I Shall Rise von robin-chan ================================================================================ [Au] - Everything has changed ----------------------------- III Autumn Die Dusche hatte ihre Wirkung nicht verfehlt und Lara erging es wesentlich besser; konnte klarer denken. Minuten hatte Lara da gestanden, sich vom heißen Wasserstrahl berieseln lassen; mit den Armen am Glas abgestützt und hatte ihren Gedanken nachgehangen. Immer wieder ließ sie das Szenario, das sich vorhin an der Tür abgespielt hatte, Review passieren. Wie konnte sie dagegen halten? Dass der Weg zurück schwer werden würde, hatte die Brünette geahnt. Einschneidende Erlebnisse, wie der Aufenthalt auf Yamatai, luden förmlich ein, jemanden zu verändern, aber bislang fand sie keine Lösung ihres Problems. Das normale Leben bereitete ihr die Schwierigkeiten; erst unterwegs, inmitten eines gefährlichen Abenteuers, da fühlte sie sich besser, sicherer. Dort übermahnten sie keine Ängste; das Ziel war anvisiert und darauf arbeitete sie hin, so lange bis sie es erreichte. Deshalb, und daran hegte sie keinen Zweifel, hielt es den Croft-Sprössling in den vergangenen Monaten nie lange in London. Das unbeschwerte Leben in einer Stadt mit diesen Menschen, die der gewohnten Norm nachgingen, war ihr fremd geworden. Ein letztes Mal besah sie das eigene Spiegelbild ehe Lara mit einem tonlosen Seufzen aus dem Badezimmer trat. Der Geruch von Frischgekochtem stieg ihr in die Nase; bescherte der jungen Archäologin ein sachtes Lächeln und zeitgleich ein unüberhörbares Knurren des Magens. Selbstgekochtes kam in der neuen Wohnung selten vor oder besser gesagt, ohne Jonah und Kaz bräuchte sie höchstens Ofen und Mikrowelle. Derzeit unterhielt sie eine angeregte Freundschaft zum Tiefkühlfach, dem Bäcker um die Ecke sowie der kalten Küche. Unfähig sich selbst zu verköstigen, das konnte Lara nicht behaupten, aber derzeit hatte sie weder die Geduld noch das Interesse, sich alleine zu bekochen. Das Lächeln blieb als sie näher zur Küchenzeile trat und Kaz Weiss beobachtete, deren Griffe leicht von der Hand gingen. Alex‘ Schwester und wie dieser ein Genie in Sachen Computer. Hacken galt als ihr Spezialgebiet. Wollte sie Zugang, schaffte Kaz stets einen Weg durch die Hintertür; der Grund warum sie über einen Zeitraum hinweg, den sie selbst kaum preisgab, für Trinity arbeitete. Unweigerliche musste die Brünette an das Kennenlernen zurückdenken und wie Blonde seither einen festen Bestandteil ihres Lebens einnahm. Ein Erlebnis das es in sich hatte und in einer explosiven und blutigen Angelegenheit endete. Nach der Rückkehr aus Yamatai kamen die Albträume, in denen Lara oftmals von ihren verstorbenen Freunden heimgesucht wurde; Roth, Grimm und Alex. Letzterer sprach immer und immer wieder von seiner Schwester. Irgendwann hatte es Lara nicht länger ausgehalten; sie wusste es hörte erst auf, sobald sie Kaz gefunden hatte. Nach etlichen Recherchen kam der entscheidende Hinweis und nach diesem hielt sich Alex‘ Schwester in der Ukraine auf. Sam hatte den Alleingang nicht gemocht, obwohl sie der Fahrt auf dem Frachter, der sie in die Heimat brachte, wusste, wie Lara dazu stand. Damals verhielt sich Sam eben anders. Heute sah die Lage anders aus. Vollkommen anders. Die Gesuchte fand Lara schließlich in Prypjat, wo sich Kaz vor ihrem ehemaligen Arbeitgeber versteckte. Schnell kam, was kommen musste. Trinitys Schergen hatten die Abtrünnige ausfindig gemacht und gemeinsam setzte sie sich zur Wehr; nicht ohne dementsprechende Verluste, und da Kaz neben ihrer Frau nun auch noch deren Familie verlor, hatte sie nichts mehr an diesem Ort gehalten und sie war mit der Archäologin nach London gekommen. Kurzweilig hielt Laras Blick am kurzen und blonden Haar der Frau; bei ihrem Kennenlernen war es lang und braun gewesen. Diese Frisur erinnerte ein wenig an Kaz‘ verstorbene Frau. Lara hatte im Familienhaus, bevor der Angriff los brach, ein Foto gesehen. Vielleicht eine einfache, bedeutungslose Laune; vielleicht lag so viel mehr dahinter. Fakt war, Kaz lebte stets mit der Gefahr im Nacken, Trinity könnte sie erneut aufspüren. Da brauchte es hie und da erst recht eine kleine Veränderung. Dann fragte sich Lara oft, wie lange sie Kaz noch um sich hatte. Aus Erzählungen wusste sie sehr wohl, wie schnell die Blonde ihre Zelte abbrach und ins nächste Land weiterzog. »Deckst du den Tisch?«, hörte Lara schließlich, ohne von Kaz angesehen zu werden, mit einem Unterton, den Lara schwer einschätzen konnte, und nickte. ●๑۩۩๑● Lara schreckte hoch. Da war etwas. Ihr Kopf schnellte in jene Richtung, aus der sie das verräterische Geräusch wahrnahm. Das Schloss! Jemand war an der Tür. Hast klappte sie den Laptop zu und griff nach dem Eispickel, der stets in der Nähe lag und auf seinen Einsatz wartete. Der Eindringling konnte kommen, Lara war bereit und würde ihm entschlossen gegenüber treten. Spürbar vernahm sie den Push, Adrenalin strömte durch ihren Körper. Lara wusste genau, was sie zu tun hatte. Ein kräftiger, gezielter Schlag in den Schulterbereich. Keine tödliche Wunde, denn sie wollte wissen, wer sich hier Zutritt verschaffte und weswegen. Gedanken, die sich in kaum zwei, drei Sekunden abspielten, die aus Erfahrung sprachen. Ein erwachter Instinkt, der sie aus all den Gefahren lotste. Die Tür öffnete sich und Lara atmete kontrolliert ein; den Schlagarm angehoben. »Lara?« Ein Blondschopf zwängte sich durch den Spalt, späte suchend ins Innere. Einen Wimpernschlag später trafen sich ihre Blicke. Regungsloses Starren in die Augen der jeweiligen anderen folgte, ehe es Kaz war, die das Schauspiel beendete und einen hörbar lauten Seufzer ausstieß. »Ernsthaft? Ein Eispickel? Mädel, wir sind in London … ‘ne Clock wäre zivilisierter.« »Scheiße, Kaz!«, fluchte die junge Archäologin als sie sich fing und prompt glitt der Pickel ihr aus der Hand, schlug dumpf am Boden auf. Verkrampft fuhren ihre Finger durchs Haar; mehrmals atmete sie tief ein und aus. Laras Verstand trieb eindeutig ein kräftezerrendes Spiel mit ihr; die entwickelte Paranoia unterstrich ihren miserablen Verarbeitungsprozess. Das reizte ihre Nerven zunehmend und wieder musste sie sich die Frage stellen, wie sie auf solch eine Vermutung kam. Denn wer drang spät abends, wo das Licht draußen erkennbar war, ausgerechnet in ihre Wohnung ein? Durch die Vordertür? Mit einem Mal fühlte sie sich bescheuert, beschämt. »Was machst du hier?« Kaz Weiss trat ein; sie hielt zwei Einkaufstüten in die Höhe, wodurch es selbst in Lara Crofts zermarterten Gehirn klickte. Bevor sie die Frage revidieren konnte, vernahm sie bereits die enttäuschte Stimme der Blonden. »Zum Kochen. Jonah verspätet sich. Gab ‘nen Ausfall und er muss die längere Schicht schieben. Sag«, und die Stimmlage nahm einen besorgten Ton an, »was hast du getrieben? Ich hab mehrmals geklingelt und hast du deine Klamotten gesehen? Du solltest duschen und dich umziehen.« Unterstrichen von einem sachten Kopfschütteln. »Tut mir leid, Kaz!«, entschuldigte sich Lara sogleich. Mittlerweile vergaß sie viele Treffen, meist aus demselben Grund: Lara verschanzte sich in ihrer Wohnung, arbeitete wie eine Besessene oder hing den Geschehnissen nach. Was die Archäologin jedoch weniger verstand war, wie sie die Klingel überhören konnte, aber ausgerechnet das leise Geräusch des Schlosses vernahm. Allem Anschein nach filterte ihr Gehör nach neuen Maßstäben; selbst auf die durchnässte Kleidung hatte sie vollkommen vergessen gehabt. Leicht sah sie an sich hinunter. Die Sachen klebten an ihrem Körper, hinterließen feuchte Spuren. Kälte nahm sie nicht wahr, da hatte sie auf der Insel mehr durchgestanden und damals trug sie weniger. »Lara«, holte Kaz sie aus den Gedanken, »geh duschen. Ich fang schon mal an.« Ohne Gegenwehr nickte die Brünette und machte sich zum Badezimmer auf. Kaz‘ Mustern der Wohnung, das neuerliche Kopfschütteln, blieben dabei nicht ungesehen. ●๑۩۩๑● »Erzähl, wie läuft’s mit deinem Psycho-Doc?«, fragte Kaz neugierig, nachdem die Teller gelehrt und die Mägen gefüllt waren. Während des Essens hatte sich ihre Unterhaltung mehr auf Smalltalk begrenzt, aber nun, wo sie so beisammen saßen, den Wein tranken, konnte die Blonde ihre Fragen, die ihr am Herzen lagen, nicht länger unterdrücken. Lara spürte den durchdringenden Blick, der auf ihr ruhte, wich diesem jedoch gekonnt aus. Was er bedeutete, das wusste sie sehr wohl. Kaz wollte keine Ausflüchte. Wie gern hätte sie eine freudige Antwort gegeben; erzählt wie hervorragend die Therapie verlief und ihr auf dem Weg zur Besserung half. Leider war dem nicht so und die Begrüßung von vorhin, die sprach wahrhaft Bände. Lara goss sich Wein nach, schindete sich ein wenig Zeit. Denn eine Lüge auftischen war deplatziert. Immerhin durchschaute Kaz rasch, ob ihre Worte der Wahrheit entsprachen oder eben nicht und fair ihr gegenüber erschien es ebenfalls nicht. Kaz war ihre Freundin und machte sich dieselben Sorgen, wie es Jonah tat oder Josline Reyes, wenn sie hie und da telefonierten. Lara konnte nicht sagen, sie war alleine auf der Welt, aber warum fühlte es sich oftmals danach an? »Beschissen«, antwortete Lara schlussendlich wahrheitsgetreu. »Weißt du«, sprach sie weiter, da Kaz keine Reaktion gab, «ich habe mir mehr erwartet. Sehr viel mehr. Reine Zeit- und Geldverschwendung. Ein Sprücheklopfer und ehrlich gesagt, wie soll mir ein Mensch weiterhelfen, der nie dasselbe durchgemacht hat?« Anfangs, als es noch schlimmer war und sie einen Ausweg suchte, da hatte sie sich darauf eingelassen, denn Lara hatte mit etwaigen Fortschritten gehofft. Nach all den Sitzungen jedoch, da existierte keine Hoffnung mehr. Am Ende musste sie selbst die passende Lösung finden. Niemand konnte ihr dabei helfen. »Deine Paranoia? Außerhalb der Wohnung, versteht sich«, fragte Kaz weiter. Lara lächelte wehmütig. Wann diese endlich abließ, das konnte sie nicht sagen; suchte sie in den alltäglichsten Momenten heim. Oft reichte eine schmale Gasse. Kam ihr dort jemand entgegen, dann spannte sich jede Faser ihres Körpers an. Panisch versteckte sie sich dann, mehr als einmal, fand sie sich kauernd hinter einem Müllcontainer. Vor sich sah sie keine normalen Bürger, sie erkannte sie als Feinde, Solarii und was sonst noch. Erst wenn sie an ihr vorbei waren oder sie tief durchatmete klärte sich ihr Blick. So schnell wie es kam, verschwand es wieder. Wie sehr hatte sie sich verändert. Vor der Forschungsreise hatte sie die Ruhe geliebt. Heute suchte sie die Menschenmassen, denn dort untergetaucht, umringt von unzähligen Leuten, da fühlte sie sich wohler denn je. Mittendrin, da fühlte sie sich sicher, da fiel sie nicht auf. War es besonders schlimm, so suchte sie eben jene Orte auf, wo sie in der Masse verschwand. Solange bis es ihr besser ging. Verrückt, vereinzelte Menschen brachten ihr gröbere Schübe als eine Horde. »Wie gehst du damit um?« Kaz senkte den Kopf, lachte leise während ihre Fingerkuppe über den Rand des Glases strich. »Nun ja, mein naives Verhalten hat mich in diese Lage gebracht. Was bleibt mir anderes übrig als die Konsequenzen meines eigenen Handels zu tragen? Ein lukratives Angebot, das mir zu schnell zu wider geworden ist, aber ich habe es mir selbst eingebrockt. Natürlich achte ich auf meine Umgebung, habe Vorkehrungen getroffen und Gott bewahre, zu Beginn war es alles andere als einfach, aber sagen wir, ich habe den Umstand mittlerweile akzeptiert.« Jede Tat barg Konsequenzen und der Einstieg bei Trinity hatte ihr Leben bereits in eine Richtung manövriert, die sich als Sackgasse herausstellte. Ein Ausstieg war inakzeptabel, erst recht durch die dumme Aktion, die sie damals schob. Nie hätte sie jemanden über die Existenz der Organisation erzählen dürfen. Die einzige Chance auf ein halbwegs geregeltes Leben, würde den Sturz Trinitys bedeuten und anhand ihrer Informationen, bezweifelte sie das stark. Zu viele waren involviert. »Akzeptanz«, nuschelte die Archäologin und betrachtete die rote Flüssigkeit. »Lara, Croft Manor wäre ein passender Anfang.« »Warum? Weil ich eine gebürtige Croft bin? Eine Linie zu vertreten habe?« Croft Manor, das Erbe ihrer Familie. Laras einstiges Heim, in dem sie viele schöne, aber mitunter einsame Stunde verbracht hatte. Waren ihre Eltern auf Reisen, so vergrub sie sich in Büchern. Hier lernte sie das Klettern. Wer brauchte Türen, wenn sie durchs Fenster kam? Das war ihr Zuhause gewesen. Eine Einstellung, die sich mit Lord Richards Tod rapide änderte. Getrieben von seiner Arbeit verlor der Lord sein Ansehen. Niemand mochte ihm Glauben schenken und als er verschwand, da nahm sie Abstand. Wie hatte sie ihn angefleht, diese eine Expedition zu vergessen? Ihr Vater hatte ihr kein Gehör geschenkt und dann, dann verlor er sein Leben. Besser gesagt, die Behörden sprachen nach der offiziellen Untersuchung von Selbstmord. Ein Tiefschlag, nachdem sie schon ihre Mutter verloren hatte. Lara wurde eine Vollwaise. Nichts hielt sie mehr an diesem Ort und das alte Gemäuer machte sie unglücklich. Warum sollte ihr die Rückkehr helfen? Zudem gab es ein Problem, das sie zuvor noch aus der Welt schaffen musste. »Aus der alten Wohnung bist du regelrecht geflüchtet. Mit Croft Manor sehe ich einen Fortschritt, indem du dich endlich deiner Vergangenheit stellst. Stattdessen lebst du hier, nur um einer weiteren Problematik aus dem Weg zu gehen. Du akzeptierst nicht mal, wer du eigentlich bist, wo deine Wurzeln liegen!« »Redet die, die den Kontakt zu ihrer Mutter abgebrochen hat und einen weiten Bogen um die Heimat macht«, plapperte Lara munter drauf los und biss sich am Ende auf die Zunge; fluchte innerlich. Kaz' Miene verhärtete sich augenblicklich und sie stand auf, nahm das Geschirr und machte sich Richtung Küchenzeile auf. »Fuck!«, murmelte die Brünette, vergrub das Gesicht einen Augenblick lang in ihren Handflächen, ehe sie es gleichtat. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)