The story of happiness von Black-Starshine (Manchmal muss man sein Glück selbst suchen, um es zu finden.) ================================================================================ Kapitel 1: Wiedersehen ---------------------- „Mein aufrichtiges Beileid! Deine Mutter war wirklich ein großartiger Mensch!“, klangen die monotonen Worte an das Ohr ihrer Besitzerin.   23   Hände schüttelnd, in den Arm nehmend, schluchzend. Wieder wurde sie von einer ihr unbekannten Frau umarmt, die herzlich ihr Beileid bekundete und der Familie alles Glück auf Erden wünschte.   24   „Ach, Mili-chan! Ich kann es noch gar nicht glauben, dass sie tot ist. Ich werde sie so vermissen!“ fiel ihr eine andere Frau um den Hals. Hatte sie sich gerade verhört? Hatte sie gerade jemand der trauenden Gemeinde „Mili“ anstatt Mimi genannt? War es jetzt schon zu viel verlangt, wenigstens aufrichtig zu heucheln? Das war doch ein schlechter Witz.   25   In ihr brodelte es, es war stickig, laut und voller unerträglicher, heuchelnder Menschen. „Mein aufrichtiges Beileid!“ hörte sie erneut die Worte, die sie schon zu oft hören musste. Mimis Mimik verfinsterte sich, ihr Blick blieb gesenkt. Sie wollte es nicht mehr hören, nicht mehr die mitleidigen Gesichter sehen. Wie sollte sie vergessen, wenn sie jeder mit diesem Ausdruck betrachtete?   26   Sechsundzwanzig Sätze, sechsundzwanzig verschiedene Formulierungen, sechsundzwanzig Mal ein und dasselbe. Mindestens zwanzig Mal eine Person, die ihre Mutter nicht kannte, eine Person, die sich nie blicken ließ, eine Person, die nie Teil ihres familiären Lebens war.   „Es tut mir wirklich sehr Lei-…“, doch weiter ließ ihn sein Gegenüber nicht kommen. „Was denn? Sie kennen meine Mutter und sind totunglücklich, dass sie weg ist?“, brach es aus der Tachikawa heraus, welche wütend die Hand vor sich wegschlug und sich auf die Unterlippe biss. Verstört und unglücklich sah sie vor sich hin, achtete überhaupt nicht auf den schockierten Blick der angesprochenen Person. Diese Heuchelei war ihr zu viel. „Ich ertrag das nicht mehr!“, erweiterte die junge Frau ihre Worte und hob den Blick. Suchend blickte sich Mimi um und erblickte ihren Vater. Warum hatten sie so viele Leute eingeladen? Menschen, die sich einen Dreck um ihre Mutter geschert hatten, als diese noch am Leben war. War sie jetzt etwas Besonderes, weil sie nicht unter den Lebenden weilte? Hatte ihre Beerdigung besonderes Interesse geweckt und alle aus ihren Löchern gelockt? Wo waren sie vor zwei Wochen, vor vier Wochen, vor zwei Monaten, als sie diese Schreckens-Diagnose erhalten hatten?   Traurig erwiderte ihr Vater ihr Mienenspiel. Sie selbst sah ihn nur entschuldigend an, kurz bevor sie sich aus der Masse drängte und das Gebäude verließ. Raus aus diesen stickigen Räumen, befreit von dieser trauernden Gesellschaft. Weg. Einfach nur weg.   Draußen angelangt prasselte der Regen unaufhörlich den Himmel herab, verwandelte die Erde in Schlamm und ließ kleine Flüsse in den Rillen der Straßen entstehen. Zarte Tropfen strichen ihr langes Haar entlang, fielen zu Boden und verwandelten sich in eine Vielzahl kleiner Ebenbilder.   Die Arme vor der Brust verschränkt schritt Mimi die Straßen entlang, ließ den Regen sein Werk verrichten und starrte mit traurigen Blick vor sich her. Die Tränen waren bereits versickert in der Unendlichkeit und das Leben zog an ihr vorbei wie ein schnelles Auto durch die, vom Regen verwandelten, Pfützen. Schon lang hatte sie die Zeit hinter sich gelassen. So sehr, dass sie keinen Gedanken daran verschwendete.   Fast automatisch trugen sie ihre Füße in eine bestimmte Richtung. Verwundert blieb sie stehen, als sie vor dem riesigen Gebäudekomplex verweilte und diesen ansah. Hier hatte damals alles begonnen. Sie hatten sich alle lange nicht daran zurück erinnern können, doch vor mehreren Jahren waren Taichi und Hikari hier in Hikarigaoka einem Digimon begegnet. Mimi konnte sich mittlerweile ganz gut an die vergangenen Ereignisse erinnern, wie sie Taichi angefeuert hatten, während er die Luft aus seinen Lungen presste und dadurch der grelle Ton der Pfeife erklang und Greymon wieder erweckte. Sein Mut war damals schon grenzenlos.   „Du wirst dich noch erkälten, wenn du hier draußen im Regen stehst!“ erklang hinter ihr eine ruhige, besonnene Stimme, kurz bevor sie bemerkte, dass die Tropfen des Regens ihren Weg nicht mehr zu ihr nach unten fanden. Verwundert blickte sie zunächst hoch zum Regenschirm, kurz bevor sie sich herumdrehte und in saphirblaue Augen blickte.   „Takeru-kun…?“, war die verwunderte Frage der Tachikawa, die diesen unsicher musterte. Schließlich hatte sie ihre Freunde schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen. Demzufolge war sie sich unsicher, ob der gutaussehende, weitaus größere junge Mann wirklich Besitzer des eben genannten Namens war. Doch sein Grinsen sowie die nachfolgenden Worte, entlarvten ihn. „Sieht ganz so aus…“ Augenblicklich wurde es Mimi warm ums Herz, als sie ihn die sanftmütigen und warmen Augen des Jüngeren blickte. Alle ihre Freunde hatte in ihr stets Wärme und Geborgenheit sowie das Gefühl von einem Ort, an den sie jederzeit zurückkehren konnte, gegeben. „Was machst du hier draußen im Regen? Du bist ja völlig aufgeweicht!“, holten sie seine Worte aus ihren träumerischen und gefühlsduseligen Gedanken. Ein peinlich berührtes Lächeln zierte die Lippen der Brünetten. „Uhm… ein bisschen spazieren gehen?“, stellte sie seiner Frage entgegen und sah verlegen zur Seite. „Sicher. Im Regen. Bei gefühlten drei Grad.“, erwiderte er sarkastisch, musste dennoch grinsen. „Du bist abgehauen, was?“, fragte er mit belustigter Stimme. „Woher…?“ „Bei der Trauerfeier meiner Großmutter bin ich auch abgehauen!“, erklärte er amüsiert. Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf. Wenn man es genauer betrachtete, war er förmlich vor den Feierlichkeiten davon gestürmt, so sehr hatte ihn das alles mitgenommen. Es fiel ihn also nicht schwer, sich in die Situation von Mimi hineinzuversetzen.   „Was machst du denn eigentlich hier?“, war es nun Mimis Frage, die ihn zurück aus seinen Gedanken holte. Er sah sie kurz an, dann wieder gen Himmel. „Eigentlich wollten wir zu dir…“, gestand er offen. Logisch. Warum hatte sie nicht gleich daran gedacht? Es war zu erwarten gewesen, dass ihr Vater die Familien ihrer Freunde benachrichtigen würde. Wahrscheinlich, damit sich Mimi eine Schulter zum Anlehnen und Ausweinen aussuchte und endlich ihrer Trauer freien Lauf ließ. Das würde ihm so passen. Nicht mit ihr. Sie war stark und würde schon alleine ihr Lächeln wiederfinden.   „Ah…zur Trauerfeier, Mhm…?“ flüsterte die Tachikawa und sah zum Boden. Was ein unglaublich unpassender Ort, ein Wiedersehen unter Freunden zu feiern. Doch bevor Takeru überhaupt zu Wort kam, fuhr ihnen bereits ein Wagen entgegen und kam zum Stehen. „Mimi-chan?!!“ hörte sie eine laute, schrille Stimme, die für sie nicht unbedingt unangenehm war, in der Lautstärke dennoch in ihren Ohren wiederhalte. Aus dem Auto herausgestürmt kam ein braunhaariges, aufgewecktes Mädchen, welches ihr nur wenige Sekunden später in den Armen lag und scheinbar nicht vorhatte, sie so schnell wieder loszulassen. „Hikari-chan…“, flüstere Mimi in den Regen hinein. „Mensch! Wir haben uns schon sorgen um dich gemacht, weil du dich nicht mehr gemeldet hast. Es tut mir so leid. Dir muss es grauenhaft gehen!“ sprach die zierliche Person in den Armen der Brünetten aus, die bei diesen Worten sogar schlucken musste. Es waren die ersten aufrichtigen  Worte, die sie heute wirklich an sich herangelassen hatte.   Zaghaft strich sie der Kleineren über die Haare und lächelte sanft. Irgendwie war es eine Wohltat ihre Freunde um sich zu haben. Denn auch wenn sie alle gewissermaßen Mitleid mit Mimi hatten, so war dies eine Form dessen, die weitaus einfacher zu ertragen war, als das seltsame Miteinander während der Trauerfeier. Denn sie war rein und aufrichtig. Innerlich begann sie zu bereuen, sich die letzten Monate nicht mit ihren Freundschaften auseinandergesetzt zu haben. Schließlich waren sie stets um ihr Wohl besorgt gewesen und Mimi hatte ihnen den Rücken zugekehrt.   „Es tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe.“ Schniefend hob Hikari ihren Kopf und sah in die rehbraunen Augen ihrer Freundin. Sie wirkten traurig, einsam, gewissermaßen sogar sehnsüchtig. Die letzten Monate hatten Spuren an der Älteren hinterlassen, das war nicht zu übersehen. Hikari war unglaublich froh über die Tatsache, sie endlich wieder in ihren Kreisen zu wissen. Auch hier in Japan hatte sich viel verändert, besonders wenn man ihre Freundschaft betrachtete. Auch Mimi würde mit manchen Veränderungen nur schwer umgehen können. „Du brauchst dich dafür nicht entschuldigen. Wichtig ist nur, dass du wieder da bist!“, erwiderte die jüngere. Takeru hatte währenddessen in seiner Tasche erfolgreich ein Taschentuch gefunden und reichte dieses nun seiner Freundin, die es dankend und mit einem – Mimi staunte darüber nicht schlecht – verliebten Lächeln entgegen nahm.   „Na dann können wir uns den Weg ja sparen!“ erklang letztlich eine ihr vertraut klingende Stimme, deren Besitzer die Fahrertüre hinter sich zuschlug und ihnen entgegen kam. Da seine kleine, unbekümmerte Schwester vollkommen ohne Schutz und Sicherheit in den Regen gestürmt war, um ihre alte Freundin zu begrüßen, öffnete der Ältere der Yagami-Geschwister nun auch den Regenschirm über ihnen. Das musste schon witzig aussehen, wenn man sie von weitem so betrachtete. „Ah, das erklärt, warum du hier stehst…“, flüsterte Mimi dem Blonden zu. Anscheinend hatten sie sich hier verabredet, um später gemeinsam zur Trauerzeremonie zu fahren. „Ja, meine Mutter ist schon früher gefahren und Yamato fährt mit meinem Vater hin, so dass sich Taichi-san dazu bereit erklärt hat, mich abzuholen…“ Mimi nickte und sah Taichi von oben bis unten an. Ihr Herz hüpfte aufgeregt in ihrem Brustkorb umher, während sie den stattlichen Mann vor sich musterte. Er hatte sich die letzten Jahre wirklich weiter entwickelt, ein jedes Mädchen wäre blind, würde sie nicht auf ihm stehen. Doch sie wusste, dass er schon seit Jahren mit einem hübschen, rothaarigen Ding liiert und dementsprechend nicht auf dem Markt war – nicht, dass sie Interesse hatte.   „Gefall ich dir?“, waren es die kecken Worte des Braunhaarigen, der sie verborgen unter seiner braunen Wuschelmähne beobachtete. Oh Gott! Wie offensichtlich hatte sie ihn gerade angestarrt, dass er es schon bemerkte? Verächtlich schnaubte sie nur und drehte den Kopf zur Seite. „Wovon träumst du bitte nachts?“ „Von heißen Bräuten und tollen Autos!“   Sein Blick ruhte auf der zierlichen Gestalt seines Gegenübers. Die vergangenen Jahre hatten ihn dazu gezwungen, ihre Entwicklungen nicht im Alltag mitverfolgen zu können. Dementsprechend war Taichi sichtlich überrascht, ja fast schon sprachlos, das hübsche Antlitz der jungen Dame genauer in Augenschein nehmen zu können. Ihr Körper war eine Mischung aus Zierlich- und Zerbrechlichkeit, ihr blasser Teint stand in direkten Kontrast zu ihren dunklen, langen, welligen Haaren. Ihre rehbraunen Augen schienen förmlich in den seinen zu versinken und für Sekunden schien sich die Welt ein wenig langsamer zu drehen.   Die Zeit ist endlich gekommen.   „Ich kann das nicht mehr. Er ist mein bester Freund!“ brachte ein blonder, junger Mann wutentbrannt über die Lippen, kurz bevor er die Türe aufschlug und hinaus in den Regen schritt. Jeder Auftritt mit seiner Band fiel ihm schwer, jeder Schritt machte ihn atemlos. Allein die Gedanken an die letzten Wochen, die Berührungen, die sie austauschten, schnürten ihm jegliche Luft aus den Lungen. Wie sollte er seinem besten Freund noch weiter in die Augen sehen? Er betrog ihn. Das schlimmste an der ganzen Sache war noch nicht einmal das, sondern, dass er auch sich selbst belog. Warum hatte er dieses Spiel mit dem Feuer überhaupt begonnen? Wann hatte sein Verstand ausgesetzt und ihn nur noch blind nach seinen Gefühlen handeln lassen? Er war doch sonst nicht ein solcher Gefühlskrüppel.   „Bitte warte!“   „Vergiss es! Ich werde ihm die Wahrheit sagen! So kann das alles nicht weitergehen!“ brüllte er die junge Frau an, die ihn folgte. Sanft griff sie nach dem Ärmel seines Jacketts und brachte ihn zum Stehen. Ihren Blick auf den Boden gerichtete, knirschte sie leise mit den Zähnen. Ihre Tränen brannten in den Winkeln ihrer Augen und suchten sich ihren Weg zu Boden. Noch in der Luft vermischte sich das Nass ihrer Augen mit der kalten Flüssigkeit des Regens. „Denkst du denn, das alles ist einfach für mich. Ich will ihn nicht verlieren!“ hauchte die junge Frau, deren Augen verdeckt von den nassen Strähnen ihres roten Haares waren. Yamato biss sich auf die Unterlippe. Noch nie hatte er es gemocht, ihr Schluchzen und das stumme Aufprallen ihrer Tränen zu hören. Verzweiflung suchte immer mehr sein Inneres auf und ließ ihn in der Kälte erstarren. Sein Blick in den grauen Himmel gerichtet, die Tropfen, die entlang seines Kinnes wanderten.   „Wir können so nicht weiter machen… Niemand von uns wird damit glücklich. Nicht er. Nicht ich. Nicht du, Sora!“   Endlich sind sie wieder vereint.   Verdammt. Warum musste ihm das ausgerechnet heute passieren? Gut, ihm passierten ständig irgendwelche Missgeschicke oder Unfälle, aber konnte er nicht zumindest heute einmal davon verschont bleiben? Es war manchmal wirklich eine Katastrophe mit ihm. Wahrscheinlich war er sogar der einzige Mensch auf Erden, der es schaffte beim Aussteigen seines Autos seinen Laptop zu schrotten. Hinzukommend war er womöglich auch der einzige Mensch auf Erden, der den Laptop auf Fahrerseite verstaute, anstatt diesen wohlbehütet auf den Sitz des Beifahrers zu platzieren.   Aber nein. Jou Kido musste mal wieder aus der Reihe tanzen und seinen Laptop gezielt in eine Pfütze auf den harten Asphalt fallen lassen. Als ob sein Leben nicht schon chaotisch genug wäre. Zumal heute bereits ein ganz schrecklicher Tag war, nicht nur aufgrund des schlechten Wetters, sondern auch der Tatsache geschuldet, dass er ursprünglich Koushiro abholen und Mimi Halt auf der Trauerzeremonie spenden wollte. Und wo war er nun gelandet? Er saß inmitten von Akten, Computerteilen und einem Wirrwarr an Papieren in Koushiros Wohnung. Verzweifelt hatte er diesen darum gebeten, die Dateien seines Computers zu retten. Bei seiner Gelassenheit hatte er es natürlich wieder einmal nicht geschafft, die beiden Hausarbeiten und den einen Bericht nochmals auf einer externen Festplatte zu sichern. Dementsprechend hing nicht nur sein Laptop, sondern auch sein eigenes Leben am seidenen Faden. Nur Koushiro würde ihn noch retten können.   „Unglaublich, dass du es ausgerechnet heute hinbekommen musst, deinen Laptop runterfallen zu lassen!“ kam es immer wieder murrend und brummend von dem rothaarigen Computernarr. Er wollte im Moment eigentlich ganz woanders sein, stattdessen kümmerte er sich um den Laptop seines Freundes.   Nach einer gewissen Zeit, welche Jou wie Stunden vorkam, gelang es dem Izumi endlich, die Festplatte aus dem schützenden Gehäuse des tragbaren Computers zu befreien und diese an seinen Computer anschließen zu können. Jou, der sich hinter ihn lehnte, wurde nicht gänzlich schlau aus den grünlich schimmernden Ziffern, die sich auf schwarzen Hintergrund den beiden entgegenblinkten. „Und? Was siehst du? Sind meine Hausarbeiten noch drauf? Bitte Izzy, sag mir, dass meine Daten noch drauf sind. Ich überlebe es nicht, wenn sie gelöscht sind!“, jammerte der blauhaarige Mann theatralisch und gestikulierte wild umher.   Koushiro stattdessen richtete seinen Blick starr auf den Monitor des Bildschirms. Diese Ziffern bedeuteten definitiv nicht, dass Jou seine Dateien zurück erlangen würde. Ihm wurde immer unwohler bei dem Gedanken daran, wann er das letzte Mal ein solches Wirrwarr an Zahlen und Ziffern auf seinem Monitor erblickt hatte.   „Koushiroooo!!! Sag doch was!!! Sieht es so schlimm aus?!“ rüttelte Jou den Jüngeren panisch an seinen Schultern und schwenkte ihn umher, um endlich dessen Aufmerksamkeit zurückzuerlangen. Das schaffte er auch. Jedoch nicht unbedingt so, wie er es sich erhofft hatte.   „Die Digiwelt…“   Lasst sie uns in unsere Welt zurückholen.   Schlagartig pressten sich die Lippen des Brillenträgers aufeinander. Vergessen war das schlechte Wetter, die Trauerzeremonie oder der Umstand, dass seine Dokumente auf dem Laptop verschwunden waren. Starr blickten seine dunklen Augen den Monitor des Computers an. Allmählich begannen die Ziffern Form zu bekommen. „Was hat das zu bedeuten?“, formulierte er seine unsichere Frage und stellte sie in den Raum. Jou konnte spüren, dass seine Finger begangen zu zittern. Automatisch schwangen seine Gedanken zu Gomamon, seinen besten Freund. Auch die anderen Digimon, die gesamte Welt ihrer digitalen Freunde erschien vor seinem inneren Auge. „Was ist mit ihr?“   Aufgebracht schüttelte Koushiro nur den Kopf. Nein. Das konnte nicht sein. Es konnte doch nicht angehen, dass wiederholt die Welt ihrer Digimon in Gefahr war. Er hätte es früher ahnen müssen, früher Nachforschungen stellen müssen. Seit fast einem halben Jahr hatte er nichts mehr von Gennai gehört, seit mehr als einem Jahr waren die Tore der Digiwelt verschlossen. Zuvor hatten es zumindest noch die Jüngeren geschafft, einen Zugang zur Digiwelt zu ermöglichen. Doch auch dieser Lichtblick war für sie verschlossen worden. In der Folgezeit hatten er und Gennai regen E-Mail-Kontakt gehalten. Er versicherte ihm stets, dass es den Digimon und ihrer Welt gut ging. Nun sah er ja, wie gut es ihnen ging. Irgendwas lief gänzlich entgegen der Aussagen von Gennai.   Oder es hatte sich was verändert.   „Wir müssen die anderen kontaktieren!“ Sofort griff Jou zum Telefon und wählte mit zittrigen Fingern die Telefonnummer von Taichi. Nachdem er es obligatorisch sieben Mal klingen ließ, seufze er resigniert und wählte folglich die Nummer von Yamato. Auch er griff nicht zum Hörer, genauso wie dessen kleiner Bruder. Jou war gerade daran, Soras Nummer in seinem Telefonbuch herauszusuchen, als es Koushiro schaffte, ein klares Bild auf den Monitor zu zaubern. „M-Moment! Das ist ein Digitor!“, sprudelte es aus dem Älteren nur hervor.   „Ja, was du nichts sagst. Ruf endlich die anderen an!“, murrte der Rothaarige nur zurück. Doch Jou kam mit dem Heraussuchen der Telefonnummer nicht weiter. Zehn Sekunden später erstrahlte das Zimmer in gleißenden Licht. Zurück blieb lediglich Joes Handy und dessen kaputter Laptop. Mit dem Verblassen des Lichtes, versank auch der Monitor Koushiros wieder in ein tiefes Schwarz…   __________________________   Laut prasselte der Regen gegen den Lack des Wagens, in welchen, in einer Melancholie gefangen, Sora und Yamato saßen. Wutschnaubend drückte Yamato auf seinem Navigationsgerät rum, musste nach einer gewissen Zeit allerdings feststellen, dass er das verdammt „J“ nicht traf und dementsprechend immer wieder die gesuchte Straße mit „H“ schrieb. „Lass mich mal. Das ist ja nicht mehr mit anzusehen!“, war es Soras schnaubende Wortwahl, die ihn mit seiner Hand zurückschrecken ließ, diese dann allerdings auf das Lenkrad platzierte.   Wie nichts anderes zu erwarten gelang es Sora bereits beim ersten Versuch, den gewünschten Zielort einzugeben. „Ihre Route wird berechnet.“, erklang die mechanische Stimme und Sora lehnte sich in den Sitz zurück. Bevor Yamato jedoch das Gaspedal durchtrat, suchten seine blauen Augen einmal mehr das hübsche Gesicht der Rothaarigen.   „Du weißt auch, dass wir dieses Spiel nicht länger spielen können. Wir verbrennen und damit die Finger…“, flüsterte er. Soras Blick ging nach draußen. Traurig beobachtete sie zwei Tropfen, die sich entlang der Glasscheibe einen Wettstreit lieferten. „Ich möchte ihm nicht wehtun.“ „Umso länger wir warten, umso mehr wird es ihm das Herz brechen!“, legte der Blonde die Fakten knallhart auf den Tisch und fixierte mit seinem durchdringenden Blick die Frontscheibe.   Sora stattdessen biss sich verzweifelt auf die Unterlippe. Seit zwei Wochen trieb sie bereits dieses Spiel, ohne Rücksicht auf irgendjemanden zu nehmen. Natürlich liebte sie Taichi. Doch die Form dieser Gefühle hatte sich verändert, beschränkte sich lediglich nur noch auf die freundschaftliche Ebene zwischen ihnen. Eben jene Ebene, die sie nicht verlieren wollte. Schon lange war die Beziehung der beiden nicht mehr das, was sie einst war. Sie hatten sich auseinander gelebt, hatten verschiedene Interessen, verschiedene Meinungen.   Doch Yamato hatte Recht mit seinen Worten. Das Spiel mit dem Feuer musste sein Ende finden. Ihre Gefühle hatten sie direkt in die Arme seines besten Freundes gelockt und hatten ihr neue Facetten ihrer eigenen emotionalen Welt gezeigt. Die Last, Taichi zu belügen, wog schwer auf ihren Schultern. Eine Last, derer sie sich entledigen musste, wenn sie wirklich glücklich sein wollte.   „Ich werde mit ihm reden…“, flüsterte sie letztlich und spürte den überraschten Blick des Blonden auf sich ruhen. Sanft griff sie dessen Hand und strich mit ihrer über den Handrücken dieser. „Du hast Recht mit dem, was du sagst. Es ist ihm nicht fair gegenüber. Wir haben schon so viel miteinander überstanden. Irgendwie wird es uns gelingen, auch diese Bürde zu schultern…“ Mit einem Lächeln auf den Lippen erwiderte Yamato den sanften Blick der Rothaarigen, eher er sich zu ihr nach unten beugte und ihr einen Kuss auf die samtweichen Lippen drücken wollte. Doch das gleißende Licht, welches sich im Folgemoment den Weg aus dem Navigationsgerät durch den Fond des Wagens bahnte, schloss die beiden ein und zog sie förmlich mit sich.   Sie hatten nicht bemerkt, dass sich auf dem Navigationsgerät ein Tor zur Digiwelt geöffnet hatte. Doch mit dem Abklingen des Lichtes, war auch die Navigation in ein dunkles Schwarz getaucht. Zurück blieb nur der prasselnde Regen auf dem Dach des Fahrzeuges.   __________________________   Wahrhaftig drohte Mimi im Augenblick in eine gänzlich andere Welt abzusinken. Je länger sie in die Augen des Yagami blickte, umso weicher fühlten sich ihre Beine an, umso stärker klopfte ihr Herz gegen ihre Brust. Es war eine Art der inneren Stimme, die dagegen ankämpfte, diese aufblühenden Gefühle zuzulassen. Schon einmal hatten sie tiefe Narben auf ihrem Herz hinterlassen. So blieben sie verborgen in dem hintersten Eck ihres Herzens.   Liebe?   Nicht mit ihr! Also zwang sich die Tachikawa aus der verworrenen Situation, zwinkerte zwei bis dreimal durch ihre dichten Wimpern hinweg und wich dem eindringlichen Blick ihres brünetten Gegenübers aus. Schnell legte sie wieder eine Mauer um ihr wild schlagendes Herz und zwang sich innerlich dazu, sich zu beruhigen. Nicht noch einmal würde sie sich dieses gewaltsam herausziehen und zerquetschen lassen. Vor allem, da Taichi überhaupt nicht das Recht dazu hatte, sie auf diese Art und Weise zu betrachten. Schließlich hatte er Sora. Nur für diese sollte er einen solchen Blick übrig haben.   Unschlüssig stand Hikari zwischen ihrem großen Bruder und ihrer Freundin. Die Blicke, die sie sich ausgetauscht hatten, schienen tiefgründig und verbargen eine unstillbare Sehnsucht. Es wunderte sie, wusste sie doch, dass ihr Bruder mit seiner langjährigen Jugendliebe zusammen war. Doch auch sie war sich darüber in Klaren, wie unglücklich Tai mit der gegenwärtigen Situation doch war. Dass Mimi jedoch etwas damit zu tun haben könnte, kam ihr bisher nicht in den Sinn. Doch die Blicke der beiden hatten einen besonderen Beigeschmack. Diese Gegebenheiten würde sie definitiv noch beobachten. Denn es versprach spannend zu werden.   „So! Was machen wir jetzt? Zurück zur Zeremonie?“, fragte nun Takeru, der die angespannte Atmosphäre ein wenig auflockern wollte. Just in diesem Augenblick ließ auch Taichi seinen Blick zu Boden sinken und fixierte einen undefinierten Punkt des Pflastersteins. Mimi jedoch schüttelte nur schnell den Kopf. „Nein! Da kriegen mich keine zehn Pferde hin! Können wir nicht einfach irgendwo was trinken oder feiern gehen? Ein wenig Abwechslung würde wirklich nicht schaden…“, murmelte die junge Frau und strich sich über ihren Oberarm.   „Warum eigentlich nicht? Ich hatte sowieso keine Lust dazu, mich unter trauernde Menschen zu mischen. Das bringt den Verstorbenen auch nicht zurück.“ „Taichi!“ „Ups!“, erwiderte dieser nur die ermahnende Aussage seiner kleinen Schwester, welche fassungslos die Hände in die Hüften gestemmt hatte. Entschuldigend sah Taichi Mimi an. „Mimi, ich…“, setzte er an. Doch kam er nicht weit.   Ehe er sich versah, umhüllte die kleine Gruppe ein gleisendes Licht und übrig blieben nur die Regenschirme, die zu Boden prallten. Mit dem Abklingen des Lichtes wurde auch der naheliegende Info-Point in ein tiefes Schwarz gehüllt.   Lasset die Spiele beginnen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)