Hermine Granger (1991-1998) von Liliputh (Hermines Erlebnisse von Band 1 bis 7.) ================================================================================ Kapitel 10: Im Hogwartsexpress ------------------------------ Eine fremde Welt! Noch waren ihr zumindest einige Dinge vertraut. Der Zug, der heftig rumpelnd schneller wurde, die Koffer, das wilde Durcheinander von Kindern im Gang. Genauso wie in der Grundschule kurz vor Unterrichtsbeginn, wenn die Lehrer sich durch das Gedränge zu ihren Klassenräumen kämpften, um aufzuschließen. „Brauchst du Hilfe?“ Hermine drehte sich um und sah in ein freundliches Gesicht mit Hornbrille. „Mein Name ist Percy Weasley, ich bin Vertrauensschüler“, stellte sich der Teenager vor, als sie nicht antwortete. Noch etwas Vertrautes! Energisch rieb sich Hermine die feuchten Augen und probierte ein Lächeln. „Ich bin Hermine Granger.“ „Zum ersten Mal in Hogwarts?“ Unter dem wohlwollenden Blick fühlte Hermine sich auf seltsame Art aufgehoben. Sie nickte. „Ja.“ Neugierig musterte sie den älteren Schüler. „In welchem Haus bist du? Ich habe von allen Vieren gelesen, aber Gryffindor und Ravenclaw klangen am Ansprechendsten.“ „Ich gehe nach Gryffindor. Sogar Dumbledore war dort. Aber du hast schon recht, Ravenclaw ist auch nicht schlecht. So, dann wollen wir dir mal ein Abteil suchen.“ Der Junge zückte seinen Zauberstab und murmelte: „Locomotor Koffer.“ Jetzt lachte Hermine richtig. Sie folgte Percy und spähte neugierig in die Abteile, in denen ältere und jüngere Hexen- und Zaubererkinder saßen. Manche hielten Besen in der Hand, wieder andere Zauberstäbe. Hermine war gerade stehen geblieben, um bei einer Hexerei zuzusehen, als Percy rief: „So, da wären wir.“ Bedauernd warf Hermine der Schülerin mit dem Zauberstab noch einen letzten Blick zu und ging dann zu Percy. Er schob die Abteiltür auf, steckte den Kopf durch die Tür und fragte: „Bei euch ist noch ein Platz frei, nicht wahr?“ Ohne eine Antwort abzuwarten hob Percy den Stab und der schwere Koffer schwebte sacht in das Gepäcknetz. „Bis später dann.“ Die drei Mädchen, zwei davon konnten nur Zwillinge sein, musterten sie mit Mienen, die Hermine nicht zu deuten vermochte. Ihre Knie begannen zu zittern. „Hallo, ich bin…“ Sie räusperte sich. „Ich bin Hermine Granger.“ Das Mädchen am Fenster lächelte. „Parvati Patil.“ „Padma Patil.“ „Lavender Brown“, murmelte das Mädchen zwischen den Schwestern. Unsicher ließ sich Hermine direkt neben der Tür in den Sitz sinken. Lavender beachtete sie nicht weiter, griff neben sich und zeigte Parvati und Padma ein Heftchen. Einen Moment später kicherten sie. Fasziniert starrte Hermine auf das glänzende Cover, auf dem ein Paar Hand in Hand auf zwei Besen über einen Wald flog. „Das Bild bewegt sich ja!“, rief sie und deutete begeistert auf das Heftchen. Lavender sah sie mit hochgezogenen Brauen über den Rand hinweg an. „Kommst du aus einer Muggelfamilie?“, wollte Parvati wissen. Hermine nickte. „Na dann...“ Lavender gähnte. „Sieht das nicht irre aus? Der Schnitt ist etwas gewagt, aber ansonsten...“ Schon waren sie wieder vertieft. Unruhig rutschte Hermine von einer Sitzecke in die andere. Ich könnte „Eine Geschichte von Hogwarts“ weiter lesen, überlegte sie. Oder ich ziehe mich schon mal um. Ja, das mache ich! Es erfüllte Hermine fast mit Ehrfurcht, als sie die Uniform sah. Seitdem sie sie bei Madame Malkins anprobiert hatte, war sie fest verpackt im Koffer gewesen und Hermine kam es vor, als streife sie mit ihrer Muggelkleidung gleichsam ihre Vergangenheit ab. Die Schikanen ihrer Mitschüler und die Einsamkeit. In Hogwarts würde sie Freunde finden. Wie wäre es mit Parvati? Die hatte so nett gelächelt. „Kommst du auch in die erste Klasse, Parvati?“ „… Also ich würde nie so rumlaufen“, sagte diese gerade. Dann sah sie auf. „Wie bitte?“ „Ich meine… Also, ob ihr auch neu nach Hogwarts kommt.“ „Ja“, sagte Parvati, und deutete mit dem Finger auf eine Seite, die Hermine nicht sehen konnte. „Und kommt ihr aus einer richtigen Zaubererfamilie? In „Eine Geschichte von Hogwarts“ habe ich gelesen, dass es vier Häuser gibt. Vielleicht komme ich ja nach Ravenclaw. Habt ihr davor schon ein Internat bewohnt? Für mich ist es das erste Mal.“ Diesmal geriet sie nicht ins Stocken, sprach jedoch mindestens in doppelter Geschwindigkeit. Padma lachte. „So viele Fragen. Wir beide kommen aus einer Zaubererfamilie und waren auch noch nicht in einem Internat. Aber das wird schon, mach dir keine Gedanken.“ Sie stand auf. „Ich gehe zu Madeleine, wir sehen uns später.“ Noch bevor sie den Griff der Abteiltür berührt hatte, wurde sie von einem Jungen mit verweinten Augen geöffnet. „Habt ihr vielleicht eine Kröte gesehen?“ „Nein“, sagte Hermine und sprang voller Elan auf. „Aber ich helfe dir, sie zu finden!“ Hauptsache ich komme weg von den Beiden, schoss es ihr durch den Kopf. Stumm drückte sie sich aus dem Abteil und atmete erst auf, als sie die Tür hinter sich zugezogen hatte. Dann wandte sie sich an den Jungen. „Ich bin Hermine Granger, und du?“ Der Junge schniefte. „Neville Longbottom.“ „Am besten wir gehen in jedes Abteil und fragen nach. Wie heißt denn deine Kröte?“ Hermine zögerte, dann überwand sie sich und legte Neville behutsam den Arm um die Schultern. Er zuckte nicht vor ihr zurück, was Hermines Eifer bestärkte. „Warte, in diesem Abteil habe ich schon...“, begann Neville, doch sie hatte die Tür bereits resolut aufgeschoben und fragte die beiden Jungen nach Trevor. Einer von ihnen, mit einem dunklen Fleck auf der Nase, hielt eine Ratte auf dem Schoß und einen Zauberstab in der Hand. „Du bist gerade am Zaubern? Lass mal sehen“, platzte sie begeistert heraus. Das war definitiv wesentlich interessanter, als zwei Mädchen zu beobachten, die in ein Heft vertieft waren. „Eidotter, Gänsekraut und Sonnenschein – gelb soll diese fette Ratte sein.“ Der Junge fuchtelte heftig mit dem Stab, doch nichts geschah. Hermine ging im Kopf sämtliche Zaubersprüche durch, die bei ihr erfolgreich gewesen waren. In keinem war solch ein Wort vorgekommen. Sie klangen eher Lateinisch. Hermine fiel auf, dass der Zauberstab reichlich mitgenommen aussah und an einer Stelle sogar die inneren Fasern herauskamen. Ob nicht intakte Zauberstäbe ähnlich gefährlich werden können, wie Stromkabel?, überlegte Hermine. Wahrscheinlich kommt er aus einer echten Zaubererfamilie und hat den Stab vererbt bekommen, so wie der aussieht. Aufgeregt erzählte sie von ihren ersten Zauberererfahrungen, den Sprüchen, ihrer Familie und der Überraschung über ihre Kräfte. „Und wer seid ihr?“, endete sie. „Ron Weasley“, sagte der Junge mit dem Fleck an der Nase. „Harry Potter.“ Oh mein Gott! Vor nicht einmal drei Wochen hatte sie in sämtlichen Büchern alles über diesen Jungen gelesen und nun saß er leibhaftig vor ihr!! Unfassbar!!! Dabei sah er so normal aus… Und schien keine Ahnung davon zu haben, dass er in mindestens drei Büchern stand. Mir wäre das nicht passiert, dachte Hermine. Aber ich habe ja auch keine Zaubererfamilie… Schlagartig erinnerte sie sich an ihr Versprechen, Neville bei der Suche zu helfen. Er wirkte verloren, wie er so im Türrahmen stand und sich über die Augen fuhr. „Ich glaube, wir sind fast da, ihr solltet euch umziehen“, riet sie den beiden zum Abschied. Dann suchten sie weiter. Im vierten Abteil änderte sich Nevilles Miene. Seine traurigen Augen schienen mit einem Mal Funken zu sprühen: Ein massiger Junge hielt Trevor lachend kopfüber, während zwei Andere entzückt kicherten und johlten. Mit einem großen Schritt stand Hermine vor dem Jungen und nahm ihm das Tier aus der Hand. „Seid ihr total verrückt? Was macht ihr da?“ Der blonde Junge gähnte. „Was regst du dich so auf? Mit einer Kröte aufzutauchen ist ja fast so erbärmlich, wie ein Schlammblut zu sein.“ Ein was?, überlegte sie kurz, beschloss jedoch, es zu ignorieren, gab dem strahlenden Neville seine Kröte zurück und machte sich auf den Weg zum Schaffner. Sie musste unbedingt wissen, wann sie ankamen. Auf dem Rückweg war das Gedränge noch schlimmer geworden. Nachdem ihr zwei Schüler auf den Fuß getreten waren und sie dreimal fast umgestoßen wurde, beschloss sie entnervt, im nächstbesten Abteil zu warten, bis es ruhiger wurde. Sie schob die Tür auf und die drei Jungen, die Trevor gequält hatten, traten heraus. Ron und Harry sahen zornig aus, das Abteil sah aus, als hätte eine Schlägerei stattgefunden. Das wäre es ja, dachte Hermine beunruhigt, wenn Harry rausgeschmissen wird, noch bevor wir ankommen. Der Boden war übersät von Süßigkeiten, es herrschte ein furchtbares Chaos. Diese Süßigkeiten sind ja interessant, sowas habe ich ja noch nie gesehen, dachte sie und sah, wie Rons Hand tastend auf dem Boden umher griff, bis er eine Ratte in der Hand hielt. Ob die drei Typen dem Tier etwas angetan haben? Jimmy war auch so einer gewesen, der Tiere quälte, wenn gerade sonst niemand zur Verfügung war… Doch der winzige Brustkorb der Ratte hob und senkte sich und Hermine kam im selben Moment wie Ron zum Schluss, dass sie lebte. Während Harry von seiner Begegnung mit Malfoy erzählte, fühlte Hermine sich immer mehr an Jimmy erinnert. Diese Mistkerle schien es offenbar überall zu geben, doch schließlich war sie auch mit Jimmy letztendlich fertig geworden. „Ihr habt euch doch nicht geschlagen?“, fragte sie dann doch. „Wir haben nicht gekämpft!“, rief Ron empört und deutete auf seine Ratte. „Krätze hat gekämpft.“ Hermine musste sich ein Lächeln verkneifen. Eine Ratte namens Krätze. Sie hatte gerade Luft geholt um zu fragen, ob die Namenswahl beabsichtigt war, als Ron sie aus dem Abteil komplimentierte. „Du hast Dreck auf deiner Nase“, fauchte sie beleidigt und ging. Der war ja vielleicht drauf. Der Gang war ruhiger, der Zug wurde immer langsamer. Bei der Durchsage, wonach alle Gepäckstücke zum Schloss gebracht würden, stellte sich Hermine ein großes Netz voller fliegender Koffer vor. Oder wurden sie verhext und liefen auf vier kräftigen Beinchen selbständig hinter ihnen her? „Kommst du?“ Neville stand plötzlich wieder neben ihr, den quakenden Trevor auf seiner Schulter. „Klar!“ Sie sprang aus dem Zug und lächelte Neville an. Vielleicht werden wir ja Freunde, dachte sie hoffnungsvoll, als sie auf den dunklen Bahnhof traten. -- Anhören könnt ihr das Kapitel hier: https://www.youtube.com/watch?v=cCAYkbxLlK0 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)