Letter Bee: Geschenk der Sonne von Vailyo-Yukiko ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Kapitel 1 „Bruder, aufstehen! Du musst gleich zur Arbeit!“ Müde drehte Gauche sich auf die Seite, zog sich die Decke über den Kopf und versuchte die Rufe seiner Schwester zu ignorieren. So kannte er sich selbst gar nicht. Er war nie einer gewesen der müde im Bett vor sich hin vegetierte, im Gegenteil, meist war er damals so übereifrig gewesen, dass man ihn ans Bett hätte fesseln müssen. Oh, es war nicht so, dass er jetzt nicht mehr motiviert war. Es lag einfach an dem neuen Rhythmus an den er sich wieder gewöhnen musste. Tag und Nacht. Beides kannte er nicht. Schon sehr lange vor seiner Geburt war das echte Sonnenlicht verschwunden. „Bruder!!!“, kam erneut ein Rufen, dieses Mal eindringlicher und schon fast wütend. Gauche streckte sich und gähnte. Als er aufstehen wollte, musste er feststellen, dass Roda auf einer Decke neben seinem Bett lag. Durch seine Bewegungen wurde sie auch richtig wach. „Roda? Was machst du denn da auf dem Boden?“ „I-ich...na ja...“ verlegen kratzte sie sich am Hinterkopf und sah zu Boden. Gauche verstand die Situation und reichte ihr die Hand um ihr auf zu helfen. Roda verhielt sich ständig immer komischer. Im Gegensatz zu den anderen ihrer Art wusste sie genau welches Herz in ihrer Brust schlug. Nämlich das von Gauches Hündin. Sie schaffte es die anderen Erinnerungen aus ihrem Kopf zu halten, doch zu wissen, dass sie eigentlich ein Hund sein sollte machte sie tief traurig. Manchmal versuchte sie einfach wieder so zu sein wie früher. Darum auch das Schlafen auf dem Boden. Gauche hatte Mitleid mit ihr und fragte sich, ob es nicht auch für dieses Problem eine Lösung geben würde. Endlich hatten es beide geschafft aufzustehen und Gauche war auf dem Weg zur Arbeit. Und obwohl er immer noch sehr erpicht darauf war, so viel Geld wie möglich zu scheffeln, um nach wie vor seiner Schwester zu helfen, so trat er doch ein wenig kürzer was das Briefe ausliefern anging. Denn nebenbei hatte er einen weiteren, weniger anstrengenden Job. Auch im Auftrag der Bienen natürlich. Denn jeder der Gauche kannte, wusste welch großes Geschick er hatte, wenn es um das trainieren von Dingos ging. Also unterstützte er jene, die selbst nicht streng genug sein konnten und einfach keinen Dingo für sich fanden. Manchmal schien es aber trotzdem Aussichtslos. Er erblickte ein junges Mädchen, 14 Jahre alt, die eine neue Anwärterin werden wollte. Ihr Dingo: Ein winziges Hündchen. Jedes Mal fragte er sich, wie man sich solch einen Helfer aussuchen konnte. Er würde ja sicher schon sterben wenn ein Gaichuu aus Versehen zu nah daran vorbei laufen würde. Schlimmer daran war aber die Halterin selbst. Wie so oft ließ sie sich von diesem winzigen Tier durch die Straßen zerren. Schlimm genug wenn man seinen Dingo schon an der Leine halten muss, weil dieser sonst direkt das weite suchen würde. Und wenn der kleine Hund stehen bleiben wollte, dann blieb er auch stehen und seine Halterin stand verzweifelt daneben. Und genau diese Szene bot sich Gauche gerade. Er hatte jetzt keine Zeit sich darum zu kümmern, denn für heute stand eine Lieferung auf dem Plan. „Zieh ihn einfach weiter.“, rief Gauche kurz beim vorbei gehen rüber. Eine Phrase die er ständig anwenden musste. Das Mädchen erschrak und drehte sich wie ein Blitz zu Gauche um. „J-ja! Tut mir leid!“ Sie nahm sich das zu Herzen, brauchte aber im Endeffekt trotzdem wieder drei Versuche bis ihr Hund endlich folgte. „Habe ich mich auch so verhalten? Daran erinnere ich mich gar nicht...“, fragte Roda schließlich. Gauche lächelte. Er hatte Roda bekommen als sie noch ein Welpe gewesen war. Das war nur wenige Monate bevor er anfing als Briefbiene zu arbeiten. „Nein, nicht wirklich. Natürlich hattest du auch immer so deine Phasen...um ehrlich zu sein weiß ich bei vielem nicht einmal mehr wie ich es dir beigebracht habe. Aber so störrisch warst du nie.“, antwortete er, und genoss die Erinnerung des kleinen Welpen. Die Erinnerung, die so lange aus seinem Gedächtnis gelöscht gewesen war. Er war glücklich, dass alles wieder so war wie vorher...nein, eigentlich sogar besser. Doch eines fehlte so schmerzlich wie das Licht der Sonne bei Nacht. Nämlich derjenige, der dieses Leben erst wieder möglich gemacht hatte. Lag. Sofort war Gauches Stimmung gedrückt. Endlich erinnerte er sich wieder an diese außergewöhnliche Reise, bei der er einen guten Freund gewonnen hatte. Und eben dieser war nun nicht mehr da. „Guten Morgen Gauche und Roda.“ Das war Aria, die den jungen Postboten aus seinen Gedanken holte. „Oh, guten Morgen Aria. Bist du nicht etwas spät dran für deine Arbeit?“ Nach wie vor Agierte Aria als Sekretärin. Jetzt allerdings unter dem Kommando von Dr. Thunderland. Dieser war der neue Chef der Zentrale, weil er der einzige war dem man so eine Aufgabe anvertrauen konnte. So komisch das auch klingen mochte. „Ach, wir haben eine große Lieferung zu machen, aber die stärksten Pferde sind schon weg. Ich war überall unterwegs um jemanden zu finden der noch ein richtiges Pferd zur Verfügung hat. Aber es sind nur noch Ponys da. Wir müssen auf Jiggy Pepper warten.“ Jiggy Pepper war eigentlich für den Express Versand zuständig, aber wenn es um größere Lieferungen ging musste er auch manchmal her halten. Denn mit seinem Motorrad war er der Einzige der größere Pakete am besten zustellen konnte. „Oh, verstehe. Es wäre wirklich praktisch, wenn wir unsere eigenen Kutschen hätten.“ „Ja, eigentlich schon. Aber im Endeffekt wäre das zu teuer. Es kommt ja nicht so oft vor, dass Pakete verschickt werden. Aber was ist mit dir? Du hast jetzt auch eine Lieferung, oder?“ Gauche nickte. „Ich hole den Brief jetzt in der Zentrale ab. Die Strecke ist aber nicht weit. Heute Abend sollte ich wieder zurück sein.“ Plötzlich stellte Aria sich vor ihn und hinderte ihn am weiter gehen. Fragend sah Gauche seine Kindheitsfreundin an. „Sei bitte vorsichtig, ja? In letzter Zeit sind einige neue Kreaturen aufgetaucht. Die Lieferungen am Tag sind momentan gefährlicher als die bei Nacht.“ „Du machst dir zu viele Sorgen. Ich habe schon schwierigere Strecken gemeistert, außerdem ist Roda bei mir.“ Diese Aussage konnte Aria nicht wirklich beruhigen. Kein Wunder, denn solche Dinge hatte er vor seinem Verschwinden auch immer gesagt. Trotzdem blieb ihr nichts anderes übrig, als es so hinzunehmen. „Gut...dann sehen wir uns vielleicht heute Abend. Spätestens morgen. Ich muss mich beeilen und Bericht erstatten.“, sagte sie und rannte davon ohne eine Antwort von Gauche abzuwarten. Für einen Moment war er überrascht, bis er ihr schließlich hinterher rannte. „Warte doch, Aria! Wir müssen doch sowieso in die gleiche Richtung!“ Mittlerweile befanden Gauche und Roda sich auf ihrem Weg zum Zielort des Briefes. Doch Gauche war sehr nachdenklich. Aria hatte vorhin seltsam reagiert, fast genau so wie seine Schwester fast jeden Morgen reagierte wenn er das Haus verließ. Irgendwie war ihm die ganze Zeit nicht bewusst gewesen, wie schlimm sein Verschwinden für die beiden gewesen sein musste. Doch so etwas würde er nicht mehr passieren lassen. „Achtung!“, rief Roda plötzlich, als ein riesiger Gaichuu auf sie zukam. Er war anders als die bisher bekannten Gaichuu. Seine Augen glühten Rot, seine Vorderbeine waren vier scharfe Klingen und auf seinem Kopf und den Rücken entlang ragten spitze stacheln in die Luft. Und trotzdem, dieser neue Gaichuu war noch ein recht kleines Übel. Der Gaichuu raste auf Gauche zu und hieb mit einer Klaue nach ihm. Er konnte diesem Schlag mühelos ausweichen, doch von der anderen Seite kam direkt der nächste Schlag. Auch diesem konnte Gauche knapp entkommen, doch schon bemerkte er die Schwierigkeit, die ein Gaichuu mit vier Klauen mit sich brachte. Er war flink und konnte ohne Pause immer wieder von allen Seiten zuschlagen. Um auch dem nächsten Schlag auszuweichen, machte Gauche eine Hechtrolle unter den Körper des Monsters und feuerte einen Schuss ab. Der war jedoch wirkungslos, da der Bauch nicht die Schwachstelle des Gaichuu war. „Gauche, seine Stacheln! Dazwischen befinden sich viele kleine Lücken!“, rief Roda, die gleichermaßen versuchte das Rieseninsekt abzulenken und eine Schwachstelle zu finden. „Sehr gut!“ Doch plötzlich warf der Gaichuu sich auf den Rücken, wahrscheinlich mit dem Ziel die Gegner die unter ihm standen mit den Stacheln aufzuspießen. Entweder das, oder man wurde einfach vom Körper zerquetscht. Wieder machte Gauche einen gekonnten Sprung und konnte seinem Schicksal um Haaresbreite entweichen. Noch während er auf dem Boden saß, drehte er sich um und gab erneut einen Schuss ab, der dieses Mal sein Ziel traf. Der Körper des Gaichuu begann hell zu leuchten, bis er schließlich zerfiel. Roda kam zu Gauche und half im auf. „Na also, das lief doch gar nicht so schlecht.“, sagte dieser und richtete seine Mütze wieder. Für den Rest des Weges war das der einzige Zwischenfall. Gauche und Roda lieferten den Brief wohlbehalten ab und am späten Abend, als die Sterne schon am Himmel standen, waren beide wieder auf dem Heimweg. Doch plötzlich wurde Roda auf etwas aufmerksam. Gedankenverloren starrte sie in die Ferne. „Hörst du das?“, fragte sie Gauche. „Nein, ich höre nichts. Was ist los?“ „Es hört sich an als würde jemand nach uns rufen...Dort drüben aus dem Wald.“ Die beiden standen auf einer Klippe, und was Roda als Wald erkannte, sah Gauche in dieser Dunkelheit nur als weiterer Schatten in der Landschaft. Er war still und versuchte zu hören was sein Dingo hörte. Doch da war nichts. „Du bist sicher müde. Lass uns gehen. Sylvette erwartet uns schon. Wir wollen doch nicht, dass sie sich sorgen macht.“, sagte er, während er schon weiter ging. Aber als er sich das nächste mal umdrehte, stand Roda noch immer da und starrte in die Ferne. Er entschied sich, sie noch etwas da stehen zu lassen. Sie würde schon nachkommen. Als er weiter ging, hörte er dann ein leises Flüstern. „Tut mir leid...Gauche...“ Und mit diesen Worten, sprang Roda die Klippe hinab und eilte in die Richtung des Waldes. „Wa... Halt! Roda!“ Fassungslos über dieses Verhalten, folgte der junge Mann seinem Dingo...allerdings eher rutschend und stolpernd, denn der Abhang war steil und bröckelig. Er schaffte es nicht Roda einzuholen, die mit einer erstaunlichen Leichtigkeit unbeirrt ihren Weg ging. Ganz egal wie sehr Gauche auch nach ihr schrie und rief. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)