde“, funkte mir Lucifer einfach dazwischen, „also, ihr, meine kleinen Racker, seid zwar allesamt auch Bastarde, aber ich meine jetzt die Menschen und ihre Bibelschreiber. Bei den Engeln muss jemand gut Informiertes gepetzt haben, die Dämonen haben sie komplett sich selbst überlassen. Unfair ist das!“ Ich starrte ihn irritiert an, während er seinen kleinen Exkurs hielt, und ließ ihm noch zwei Sekunden Zeit, ehe ich wieder das Wort ergriff: „Danke, Lucifer, für diesen Beitrag. Aber es geht hier nicht um Gerechtigkeit, sondern die Grundlagen.“ „Denkst du nicht, dass auch ein bisschen historischer Hintergrund dazugehört? Wir können alle davon lernen, wenn wir wissen, wie uns die Menschen, mit denen wir schließlich arbeiten müssen und von denen wir alle stammen-“ „Du stammst doch gar nicht vom Menschen ab“, erinnerte ich ihn trocken … und stellte mir damit selbst ein Bein. „Du hast es erfasst!“, jubelte Lucifer beinahe, „ich war der engste Vertraute des Alten – Gottes, meine ich – bevor er mich rausgeschmissen hat.“ „Wofür du selbst verantwortlich bist.“ Wirklich retten konte ich damit aber auch nichts mehr, denn Lucifer schien in Fahrt gekommen und nun nicht mehr zu stoppen zu sein. „Deshalb habe ich etwas vorbereitet, was die Sache hier ein bisschen unterhaltsamer gestalten sollte. Bitte sehr, Gabriel, dein Text.“ Damit reichte er mir ein paar Bögen Papier, die er aus der Innentasche seines Anzuges zog. Einen zweiten, identischen holte aus der anderen Tasche. „Was ist das?“, entkam es mir versehentlich, während ich verwirrt auf das erste Blatt starrte, auf dem DIE GAR TRAGISCHE, ABER HÖCHST LEHRREICHE GESCHICHTE DES FALLS von Lucifer Morgenstern geschrieben stand. Grundgütiger! „Theater“, lautete die Antwort darauf, „wir spielen das ein bisschen durch und am Ende haben wir das hier durchgezogen, ohne dass du mich wieder mit deinem stundenlangen Monolog langweilst.“ Das war ja wohl die Höhe! „Also bitte!“, setzte ich an und wedelte mit dem Papier vor seiner Nase herum, „du hast dir noch nie einen meiner Monologe angehört, weil du mich immer unterbrochen und sein eigenes Ding draus gemacht hast. Aber Theater spiele ich ganz sicher nicht! Das ist keine Lachnummer, Lucifer!“ Sein teuflisches Lächeln war ohnehin schon breit, wurde aber noch eine Spur breiter, als er sagte: „Wenn du das machst, sitze ich im nächsten Jahr ganz still und brav in der letzten Reihe und lasse dich alles machen, was du willst.“ Ich starrte ihn noch finsterer an, als ich es sicher je getan hatte. Ungefähr fünf Sekunden lang. „Einverstanden.“ Wie tief war ich gesunken? „Dann los“, gab Lucifer das Kommando, „du bist einfach du, ich bin ich und außerdem der Erzähler.“ Er hob betont seinen Stapel Zettel und begann zu lesen: „Es war einmal ein kleiner Engel, der hatte seine Arbeit immer mit übermäßiger Sorgfalt erledigt, war gut zu den Menschen gewesen, seinen übergroßen Herrn angebetet und sich gut mit seinen kleinen Mitengeln verstanden. Aber eines Tages war etwas anders: Einer seiner kleinen Freunde fehlte, man hatte ihn seit Woche nirgends mehr gesehen. Und obwohl im Himmel alles kalt und emotionslos behandelt wurde, störte ihn dies.“ Dieser Vollidiot! „Er sprach darüber mit denen, die über ihm standen, aber sie versicherten ihm, dass alles in Ordnung sei – ein Engelchen mehr oder weniger war schließlich kein Beinbruch. Ganz im Gegensatz zur Unterwelt, wo man sich um seine Schützlinge tatsächlich sorgt. Also suchte sich das kleine Geflügel andere Wege, um herauszufinden, was mit seinem Freund geschehen war. Dabei traf es auf einen Mann, der ihm tatsächlich Möglichkeiten bot. Gabriel.“ „Ja?“ „Text.“ „Oh.“ „Ja.“ Ich blätterte kurz, fand die Stelle und sprach den Satz: „Oh, liebster Fremder, bitte zeig mir, wie ich meinen Freund finden kann.“ „Ein bisschen mehr Gefühl, wenn ich bitten darf“, bekritelte Lucifer meine Darbietung. „Wir sind hier nicht am Broadway, also gib dich mit dem zufrieden, was du kriegst“, nörgelte ich. „Da hat aber jemand schlechte Laune.“ „Lies einfach!“ Er gluckste: „Sieh an! Da kann es ja plötzlich jemand nicht mehr erwarten, das Stück auf die Bühne zu bringen … Es kommt darauf an, was du zu tun bereit bist, kleiner Engel.“ „Alles, großer, mächtiger Fremder … Grundgütiger!“ „In der Rolle bleiben, Gabriel!“ „Pff … alles, großer, mächtiger Fremder. Sogar die Todsünden.“ „Ich hatte eigentlich gedacht, dass deine Stimme an dieser Stelle ein bisschen zittert. 'Sogar die … die T-Todsünden.' Es sind immerhin die Kardinalslaster und ihr seid Engel.“ „Noch ein Wort-“ „Ist gut. Also, wo waren wir?“ Ich schüttelte den Kopf. Warum hatte ich mich auf diesen Blödsinn nur eingelassen?! „Ah, da! … Vergiss die Todsünden! Sie sind nicht für jemanden wie dich gemacht“, sagte er, begann im Kreis um mich herumzugehen und beäugte mich dabei wie ein Stück Beute, das er sich gleich einverleiben würde. Der Blick, mit dem er mich bedachte, würde sicher jeden Normalsterblichen in die Flucht schlagen. Aber wunderte ich mich wirklich, dass er hier tatsächlich Theater spielte? Schließlich war das immer noch Lucifer. „Und wieso nicht?“, sprach ich meinen Text. „Weil sie für die Menschen gemacht wurden, du dummer kleiner Engel“, erklärte er in einem Ton, der sagen sollte, dass dies doch selbstverständlich wäre, „Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid, Trägheit – das alles sind Dinge, die du tatsächlich fühlen musst, und nicht einfach nur Zufälle, die mal eben so passieren. Was glaubst du wie leer die Erde wäre, wenn jeder Mensch, der nur einmal wütend wird, gleich derart hart bestraft werden würde? Nein …“ Hier machte er eine übertriebene Geste, „… es muss ein wirkliches Laster sein und du, mein kleiner Freund, bist zu so etwas gar nicht in der Lage.“ „Bin ich nicht? Aber Pause ich kann doch fühlen. Pause.“ „Nicht Pause sagen, Gabi, spielen“, tadelte Lucifer wieder. Ich hustete einmal trocken als Antwort, sodass er ungeniert weitermachte. Vielleicht hätte er das aber auch so. Er hörte schließlich auch sonst auf niemanden. „Jaa~ sicher.“ In seine Stimme legte er nun eine ganze Portion Langweile. „Nächstenliebe, Güte, Mitgefühl und das ganze Gewäsch, aber nicht die Todsünden. Glaub mir einfach, dass du dazu nicht in der Lage bist, mein Engelchen.“ „Aber du sagtest doch, dass du mir helfen kannst!“ „Natürlich. Natürlich, das kann ich auch. Nur nicht mit den Todsünden, so wie sich das dein kleines, einfältiges Köpfchen ausgedacht hat. Für euch Engel gibt es ganz andere Möglichkeiten dem Himmel zu entfliehen – fünf um genau zu sein. Gut die Hälfte davon kommt für dich ebenfalls nicht in Frage, denn ich denke nicht, dass du nach Gottgleichheit strebst, den Menschen ihren Respekt verweigerst oder einfach nur zu Stolz bist, um deinen Job noch machen zu wollen?“ Auf meinen Zettel stand Ängstliches Kopfschütteln, also schüttelte ich den Kopf – die Angst schenkte ich mir. „Da siehst du mal. Aber zwei Dinge bleiben dir noch und du kannst dir sogar aussuchen, was dir davon lieber wäre: Willensfreiheit oder …“, er kicherte, „… die Lust.“ „Ich … aber du sagtest doch, dass ich Lust nicht empfinden könnte.“ „Richtig, mein Lieber, nur sagte ich, dass du die Wollust nicht empfinden kannst, dazu müsstest du richtig versessen darauf sein. Lust hingegen ist etwas anderes – eine einmalige Sache, nur ein einziger Moment irdischer Ekstase und du bist hier raus.“ Er grinste mich an wie der Teufel persönlich – was er ja auch war. Und ehe ich mich versah oder auch nur ansatzweise auf die nächsten Zeilen schauen konnte, um zu erfahren, wie es weiterging, stürzte Lucifer sich buchstäblich auf mich, warf mich zu Boden und fuhr mit der Zunge über meine Wange. Mein halbes Gesicht leckte er ab, ehe ich ihn von mir herunterschubsen konnte. Er begann zu lachen, während meine Schützlinge hinter ihm vor Entsetzen erstarrt zu sein schienen und die kleinen Teufel nur kicherten. Plötzlich war da doch ein Gefühl für Temperaturen. Der beißende Wind hier oben war mir egal, aber das erste Mal seit … überhaut, denke ich, spürte ich, wie mein Kopf heiß und wahrscheinlich ganz rot wurde. Was danach geschah, konnte ich im Nachhinein auch nur als Kurzschlussreaktion bezeichnen. „Weg!“, schrie ich, deutete auf meine Engel und schickte sie so zurück in den Himmel. Weil die Dämonen sitzenblieben, formte ich die Hand zur Faust und ließ sie auf den Boden krachen. „Ihr auch!“ Blitze regneten auf sie nieder und vertrieben die schreienden kleinen Teufel. Und schließlich fiel mein Blick auf Lucifer, der mittlerweile wieder stand, während ich noch am Boden saß. „Du! … Du!“ „Was denn, Gabi?“ In seinem Gesicht klebte zwar ein selbstsicheres Schmuzeln, aber seine Augen sprachen eine andere Sprache. „Ich habe genug von diesen Spielchen!“, wütete ich, rappelte mich auf und stürmte mit festen Schritten auf ihn zu, „immer der gleiche Mist mit dir und deinen … deiner Respektlosigkeit vor allem und jedem! Hast du denn gar nichts gelernt?!“ Jetzt wurde er endlich ernst. Ein bisschen zumindest, denn wenn er schon dieses elende Grinsen nicht ablegen wollte, so verschwand doch jede Belustigung aus seiner Stimme: „Was soll ich denn gelernt haben? Der Himmel ist gut, die Hölle ist das Böse. Oben residieren die heiligen Engel und unten vegetieren die dreckigen Dämonen vor sich dahin. So ist es schon, seitdem ich gefallen bin. Was soll ich also gelernt haben?“ „Du weißt, dass das nicht stimmt, Lucifer“, wandte ich ein, „der Himmel ist in der Tat der Sitz Gottes, ber die Hölle nur der Ort, an dem er nicht ist. Wir belohnen, ihr bestraft, bis die menschlichen Seelen zur Wiedergeburt bereit sind oder sich einem von uns anschließen. So und nicht anders ist es. Bei allem, was mir wichtig ist, Lucifer, hör auf mit … hör einfach auf.“ „Und wieso?“ „…“ „Wieso, Gabriel? „Weil ich meinen besten Freund vermisse!“ „Ah … ahahahahaha, sicher.“ „Doch. Du hast ja gar keine Ahnung. Ich habe versucht, dich zu finden. Ich habe dich überall auf der Erde gesucht, nachdem man mir gesagt hat, dass du gefallen bist. Nach Jahren habe ich realisiert, dass ich dich dort nicht finden werde, weil man dich direkt nach ganz unten verbannt hat. Du hast dir ja unbedingt diesen Zweitnamen zulegen müssen – Satan! Als ob du Hörner auf dem Kopf und Hufe als Füße hättest oder das Höllenfeuer mit dir tragen würdest!“ „Ja, da haben sich die Menschen was Schönes zu mir ausgedacht. Wo es doch überhaupt kein Feuer da unten gibt“, gluckste er bestätigend. Damit machte er es aber nicht gerade besser. „Lenk jetzt nicht vom Thema ab“, grollte ich. „Und was soll ich sonst machen?“ Er seufzte und schüttelte den Kopf. „Du vermisst also deinen besten Freund. Kleine Neuigkeit: Lucifel gibt es nicht mehr. Ich kann nicht mehr zurück. Bedank dich beim Alten dafür.“ „Dafür, dass du nicht gehorcht hat?“ „Dafür, dass er die Menschen plötzlich über uns gestellt hat, obwohl wir immer – immer – gemacht haben, was er von uns verlangt hat! Das war nicht fair … aber es bringt nichts, diese Diskussion wieder aufzuwärmen. Und immerhin habe ich jetzt mein eigenes Reich, über das ich herrschen kann.“ „Du hättest dich verabschieden können“, grummelte ich weiter. „Ich durfte nicht“, gestand Lucifer mir – das erste Mal, denn dies war auch das erste Mal, dass wir darüber redeten, „Er hat mich direkt rausgeschmissen. Aber ich denke, ich weiß, warum Er immer dich zu diesem jährlichen Theater schickt.“ Was er vermutete, sagte Lucifer mir nicht, sonden sah mich nur bedeutungsvoll an und ließ sich mit überschlagenen Beinen auf dem nackten Boden nieder. „Und das wäre?“, hakte ich nach. Schweigend klopfte er mit der flachen Hand auf den Flecken Felsen rechts neben sich, immer noch mit diesem Blick. Ich kam seiner Bitte nach, und sobald ich neben ihm saß, schenkte er mir das erste echte Lächeln seit … damals. „Ich denke, Er lässt dich das aus zwei Gründen machen. Erstens bist du der einzige, der sich dieses Theater von mir gefallen lässt, ohne mir was anzutun oder schreiend wegzulaufen. Stell dir mal vor Michael oder Uriel würden herkommen. Ein schräger Witz und sie machen mich einen Kopf kürzer. Raphael ist zu weich, und du willst doch nicht im Ernst, dass sich einer von deinen Untergebenen mit mir rumschlagen muss. Die können mich erst recht nicht ertragen.“ Da kicherte er. Und auch ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen. „Und der zweite Grund?“ „Dass du mich sehen kannst. Es mag Ihm nichts ausmachen, dass ich von dir getrennt wurde, aber Er sorgt sich um dich. Und ich bin dankbar dafür.“ Ich spüre wieder, wie mir ganz warm wurde. Diesmal aber nicht, weil es mir unangenehm wäre, sondern weil mich seine Worte einfach glücklich machten. Ich spürte auch, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete, gegen das ich nicht einmal dann hätte etwas tun können, wenn ich das gewollt hätte. Es fühlte sich wundervoll an, einfach nur hier zu sitzen und alles sacken zu lassen, diese Neuerungen richtig in mich aufzunehmen. Die Momente verstrichen, und dann … „So, und jetzt lass uns zur Feier des Tages knutschen.“ Mir fiel buchstäblich die Kinnlade herunter, als Lucifer dies sagte. Ich ließ ihn diesen Triumph aber nur einen Moment genießen – ehe ich mit der rechten Hand, die er nicht richtig sah, ausholte und ihm mit Karacho und dem breitesten Grinsen, das ich je zustande gebracht hatte, in seine verschmitzt dreiblickende Fresse haute. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)