Unter Dampf gestanden von Ikeuchi_Aya ================================================================================ Irgendjemand sagte einmal, dass man nicht nicht kommunizieren kann: Wir drücken uns nicht nur mit Worten aus, sondern auch mit Mimik, mit Gestik oder auch Kleidung und Geruch. Und obwohl wir von Geburt an uns lernen mitzuteilen, später dann auch zuzuhören und unserem Gegenüber zu antworten, kommt es immer wieder zu Missverständnissen. Missverständnisse, die wiederum zu Streit führen. Streit, der zur Funkstille führt, bis man sich vielleicht irgendwann einmal versöhnt... oder eben gar nicht mehr miteinander spricht.   In meinem Fall - eine ganz blöde Geschichte. Ihr müsst wissen, dass ich nicht der Typ Mensch bin, welcher sich Redewendungen und Sprichwörter gut merken kann. So wird aus Morgenstund hat Gold im Mund bei mir In der Morgenstund fängt man den Wurm. Nur eine kleine Kostprobe dessen, was mein Umfeld jeden Tag ertragen muss. Ich habe damit nämlich schon oft für genervte Gesichter bei meinen Freundinnen gesorgt. Das ist eine Schwäche, bei der auch alles Lesen und Zureden nicht hilft. Das, was sie allerdings noch nicht von mir wussten... nun... An jenem Tag, der Tag X der Misere, ging ich mit Makoto im Supermarkt einkaufen. Meine Kochkünste waren nämlich noch schlimmer als meine Vorliebe für das Verdrehen von Wörtern. Allerdings rückte der Valentinstag näher und ich wollte unbedingt lernen, wie man einen besonders leckeren Kuchen zubereitete. „Probier' es mit einem Käsekuchen! Den muss man nicht mal backen!“, hatte Makoto vorgeschlagen und wir beide uns für den nächsten Tag nach der Schule am Supermarkt verabredet. Ich muss zugeben, dass ich etwas aufgeregt war, denn bisher hatte ich abgesehen von Usagi eigentlich noch nie etwas mit einem der anderen Mädchen allein unternommen. Makoto wirkte auf mich zudem auch noch sehr erwachsen und gewissenhaft – trotz meiner damaligen verantwortungsvollen Aufgabe als Sailor V, kam ich mir im Gegensatz zu ihr recht klein und unwissend vor. „Und das geht echt ohne Backen?“ „Natürlich. Für Käsekuchen gibt es sehr viele verschiedene Rezepte. Das, was wir nehmen, beinhaltet Gelatine als Zaubermittel!“ „Jellawas?“ „Gelatine. Damit wird die Creme fest. Oder auch der Wackelpudding, den du im Café immer isst“, erklärte mir Makoto anschaulich und ich nickte eifrig, „Vergiss die Zitrone nicht, sonst fehlt es an Geschmack!“ Ich wandte mich zu meiner linken Seite und schaute auf die Obsttheke, welche reich mit den verschiedensten Früchten gefüllt war. Äpfel, Orangen, Bananen, … ah, da war sie! Schnell hatte ich eine der gelben Zitrusfrüchte gegriffen und in meinen Korb gelegt. Der Rest war ebenso geschwind zusammengesucht – immerhin brauchten wir nicht viel. Nachdem wir bezahlt hatten, begaben wir uns wieder auf die geschäftige Straße Tokyos und schlugen den Weg zu Makotos Wohnung ein. „Ach, ich beneide dich darum, dass du so toll kochen und backen kannst! Wenn ich ein Messer in die Hand nehme, ist höchstens noch mein Daumen geschnitten und nicht das Gemüse!“ Makoto verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Das war alles harte Arbeit. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen!“ Ich seufzte dennoch resignierend. Sie hatte mich ja noch nie kochen sehen! „Ja, vielleicht.“ In weniger als zehn Minuten erreichten wir Makotos Appartement und meine Zuversicht lag immer noch am Boden. Ich konnte trotz Zuspruch nicht recht dran glauben, dass es mir gelingen sollte, aber meine Freundin gab sich alle Mühe, mich zu motivieren und bot mir erst einmal einen leckeren Kakao an, wo ich nicht Nein sagen konnte. Während ich die eingekauften Sachen auf die Arbeitsplatte in der Küche legte, goss sie bereits die Milch in einen Topf und stellte diesen auf den Herd, die die Heizplatte einschaltend. Aus dem Hängeschrank eine Packung Trinkschokolade ziehend, öffnete Makoto diese. „Wir können ja schon mal anfangen! Die Milch braucht etwas!“, meinte sie mit munterem Unterton. Sie dirigierte mich zu einem der Schränke und ließ mich zwei Schüsseln herausnehmen. Mir dann den Schneebesen in die freie Hand drückend, welchen sie aus dem neben ihr stehenden Köcher gezogen hatte, erklärte sie mir, dass ich mit etwas Wasser das Gelatinepulver anrühren könnte: „Kipp am besten erst das Pulver in die Schüssel und dann das Wasser.“ Ich nickte. „Du musst nur kräftig rühren, damit sich keine Klumpen bilden!“ Das war leicht zu schaffen! „Okay, kein Problem!“ Ich riss die Gelatinepackung behutsam auf und kippte sie in das Gefäß. Mein skeptischer Blick blieb am Pulver hängen – Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das funktionieren sollte? Vorsichtig ein paar Tropfen Wasser vom Wasserhahn schöpfend, begann ich zu rühren und merkte, dass ich doch etwas mehr Flüssigkeit bräuchte. Ich war so konzentriert, dass ich gar nicht mitbekam, wie Makoto mich mit einem Lächeln bedachte und selbst dann schon einmal Kekse, Butter und Zucker in eine zweite, größere Schüssel gab, um diese zu verarbeiten, immer ein Auge auf die Milch habend, die bis jetzt aber noch nicht einmal dampfte. In einem unbeobachteten Moment musste ich allerdings das Zeug in meiner Schüssel kosten und verzog enttäuscht das Gesicht. Das schmeckte ja nach gar nichts! Ich griff zur Zuckerdose, schüttete gut gemeinte vier oder fünf Teelöffel hinein und verrührte diese mit der Masse. Noch einmal kosten... besser! Und es war auch gleich dicker! Ich gewann ein bisschen an Zuversicht zurück und wagte es mich somit zu fragen, was ich noch tun könnte. „Stell doch bitte die Gelatine in die Mikrowelle wärme sie auf!“ „Gut!“ Behutsam trug ich mein Gefäß zu dem Gerät und öffnete die Tür. Ich stellte sie in die Mitte der Glasscheibe ab, schloss die Tür wieder und schaute dann auf die Knöpfe. Eigentlich drückte man doch nur auf Start... oder? Ich betätigte den Knopf und sah, wie die Digitalziffern von 60 langsam runterzählten. Eine Minute war doch gewiss zu kurz? Ich drückte abermals den Knopf und nickte schließlich zufrieden über meine Entscheidung, wandte mich Makoto daraufhin wieder zu. Während sie blind die Milch mit einem Holzlöffel umrührte, blickte sie in ein dünnes Buch. „Wow, das sieht ja toll aus!“, entfuhr es mir sofort, als ich ihr über die Schulter linste. Die Doppelseite zeigte eine reich verzierte Käsetorte. Mit Kakao- oder Moccapulver bestreut, prangten kleine Schokoperlen und -röllchen auf der der so zart wirkenden Oberfläche. Natürlich hatte man auch die Umgebung hergerichtet und der Kuchen war auf einen hübschen Glasteller mit Puderzucker gelegen, welcher auf einen hölzernen Tisch, ausgeschmückt mit Damastservietten, stand. „Dieses Buch hat viele tolle Ideen für Dekorationen! Sieht doch toll aus, oder?“ Ich blätterte neugierigerweise eine Seite weiter und fand den nächsten Kuchen, der mich schlichtweg ins Staunen versetzte: „Das wäre aber auch toll!“ „Die Blumen? Die sind aus Marzipanmasse. Das passt an sich zwar nicht so gut zum Geschmack des Käsekuchens-“ „Oh, können wir das nicht machen?“, unterbrach ich sie fast schon bettelnd und Makoto rieb sich den Hinterkopf. „Irgendwo könnte ich noch Rohmasse besitzen... Ich kann aber nichts versprechen.“ Und während wir also gemeinsam das Marzipan suchten bzw. ich weiterblätterte und am liebsten alles auf einmal aus diesem Band ausprobiert hätte, war die Gelatine in der Mikrowelle schon vollkommen aus meinem Kopf verschwunden. „Minako, hast du die Schüssel eigentlich abgedeckt?“ „Hä?“ Ich schaute fragend auf. Makoto lächelte überfordert, „Macht nichts, aber es ist besser, falls mal was hochspritzt. Habt ihr keine Mikrowelle zu Hause?“ „Doch schon...“ Ich zog die Worte in die Länge und fühlte mich auf frischer Tat ertappt. Ich machte nie einen Deckel auf Behälter, welche in das Gerät geschoben wurden. Alte Angewohnheit. Und eine schlechte dazu. „Auf wie viel Watt hast du sie überhaupt zu laufen?“ „Volle Pulle“ „Und... wie viel Minuten?“ „Fünf.“ „FÜNF?“ Aber bevor ich erschrocken fragen konnte, was sie denn hatte oder Makoto mich fragen konnte, wie ich auf die Idee kam, fünf Minuten Hitze zuführen zu wollen, erledigte dies bereits die Mikrowelle für uns: Mit einem Mal begann es zu knistern und aus dieser zu dampfen. Ein unangenehmer verbrannter Geruch machte sich breit und zog in unsere Nasen. Dann ein kleines Puff. Wir starrten das Gerät an und keine von uns traute sich, die Tür zu öffnen. „Oh-oh...“, kam es mir über die Lippen, während meine Gegenüber nur ungläubig mit den Augen blinzelte, „Das stinkt ja, wie sonst was...“ „Was... genau hast du getan?“, fragte Makoto ausgesprochen ruhig. „Die Gelatine angerührt.“ „Nein, ich meine... was hast du da reingetan?“ „In die Gelatine? Nur so... drei, vier Löffel Zucker... das schmeckte echt fad!“ Stille. Nun konnte sich Makoto das Seufzen doch nicht mehr verkneifen, „Das... ist nur zur Verdickung, damit die Creme fest wird. Es steht doch drauf, dass es geschmacksneutral ist.“ Ich zog den Kopf ein und blickte zur dampfenden Mikrowelle. Makoto trat mit einem Handtuch zu dieser, öffnete die Tür und wedelte erst einmal hustend den Qualm weg, der in einer regelrechten Wolke hervortrat. „Das wird bis morgen nicht mehr aus der Wohnung gehen... oh Mann...“ Mit schnellen Fingern die Schüssel hervorziehend, stellte sie diese ab und schmiss das Handtuch drüber, weil der Qualm natürlich auch aus dieser emporsteigen wollte. „Und das können wir auch nicht mehr verwenden.“ Ich wagte es mich gar nicht hineinzublicken, aber die dunklen, fast schon schwarzen, hochgespritzten Flecken am äußeren Schüsselrand ließen mich den Inhalt erahnen. Meine Schultern hängen lassend, war es mir ehrlich peinlich, dass ich wieder solch einen Aufruhr gestaltet habe. „Ich bin eben nicht für die Küche geschaffen.“ „Unsinn“, widersprach mir Makoto, einen Lappen nehmend und den ersten Schaden im Innenraum des Gerätes mit Auswischen behebend, „Aber nächstes Mal bitte vorher die Packungsanleitung lesen!“ Weiterwischend und mir mit diesen Worten erst recht noch eins für meine Dummheit überbratend, murmelte sie daraufhin nur vor sich hin – nicht leise genug, als dass ich's eben hören konnte: „Der Zucker karamellisiert doch bei der Hitze... komische Aktion.“ Meine Hände ballten sich zu Fäusten und obwohl ich mir eigentlich geschworen hatte, nichts zu entgegnen, denn immerhin war es ja meine Schuld, musste ich nun etwas sagen. Ich hatte mir wirklich Mühe gegeben und es war ja keine böse Absicht gewesen! Dass ich jetzt aber schon dreimal mit Worten gestraft wurde, empfand ich als unfair: „Ja, ich weiß, ich bin voll komisch! Hahaha, hohoho!“ Damit drehte ich mich auf dem Absatz um und stapfte lautstark Richtung Haustür. „Minako!“, wurde ich noch zurückgerufen, doch schnappte ich mir meine Tasche, die ich am Eingang abgestellt hatte, schlüpfte in der Vorzone in meine Schuhe und ging schnellen Schrittes hinaus, die Tür zuschlagend. Gemeinheit! So eine Gemeinheit!   * * *   Nachdem ich nun schon eine halbe Stunde vor mich rummeckernd durch das Wohngebiet lief, um mich abzureagieren, wollte ich endlich den Heimweg antreten. Aber nach fünf weiteren Minuten, war mir die Puste ausgeblieben und ich merkte, wie sich der Frust breitmachte. Ich war keine Heulsuse, aber in dem Moment war mir doch nach Weinen zumute: Es nervte mich, dass wieder etwas schiefgegangen war, was ich in der Küche hatte probieren wollen. Es nervte mich, dass ich damit meine Freunde nervte. Es nervte mich, dass ich deswegen wieder Sprüche einstecken musste. Und ebenso, dass ich wie ein kleines Kind reagierte und einfach wegrannte. Ich blieb stehen und starrte einfach nur zu meinen Füßen auf den Boden. Vielleicht sollte ich also lieber wieder zurückgehen und mich für meinen Abgang entschuldigen? Zwar würde das den Kuchen auch nicht mehr retten, aber dafür etwas anderes. Ich nickte mir zu, drehte mich um und begab mich schnelleren Schrittes zurück zu Makotos Wohnung. Mit klopfenden Herzen klingelte ich, weil es doch immer auch ein Akt des Mutes war auf jemand anderen zuzugehen. Zumal... Ich war in meinem bisherigen Leben nie allein gewesen, aber die Freundschaft zu den Mädchen war etwas ganz anderes als die bisherigen. Intensiver. Besonders. Das Schicksal verband uns, aber trotzdem hatten wir auch so zueinander gefunden – nur manchmal war es noch schwierig, weil wir uns bei weitem noch nicht so gut kannten wie in unseren früheren Leben. Noch einmal klingelte ich, aber... Makoto öffnete mir nicht? Wollte sie mich womöglich nach dieser Aktion gar nicht mehr sehen? Das wäre... heftig, aber auch ein bisschen verständlich... Aufgabe zeigend, senkten sich meine Schulter und ich lehnte mich mit dem Rücken an die Tür. Ich könnte etwas warten. Vielleicht würde sie mich dann doch hereinlassen? Das Herumstehen ließ allerdings meine Beine ermüden und gerade hatte ich mich auf den Boden rutschen lassen wollen, als mir Makotos vertraute Stimme ans Ohr kam, „Minako?“ Ich sah verwundert auf, denn sie hatte nicht die Tür aufgesperrt. Stattdessen stand sie mit einer kleinen Plastiktüte in der einen und dem Schlüssel in der anderen Hand vor mir, „Hast du etwa lange hier gewartet?“ „Du warst gar nicht zu Hause?“, stellte ich fast schon erleichtert, aber gleichzeitig überrascht fest und meine Gegenüber nickte langsam. Da wir beide daraufhin nichts zu sagen wussten, schaute sie kurz auf ihre Tüte und hob diese mit einem unsicheren Lächeln an. „Ich... habe noch einmal Gelatine gekauft. Ich wollte den Kuchen zu Ende backen.“ „Oh verstehe“, gab ich daraufhin enttäuscht von mir und trat unschlüssig von einem Fuß auf den anderen. Makoto bemerkte, dass ich ihren Satz anscheinend ganz anders auffasste als er gemeint war, so dass sie sich schnell verbesserte: „Ich meine... ich wollte den Kuchen vorbereiten und... ihn morgen zum Lernen bei Rei mitbringen. Als Entschuldigung.“ Damit hatte ich dann doch nicht gerechnet und in Makotos Gesicht schauend, war klar, dass auch sie nicht gerade glücklich über den Verlauf des Nachmittages war, „Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Für mich... ist das Kochen und Backen ganz selbstverständlich und manchmal vergesse ich, dass es bei anderen nicht so ist. Ich hätte dir auch sagen können, wie du die Mikrowelle zu bedienen hast. Das war dumm von mir.“ „Mir... tut es auch leid“, gab ich nach einer kleinen Pause schwach lächelnd von mir, „Ich hätte ja auch einfach fragen können. Es war blöd abzuhauen.“ Wieder schwiegen wir, dieses Mal allerdings mit weniger Unbehagen. Schließlich musste Makoto seufzen, „Oh Mann... ich glaube, wir müssen öfter mal was gemeinsam unternehmen. Man merkt, dass wir sonst nur mit der Gruppe zusammenhängen.“ „Ja, das stimmt“, musste ich nun fast schon kichern, „Wir sind alleine... total unbeholfen. Das ist schon komisch.“ Einander auf dieses Wort hin irritiert anguckend, blinzelten wir beide und fielen schließlich in ein Lachen ein. Komisch... das traf es ziemlich gut. „Also... wollen wir es noch einmal versuchen?“, machte Makoto den ersten Schritt zum zweiten Anlauf, hatte nun mehr die Wohnungstür entriegelt und einen Fuß ins Innere gesetzt. „Ja, gerne!“, nickte ich freudig und folgte ihr umgehend. Die Tür fiel erneut ins Schloss – nur dieses Mal leiser, weil ich sie von innen an der Klinke festhielt. Ganz so, als sollte damit auch der Geist der Versöhnung und die Harmonie gewahrt werden, gerade eben in die Wohnung eingekehrt war. 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