Seduce Me Again! von Sky- ================================================================================ Prolog: Aufbruch ---------------- „Ich weiß immer noch nicht ob das so eine gute Idee ist“, gab seine Mutter besorgt zu bedenken. „Ich meine… du könntest auch hierbleiben und eine Ausbildung machen. Warum musst du unbedingt zur Tokyo Universität? Was ist, wenn dir wieder etwas passiert?“ Doch ihr Sohn fuhr weiter fort, seine Sachen in den Kofferraum des Wagens zu laden und es sah auch nicht danach aus, als würde er seine Meinung ändern. Nein, er hatte wie sonst auch immer ein zuversichtliches Lächeln auf den Lippen und schien das Ganze positiv zu sehen wie er es immer tat. Und dabei hatte er gerade erst seine Reha beendet. Nun gut, sie verstand, dass er nach wie vor noch studieren wollte, auch wenn es mit seinem großen Traum wohl nicht mehr klappen würde. Im Grunde hatte er all seine Hobbys aufgeben müssen und dass er trotzdem nicht den Mut verlor, sondern einen Neuanfang machen wollte, war doch ein gutes Zeichen dafür, dass es ihm gut ging und er nicht aufgab, trotz dieser herben Rückschläge in den letzten Wochen und Monaten. Trotzdem war sie in großen Zweifeln und wandte sich hilfesuchend an Yusuke, der gerade dabei war, die Kartons so einzupacken, dass alles reinpasste, was in etwa so aussah, als wäre das eine Art Kartontetris im Kofferraum. „Kazami, warum hast du ihm das nicht ausgeredet?“ „Ist doch seine Sache, was er macht“, war die einzige Antwort des Motorradmechanikers und als Frau Yagi das hörte, wusste sie erst nicht, ob sie jetzt wütend sein sollte oder nicht. Sie fühlte sich machtlos in diesem Moment und wusste nicht, was sie tun sollte. Immer wieder kamen ihr diese schrecklichen Bilder von dem Unfall ins Gedächtnis zurück und welche Ängste sie ausgestanden hatte. Die Worte des Arztes schwebten immer noch in ihrem Kopf herum und sie war als Mutter natürlich besorgt und es wäre ihr lieber gewesen, wenn Saruhiko hier bei ihr in Nerima geblieben wäre. Doch er hatte mal wieder ganz andere Pläne für seine Zukunft und würde sich auch nicht davon abhalten lassen. „Entspann dich mal, Mutter“, versuchte Saruhiko sie zu beschwichtigen und stellte seinen Kartons mit seiner ganzen Videospielsammlung ab, denn er merkte, dass er noch mal ein Wort mit seiner Mutter sprechen musste. „Die Uni ist gerade mal 40 Minuten mit dem Auto entfernt und Yu-chan wird schon auf mich aufpassen, so wie ich ihn kenne. Hey, nur weil ich mein Sportstudium aufgeben musste und den Unfall hatte, heißt das doch noch lange nicht, dass mein Leben jetzt von heute auf morgen vorbei sein könnte. Ich lebe, mir geht es gut und ich will einen Neuanfang machen. Und so schwer wird das Kunststudium doch wohl nicht sein. Ist halt ein bisschen Theorie und Herumgepinsel. Und schaden kann’s ja nicht, wenn ich mir etwas Ruhigeres als Ausgleich suche. Vielleicht wirkt sich das ja positiv bei mir aus. Und der Arzt meinte auch, dass es vernünftig wäre, wenn ich einen Neustart mache. Ich nehme regelmäßig meine Tabletten, die Reha habe ich auch erfolgreich abgeschlossen und so weit ziehe ich ja auch nicht von hier weg. Die Wohnung ist ja direkt neben Yu-chans und wenn etwas passieren sollte, ist er ja da. Nur weil ich diesen Anfall hatte und deswegen den Unfall gebaut habe, ist das doch noch lange kein Grund, mich hier komplett einzuschließen und ständig in der Angst leben zu müssen, es könnte wieder passieren. Das Leben muss auch mal weitergehen und ich bin erst 21 Jahre alt. Da stehen mir noch alle Möglichkeiten offen.“ „Das weiß ich doch auch“, räumte seine Mutter ein. „Aber ich mache mir halt Sorgen um dich. Zwei Monate hast du im Krankenhaus gelegen, fünf weitere Monate hat allein die Reha in Anspruch genommen.“ „Ich weiß und ich werde auch beherzigen, was der Arzt gesagt hat. Und solange ich das tue, kann doch eigentlich nichts passieren und ich bin auch alt genug, um auf mich selbst aufzupassen. Ich ziehe ja nicht ans Ende der Welt und ich ruf dich auch an, wenn ich mit dem Einzug fertig bin. Ich komm schon klar, das müsstest du doch eigentlich wissen, oder?“ Geschlagen seufzte Frau Yagi, die einsah, dass sie ihren Sohn nicht umstimmen konnte. Wenn es ihn glücklich machte, in Tokyo zu studieren, dann würde sie es auch akzeptieren. Trotzdem machte sie sich Sorgen, was für eine liebende Mutter wohl auch verständlich war. Denn auch wenn Saruhiko schon 21 Jahre alt war, so war er nach ihrer Einschätzung noch ein wenig zu jung für eine eigene Wohnung. Vor allem, da sie seine Unordnung kannte, die er in seinem Zimmer haben konnte. Naja, es war ohnehin zu spät, ihn umstimmen zu wollen. Er war schon längst angemeldet und die Wohnung war auch schon angemietet. Also was hatte es da noch einen Sinn, ihn umzustimmen? Als ihr diese Einsicht kam, umarmte sie ihren Sohn und man hätte meinen können, es sei ein Abschied für immer. Es würde ein wenig einsam werden so ganz ohne ihren Sohn, nachdem ihr Mann wegen seiner Arbeit ohnehin schon viel unterwegs war. „Pass gut auf dich auf und achte darauf, dass du deine Medikamente regelmäßig nimmst, ja?“ „Mach ich, keine Sorge. Ich werde eh am Wochenende zu Besuch kommen. Du hör mal, ich bin gleich wieder da, ich gehe nur eben Sadaharu holen.“ Damit löste sich Saruhiko von seiner Mutter und ging wieder zurück ins Haus, stieg die Treppen rauf und hörte bereits ein aufgeregtes Bellen. Und kaum, dass er die Tür öffnete, sprang ihn auch schon sein weißer Akita an, den er Sadaharu genannt hatte, den er nach einem Hund in seinem Lieblingsanime benannt hatte. Seine Eltern hatten ihm Sadaharu zu seinem 21. Geburtstag geschenkt gehabt, den er kurz nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus gefeiert hatte. Diesen lebhaften und zutraulichen Akita bei sich zu haben, hatte ihn den Frust über den quälend langsamen Heilungsprozess vergessen lassen. Und wenn er draußen war und seine Laufübungen machte, um wieder fit zu werden, war Sadaharu ihm brav gefolgt und hatte auch abends bei ihm auf dem Bett gelegen, um ihm Gesellschaft zu leisten. Dieser Hund war wirklich sein bester Freund, gleich neben Yusuke. „Na, Sadaharu? Freust du dich auch schon auf den Umzug? Ich sage dir, das wird noch ein richtiger Spaß in Tokyo und jetzt, wo ich wieder richtig laufen kann, können wir zusammen endlich mal was unternehmen. Was hältst du davon?“ Der weiße Akita bellte aufgeregt und als Saruhiko in diese großen Hundeaugen sah, da konnte er einfach nicht anders. Er kniete sich auf den Boden und umarmte seinen tierischen Freund, der ihn immer aufgemuntert hatte, wenn Saruhiko trotz seines angeborenen Optimismus dabei war, den Mut zu verlieren. Es würde schon alles gut werden, sagte er sich selbst, als er das weiche Fell des Akitas streichelte. Wenn sie erst mal in Tokyo waren, würde er die Gegend schon früh genug unsicher machen und er war auch zuversichtlich, dass er sich auch mit den anderen Studenten ganz gut verstehen würde. Zwar hatte er wegen einem schweren Anfall nicht zu dieser formellen Willkommenszeremonie kommen können, aber er war ohnehin nie der Fan von solch steifen Veranstaltungen gewesen, die nicht einmal sonderlich Spaß machten. Es reichte ja schon zu wissen, dass er die Aufnahmeprüfung geschafft hatte und seinen festen Platz hatte. Und am Montag würde für ihn das Leben als Kunststudent beginnen. Zwar würde das nach der langen Zeit der Untätigkeit, die nach seinem schweren Unfall unvermeidbar gewesen war, eine ganz schöne Umgewöhnung werden, aber er freute sich dennoch drauf und war sich sicher, dass er ein paar nette Leute kennen lernen würde. Er hatte sich ja auch schon sagen lassen, dass die Kunststudenten eigentlich ganz nett waren und man mit ihnen Spaß haben konnte. Da sollte doch eigentlich nichts schiefgehen. „Na komm, Sadaharu.“ Damit stand Saruhiko wieder auf, legte Sadaharu die Leine an und ging zusammen mit ihm nach draußen. Inzwischen war es kühler geworden und der Herbst stand bald vor der Tür. Naja, von diesem Jahr hatte er leider nicht allzu viel mitgekriegt, aber dafür war Yusuke oft vorbeigekommen, um zusammen mit ihm Streetfighter, Tekken oder andere Spiele gespielt. Yusuke hatte dann immer gemeint, er würde das nur machen, weil man sonst befürchten müsse, sein Trottel von Sandkastenfreund würde noch damit anfangen, irgendwelche Flirt Sims zu spielen und komplett auf dumme Gedanken kommen. Naja… vielleicht wäre es ja wirklich so gekommen, aber Saruhiko stand nicht sonderlich auf Flirt Sims, bei denen es darum ging, Mädchen zu erobern. Mädchen waren nun mal nicht so wirklich sein Ding und das gab er auch offen und ehrlich zu. Da spielte er doch lieber BL-Games, die eigentlich für Mädchen gedacht waren. Das war zumindest besser als gar nichts. Natürlich gab es viele in seinem Bekanntenkreis, die es komisch fanden, dass er so etwas machte, aber was für eine Wahl hatte er denn sonst schon, wenn er halt auf Kerle stand und er damals der Einzige war, der seiner Englischlehrerin nicht auf den Ausschnitt oder auf ihren Hintern gestarrt hatte? So toll waren die Frauen ja nun auch wieder nicht, so zumindest war seine Meinung. Als er wieder nach draußen ging, wartete Yusuke bereits ungeduldig auf ihn und wirkte etwas ungemütlich, was aber auch daran liegen konnte, dass er immer so einen Eindruck machte. „Kommst du jetzt mal? Sonst fahr ich noch ohne dich und du kannst laufen.“ „Ist ja gut, Yu-chan. Ich bin jetzt eh soweit fertig.“ Nachdem Sadaharu ins Auto auf die Rückbank geklettert war, nahm Saruhiko noch mal mit einer Umarmung Abschied von seiner Mutter und versprach, dass er sich melden würde. Dann stieg er ins Auto und nachdem sich Yusuke hinters Steuer gesetzt hatte, ging die Fahrt los. Das Leben an der Tokyo Universität würde sicherlich spannend werden und vielleicht hatte er ja Glück und er würde dort interessante Leute kennen lernen. Kapitel 1: Hinatas Heimkehr --------------------------- Der Sommer neigte sich so langsam dem Ende zu und auch die Semesterferien waren fast vorbei. Aber zumindest war noch das Wochenende dazwischen, bevor der Unialltag wieder beginnen würde und Hinata war deswegen auch froh, denn allein schon das Krankenhaus zu verlassen und mit Katsuya und Takashi nach Tokyo zurückzufahren, war für ihn ein sehr befremdliches Gefühl. Noch immer konnte er sich an nichts erinnern und deshalb hatte er auch ein wenig Angst davor, so weit weg zu fahren und nicht zu wissen, was ihn dort erwarten würde. In den letzten Tagen hatten ihn die Zwillinge, die im Hotel übernachtet hatten, oft besucht und mit ihm geredet. Sie hatten ihm einiges über ihn erzählt, was sie über ihn wussten und auch über sich gesprochen. Nun, das hatte zwar immer noch nicht geholfen, seine Erinnerungen wieder zurückzuholen, aber zumindest hatte er sie wenigstens ein bisschen kennen lernen können. Auch Herr Itamu, der aufgrund seiner etwas strengen Erscheinung einen anfänglich furchteinflößenden Eindruck auf Hinata gemacht hatte, stellte sich als hilfsbereit und nett heraus und hatte ihm auch angeboten gehabt, dass er ihm gerne half, wenn sich die Möglichkeit ergab. Nachdem sie nach einer sechsstündigen Fahrt endlich in Tokyo waren und danach noch ein paar Haltestellen mit dem Bus gefahren waren, hatten sie endlich das Haus erreicht, in welchem sie gemeinsam wohnten und als Hinata dieses große Haus sah, blieb er skeptisch stehen. „Hier wohnen wir also?“ „Klaro“, antwortete Katsuya, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Tasche mit Hinatas Sachen, die er während seines Krankenhausaufenthaltes gebraucht hatte, zu tragen. Da Hinatas gebrochener rechter Unterarm eingegipst war und in einer Armschlaufe hing, wäre es eh schwierig für ihn gewesen, die Tasche selber zu tragen. „In dem Haus haben wir alle genug Platz und es ist wenigstens nicht so eng wie in einer normalen Studenten-WG.“ Doch Hinata war immer noch skeptisch, denn das Haus wirkte viel zu groß. Wie sollte er sich denn für so etwas bitteschön die Miete leisten? Ein Student, der bisher immer von der Unterstützung seiner Eltern gelebt hatte, konnte sich doch so etwas nie im Leben leisten. Als er deshalb nachfragte, erklärte Takashi „Das Haus war ein Geschenk unserer Eltern. Sagen wir es mal so: Geld ist etwas, worüber sich unsere Familie keine Gedanken machen muss. Und deshalb brauchst du auch keine Miete bezahlen.“ Hinata folgte den Zwillingen ins Haus und wurde von ihnen die Treppe rauf in ein Zimmer, welches sehr hübsch eingerichtet war. Die Wände waren hell gestrichen und an den Wänden hingen Bilder, die, wie Takashi erzählte, selbst gemalt waren. Es gab ein großes Doppelbett, einen Schreibtisch auf dem noch ein paar Blätter herumlagen, dann ein Regal mit einer großen Sammlung von Mangas, dann noch zwei Schränke und eine Kommode. Die Gardinen setzten sich aus schönen blauen und grünen Motiven auf weißem Hintergrund zusammen und alles in allem wirkte das Zimmer sehr groß für einen Studenten, doch es gefiel ihm. Es strahlte eine angenehme Ruhe aus. „Und?“ fragte Katsuya, der ihm die Tasche aufs Bett legte. „Kannst du dich schon an etwas erinnern?“ Doch da war immer noch alles leer in seinem Kopf und egal wie sehr Hinata sich auch anstrengte, dieses Zimmer kam ihm dennoch fremd vor, auch wenn es angeblich sein eigenes war. „Nein, leider nicht…“ „Das wird schon noch“, versuchte Takashi ihn aufzumuntern. „Manche Dinge brauchen eben ihre Zeit. Lass dir ruhig Zeit, ich koche uns gleich was zu essen.“ Hinata sah sich etwas unsicher im Zimmer um und wusste nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. Dieses Zimmer kam ihm so fremd vor und irgendwie war ihm so, als gehörte es nicht ihm, sondern jemand anderem. Er ging zum Schreibtisch und sah, dass dort verschiedene Stifte lagen. Rasterfolie, Cuttermesser, Tusche… Schließlich nahm er die Zeichnungen in die Hand. Sie zeigten einen Jungen mit einem langen Zopf und einem schwarzen Jacke und Fellkapuze und daneben waren Notizen geschrieben: Jace Darwin. Alter: 18, Tramp. Waffe: Jagdmesser, frech und sehr dickköpfig, wissbegierig und loyal. Anscheinend war das ein Entwurf für einen Charakter. Die zweite Zeichnung zeigte einen Mann, der etwas älter und weitaus vornehmer wirkte und der einen kühlen und stolzen Blick hatte. Cassian Thomas (evtl. anderer Name?). Alter: 27 Jahre, Aristokrat. Liebt Wissen, hat eine Veranlagung zu BDSM (dominant!), vom Beruf Lehrer.“ Als er bemerkte, dass das Outfit noch nicht gezeichnet worden war, sondern hauptsächlich nur Körperbau, Gesicht und Frisur ausgearbeitet worden war, setzte er sich an den Schreibtisch, befreite seinen Arm aus der Schlinge und nahm dann den Stift zur Hand und wagte einen Versuch. Zwar hatte er keine Ahnung, ob er es wirklich schaffen konnte, aber die Neugier ergriff von ihm Besitz und so zeichnete er einen edlen Anzug, der ein wenig an den englischen Stil zu Beginn des 19. Jahrhunderts erinnerte. Und zu seinem Erstaunen bekam er das Zeichnen sogar sehr gut hin. Offenbar waren das wirklich seine Zeichnungen. Schließlich ging er zum Regal mit den Mangas, nahm sich hier und da einen raus und blätterte diesen dann durch, woraufhin er schnell feststellte, dass es sich ausschließlich um Shonen-Ai Mangas handelte. Ungläubig zog er die Augenbrauen zusammen. „Wieso hab ich Shonen-Ai Mangas bei mir im Regal?“ „Dir waren normale Romanzen zwischen Mann und Frau unangenehm, außerdem hattest du Angst vor nackten Frauen.“ „Ich hatte Angst vor nackten Frauen? Warum?“ „Nach deiner Aussage hattest du ein Trauma davongetragen, als du dir mit acht Jahren Eiken angesehen hast. Und da du selber ein Kerl bist, waren Yaois die einzige Art von Romanze, die für dich nicht so abstoßend erschien.“ Die Geschichte klang ein wenig abstrus und es fiel Hinata schwer, das zu glauben. Wegen einem Anime sollte er eine Frauenphobie entwickelt haben? Und noch ein Verdacht kam ihm, als er darüber nachdachte, dass er vor Frauen Angst gehabt hatte und sich stattdessen in Männerromanzen geflüchtet hatte. „Bin ich… schwul?“ „Ich denke schon. Zumindest hast du kein großes Interesse an der Damenwelt gezeigt.“ „Und das macht euch nichts aus?“ fragte Hinata überrascht nach. „Ich meine… ihr seid ja auch Jungs und… Ist das etwa kein Problem für euch?“ Katsuya öffnete schon den Mund, um darauf zu antworten, doch er besann sich, da Takashi ihn eindringlich ermahnt hatte, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und Hinata schonend auf so etwas vorzubereiten. Ihm direkt zu sagen, dass sie beide mit ihm zusammen waren, würde ihn in seinem jetzigen Zustand nicht nur überfordern, sondern schlimmstenfalls sogar abschrecken. Da er sich an rein gar nichts erinnerte, würde es auch fremd für ihn sein, dass er sich zu Männern hingezogen fühlte. „Das hat für uns keine Rolle gespielt“, erklärte Katsuya, um möglichst neutral zu antworten. „Takashi und ich sind in einer sehr liberalen Familie groß geworden und außerdem schwimmen wir zwischen beiden Ufern.“ „Das heißt?“ „Wir sind bisexuell, deshalb haben wir auch überhaupt kein Problem damit. Hey, darf ich mal sehen, was du da gerade gezeichnet hast?“ Katsuya ging zum Schreibtisch hin und sah sich die vervollständigte Skizze an. Dass dies für ihn nur eine Methode war, um dieses Thema zu beenden, bevor noch mehr solcher Fragen aufkamen, durchschaute der erinnerungslose Kunststudent nicht und schweigend beobachtete er Katsuya, der seinerseits die Zeichnung bewunderte. „Sieht gut aus. Anscheinend verlernt man solche Fähigkeiten nicht, wenn man sein Gedächtnis verliert. Und du konntest das sogar mit deinem gebrochenen Arm zeichnen?“ „Es ist nur der Unterarm gebrochen, aber die Hand selber kann ich problemlos benutzen.“ „Na da hast du echt Glück gehabt. Wir hatten schon befürchtet, dein Arm wäre so schlimm verletzt, dass du nie wieder zeichnen könntest.“ Hinata sah auf den Gips, der seinen gesamten Unterarm, sein Handgelenk und seinen Handrücken bedeckte. Auch die Fläche zwischen Daumen und Zeigefinger waren in diesem Ding eingeschlossen und zwischendurch juckte es auch fürchterlich darunter. Zum Glück war nur einer der beiden Knochen gebrochen und war in einer Operation dank einer Platte und Schrauben wieder zusammengeflickt worden. Da der Rest seines Armes unverletzt geblieben war, hatte er das Glück, dass nur ein geringer Teil eingegipst war und er immer noch eine große Bewegungsfreiheit hatte. Lediglich belasten durfte er den Arm nicht und musste ihn auch die meiste Zeit in der Armschlaufe tragen, zumindest für die ersten drei Wochen. Aber die Hand konnte er immer noch nutzen, weshalb auch das Malen noch möglich war. Nur das Handgelenk konnte er dabei nicht benutzen. Hinata hatte darüber in den letzten Tagen nachgedacht, vor allem darüber, dass sein eigener Vater ihm diese Verletzungen zugefügt haben sollte. Und es beschäftigte ihn immer noch. Er setzte sich aufs Bett und Katsuya bemerkte, dass ihn etwas bedrückte. „Was ist los, Hinata? Was bedrückt dich?“ Der Kunststudent seufzte leise und legte seine linke Hand auf den Gips. „Ich frage mich, ob mein Vater mir das deshalb angetan hat: weil ich schwul bin und Shonen-Ai Mangas lese und selber Mangas zeichne? Hat er mich so sehr gehasst, dass er mir deshalb den Arm gebrochen hat und mich umbringen wollte?“ Katsuya setzte sich zu ihm und legte einen Arm um ihn aus alter Gewohnheit, um ihm Sicherheit zu geben. Doch Hinata zuckte erschrocken zurück und entfernte sich ein Stück von ihm, woraufhin Katsuya seine Hand sofort zurückzog. „Du kannst nichts dafür, Hinata. Dein Vater ist ein aggressiver Kerl, der dich und deine Mutter jahrelang geschlagen hat und er wollte es einfach nicht akzeptieren, dass du deinen eigenen Weg gehst und dein Glück findest. Du hast nichts falsch gemacht. Du hast ihm nur klar machen wollen, dass du dein Leben selber gestalten willst und du hast dich ihm mutig entgegengestellt. Du bist hier der letzte, der sich etwas vorzuwerfen hat.“ „Ach ja? Oder habe ich meinen Vater nur damit provoziert? So toll scheint mein Leben ja auch nicht gewesen zu sein. Ich habe keine Freunde, keinen Kontakt zum Rest meiner Familie, ich zeichne neben der Uni Mangas und lese Yaois. Welche Eltern würden sich so etwas für ihr Kind wünschen? Wenn ich so darüber nachdenke, scheint mein Leben ziemlich armselig gewesen zu sein.“ „Du kannst nichts dafür. Du hast jahrelang viel durchgemacht und musstest ganz alleine damit fertig werden. Und du hast deinen Traum nicht aufgegeben. Außerdem hast du Takashi und mich. Wir mögen dich so wie du bist und nur weil du im Umgang mit anderen Menschen sehr schüchtern bist, heißt das noch lange nicht, dass dein Leben armselig ist. Ich für meinen Teil fand finde es schon beneidenswert, dass du so gut zeichnen kannst. Ich schaffe es allerhöchstens, Strichmännchen zu kritzeln und selbst die sind absolut unproportional.“ Schließlich rief Takashi sie zum Essen und sie gingen gemeinsam in die Küche. Es gab Curry mit Reis und als sie sich an den Tisch setzten, verkündete der ältere Zwilling „Es gibt mein berühmtes Spezialgericht.“ Und als er die beladenen Teller hinstellte, fragte Hinata, ohne sonderlich darüber nachzudenken, sondern eher aus dem Unterbewussten heraus „Hast du auch etwas Milderes für mich?“ Sofort hielten beide Zwillinge inne und sahen ihn an, doch der Kunststudent verstand die Reaktionen nicht und fragte verunsichert „Hab ich etwas Falsches gesagt?“ „Nein, das nicht“, sagte Takashi nach kurzem Zögern. „Aber… Da war eine Situation gewesen, als ich mein Spezialgericht serviert hatte. Es war dir zu scharf gewesen und ich hatte dir versprochen, dir beim nächsten Mal ein milderes Curry zu kochen. Kannst du dich etwa daran erinnern?“ Hinata dachte kurz nach, schüttelte aber den Kopf. „Nein, da ist nichts Bestimmtes. Es war mehr wie ein Gedanke, dass das Curry zu scharf sein könnte.“ „Das ist doch ein gutes Zeichen“, rief Katsuya begeistert. „Deine Erinnerungen kommen langsam wieder zurück. Scheiß drauf, wenn es nur das mit dem Curry ist, aber es zeigt schon Wirkung.“ „Ja wir haben verstanden, Katsuya. Komm mal wieder ein wenig runter“, ermahnte Takashi ihn, als er merkte, dass dieser euphorische Gefühlsausbruch Hinata erschreckte. Nun stellte der ältere Zwillingsbruder dem 20-jährigen seinen Teller hin und versicherte ihn, dass er daran gedacht hatte, sein Essen nicht ganz so scharf zu machen. So saßen sie zusammen und es herrschte eine etwas seltsame Atmosphäre, denn man merkte, dass sich niemand so sicher war, was er jetzt sagen sollte. Es war auch im Großen und Ganzen eine schwierige Situation. Die Zwillinge wussten nicht, wie sie mit Hinata jetzt umgehen sollten und auch der Kunststudent selbst war überfragt, wie er sich verhalten sollte. Schließlich, um das Schweigen zu brechen, hatte Takashi einen Vorschlag, den er sogleich unterbreitete: „Wie wäre es, wenn wir Morgen einen Ausflug durch Tokyo machen? Solange du dich nicht erinnerst, Hinata, könnte es ja nicht schaden, wenn du dich wenigstens ein kleines bisschen hier auskennst.“ „Oh cool, dann können wir ja auch nach Shinjuku ins Einkaufszentrum. Ich brauch nämlich dringend ein neues Ladekabel für mein iPhone.“ „Klar, können wir machen.“ Hinata musste zugeben, dass diese Idee sich ganz gut anhörte. Immerhin lebte er ja jetzt in dieser Stadt und da war es wichtig, die wichtigsten Orte zu kennen. Ansonsten wäre er ja vollkommen aufgeschmissen. Für heute würde es erst mal nur beim Auspacken bleiben, außerdem war es ein wenig spät geworden und diese sechsstündige Fahrt war ziemlich anstrengend gewesen. Deswegen war er froh, wenn er gleich ein heißes Bad nehmen und sich dann ein wenig zurückziehen konnte. „Wie lange musst du eigentlich den Gips tragen?“ fragte Takashi, der das Thema mit dem morgigen Ausflug in die Tokyoter City als geklärt ansah. Hinata sah kurz auf seinen eingegipsten Unterarm und antwortete „Sechs Wochen soll ich den tragen. Die Schrauben und die Platte werden ein Jahr lang drin bleiben, bis der Knochen wieder zusammengewachsen ist, danach werden sie wieder entfernt.“ „Tut es noch weh?“ „Nicht mehr ganz so, höchstens wenn ich ihn belaste. Aber ich hab noch ein paar Schmerzmittel für den Notfall. Ab und zu hab ich noch Kopfschmerzen, aber sonst geht es mir viel besser. Das Curry ist auch sehr lecker.“ „Das ist schön zu hören. Und wenn du Lust hast, können wir drei heute Abend einen Anime ansehen. Da sind noch einige in unserer Sammlung, die wir uns noch nicht komplett angeschaut haben. Und Katsuya hat letztens einen neuen bei eBay für wenig Geld ersteigert.“ „Und was für einen?“ fragte Hinata neugierig. Katsuya wollte schon antworten, aber da er den Mund noch voll hatte, musste er erst einmal runterschlucken. „Paranoia Agent. Ich hab mir von Ueno sagen lassen, dass es der reinste Mindfuck sein soll. Crazy like Shit, aber trotzdem hammergeil. Ist von Satoshi Kon.“ „Kon?“ fragte Takashi skeptisch und wirkte nicht sonderlich begeistert darüber. „Haben wir nicht vor längerer Zeit den Film Perfect Blue gesehen? Den hab ich fast genauso wenig verstanden wie Inception. Und dann noch gleich ein Anime mit mehreren Episoden? Hast du nicht noch was anderes?“ Katsuya schaufelte sich noch etwas Curry rein und dachte kurz nach, was er alles noch in seiner Auswahl anzubieten hatte. „Ansonsten hab ich noch Kiss x Sis, DearS, To Love Ru, High School DxD und Seikon no Qwaser.“ „Womit du eine wunderbare Aufzählung von jenen Animes gemacht hättest, die ich mir nicht einmal ansehen würde, wenn ich besoffen wäre. Mal wieder so typisch so eine Auswahl für dich.“ Doch den Kommentar wollte der jüngere Zwilling nicht auf sich sitzen lassen. Nachdem er noch Chiliflocken über sein eh schon mörderisch scharfes Curry gestreut hatte, fragte er in einem beleidigten Ton „Ach ja? Und was würdest du vorschlagen?“ „Noragami zum Beispiel. Blue Exorcist, Tokyo Ghoul, Attack on Titan, Nanatsu no Taizai, Tiger & Bunny oder Code Geass.“ Doch auch Katsuya schien nicht allzu zufrieden mit der Situation zu sein und die beiden Brüder begannen erst mal mit einer Diskussion, wer denn nun den schlechteren Animegeschmack von ihnen beiden hatte. Takashi bot schließlich an, sie könnten auch Sword Art Online ansehen, doch Katsuya lehnte diesen Vorschlag strikt ab und erklärte „Dieser Schrott wird doch eh total overhyped und ich guck mir sicherlich keine Mainstream Animes an!“ „Du hast halt keine Ahnung, was ein guter Anime ist.“ „Und du weißt halt die Kunst von To Love Ru nicht zu schätzen.“ „Das ist keine Kunst, das ist einfach nur pervers.“ Hinata beobachtete die beiden schweigend und dachte sich, dass sich Zwillingsbrüder offenbar doch in einigen Dingen ziemlich unterscheiden konnten. Zwar konnte er mit all diesen Titeln rein gar nichts anfangen, aber wie er aus den Zankereien der beiden heraushörte, schien Katsuya wohl eine große Schwäche für Ecchis zu haben und Hentais zu haben. Komische Brüder, dachte er sich und aß sein Essen zu Ende, während er die Diskussion verfolgte. Dann schließlich aber hatten die beiden Brüder doch noch eine Idee und wandten sich nun an ihn. „Was würdest du nehmen?“ fragten sie beide. „Äh…“, murmelte Hinata, der sich ein klein wenig überrumpelt fühlte. „Ich kann mit keinem der Titel irgendetwas anfangen.“ „Nicht schlimm. Sag einfach spontan irgendetwas und das sehen wir uns dann gemeinsam an.“ Nach kurzer Überlegung sagte er ganz spontan „Äh… Seikon no Qwaser“, da es sich nach einem interessanten Action-Anime anhörte. Und da Takashi auch noch nichts von diesem Anime gehört hatte, konnte er nichts dazu sagen. Dennoch blieb er skeptisch. So war beschlossen, dass Katsuya schon mal die Getränke und die Snacks für den gemeinsamen Abend einkaufen ging, während Hinata selber erst mal ein heißes Bad nehmen würde. Um den Gips vor Wasser zu schützen, ließ der Kunststudent sich von Takashi den Unterarm in eine Plastiktüte einwickeln. „Da hast du echt Glück gehabt, dass es nur beim Unterarm geblieben ist und nicht dein ganzer Arm eingegipst wurde. Da wäre selbst das Anziehen der Klamotten schwierig geworden.“ Hinata beobachtete schweigend, wie Takashi den eingegipsten Arm einwickelte und hatte irgendwie den seltsamen Eindruck, dass dies fast wie eine Szene von Mutter und Kind war. Er hatte schon recht schnell bemerkt, wie die beiden Brüder sich charakteristisch unterschieden. Takashi schien mehr der vernünftigere, erwachsenere und fürsorglichere Typ zu sein, der wahrscheinlich aus Gewohnheit andere ein wenig bemuttern konnte. Und Katsuya war wie ein pubertärer Teenager, der Blödsinn im Kopf hatte. Aber so schienen sie sich halt auszugleichen. „Takashi, warum macht ihr das alles eigentlich für mich? Ihr lasst mich hier kostenlos wohnen, ihr seid mich im Krankenhaus besuchen gekommen und ihr kümmert euch so viel um mich. Wieso?“ Und als Takashi fertig war und Hinata direkt ansah, da sah der 20-jährige ein warmherziges, aber auch trauriges Lächeln bei ihm. „Muss man unbedingt Gründe haben, wenn man diese Person einem am Herzen liegt?“ Nachdem Hinata ein Bad genommen hatte und Katsuya vom Einkauf zurück war, setzten sie sich gemeinsam ins Wohnzimmer, um sich den Anime anzusehen. Es fing auch ganz viel versprechend an, doch als Takashi die Freundin der Protagonistin mit ihrer großen Oberweite sah, ahnte er schon, dass es in eine Richtung laufen würde, die ihm ganz und gar nicht gefallen würde. Und das sollte sich auch schließlich nach der 16. Minute bestätigen, als sich eine Szene ereignete, die Hinata die Schamesröte ins Gesicht trieb und ihn zwang, sein Gesicht hinter einem der Sofakissen zu verstecken, damit er das nicht sehen musste. Er konnte sich das nicht mit ansehen, als der mysteriöse weißhaarige Junge in dem Anime mitten in einem Kampf plötzlich damit begann, an den Brüsten einer jungen Frau zu saugen. Katsuya gefiel die ganze Show natürlich und hatte ein ziemlich anzügliches Grinsen, doch für Takashi war das genug. Er schaltete den Fernseher aus und wandte sich wütend seinem Bruder zu. „Das ist ja mal wieder so was von typisch für dich, dass du mit solchen Schweinereien ankommst.“ Doch Katsuya, der sich keiner Schuld bewusst war, zuckte nur mit den Schultern und meinte dazu bloß „Geschmäcker sind halt unterschiedlich.“ „Sehr witzig. Jetzt hast du Hinata noch mal traumatisiert mit diesem bescheuerten Hentai!“ „Das ist kein Hentai, sondern ein Ecchi. Bei Hentais kommt’s wenigstens zur Sache beim Ecchi kann man warten, bis der Papst schwul wird.“ „Das reicht! Du suchst die Animes in Zukunft nicht mehr aus. Wir gucken jetzt Tiger & Bunny. Da bleiben wir wenigstens von Titten verschont.“ „Als ob der Streifen dich nicht auch angemacht hätte.“ Hinata seufzte und hatte das böse Gefühl, diese Bilder nie wieder aus dem Kopf zu kriegen. Wo war er bloß hineingeraten und mit was für Typen lebte er da bloß zusammen? In diesem Moment wusste er nicht mal, ob er sie als sympathisch schräg oder als vollkommen durchgeknallt einstufen sollte. Kapitel 2: Der Entschluss ------------------------- Hinata war nach dem etwas turbulenten aber letzten Endes doch recht lustigen Abends müde geworden und fühlte sich auch sonst ein wenig erschöpft und war froh, sich hinlegen zu können. Nachdem er nach einer kurzen Suche in seinem Zimmer einen Pyjama gefunden und sich umgezogen hatte, kuschelte er sich in sein Bett und musste zugeben, dass es wirklich gemütlich war. Wirklich ein klasse Bett, nur stellte sich ihm dabei eine Frage: wozu brauchte er denn bitteschön ein Doppelbett? Nun gut, das Zimmer war ziemlich groß und da passte es auch problemlos rein, aber brauchte er unbedingt ein so großes Bett? Vielleicht sollte er mal die Zwillinge morgen mal fragen, wie er denn vor seinem Gedächtnisverlust so gewesen war. Wenn er außer ihnen sonst niemanden gehabt hatte, schien er wohl ein sehr einsamer Mensch gewesen zu sein. Und dann noch diese Angst vor Frauen. Irgendwie kam ihm sein altes Leben ziemlich einsam und trostlos vor. Seine einzige Freude im Leben schienen offenbar Mangas gewesen zu sein, was ihm natürlich wieder die Frage aufkommen ließ, ob er nicht vielleicht ein verschrobener Otaku gewesen sein könnte. Nein… wenn er ein Otaku gewesen wäre, dann würden hier im Zimmer überall Poster hängen, vielleicht hätte er auch noch eine große Sammlung von Animefiguren und anderem Merchandise, aber das Zimmer wirkte wie das eines ganz normalen Menschen. Ein Otaku war er also nicht, trotzdem hatten Mangas einen wichtigen Teil seines Lebens ausgemacht. Was also war er denn dann gewesen, wenn er kein Otaku war? Hatte er irgendwelche anderen Hobbys gehabt oder gerne Sport gemacht? Es war so frustrierend, rein gar nichts über sich selbst zu wissen und gleichzeitig so unzufrieden mit den Dingen zu sein, die man über sich erfuhr. Da Hinata keine Ruhe fand, stand er wieder auf und sah sich weiter in seinem Zimmer um. Es musste doch irgendwo mehr Informationen geben, die ihm halfen zu verstehen, was er für ein Mensch gewesen war, bevor er sein Gedächtnis verloren hatte. Er wollte nicht akzeptieren, dass er nur jemand gewesen war, der ganz einsam in seinem Zimmer saß und nur Mangas zeichnete und sonst nichts. So ein trauriges Leben konnte er doch unmöglich geführt haben. Also begann er seinen Schreibtisch zu durchsuchen und vergaß dabei, die Armschlaufe wieder anzulegen, was sich rächte, als er den rechten Arm sinken ließ und einen stechenden Schmerz spürte. Er setzte sich und legte seinen Arm auf den Schreibtisch, um ihn ein wenig zu entlasten, während er mit seiner linken ungeübten Hand die Schubladen öffnete und die Unterlagen herausholte. Nachdem er die erste Schublade geleert hatte, begann er sich die Sachen alle durchzusehen, aber sonderlich viel Interessantes gab es nicht. Ein Studentenausweis, ein paar Unterlagen, alte Zeichnungen und eine Mappe mit Dokumenten. Auch unter anderem von seinem Zahnarzt wo drin stand, dass er insgesamt drei Zahnprothesen aus Keramik hatte. Das überraschte ihn aber nicht, da er schon im Krankenhaus erfahren hatte, dass bei der Geschichte mit seinem Vater eine dieser Prothesen kaputt gegangen war. Man hatte ihm inzwischen wieder eine neue eingesetzt und rein äußerlich sah man überhaupt nichts. Das Nächste, was er fand, war ein Vertrag und der machte ihn neugierig. Es war ein Vertrag mit einem Verlag, in dem vereinbart wurde, dass eine Mangaserie von ihm gedruckt werden sollte und welche Rechte bei ihm und beim Verlag lagen. Offenbar hatte er tatsächlich schon erste Erfolge gehabt. Entweder mit Können oder mit Glück. Vielleicht aber auch beidem. Schließlich fand er einen Terminkalender und der war bislang der interessanteste Fund in seiner Schublade. Ein solches Büchlein konnte hilfreiche Auskünfte über eine Person und deren Leben geben. Also begann er darin zu blättern, nur leider waren die Informationen sehr spärlich und teilweise fehlten viele Tage, was darauf schließen ließ, dass er nicht sonderlich gewissenhaft seine Termine aufgeschrieben hatte. Er las was von einer Frau Kano, mit der er offenbar Besprechungen gehabt hatte. Da bei einem Termin „Skizzen mitbringen!“ vermerkt war, musste diese Frau Kano vermutlich für den Verlag arbeiten, der seine Mangas gedruckt hatte. Doch dann entdeckte er etwas, das ihn stutzig machte. Oben bei den Wochentagen hatte er immer eine kurze Notiz gemacht und diese wiederholte sich in fast jeder Woche. Es waren die Namen der Zwillinge und es sah so aus, als hätte jeder seinen festen Tag, bis auf wenige Ausnahmen, wo sie sich jeweils einen Tag teilten. Zumindest stand es so geschrieben. Montag: beide Dienstag: Katsuya Mittwoch: Katsuya Donnerstag: Takashi Freitag: Takashi Samstag: Katsuya/Takashi Sonntag: beide Was hatte das zu bedeuten? Hinata konnte sich keinen Reim darauf machen und er suchte weiter. Da er in der ersten Schublade nichts Weiteres fand, durchstöberte er die zweite, wo es ein kleines Kästchen gab. So etwas hatten für gewöhnlich Mädchen, die darin besondere Schätze und Andenken aufbewahrten. In dem Fall hätte er den Jackpot! Also holte er es heraus und legte es auf dem Schreibtisch ab. Als er es öffnete, fand er darin Fotos. Na das war doch wunderbar! Er wurde fast schon ein wenig euphorisch bei dem Gedanken, dass er tatsächlich auf eine Goldgrube gestoßen war, was sein Leben betraf. Die Fotos waren fein säuberlich mit Gummibändern zu kleinen Stapeln zusammengebunden worden, damit sie nicht durcheinander kamen. Das zeigte schon mal, dass er Wert auf Ordnung legte. Vorsichtig befreite er den ersten Stapel von den Gummibändern und sah sie sich an. Sie zeigten hauptsächlich Szenen am Strand und an einem Pool, teilweise auch im Haus. Vermutlich war das sein Urlaub gewesen. Auf den Fotos war er zu sehen, wie er manchmal ein wenig scheu in die Kamera sah und sich kaum zu einem Lächeln bewegen konnte. Sein Haar war etwas zerzaust und er trug sehr schlichte T-Shirts oder Hemden mit Pullundern. Er sah fast schon langweilig aus, wie ein Streber oder wie der typische brave Junge. Die nächsten Fotos zeigten mal Katsuya oder Takashi bei verschiedenen Blödeleien, wie sie zusammen Spaß hatten… Und dann war da ein Foto mit ihnen dreien, wo sie gemeinsam lachten, als hätten sie wahnsinnigen Spaß. Doch das nächste Foto zeigte etwas, das ihn zutiefst beunruhigte und ihm ein mulmiges Gefühl in der Magengegend bescherte. Es zeigte ihn halbnackt in einem Bett. Einer der Zwillinge lag neben ihm, hielt ihn im Arm und schlief. Auch er schlief offenbar tief und fest. Er starrte auf das Foto und verstand nicht so wirklich, was das zu bedeuten hatte. Wieso schlief einer der beiden Zwillinge neben ihm? Konnte es etwa sein, dass… hatte er etwa wirklich etwas mit einem der beiden? Sein Magen schnürte sich zusammen, denn die Frage stand nun im Raum: mit welchem von beiden war er denn zusammen? Mit diesem Katsuya, der eine perverse Vorliebe für Ecchis und Hentais oder Takashi, der sich fast wie eine Glucke aufführen konnte? War das etwa der Grund, warum er hier eingezogen war? Weil eine Beziehung im Spiel war? Als Hinata darüber nachdachte, überkam ihn die Angst. Nun wurde ihm so einiges klar. Das war der Grund, wieso Takashi gesagt hatte, er würde sich deshalb so um ihn kümmern, weil er ihm am Herzen lag. Dann war er mit Takashi zusammen? Hinata sah sich die anderen Fotos durch, doch da waren auch Fotos, die ihn und Katsuya zeigte und wie Katsuya ihn im Arm hielt. Nun war er endgültig verwirrt. Mit welchem der Zwillinge war er denn jetzt zusammen gewesen? Doch nicht etwa… Hinata ließ die Fotos fallen und ging zum Wohnzimmer, wo er noch die Stimme der beiden Brüder hörte, die sich miteinander unterhielten. „Kannst du mir sagen, was diese Scheiße sollte?“ hörte er eine Stimme rufen, von der er aber nicht sagen konnte, wem sie gehörte, da beide Zwillinge dieselbe Stimme hatten. Aber er vermutete, dass sie Takashi gehörte, da er ja immer derjenige war, der einen strengen Ton anschlug. „Hast du dich nicht wenigstens einmal zusammenreißen können, Katsuya? Musstest du mit diesem Scheiß unbedingt kommen? Ich habe doch gesagt, du sollst dich verdammt noch mal zusammenreißen!“ Takashi klang ziemlich wütend, trotzdem versuchte er seine Stimme leise zu halten. „Hey, ich dachte wir wollen versuchen, dass er sich wieder in uns verliebt, oder nicht? Warum sollen wir uns dann verstellen? Er wird sich doch wieder an uns erinnern und er hat uns geliebt wie wir waren.“ „Das hatten wir schon mal gehabt. Die Situation ist jetzt wieder wie ganz am Anfang. Und wenn du dich nicht zurückhältst und dich zusammenreißt, werden wir ihn endgültig verlieren.“ Hinata hatte das Gefühl, als würde ihn eine Angst befallen, die tief bis in seine Knochen ging. Also hatte er doch mit seiner Vermutung Recht gehabt. Er war mit beiden Brüdern zusammen gewesen und diese wollten nun, dass er sich wieder in sie verliebte. Nun gut, das wäre ja verständlich aus ihrer Sicht. Wenn bei einem Ehepaar jemand eine Amnesie erlitt, würde der Partner auch alles tun, dass sie wieder zueinander fanden. Aber er und die Zwillinge? Die beiden schienen ja recht nett zu sein, aber trotzdem… Takashi war fast schon wie eine männliche Mutter und Katsuya war pervers. Was hatte er denn bitte an den beiden so toll gefunden, dass er sich trotz dieser Eigenschaften in sie verliebt hatte? Oder war er vielleicht so verzweifelt nach sozialen Kontakten gewesen, dass er blind gewesen war? Durch diese Gedanken völlig überfordert merkte er gar nicht, dass Takashi zur Tür ging und diese öffnete, sodass sie sich nun gegenüberstanden. Und der ältere Zwilling sah ihn teils überrascht, teils erschrocken an. „Hinata, ist alles in Ordnung? Was hast du?“ Als Hinata sah, dass Takashi seine Hand nach ihm ausstreckte, geriet er in Panik und wich zurück und schlug dabei instinktiv die Hand zurück. „Stimmt das wirklich?“ rief er aufgebracht. „Ist das der Grund, warum ich bei euch wohne und warum ihr euch die ganze Zeit um mich gekümmert habt? Ich bin mit euch beiden zusammen?“ Takashi atmete geräuschvoll aus und wirkte wie ein geschlagener Mann, der nun erkannte, dass er nicht mehr so leicht da rauskam. Das war aber auch wirklich ein ungünstiger Zeitpunkt, das herauszufinden. „Lass uns in die Küche gehen, dann können wir ganz in Ruhe reden, okay? Hier im Flur ist vielleicht nicht der beste Ort.“ Und als Katsuya vom Wohnzimmer aus fragte, was los sei, erklärte Takashi, dass er ein Vieraugengespräch in der Küche halten würde und ging dann mit Hinata in besagten Raum. Sie setzten sich an den Tisch und Takashi nahm gegenüber von Hinata Platz und wirkte sehr ernst. Es dauerte aber, bis er etwas sagte, da es ihm wohl schwer fiel, die richtigen Worte zurechtzulegen. Mit einer etwas betretenen Miene fuhr er sich durch sein blondes Haar und wieder war ein leises Seufzen zu hören. Er machte einen fast schon bemitleidenswerten Eindruck. „Die Sache hatte etwas komisch angefangen“, begann er zögerlich. „Es fing damit an, dass ich dich schön öfter mal auf dem Unigelände gesehen habe und mich in dich verliebt habe. Aber ich war nicht der einzige. Katsuya hatte sich ebenfalls in dich verliebt und als wir davon erfuhren, da standen wir vor einem Problem. Wir wollten kein Eifersuchtsdrama, denn auch wenn wir uns oft streiten, wir haben dennoch ein enges Verhältnis als Brüder. Jedenfalls kam dann Katsuya mit der Idee, dass wir es mit einer Dreierbeziehung versuchen sollten, weil das für ihn die beste Lösung war, damit es keinen Streit zwischen uns geben würde. Deshalb haben wir dir zwei Wochen vor den Semesterferien gemeinsam unsere Liebe gestanden. Im Rückblick betrachtet hatten wir es nicht sonderlich geschickt angestellt, sondern dich ganz schön damit überrumpelt. Deshalb hatten wir uns gedacht, wir geben dir die Chance, uns besser kennen zu lernen.“ Hinata schwieg und sah ihn an. Immer noch befand sich ein Teil von ihm in einem fast schon panischen Modus, was ungefähr mit einem Kaninchen auf einem offenen Feld ohne Versteckmöglichkeiten vergleichbar war, welches ständig in höchster Alarmbereitschaft war und unter enormem Stress stand. Genauso ging es ihm auch jetzt. „Und was soll jetzt passieren?“ fragte er, auch wenn er Angst vor der Antwort hatte. „Wie soll es jetzt weitergehen? Und was wollt ihr mit mir machen?“ Takashi sah die Angst in Hinatas Augen und konnte gut nachfühlen, wie es ihm jetzt gehen musste. Schon zu erfahren, dass er unfähig war, eine normale Beziehung zu Frauen zu haben, war schon hart. Aber dass er in einer Dreierbeziehung mit Zwillingen war, das war selbst für Homosexuelle nicht wirklich üblich. So etwas könnte man sich höchstens bei Leuten wie Charlie Sheen vorstellen, die Zwillingsschwestern zu einem flotten Dreier abschleppten. Aber doch nicht bei so schüchternen Menschen wie Hinata. Und dass er jetzt auch mit eben jenen Zwillingsbrüdern in einem Haus wohnte, machte es auch nicht besser. „Ich kann dir versichern, dass wir nichts tun werden, was du nicht willst. Das hatten wir dir schon am Anfang unserer Beziehung gesagt. Wir werden dich zu nichts zwingen und dich nicht unter Druck setzen.“ „Warum habt ihr mir nichts gesagt?“ fragte Hinata und spürte, wie ihn die Gefühle überkamen und sich Tränen der Hilflosigkeit in seinen Augen sammelten. „Wieso habt ihr mir das verschwiegen?“ „Ich dachte, es würde dich nur überfordern, wenn wir gleich mit der Tür ins Haus fallen. Wir wollten es dir schonend beibringen und dir die Chance geben, uns noch einmal neu kennen zu lernen, bis deine Erinnerungen zurückgekehrt sind. Du bist gerade erst heute wieder da und ich wusste, dass diese Nachricht nicht gerade leicht für dich sein wird, vor allem da du ohnehin ein sehr schüchterner Mensch bist.“ Doch für Hinata war das alles zu viel. Er brach in Tränen aus und fühlte sich hilflos und überfordert. Zu wissen, dass beide Brüder in ihn verliebt waren, war einfach zu viel für ihn. Er konnte sich doch nicht mal an sie erinnern und deshalb waren sie auch wie Fremde für ihn. Egal was da vor seinem Gedächtnisverlust gewesen war, da waren keine romantischen Gefühle. „Hinata…“ „Ich… ich… ich kann das nicht!“ rief der Kunststudent und spürte, wie Tränen seine Wangen hinunterliefen. Seine Sicht verschwamm und er bekam seine Gefühle nicht mehr unter Kontrolle. „Ich kann mich an rein gar nichts erinnern und da ist auch nichts mehr. Es ist doch schon schlimm genug, nicht zu wissen, wer ich eigentlich bin. Wie soll ich mich dann in jemanden verlieben können? Und dann auch noch zwei Brüder. Ich meine… das ist doch nicht normal…“ „Nein, alltäglich ist das wirklich nicht“, gab Takashi ohne Umschweife zu. „Und natürlich ist es auch schwer, sich in jemanden zu verlieben, an den man sich nicht mehr erinnern kann. Und heute hast du uns auch nicht gerade von unserer besten Seite erlebt, dafür möchte ich mich auch noch mal entschuldigen. Weißt du, diese Situation ist für keinen von uns leicht. Nachdem wir gemeinsam schon so viel erlebt haben, ist es natürlich schwer zu wissen, wie man sich jetzt verhalten soll, wenn sich die Person, mit der man zusammen war und viele Momente geteilt hat, sich nicht mehr erinnert und alles vergessen hat. Katsuya ist auch ziemlich überfordert mit der Situation und weiß nicht, wie er sich jetzt verhalten soll. Fakt ist jedenfalls, dass wir keine Wunder bewirken können. Wir sind auch nur Menschen und wir können nur versuchen, das Beste aus dieser Situation zu machen und dir die Möglichkeit geben, uns noch mal neu kennen zu lernen, solange du dich nicht erinnerst. Keiner von uns wird versuchen, etwas von dir zu erzwingen oder dich zu bedrängen. Wir überlassen es ganz allein dir, was passieren wird. Und bis dahin stehen wir dir gerne als Freunde zur Seite.“ Auch wenn Takashis Worte gut gemeint waren und es auch glaubhaft wirkte, was er sagte, Hinata war diese ganze Situation einfach nur unangenehm und etwas in ihm wollte am liebsten weglaufen. Weit weg, Hauptsache er bekam irgendwie Abstand zu den beiden. Nicht, weil sie ihm unangenehm waren. Aber jetzt da er wusste, dass sie beiden ihn liebten, wollte er am liebsten weg. Er brauchte Abstand, um die ganze Sache in Ruhe angehen zu können und nicht ständig im Hinterkopf zu haben, dass die beiden ihn liebten. „Tut mir leid, Takashi. Aber… ich… ich glaube, dass ich erst mal etwas Zeit für mich brauche.“ „Klar, das war auch etwas viel gewesen. Aber wenn irgendetwas ist oder du etwas brauchst, kannst du gerne zu uns kommen und mit uns reden.“ Aber genau das war doch das Problem. Es gab nur die Zwillinge, an die er sich wenden konnte und wie sollte er mit ihnen über sein Dilemma mit ihnen reden, wenn sie doch involviert waren? Was er brauchte, war jemand Neutrales, mit dem er darüber reden konnte. Jemand, der außen vor war und deshalb alles aus einer anderen Sicht sah und ihm ein Stück weit den Druck nehmen konnte. So etwas wie einen Freund. So wie die Dinge standen, musste er sein Leben ändern und seinen Horizont erweitern. Mochte sein, dass er ein schüchterner und ängstlicher Mensch war, der vorher enorme Schwierigkeiten mit anderen Leuten hatte. Aber einen Vorteil hatte seine Amnesie und das hatte ihm auch Herr Sugiyama im Krankenhaus gesagt: da er auch alle schlimmen Erinnerungen an seinen Vater vergessen hatte, konnte er noch mal ganz neu anfangen. Und nun, da er wusste, wie einsam und trostlos sein altes Leben gewesen war, stand für ihn fest, dass er daran etwas ändern würde. Er würde versuchen, Freunde zu finden und etwas mehr aus seinem Leben zu machen. Er wollte Dinge erleben, vielleicht mal etwas Verrücktes machen oder neue Seiten an sich entdecken. „Danke, das ist sehr nett von dir, Takashi. Aber bevor ich mich um andere kümmern kann, muss ich mich um mich selbst kümmern. Alles, was ich über mich weiß ist, dass ich vor meiner Amnesie ein ziemlich einsamer und ängstlicher Mensch war. Außer meinen Zeichenkünsten habe ich nichts wirklich vorzuweisen. Keine interessanten Hobbys, keine tollen Charaktereigenschaften. Ich bin eigentlich nur der ängstliche und weinerliche Hinata Amano, der sich nicht mal selber lieben kann. Und das will ich nicht sein. Ich will nicht in dieses alte Leben zurück, wo ich immer nur jemand war, der sich versteckt hat und nichts vorweisen kann.“ „Mit anderen Worten: du willst einen Neuanfang machen.“ Hinata nickte und sah, dass Takashi mit seinen Gefühlen kämpfte. Auf er einen Seite schien ihn dies zu freuen, aber man merkte ihm auch die Sorge an. Die Sorge darüber, dass sich Hinata von ihnen distanzieren könnte. Natürlich würde es darauf hinauslaufen, dass sich auch das Verhältnis zu den Zwillingen verändern würde, ganz ohne Zweifel. Aber das waren auch erst mal grobe Pläne und solange er den Gips hatte, war er ohnehin in seinen Möglichkeiten eingeschränkt. Er hatte ja auch nicht vor, sich komplett von den Zwillingen zu distanzieren und sie aus seinem Leben zu streichen. Er würde auch nicht das Zeichnen aufgeben. Aber er würde auf jeden Fall daran arbeiten, seine eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln und sein Leben so gestalten, dass er wenigstens stolz darauf sein konnte. Und wenn es eben nur ein zusätzliches Hobby und ein zusätzlicher Freund war, der nicht unbedingt zu den Zwillingen gehörte. Dann wäre er schon zufrieden. Er war jetzt frei von den Schatten seiner Vergangenheit. Diese schlimmen Dinge, die sein Vater ihm offenbar angetan hatte, waren aus seinem Gedächtnis gestrichen und verfolgten ihn deshalb auch nicht mehr. Er war frei und hatte die Gelegenheit, sein Leben neu zu gestalten. Deshalb konnte er auch gleich morgen damit anfangen, sich schon mal ernstere Gedanken darüber zu machen, was er als erstes versuchen würde. Kapitel 3: Ein helfender Zufall ------------------------------- Nach einer unruhigen Nacht wachte Hinata am nächsten Morgen ein wenig spät auf und als er in die Küche kam, hatte Takashi bereits das Frühstück gemacht und Katsuya saß auch schon am Tisch. Er grüßte sie kurz und setzte sich dann an den Tisch. Er fühlte sich immer noch sehr müde und nicht ausgeruht. Außerdem beschäftigten ihn noch das Gespräch mit Takashi und die Erkenntnis von gestern, dass die Zwillinge in ihn verliebt waren. Es war eine etwas unangenehme Situation, vor allem weil er nicht wusste, wie er sich verhalten sollte. Darum herrschte auch eine etwas unangenehme Atmosphäre am Tisch und die meiste Zeit wurde nichts gesagt. Dann schließlich begannen sie sich fertig zu machen, da sie mit ihrem „Ausflug“ in die City beginnen wollten, damit sich Hinata in der Stadt, in der er ja wohnte, besser zurechtfand, solange er sich nicht erinnerte. Draußen war ein angenehm sonniges und warmes Wetter. Dafür, dass es bald Herbst wurde, war es ein richtig schönes Sommerwetter. Und das belebte ein wenig Hinatas Lebensgeister. Da Fahrrad fahren nicht infrage kam, fuhren sie mit dem Bus und Hinata war gespannt darauf, was ihn erwarten würde. Er konnte sich gut vorstellen, dass die Hölle los sein würde. Immerhin war es Wochenende und das war ja auch Tokyo. Trotzdem war er ein wenig nervös, denn wirklich alles kam ihm ganz fremd vor und auch wenn er versuchte, sich all diese Dinge ins Gedächtnis zu rufen, die er sah, war alles leer. Rein gar nichts erkannte er wieder und er fragte sich, wie lange es wohl brauchen würde, dass er sich wieder erinnerte. Schließlich erreichten sie Shinjuku, wo es eine große Einkaufsmeile gab. Takashi wandte sich an seine beiden Begleiter. „Wir sollten aufpassen, dass wir nicht voneinander getrennt werden. Sollte das der Fall sein, haben wir unsere Handys und dann werden wir einen Treffpunkt ausmachen, wo wir wieder zusammenfinden. Also was sollen wir als erstes machen?“ „Gehen wir ins Einkaufszentrum“, schlug Katsuya vor. „Ich brauch ein neues Ladekabel für mein Handy und eventuell neue Sportschuhe. Meine alten sind komplett ausgelatscht.“ „Das können wir später machen. Am besten zeigen wir ihm erst mal die Sehenswürdigkeiten, bevor wir ans Shoppen gehen. Und im Anschluss gehen wir was essen. Es gibt hier einen neuen Laden, der europäische Küche anbietet.“ „Na hoffentlich keine deutsche Küche“, gab der jüngere Zwilling zu bedenken, als er das hörte. „Das eine Mal hat mir für den Rest meines Lebens gereicht.“ „Nee, das soll wohl ein italienischer Laden sein. Die bieten so was wie Pasta an.“ „Hört sich nicht gerade appetitlich an, wenn es fast wie Paste klingt“, murmelte Katsuya, der offenbar kein großer Fan der europäischen Küche war. Aber Hinatas Neugier war geweckt und er sah darin auch eine gute Chance, seinen Plan von gestern in die Tat umzusetzen, sich selbst neu zu entdecken. Wer weiß, vielleicht würde er ein großer Fan von ausländischer Küche werden. Einen Versuch war das ja wert. Also gingen sie los und begannen mit der Sightseeingtour durch Tokyo. Und wie Hinata bereits befürchtet hatte, war an diesem Tag die Hölle los, denn das Wetter war perfekt, es war Wochenende und die Ferien waren noch nicht vorbei. Zwischendurch hatte er echt Schwierigkeiten, die beiden Brüder nicht aus den Augen zu verlieren. Und teilweise wusste Hinata gar nicht, wo e zuerst hinschauen sollte, weil es so viel gab und es schwierig war einzuordnen, was er sich denn jetzt merken sollte und was nicht. Teilweise hatte er ein gewisses Gefühl, dass ihm manche Dinge vertraut vorkamen, als wäre er schon mal vor einer sehr langen Zeit dort gewesen. In solchen Momenten blieb er stehen und ließ diesen Ort auf sich wirken in der Hoffnung, dass sich etwas in seinem Gedächtnis tat, aber dem war nicht so und das war frustrierend. Hinata ließ sich zu verschiedenen Tempeln und Museen führen, dann zu einem größeren Park und schließlich wollten sie zusammen zum Tokyo Tower, doch ein Durcheinander in der Menschenmenge führte dazu, dass Hinata und die Zwillinge voneinander getrennt wurden und der Kunststudent, ehe er sich versah, plötzlich alleine da stand. Er versuchte noch, sich irgendwie schneller nach vorne zu drängeln und die beiden Brüder wiederzufinden. Es sollte ja wohl nicht so schwer sein, eineiige Zwillinge wiederzufinden. „Katsuya? Takashi?“ rief Hinata und kämpfte sich weiter durch das Gedränge, welches sich gebildet hatte, da sich einige Straßenkünstler versammelt hatten und eine Show zum Besten gaben. Und durch den Lärm war es auch unwahrscheinlich, dass die beiden ihn hörten. Na super, das fing ja toll an. Hinata kämpfte sich weiter durch die Menge, doch nirgendwo fand er eine Spur von den Zwillingen. Sie waren einfach weg. Er rief wieder nach ihnen, aber es brachte auch keinen Erfolg. Er suchte wirklich überall, doch sie waren wie vom Erdboden verschluckt. Das konnte doch nicht wahr sein. Wo waren die beiden denn bloß hin? Es half wohl nichts, am besten rief er Takashi an und gab ihm Bescheid. Zum Glück hatte er die Nummern der beiden im Handy eingespeichert. Nach einer Weile ging Takashi auch endlich dran. „Hinata, wo bist du denn? Du warst auf einmal weg.“ „Tut mir leid, ich hab euch bei den Straßenkünstlern verloren und habe euch nicht mehr wiedergefunden. Wo sollen wir uns treffen?“ „Am besten am Tokyo Tower, der ist nicht weit. Du musst einfach nur die Straße weiter langgehen, dann an der großen Straße nach links bis du zu einem kleinen Handyshop kommst, dann biegst du nach rechts ab und gehst von dort aus geradeaus weiter über die nächsten zwei Ampeln, dann kommst du zum Zojo-ji Tempel. Wenn du den erreichst, siehst du schon von weitem einen großen rotweißen Turm, der ein wenig wie der Eiffelturm aussieht. Das ist der Tokyo Tower. Katsuya und ich werden dort auf dich warten. Dort ist gerade eh nicht viel los.“ Hinata ließ sich noch mal die Wegbeschreibung geben und machte sich dann auf den Weg. Doch es fiel ihm schwer, diese ganzen Informationen im Kopf zu behalten und er fühlte sich ziemlich verunsichert. Er fühlte sich allein gelassen und hilflos und völlig verloren in dieser Gegend, die ihm so fremd vorkam. Warum nur musste das auch ausgerechnet ihm passieren? Na hoffentlich verlief er sich nicht noch. Er musste ja eigentlich nur nach einem großen roten Turm Ausschau halten. So schwer konnte das ja wohl nicht sein. Es sei denn er gehörte zu der Sorte Mensch, die nicht gerade mit einem Orientierungssinn gesegnet worden waren. Tief atmete er durch und versuchte sich wieder zu beruhigen. Wenn er sich jetzt verrückt machte, würde er sich erst recht verlaufen. Also ging er die Straße weiter geradeaus und als er an einer stark befahrenen Straße stand, fragte er sich, ob das jetzt die Straße war, wo er abbiegen musste. Und als er darüber nachdachte, wusste er nicht mehr, ob er jetzt nach links oder rechts sollte. Na toll, in der Aufregung hatte er es wieder vollkommen vergessen. Das war’s… er war verloren. Er hatte keine Ahnung wo er war und dementsprechend würde er ja nicht einmal mehr zurück nach Hause finden. Vielleicht sollte er noch mal Takashi anrufen und sicherheitshalber noch mal nachfragen, bevor er in die falsche Richtung lief. Also holte er sein Handy heraus und suchte gerade die Nummer heraus, da rempelte ihn jemand von der Seite an und das Handy fiel ihm aus der Hand. Durch den Aufprall sprang die Hülle auf, das Display zerbrach und der Akku flog heraus. „Verdammt!“ Hinata sammelte die Einzelteile wieder auf und setzte sein Handy wieder zusammen. Ein hässlicher Riss zog sich über das ganze Display und als er versuchte, seine PIN einzugeben, doch da gab es ein Problem: er wusste nicht, wie sie ging. Die letzten Tage hatte er das Handy immer am Ladekabel gehabt, sodass es immer eingeschaltet gewesen war. Aber nun musste er die PIN eingeben und er konnte sich nicht an sie erinnern. Das war eine absolute Katastrophe! Wie sollte er denn jetzt Takashi und Katsuya finden? So ein verdammter Mist… Hinata versuchte krampfhaft, sich an die Wegbeschreibung zu erinnern. Bis zur Straße und dann abbiegen zu einem Handyladen. Okay, wo könnte es denn einen Handyshop geben? Abwechselnd sah er in beide Richtungen und entschied sich dann für rechts. Ja genau, es musste rechts gewesen sein. Immerhin gab es da hinten ein paar kleine Geschäfte. Als er nach knapp fünf Minuten Fußmarsch immer noch keinen Handyshop erreichte, überkam ihn die Panik und er wusste überhaupt nicht mehr, wo er war und was er jetzt tun sollte. Er hatte keine Ahnung, wo er war und es gab keine Möglichkeit, Takashi und Katsuya anzurufen. Das war’s, er würde nie zum Tokyo Tower kommen. Den Tränen nah stand er da und fühlte sich wie ein kleiner Junge, der seine Eltern aus den Augen verloren hatte. Gelähmt von der Angst und der Hilflosigkeit bemerkte er erst viel zu spät, dass ein Hund auf ihn zugelaufen kam. Erst durch das laute Bellen wurde er aufmerksam und wurde auch schon direkt angesprungen. Erschrocken fuhr er zusammen und sah einen weißen Akita, der einen sehr verspielten Eindruck machte. „Sadaharu! Nein, aus!“ Der Akita wurde von Hinata weggezogen und der Besitzer entpuppte sich als ein rothaariger Junge, der vielleicht in derselben Altersklasse war. Er hatte kastanienbraune Augen und war wenige Zentimeter größer als Hinata. „Entschuldige, aber Sadaharu ist noch ein wenig aufgedreht, weil er diese Menschenmengen nicht gewohnt ist. Alles in Ordnung?“ Hinata nickte und sah wieder zum Akita, der sich nun zu seinem Besitzer gesellte und nun ein wenig ruhiger wurde. Doch der Junge bemerkte wohl, dass etwas nicht in Ordnung war und erkundigte sich sogleich „Ist irgendetwas passiert? Du machst einen etwas hilflosen Eindruck. Hast du dich vielleicht verlaufen?“ Etwas beschämt senkte Hinata den Blick und nickte, wobei seine Wangen ein wenig rot wurden. „Ich wollte zum Tokyo Tower, aber ich habe keine Ahnung, wie ich dorthin komme und ich habe mich wohl etwas verlaufen.“ „Du kommst nicht aus Tokyo, was?“ Hinata antwortete mit einem Kopfschütteln und wagte dann die vorsichtige Frage an den Rothaarigen, ob dieser vielleicht wüsste, wie man zum Tokyo Tower kam. Dieser antwortete mit einem fröhlichen und zuversichtlichen Lächeln „Klaro. Ich kann dich hinbringen, wenn du willst.“ „Und das macht auch keine Umstände?“ „Nö, nö! Ich wollte eh dorthin, um mich mit einem Kumpel zu treffen, da passt es ganz gut. Und ich freu mich immer, wenn ich helfen kann. Mein Name ist übrigens Saruhiko Yagi und das ist Sadaharu.“ Nachdem sich auch Hinata vorgestellt hatte, ging es los und während er diesem Saruhiko folgte, überkam ihn die unendliche Erleichterung. Er hatte jemanden gefunden, der ihn tatsächlich zum Tokyo Tower bringen konnte. Gott sei Dank. Dann konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. Während sie so nebeneinander herliefen, kamen sie ins Gespräch und Saruhiko erkundigte sich, was Hinata hier in Tokyo wollte und was mit seinem Arm passiert sei. Etwas zögerlich erklärte Hinata, dass er an der Tokyo Universität Kunst studierte und er sich den Arm bei einem Streit gebrochen hätte. Als er aber das mit der Universität erzählte, blieb der Rothaarige stehen und strahlte übers ganze Gesicht. „Hey das ist ja hammermäßig! Ich fang ab nächster Woche an der Tokyo Uni mein Kunststudium an. Dann bist du ja mein Senpai! Oh Mann, das nenne ich ja mal einen Zufall. Ich lauf tatsächlich jemandem über den Weg, der auch noch das gleiche studiert. Und? Wie ist denn so das Leben an der Uni?“ Etwas unsicher zuckte Hinata mit den Schultern und musste gestehen, dass er keine Ahnung habe und erklärte, dass er sich aufgrund einer Kopfverletzung nicht erinnere und deshalb nicht wusste, wie die Uni so war. Saruhiko runzelte die Stirn als er das hörte und meinte dazu „Ach du Scheiße, das ist echt hart. Und wie schlimm ist es?“ „Ich kann mich an gar nichts erinnern. Nicht mal an meinen Namen.“ „Das ist echt übel. Nicht mal zu wissen, wer man selber ist… das ist sicher echt gruselig. Hast du denn wenigstens jemanden, der für dich da ist?“ „Ja, ich habe da zwei Mitbewohner, die sich um mich kümmern. Mit denen war ich vor meiner Amnesie auch eng befreundet. Aber trotzdem ist es nicht sonderlich leicht…“ „Kann ich mir vorstellen. Ich bin selber gerade erst aus Nerima hergezogen, aber da das nicht weit entfernt ist, war ich schon während der High School oft hier und kenne mich ganz gut aus. Und den Tokyo Tower zu finden, ist gar nicht so schwer, wenn man erst mal weiß, wohin man gehen muss. Ach ja, wenn ich dir zu viel quatsche, dann sag einfach Bescheid. Ist so eine Angewohnheit von mir, dass ich die Klappe nicht halten kann.“ Saruhiko lachte und er strahlte eine so gute Laune aus, dass auch Hinata lächelte und sich gleich besser fühlte. Und allein der Gedanke daran, dass er jemanden bei sich hatte, den er morgen an der Uni wiedersehen würde, ließ ihn aufatmen. Zwar würden Katsuya und Takashi ihn begleiten, aber die beiden waren in jeweils anderen Kursen und für ihn würde es sein, als wäre das sein allererster Tag an der Uni. Nur mit dem Unterschied, dass jeder ihn kannte, nur er kannte niemanden. Und so hatte er jetzt wenigstens jemanden gefunden, der nicht ganz so fremd sein würde und Saruhiko machte auch einen sehr netten Eindruck. Er verbreitete eine sehr positive Energie und schien ein sehr offener und gutmütiger Mensch zu sein. Eigentlich war das doch die beste Gelegenheit, die sich ihm bot. Oder wäre es besser, nicht zu fragen? Es könnte ein wenig zu aufdringlich wirken und Hinata merkte auch, dass die Angst wieder von ihm Besitz ergriff, auch wenn er nicht wusste, woher sie kam. Obwohl er bei den Zwillingen die meiste Zeit keine solchen Ängste wahrgenommen hatte, war ihm so, als würden sie nun über ihn hereinbrechen und seine Gedanken beherrschen. War das etwa wirklich sein altes Ich, das er so sehr loswerden wollte? Nein, er würde sich nicht von seinen Ängsten beherrschen lassen. Er würde den Versuch wagen. Was sollte denn schon schief gehen? „Yagi…“ „Du kannst mich ruhig Saru nennen, alle meine Freunde und Bekannten nennen mich so. Sie meinen, ich würde sie manchmal an einen Affen erinnern.“ „Saru, wie wäre es… also ich meine… könnten wir…“ Die restlichen Worte blieben ihm jedoch im Hals stecken, denn etwas hinderte ihn daran, die Frage auszusprechen. Er kannte Saruhiko doch gar nicht, da war es doch viel zu voreilig, ihn so etwas zu fragen. Doch zu seiner Überraschung nahm dieser ihm das Wort aus dem Mund. „Hey, du brauchst doch keine Angst vor mir zu haben. Ich beiße doch nicht, außer du willst unbedingt. Wie wäre es, wenn wir uns Montag mal ein wenig näher kennen lernen? Das Wochenende bin ich leider ziemlich beschäftigt, weil ich noch diese grottenhässliche Tapete in meinem Schlafzimmer neu streichen muss. Meine Vormieterin war eine alte Dame und dementsprechend sieht auch die Wohnung aus.“ Hinata war überwältigt, als er hörte, dass Saruhiko von sich aus fragte, ob sie sich näher kennen lernen könnten. Aber er war auch vor allem überglücklich darüber. Das war seine Chance, Freunde zu finden und sein Leben zu ändern. „Sehr gerne“, rief Hinata schon fast und hatte das Gefühl, dass es wohl doch etwas Gutes hatte, dass er sich verlaufen hatte. Gemeinsam erreichten sie schließlich den Tempel, von wo sie aus schon von weitem den Tokyo Tower sehen konnten. Die meiste Zeit erzählte Saruhiko über irgendwelche Dinge und wie er schon vorgewarnt hatte, redete er ziemlich viel. Aber das störte Hinata nicht sonderlich. Sein zukünftiger Kohai hatte nämlich so eine fröhliche und lebhafte Art, die Dinge zu erzählen, dass er das Gefühl hatte, als würden sie sich beide schon seit Ewigkeiten kennen und als wären sie schon immer beste Freunde gewesen, die einander rein zufällig wiederbegegnet waren. Er strahlte eine so positive Energie aus, als würde nichts jemals sein Gemüt trüben können. Als wäre er von Natur aus ein absoluter Optimist. Allein sein Lächeln zu sehen ließ Hinata seine Sorgen wieder vergessen und auch seine Ängste. Wäre das nicht ein toller Freund für einen Menschen, der so schnell schüchtern und unsicher wurde? „Aber weißt du was, Senpai? Dafür, dass ich dich hergeführt habe, bist du mir was schuldig.“ Saruhiko zwinkerte ihm vielsagend zu und grinste fröhlich. Doch Hinata war da ein wenig zögerlich, als er das hörte und wollte natürlich wissen, was das für einen Gefallen war. „Hm… da lasse ich mir noch etwas einfallen. Aber keine Sorge, ich komme noch früh genug auf dich zurück! Ich lasse mir schon was damit einfallen.“ Und als er die Verunsicherung bei Hinata sah, der wohl fürchtete, es könnte irgendetwas Schlimmes sein, lachte er und gab ihm einen freundschaftlichen Schulterklopfer. „Nun guck doch nicht gleich so drein wie ein Kaninchen in der Falle, Senpai. Da krieg ich ja noch ein schlechtes Gewissen. Keine Panik, es wird sicher ganz lustig. Hier ist immer was los in Tokyo und da du noch mal von vorne anfängst, ist das doch die beste Gelegenheit. Hier gibt es viele Museen, Spielhallen und einen Vergnügungspark. Da wird sich schon das Passende finden.“ Sie gingen nun weiter und erreichten schließlich den Tokyo Tower. Von weitem sah Hinata auch schon die beiden Zwillingsbrüder, die offenbar nach ihm Ausschau hielten. „Da sind sie!“ rief er und deutete auf die beiden. „Hey, das ist ja super. Dann wäre mein Job erledigt.“ Damit blieb Saruhiko stehen und wandte sich an Hinata. Offenbar wollte er sich verabschieden. „Na dann sehen wir uns am Montag wieder, okay?“ „Okay. Und danke vielmals, dass du mir geholfen hast, Saru.“ Saruhiko lächelte und hob zum Abschied die Hand und ging dann in eine andere Richtung weiter. Hinata sah ihm noch kurz nach, bevor er zu den Zwillingen ging, die ein wenig besorgt aussahen. Und tatsächlich löcherten sie ihn erst mal mit Fragen, was denn passiert sei und wieso er nicht mehr über Handy zu erreichen gewesen sei. Da musste er natürlich erst mal erklären, dass ihm sein Handy heruntergefallen war und dass dabei der Akku herausgefallen sei. Er zeigte das zersprungene Display und dann erzählte er ihnen, wie er hierher gefunden hatte. „Ein Kohai?“ fragte Katsuya. „Na das nenne ich mal einen Zufall. Aber zum Glück ist ja alles gut gegangen. Und? Hat er auch keine krummen Sachen bei dir versucht?“ „Überhaupt nicht“, versicherte Hinata. „Er schien ganz nett zu sein und will mich näher kennen lernen. Vielleicht werden wir ja Freunde…“ Dieses glückliche Lächeln bei Hinata zu sehen, als er an Saruhiko dachte, gefiel Katsuya überhaupt nicht. Als wäre es nicht schon genug, dass er schon gestern in ein riesiges Fettnäpfchen getreten war und Hinata verschreckt hatte. Wenn dieser jetzt noch damit begann, sich für einen anderen zu interessieren, dann könnte es schlimmstenfalls darauf hinauslaufen, dass er und Takashi Hinata für immer verlieren würden. Das konnte er nicht zulassen. Er musste irgendetwas tun, um das zu verhindern. Er durfte Hinata nicht verlieren. Nicht nachdem es ihm nicht einmal gelungen war, ihn zu beschützen. Doch was sollte er tun? Ihm verbieten, diesen Typen zu treffen? War das die Lösung? Er wusste es nicht. Überhaupt war er schon seit Tagen vollkommen unsicher. Schon seit er erfahren hatte, was Hinata zugestoßen war, war er nicht mehr derselbe. Für gewöhnlich ließ er sich durch nichts beirren, ging seinen eigenen Weg und lebte sein Leben selbstbewusst. Die Wahrheit war, dass er nicht dieselbe mentale Stärke besaß wie Takashi. Sein älterer Bruder war schon immer derjenige gewesen, der die Kontrolle bewahrte, wenn es hart auf hart kam. Während er als Kind immer sorglos gewesen war und immerzu Mist gebaut hatte, war Takashi vernünftig geblieben und hatte ihn wieder auf die Spur gebracht. Er hatte sich immer auf Takashi verlassen, weil er wusste, dass dieser stärker war als er. Wahrscheinlich hatte er sich diese Pflicht auferlegt, weil er der große Bruder war. Doch Katsuya war nie verunsichert gewesen, zumindest nicht so sehr. Es lag einfach daran, weil Hinata ihm mehr bedeutete als die Mädchen, mit denen er vorher zusammen gewesen war. Hinata war seine wirklich große Liebe und er wollte ihn nicht verlieren. Aber diese Angst vor dem Verlust und die bohrenden Schuldgefühle, dass er ihn nicht vor seinem Vater beschützen konnte, ließen ihn schwach werden. Und er wusste, dass auch Takashi das Ganze sehr zu schaffen machte. Doch er bewahrte trotzdem die Kontrolle, weil wenigstens einer von ihnen einen klaren Kopf bewahren musste. Takashi zwang sich dazu, den Schein zu wahren, als wäre alles unter Kontrolle, aber das war es nicht. Wahrscheinlich ging es ihm genauso und er machte sich unsägliche Vorwürfe, weil er nicht aufmerksam genug gewesen war. „Äh… ist alles okay?“ Katsuya bemerkte, dass Hinata sie fragend ansah und zwang sich zu einem Lächeln. Mit gespielter Vergnügtheit und Scherzhaftigkeit rief er „Hey, hat jemand Lust da oben raufzugehen und ein paar Papierflieger runtersegeln zu lassen?“ Wahrscheinlich sollte er sich nicht allzu viele Gedanken machen. Egal was auch geschah, er würde Hinata nicht aufgeben. Und er würde auch nicht zulassen, dass sich etwas oder jemand in den Weg stellen sollte. Kapitel 4: Zurück an der Uni ---------------------------- Das Wochenende war überraschend schnell vergangen und ehe Hinata sich versah, stand auch schon wieder der Universitätsalltag an. Er war furchtbar aufgeregt, denn für ihn war es quasi das allererste Mal, dass er an die Uni ging und obwohl er gestern schon mal mit den Zwillingen dorthin gefahren war, um wenigstens den Weg zu kennen, würde er niemanden dort kennen. Wenigstens war er zusammen mit den beiden die Stationen mit der Bahn gefahren und wurde dann von ihnen bis zum Campus begleitet, danach mussten sie allerdings zu ihren eigenen Kursen. Sie gaben ihm aber den Hinweis, im Sekretariat nachzufragen, wohin er gehen sollte. Zum Glück war der Weg dorthin ausgeschildert, sodass er sich gar nicht erst verlaufen konnte. Doch als er schon das Gebäude betreten wollte, kam gerade ein rothaariger Junge heraus, dessen Gesicht Hinata sehr vertraut vorkam. Es war Saruhiko Yagi! Ihre Blicke trafen sich und mit einem fröhlichen Lächeln hob Saruhiko zum Gruß die Hand. „Hey Senpai! Auch schon hier? Suchst du den Kunstkurs?“ „Äh… ja. Ich kann mich leider nicht erinnern, wo er stattfindet“, gab Hinata etwas beschämt zu, denn es war ihm schon peinlich. Immerhin musste er daran denken, dass er zwei Jahre lang zur Uni ging und dann plötzlich nicht mehr wusste, wohin er gehen sollte. Natürlich war es da ziemlich seltsam, aber glücklicherweise wusste Saruhiko ja bereits von seiner Amnesie Bescheid und reagierte deshalb auch wesentlich entspannter. „Nicht schlimm, ich komme gerade vom Sekretariat und weiß, wohin wir gehen müssen. Na komm, lass uns gehen.“ Erleichtert atmete Hinata auf als er hörte, dass wenigstens Saruhiko wusste, wohin sie gehen mussten. Und so stand er wenigstens nicht vor der peinlichen Situation, dass man ihn anredete und er erkannte diese Person nicht wieder. So hatte er wenigstens jemanden, der ihm nicht ganz so fremd war. „Oh Mann, ich hoffe echt, es kommt irgendwann mal mein Lieblingsthema: westlicher Expressionismus.“ „Du magst den Expressionismus?“ fragte Hinata überrascht, als er Saruhiko zum Kunstsaal hin folgte. Er selber war mehr Bewunderer der Moderne. Sein schlimmster Alptraum war die Renaissance, was aber auch daran lag, weil dort oft nackte Frauen zu sehen waren. Da fragte er sich insgeheim, wie er wohl reagiert haben mochte, wenn das Thema Aktmalerei gewesen war und er eine nackte Frau malen musste. „Klar“, antwortete Saruhiko. „Sie sind so farbenfroh und die Künstler versuchen ihren Gefühlen starken Ausdruck zu verleihen, anstatt immer nur alles romantisch und verträumt zu gestalten. Naja, wobei ich aber auch manche Form von moderner Kunst ganz interessant finde.“ „Nun, ich bin mehr ein Anhänger der modernen Kunst.“ „Na dann haben wir ja wenigstens ähnliche Interessen in der Kunst. Das ist schon mal gut. Ich habe mir übrigens etwas ausgedacht: heute Abend findet am Asakusa-Schrein ein Feuerwerk statt und dort soll auch ein Fest stattfinden. Ich dachte mir, dass wir zusammen dorthin gehen könnten, wo du mir ja eh noch einen kleinen Gefallen schuldig bist.“ Asakusa? Dort war er mit den Zwillingen gewesen, als sie am Samstag unterwegs gewesen waren. Es war ein ziemlich großer und schöner Schrein und irgendwie hatte er auch im Hinterkopf gehabt, dass dort irgendetwas stattfinden sollte. Und dann noch ein Fest. Gerne nahm er die Einladung an und versprach, mit ihm zum Schrein zu gehen. Als sie schließlich den Kunstsaal erreichten und von den anderen begrüßt wurden, gesellte sich Saruhiko sogleich zu Hinata. Darüber war der schüchterne 20-jährige heilfroh, denn da sich die anderen dem neuen Studenten erst mal vorstellten, lernte Hinata auch sogleich ihre Namen noch mal. Nachdem auch der Kunstdozent Professor Yamamura dazu kam, ging es los und es folgte zuerst ein Vortrag über die japanische Kunstepoche und erstaunlicherweise kam Hinata sehr gut mit. Das Thema war auch sehr interessant und begeisterte ihn auch. Saruhiko selber schien da ein wenig unkonzentrierter zu sein. Als Hinata zu ihm herüberschaute, sah er, dass der 21-jährige damit begann, eine sehr übertriebene Karikatur von Professor Yamamura zu zeichnen, die ihn als eine Art Feldwebel mit einem dicken Bauch zeigte und eine Sprechblase ließ verlauten „Kunst ist kein Spaß. Kunst ist Krieg!!!“ Auch sonst schien er der Vorlesung nicht viel Aufmerksamkeit zu schenken und sich anderen Dingen zu widmen, was wohl zeigte, dass er eher ein unkonzentrierter Charakter war. Doch Hinata bemerkte schnell, dass er ein besonderes Talent fürs Zeichnen hatte, denn nachdem Saruhiko die Karikatur fertig gezeichnet hatte, begann er mit etwas anderem. Er zeichnete Roboter oder Cyborgs und Maschinen. In der Mittagspause, wo sie genug Zeit zum Reden hatten, gingen sie in die Mensa und setzten sich zusammen an einen Tisch und dabei sprach Hinata ihn darauf an. Saruhiko grinste voller Stolz und gab zu, dass er schon immer eine Schwäche für Roboter und Maschinen gehabt hatte. „Ich hab so ziemlich alle Filme oder Serien gesehen, wo es um Roboter oder Cyborgs ging und da habe ich auch schon als kleiner Junge angefangen, so etwas zu zeichnen. Allerdings habe ich mich stattdessen für ein Sportstudium entschieden und war auch Mitglied eines Motorsportclubs.“ „Motorsport?“ fragte Hinata neugierig. „So richtig mit Motorrädern? Ich wusste gar nicht, dass solche Clubs von Unis angeboten werden.“ „Das war auch kein direkter Universitätsclub. Ein paar Studenten sind Mitglieder, aber auch Leute, die nicht zur Uni gehen. Es ist mehr so ein ganz normaler Club. Yu-chan und ich waren beide im Club, aber inzwischen ist er nach Tokyo gezogen, um dort zu arbeiten.“ „Und willst du dir hier auch einen Motorsportclub suchen?“ erkundigte sich Hinata und begann nun seine gebratenen Nudeln zu essen. Saruhiko schüttelte den Kopf und erklärte „Ich darf aus gesundheitlichen Gründen weder Auto noch Motorrad fahren.“ „Du… du bist krank?“ fragte Hinata erschrocken und ließ seine Stäbchen sinken. Doch selbst in diesem Moment trübte sich Saruhikos Lächeln kein bisschen. „Es ist nichts Lebensbedrohliches oder so“, beschwichtigte dieser sofort, als er Hinatas erschrockenes Gesicht sah. „Ich nehme Medikamente und kann ein ganz normales Leben führen. Es ist nur halt so, dass ich mit gewissen Einschränkungen leben muss. Kein Grund also, so ein Gesicht zu machen, Senpai.“ „Und was genau…“ Hinata kam nicht dazu, die Frage fertig zu formulieren, als auch schon jemand seinen Namen rief. Als er sich umwandte, sah er Katsuya und Takashi mit ihrem Essenstablett auf ihn zukommen. Sie gesellten sich zu ihm. Dabei erkundigten sie sich, wie es denn bis jetzt an der Uni war und wurden schließlich Saruhiko vorgestellt. Hinata erzählte ihnen, dass Saruhiko es auch gewesen war, der ihm am Wochenende geholfen hatte, den Tokyo Tower zu finden. „Ach so“, meinte Takashi überrascht. „Du bist also der Kohai, von dem Hinata erzählt hat?“ „Jep. Ich hab ihn ganz zufällig getroffen. Und wenn ich euch beide so ansehe, würde ich glatt vermuten, ihr seid seine beiden Freunde und Mitbewohner, nicht wahr? Ihr seht euch ja tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Echt cool, ich hab noch nie eineiige Zwillinge gesehen!“ „So ungewöhnlich ist das nicht“, murmelte Katsuya ein wenig mürrisch und man merkte ihm an, dass er nicht gerade begeistert war, Hinata in der Begleitung dieses Typen zu sehen, der den Anschein erweckte, als würde ihm die Sonne aus dem Arsch scheinen. Auch sonst wirkte er nicht sonderlich glücklich, was vielleicht daran liegen mochte, dass er momentan sehr verunsichert war und nicht wusste, wie er diese Situation jetzt interpretieren sollte. „Ach ja, bevor ich es vergesse“, rief Hinata, als ihm einfiel, dass er den beiden noch unbedingt etwas erzählen musste. „Ich bin heute Abend nicht da. Saru hat mich zum Fest am Asakusa-Schrein eingeladen. Ich schulde ihm noch einen Gefallen, weil er mir geholfen hat.“ Hier aber verzog sich Katsuyas Miene und er fragte „Wieso nennst du ihn Saru, wenn ihr euch kaum kennt?“ „Alle nennen mich so“, erklärte Saruhiko und kratzte sich mit einem etwas verlegenen Lachen am Hinterkopf. „Ihr könnt mich ruhig auch so nennen. Ich war ohnehin nie sonderlich der Fan von übertriebener Förmlichkeit.“ Trotzdem ruhte ein sehr feindseliger Blick auf Saruhiko, der von Katsuya stammte. Takashi schien das Ganze eher lockerer zu sehen, weil er sich in Erinnerung rief, dass es auch Hinatas Wunsch war, Freunde zu finden. Und wahrscheinlich hätte er seinem Bruder ein paar Takte gesagt, aber er wollte es lieber nicht in Hinatas Nähe tun. „Das ist doch toll, dass ihr euch einen netten Abend macht“, sagte Takashi schließlich, um die Situation wieder zu entschärfen. „Katsuya und ich gehen auch jedes Mal zum Asakusa-Schrein hin. Das Fest dort ist wirklich toll.“ „Ich weiß, besonders das Feuerwerk ist grandios“, stimmte Saruhiko zu. „Ich war dort auch ein paar Male mit Freunden. Das wird sicher spaßig. Nicht wahr, Senpai?“ Hinata sagte nichts, sondern lächelte nur schüchtern. Aber man merkte ihm schon an, dass er sich auf die Verabredung freute. Schließlich reichte Saruhiko ihm ein Stück Papier, auf dem sich eine Zeichnung befand. Diese zeigte ihn mit dem Körper eines Cyborgs in einem sehr futuristischen Design. „Na? Gefällt’s dir? Ich dachte mir, dass du einen echt coolen Cyborg abgeben könntest.“ Hinata betrachtete die Zeichnung, musste aber lachen, da er auf der Zeichnung ganz anders rüberkam. Wie ein cooler Draufgänger oder Superheld. „Ich zeichne gerne meine Freunde und Bekannte als Cyborgs. Wer weiß, vielleicht darf ich ja mal Designs für Roboter entwerfen. Das wäre doch cool, oder?“ „Wenn du dich so für Roboter interessierst, wieso hängst du nicht bei den Technikern und Ingenieuren rum?“ fragte Katsuya, dessen Miene nur noch düsterer wirkte als vorher. Man hätte meinen können, er würde Saruhiko am liebsten den Hals umdrehen. Doch die Mittagspause ging vorüber, ohne dass jemandem die Augen ausgekratzt wurde und so kehrten sie alle wieder zu ihren jeweiligen Kursen zurück. Nachdem die Vorlesungen über die japanische Kunstepoche beendet waren, ging es nun zur Praxis. Denn nun ging es darum, dass sie ihre Bilder vom letzten Semester weitermalen sollten. Hinata saß vor seinem halb fertigen Ölgemälde, hatte allerdings überhaupt keine Ahnung, was denn das Thema war und was er eigentlich malen wollte. Einen Moment lang überlegte er, ob er Professor Yamamura fragen sollte, aber da kam ihm Saruhiko zuvor, der ja auch keine Ahnung hatte, was denn nun als Thema anstand. Wie sie erfuhren, lautete das Thema „Betrachtung der modernen Welt unter Anwendung vorgegebener Stilmittel“ und das half ihm schon mal weiter. So saß er neben Saruhiko, der selbst erst mal überlegen musste, was er denn nun malen sollte. Schließlich aber hatte er sich wohl für ein Motiv entschieden und ging erst mal Stifte, Staffelei und Leinwand holen. Kurz darauf gab es jedoch ein lautes Scheppern, woraufhin der ganze Kunstsaal aufschreckte, da zuvor noch Grabesstille geherrscht hatte. Alle Blicke wandten sich zu Saruhiko, der seinen ganzen Kram hatte zu Boden fallen lassen. Professor Yamamura wandte sich ihm zu und fragte in einem strengen Ton, ob das Kunstmaterial denn Spielzeug wäre. Der 21-jährige entschuldigte sich, während er seine Sachen wieder aufsammelte und zu seinem Platz zurückkehrte. Dabei stupste Hinata ihn vorsichtig an. „Pass lieber auf. Professor Yamamura wird fuchsteufelswild, wenn man nicht pfleglich mit den Sachen umgeht.“ „Okay, ich merk’s mir. Aber hey: woher weißt du das eigentlich?“ Hinata stutzte. Erst jetzt war ihm aufgefallen, dass er sich wieder an etwas erinnern konnte. Nämlich an Professor Yamamura, der dafür bekannt war, dass er schon mal einen Wutanfall bekommen hatte, weil Sonoko Katagiri mal den Fehler gemacht hatte und eine getöpferte Figur zerbrochen hatte. Diese Erinnerung war ganz schleichend wieder zurückgekommen, ohne dass er es bemerkt hatte. Aber es war tatsächlich so, dass er sich wieder an seinen Kunstprofessor erinnern konnte. „Scheint so, als würde ich mich wieder an ein bisschen erinnern.“ „Hey, das ist ja cool! Wer weiß, vielleicht erinnerst du dich bald wieder an alles, Senpai. Vielleicht kann ich deinem Gedächtnis ja noch mehr auf die Sprünge helfen.“ Ja, das wäre schön, aber eines fragte sich Hinata ja doch: wieso erinnerte er sich an seinen Kunstdozenten, aber nicht an Katsuya und Takashi? Gab es vielleicht einen bestimmten Grund dafür? Er musste wieder an die Tatsache denken, dass die beiden mit ihm zusammen gewesen waren und das zur selben Zeit. Das kam ihm selbst jetzt noch vollkommen unrealistisch vor und er wusste immer noch nicht, was er darüber denken sollte. Wie kam er nur dazu, in einer Dreierbeziehung zu landen? Er wusste nicht einmal wie er sich deswegen fühlen sollte. Ob er sich überhaupt jemals wieder daran erinnern würde? „Alles in Ordnung, Senpai?“ erkundigte sich Saruhiko als er bemerkte, dass Hinata ein wenig bedrückt wirkte. Doch Hinata winkte nur ab und erklärte, dass er nur ein wenig in Gedanken sei. Nun aber wandte sich der 20-jährige wieder seinem Bild zu und versuchte sich wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren. Es lohnte sich eh nicht, sich darüber Gedanken zu machen, vor allem nicht jetzt. Also setzte er den Pinsel an und tauchte ihn in die Farbe und versuchte sein Bestes, um die Aufgabe zu erfüllen. Doch kurz darauf unterbrach wieder ein Geräusch die Stille und Hinata sah, dass Saruhiko seine Stifte hatte fallen lassen. Das entging auch Professor Yamamura nicht, der natürlich sofort herkam und ihn zur Rede stellte. Der 44-jährige Kunstdozent war für gewöhnlich ein recht ausgeglichener Mensch und verstand sein Handwerk. Aber er duldete es nicht, wenn man mit den Materialien nicht vorsichtig umging. Hinata ahnte, dass es noch ziemlichen Krach geben würde, doch Saruhiko behielt sein fröhliches Lächeln, entschuldigte sich und gab ihm einen zusammengefalteten Zettel. Professor Yamamura überflog den Zettel, las ihn sich dann noch ein zweites Mal durch und schien sich dann ein wenig wieder zu beruhigen. Er seufzte geschlagen und murmelte sogar etwas, das wie eine Entschuldigung klang. Hinata verstand nicht so ganz, was das sollte, aber er sagte nichts und bemerkte, wie Professor Yamamura schließlich zu ihm kam, um seine Arbeit zu begutachten. „Können Sie mit ihrem gebrochenen Arm überhaupt malen, Amano?“ „Es geht schon ganz gut“, versicherte Hinata. „Ich kann zwar mein Handgelenk nicht bewegen, aber Malen mit dem Pinsel geht ganz gut. Nur belasten darf ich den Arm noch nicht.“ „Nun gut, wenn Sie das sagen… Fahren Sie mit der Arbeit fort. Das sieht bis jetzt ganz gut aus.“ Hinata bedankte sich mit einem schüchternen Lächeln und malte weiter. Im Großen und Ganzen war der erste Tag an der Uni nicht so schlimm, wie Hinata zunächst gedacht hatte. Vor allem dank Saruhiko fühlte er sich nicht ganz so aufgeschmissen und hatte sogar Spaß gehabt. Als sich der Tag an der Uni dem Ende zuneigte, vereinbarte er mit Saruhiko, dass sie sich um 17 Uhr am Eingang des Asakusa-Schreins treffen würden. Damit nahmen sie erst mal Abschied und während Saruhiko zu Fuß losging, wartete Hinata auf die Zwillinge, da diese mit ihm zusammen nach Hause fahren wollten. Er musste auch nicht lange warten, denn da sah er die beiden auch schon. Katsuya wirkte ein wenig erschöpft, da er ein ziemlich anstrengendes Training gehabt hatte. Takashi machte einen wesentlich fitteren Eindruck, allerdings musste er sich ja auch nicht sportlich betätigen. Gut gelaunt grüßten sie Hinata, der seinerseits ein wenig zurückhaltender war und gemeinsam kehrten sie nach Hause zurück. Dabei ließen sie sich von Hinata erzählen, wie sein Tag so verlaufen war und erfuhren auch, dass er sich wieder an etwas erinnert hatte. Diese Nachricht nahm besonders Katsuya mit Begeisterung auf und wollte natürlich wissen, ob Hinata sich noch an mehr erinnerte, wurde jedoch enttäuscht, da sich Hinata immer noch nicht an sie beide erinnern konnte. Takashi versuchte die Stimmung wieder ein wenig zu lockern und meinte dazu, dass sich das schon bald wieder irgendwie ergab, dass die Erinnerungen zurückkamen. „Wie wäre es, wenn wir Mittwoch in die Karaoke-Bar gehen?“ schlug Katsuya vor. „Morgen habe ich leider ein Extra-Training mit unserer Tennismannschaft, weil wir das letzte Match verloren haben.“ Hinata zögerte jedoch, den Vorschlag anzunehmen und er sah die beiden unsicher an. Etwas vorsichtig fragte er „Nur ein Karaoke-Abend?“, denn seine Sorge war, dass dies so ziemlich wie bei einem Dinner beim ersten Date laufen würde und die beiden hinterher noch etwas anderes von ihm verlangen. „Klar“, meinte Katsuya daraufhin. „Es sei denn, du willst etwas anderes machen.“ „Nein, nein“, rief Hinata sofort und winkte hastig ab. „Ein Karaoke-Abend klingt ganz nett… denke ich…“ Das Ganze war für Hinata wirklich eine schwierige Situation und er fühlte sich ein Stück weit hilflos. Zu wissen, dass die beiden in ihn verliebt waren und wahrscheinlich fest entschlossen waren, alles zu tun, damit er sich wieder in sie verliebte, überforderte ihn schlicht und ergreifend und er wusste einfach nicht, wie er sich verhalten sollte. Er setzte sich auch selber enorm unter Druck und das war sicherlich nicht gut für ihn. Das wusste er ja selbst auch, aber was sollte er denn tun? Er war ratlos und darum war er auch froh, dass er heute erst mal mit Saruhiko verabredet war. Vielleicht konnte ein Gespräch mit Saruhiko ja helfen. Ja, es hieß doch immer, dass ein guter Freund immer hilfreich war, wenn man einen Rat benötigte und nicht weiter wusste. „Hinata, dir liegt doch irgendetwas auf dem Herzen, hab ich Recht?“ erkundigte sich Takashi und legte vorsichtig eine Hand auf Hinatas Schulter. „Ist es wegen uns?“ „Ich… ich will niemandem wehtun“, versuchte der schüchterne Kunststudent zu erklären. „Ich weiß, was ihr für mich empfindet, aber ich kann diese Gefühle nicht erwidern. Wie soll ich mich denn euch gegenüber verhalten?“ „Hey, du brauchst dir wegen uns doch keine Gedanken zu machen!“ rief Katsuya, als er das hörte. „Uns ist in erster Linie wichtig, dass es dir gut geht. Wegen uns brauchst du dich zu nichts zwingen. Wir wollen nur einen netten Karaokeabend machen, nicht mehr und nicht weniger. Wir wissen doch auch, dass es für dich momentan auch nicht leicht ist. Du brauchst dich wegen uns nicht unter Druck zu setzen. Lass uns alles ganz ruhig und entspannt angehen.“ Trotzdem blieb Hinata verunsichert und fühlte sich komisch bei dem Gedanken, dass die beiden gleichermaßen etwas von ihm wollten. Aber vielleicht war das ja auch normal für jemanden, der sein Gedächtnis verloren hatte und nicht mal den eigenen Partner wiedererkannte. Dieses Problem konnte ihm leider niemand abnehmen, da musste er halt durch. Seine einzige Hoffnung war, dass er wenigstens durch Saruhiko ein wenig Ablenkung fand, sodass er nicht ständig daran denken musste. So konnte er auch mal ein wenig auf Abstand zu den Zwillingen gehen und versuchen, das Ganze auch mal aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Kapitel 5: Ein Abend mit Saruhiko --------------------------------- Hinata kam mit ein klein wenig Verspätung mit dem Bus zum Asakusa-Schrein und sah schon von weitem, dass einiges los war. Schnell eilte er die Stufen hoch und sah schon am Tor Saruhiko stehen, der schon auf ihn wartete. Als dieser ihn dann aber bemerkte, strahlte er übers ganze Gesicht und winkte ihm zu. „Da bist du ja, Senpai. Ich war schon in leichter Sorge, du könntest dich wieder verlaufen haben.“ Hinata wollte schon darauf antworten, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken als er sah, dass Saruhiko nicht alleine war. Neben ihm stand ein schwarzhaariger junger Mann von schätzungsweise 26 bis 28 Jahren und einer sehr ernsten Miene. Er besaß eine enorme Größe und Hinata konnte sich nicht vorstellen, jemals so einen großen Menschen gesehen zu haben und er fragte sich auch, ob der Typ überhaupt Japaner war, denn mit fast zwei Metern Größe war das für ihn kaum vorstellbar. Hinata erschrak schon fast vor diesem großen Menschen, der den Anschein machte, als hätte er noch nie in seinem Leben gelacht. „Das ist übrigens mein bester Freund Yusuke Kazami, ihn kenne ich schon seit dem Kindergarten und wir sind quasi zusammen aufgewachsen. Er war so nett und hat mich hergefahren, weil es bei uns in der Nähe keine Buslinie zum Schrein gab. Und keine Angst, er beißt schon nicht. Yu-chan, das ist mein Senpai Hinata Amano.“ „Freut mich“, sagte Yusuke kurz und knapp und nickte Hinata zur Begrüßung zu, doch der Student blieb lieber ein wenig auf Abstand, da allein schon Yusukes Erscheinung sehr respekteinflößend war. Er schluckte schwer und versuchte, sich seine Furcht vor ihm nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Schließlich betraten sie zusammen das große Schreingelände, wo es mehrere Stände gab, wo man etwas essen konnte oder wo man irgendetwas kaufen konnte. Angefangen von Glücksbringern bis hin zu Masken und anderen Dingen. Es war ziemlich viel los und es war schwierig, Saruhiko nicht aus den Augen zu verlieren. Da war es schon praktisch, dass Yusuke aufgrund seiner enormen Körpergröße aus der Menge deutlich herausstach. Nachdem sie sich erst mal ein wenig umgesehen hatten, um sich einen Überblick zu verschaffen, gingen sie erst einmal was essen. An einem Stand gab es frische Takoyaki, von denen sich insbesondere Saruhiko eine ordentliche Portion holte. Und dabei kamen sie erst mal ein wenig ins Gespräch und Saruhiko begann zu erzählen, da sein Begleiter Yusuke wohl eher ein zurückhaltender und schweigsamer Mensch war. „Yusuke und ich haben früher in der Nachbarschaft gewohnt und sind quasi zusammen aufgewachsen. Er war immer wie ein großer Bruder für mich und hat mir den Hals gerettet, wenn mich die Jungs immer verprügelt hatten.“ „Du hattest auch schon damals nur Blödsinn im Kopf“, meinte Yusuke nur und so langsam hatte Hinata das Gefühl, als würde Yusuke ihn nicht sonderlich leiden können. Er schien die ganze Zeit sehr distanziert zu sein und wirklich jedem eine kalte Schulter zu zeigen. Selbst seinem besten Freund gegenüber schien er sich nicht sonderlich nett zu verhalten. Als hätte Saruhiko seine Gedanken gelesen, erklärte er „Du darfst Yu-chans Art nicht ganz so ernst nehmen. Er steht halt nicht so drauf, Gefühle zu zeigen und viel zu reden. Den bringt rein gar nichts aus der Ruhe, da kann selbst ein Bombenangriff stattfinden. Die einzige Ausnahme war bei dem Unfall vor knapp sieben Monaten.“ „Was ist denn da passiert?“ wollte Hinata wissen, merkte aber dann schließlich, dass die Frage vielleicht ein wenig unangebracht sein könnte. Aber Saruhiko kümmerte sich glücklicherweise nicht sonderlich darum und erklärte „Yu-chan und ich waren mit unseren Motorrädern unterwegs und wollten einen Ausflug ans Meer machen. Dabei hab ich aber die Kontrolle verloren und hab einen ziemlich fiesen Sturz hingelegt und ihn gleich versehentlich mitgerissen. Yu-chan ist mit ein paar blauen Flecken davongekommen, ich hatte gleich beide Beine mehrfach gebrochen.“ „Oh… das tut mir leid…“ „Ach ist doch kein Drama. Ich lebe noch und meine Beine sind inzwischen auch wieder heil. Dafür hatte ich einen heißen Assistenzarzt, der immer die Visite gemacht hat, bevor der Chefarzt kam.“ Hinata stutzte, als er das hörte. Heißer Assistenzarzt? Normalerweise begann man doch von Krankenschwestern zu sprechen, oder nicht? Konnte es etwa sein, dass Saruhiko irgendwie vom anderen Ufer war? Nun, das war natürlich erst mal irgendwie komisch, aber andererseits vielleicht auch gar nicht mal so schlecht. Dann musste er wenigstens nicht um den heißen Brei herumreden, wenn er ihn irgendwann mal wegen seinem Problem ansprach und vielleicht konnte Saruhiko ihm ja auch den einen oder anderen Ratschlag geben. Ja, das wäre vielleicht nicht schlecht. Aber was wäre, wenn Saruhiko schlecht von ihm dachte, wenn er erfuhr, dass sein Senpai vor seiner Amnesie in einer Dreierbeziehung gewesen war? Selbst für Homosexuelle wäre das nicht normal. Was, wenn es eine ganz blöde Idee war, Saruhiko um Rat zu fragen? „Und du hast dein Gedächtnis verloren?“ erkundigte sich Yusuke und riss Hinata damit aus seinen Gedanken. „Wie ist das passiert?“ „Ich hatte einen Streit mit meinem Vater. Er ist ausgerastet und dabei hab ich mir den Arm gebrochen und schwere Kopfverletzungen zugezogen. Durch die Kopfverletzungen kam es zu einer Amnesie.“ „Hat dein Vater dich geschlagen?“ Hinata nickte und betrachtete seinen eingegipsten Unterarm, der wie immer in der Schlaufe hing, damit er nicht belastet wurde. Er konnte sich immer noch nicht daran erinnern, was passiert war. Er wusste es nur vom Hörensagen. „Ich kann mich nicht wirklich erinnern, aber er soll wohl öfter gewalttätig geworden sein. Er war sauer, weil ich Kunst studiere, obwohl er wollte, dass ich Anwalt werde. Und er war wütend, weil ich Shonen-Ai Mangas zeichne.“ „So ein Arsch“, meinte Saruhiko mit vollem Mund, da er gerade dabei war, seinen dritten Takoyaki zu essen. „Anwalt zu werden ist doch eh total öde. Da lernst du nur irgendwelche Paragraphen und im schlimmsten Fall vertrittst du noch die schlimmsten Arschgesichter als Strafverteidiger und die Leute hassen dich. Nee, da arbeite ich doch lieber als Aushilfe im Supermarkt…“ „Mein Vater wollte früher selber Anwalt werden, hat es aber nie geschafft, weshalb er von mir erwartet hat, in seine Fußstapfen zu treten.“ „Also so wie die amerikanischen Mütter, die ihre dreijährigen Mädchen schminken und sie auf den Laufsteg schicken, weil sie es selbst nie zu Models geschafft haben?“, hakte Saruhiko nach und Hinata nickte. So in etwa passte der Vergleich, nur war es bei ihm wesentlich heftiger zugegangen, während die kleinen Mädchen in Amerika höchstens eine Gehirnwäsche bekamen. Nachdem sie sich gestärkt hatten, holten sie sich noch etwas zu trinken und gingen nun zu den einzelnen Ständen. Saruhiko kaufte sich einen Glücksbringer und gab auch Hinata einen, wobei er meinte, dass ein Glücksbringer vielleicht helfen könnte, verlorene Erinnerungen zurückzuholen. Etwas verlegen nahm Hinata das kleine Geschenk an und schließlich sahen sie sich die Show im Zentrum des Geländes an. Es war ein schöner Abend und Hinata hatte das Gefühl, als hätte er sich irgendwo schon mal genauso amüsiert. Nicht am Schrein, sondern irgendwo anders. Es war irgendwie seltsam. Der Schrein selbst sagte ihm überhaupt nichts, aber mit Saruhiko und Yusuke hier zu sein, mit ihnen zu reden und mit ihnen zu lachen, erschien ihm so, als wäre es etwas, was er vor seinem Gedächtnisverlust oft erlebt hatte. Und eine gewisse Traurigkeit überkam ihn, als er spürte, wie sehr er dieses Gefühl oder besser gesagt die Erinnerung an diese Zeit vermisste. Schließlich, als Yusuke sich kurz entschuldigte und zur Toilette ging, setzten sich Hinata und Saruhiko etwas weiter abseits, damit sie etwas Ruhe hatten. Es würde nicht mehr lange dauern, bis das Feuerwerk losgehen würde und sie hofften, dass Yusuke sich nicht allzu sehr Zeit ließ. „Saru, kann ich dich etwas fragen?“ „Klaro“, meinte der Rothaarige und sah Hinata neugierig an. Er merkte, dass seinen Senpai etwas beschäftigte und auch wenn er nicht wusste, was es war, machte er den Anschein, als würde er ihm nur zu gerne helfen wollen. Doch Hinata zögerte, denn er war immer noch sehr verunsichert, ob er nun darüber sprechen sollte oder nicht. Aber dann atmete er tief durch und beschloss, es wenigstens zu versuchen. Was hatte er denn schon zu verlieren? Saruhiko war ein sympathischer Kerl und er machte den Eindruck, als könnte man sich ihm anvertrauen. „Wenn du mit jemandem zusammenleben würdest, mit dem du etwas hattest und diese Person liebt dich immer noch, obwohl du dich nicht mehr an sie erinnern kannst, was würdest du tun?“ „Du warst mit jemandem zusammen und erkennst sie nicht wieder?“ Ein Nicken kam zur Antwort, woraufhin Hinata leise seufzte. „Das Problem ist, dass ich mit dieser Person zusammenlebe und nicht weiß, wie ich mich verhalten soll. Tut mir leid, wenn ich dich damit belaste, obwohl wir uns gerade erst kennen gelernt haben. Aber ich habe sonst niemanden zum Reden.“ Saruhiko betrachtete Hinata und schien wohl nachzudenken. Dann aber zog er ein klein wenig die Augenbrauen zusammen und fragte „Bist du etwa mit einem deiner beiden Mitbewohner zusammen?“ „So in etwa“, gab Hinata zu. „Es waren beide, aber jetzt im Moment ist da nichts zwischen uns. Ich meine, als ich im Krankenhaus aufwachte, waren sie Fremde für mich. Auch jetzt kommen sie mir noch so fremd vor. Ich dachte, ich könnte dich fragen, weil du… na weil…“ „Weil ich selber schwul bin?“ ergänzte der 21-jährige. „Schon in Ordnung. Ich hätte zwar nie gedacht, dass du echt mit zwei Typen zur selben Zeit zusammen wärst, aber heutzutage gibt’s halt die ungewöhnlichsten Sachen.“ „Dann verachtest du mich nicht dafür?“ fragte Hinata überrascht und konnte es kaum glauben. „Wieso sollte ich? Man liebt, wen man liebt und es gibt ja auch Leute, die in Gegenstände verliebt sind. Ich bin nur halt erstaunt, weil ich dich eher als schüchternen und zurückhaltenden Typen eingeschätzt habe. Aber wenn du meine Meinung hören willst: du solltest dir nicht so einen Kopf deswegen machen. Weder du noch die beiden könnt etwas dafür, darum sollte sich niemand ein schlechtes Gewissen machen. Natürlich ist es komisch, dass man sich nicht mal an den erinnern kann, mit dem man zusammen war. Ich an deiner Stelle würde versuchen, diese Person noch mal neu kennen zu lernen, je nachdem ob ich es will oder nicht. Es kann ja sein, dass sich dein Liebster als totaler Arsch entpuppt, obwohl du ihn vorher geliebt hast. Wer weiß… Mag zwar jetzt doof klingen, aber du solltest zu allererst an dich selber denken, bevor du an jemand anderen denkst. Denn wer nur an andere denkt, vernachlässigt sich selbst. Etwas Egoismus hat noch keinem geschadet und du musst für dich selber einschätzen können, ob du dich wieder auf diese Beziehung einlassen willst oder nicht. Du solltest dich mal selber reflektieren und dich fragen, was du willst. Kein Wenn und Aber und keine laschen Aussagen, sondern ganz klare Antworten. Klar ist das eine echt miese Situation und ich würde echt nicht mit dir tauschen wollen, aber bevor ich mich selbst noch komplett verrückt mache, sollte ich mich doch eigentlich fragen, was ich will und was nicht. In so einer Situation denke ich lieber erst an mich, denn ich bin immerhin derjenige, der komplett ohne Gedächtnis ist und mit diesem Problem klar kommen muss. Das kann mir keiner abnehmen. Das ist auch nicht egoistisch, sondern eher ein Akt der Selbsterhaltung. Was nützt es dir, deinen Kopf für andere zu zerbrechen, wenn du selbst gerade bis zum Hals in der Scheiße steckst?“ Saruhikos Rede hatte Hinata nachdenklich gestimmt. Er sollte zuerst an sich denken und dann erst an Katsuya und Takashi? Nun, so wie Saruhiko das erklärt hatte, klang es vernünftig. Er musste erst mal zusehen, dass es ihm selbst besser ging und wenn er sich ständig verrückt machte und an andere dachte, würde er immer total verunsichert sein, wenn er bei ihnen war. Und er glaubte auch, dass es nicht sonderlich gesund war, vor allem wenn er eh schon mit seiner Amnesie solche Probleme hatte. „Wie hast du es eigentlich geschafft, damit fertig zu werden, dass du nie wieder Motorrad fahren kannst, obwohl es dir so viel Spaß macht?“ „Man muss manche Dinge halt akzeptieren, wie sie sind und man darf nicht immer nur zurückblicken. Man muss nach vorne sehen, ansonsten kommt man nie voran. Wenn sich dir eine Tür verschließt, dann such dir halt eine neue, durch die du gehen kannst.“ Hinata bewunderte ihn wirklich dafür, dass er so dachte und sich durch nichts unterkriegen ließ. Nicht einmal, dass er nie wieder Auto oder Motorrad fahren könnte. Aber wahrscheinlich schaffte man so etwas mit einer positiven Lebenseinstellung. Das Gefühl war irgendwie seltsam, als er so mit Saruhiko sprach. Es kam ihm so vertraut vor, als würde er etwas erleben, was er vergessen hatte. Ein lauter Knall war zu hören und da leuchteten auch schon die ersten Lichter am dunklen Abendhimmel. Die erste Rakete war gezündet worden. Saruhiko sah auf sein Handy und wunderte sich „Wo bleibt denn Yu-chan so lange? Hat der vielleicht eine Verstopfung oder warum ist er noch nicht zurück? Er verpasst noch das ganze Feuerwerk!“ „Soll ich ihn eben suchen gehen?“ „Ach lass nur. Wenn er nicht rechtzeitig kommt, hat er eben Pech gehabt. Und außerdem…“ Saruhiko sprach nicht weiter und erst einen Moment später bemerkte Hinata, dass irgendetwas nicht stimmte. Das Gesicht des 21-jährigen war verzerrt und seine Arme begannen unkontrolliert zu zucken. Ja sein ganzer Körper schien plötzlich von heftigen Zuckungen befallen zu sein und Speichel lief ihm aus dem Mund. Es sah so bizarr und unwirklich aus, dass Hinata zunächst nicht verstand, was er da sah. Doch dann ergriff ihn die Panik, als er sah, dass das nicht gespielt, sondern echt war. „Saru!“ rief er erschrocken und sprang auf, als der 21-jährige in immer heftigere Zuckungen verfiel und dabei leise keuchte. Er hatte einen Krampfanfall! Hinata versuchte ihn festzuhalten und begann um Hilfe zu rufen, da er nicht wusste, was er tun sollte und was da gerade mit Saruhiko passierte. Unkontrolliert zuckte Saruhikos Körper wie eine Marionette und egal was Hinata auch tat, er schaffte es nicht, ihn irgendwie ruhig zu bekommen. Und als er auch noch Schaum vor dem Mund bekam, da wuchs die Panik des 20-jährigen nur noch weiter. „Ich brauche Hilfe“ rief er, doch durch die laute Musik und die Raketen drang seine Stimme kaum zu den Leuten durch, doch er hatte Angst, loszugehen und Saruhiko ganz alleine zu lassen. Doch zu seiner Erleichterung kam auch schon Yusuke wieder zurück. „Kazami!“ rief Hinata in Panik. „Hilf mir bitte. Saru hat einen epileptischen Anfall.“ „Lass mich mal…“ Seelenruhig packte der groß gewachsene Mechaniker seinen Freund und legte ihn auf den Boden und versuchte ihn auf die Seite zu legen und schien ganz die Ruhe selbst zu sein. Er schien nicht mal sonderlich erschrocken zu sein. „Geht es ihm gut?“ fragte Hinata mit zitternder Stimme. „Soll… soll ich einen Arzt rufen?“ „Nee, lass mal. Der wird schon wieder“, meinte Yusuke nur. „Das passiert mal, geht aber wieder vorbei.“ „W… wie jetzt das passiert mal? Soll das heißen, das ist schon öfter passiert?“ Yusuke blieb bei Saruhiko und prüfte kurz die Atmung. Und so langsam aber sicher ließ der Anfall wieder nach und der 21-jährige blieb schwer atmend auf dem Boden liegen, um sich erst mal davon zu erholen. „Saru ist Epileptiker“, erklärte Yusuke schließlich. „Als kleines Kind hatte er mal einen einzigen Anfall gehabt, aber danach war nie wieder etwas passiert. Erst als wir mit den Motorrädern unterwegs waren, bekam er diese Zuckungen und dann geschah der Unfall. Seitdem passiert so etwas immer häufiger. Mal hat er ein kurzes Zucken in den Armen oder in den Beinen, was recht schnell wieder vorbei geht, aber es kann auch schon mal ein richtiger Anfall wie jetzt sein. Aber er wird schon wieder.“ Das war also der Grund, dachte Hinata. Deshalb hatte er seinen Traum aufgeben müssen: weil er Epileptiker war. Doch wie konnte Yusuke nur so ruhig in so einer Situation bleiben, wenn sein bester Freund am ganzen Körper heftig zuckte und Schaum vor dem Mund bekam? Allein der Anblick war kaum zu ertragen. Schließlich aber, nachdem sich Saruhiko wieder gefangen hatte und sein Anfall vorbei war, setzte er sich auf und wischte sich mit einem Taschentuch den Mund ab. Er wirkte noch ein wenig benommen und auch ein wenig erschöpft. Besorgt ging Hinata zu ihm und half ihm, wieder aufzustehen. „Alles in Ordnung, Saru?“ „Ja… es geht wieder. Ich muss mich nur kurz setzen. Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe, Senpai.“ Saruhiko griff in seine Tasche und holte eine Medikamentenpackung heraus. Er nahm sich eine Tablette heraus und schluckte sie unzerkaut und trank danach noch einen Schluck Wasser. Als Hinata danach fragte, erklärte er „Ich nehme regelmäßig Medikamente, die heftige Anfälle vorbeugen sollen. Sie geben zwar keine hundertprozentige Garantie, aber sie minimieren das Risiko. Für Notfälle habe ich noch mal spezielle Medikamente, wenn ich einen Anfall hatte. Aber mir geht es schon besser, mach dir da mal keine Sorgen. Tut mir leid, wenn ich die Stimmung ruiniert habe.“ „Du kannst doch nichts dafür“, wandte Hinata sofort ein. „Ich war nur erschrocken, weil es so schlimm aussah. Hast du so etwas sehr oft?“ „So richtige Anfälle? Eher selten. Meistens sind es eher kurze Krämpfe in den Armen oder Füßen. Ein oder zwei Mal am Tag passiert das. Dann lasse ich mal was fallen, schlage irgendwo gegen ohne es zu wollen oder stürze, weil mein Bein plötzlich verrückt spielt. Das ist erst seit meinem Anfall auf dem Motorrad so und es wird langsam aber sicher schlimmer. Zumindest ist das mein Gefühl. Aber davon will ich mir auch nicht die Stimmung verhageln lassen. Es könnte wesentlich schlimmer sein. Hey, jetzt mach doch nicht so ein Gesicht, Senpai. Ich sterbe schon nicht daran. Ich versuch optimistisch zu bleiben und mich nicht unterkriegen lassen.“ Trotzdem war der Schock schwer zu verdauen und Hinata bekam dieses Bild nicht aus seinem Kopf, als er Saruhiko hilflos zuckend auf dem Boden liegen sah, während er ein fast schon schmerzvolles Keuchen von sich gab. Es war so schlimm gewesen, ihn in diesem Zustand zu sehen. Als er wieder daran dachte, spürte er, wie ihm die Tränen kamen. Als Saruhiko das sah, nahm er Hinata tröstend in den Arm, um ihn zu beruhigen. Diese sanfte und zärtliche Umarmung zu spüren, beruhigte den leicht aufgewühlten Kunststudenten und er empfand eine sonderbare Geborgenheit, als er in Saruhikos Armen lag. Als hätte er so etwas schon einmal erlebt. Nur mit jemand anderem… Kapitel 6: Saruhikos Vorschlag ------------------------------ Hinata war später als erwartet zurückgekehrt und wurde noch von Saruhiko begleitet, während Yusuke schon mal nach Hause fuhr. Nachdem sie trotz des unangenehmen Zwischenfalls trotzdem noch einen schönen Abend zusammen verbracht hatten, sah Saruhiko es als Ehrensache an, Hinata nach Hause zu begleiten. Sie redeten viel und lachten zusammen und dieser Schreck, den Hinata bei Saruhikos Anfall erlitten hatte, war auch wieder vergessen. „Es hat mir echt Spaß gemacht, Senpai“, sagte der 21-jährige gut gelaunt. „Das sollten wir definitiv noch mal machen, was denkst du?“ Hinata nahm das Angebot gerne an und fühlte sich richtig glücklich. Er hatte jetzt einen richtigen Freund, der ihn so nahm wie er war und der richtig nett war. Und mit Saruhikos Hilfe würde er endlich dieses alte, einsame Leben hinter sich lassen und nicht weiterhin dieser einsame und langweilige Hinata Amano sein, der er vor seiner Amnesie gewesen war. Als sie das Haus betraten, in dem Hinata wohnte, brannte noch Licht und sie hörten Geräusche aus dem Wohnzimmer. Offenbar waren die Zwillinge noch wach. Hinata überlegte einen kurzen Augenblick und wandte sich dann Saruhiko zu. „Möchtest du noch kurz reinkommen?“ „Na gerne doch!“ Als sie in Richtung Küche gingen, wo Hinata Getränke holen wollte, hörten sie Schritte und dann kam auch schon Katsuya auf den Flur, gefolgt von Takashi. Hinata fiel sogleich auf, dass Katsuya einen etwas verstimmten Eindruck machte. Als hätte er irgendwie schlechte Laune. Takashi hingegen schien normal so wie immer zu sein und grüßte sie mit seinem freundlichen Lächeln. Takashi grüßte seinerseits, wohl weil er nicht unhöflich erscheinen wollte, doch Katsuya enthielt sich dieser Floskeln und als Hinata in die Küche verschwand, blieb Saruhiko mit den Zwillingen zurück. „Ich hoffe, ihr seid mir nicht allzu böse, wenn ich euren Mitbewohner etwas länger als geplant in Anspruch genommen habe. Es war ein sehr ereignisreicher Abend gewesen.“ „Na Hauptsache, er hat seinen Spaß gehabt“, meinte Takashi dazu nur und versuchte Katsuyas miese Laune zu überspielen, um Hinatas Gast nicht zu vergraulen. „Im Moment braucht Hinata das am allermeisten.“ „Ach ich denke er hat sich gut amüsiert. Ihr habt wirklich einen süßen Mitbewohner.“ Hierauf verfinsterte sich Katsuyas Miene und augenblicklich verschränkte der jüngere Zwilling die Arme. Er sah nun aus wie ein angriffslustiger Hund, der die Zähne gefletscht hatte und ein bedrohliches Knurren von sich gab. „Was willst du damit andeuten?“ fragte er in einem Ton, der mehr war als nur eine einfache Frage. Es klang tatsächlich wie Drohgebärden. „Wenn du mit ihm befreundet sein willst, ist das eine Sache. Aber Hinata ist mit uns beiden zusammen also lass die Finger von ihm, kapiert?“ „Katsuya!“ ermahnte Takashi ihn. „Reiß dich mal ein bisschen zusammen.“ „Nein, jetzt wird mal Tacheles geredet!“ Saruhiko sah abwechselnd zu den Zwillingen, die gerade dabei waren, in einen Streit zu geraten. Er ahnte, dass die Stimmung allgemein sehr angespannt war und beschloss, besser von Anfang an mit offenen Karten zu spielen, um ein unnötiges Kriegsszenario zwischen ihnen dreien zu vermeiden. Außerdem hatte er es ohnehin lieber ehrlich und fair, wenn es schon um einen Kampf um die Liebe ging. „Es ist tatsächlich so, dass ich ein Auge auf ihn geworfen habe“, gab er ohne weiteres zu und da hielt sogar Takashi teils erschrocken, teils fassungslos inne, als diese Worte fielen. „Ich habe mich in ihn verliebt und ich weiß natürlich auch davon, dass ihr ebenfalls Gefühle für ihn habt. Allerdings habt ihr das Problem, dass er sich nicht an euch erinnert und deshalb auch seine Gefühle für euch unklar sind. Streng genommen seid ihr gar kein Paar mehr, wenn er euch nicht mehr kennt und auch nichts für euch empfindet. Ich erwarte nicht, dass ihr mit Begeisterung reagiert, dass ich etwas für Senpai empfinde, aber ich will auch nicht, dass wir uns gegenseitig die Köpfe einschlagen. Letzten Endes wird Senpai der Leidtragende unseres Streits sein. Deshalb will ich es lieber fair lösen: wir kämpfen nach den Bro-Regeln um Hinata Amanos Herz.“ „Was erzählst du da für einen Müll?“ rief Katsuya. „Und was interessieren mich deine scheiß Regeln? Du lässt gefälligst deine Pfoten von Hinata, oder ich…“ Doch da ging Takashi dazwischen, der zwar auch alles andere als begeistert war, aber wesentlich vernünftiger reagierte als Katsuya, der seinerseits auf 180 war und Saruhiko wohl noch in der Luft zerrissen hätte, wenn er die Chance dazu gehabt hätte. „Was meinst du mit den Bro-Regeln?“ wollte er wissen und als Katsuya protestieren wollte, brachte er ihn zum Schweigen, damit er Saruhikos Erklärung hören konnte. „Wenn zwei Bros in dasselbe Mädchen verliebt sind, dann daten sie es beide so lange, bis sich das Mädchen auf einen festlegt und der andere, der den Kürzeren zieht, räumt freiwillig das Feld. Ich kann eure Gefühle verstehen, aber ich will ebenso seine Liebe wie ihr beide. Wir können uns um ihn streiten, aber das wird nur dazu führen, dass er alles abbekommt und der Leidtragende ist und das will ich vermeiden. Ich hasse einen unfairen und schmutzigen Kampf, auch wenn es heißt, dass in der Liebe alles erlaubt sei. Ich möchte es lieber fair haben und schlage deswegen vor, dass wir ihn daten, bis er sich entweder in mich oder in euch verliebt. Wenn er sich wieder in euch verliebt ganz egal ob mit oder ohne Erinnerungen, dann gebe ich mich geschlagen und werde auch nicht versuchen, euch in die Parade zu fahren. Aber wenn er sich in mich statt in euch verliebt und mit mir zusammen sein will, dann müsst ihr ihn gehen lassen.“ Einen Moment lang schwiegen die beiden Brüder und es war erst schwer zu sagen, was sie darüber dachten. Doch dann verfinsterte sich Katsuyas Miene noch weiter und er warf Saruhiko einen tödlichen Blick zu. „Du erwartest doch nicht etwa allen Ernstes…“ Doch bevor er weitersprechen konnte, hatte Takashi ihn mit einer Handgeste zum Schweigen gebracht. Er trat nun vor und sein Gesichtsausdruck wirkte ernst. „Dann läuft das also auf eine Art Wettkampf hinaus, wer Hinatas Herz erobert?“ „So ist es“, bestätigte der 21-jährige. „Und der Verlierer wird ihn aufgeben müssen. Denkt über meinen Vorschlag nach, es ist kein Muss. Ich möchte nur, dass jeder die gleichen Chancen bekommt und wir fair um ihn kämpfen, ohne uns gegenseitig den Hals umzudrehen und die Augen auszukratzen. Es würde nur darauf hinauslaufen, dass Senpai darunter leidet und sich schlecht fühlt. Damit wäre niemandem geholfen und so kriegt jeder eine faire Chance.“ Als Hinata zurückkam, war das Gespräch damit beendet und als dieser zusammen mit Saruhiko in sein Zimmer ging, um noch ein bisschen mit ihm zu reden, zogen sich die Zwillinge ins Wohnzimmer zurück, wo sie gerade zusammen Highschool DxD ansahen. Doch keiner von ihnen konnte sich so wirklich auf die Handlung konzentrieren, vor allem nicht Katsuya. Er war immer noch wütend und funkelte seinen älteren Bruder finster an. „Du denkst doch nicht im Ernst darüber nach, auf diesen Penner zu hören, Takashi. Hinata ist mit uns zusammen und wir waren zuerst mit ihm zusammen.“ „Sieh doch endlich mal den Tatsachen ins Auge, Katsuya. Er hat Recht. Wir sind nicht mehr mit Hinata zusammen. Zwar wohnt er noch mit uns unter einem Dach und isst zusammen mit uns, aber er erinnert sich nicht an uns und er hat auch seine Gefühle zu uns vergessen. Was willst du schon machen?“ „Dafür sorgen, dass er Hinata in Ruhe lässt.“ „Und darin liegt das Problem: Hinata mag ihn und er wünscht sich so sehr einen Freund. Sollen wir ihm das verbieten und ihm die Chance nehmen, Freunde zu finden? Wären wir da nicht besser als sein Vater? Nein, Katsuya. Wenn wir das tun, wird sich Hinata nur noch mehr von uns abwenden und das können wir nicht riskieren. Stell dir mal vor, du gehst Saruhiko an den Kragen und Hinata wird dann an seinen Vater erinnert. Dann hat er Angst vor uns und wir kommen gar nicht mehr an ihn heran. Mir gefällt es ja auch nicht, aber was sollen wir machen, wenn wir Hinata nicht verlieren wollen?“ „Aber das ist nicht fair!“ rief Katsuya. „Wir waren zuerst mit Hinata zusammen und wir haben so viel gemeinsam erlebt. Und dann taucht plötzlich dieser Saruhiko Yagi auf und drängt sich plötzlich dazwischen. Was sollen wir denn jetzt machen, Takashi? So wie sich Hinata mit ihm versteht, werden wir noch diejenigen sein, die verlieren werden. Scheiße!“ Takashi legte eine Hand auf Katsuyas Schulter und nickte verständnisvoll. Zwar war er derjenige, der ruhig blieb, aber das bedeutete nicht, dass ihn nicht dieselben Ängste quälten. Auch er wollte Hinata nicht verlieren und er wollte auch nicht so leicht aufgeben. „Wir machen es so, wie wir es am Anfang gemacht haben“, schlug er deshalb vor. „Wir beide daten Hinata einzeln und geben ihm die Möglichkeit, uns besser kennen zu lernen. Wir halten uns zurück und gehen es langsam und mit Fingerspitzengefühl an. Guck du für heute erst mal deinen Ecchi weiter und überlege dir, was du mit Hinata unternehmen willst und ich setze mich gleich mal an meinen Computer und schau mal nach, ob es eine Möglichkeit gibt, dass Erinnerungen leichter zurückholen kann. Vielleicht haben wir ja eine Chance und können das als Vorteil gegenüber Hinatas Kohai nutzen.“ Dieser Vorschlag munterte Katsuya wesentlich auf und er war von dem Vorschlag begeistert. Damit war die Stimmung etwas gerettet und so ließ er seinen Bruder erst mal alleine im Zimmer und wollte dann in sein eigenes Zimmer gehen, doch vorher beschloss er, wenigstens einmal kurz bei Hinata vorbeizuschauen. Vorsichtig klopfte er an die Tür und als er eintrat, sah er, dass der 20-jährige auf seinem Bett saß und gerade einen Stapel Fotos durchschaute. Er wirkte sehr nachdenklich. „Hinata?“ fragte Takashi. „Alles in Ordnung bei dir?“ „Ich weiß nicht“, gestand der Kunststudent und schaute von seinen Fotos auf. „Irgendwie scheint alles so durcheinander in meinem Kopf zu sein.“ „Ja, das ist aber auch mehr als verständlich“, bestätigte Takashi und trat langsam näher. „Und das kann dir auch leider niemand abnehmen. Aber versuche dich nicht allzu sehr unter Druck zu setzen.“ „Ja das sagen mir alle“, seufzte Hinata niedergeschlagen. „Aber wenn ich mir diese vielen Fotos ansehe… Ich sehe darauf so glücklich aus und nun wirkt das alles so fremd und unwirklich auf mich, als wäre das niemals passiert. Und als ich heute mir Saru auf dem Fest war und wir so viel Spaß zusammen hatten, da hatte ich irgendwie das Gefühl, das alles schon mal erlebt zu haben.“ „Es kam dir bekannt vor, ohne dass du dich direkt erinnert hast.“ Hinata nickte und seufzte niedergeschlagen. „Und ich weiß einfach nicht, was ich jetzt tun soll. Auf der einen Seite möchte ich mich an diese glücklichen Momente erinnern und dieses Glück erleben, das ich vergessen habe. Aber auf der anderen Seite habe ich Angst vor den schlimmen Dingen. Ich meine, es muss doch einen Grund haben, wieso ich nicht nur einen Teil, sondern all meine Erinnerungen verloren habe.“ Takashi bemerkte, dass Hinata jetzt dringend emotionalen Halt brauchte und setzte sich deshalb zu ihm. Zuerst wollte er einen Arm um ihn legen, entschied sich aber dann doch lieber für eine etwas diskretere Geste, um den Kunststudenten nicht noch mehr zu verunsichern und nahm stattdessen nur seine Hand. „Du hast eine sehr schwere Kopfverletzung erlitten, das ist der einzige Grund, warum du das alles vergessen hast. Und dass du Angst hast, verstehe ich sehr gut. Du hast in deiner Vergangenheit viel durchgemacht und dass du dich nicht an diese Dinge erinnern willst, würde jeder andere verstehen. Und selbst wenn du dich erinnerst, kannst du immer noch einen Neuanfang machen. Es liegt ganz allein bei dir was du willst. Katsuya und ich werden dich auf jeden Fall unterstützen, wenn wir können. Und wir stehen dir auch bei, wenn du mit bestimmten Erinnerungen nicht umgehen kannst.“ Doch Hinata war in dem Moment so durcheinander, dass er gar nicht wusste, was er wollte. Also bedrängte Takashi ihn auch nicht weiter und ließ ihn für heute erst einmal in Ruhe, damit er in Ruhe darüber schlafen konnte. Also wünschte der ältere Zwilling ihm eine gute Nacht und ging dann in sein eigenes Zimmer und setzte sich sogleich an seinen Computer und schaltete ihn ein. Zwar war er sich nicht hundertprozentig sicher, dass er etwas finden würde, aber er wollte es zumindest nicht unversucht lassen. Irgendwo hatte er auch mal aufgeschnappt gehabt, dass es Methoden gab, um Erinnerungen zu fördern. Und vielleicht konnte er diese Möglichkeiten in seinen Plan einbauen, Hinata auf dieselbe Weise noch mal zu erobern wie beim ersten Mal. Takashi durchsuchte knapp zwei Stunden das Internet nach verschiedenen Möglichkeiten und wurde auch tatsächlich fündig. Wie er erfuhr, konnten Erinnerungen mithilfe von Musik gefördert werden. Musik oder Geräusche wurden oft mit bestimmten Sinneseindrücken oder Erinnerungen verbunden und so konnten sich Menschen leichter erinnern. Nun galt es nur noch zu überlegen, was für eine Musik Hinata helfen würde. Tatsache war, dass er nicht so wirklich der Typ Mensch war, der sehr viel Musik hörte, er war eher der Zeichner und Leser. Aber einen Versuch war es ja wert. Und wo er schon etwas zu Geräuschen las, musste er wieder an die Orte denken, an denen er und Katsuya ihren jeweiligen besonderen Moment mit Hinata erlebt hatten. Der Onsen ihrer Familie, wo nachts die Zikaden zu hören waren… und der Strand von Kamakura. Zwar war die Saison inzwischen vorbei, aber vielleicht klappte es ja. Es war zumindest einen Versuch wert, auf jeden Fall würden sie beide alle Register ziehen, um Hinatas Erinnerungen zurückzuholen und sein Herz ein zweites Mal zu gewinnen. Leicht würde es vielleicht nicht werden, aber es war die Mühe wert. Nachdem es langsam spät wurde, schaltete Takashi den Computer aus, zog sich um und legte sich ins Bett. Doch so wirklich kam er nicht zur Ruhe. Seine Gedanken kreisten um Hinata und diesem Saruhiko, aber vor allem auch um Katsuya. Er wusste, dass Katsuya am allermeisten unter dieser Situation litt und sich immer noch schwere Vorwürfe machte, dass er Hinata an diesem Morgen nicht aufgehalten hatte, als dieser nach Fukuoka zurückgekehrt war, um seinen Vater zu sehen. Und nun wusste er einfach nicht, wie er damit umgehen sollte, dass Hinata sich an rein gar nichts erinnerte. Er war ziemlich überfordert und die Sache mit Saruhiko verunsicherte ihn noch obendrein. Und wenn er sich weiterhin so verkrampft verhielt, würde es nur darauf hinauslaufen, dass er sich absolut danebenbenahm und Hinata dann umso mehr abgeschreckt von ihm war. Er musste morgen auf jeden Fall noch mal in aller Ruhe mit ihm reden und mit ihm seinen Plan besprechen. Vielleicht würde Katsuya dann wenigstens ein bisschen entspannter werden, nachdem er schon in den letzten Tagen so verkrampft gewesen war. Hinata war schließlich auch zu Bett gegangen, doch er hatte immer noch die Fotos bei sich und betrachtete sie die ganze Zeit in der Hoffnung, dass ihm irgendetwas wieder einfallen würde. Doch egal wie sehr er sich auch anstrengte, sein gesamtes Gedächtnis war immer noch wie eine leere, weiße Leinwand. Schließlich gab er es auf und legte die Bilder auf das kleine Nachtschränkchen neben dem Bett. Es hatte eh keinen Sinn, sich das Hirn zu zermartern. Also legte er sich hin, doch nach Einschlafen war ihm nicht wirklich zumute. Er war einfach zu unruhig und musste an das Fest denken. Ihn ließ einfach dieses Gefühl nicht los, was er gehabt hatte, als er zusammen mit Saruhiko dagesessen und das Feuerwerk betrachtet hatte. Diese Stimmung, die zwischen ihnen geherrscht hatte, war ihm so vertraut vorgekommen. Es hatte so ein angenehmes Gefühl der Geborgenheit bei ihm ausgelöst und er wollte sich so sehr daran erinnern, wann er dieses Gefühl verspürt hatte, doch da war einfach nichts. Seine Brust schnürte sich zusammen und Tränen sammelten sich in seinen Augen. Er fühlte sich in diesem Moment furchtbar einsam und eine furchtbare Angst überkam ihn, dass er sich vielleicht niemals wieder an sein altes Leben erinnern konnte. Er hatte schon von einem Mann gehört, der ohne Gedächtnis aufgewacht war, von niemandem vermisst wurde und sich selbst nach knapp zehn Jahren an nichts erinnern konnte. Was, wenn mit ihm dasselbe passieren würde und er sich nie wieder erinnerte, nicht einmal an seinen eigenen Namen? Was sollte er dann machen? Nichts über die eigene Vergangenheit zu wissen, war beängstigend und hinterließ ein furchtbares Gefühl der Hilflosigkeit. Es war ja schon schlimm genug, dass er sich in Tokyo verirrt hatte und nicht einmal mehr wusste, wo die Uni war. Stattdessen war er die ganze Zeit auf andere angewiesen, weil er sich nicht mal selber helfen konnte. Und das war schon beschämend genug und ließ bei ihm ein schlechtes Gewissen zurück. Insbesondere weil vor allem die Zwillinge ihm immer im Krankenhaus besuchen kamen und ihn auch noch bei sich wohnen ließen. Er wusste, dass sie Gefühle für ihn hatten und hielt sie auch noch hin. Irgendwie kam er sich vor, als würde er sie nur ausnutzen, ohne es wirklich zu wollen. Aber die Frage war, was er machen sollte. Sich einen Aushilfsjob suchen und ausziehen? Das war leicht gesagt, aber realistisch schwierig umzusetzen. Und was genau sollte er stattdessen tun? Er dachte wieder an die Zwillinge und fragte sich, was ihn eigentlich genau davon abhielt, ihnen zumindest eine Chance zu geben. Immerhin waren sie wirklich nett zu ihm und taten alles Mögliche, um ihm zu helfen. Nun gut, Takashi konnte sich ein wenig wie eine Mutter aufführen und Katsuya war pervers, aber sie waren die ganze Zeit für ihn da gewesen. War es da nicht fair, wenn er ihnen zumindest eine Chance gab, sie näher kennen zu lernen? Eigentlich schon, aber ihm machte die Vorstellung Angst, dass er mit den beiden tatsächlich in einer Dreierbeziehung gewesen sein sollte. Wie sollte das denn überhaupt funktionieren? Die beiden waren doch Zwillingsbrüder, normalerweise war es da doch mehr als seltsam, wenn sie sich denselben Partner teilten. Wechselten sie sich da etwa jedes Mal ab, oder wie? In diesem Moment kam Hinata wieder der Kalender in den Sinn. Innerhalb der Woche hatten sich die beiden tatsächlich abgewechselt, aber Sonntag und Montag hieß es eindeutig „beide“. War es dann etwa wirklich auf einen Dreier im Bett hinausgelaufen? Hinata versuchte sich das irgendwie vorzustellen, doch es endete nur damit, dass er es lieber nicht wissen wollte. Aber da drängte sich etwas in seinen Kopf. Eine vage Erinnerung, in welcher er vor Angst geheult hatte, als die Zwillinge mit ihm schlafen wollten. Doch wie passte das mit den Fotos zusammen? Hinata wusste nicht weiter und zog die Decke über den Kopf. Er wusste überhaupt nicht, was er tun sollte und wünschte sich, irgendjemand könnte ihm diese Entscheidung abnehmen und ihm helfen. Kapitel 7: Feuchte Träume ------------------------- Als Hinata zu träumen anfing, war es bereits mitten in der Nacht und er lag eingerollt in seinem Bett. Es war ein Traum, den er noch nie zuvor gehabt hatte und er fing sehr unklar an. Als er in seinem Traum die Augen öffnete, war es dunkel und er konnte nicht erkennen, wo er war. Es war, als wäre alles hinter einem undurchsichtigen dunklen Schleier verborgen, aber obwohl alles rabenschwarz war, schien es trotzdem irgendwo eine Lichtquelle zu geben. Er saß auf einem sehr großen Bett und trug nichts als ein Hemd, welches ihm gut zwei Nummern zu groß war und wahrscheinlich als eine Art Nachthemd diente. Orientierungslos sah er sich um und wusste nicht wo er war. Für einen Moment fühlte er sich verunsichert und die Tatsache, dass er ganz alleine an diesem Ort war, machte ihm Angst. Warum war er alleine? Wieso war niemand bei ihm? Er fühlte sich einsam und im Stich gelassen und begann zu weinen. Doch da spürte er plötzlich, wie jemand ihn in den Arm nahm und ihn tröstend an sich drückte. „Du brauchst nicht weinen, wir sind ja bei dir.“ Wir? Hinata schaute sich verwundert um und sah tatsächlich, dass da zwei Personen bei ihm waren. Einer zu seiner Rechten und einer zu seiner Linken. Doch er konnte sie nicht erkennen. Sie waren zwar vorhanden und er konnte ihre Berührungen spüren, aber er sah weder das Gesicht, noch irgendwelche anderen Merkmale. Es war, als wären es nur zwei verschwommene Schatten. Nicht einmal die Stimme vermochte er zu erkennen. Zuerst war er erschrocken und hatte Angst vor den beiden, doch sein Körper war wie erstarrt und er konnte sich nicht bewegen. Er zitterte ein wenig, dabei war es nicht einmal kalt hier. Sein Atem ging schneller und ihm war, als stünde er vor einer Panik, doch da strich eine Hand sanft über seine Wange und beruhigend sprach die andere Person „Du brauchst keine Angst zu haben. Es wird dir nichts Schlimmes passieren.“ „Wer seid ihr?“ fragte Hinata. „Und wo bin ich? Was passiert hier?“ „Lass dich einfach fallen und hör auf, die über all diese Dinge Gedanken zu machen“, sprachen beide nun, ohne auf seine Frage zu antworten. Er ahnte auch, dass er wahrscheinlich nicht erfahren würde, wer die beiden waren. Es gab einen plötzlichen Sprung in seiner Traumsequenz, denn plötzlich lag er nackt auf der Matratze und seine Handgelenke waren auf seinem Rücken gefesselt. Ein seltsames Gefühl hatte von seinem Körper Besitz ergriffen und es fühlte sich wie ein merkwürdiges Kribbeln an. Sein Kopf war auf dem Schoß einer der Schattengestalten gebettet und eine Hand streichelte zärtlich seinen Kopf. Hinata versuchte zu verstehen, was hier passierte, doch sein Verstand fühlte sich so nebelig und träge an. Es erschien ihm fast unmöglich, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, so als wäre er einfach nur müde und erschöpft. „Was… passiert hier?“ murmelte er doch selbst das Sprechen gelang ihm nur mit Mühe. Er erkannte die andere Schattengestalt, die ihn nun auf den Rücken drehte und seine Beine anwinkelte. „Was habt ihr mit mir vor?“ Sie antworteten nicht auf seine Frage. Stattdessen begann nun der Erste, auf dessen Schoß Hinatas Kopf lag, über seine Brust zu streicheln und dabei seine Brustwarzen zu umspielen. Hinata begriff nicht, warum das geschah und eigentlich müsste er entsetzliche Angst empfinden. Immerhin kannte er diese beiden schattenhaften Silhouetten doch gar nicht und er konnte sich nicht einmal von seinen Fesseln befreien. Doch seltsamerweise hatte er keine Angst. Zwar war er immer noch verwirrt und verstand nicht, wieso das hier gerade mit ihm passierte, aber die Berührungen dieser beiden hatte etwas Vertrautes an sich. Er wusste instinktiv, dass er keine Angst zu haben brauchte, weil er ihnen vertrauen konnte. Also versuchte er auch gar nicht, sich zur Wehr zu setzen und ließ es einfach geschehen, auch wenn er nicht wusste, worauf das Ganze hinauslaufen würde. „Wir lieben dich, Hinata“, hörte er die erste schattenhafte Gestalt flüstern. „Und wir werden dich niemals alleine lassen.“ Er wollte etwas sagen, doch irgendwie hatte er seine Fähigkeit zum Sprechen verloren. Stattdessen konnte er nichts anderes tun, als all dies geschehen zu lassen. Als er aber plötzlich spürte, wie die zweite Gestalt seine Hoden zu massieren begann und seinen Penis mit dem Mund zu verwöhnen begann, da entfuhr ihm ein lautes Keuchen und er wollte sich wegdrehen, doch er wurde sanft aber dennoch bestimmend auf die Matratze gedrückt. Hinata spürte, wie das seltsame Kribbeln in seinem Körper immer stärker wurde, genauso wie die Luft und Erregung. Es fühlte sich so gut an, doch etwas in ihm wehrte sich dagegen. Deswegen versuchte er erneut, sich dagegen zu wehren und schaffte es auch, ein „Nein, nicht…“ hervorzubringen, doch die beiden hörten nicht auf seine Einwände. So als ob sie beiden genau wussten, dass seine Proteste nur halbherzig waren. „Wir werden dafür sorgen, dass du dich noch viel besser fühlst. Und wir werden es so lange tun, bis du genug hast.“ „W-was? Aber…“ Bevor er weiter protestieren konnte, fuhr der zweite damit fort, ihn oral zu befriedigen, während der andere Hinata festhielt, sodass sich dieser nicht aus der Affäre ziehen konnte. Der 20-jährige versuchte erst noch, sich irgendwie herauszuwinden, weil er nicht wusste, wie er mit dieser Situation umgehen sollte und als erstes instinktiv an Flucht denken musste. Doch kurz darauf war es auch schon zu spät, als er zu seinem Orgasmus kam und ihm kurzzeitig das Bewusstsein schwand. Zuerst dachte er, dies sei der Moment, wo er wieder aufwachen würde, doch dem war nicht so. Stattdessen gab es einen weiteren plötzlichen Sprung in seinem Traum und er lag nicht mehr auf dem großen Bett in der Dunkelheit. Nein, die Dunkelheit was plötzlich weißem Licht gewichen und er konnte so etwas wie Meeresrauschen hören. Er verstand nicht so wirklich warum es plötzlich diesen Wechsel gab und wie lange er weggetreten war. Doch diese Umgebung war ihm wesentlich lieber. Auch wenn er nichts sehen konnte, fühlte er sich wesentlich wohler und es er hatte plötzlich das Gefühl, sehr glücklich zu sein. Er fühlte sich glücklich und wollte am liebsten wieder für immer hier bleiben. Es war warm und ruhig… Eine Hand streichelte seine Wange und als er aufschaute, sah er wieder diese beiden schattenhaften Gestalten, die er nicht erkennen konnte. „Wo sind wir hier?“ Verwirrt schaute sich Hinata um, auch wenn er wusste, dass es nutzlos war. Doch er wunderte sich, warum er nichts erkennen konnte. Lag es vielleicht an seinen fehlenden Erinnerungen? Vor allem wunderte er sich, warum ihm diese beiden schattenhaften Gestalten nie eine Antwort auf seine Fragen gaben. „Wir sind noch nicht fertig, Hinata“, sprachen sie und halfen ihm, sich aufzusetzen. „Der Spaß hat doch nicht mal angefangen.“ Hinata schwieg und bemerkte, wie er wieder in diese vollkommen passive Rolle hineinrutschte, in welcher er den beiden bedingungslos gehorchte, ohne sich zu wehren. Warum eigentlich? Wer waren die beiden und warum machten sie so etwas überhaupt mit ihm? Ehe sich der 20-jährige versah, kniete er auf allen Vieren und bemerkte erst einen Moment später, dass sein rechter Arm gar nicht bandagiert war. Nein, er war vollkommen heil. War er schon vor diesem plötzlichen Sprung in seinem Traum heil gewesen? Er konnte sich nicht erinnern aber da seine Hände auf dem Rücken gefesselt gewesen waren, musste es so sein. „Wir werden dafür sorgen, dass du dich noch viel besser fühlst, Hinata. Spreiz deine Beine noch ein wenig.“ Obwohl er sich nicht ganz sicher war, was nun folgen würde, tat er, was die beiden ihm sagten und sogleich spürte er eine Hand an seinem Hintern. Zuerst erschrak er und versuchte dieser Hand auszuweichen, doch da war plötzlich die andere Gestalt direkt vor ihm und legte eine Hand auf seinen Kopf und streichelte ihn. „Keine Angst, wir werden dir nichts Schlimmes antun.“ „Aber warum macht ihr das mit mir?“ „Weil wir…“ Die restlichen Worte verstand Hinata nicht oder zumindest wollte sein Verstand diese Information nicht verarbeiten. Auch später nach dem Aufwachen konnte er sich nicht an diese Worte erinnern. Er sah wie die Gestalt vor ihm die Hose öffnete und kurz darauf ein erigierter Penis zum Vorschein kam. Etwas erschrocken schaute Hinata zu dem geheimnisvollen Unbekannten auf, konnte aber immer noch nicht sein Gesicht erkennen. „Du weißt, was du tun musst, Hinata.“ Und seltsamerweise wusste er es. Zwar war er sich nicht hundertprozentig sicher, doch etwas regte sich in ihm. Es war etwas Instinktives, so als wusste allein sein Körper, was nun zu tun war. Er öffnete seinen Mund und schloss seine Augen, als der Fremde sein Glied in seinen Mund eindringen ließ. Es kostete Hinata im ersten Augenblick ein klein wenig Überwindung und er hatte auch erst große Schwierigkeiten mit der Atmung, aber zum Glück wurde er nicht mit Gewalt gedrängt, sondern bekam die Möglichkeit, sich an diese Situation zu gewöhnen. „Bleib ganz ruhig, entspann dich und versuch durch die Nase zu atmen.“ Hinata versuchte der Aufforderung so gut es ging nachzukommen, doch es machte ihn ein wenig nervös, was die andere Gestalt hinter ihm machte. Als er spürte, wie sich zwei Finger durch seinen Schließmuskel schoben, erschrak er kurz, riss die Augen auf und verkrampfte sich, doch eine Hand strich beruhigend durch sein Haar und flüsterte „Shhhht, alles in Ordnung. Entspann dich und genieß es. Gleich wird es sich noch sehr gut anfühlen, vertrau uns.“ Und diese zärtliche und liebevolle Geste war es, die ihn sofort wieder beruhigte und ihm die Angst nahm. Er war sicher und es konnte ihm nichts Schlimmes passieren. Vorsichtig drangen beide Finger tiefer ein und verursachten ein anfangs seltsames Gefühl bei ihm, doch er gewöhnte sich relativ schnell daran und stellte fest, dass es tatsächlich nicht so schlimm war wie zunächst befürchtet. „Du machst das sehr gut, Hinata“, lobten sie ihn. „Bleib ganz entspannt und lass dich einfach fallen. Denk einfach nicht darüber nach.“ Kurz darauf fühlte er, wie die beiden Finger sich wieder entfernten und für einen Moment geschah nichts und Hinata wunderte sich, ob das etwa schon alles gewesen war. Doch dann drückte sich etwas anderes durch seinen Schließmuskel. Es war wesentlich größer als zwei Finger und es fühlte sich heiß an. Der Druck wurde immer stärker, doch es tat nicht weh. Als eine Hand zärtlich über seinen Rücken streichelte, wich auch die erste Anspannung und stattdessen spürte er die deutlich wachsende Erregung, die von seinem Körper Besitz ergriff. Zwei Hände packten seine Hüften und hielten sie fest, während die zweite schattenhafte Person immer tiefer in ihn eindrang und langsam zuzustoßen begann. Hinatas Hände verkrallten sich in die Decke und für einen Moment war ihm, als würde jeden Augenblick wieder sein Bewusstsein schwinden. Es war ein unbeschreiblich gutes Gefühl und ihm war, als würde sein Körper jeden Augenblick dahinschmelzen. Seine Erregung wurde immer stärker und als sich eine Hand um seinen mittlerweile steinharten Penis legte und ihn zu massieren begann, wurde dieses Gefühl immer intensiver und er verlor sich gänzlich in diesem Gefühl und vergaß all seine Gedanken, die ihn bis dahin beschäftigt hatten und wollte auch an nichts mehr denken. Für einen Moment überkam ihn sogar der Wunsch, dass dieser Moment ewig währte und er nicht mehr in diese Welt zurückkehren musste, in der er sich so hilflos ohne seine Erinnerungen fühlte. Die Stöße wurden immer kraftvoller und schneller und trafen immer genau diesen einen ganz besonderen Punkt, der ihn in Ekstase trieb. Dann schließlich entfernte sich plötzlich der erste schließlich aus seinem Mund und ergoss sich über Hinatas Gesicht. Im selben Moment spürte, wie ein heißer Strom sein Innerstes durchströmte, als der andere zu seinem Orgasmus kam. Keuchend lag Hinata auf dem Bett und fühlte sich ein wenig benebelt. „Na so was, er ist nicht gekommen“, stellte der eine fest und sah seinen Kameraden an. „Scheint so als hätte das noch nicht gereicht.“ „Mensch ist er unersättlich… Na dann werde ich wohl die nächste Runde machen, nachdem du schon deinen Spaß hattest.“ Hinata wurde schließlich auf den Rücken gedreht und seine Beine angewinkelt. Er war noch nicht vollständig auf der Höhe, als er spürte, wie erneut jemand in ihn eindrang und ihn voll und ganz vereinnahmte. Er stöhnte laut auf und hatte das Gefühl, als würde er jeden Moment in dieser Flut aus Reizen und unbeschreiblicher Lust ertrinken. Es brauchte nicht viel, bis er endlich den erlösenden Orgasmus erlebte und damit fürs erste befriedigt war. Keuchend lag er da und sah, wie die beiden schattenhaften Gestalten sich gegenseitig ansahen und kicherten. „Er ist wirklich zu süß, unser Hinata.“ „Das stimmt. Ich könnte ihn die ganze Nacht durchnehmen…“ „Warum nicht? Klingt doch nach einer super Idee!“ Doch da versank alles im tiefen Dunkel und Hinatas Traum endete an dieser Stelle. Mit pochendem Herzen, schweißgebadet und mit hochrotem Kopf fuhr Hinata aus seinem Bett hoch und war im ersten Moment vollkommen geschockt darüber, was er geträumt hatte. War das etwa wirklich passiert und er hatte allen Ernstes einen Sextraum gehabt? Aber warum und wer waren diese seltsamen Schattengestalten? Bevor er sich deswegen aber Gedanken machen konnte, spürte er etwas in seiner Unterhose und er brauchte nicht wirklich zu raten um zu wissen, was das bedeutete: er hatte allen Ernstes im Schlaf einen Orgasmus gehabt. Bloß von einem Traum! Gab es so etwas überhaupt? Großer Gott, war das peinlich. Das durften Katsuya und Takashi bloß nicht erfahren. Das war ja schon beschämend genug, dass ihm so etwas passieren musste. Das Beste war, er ging schnell und auf leisen Sohlen ins Bad, bevor die Zwillinge aufwachten und etwas mitbekamen. Schnell sprang Hinata aus seinem Bett, holte aus seiner Kommode eine frische Unterhose und schlich auf Zehenspitzen ins Bad, hörte aber schon durch den geöffneten Türspalt etwas: Meeresrauschen. Verwirrt folgte er dem Geräusch und stellte fest, dass das Geräusch aus Takashis Zimmer kam. Die Tür war geöffnet und der ältere Zwilling war offenbar am Schreibtisch eingeschlafen. Und dieses Meeresrauschen war wahrscheinlich eine Musikdatei, die in Dauerschleife spielte. Hinata beschloss, gleich bei ihm vorbeizuschauen, nachdem er sich erst mal um sein eigenes Problemchen gekümmert hatte. Im Bad begann er sich aber zu fragen, ob dieses Meeresrauschen vielleicht für seinen seltsamen Traum verantwortlich gewesen war. Immerhin hatte es irgendetwas Vertrautes, als hätte er es schon mal erlebt. Und dieses Geräusch der Wellen und Möwen hatte ohnehin schon etwas sehr angenehmes. Es beruhigte ihn und gab ihm auch ein gewisses Glücksgefühl. Aber bekam man gleich davon irgendwelche erotischen Träume? Er wusste es nicht und fühlte sich damit auch ein wenig überfordert. Diese ganze Situation überforderte ihn ohnehin schon, weil er sich an nichts erinnerte und Katsuya und Takashi offensichtliches Interesse an ihm hatten. Und er konnte ihnen nicht einmal sagen, was er für sie fühlte. Er fühlte sich in ihrer Nähe so unsicher und unter Druck gesetzt, obwohl sie nichts dergleichen taten. Aber er hatte halt das Gefühl, als müsse er ihnen unbedingt so bald wie möglich eine Antwort geben. In diesem Moment musste er für einen kurzen Moment an Saruhiko denken. Dieser war immer zuversichtlich und entspannt. Den würde nichts aus der Fassung bringen. Vielleicht wäre es besser, wenn er mehr wie Saruhiko wäre und sich nicht immer so viele Gedanken machen würde. Sich um nichts sorgen, sich einfach fallen lassen… Die Stimmen der beiden schattenhaften Gestalten hallten selbst jetzt noch in seinem Kopf nach. Doch er konnte sie einfach nicht zuordnen. Sie klangen irgendwie vertraut, aber dennoch fremd. Er wusste nicht, wie er das alles einordnen sollte und in seinem Kopf begann alles zu kreisen. Schnell huschte er ins Badezimmer und als er schließlich fertig war, wollte er zu Takashi ins Zimmer gehen, bemerkte aber, dass Katsuya bereits dort war und seinen Bruder ins Bett schleppte. Dieser schlief immer noch tief und fest und ließ sich nicht aufwecken. Als er ihn vorsichtig ins Bett gelegt und zugedeckt hatte, bemerkte er Hinata, der etwas unsicher im Türrahmen stand. „Hey Hinata, kannst du nicht schlafen?“ „Bin aufgewacht, weil ich Geräusche gehört habe. Passiert das öfter, dass Takashi am Schreibtisch einschläft?“ „Eigentlich nicht. Eher ist er derjenige, der sich um mich kümmern muss. Aber er macht sich halt auch so seine Gedanken um die ganze Situation, auch wenn er immer so gelassen tut.“ Hinata stand immer noch unschlüssig da und wusste nicht, was er sagen sollte. Er bemerkte auch, dass Katsuya ziemlich besorgt aussah und nicht gerade einen glücklichen Eindruck machte. Und er wusste auch nicht, ob das vielleicht seine Schuld war. „Sag mal Hinata… magst du diesen Saruhiko eigentlich sehr?“ Verwirrt starrte der 20-jährige ihn an und verstand die Frage nicht so wirklich und worauf Katsuya hinaus wollte. „Klar mag ich ihn. Er ist ein sehr netter Freund.“ Das Wort Freund schien Katsuya ein wenig zu beruhigen und er verließ nun Takashis Zimmer. Hinata trat beiseite, um ihm Platz zu machen, da streckte Katsuya seine Hand nach ihm aus und wuschelte ihm zärtlich durchs Haar. „Sorry wenn ich dich mit meiner Frage durcheinandergebracht habe. Leg dich hin, morgen müssen wir wieder zur Uni und es wäre echt blöd, wenn du verschläfst.“ Hinata antwortete nicht, sondern spürte, wie plötzlich seine Wangen zu glühen und sein Herz zu rasen begannen. Schnell flüchtete er in sein Zimmer, ohne ein weiteres Wort zu sagen und schloss die Tür hinter sich. Diese Berührung gerade eben hatte plötzlich wieder die Erinnerungen an diesen seltsamen Traum zurückgeholt und er hatte sich in dem Moment so überfordert gefühlt, dass er sich nicht anders zu helfen gewusst hatte, als die Flucht zu ergreifen. Na hoffentlich blieb er diese Nacht von weiteren Sexträumen verschont. Es wäre noch peinlicher, wenn die Zwillinge irgendetwas davon erfahren würden. Kapitel 8: Besuche ------------------ Der nächste Tag an der Uni war für Hinata relativ kurz und während der Zeit war er sowieso die meiste Zeit mit den Gedanken woanders. Aufgrund des heftigen Krampfanfalls war Saruhiko für heute krankgeschrieben, weshalb Hinata sich ein wenig einsam im Kunstkurs fühlte. Und da die Zwillinge andere Kurse hatten und deshalb länger bleiben mussten, ging er alleine nach Hause und beschloss, nachher mal bei Saruhiko vorbeizuschauen und nach dem Rechten zu sehen. Ein wenig Sorgen machte er sich ja schon, vor allem da der Krampfanfall ziemlich heftig ausgesehen hatte. Bevor er aber losging, wollte er sich kurz stärken, da er ohne Frühstück zur Uni gegangen war und begann sich einen kurzen Snack zu machen. Als er gerade dabei war, sich Fisch mit Reis zu machen, klingelte es an der Tür und stellte schnell die Pfanne beiseite und schaltete die Platte aus. „Einen Moment!“ rief er und eilte zur Haustür. Als er sie öffnete, stand ihm eine Frau gegenüber. Sie war wahrscheinlich um die Mitte vierzig und hatte ihr schwarzes Haar hochgesteckt. Der Anzug verriet, dass sie wahrscheinlich einen wichtigen Job ausübte und sie war sehr hübsch. Dennoch konnte er mit ihrem Gesicht rein gar nichts anfangen und verwirrt sah er sie an. „Ja bitte, was kann ich für Sie tun?“ Die Frau lächelte und grüßte ihn freundlich. „Guten Tag, Hinata. Ich hatte von Katsuya und Takashi gehört, dass du einen schweren Unfall hattest und im Krankenhaus warst. Und nachdem ich erfahren habe, dass du inzwischen wieder zur Universität gehst, wollte ich nach dem Rechten sehen.“ „Äh… danke…“, murmelte der Student unsicher. „Tut mir leid, ich kann mich nicht an Sie erinnern. Ich habe bei dem Unfall mein Gedächtnis verloren…“ „Ach herrje“, rief die Frau und wirkte erschrocken. „Die beiden hatten zwar erwähnt, dass du eine Amnesie hast, aber dass es so schlimm ist, das hatte ich nicht erwartet. Ich bin Haruko Kano, ich arbeite für einen Verlag und habe deine erste Mangaserie publiziert und wir hatten bis vor deinem Unfall an einen neuen Manga gearbeitet. Aber da du dich an nichts erinnerst, ist es wohl eher schwierig darüber zu sprechen.“ „Meinen Sie diese Trampeschichte?“ „Ja genau!“ „Ich habe da eine Menge Aufzeichnungen gefunden und auch wenn ich mich an nichts erinnern kann, könnte ich vielleicht versuchen, daran zu arbeiten. Wenn Sie vielleicht so freundlich wären und mir mit den Details helfen würden? Ich weiß nicht, wie viel wir bereits besprochen haben.“ Da Frau Kano einen sehr sympathischen und freundlichen Eindruck machte, ließ Hinata sie ins Haus um über seine Arbeit zu sprechen. Es interessierte ihn sowieso, an was er denn vor seinem Gedächtnisverlust gearbeitet hatte und er würde auch gerne an dem Manga arbeiten. Seine Hand konnte er ja bewegen, da sollte es kein Problem sein, die Zeichnungen anzufertigen. Er kochte einen Tee und kam schließlich zu Frau Kano ins Wohnzimmer. Nachdem er sich gesetzt hatte, fiel ihr Blick auf seinen bandagierten Unterarm und sie erkundigte sich auch direkt „Kannst du mit dieser Hand eigentlich noch malen?“ „Ja“, antwortete der Kunststudent und musste selbst auf den Gips schauen. Er mochte sich nicht vorstellen, wie sein Arm darunter aussah. Immerhin hatte er schon auf dem Röntgenbild die Metallplatte und die Schrauben gesehen. „Es sind zum Glück nur die Knochen vom Unterarm, die Hand selbst ist heil geblieben. Das Zeichnen ist deshalb kein Problem.“ „Das ist schon mal schön zu hören. Also zu deiner Geschichte: wir hatten nach der Veröffentlichung deiner ersten Mangareihe das Gespräch gehabt, dass du deinen eigenen Stil finden sollst und ein besonderes Setting und eine interessante Geschichte brauchst, um dich aus der Masse hervorzuheben. Daraufhin hattest du die Idee, eine Yaoi-Geschichte in einer postapokalyptischen Welt zu erzählen, in welcher die Menschheit in arm und reich gespalten ist. Die Armen sind die Tramps, die in den alten U-Bahntunneln leben und die Reichen leben in den Städten. Dein Protagonist Jace Darwin ist ein Tramp, der an einen Reichen gerät. Ich hatte dir aufgetragen gehabt, die wichtigsten Charaktere auszuarbeiten, bevor du mit der eigentlichen Story beginnst. Außerdem brauchtest du noch einen Titel für deinen Manga.“ Hinata begann darüber nachzudenken und ihm kam diese Geschichte auch irgendwie bekannt vor. So als hätte er sie schon mal gehört. „Die Frage ist nun, was du jetzt machen möchtest“, sagte Frau Kano schließlich und trank einen Schluck Tee. „Da du als Freelancer für unseren Verlag arbeitest, hast du keinen zeitlichen Druck und da du aufgrund deiner Amnesie ohnehin keine Erinnerungen hast, wird es schwierig, mit der Arbeit fortzufahren. Ich möchte dich auch nicht drängen. Ich lasse dir die Möglichkeit offen, entweder mit dem Projekt fortzufahren, etwas Neues auszuprobieren oder aber komplett abzubrechen. Die Entscheidung überlasse ich allein dir. Du musst wissen, was du dir zutrauen kannst.“ Hinata dachte nach und ließ sich diese ganze Geschichte durch den Kopf gehen. Dass er alles komplett abbrechen würde, stand ganz außer Frage. Er wollte gerne Mangas zeichnen und die Idee, die er gehabt hatte, klang ganz interessant und mit Sicherheit würde es kein großes Problem werden, sich da wieder einzufinden und es fortzusetzen. Er brauchte eben nur etwas Zeit, das war alles. „Ich denke schon, dass ich das hinkriegen werde“, sagte er, klang aber nicht hundertprozentig überzeugt. „Ich habe alle meine Notizen im Zimmer, das sollte mir weiterhelfen. Eventuell werde ich aber ein paar Dinge abändern, wenn das in Ordnung wäre.“ Das sollte kein Problem darstellen. Wenn du mit dem Projekt beginnen willst, setzen wir uns noch mal zusammen, um eventuell ein paar Feinschliffe vorzunehmen. Du sollst den größtmöglichen Freiraum für deine Geschichte haben. Sie hat schon großes Potential, aber ich werde, wenn nötig, nur kleine Feinschliffe vornehmen. Ich mache das nicht, weil ich mit deiner Arbeit irgendwie unzufrieden bin, sondern weil ich das Bestmögliche aus einem Manga herausholen will und es auch dir zugutekommt, dass du dazulernst und Erfahrungen sammelst. Auf diese Weise wirst du mal ein erfolgreicher Mangaka.“ „Danke, Frau Kano. Ich bin wirklich froh, dass Sie mir helfen wollen. Ich glaube, ich hätte da eventuell eine Idee, aber… ganz sicher bin ich mir noch nicht so wirklich…“ Nun war die Mittvierzigerin interessiert und wollte dann natürlich alle Details erfahren. Grob begann Hinata seine Idee zu schildern, wobei er sich zwischendurch aber selber korrigieren musste, weil sein erster Einfall nicht so gut war wie der zweite. Frau Kano hörte ihm aufmerksam zu und als er fertig war, hatte sie auch gleich einen Punkt, den sie ansprechen wollte. „Also die Idee mit der Seuche ist ein guter Einfall und unterstreicht noch mal diesen tiefen Spalt zwischen beiden Gesellschaftsschichten. Allerdings sehe ich in der Sache einen Logikfehler: du sagtest, dein Protagonist wäre in Wahrheit einer der begabten Tramps, die gegen diese Seuche immun sind. Aber er selbst erkrankt daran. Das widerspricht sich eigentlich.“ „Nun, eigentlich ist es so, dass die Überlebenden dieser Seuche Antikörper entwickeln und somit immun gegen die Seuche werden. Bei Jace ist es allerdings so, dass sein gesamter Körper zerstört wurde und damit auch die Antikörper, woraufhin er wieder an der Seuche erkranken kann.“ „Nun, wenn du diesen Aspekt in die Geschichte einbaust, dann müsste es klappen. Solange es schlüssig bleibt und die Leser es nachvollziehen können. Was allerdings diesen Kinderhandel in deiner Geschichte angeht, da bin ich ein wenig skeptisch. Das ist nämlich eine sehr kontroverse Sache. Eigentlich gehört das in den Shotacon-Bereich und nicht alle Leser von Yaoi-Mangas mögen auch Shotacon. Einige werden von so etwas auch teilweise abgeschreckt.“ „Es soll auch keine drastischen Szenen geben“, versicherte Hinata. „Es soll nur eben halt diese verdrehte Moral verdeutlichen und im Grunde passiert so etwas in dieser Welt ja auch, oder zumindest in gewissen Teilen der Welt.“ „Du willst also einen Yaoi-Manga auf die Beine stellen, in welchem es nicht nur um das reine Vergnügen der weiblichen Leser geht, sondern auch zum Nachdenken anregen soll und die menschliche Moral hinterfragen soll?“ fasste Frau Kano zusammen und runzelte die Stirn. „Das ist sehr gewagt, Hinata. Das ist etwas vollkommen anderes als deine erste Geschichte, die eine einfache Schulromanze war. Dir ist schon klar, dass du dementsprechend die Idee auch gut umsetzen musst. Denn wenn du erst mal Leser gefunden hast, erwarten diese auch eine entsprechend gleich bleibende qualitative Arbeit und ein passendes Ende. Du setzt damit hohe Ansprüche an dich selbst und du musst dir klar sein, ob du diese auch erfüllen kannst. Nimm dir Zeit, denke über all das noch einmal nach und wenn du dir sicher bist und mit deiner Arbeit beginnen willst, kannst du mir eine kurze Rückmeldung geben.“ Frau Kano ließ ihm ihre Visitenkarte da, wo ihre Telefonnummer und E-Mail Adresse vermerkt waren, sowie auch die Verlagsanschrift. Da sie noch später ein Meeting hatte, musste sie sich verabschieden und wünschte Hinata noch gute Besserung. Hinata begleitete sie noch zur Tür und verabschiedete sich von ihr, wobei er sich noch für den Besuch bedankte. Schließlich ging er in die Küche und machte seinen Snack fertig. Inzwischen hatte er wirklich Hunger bekommen und ihm wurde ein wenig flau im Magen. Während er in der Küche zugange war, hörte er ein klein wenig Musik, weil er diese Stille nicht mochte. Doch der Fisch schmeckte etwas trocken und war offenbar ein wenig zu lang in der Pfanne. Naja, Fisch braten war halt nicht ganz seine Stärke. Schließlich schnappte sich Hinata seine Jacke und seine Tasche und nachdem er noch mal im Internet nachgeschaut hatte, wie er zu Saruhikos Adresse kam, machte er sich auf den Weg. Sicherheitshalber hinterließ er aber noch eine Notiz in der Küche, damit sich die Zwillinge nicht wunderten, warum er nicht da war und sich noch Sorgen machten. Mit zwei verschiedenen Buslinien erreichte Hinata nach einer Weile die Adresse und stellte fest, dass es ein ziemlich großes Apartmentgebäude war. Er staunte nicht schlecht, aber wahrscheinlich waren hier die Wohnungen auch ein wenig günstiger. Immerhin war Saruhiko ja auch nur Student und konnte aufgrund seiner Krankheit auch wahrscheinlich nicht viele Jobs machen. Als er an der Tür klingelte und statt Saruhiko der kühl drein blickende und etwas zu groß geratene Yusuke Kazami in der Tür stand, da rutschte Hinata das Herz schlagartig in die Hose und seine Knie wurden weich. „Äh… also… ähm… ich…“, stammelte er, bekam aber nichts mehr hervor. Warum auch musste Yusuke so einschüchternd aussehen? Allein diese Körpergröße und dieser Blick machten ihm Angst. „Du willst zu Saru, oder?“ fragte Yusuke und hastig nickte Hinata. „Komm rein.“ Geduckt folgte Hinata dem 24-jährigen und betrat die Wohnung von Saruhiko Yagi. Es war ein wenig chaotisch, so als wäre Ordnung nicht wirklich seine Stärke und es standen noch ein paar Umzugskartons in den Ecken. Im Schlafzimmer fand er schließlich den krankgeschriebenen Kunststudenten, der gerade dabei war, einen Karton auszupacken. In einer Ecke lag eingerollt in seinem Körbchen der weiße Spitz Sadaharu, der gerade ein Nickerchen hielt und sich nicht sonderlich von der Arbeit stören ließ. Als er Hinata sah, strahlte er regelrecht. „Hey Senpai, du kommst mich echt besuchen? Das ist ja mal cool von dir.“ „Ich… also…“, Hinata brauchte einen Moment, um die richtigen Worte zu finden. „Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du… naja… nicht zur Uni gekommen bist. Und dann wegen gestern…“ „Mach dir keinen Kopf deswegen. Eigentlich brauchte ich keinen Krankenschein, aber der Doc hat ihn mir trotzdem aufs Auge gedrückt. Er meinte es wäre besser, wenn ich nach so einem Anfall zur Ruhe komme. Also habe ich einfach mal die Gunst der Stunde genutzt, um noch ein paar meiner Umzugskartons auszupacken. Yu-chan war so nett und hilft mir dabei. Und wie geht es bei dir so voran, Senpai?“ „Ganz gut, es war heute ein kurzer Tag.“ Saruhiko stellte den Karton ab und wollte schon Hinata den Stuhl an seinem Schreibtisch anbieten, doch da geschah es plötzlich, dass der rothaarige Student auf einmal die Kontrolle über seine Beine verlor und sich am Schreibtisch festhalten musste, um nicht zu stürzen. Sofort waren Hinata und Yusuke bei ihm und halfen ihm auf. Besorgt fragte Hinata nach „Alles in Ordnung, Saru?“ „Yupp, alles Bestens“, versicherte dieser und grinste breit. „Nur mein Bein war halt anderer Meinung als mein Hirn. Ich denke mal, ich setze mich erst mal hin.“ Nachdem er es aufs Bett geschafft hatte, wandte sich Yusuke um und sagte nur, er würde Getränke holen und damit war er verschwunden. Mit einem besorgten Blick sah Hinata Saruhiko an, doch der wirkte wie der reinste Sonnenschein und schien sich auch nicht großartig um diesen Vorfall gerade eben zu sorgen. „Ist es mit deiner Epilepsie schlimmer geworden?“ „Nee“, versicherte Saruhiko, nahm aber dennoch eine Tablette vom Nachtschränkchen und schluckte sie unzerkaut. „Ist nur halt so, dass es kurz nach solch einem Anfall häufiger zu kurzen Krämpfen kommt, aber das legt sich dann wieder. Deshalb ist Yu-chan auch heute bei mir, weil ich manchmal schon ein wenig Hilfe gebrauchen kann. Aber genug von mir. Wie geht es dir eigentlich?“ „Ganz gut… denke ich“, murmelte Hinata ein wenig unsicher. „Ich fühle mich nur irgendwie ziemlich überfordert mit der ganzen Situation. Vor allem mit Katsuya und Takashi. Zu wissen, dass die beiden etwas für mich empfinden und ich nicht auf ihre Gefühle reagieren kann, macht es nur schlimmer und ich hab ständig ein schlechtes Gewissen deswegen.“ „Ja, das ist schon echt schwierig“, stimmte Saruhiko zu. „Wenn es für dich zu viel wird und du eine Auszeit brauchst, dann kannst du auch gerne mal hier pennen. Aber weißt du, Senpai… du denkst viel zu viel über all diese Dinge nach. Du machst aus einer Mücke noch einen Elefanten. Und was bringt dir das alles? Du fühlst dich nur schlechter. Vielleicht solltest du mal einen Psychologen zu Rate ziehen. Hör mal, du kannst nichts dafür, dass du in dieser Lage bist und niemand erwartet irgendetwas von dir. Vielleicht solltest du dir einfach mal selbst sagen Ich bin nur für mich selbst verantwortlich, das hilft echt.“ „Klingt irgendwie egoistisch.“ „Klar ist es egoistisch, aber schlecht ist es deshalb nicht unbedingt. Wenn du dich ständig nur um andere sorgst, dann vernachlässigst du dein eigenes Leben und wirst totunglücklich. Jeder braucht einen gesunden Egoismus, um nicht unterzugehen. Und wenn du dich um dein eigenes Leben kümmerst, fühlst du dich auch wesentlich besser.“ Die Tür wurde geöffnet und Yusuke kam mit den Getränken zurück. Er blieb aber nicht, sondern meinte nur, er würde die nächsten Kartons ausräumen gehen und ließ sie wieder alleine. „Ich glaube, ich weiß, was du für ein Problem hast, Senpai“, sagte Saruhiko und stellte seinen Eistee, der mit einem Strohhalm versehen war, auf das Nachtschränkchen ab, da er anscheinend seinen Händen wohl nicht ganz vertraute und lieber keine Sauerei veranstalten wollte. „Schon mal was von Zwangsgedanken gehört?“ „Ist das so ähnlich wie diese Zwangsneurosen?“ „So in der Art“, bestätigte der rothaarige Student und trank einen Schluck. „Ein ehemaliger Klassenkamerad an der High School hatte dieses Problem. Er musste immer alles perfekt machen und selbst wenn er 98 Punkte hatte und damit sogar Klassenbester war, hatte er nur gesehen, dass ihm zwei Punkte gefehlt hatten und da konnte er sich auch nicht freuen. Oftmals hat er sogar seine eigenen Hausaufgaben zerrissen, weil sie nicht gut genug waren. Und selbst als er einen Preis für sein Bild erhalten hatte, sagte er nur, dass es nicht gut genug sei. Er war regelrecht davon besessen, alles perfekt machen zu müssen.“ Etwas beunruhigt schaute Hinata ihn an und hielt sein Glas umklammert. „Glaubst du, ich bin auch so?“ „Nee, nicht so krass“, beruhigte Saruhiko ihn. „Ich denke eher, bei dir ist es der Gedanke, es immer allen recht machen zu müssen. Du willst es deinen Mitbewohnern recht machen und setzt dich unter Druck, wahrscheinlich hast du es auch versucht, deinen Eltern stets alles recht zu machen und auch deinen Lehrern. Und du willst bloß nichts falsch machen. Das ist aber absoluter Bullshit, denn jeder Mensch macht Fehler, vor allem ich.“ Hinata schwieg und dachte darüber nach. Vielleicht hatte Saruhiko ja Recht und der Hauptgrund für sein Problem lag darin, dass er versuchte, alle zufrieden zu stellen, obwohl klar war, dass er das nicht schaffen würde. Sadaharu, der offenbar genug vom Faulenzen hatte, sprang auf und kam auf sie zugelaufen, woraufhin Saruhiko ihm ein paar Streicheleinheiten gab. „Manchmal bräuchte man echt so einen praktischen An- und Ausschalter für sein Hirn, was? Dann müsste man nicht ständig über so viel Nonsens nachdenken.“ Ja, das wäre vielleicht gar nicht mal so schlecht. Um ein wenig von diesem etwas bedrückenden Thema wegzukommen, entschied sich Hinata für einen kurzen Wechsel und erzählte Saruhiko von seinem Gespräch mit Frau Kano und seiner Idee für seine Mangareihe. Hier war der 21-jährige natürlich sofort mit Feuer und Flamme dabei und zeigte sich begeistert von der Geschichte. „Wow, klingt ja wirklich nach einem Bestseller. Eigentlich müsste man echt mal ein Buch daraus machen.“ „Hm… Im Geschichtenschreiben selbst bin ich nicht ganz so gut“, gab Hinata etwas verlegen zu. „Frau Kano war erst skeptisch, weil sie sagte, dass diese Sklavengeschichte recht kontrovers ist und einige Leser abschrecken könnte.“ „Kann ich verstehen. Shotacon ist nicht jedermanns Geschmack.“ „Und eben weil die Geschichte auch recht tiefgründig ist, ist es schwer, das Level zu halten und die Geschichte zu einem guten Abschluss zu bringen. Sie macht sich Gedanken, ob meine Ansprüche nicht vielleicht etwas zu hoch sind für einen Neueinsteiger.“ „Klar, immerhin erwartet man von Neulingen erst kleine Schritte“, pflichtete der Rothaarige bei. „Aber ich denke, du schaffst das schon, Senpai. Wenn du schon solche Ideen hast, dann wirst du es sicherlich auch schaffen, sie gut umzusetzen. Aber wenn der Manga erst mal im Druck ist, dann werden wir das auf jeden Fall feiern!“ Feiern? Wieder hatte Hinata das Gefühl, als würde ihm etwas bekannt vorkommen. Wo hatte er das bloß schon mal gehört? Jemand hatte ihm so etwas schon mal gesagt. Nämlich als er seine erste Mangareihe veröffentlicht hatte. Aber er konnte sich einfach nicht daran erinnern, wer ihm das gesagt hatte. Kapitel 9: Zurück zum Onsen --------------------------- In den nächsten zwei Tagen hatte Hinata mit starken Kopfschmerzen zu kämpfen und musste deshalb das Bett hüten. Die meiste Zeit schlief er nur, doch seine Träume waren eher bizarr und bruchstückhaft und ließen sich nicht genau zuordnen. Auf Takashis Vorschlag hin lag er die meiste Zeit im Bett und hörte Musik. Es half ein wenig und die Zwillinge kümmerten sich rührend um ihn, wenn sie von der Uni zurück waren. Als es ihm am Donnerstag nach der heftigen Migräne besser ging, kam Takashi zu ihm und erkundigte sich nach dem Rechten. Dabei stellte er erleichtert fest „Du siehst wesentlich besser aus, Hinata. Nicht mehr ganz so blass wie vorher.“ „Ja. Zum Glück sind die Kopfschmerzen vorbei“, seufzte der 20-jährige erleichtert. „Ich dachte schon, es hört nie auf. Mir war auch zwischenzeitlich echt schlecht…“ Behutsam legte Takashi eine Hand auf seine Schulter und nickte verständnisvoll. Man merkte ihm an, dass er etwas fragen wollte, sich aber nicht hundertprozentig sicher war. Dann aber riskierte er es schließlich: „Ich wollte fragen, ob du Lust hast, mit mir zum Onsen meiner Familie zu fahren. Katsuya muss in den nächsten Tagen arbeiten und kann deshalb nicht mitkommen. Und ein Wochenende im Onsen tut vielleicht mal ganz gut. Du wirkst so angespannt, seit du aus dem Krankenhaus entlassen wurdest und eine heiße Quelle kann Wunder bewirken und du bekommst ein wenig Abwechslung in deinen Alltag. Keine Sorge, es ist nur ein Angebot.“ Überrascht sah Hinata ihn an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Familie der Zwillinge so viel Geld hatte, dass sie sogar einen eigenen privaten Onsen hatten. Und da das Angebot recht verlockend klang und er tatsächlich ein wenig Entspannung gebrauchen konnte, nahm er das Angebot gerne an. Allerdings ahnte er zu dem Zeitpunkt nichts von Katsuyas und Takashis Plänen. Die Brüder hatten sich in der Zeit, in welcher Hinata wegen seiner Migräne hauptsächlich im Bett gelegen hatte, zusammengesetzt und sich beratschlagt. Für sie stand fest, dass sie gar nicht erst zulassen würden, dass Saruhiko den ersten Schritt machen und Hinatas Herz erobern würde. Deshalb hatten sie auf ihre alte Strategie zurückgegriffen: jeder würde einzeln mit Hinata ausgehen und versuchen, Gefühle bei ihm zu wecken. Es war zumindest einen Versuch wert und Takashi hatte dabei auch schon sofort die Idee gehabt, mit Hinata zum Onsen zu gehen, wo sie zuvor schon ein romantisches Wochenende verbracht hatten. Zwar war es nicht ganz in Ordnung, Hinata diesen Vorschlag mit Hintergedanken zu unterbreiten, aber wenn sie ihn direkt gefragt hätten, dann hätte der schüchterne Student sofort abgeblockt und sich zurückziehen. Bei ihm musste man eben halt auch mal durch die Hintertüre gehen, um zum Ziel zu kommen. „War ich schon mal mit euch in einem Onsen?“ „Vor einer Weile“, gestand Takashi. „Du warst noch nie in einem gewesen und wolltest mal gerne neue Erfahrungen sammeln. Der Onsen unserer Familie ist Privatbesitz und es finden dort auch schon mal Familientreffen statt. Ich zum Beispiel gehe dort gerne zum Fotografieren hin. Wenn du willst, können wir nachher los. Du brauchst nur noch ein paar Sachen zu packen.“ Während Hinata damit beschäftigt war, seine Tasche zu packen, ging Takashi ins Wohnzimmer, wo Katsuya saß. Ein zufriedenes Lächeln lag auf seinen Gesichtszügen. „Ich hab ihn überzeugt gekriegt. Wir fahren gleich zum Onsen.“ „Was, echt?“ fragte Katsuya überrascht. „Er hat echt angebissen?“ „Ja. Ich habe ihm angeboten, dass er dort ein wenig zur Ruhe kommt. Ich werde versuchen, das Beste aus der Zeit zu machen und dann kannst du das nächste Wochenende haben. In der Woche ist es ein wenig zu stressig, vor allem für Hinata. An den Wochenenden haben wir mehr Zeit und wenn das Eis gebrochen ist, können wir versuchen, auch in der Woche mehr ranzugehen. Wir machen alles Schritt für Schritt, genau wie beim ersten Mal, dann müsste es eigentlich klappen.“ „Na hoffentlich“, murmelte Katsuya. „Ich sehe nicht ein, warum wir Hinata nach allem an diesen Schwachmaten verlieren sollen. Gib dein Bestes, Takashi. Vielleicht wird er sich dann wieder an uns erinnern.“ „Und wenn er sich nur an einen von uns erinnert, werden wir dafür sorgen, dass er sich auch wieder an den anderen erinnern kann.“ „Damit wir wieder das Trio werden, das wir vorher waren.“ Die beiden Brüder waren hochmotiviert in ihrem Vorhaben, vor allem nach dieser bescheuerten Abmachung mit Saruhiko. Bro-Regel… Na schön, dann war der Kampf hiermit offiziell eröffnet. Innerhalb der Woche konnten sie Hinata schlecht von Saruhiko fernhalten, aber die Wochenenden gehörten ganz allein ihnen. „Viel Glück, Takashi“, wünschte Katsuya ihm und klopfte ihm auf die Schulter. „Aber ich denke, du kriegst das schon geregelt. Immerhin warst du ja schon immer derjenige mit dem Durchblick.“ „Wir kriegen das beide geregelt!“, korrigierte Takashi ihn. „Wir werden definitiv das gleiche Trio werden wie vorher. Also dann, ich muss noch in mein Zimmer und noch ein paar Sachen einpacken.“ Damit verschwand Takashi auch schon wieder. Er wollte lieber sichergehen, dass Hinata nichts von ihrem Gespräch und ihrem Plan mitbekam, ansonsten war alles komplett ruiniert. Aber zum Glück war Hinata zu dem Zeitpunkt mit Packen beschäftigt und war tief in Gedanken gesunken, weil er versuchte, sich an die Zeit im Onsen zu erinnern, aber wirklich Erfolg hatte er nicht. In seinem Gedächtnis blieb alles dunkel. Etwa eine halbe Stunde später waren ihre Taschen gepackt und sie fuhren los. Hinata wirkte ziemlich aufgeregt und schaute unruhig aus dem Fenster. „Wie ist denn der Onsen so?“ fragte der 20-jährige, ohne dabei die Augen vom Fenster zu nehmen. Ob es eine negative oder positive Nervosität war, konnte Takashi nicht erkennen. Aber er ging erst mal davon aus, dass Hinata im positiven Sinne aufgeregt war. „Er ist ziemlich alt und im traditionellen japanischen Stil gehalten und früher war da mal eine Pension. Unsere Großeltern haben sich dort kennen gelernt und ineinander verliebt. Großmutter hatte dort gearbeitet und Großvater war damals Geschäftsmann. Als sie geheiratet haben, hat Großvater den Onsen aus sentimentalen Gründen gekauft. Wir halten dort auch oft Familientreffen ab und es gibt einen Wald in der Nähe, wo es einen alten Schrein gibt. Es wird ein schönes Wochenende werden, mach dir da mal keine Sorgen.“ Ein verlegenes Lächeln huschte über Hinatas Gesicht, aber er wirkte trotzdem irgendwie seltsam. Er machte irgendwie den Eindruck, als hätte er irgendetwas zu verheimlichen. In der Hinsicht war Hinata wie ein offenes Buch und konnte schlecht seine Gefühle oder Gedanken geheim halten. Deshalb fragte er auch sicherheitshalber nach „Ist alles in Ordnung bei dir, Hinata? Du machst irgendwie den Eindruck, als bedrückt dich irgendetwas.“ „Es ist nichts“, versuchte der Kunststudent abzuwinken. „Es ist nur… naja… Ich hatte nur echt komische Träume.“ „Alpträume?“ „Nein, sie waren nicht schlimm. Es ist nur so, dass sie echt merkwürdig waren und ich sie nicht ganz verstehe. So als würde da etwas fehlen…“ „Vielleicht hast du ja hast du ja auch nur deshalb so seltsame Träume, weil sie auf deinen Erinnerungen basieren. Ich habe mal gelesen, dass Träume durch unsere Gefühle und Erinnerungen beeinflusst werden und da kann es sehr gut sein, dass da etwas in deinem Unterbewusstsein ist, das langsam wieder zurückkehrt. Erinnerungen verliert man nicht vollständig, sie sind halt nur nicht direkt abrufbar.“ „Also ist das ein Zeichen, dass meine Erinnerungen zurückkehren.“ Sie erreichten nach einer Weile endlich den Onsen und staunend sah Hinata das Gebäude und den Park, welche im altjapanischen Stil gehalten wurden. Es sah tatsächlich wie eine Pension aus und irgendwie hatte dieser Ort etwas Vertrautes. Zwar konnte sich Hinata nicht an diesen Ort erinnern, aber er mochte ihn schon vom ersten Augenblick an. Nachdem sie den Wagen geparkt hatten und ausgestiegen waren, kam ein älteres Ehepaar herbei, welches sie begrüßte. Es waren Tae Morizono und ihr Ehemann Kotarou. Sie führten die beiden zu ihren Zimmern und nachdem sie ihre Taschen ausgepackt hatten, präparierte Takashi Hinatas vergipste Hand mit einer Plastiktüte und Klebeband, sodass später kein Wasser daran kommen konnte. Allerdings wurde ihm trotzdem geraten, lieber nicht den ganzen Arm ins Wasser zu tauchen. Während sie durch den Flur in Richtung Bad gingen, sah Hinata sich neugierig um und staunte nicht schlecht. Die ehemalige Pension hatte einen wunderbaren altmodischen Charme und er konnte gut verstehen, dass die Itamu-Familie gerne zu Familientreffen hierher kam. Draußen sah er die heiße Quelle, in der es eine Trennwand gab, die die Bereiche für Männer und Frauen voneinander abschirmte. Takashi ging zuerst und warnte noch „Geh am besten langsam rein, Hinata. Das Wasser ist sehr heiß und Anfänger sollten es deshalb langsamer angehen. Ansonsten steigt dir die Hitze zu Kopf.“ „Okay…“ Langsam stieg Hinata ins Wasser und spürte tatsächlich die heißen Temperaturen des Wassers. Wie Takashi angeraten hatte, ging er langsam ins Wasser, um sich daran zu gewöhnen und gesellte sich zu dem älteren Zwilling, dem die Hitze nicht wirklich etwas auszumachen schien. Dieser erklärte ihm auch direkt „Wir bleiben aber nicht allzu lange im Wasser. Da dein Körper nicht an diese heißen Temperaturen gewöhnt ist, ist es recht ungesund, länger als 20 Minuten drin zu bleiben.“ Hinata nickte und legte seinen bandagierten Arm auf den Rand des Beckens ab. Das Bad tat wirklich gut und er entspannte sich auch deutlich. Und als er sich zurücklehnte und die Augen schloss, da kam ihm ein Bild ins Gedächtnis. Eine kurze Szene, in welcher er seinen Kopf auf Takashis Schulter gelegt hatte während der ältere Zwilling einen Arm um ihn legte. Er erinnerte sich, dass er sehr glücklich in diesem Moment war. Ja… das war eine Erinnerung an seinen ersten Besuch im Onsen der Itamus. Erschrocken und etwas überfordert mit dieser Erkenntnis wich Hinata vor Takashi zurück und versuchte auf Abstand zu gehen. Takashi bemerkte das natürlich sofort und sah besorgt aus. „Hinata, was ist los? Ist dir nicht gut?“ „Ich… äh…“ In seinem Kopf begann sich alles zu drehen und er wusste nicht, wie er dieses Bild einzuordnen hatte. War das etwa gerade wirklich eine Erinnerung gewesen, oder nicht vielleicht nur irgendein merkwürdiges Fantasiebild, welches sich bei ihm manifestierte, nachdem er schon so einen seltsamen Traum gehabt hatte? Sein erster Gedanke war Flucht. Er musste so schnell wie möglich weg und versuchen, diesen Gedanken abzuschütteln. Ansonsten würde es nur unangenehm für ihn werden. Doch als er aus dem Wasser flüchten wollte, hielt Takashi ihn am Handgelenk fest und ließ ihn auch nicht los. „Warte Hinata“, rief er. „Was ist denn los? Du wirkst so panisch. Habe ich irgendetwas falsch gemacht?“ Doch der Kunststudent wollte nicht darüber reden. Dieses Bild in seinem Kopf überforderte ihn und machte ihm Angst, obwohl er sich den Grund dafür nicht erklären konnte. Seine Brust schnürte sich zusammen und er verspürte einfach nur den Drang zu weinen. Takashi, der sah wie durcheinander er war, zögerte nicht und nahm ihn in den Arm. „Hey, es ist alles in Ordnung, Hinata. Was auch immer ist, es kann dir nichts passieren und du brauchst vor nichts und niemandem Angst zu haben.“ Beruhigend streichelte Takashi Hinatas Kopf und hielt ihn im Arm fest. Obwohl er sich eigentlich vorgenommen hatte, Abstand zu wahren, um Hinata nicht zu erschrecken oder ihn zu bedrängen, konnte er es nicht mehr als er diesen fast schon verzweifelten Blick in Hinatas Augen sah. Nein, in diesem Moment war körperliche Nähe die einzige Möglichkeit, ihn zu beruhigen. Und es schien tatsächlich zu wirken. „Tut… tut mir leid“, murmelte Hinata beschämt. „Ich nur ziemlich überfordert und wusste nicht, was ich tun sollte. Da musste ich einfach weg.“ „Schon gut, ich mache dir ja auch keinerlei Vorwürfe. Aber damit ich dir helfen kann, musst du mit mir reden, okay? Nur so kann ich dir helfen.“ Hinata zögerte noch. Er wollte Takashi keine falschen Hoffnungen machen, wenn er ihm von seiner zurückgewonnenen Erinnerung erzählte. Denn obwohl es sich wirklich angenehm anfühlte, in seinen Armen zu liegen und es ihm auch ein großes Gefühl der Sicherheit gab, wusste er nicht, wie er denn eigentlich für ihn fühlte. War es Liebe? Waren es nur freundschaftliche Gefühle? Wie sollte er das denn erkennen können? Dann aber beschloss er, mit der Sprache rauszurücken und erzählte von seiner Erinnerung. Takashi hörte aufmerksam zu und reagierte zum Glück nicht so überenthusiastisch wie Hinata zunächst befürchtet hatte. „Du hast dich also daran erinnert, dass wir schon mal hier waren? Und was empfindest du bei dieser Erinnerung?“ Unsicher zuckte Hinata mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. In dieser Erinnerung war ich sehr glücklich gewesen, das weiß ich. Aber… ich weiß nicht, wie ich sie jetzt emotional einordnen soll. Ich weiß nicht, was ich für dich fühle und es macht mir ehrlich gesagt Angst. Ich will dir keine falschen Hoffnungen machen, deshalb…“ „Ich weiß“, unterbrach Takashi in einem beruhigenden Ton. „Du willst niemals irgendjemandem wehtun und versuchst es immer allen recht zu machen. Aber mach dir keine Gedanken. Ich weiß, dass manche Dinge ihre Zeit brauchen. Soll ich dir mal was erzählen?“ „Was?“ „Als ich und Katsuya dir unsere Liebe gestanden haben, warst du total überfordert und hast oft heftig gestammelt und kaum ein Wort hervorgebracht. Und als wir es das erste Mal zusammen versuchen wollten, hast du plötzlich geweint, weil du Angst bekommen hast und es zu schnell für dich ging. Und da hast du fast dieselben Dinge gesagt wie jetzt. Manche Dinge brauchen Zeit und mit den Gefühlen ist es nicht anders. Ich kann dir nur anbieten, mit uns über diese Dinge zu reden oder einen Versuch zu wagen, oder aber du sagst Nein und wir lassen dir den Freiraum, den du brauchst.“ Takashi löste sich ein wenig von Hinata, sah aber direkt schon an seinen Augen, dass er eigentlich noch weiter in seinen Armen liegen wollte. Doch stattdessen riskierte Takashi einen Versuch, beugte sich vor und küsste Hinata. Es erfolgte keinerlei Gegenwehr, stattdessen spürte er, wie Hinatas Körper in eine Art Schockstarre verfiel. Hinata war nicht in der Lage, auf Takashis Kuss in irgendeiner Art und Weise zu reagieren. Er war hin- und hergerissen zwischen dem panischen Reflex, ihn sofort von sich zu stoßen und abzuhauen, und dem Wunsch nach mehr. Er wusste nicht, für was er sich entscheiden sollte. Schließlich aber löste Takashi seine Lippen von Hinata und sah ihn fest an. „In Zukunft wird es so ablaufen: wenn du etwas wirklich nicht willst und es für dich zu viel wird, sagst du Mayday, verstanden? Wenn du dieses Wort sagst, höre ich sofort auf und lasse dich in Ruhe. Da bei dir sehr schnell ein Nein über die Lippen kommt, ist es wahrscheinlich besser für uns, wenn wir ein Sicherheitswort ausmachen, damit ich auch wirklich weiß, wann du irgendetwas nicht willst. Und solange du dieses Wort nicht verwendest und einfach nur Nein sagst, weiß ich, dass es nur deine Schüchternheit oder Angst ist.“ Etwas unsicher sah Hinata ihn an und verstand nicht so wirklich, was Takashi mit diesem merkwürdigen Sicherheitswort wollte und warum sie es denn unbedingt brauchten. Doch bevor er nachfragen konnte, küsste Takashi ihn erneut, dieses Mal aber länger und intensiver. Immer noch regte sich nichts in Hinata und er nahm es einfach hin. Aber er spürte, dass sein Herz anfing, wie verrückt zu schlagen. Ein seltsames Gefühl überkam ihn, welches er nicht einzuordnen wusste und etwas in seinem Kopf setzte aus, welches ihn unfähig machte, auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Dieser Kuss rief etwas in ihm wach. Ein Bild, in welchem er Takashi umarmte und seinen Kuss erwiderte. Und ein Teil von ihm wollte diesen Kuss auch erwidern, doch irgendetwas hielt ihn zurück. Er hatte Angst und er konnte nicht verstehen warum. Seine Brust schnürte sich zusammen und Tränen sammelten sich in seinen Augen. Es tat ihm weh, Angst vor dieser Zuwendung zu haben und er wollte verstehen, warum sich ein Teil von ihm so sehr dagegen sträubte. Schließlich brachte er Takashi etwas auf Abstand und wischte sich die Tränen weg. „Ich verstehe das nicht. Auf der einen Seite fühlt es sich gut an, aber ich habe Angst. Ich weiß nicht warum, aber jedes Mal, wenn du mir so nahe kommst, will etwas in mir mehr und dennoch habe ich dann so große Angst, dass ich am liebsten weglaufen würde.“ Verständnisvoll nickte der ältere Zwilling und strich ihm sanft über die Wange. „Vielleicht ist es eine Art unterbewusstes Trauma. Diese ganzen Verletzungen hat dein Vater dir zugefügt, weil er nicht akzeptieren wollte, dass du mich und Katsuya liebst und dass du lieber Shonen-Ai Mangas zeichnest, als Anwalt zu werden. Du hast versucht, ihm selbstbewusst gegenüberzutreten und diese Sache ein für alle Male abzuschließen damit du nicht mehr vor deinem Vater flüchten musst. Und stattdessen hat er dir den Arm gebrochen und dir so heftig gegen den Kopf getreten, dass man dich ins künstliche Koma versetzen musste und du danach alle Erinnerungen verloren hast. Du warst schon immer ein sehr ängstlicher Mensch, Hinata. Du hast sehr viel in deiner Vergangenheit durchgemacht und das verschwindet nicht so einfach. Ich weiß nicht, wie weit ich oder Katsuya dir da helfen können. Alles, was wir für dich tun können ist, dich aufzufangen und dir Sicherheit zu geben. Wir sind für dich da, wenn du Angst hast oder dich hilflos fühlst und wir werden versuchen, dir so gut es geht bei deinen Problemen helfen. Du musst es nur zulassen. Denn wenn du vor allem und jedem davonläufst, wirst du recht einsam werden.“ Wieder nahm Takashi ihn in den Arm und dieses Mal erwiderte Hinata die Umarmung, wenn auch erst zögerlich. „Ich will nicht mehr ständig diese Angst haben, dass ich jedes Mal davonlaufen will. Aber… ich weiß momentan einfach nicht, was ich will.“ „Vielleicht weißt du es auch schon, aber dir stehen einfach nur deine Ängste im Weg“, vermutete Takashi. „Aber es hängt natürlich auch von dir ab, wie weit du gehen willst. Ich kann dir nur versichern, dass du dir um mich keine Gedanken machen musst. Ich weiß, dass all diese Dinge ihre Zeit brauchen. Deshalb brauchst du dich nicht sorgen, dass du meine Gefühle verletzen oder mir falsche Hoffnung machen könntest. Alles, was ich möchte ist, dass du offen und ehrlich bist.“ Hinata nickte zögerlich und spürte, wie langsam seine Angst wieder wich. Irgendwie schaffte es Takashi immer wieder, ihn zu beruhigen und ihm seine Sorgen und Zweifel zu nehmen, egal wie sie aussahen. Er fühlte sich sicher bei ihm und hatte das Gefühl, ihm auch tatsächlich alles anvertrauen zu können. „Ich habe letztens einen komischen Traum gehabt. Ich konnte nichts erkennen weil es einmal so rabenschwarz und einmal so gleißend hell war. Beim ersten Mal im Dunkeln hatte ich Angst, aber beim zweiten Mal hörte ich Meeresrauschen und ich fühlte mich wesentlich wohler als beim ersten Mal. In dem Traum da… ähm… es war…“ Hinata traute sich nicht, weiterzusprechen. Etwas verlegen wandte er den Blick ab, spürte aber, wie seine Wangen rot wurden. Sein Gesichtsausdruck sprach jedoch Bände und wohl wissend meinte er „Du hast einen erotischen Traum gehabt?“ Obwohl der Kunststudent schwieg, war sein beschämter Gesichtsausdruck Antwort genug. Takashi musste schmunzeln. „Ist doch nichts Schlimmes dabei. Jeder von uns hat sie mal. Wie wäre es? Willst du es auch mal selber erleben?“ Selber erleben? Sollte das etwa heißen, dass er mit Takashi schlafen würde? Hinata war hin und her gerissen und wusste noch nicht so wirklich, ob er diesen Schritt wagen sollte. „Wir beide?“ „Ja.“ „Und du hörst auch auf, wenn ich dieses eine Wort sage?“ „Versprochen! Ich werde nichts tun, was du nicht willst und wenn du Mayday sagst, höre ich sofort auf.“ Wieder zögerte Hinata und dachte nach. Immer noch war er sich unsicher, was er tun sollte. Auf der einen Seite wollte er den Versuch wagen, wenn er dadurch wenigstens Gewissheit bekam, was er denn für Takashi empfand und ob er ihn nur als Freund ansah, oder als jemanden, den er liebte. Doch auf der anderen Seite hatte er Angst vor der Enttäuschung oder dass das Verhältnis zu Takashi für immer zerstört werden würde. Doch dann nickte er langsam und sprach kaum hörbar: „Okay. Wenn du mir das versprichst und du es vorsichtig machst…“ „Keine Sorge“, versicherte Takashi. „Ich werde dafür sorgen, dass es eine sehr angenehme Erfahrung für dich wird.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)