Die Konkurrenz schläft von Hotepneith (Der 29. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 1: Ausflug mit dem Herrn -------------------------------- Sakura arbeitete zwar im Privatgarten der fürstlichen Familie, aber sie zupfte kniend sorgfältig das Unkraut zwischen den Heilpflanzen. Ihr Lehrer Neigi durfte hier nicht riechende Kräuter ebenfalls anbauen, um seine Patienten zu versorgen. Sie hörte, dass jemand kam, und verneigte sich vorsorglich mit der Stirn bis zum Boden. Es wäre mehr als unpassend den Fürsten oder auch Seine Lordschaft nicht zu begrüßen, und würde im Zweifel schmerzhafte Folgen zeitigen. Aber es war der alte, wohlbeleibte, dämonische Heiler: „Du kannst hier Schluss machen², sagte er: „Der Herr sandte Nachricht, dass du ihn begleiten sollst. Er will wieder einmal zu den Takahashis. Ich erzähle dir, was du über diese menschliche Fürstenfamilie wissen solltest, während du packst.“ „Ja, mein Lehrer, danke.“ Sie stand auf. „Wie lange wird der Herr dort bleiben wollen?“ „Wenige Tage, zumeist. Ich habe dir allerdings schon die Tasche mit Medikamenten für Menschen gepackt. Der dortige Heiler heißt Yoshifumi. Er lernte an der Heilerschule und lebte auch vor einiger Zeit ein Jahr hier bei mir. Ich denke, du wirst ihn und sein Wissen schätzen. - Der Inu no Taishou kennt die Familie Takahashi bereits, seit er der Fürst der westlichen Länder wurde und hat seit jeher ein Faible für diese. Fürst Hidemaru Takahashi ist ein Daimyo, er hat andere Fürsten unter sich. Die Familie stieg im Laufe der vergangenen Jahrhunderte auf. - Er ist verwitwet und hat zwei Söhne sowie eine Tochter. Der älteste Sohn heißt ebenfalls Hidemaru. Es ist in dieser Familie üblich den ältesten Sohn so zu nennen und die älteste Tochter bekommt immer den Namen Izayoi. Die Tochter des Daimyo soll nun heiraten, darum geht der Herr hin, wie stets zu Hochzeiten in der Familie. Vor einigen Jahren war er auch bei der Hochzeit des Erbprinzen Hidemaru mit Prinzessin Reika. Der jüngere Sohn ist noch unverheiratet und heißt Daichi. Vielleicht soll sich da etwas ergeben, wenn seine Schwester wegheiratet. Nun, das wirst du sehen. Wie gesagt, der Herr schätzt diese Familie. Aber ich denke kaum, dass du ihn da in Schwierigkeiten bringen wirst. Du kannst deine Zunge hüten und dein Benehmen ist tadellos.“ „Danke“, murmelte Sakura. Ihr Lehrer erwartete tatsächlich, dass sie sich alle diese Informationen merkte. „Darf ich fragen, warum ich mitreisen soll?“ „Ich denke, der Herr möchte, dass du mit Yoshifumi ein wenig plauderst. Menschliche Heiler sehen manches bei Menschen doch anders als ich. Und es schadet nicht, wenn du auch diese Denkweise lernst. Aber ich habe ihn beileibe nicht gefragt.“ Natürlich war der mächtige Hundefürst niemandem eine Erklärung für Befehle schuldig. So nickte die Heilerschülerin nur: „Seine Lordschaft wird dann hier sicher übernehmen.“ Oh, sie war eigentlich ganz froh hier wegzukommen, wenn sie bedachte, wie seine letzte Regentschaft ausgesehen hatte. Und ihre Lage zwischen den Fronten hatte sich kaum dadurch verbessert, dass er sie vor aller Augen berührt hatte, ja, es den Anschein gehabt hatte, als ob er sie auf die Wange küsse. Er war schon manchmal schwierig, aber das würde und durfte sie natürlich nie aussprechen. Er war jedoch der Erbprinz und zukünftige Fürst und hatte das Recht so zu sein wie es ihm beliebte. Das ging höchstens seine Eltern, vor allem seinen Vater, etwas an. Und, wenn sie es sich so recht überlegte, hatte er dessen Missfallen durchaus schon zu spüren bekommen. Leider sie gleich in gewisser Weise mit. „Wann wünscht der Herr abzureisen?“ „Sofort.“ Neigi konnte den Inu no Taishou, vielmehr dessen Energie, im Hof spüren: „Du solltest dich beeilen.“ „Ich bin fertig, verehrter Lehrer.“ Sie schloss die kleine Tasche. Sie besaß kaum Kleidung und nur einen Kamm, das Packen war keine Kunst. „Gut. Dann gehe zu ihm, ich hole noch rasch den Heilerkoffer für dich.“ So kniete Sakura keine Minute später im Sand des Hofes neben dem Schlossherrn nieder. „Lass", meinte der, als sie formell die Hände auf den Boden legte, um den mit der Stirn zu berühren. „Neigi.“ Denn dieser brachte den transportablen Koffer, mit dem er Patienten auswärts des Schlosses behandelte. Er war kleiner und auch für ein Menschenmädchen zu tragen. Er verneigte sich höflich, ehe er ihn abstellte. „Wir gehen, Sakura.“ Der Hundefürst wandte sich um und verließ den Hof, eilig gefolgt von der Heilerschülerin, die ihre eigene Tasche um die Schultern geschlungen hatte und den Koffer in der Hand trug. Ein wenig war sie verwundert, dass der Herr nicht, wie sie es schon gesehen hatte, ein schwarzes Loch öffnete, nach Dämonenart rasch große Entfernungen überbrückte. Sowohl er selbst, als auch Seine Lordschaf,t waren schon so freundlich gewesen sie mitzunehmen, wenngleich mehr oder weniger unter den Arm geklemmt – Lord Sesshoumaru, oder auf den Armen getragen - der Fürst. Aber natürlich stand ihr dazu weder eine Bemerkung zu, noch auch nur gedankliche Kritik. Wenn der mächtige Herr der Hunde lieber durch den Wald spazierte, so war das schlicht sein Recht – und dass sie hoffte, den Koffer nicht allzu weit tragen zu müssen, war ihr Problem. Sie war nichts als eine kleine Dienerin, noch dazu ein Mensch. Nach einer Weile meinte der Inu no Taishou: „Komm neben mich.“ Er mochte es nicht sonderlich sich quasi mit sich selbst zu unterhalten, wenn seine Begleitung höflich hinter ihm blieb. Natürlich war manches seiner Stellung geschuldet, aber Sakura hatte noch nie etwas ausgenutzt, weder bei ihm oder auch seinem Sohn. Nun, in letzterem Fall wäre sie auch kaum mehr am Leben. „Neigi sagte, wohin ich will.“ „Ja, Herr.“ „Du wirst dich, nach der Vorstellung beim Daimyo, um die Damen des Hauses kümmern. Prinzessin Izayoi soll in wenigen Tagen zu ihrem Bräutigam reisen und sie sollte nicht krank sein. Prinzessin Reika erlitt erst vor Kurzem eine Fehlgeburt, bedauerlicherweise ein Sohn. - Ihr und Prinz Hidemarus bislang einziges Kind ist Izayoi die Jüngere, ein noch recht kleines Mädchen. Wenn du Zeit findest, darfst du auch mit dem dortigen Heiler sprechen.“ „Danke, Herr.“ Ein wenig neugierig fragte der Taishou: „Antwortest du bei Sesshoumaru auch so?“ „Ich sage dann: Ja, Lord Sesshoumaru.“ Was meinte er? „Gut. Dann komm. Du bist schon auf Dämonenart gereist.“ Sie war durchaus angetan, dass es schneller gehen sollte. Überdies nahm der Fürst sie auf die Arme. Das drückte zwar ein wenig durch seine Panzerung, aber er mied seine Stacheln. Und es war angenehmer, als, wie bei dem Erbprinzen üblich, einfach unter den Arm geklemmt zu werden, möglichst Kopf nach unten. Nur zwei Minuten später fühlte sie sich abgesetzt und neigte zwar höflich den Kopf, warf jedoch einen neugierigen Blick um sich. Es war eine Hochebene, die Hügel bewachsen mit grünen Feldern. Vor ihr lag ein großes Schloss mit einer festen Mauer. Das eigentliche Schloss überragte diese – es besaß gewiss drei oder vier Stockwerke. Arbeiter und Samurai eilten geschäftig durch das bewachte Tor. Weiter entfernt erkannte Sakura höhere Berge. Von dort oben hatte man gewiss einen weiten Ausblick über diese Ebene und wohl noch weiter in Richtung Westen. Da der Herr der Hunde bereits Richtung Schloss schritt, beeilte sie sich ihm zu folgen. Sie sah sehr wohl, dass er erkannt – und offenbar respektiert, aber nicht gefürchtet wurde. Die Menschen verneigten sich tief, so sie etwas in der Hand hatten, oder warfen sich zu Boden, aber niemand rannte schreiend weg, wie sie es durchaus schon bei Zusammentreffen von Dämonen und Menschen erlebt hatte. Den Grund dafür entdeckte sie in der großen Vorhalle. An einer Seitenwand befand sich ein riesiger, bestickter Teppich, sicher alt und kostbar, der einen großen, weißen Hund zeigte. Mit gewissem Lächeln, das sie jedoch rasch unterdrückte, dachte sie daran, dass sie nur einmal Lord Sesshoumaru in seiner Hundegestalt gesehen hatte, den Fürsten noch nie. Ein recht vornehm gekleideter Mann, sichtlich ein Beamter, kam eilends heran und verneigte sich tief. „Willkommen im Schloss, edler Herr der westlichen Länder. Der Daimyo erwartet Euch.“ Sakura bemerkte durchaus, dass sich niemand wunderte, dass sie als Menschenmädchen mit dem Hundefürsten kam – auch ein Unterschied zu anderen Schlössern. Sie waren hier wirklich recht vertraut mit seinem Anblick. Und anscheinend brachte er öfter mal wen mit. In der Empfangshalle saß der Daimyo Hidemaru Takahashi auf einem Hocker auf der Empore, neben ihm ein freier Sitz. Einige Berater und Schreiber waren anwesend, die sich eilig bis zum Boden verneigten. Der Fürst selbst mochte Mitte der Vierzig sein, hatte noch schwarze Haare zu einem Zopf zusammengebunden und trug einen kostbar bestickten Kimono. Er wirkte auf Sakura recht streng, aber er lächelte, als er höflich den Kopf vor seinem hohen Gast neigte. Sie kniete eilig neben der Tür nieder, während der Inu no Taishou auf den Schlossherrn zuschritt. „Ich bin überaus erfreut Euch zu sehen, edler Herr der westlichen Länder,“ grüßte der Daimyo. „Die Freude liegt auf meiner Seite, Hidemaru.“ „Nehmt Platz. - Und ihr lasst uns allein.“ Hidemaru Takahashi warf einen Blick auf Sakura, schwieg jedoch dazu. dass sie blieb. Er wusste, wem sie zu gehorchen hatte, und vermutete, er würde eine Erklärung erhalten. So fuhr er nur fort: „Izayoi wird uns morgen bereits verlassen. Es dauert doch einige Tagesreisen, bis sie bei ihrem Bräutigam angekommen ist.“ „Aus diesem Grund brachte ich Sakura mit. Sie ist die Schülerin Neigis und die Damen haben eine weibliche Heilerin stets lieber.“ Der Hundefürst streckte nachlässig die Beine aus, als sei er es gewohnt auf einem Hocker zu sitzen. „Aber es gibt noch einen Grund über Eure Freude über meine Anwesenheit?“ „Eben dies.“ Der Daimyo nickte: „Ihr seid ein kluger und erfahrener Mann und Fürst, Herr der westlichen Gebiete, und ich hoffe, Ihr könnt mir ein wenig raten in einer ... eigenartigen Angelegenheit.“ Wieder glitt sein Blick zu Sakura. „Sie wird schweigen", meinte der Taishou nur. „Und ihr Gedächnis ist besser als meines. Nun, Hidemaru?“ „Es geht um eine Erfindung – und drei Männer rühmen sich ihrer. Ich werde Euch ausführlich die Sachlage schildern, denn unter Umständen wird mein Ruf am Kaiserhof beschädigt.“ Immerhin kein Mord, dachten Hundefürst und Menschenmädchen erleichtert. Kapitel 2: Gedankendiebstahl ---------------------------- Der Daimyo sah ins Nichts: „Euch ist natürlich bekannt, Herr der westlichen Länder, dass es hier in der Hochebene gerade zu bestimmten Jahreszeiten zu gewissem Wassermangel kommt. Um dies zu beheben, wandte ich mich vor knapp einem Jahr an den Shogun. Es existiert eine kaiserliche Schule für Architekten und Ingenieure, und ich hoffte von dort jemanden zu erhalten. Dies geschah auch. Ein, zugegeben recht junger, Mann namens Hitori wurde mit Empfehlungen zu mir geschickt. Er sei der beste Schüler gewesen und habe gerade zum Thema tiefe Brunnen eine Idee gehabt. Nun, Hitori reiste mit einem Diener hier an und präsentierte mir seinen Bauvorschlag. Ich war durchaus angetan, wollte aber sichergehen und verlangte eine Probebohrung. Um es kurz zu machen, seine Erfindung, wie man möglichst rasch Brunnen bohren kann, war überaus effektiv – und günstig. So wollte ich ihm das zustehende Geld auch auszahlen, wies jedoch die mir untergebenen Fürsten gleichzeitig an, zukünftig ebenfalls diese Brunnenbauerfindung zu nutzen. Es handelte sich um ein oberirdisches Gestell und eine Schraube die in die Erde gedreht werden kann. Vier Männer genügen und maximal zwei Tage, wenn der Boden nicht zu felsig ist.“ Hidemaru Takahashi blickte zu seinem hohen Gast: „Es mag Euch nicht überraschen, mich schon, als ich auf diese Anweisung hin Besuch erhielt. Fürst Shinichi, einer meiner Untergebenen, reiste irritiert, um nicht zu sagen wütend, an. Einer seiner Bauern hatte diese Schraube zum Brunnenbohren bereits vor vielen Jahren entwickelt, und Fürst Shinichi klagte Hitori des Gedankendiebstahls an. Er hat den Bauern mitgebracht und redete für ihn – nun, zum einen fürsorglich, zum zweiten, wenn dieser Akira das Erfindungsgeld erhielte, wäre er wohl auch dabei. Allerdings musste er zugeben, dass der obere Teil nicht von seinem Bauern stammte. Nur kurz darauf traf jedoch ein Beamter eines anderen Kleinfürsten ein, ein gewisser Masa. Dieser legte mir Zeichnungen des oberen Teils vor. Ebenso Nachweise, Bestätigungen seines Herrn und dessen Kanzlei, dass er dieses klappbare Gestell vor ungefähr fünf Jahren entwickelt hatte, allerdings für den Bergbau seines Fürsten. Wem steht also nun das Geld, gegebenenfalls anteilig, aus dem Brunnenbau als Erfinderpreis zu: Hitori, Fürst Shinichi samt Akira oder Masa und natürlich damit auch dessen Fürsten? Ich befragte gestern erst Hitori noch einmal. Dieser gibt an noch nie die Hauptstadt verlassen zu haben und nichts von den Anderen zu wissen. Das sei dahingestellt, denn auch, wenn er sowohl Masas als auch Akiras Erfindungen kannte, so hätte er sie doch wohl eigenständig zusammengestellt und wäre damit der alleinige Erfinder von etwas Neuem. Oder? Ich muss zugeben, mächtiger Herr der westlichen Länder, dass ich noch nie vor einer solchen Entscheidung stand. Und bedenkt, dass es sich bei Hitori zusätzlich um einen hervorragenden Absolventen der kaiserlichen Schule handelt, ja, einen Günstling des Shogun. Ihn um sein gerechtfertigtes Geld zu bringen wäre unklug. Andererseits wäre es auch ungeschickt meine untergebenen Fürsten und ihre Leute um ihr zustehendes Geld zu bringen, ja, zu düpieren. Ich hoffe auf Euren erfahrenen Rat.“ „In der Tat eine komplizierte Lage, Hidemaru,“ erwiderte der Inu no Taishou gelassen: „Ich würde vorschlagen, Ihr lasst mir die Unterlagen in mein Zimmer bringen. Es ist doch noch da?“ „Wie seit Jahrhunderten, natürlich.“ „Gut. Dann unterhalten wir uns ein wenig noch über Neuigkeiten – und lasst doch Sakura unterdessen die Damen untersuchen.“ „Ja.“ Der Daimyo klatschte in die Hände und wies den eintretenden Diener an den Haushofmeister zu holen, ehe er meinte: „Uveda wird Sakura zu den Damen begleiten und meine Anweisung weitergeben, dass das in Ordnung geht.“ „Sakura.“ Sie verstand und verneigte sich tief, ehe sie sich erhob. Natürlich. Sie sollte draußen auf den Haushofmeister warten. Und sie sollte sich in dieser Zeit besser noch einmal gut das einprägen, was Fürst Takahashi erzählt hatte. Wenn sie ihre Hundeherrschaften richtig einschätzte, würde der Inu no Taishou später von ihr alle Namen und Fakten wissen wollen. Wann genau hatten der Fürst und sein Sohn eigentlich begonnen sie als eine Art Notizbuch zu nutzen? Nun ja, es gab wohl Schlimmeres – unbefugt in das Zimmer Seiner Eisigkeit zu gehen, dessen Mutter schräg anzureden, auf einem Spieß auf kleiner Flamme geröstet zu werden... Ja. Es GAB Schlimmeres.   Uveda, der Beamte, der den Inu no Taishou bereits auf dem Hof begrüßt hatte, begleitete Sakura auch prompt zu den Damen, nicht im Zweifel, dass diese Anweisung von Hidemaru Takahashi stammte. Eine ältere Frau, in der die Heilerschülerin zu Recht die Haushofmeisterin des Frauentraktes vermutete, stellte sich als Kaede vor und wies ihr ein leeres Zimmer zu.   Nur kurz darauf erschien eine junge Frau. Sakura schätzte sie ungefähr ihr Alter – achtzehn, neunzehn? Da sie ein kleines Mädchen von höchstens zwei an der Hand führte, war das also kaum die unverheiratete Prinzessin Izayoi sondern die Frau des Erbprinzen, die eine Fehlgeburt erlitten hatte. So verneigte sich Sakura höflich. „Wie kann ich Euch behilflich sein, Prinzessin Reika?“ Die junge Dame im hellblauen, bestickten Kimono stutzte, ehe sie sagte: „Mein Schwiegervater, der mächtige Fürst Takahashi, hat Euch bereits informiert?“ „Nein. Ich diene dem mächtigen Inu no Taishou. Dieser vermutete, eine weibliche Heilerin könnte den Damen hier eher zusagen, und nahm mich mit. Fürst Takahashi war so freundlich dies zu erlauben.“ Da hatte jemand Respekt oder auch Angst vor dem Daimyo. Nun, nicht verwunderlich. Er besaß umfassende Rechte nicht nur über Diener und Bauern sondern auch seine Familienangehörigen. Umso wichtiger war es die junge Dame zu beruhigen, vor allem in deren Interesse. „Ich unterliege einer Schweigepflicht, edle Prinzessin.“ Reika Takahashi ließ sich nieder: „Euer Name?“ „Vergebt. Sakura. Dies ist wohl Prinzessin Izayoi?“ „Ja. Izayoi, die Kleine, bis meine Schwägerin dieser Tage abreist..“ Die Mutter sah rasch zu dem Kind, das Sakura aufmerksam betrachtete. Daher rechnete die Heilerschülerin fast mit etwas, wurde aber dennoch von der Frage überrascht. „Inu Taishou...Hundi?“ Prinzessin Reika packte den Arm ihrer Tochter und riss daran. „Das darfst du nicht sagen!“ Es wäre lebenserhaltender das nicht zu tun, ja, vor allem, falls der Sohn des derart Titulierten das zu hören bekam. „Der Inu no Taishou ist der Fürst der westlichen Länder, Prinzessin Izayoi,“ erklärte Sakura sachlich. „Ihr wisst, wie man einen Fürsten anspricht?“ Diese war noch jung und konnte sicher kaum zusammenhängende Sätze bilden. Moment. Hundi? Woher wusste dieses kleine Kind, dass der Mann, der ihren Großvater besuchen kam, in seiner wahren Gestalt ein riesiger Hund war? Das jüngste Mitglied des Hauses Takahashi neigte eilig den Kopf. Ihre Mutter atmete tief durch: „Ihr unterliegt einer Schweigepflicht, Sakura.“ „Ja. - Darf ich Euch oder Eure Tochter untersuchen?“ Die Prinzessin war sehr nervös, das verriet ihr gesamtes Benehmen. Eine Dame solchen Standes zupfte nicht an ihren hochgesteckten Haaren. „Zunächst Izayoi. Sie ist noch klein.und nicht sehr geduldig.“ Nur kurz darauf konnte Sakura bestätigen, dass das Mädchen gesund sei. Reika schickte sie hinaus, ehe sie zögernd meinte: „Ich...Vor sechs Wochen erlitt ich eine Fehlgeburt. Yoshifumi, der Heiler hier, half mir, so gut er es konnte, aber natürlich war es ein Schock, zumal es ein Sohn geworden wäre. Ich...Ihr seid ein Mädchen in meinem Alter. Als Heilerin wohl nicht verheiratet?“ Sakura verstand, was nicht gefragt wurde – aus reiner Höflichkeit, vermutlich. „Nein. Dennoch: mein verehrter Lehrer hat viele weibliche Patienten und ich lerne dort sehr viel.“ „Nun gut. Ich habe seither Schmerzen und...ich fühle mich nicht gut.“ „Ihr fühlt Euch schwach, Prinzessin, schlaft immer mehr? Und die Schmerzen liegen hier?“ Die Heilerschülerin legte ihre Hand auf ihren eigenen Bauch. „Ja.“ Die Erbprinzessin atmete durch. „Ihr wisst...? Ich habe Angst,“ gestand sie dann. „Haben Euch Euer Gemahl oder gar der mächtige Daimyo für Euer Versagen getadelt?“ „Nein. Sie...sie waren beide recht freundlich, wenngleich enttäuscht. Aber schon als Izayoi geboren wurde, sagten sie mir, dass es besser sei neun Monate nach der Hochzeit ein gesundes Mädchen zu haben als nichts. Es würde schon. Aber ich weiß nicht, wie es wird, wenn ich erneut versage. Der jüngere Bruder, Daichi, soll auch heiraten.“ „Und dessen Sohn könnte dann der Erbe werden.“ Und dessen Mutter die Fürstinmutter, während eine Frau, die nur ein Mädchen geboren hatte, zu einem Schattendasein verdammt wäre. Natürlich. Alle Frauen hatten derartige Befürchtungen. Nicht zu Unrecht, sie hatte doch schon bei Menschen und Dämonen diese schattenhaften Wesen gesehen, um die sich keiner kümmerte, die ihr Leben vor sich hindämmerten. „Ich denke, ich wüsste, was Ihr tun müsst, Prinzessin, aber es wird einige Tage unangenehm.“ Reika richtete sich etwas auf, merklich hoffnungsvoller. „Was soll ich tun?“ „Ich werde Euch einen Tee geben. Diesen trinkt, drei Tassen jeden Tag, bis er zur Neige geht. Ihr werdet noch mehr Schmerzen bekommen, aber dann Erleichterung finden. Es ist eine Folge Eurer Fehlgeburt. Wenn Euch Euer Gemahl diese Zeit und auch noch, sagen wir, vier Wochen, schont, denke ich, dass es Euch gelingen wird erneut schwanger zu werden.“ Die Erbprinzessin atmete durch: „Seid Ihr sicher?“ „Das liegt in der Hand der Götter, aber ..“ Die Heilerschülerin überlegte kurz, ehe sie sagte: „Frauen reden immer lieber mit mir als mit meinem verehrten Lehrer, Prinzessin, zumal menschliche Frauen. Ich glaube, ich habe mittlerweile gewisse Erfahrungen.“ „Dann bereitet mir den Tee. Danach werde ich meine Schwägerin zu Euch schicken. - Sie ist aufgeregt.“ „Nun, Ihr wart es sicher auch. Ein neues Schloss, neue Menschen, ein Ehemann, wer wäre das nicht.“ Sakura wandte sich zu dem Heilerkoffer. „Ja, natürlich. - Was tut Ihr anschließend?“ „Das weiß ich nicht. Nun, ich gehe zu dem mächtigen Inu no Taishou und berichte, dass ich seine Anweisung ausgeführt habe. Danach werde ich sehen, ob er weitere Befehle für meine Wenigkeit hat. Ich hoffe allerdings, dass mir der Herr erlaubt mit Yoshifumi zu sprechen. Ich lerne gern weiter.“ Reika seufzte ein wenig. Es musste schön sein etwas lernen zu dürfen, außer den so genannten weiblichen Beschäftigungen. Ob ihr der Daimyo erlauben würde auch ein wenig über Heilkunde zu erfahren? Vielleicht konnte sie ihn fragen, wenn sie einen gesunden Erben zur Welt brachte.     Kapitel 3: Sakura ----------------- Kurz darauf kam Prinzessin Izayoi, oder, wie sie zur Unterscheidung von ihrer kleinen Nichte im Haus genannt wurde Izayoi die Ältere. Sie mochte sechzehn oder siebzehn Jahre zählen. Während Sakura sie untersuchte, seufzte die junge Dame. Daher erkundigte sich die Heilerschülerin: „Ihr seid aufgeregt wegen Eurer Abreise und Hochzeit?“ „Ja, aber natürlich werde ich es nicht zeigen, wenn ich bei meiner neuen Familie ankomme.“ Vorsichtig trotz ihrer Aufregung. Das sollte ein guter Anfang in ein neues Leben werden. „Ich denke, jede Frau, die nach auswärts heiratet, empfindet so.“ „Möglich. Reika, meine Schwägerin, meinte es ebenso. Nun, sie hat es hinter sich, und sie hat mit Hidemaru einen recht passablen Ehemann, auch, wenn ich als seine Schwester das sage. Er ist freundlich und ich glaube kaum, dass er sie je schlägt. Ich hoffe, mein Gemahl ...“ Die Prinzessin brach ab. Natürlich, das hoffte wohl jede Frau. Mehr um abzulenken meinte Sakura: „Ihr habt zwei Brüder, nicht wahr?“ „Ja, Daichi ist der zweite Sohn unseres Herrn und Vaters.“ „Er wird auch bald heiraten, hörte ich schon.“ „Ja. Ich hoffe, er wird erwachsen, dann.“ „Ist er so jung?“ „Er ist älter als ich, aber ... Ihr unterliegt doch einer Schweigepflicht?“ „Ja.“ „Er ist recht kindisch. Ich habe schon mit unserem Heiler gesprochen, Yoshifumi, ob er Vater nicht überzeugen könnte, damit zu warten, aber Daichi will unbedingt ...“ Prinzessin Izayoi seufzte, sich jedoch nur zu bewusst, dass sie bereits in zwei Tagen darüber nie wieder sprechen durfte. „Er will eben auch in dieser Beziehung mit Hidemaru gleich ziehen, wenn er schon nicht ...“ Sakura verstand. Daichi war wohl auch so siebzehn und hatte irgendwann begriffen, dass er immer nur der zweite Sohn bleiben würde, nie der Fürst werden könnte – außer, sein älterer Bruder bekam keinen Sohn. Sie erwiderte nur: „Da darf ich mich kaum einmischen, Prinzessin. Ihr seid übrigens gesund, soweit ich sehen kann.“ „Danke. - Ihr seid bei den Hundedämonen, nicht wahr? Ist der Inu no Taishou dort auch so ... nett?“ „Er ist der Herr.“ Ach du je. Hatte die Prinzessin etwa begonnen vom Fürsten zu träumen? Das sollte sie schleunigst vergessen und unbefangen in die Ehe gehen. „Ja, natürlich.- Er ist ja schon lange hier mit unserer Familie...befreundet, aber vor einem halben Jahr ... Die Wachen waren nachlässig und es gelang einem Dämon meine Nichte, die mit Reika außerhalb des Schlosses spazieren ging, zu entführen. Zum Glück war der Inu no Taishou hier und er holte die Kleine unversehrt zurück.“ Was ihn in den Augen der älteren Izayoi zu einem Helden machte. Aber daher wusste die Kleine also von dem Hund. Anscheinend hatte er seine wahre Gestalt angenommen um den anderen Dämon zu verscheuchen – oder zu töten. „Das war sehr freundlich.“ „Ja. Vater hat natürlich die Wachen bestrafen lassen. - Nun gut. Ich werde nachsehen, ob meine Mitgift fertig ist. Ich soll ja morgen abreisen.“ „Natürlich, Prinzessin.“ Sakura wartete, bis sie allein war, ehe sie den Koffer wieder packte und sich von einem Diener zu dem Zimmer des Inu no Taishou führen ließ.   Dieser saß dort bereits, Zeichnungen vor sich. Sie verneigte sich und kniete wortlos neben der Tür nieder. Er sah nicht auf, aber sie musste eben warten, bis der mächtige Fürst Zeit für sie fand, und sei es auch nur, um ihr zu erlauben mit dem Heiler zu sprechen. „Der Bauer, den sein Fürst herbegleitet hat ... “ Er blickte auf. Sakura verneigte sich eilig tiefer. Hatte sie es doch gewusst. „Akira, Herr. Und Fürst Shinichi.“ „Frage nach, wo die jeweiligen Zimmer liegen, auch das dieses Hitori.“ Also des Architekten. Es war vermutlich unhöflich sich zu fragen, warum sie das machen sollte, und er keinen der hiesigen Dienstboten sandte. Aber natürlich war es unmöglich etwas anderes zu tun als sich zu verneigen und zu gehorchen. Aus gewisser Erfahrung mit den Hundeherrschaften erkundigte sie sich auch gleich noch, wo Masa, der Beamte und dritte Kandidat für die Erfindung, untergebracht worden war. Da offenbar jeder wusste, mit wem sie gekommen war – nun, kaum erstaunlich – war sie keine fünf Minuten später zurück und meldete: „Fürst Shinichi ist nur vier Zimmer neben Euch untergebracht, hier im Trakt der vornehmen Gäste. Akira und Masa sind drüben, im Erdgeschoss, wo auch die Händler zu übernachten pflegen, während Hitori im Trakt der Beamten untergebracht ist.“ „Haben Masa und Akira Zimmer nebeneinander?“ Zimmer konnte man das kaum nennen, das waren Kämmerchen, aber sie erwiderte nur: „Nein, sie wurden vorsorglich an die anderen Enden des Flures gelegt.“ „Du hast das Problem des Daimyo gehört. Auch verstanden?“ Was sollte sie darauf antworten? Nein? Damit stellte sie sich ein schlechtes Zeugnis aus. Ja, natürlich, Herr? Damit gab sie unter Umständen zu verstehen, dass sie etwas besser als der Herr der Hunde begriffen hatte. Womöglich eine schmerzhafte bis letzte Ansage. So neigte sie sich vor. „Ich hoffe zu Eurer Zufriedenheit.“ Sie setzte ihre Worte wirklich gewandt. Kein Wunder, dass Sesshoumaru sie noch nicht umgebracht hatte. „Dann komm her.“ Sie rutschte auf Knien hinüber und betrachtete fragend die drei Zeichnungen vor sich. „Erkennst du in der Handschrift Unterschiede? Ich kann es bei Menschen schlecht beurteilen.“ Eine Erklärung war mehr als gnädig und so sagte sie: „Danke, Herr.“ Sie betrachtete die Zeichnungen. Eine war diese Schraube in den Boden, wenngleich einfach. Das war also die Erfindung des Bauern zum Brunnenbohren, auf die auch Fürst Shinichi Anspruch erhob. Es schien sich um eine Holzschraube zu handeln, die oben mit Hilfe einer Querstange von zwei oder vier Männern in den Boden gedreht werden konnte. Das Zweite war das dreibeinige Gestänge, erläuternd daneben gezeichnet, wie man es zu einem Teil zusammenlegen und so gewiss einfacher transportieren konnte. Das Dritte jedoch war eine Mischung aus beiden: ein dreibeiniges Gestänge, offenbar ebenfalls mit Klappmechanismus und eine Schraube, wenn auch anscheinend aus Metall. Diese Zeichnung war deutlich besser ausgeführt als die anderen beiden, mit allerlei Sakura unverständlichen Strichen und Beschriftungen versehen. Sie vermutete daher, dass es sich um den gelernten, studierten Architekten handeln musste. „Nun?“ Sie erkannte leichte Ungeduld und erklärte, was sie sah, ehe sie mit gewissem Mut durch die Freundlichkeit ergänzte: „Aber, Herr, es ist doch auch eine neue Erfindung, wenn man zwei bekannte Sachen zu etwas Neuen zusammenfügt?“ „Ja. Aber dennoch hätten in diesem Fall Masa und Akira einen gewissen Anspruch auf einen Bonus. Ich will Akira sprechen. Ohne Shinichi", ergänzte er, als sie sich bereits verneigt hatte und aufstand. Sie war wirklich flink für einen Menschen.   Sakura holte erst im Treppenhaus etwas tiefer Atem. Der Umgang mit Seiner Eisigkeit schien auch bei seinem Vater zu helfen. Aber dessen Fragen waren, ja, schwerer. Er wollte anscheinend eine Art Beratung von ihr haben, anstatt diesen kleinen Floh, diesen Myouga, zu fragen. Aber gut, der Fürst schien ja gern auf ungewöhnliche Ratgeber zu setzen. Womöglich hatte er damit gute Erfahrungen gemacht. Da sie eine Dienerin sah, fragte sie diese nach dem entsprechenden Trakt und Zimmer. Die Frau wies ihr den Weg und ergänzte: „Unser mächtiger Herr gab ja allen, die in diese Sache verwickelt sind, Zimmerarrest. Ihr werdet ihn gewiss dort antreffen. Wir stellen ihnen das Essen nur vor die Tür, nun, ich heute morgen. Jemand anders dann am Abend.“ „Oh, hat auch Fürst Shinichi diese Auflage durch den mächtigen Daimyo erhalten?“ „Das weiß ich nicht, in diesem Trakt arbeite ich nicht.“ Sakura bedankte sich und ging hinunter. Hier waren die Wände aus Stein, aus Feuerschutz. Hier übernachteten auch manchmal Händler oder auch Boten. Das war der einfachste Gästebereich des Schlosses. Akira sollte das letzte Zimmer bewohnen, dieser Masa das erste. Welche Seite hatte sie nicht erklärt bekommen, nun, auch nicht gefragt, aber es erwies sich als nicht notwendig. Die Zimmer gingen alle nach rechts, sicher in einen Innenhof, während die andere Wand des Flures die grauen Steine der Außenmauer des Schlosses zeigte. Auch die in Glasstürzen stehenden Kerzen waren an den Holzbalken der rechten Seite angebracht und hüllten den Flur in ein Halbdunkel. Vor der letzten Tür stand noch ein Tablett mit Tee und einfachem Brot – unberührt. Schlief Akira oder war der Bauer nicht gewohnt regelmäßige Mahlzeiten zu sich zu nehmen? Sie klopfte an den Holzrahmen der Tür: „Akira?“, fragte sie unwillkürlich leise. Keine Antwort. Nun gut, sie konnte ja kaum ohne ihn zu dem Herrn der westlichen Länder zurückkehren. Schlechte Ausführung einer Anweisung bekam keinem Diener und auch, wenn der Inu no Taishou toleranter als sein Sohn war – das bedeutete nicht, dass er nicht strafte. So öffnete sie die Tür und erstarrte. Hatte sie wirklich bis eben geglaubt es gehe nur um diese Architekten? Akira lag auf den Matten und sie wusste, warum er sein Frühstück nicht angerührt hatte. Er war tot. Mit Bedacht trat sie näher. Um seinen Hals lag eine eng gezogene Schlinge, deren Abdrücke inzwischen lila gefärbt waren, sein Mund war weit geöffnet. Vorsichtig berührte sie ihn und schob den Ärmel hoch. Die Totenstarre war bereits am Abklingen und die Totenflecken zeigten sich. Die Haut an seinen Fingerkuppen sah wellig aus. Er war sicher schon gestern Abend umgebracht worden. Früher kaum, denn zum einen war sein Abendessen noch gegessen worden – nun, war es das oder einfach wieder abgeräumt – zum anderen konnte sie keine Maden an ihm entdecken. Nein, das würde ihren Herrn nicht freuen. Und, wenn sie das richtig einschätzte, auch Lord Sesshoumaru nicht, denn sein Vater würde ihn umgehend herzitieren. Der Erbprinz würde sicher begeistert sein in ein Menschenschloss zu müssen, zumal, wenn es sich um Mord handelte, und noch dazu mit seinem Vater zu ermitteln. Das konnte kaum angenehm für sie selbst werden. Sie sah auf den Toten: „Verzeih", flüsterte sie reumütig. „Ich werde aber wohl am Leben bleiben, ja.“ Sie drehte sich um und verließ leise den Raum. Kapitel 4: Totenschau --------------------- Sakura verbeugte sich höflich bereits vor der Tür, wohl wissend, dass der Hundefürst sie gehört hatte. Da er ihren Namen sagte, kam sie herein, kniete sofort nieder und schloss die Tür hinter sich, ehe sie sich vorneigte, nicht ohne Grund die Stirn auf den Boden legte, die Hände vor sich ausgestreckt. Sie wusste, wie Seine Eisigkeit auf derartige Nachrichten zu reagieren pflegte, und hoffte bloß, dass sein Vater nachsichtiger war. „Du bist allein“, stellte der Inu no Taishou das Offensichtliche fest, auch, um zu überlegen was passiert war. Er konnte ihre Furcht wittern, aber sie würde natürlich nicht ohne Aufforderung sprechen. „Nun?“ „Akira ist verstorben, mein Herr.“ „Ein nicht natürlicher Tod.“ Ein wenig erleichtert bejahte sie. „Eine Schlinge um den Hals, vermutlich Erdrosselung, bereits gestern, soweit ich auf den ersten Blick sehen konnte.“ Sie hörte, da sie krampfhaft zu Boden blickte, dass Seide leise raschelte. Er stand auf. Wollte er sie doch bestrafen? „Ich werde den Daimyo selbst davon in Kenntnis setzen. Das verändert die Lage. Gehe zu diesem Heiler hier und bringe ihn zu dem Toten. Sonst zu niemandem ein Wort.“ „Ja, Herr.“ Sie schaffte es gerade noch vor ihm die Tür aufzuschieben, so schnell war er aus dem Zimmer. Oh oh. Da war jemand nicht angetan. Aber immerhin hatte es für sie nicht einmal einen Tadel gegeben – nur den Befehl zu einer Leichenschau. Hoffentlich würde Yoshifumi nett sein – sie lernte andere Heiler gern kennen, aber nicht unter solchen Umständen.   Sie musste nur einmal fragen, wo sich der Heiler aufhalte, denn der angesprochene Diener begleitete sie in einen hinteren Hof des Schlosses. „Dort, die offene Holztür.“ Er deutete auf eine Pforte in der unteren Steinwand des hier dreistöckigen Gebäudes. „Vielen Dank.“ Sie trat etwas nervös hin. Das war irgendwie kein gutes Kennenlernen. Noch in der offenen Tür verneigte sie sich höflich. Es handelte sich um einen großen Raum mit Ziegelboden und Bambusegalen an den Wänden, auf denen allerlei Flaschen, Schalen und sonstige Behältnisse standen. An einem kleinen, niedirgen Tischchen kniete ein junger Mann von Anfang Zwanzig und mixte eine Salbe an. Er musterte sie neugierig, nickte dann allerdings neben sie. Erst jetzt erkannte sie, dass auf der Eingangsseite, quasi neben ihr, sich ein Lager befand, auf das in offenkundig fiebernder Patient gebettet war. Neben diesem saß der Heiler. Yoshifumi war ein hagerer Mann Mitte, Ende der Fünfzig und hatte sein graues, langes Haar, wie viele seiner Berufskollegen, zu einem Zopf nach hinten zusammengebunden. Sein schwarzer Kimono war schlicht, nur der grüne Seidengürtel fiel ihr ins Auge. Er sah auf, „Ah, Neigis Schülerin, willkommen. Ich würde mich freuen, mich mit Euch über den ehrenwerten Meister austauschen zu können. Ich war allerdings nur ein Jahr bei ihm, gleich nach meinem Abschuss in der Heilerschule. Eine, im wahrsten Sinne des Wortes, heilsame Erfahrung. Nach der Schule hält man sich doch für allwissend. - Oh, mein Benehmen. Mein Name ist Yoshifumi, das ist Miromaru, mein Schüler.“ „Mein bescheidener Name ist Sakura, werter Meister Yoshifumi. - Und es gibt ein Problem. Ich soll Euch auf Befehl des mächtigen Inu no Taishou ...“ Der Heiler erhob sich unverzüglich. „Der Daimyo? Jemand der Familie?“ Da sich seine junge Besucherin nur verneigte, vermutete er zu Recht, dass das nicht einmal sein Lehrling erfahren sollte, und nahm nur schweigend seinen Koffer auf, den er wie jeder ordentliche Heiler stets griffbereit hatte.   Erst draußen auf dem Hof meinte er sehr leise: „So heikel, Sakura?“ Sie senkte den Kopf. „Ich hätte Euch gern unter anderen Umständen kennengelernt. Es gab einen Toten“ „Ihr habt ihn bereits gesehen?“ „Ich habe ihn gefunden“, erklärte sie hastig, damit er nicht denken würde, sie wollte ihm vorgreifen. „Keine Scheu vor Leichen? Ungewöhnlich für Menschen. Aber natürlich dämonische Ausbildung. Sollen wir ihn uns ansehen?“ „Ja.“ „Habt Ihr das schon getan?“ erkundigte er sich doch neugierig, da das Mädchen so ruhig schien. „Mordopfer untersucht? Ja. Mein Herr erwies mir des Öfteren die Ehre zu derartigen Ermittlungen an Lord Sesshoumaru, den Erbprinzen, befohlen zu werden.“ Was zweierlei bedeutete, erkannte Yoshifumi. „Ihr scheint schon mehr als nur eine Schülerin zu sein, werte Sakura. Nun, ich will offen sein. Ich habe schon viele Tote gesehen, aber nur wenige Mordopfer in diesem Sinn. Ich bin ein gelernter Heiler mit Jahrzehnten Erfahrung, aber für eine solche Untersuchung ist eine Erfahrung der besonderen Art von Nöten. Gut, wenn wir uns ergänzen könnten.“ Hieß das Zusammenarbeit, weil er ehrlich war, oder versuchte er mögliche Probleme und Schwierigkeiten auf sie abzuwälzen? Beides war möglich und so erwiderte sie vorsichtig: „Danke für Euer Vertrauen, Meister Yoshifumi.“   Vor Akiras Kämmerchen standen zwei Samurai, die jedoch die Heiler wortlos passieren ließen. Im Raum selbst wurden die Zwei von dem menschlichen und dem dämonischen Fürsten erwartet und verneigten sich tief. „Todesart und – Zeitpunkt,“ befahl der Inu no Taishou nur. Sakura fühlte sich an Lord Sesshoumaru erinnert. Todesursache war der Strick um die Kehle, hätte Yoshifumi um ein Haar erwidert, ehe ihm einfiel, dass Todesart und –ursache durchaus nicht ein- und dasselbe war. So kniete er neben dem Toten nieder und schob dessen Ärmel herauf, ein wenig den Kittel. „Die Totenflecken gehen nicht weg, wenn ich sie mit dem Daumen eindrücke. Er muss bereits gestern Abend gestorben sein. Oder, Sakura?“ „Ja, Meister, vor mehr als zwanzig Stunden, gewiss.“ Nut schön höflich bleiben – und sich nicht die alleinige Verantwortung aufhalsen lassen. Seine Lordschaft würde schwierig genug werden, da brauchte sie nicht auch noch zwei Fürsten im Nacken. „Nicht früher, denn die Starre beginnt sich zu lösen. - Ich erkenne an den Händen und den Armen keine Abwehrspuren. Er hat nicht einmal versucht sich den Strick abzureißen. Lasst mich einmal zu seinem Kopf.“ Sakura rutschte eilig beiseite, sichtlich eine Anweisung erwartend, aber im Geheimen neugierig, ob auch der so viel ältere und erfahrenere Heiler über das stutzte, was sie gesehen hatte. Yoshifumi sagte allerdings nur. „Seht Euch doch noch einmal die Hände an. Er versuchte wirklich nicht sich zu wehren? Vielleicht zeigen seine Beine etwas.“   Während sie gehorchte, spürten beide Fürsten etwas wie einen Schauder. Sie hatten alle zwei schon oft genug Tote erlebt, ja, getötet, aber nie zuvor hatten sie Leute, die sie als Heiler kannten, die Beine schienten, Fieber senkten, Kinder zur Welt brachten, ebenso behutsam eine Leiche abtasten gesehen. Und sowohl Hidemaru Takahashi als auch der Inu no Taishou begriffen, dass es ein Glück war, dass hier nicht irgendein Heiler war, sondern zwei, deren Nerven das auch Stand hielten. Immerhin galt allein die Berührung von Toten für unrein und die Menschen reinigten sich danach durch Bad und in einem Schrein. Auch Akira würde so rasch wie möglich aus dem Schloss gebracht werden.   „Unter einem Fingernagel der linken Hand ist vermutlich menschliche Haut, Meister Yoshifumi,“ murmelte Sakura. „Das dürfte hier der Kratzer an seinem linken Hals sein. Aber es zeigen sich Schürfwunden auf beiden Seiten hinter den Ohren ... Diese Verfärbungen am Hals ...“ Der erfahrene Heiler rettete sich erst einmal in sicheres Gewässer, als er zu den Fürsten blickte, sich dann tief verneigte. „Nach den Symptomen bin ich überzeugt, dass er bereits gestern Abend starb, sicher mehr als zwanzig Stunden her, aber weniger als sechsunddreißig. Die leichten Blutstellen in seinen Augen und in seinem Gesicht sowie die leichte bläulich Färbung seines Gesichtes – die nicht auf den Tod an sich zurückzuführen ist – deutet darauf hin, dass in der Tat Drosselung die Todesursache war, vermutlich mit dem Strick um seinen Hals. Nur ...“ „Nur?“ knurrte der Inu no Taishou ungnädig. „Sakura!“ Sie verneigte sich eilig. Auweia. Der plötzlichen Kälte im Raum nach zu schließen war seine Energie sprunghaft angestiegen. Er war zornig. „Zwei Dinge erscheinen meiner Wenigkeit und Meister Yoshifumi eigenartig: es gibt keinerlei Abwehrverletzungen, wenn man von einem Kratzer absieht, den sich Akira offenbar selbst zugefügt hat. Und, wenn jemand umgebracht werden soll, wehrt er sich in aller Regel. Zum Zweiten sind da eigenartige Schürfwunden am Hals ... Dürften wir sie noch untersuchen, edler Herr?“ Er würde kaum verneinen, dachte sie. Er nickte auch nur und der menschliche Heiler schloss daraus, dass seine junge Kollegin wirklich den Umgang mit Dämonen - und Mordopfern - gewohnt war. So sagte Yoshifumi nur: „Kommt nur her, werte Sakura, betrachten wir beide Seiten. Nehmt Ihr diese Haare, ich diese …“ Da sie das Gewünschte tat, fuhr er fort: „Ihr habt mehr Erfahrung in diesen Dingen, aber für mich sieht das nach Verletzungen an einer rauen Oberfläche aus, eigentlich dem Strick. Aber niemand wird doch zwei Mal ermordet.“ Das stimmte und so dachte sie eilig nach, ehe sie, geübt in Vermutungen, meinte: „War das womöglich der erste Versuch, der scheiterte, aber ihn bewusstlos machte? Das würde die fehlenden Abwehrverletzungen dann erklären.“ „Ja, Ihr habt Recht, aber, dann müsste der Täter bei dem ersten Angriff über ihm gestanden haben. Moment. Ich werde den Toten umdrehen und Ihr zieht dort den Kittel aus seinem Gürtel. Am Rücken könnten wir die Erklärung finden.“ Keine Minute später betrachteten die beiden Heiler das Rückgrat des Verstorbenen. „Kaum Totenflecken,“ murmelte Sakura. „Aber, soweit ich weiß, gibt es auch keine, wenn der Tote aufliegt.“ „Richtig. Aber das hier ...“ Er deutete auf eine handtellergroße rosa Stelle auf dem Rücken: „Ist kein Totenfleck. Eine Prellung. Und das bedeutet, dass er da noch am Leben war. Etwas hat ihn dort zu seinen Lebzeiten hart getroffen. Ein Faustschlag, womöglich. Aber kurz vor seinem Tod. Vielleicht schlug ihn der Täter und darum war er wehrlos.“ „Ja, möglich.“ Sakura versuchte sich an alle Todesfälle der vergangenen Jahre zu erinnern. Der Todesfall im Schloss der Hundefürstin, dachte sie dann. „Und, wenn der Täter stand, von hinten, überraschend, angriff, das Knie als Hebel benutzte?“ „Ja, das könnte das erklären.“ Yoshifumi überlegte. „Er drosselte ihn von oben, das erklärt die Strickmale hier. Das Opfer bricht zusammen und der Täter hält es für tot, lässt nach, bemerkt dann seinen Irrtum und knüpft den Strick so um den Hals, dass der Bewusstlose erstickt – und geht.“   Kapitel 5: Seine Lordschaft is not amused ----------------------------------------- Sakura und Yoshifumi legten den Toten behutsam ab, ehe sie sich vor den Fürsten verneigten und so stumm um die Erlaubnis zum Sprechen baten. Hidemaru Takahashi sah, nur innerlich ein wenig seufzend, zum Inu no Taishou. „Eine unerwartete Lage, Herr der westlichen Länder. Und morgen früh soll Izayoi abreisen. Es wäre äußerst unangenehm, fände das Brautgeleit heraus, dass ich nicht in der Lage sein sollte meine Gäste zu schützen.“ Der Hundedämon antwortete nur: „In der Tat. Bis die Prinzessin abgereist ist, sollte hiervon niemand erfahren. Natürlich sollten die Ermittlungen anlaufen. Ich werde meinen Sohn kommen lassen.“ Na bitte, dachte Sakura, hatte sie es doch gewusst. Aber es war wirklicht deutlich klüger den Mund zu halten und vor einem Dämonenfürsten und einem Daimyo regungslos und schweigend zu knien, die Stirn am Boden, die Hände ebenso. „Ihr seid der Ältere und Erfahrene,“ erwiderte Fürst Hidemaru höflich, seine Erleichterung kaum zeigend. Der Heerführer der Hunde bewies, warum er dies eben war: „Yoshifumi, Sakura, bringt den Toten unauffällig in die Heilerhütte. Vielleicht in einer Truhe. Möglichst keine oder nur vertrauenssichere Zeugen. Wenn es keine Abwehrverletzungen gab, wurde das Opfer vielleicht betäubt. Schließt das noch aus und überprüft eure Theorie. - Hidemaru, lasst die anderen Männer, die in diese Geschichte verwickelt sind, von Samurai vor der Tür bewachen, ohne sie einstweilen davon in Kenntnis zu setzen. Es ist nicht notwendig, dass es noch einen Toten gibt oder jemand verschwindet.“ „Ja, Herr der westlichen Länder.“ Es gab nur drei Personen, denen gegenüber der Daimyo sich neigte: „Ich würde vorschlagen, wenn das erledigt ist, gehen wir beide in den Garten und genießen den Sonnenuntergang, bis Euer werter Sohn, Lord Sesshoumaru, hier eingetroffen ist und der Bericht der Heiler vorliegt.“ Das würde dem Brautgeleit heile Welt vorspielen und diese unsägliche Peinlichkeit vertuschen. „Einverstanden. Oh, und lasst doch Euren Haushofmeister unauffällig überprüfen, wer hier gestern das Abendessen servierte, ob es gegessen wurde oder unberührt wieder weggeräumt wurde.“ Der Inu no Taishou zeigte gerade von wem sein Sohn das kriminalistische Gespür hatte: „Damit grenzen wir die Todeszeit ein – und die möglichen Alibis.“ Er blickte zu dem Fell an seiner rechten Schulter: „Myouga, hole Sesshoumaru.“ Der winzige Flohgeist zeigte sich unverzüglich, wenngleich sichtlich nicht begeistert. „Herr. ..“ begann er, als er auch schon zielsicher durch das Fenstergitter geschnippt wurde. Sakura konnte dem Kleinen sein Unwohlsein nachfühlen. Natürlich würde Seine Lordschaft keinen Boten oder gar Berater seines Vaters umbringen, wenn der nicht einen überaus schwerwiegenden Fehler beging, aber diese Nachricht würde ihn nicht erfreuen. Und, wie sollte man das nennen … das Missvergnügen des Hundeprinzen war in diesem Fall nicht unbedingt tödlich, aber sehr schmerzhaft. Sie würde ebenso auf der Hut sein müssen.   Es gestaltete sich ein wenig schwierig im Schloss eine Kiste aufzutreiben, zumal so unauffällig wie gewünscht, in die eine Leiche passte, bei der noch die Totenstarre anhielt, wenngleich diese langsam abklang. Als Yoshifumi und Sakura endlich die zweite Überprüfung, wohlweislich ohne den Lehrling, abgeschlossen hatten, und sich die Hände wuschen, sah der Heiler zu ihr. „Ich vermute, da Seine Lordschaft offenbar eingetroffen ist, dass Ihr den Bericht überbringen sollt. Soll ich mitkommen?“ „Das ist sehr freundlich von Euch“, erwiderte sie. „Aber nicht notwendig. Ich bin dergleichen gewohnt. Aber ich danke Euch, dass Ihr auf mich, eine einfache Schülerin, solche Rücksicht nehmt.“ „Einfache Schülerin, kaum. Ihr wart nie an der Heilerschule, ich jedoch bei Neigi. Und er ist ein Meister, der kaum je Schüler annimmt, geschweige denn längere Zeit Menschen, und noch nie hörte ich von einem Mädchen. Ich bin überzeugt, dass sich Meister Neigi nicht irrte, wenn er Euch Jahre seines Lebens schenkt.“ Yoshifumi lächelte. „Er lehrte mich jedenfalls, dass man Fakten als gegeben hinnehmen sollte – dazu gehört, dass Ihr jung seid, ein Mädchen seid, und dennoch Fähigkeiten und, Erfahrungen besitzt, über die ich nicht verfüge. Morde gibt es am Hofe des Daimyo kaum.“   Sakura, die über das für sie seltene, offene, Lob durchaus geschmeichelt war, ließ sich zu dem Garten führen, in dem sich die Herren befanden. Sie saßen auf Polstern nebeneinander,. mit den Gesichtern zu einem kleinen Teich. Fürst Hidemaru Takahashi war der am nächsten zu ihr, dann, an seiner Rechten der Inu no Taishou, dann Lord Sesshoumaru – und sie spürte förmlich den eisigen Blick des Letzteren, als sie sich niederkniete und wartend zu Boden sah. „Berichte von Anfang an“, befahl der Herr der Hunde. Sie hätte fast geseufzt. Hoffentlich vergaß sie nichts, denn dieses Durcheinander mit den unterschiedlichen Zeichnungen und Namen war auch für sie schwer zu merken. Sie berichtete ebenso, dass es keinerlei Hinweise auf eine Vergiftung Akiras gab, Yoshifumi aber noch einmal ganz sicher gehen wollte und seine Bücher prüfte, was wer in der letzten Zeit erhalten hatte. Dann wartete sie – auf Fragen, einen Befehl. Der Daimyo bemerkte nur: „Nach Auskunft meines Haushofmeisters wurde das Abendessen gestern diesem Akira vor die Tür gestellt und wieder abgeräumt, zu einem gut Teil gegessen. Er scheint da also noch gelebt zu haben.“ „Scheint“, kommentierte Seine Eisigkeit in einem Tonfall, der seinem Spitznamen alle Ehre machte. „Es könnte auch der Mörder gegessen haben.“ Nun ja, dachte Sakura, die meisten Menschen hätten solide Probleme neben einem Toten zu essen, geschweige denn, wenn sie den gerade ermordet hätten. Sie zuckte zusammen, als die nächste Frage des Hundeprinzen an sie gestellt wurde. „Warum sollte der Täter das erste Mal nachgelassen haben?“ „Äh, Lord Sesshoumaru ...“ Schlechter Anfang, Sakura, dachte sie und suchte ihr Heil in der antrainierten Sachlichkeit. „Die meisten Menschen unterschätzen die Zeit, die es benötigt um einen anderen zu erdrosseln oder zu erwürgen. Die Bewusstlosigkeit tritt bei einer derartigen Drosselung recht schnell ein – ein ungeübter Mörder mag annehmen, dass sein Opfer bereits tot ist, ehe er seinen Fehler bemerkt.“ „Er?“ „Ja, Euer Lordschaft. Es ist kaum davon auszugehen, dass eine Frau über diese Kraft verfügte – beim ersten Angriff zumindest. Das Opfer hätte sich wohl mehr gewehrt, auch, wenn der Angriff offenbar überraschend kam.“ „Wie lange dauert es bis ein Mensch einen anderen auf diese Weise umgebracht hat?“ Das klang so verächtlich. Nun ja, bei ihm würde das keinen Sekundenbruchteil in Anspruch nehmen. „Mehrere Minuten.“ „Auch mit dem Knie als Hebel.“ „Ja.“ Oh, oh. Da war jemand nicht erbaut. Und ihr war klar, wer das als Erstes abbekommen würde, würde sie nicht sehr gut aufpassen. Den Fürsten konnte und durfte er ja nicht attackieren.   Sesshoumaru seufzte in Gedanken. Der Befehl seines Vaters ... Hatte er nicht schon einmal die Götter darum gebeten, dass der nicht mehr das heimische Schloss verlassen solle, da der nur wieder Tote fände? Und jetzt auch noch ein ungeübter Mörder – in einem Schloss, in dem hunderte von jämmerlichen Menschen herumschwirrten. Sollte, konnte er die Samurai mit „geübte Mörder“ ausschließen? Eher nicht. Es handelte sich um einen Würgeangriff, kein Schwert. Dazu kam diese verworrene Sache ob und wie jemand von jemandem abgeschrieben hatte. Und, da Vater es so wollte, musste er auch noch diesem menschlichen Fürsten mit den eigenartigen Namen unter die Arme greifen. Hidemaru und Izayoi, wie konnte man alle Leute einer Familie so nennen? Izayoi, zumal, nach einem Monatstag? Immerhin würde die Prinzessin morgen früh abreisen und .... Sekunde. Das Brautgeleit und sie. Das musste er bis dahin unauffällig ausgeschlossen haben., wollte er den Fall wie gewünscht klären und zugleich nicht Vaters Schutzprojekt in Verruf bringen. Schön, es wurde nicht besser. Es waren eigentlich zwei Probleme: die mögliche Fälschung, mit einem sehr begrenzten potentiellen Täterkreis, und der Mord an Akira. Motiv zu letzterem hatten wohl nur wenige, aber das war nicht gesagt. Es war ein Bauer, womöglich hatte der den Haushofmeister beleidigt, sich an die Frau eines Samurai herangemacht … Nein. Wie hatte wer und wann den durch Erdrosseln umbringen können. Da gab es eine Menge zu fragen. Und alles Menschen. Er war schon ein armer Hund.   Sakura hätte später selbst unter Folter nicht gestehen können, warum sie gegen die gebotene Höflichkeit aufsah und so das miterlebte, was sie nur als Katastrophe des Jahrhunderts bezeichnen konnte. Nun, eigentlich handelte es sich nur um eine Dienerin mit einem Tablett, darauf ein irdener Krug, dazu drei tönerne Becher. Sie zitterte sichtlich – offenbar war ihr die Nähe von Dämonen ungewohnt. Aber sie wollte, wie es üblich und höflich war, zu ihrem Herrn, dem Fürsten Takahashi, um dem als erstes das Getränk zu präsentieren, ehe sie es den Gästen reichte. Sie kam aus der Sakura abgewandten Seite des Gartens, wohl dem Küchentrakt, und näherte sich den Herren von hinten. Die Heilerschülerin vermutete, dass sowohl Lord Sesshoumaru als auch sein Vater sie längst bemerkt hatten, auch, wenn sie sich nicht bewegten. Der Daimyo mochte sie noch nicht registriert haben. Die vielleicht dreißig Jahre zählende Frau hatte nur Augen für ihren Herrn, bemerkte um ein Haar zu spät, dass sie auf eines der im Gras liegenden Fellteile des Inu no Taishou treten würde, und machte förmlich einen Satz zurück – nur, um sich in der Boa seines Erben zu verhaken. Sie fing sich, ließ jedoch instinktiv das Tablett los und der Krug samt den Bechern flog unter der prompten Abwehrbewegung Sesshoumarus beiseite in das Gras. Der Inhalt allerdings, dunkelrot gefärbt, wie es nur Saft aus schwarzen Johannisbeeren vermochte, schüttete sich in die andere Richtung. Haar, Boa und Seidenkleidung des Hundeprinzen färbten sich rosa unter der Flüssigkeit. Es wurde still im Garten. Totenstill. Kapitel 6: Sonnenuntergang -------------------------- Sakura glaubte für einen Moment sterben zu müssen, aber dann nahm sie doch noch einiges wahr: ein Name, scharf ausgesprochen, etwas, das sich um sie schlang, sie in die eisige Kälte dämonischer Energie hüllte, dann wirbelnde Schwärze um sich, die sie noch als Portal identifizieren konnte, ehe sie im Strudel und vor panischer Angst doch das Bewusstsein verlor. Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie realisierte, dass sie auf dem Boden lag, im Gras. Etwas knurrte und sie hatte das Gefühl, dass dies kein gewöhnlicher Hund sei. Was sollte sie nur tun? Augen aufmachen, sich ordnungsgemäß hinknien, das war bestimmt nicht falsch. Nur, wo war sie, was war geschehen?   Oh du je, ja. Der Saft und Seine Lordschaft. Nun, dessen Stimmung war mit mörderisch wohl noch am Besten umschrieben. Was sollte sie nur tun? Der Herr hatte noch „Sesshoumaru“ gesagt, jetzt erst kam ihr das zu Bewusstsein, und dann hatte einer der Beiden, Vater oder Sohn, sie mit dämonischer Geschwindigkeit gepackt und mit sich genommen. Sie tippte eigentlich auf den Inu no Taishou. Vorsichtig öffnete sie ein wenig die Augen. Die Dämmerung war hereingebrochen. Sie entdeckte ein Stück weit vor sich liegend einen ziemlich großen, weißen Hund mit einer blauen Mondsichel auf der Stirn, der das dumpfe Knurren von sich gab. Sie konnte durchaus noch den rosa Schimmer auf seinem Kopf und an seiner Schulter entdecken, den ein deutlich größerer weißer Hund mit einem dichten Schulterfell, über ihm stehend, gerade ableckte. Sie hatte solch eine Szene im Takaeda-Schloss einst gesehen – ein Hund schlabberte seinen Welpen sauber! Da waren wohl bei dem Hundefürsten und dessen sichtlich unwilligen Erben die Instinkte durchgegangen. Wenn sie jetzt das tun würde, was sie wollte: quietschen: „oh wie niedlich“, und lachen, wäre das eine überaus törichte Selbstmordvariante. Sie vermutete stark, dass in diesem Fall Vater und Sohn darum wetteifern würden, wer seine Klauen langsamer durch sie ziehen konnte. So wandte sie das Gesicht zum Boden und biss in das Gras, im wahrsten Sinne des Wortes, um es nicht im übertragenen Sinn zu tun. Dieses Bild! Dieser Anblick! Und sie würde nie jemandem davon erzählen dürfen.   „Sakura.“ Sie kniete sich hastig ordnungsgemäß hin, die Stirn auf dem Boden, die Hände vor sich. Hoffentlich hatte der Herr der Hunde nicht bemerkt, dass sie gesehen hatte … Nun ja. Er hatte sicher. Hoffentlich kam keine Strafe und sie hatte sich geziemend beherrscht. Herrschaften, dämonisch oder nicht, auszulachen war ein tödlicher Fehler. Der Taishou sagte jedoch nur: „Bleibe bei Lord Sesshoumaru“, ehe er selbst verschwand. Er wusste, dass bei den Menschen bereits für einen kleinen Fehler grausame Strafen verhängt wurden. Den Daimyo vor seinen Gästen das Gesicht verlieren zu lassen war sicher ein sehr großer Fehler, und er hoffte, dass er der unglücklichen Dienerin einen raschen Tod gewähren konnte. Aber zunächst einmal hatte er Sesshoumaru auch den Blicken Hidemaru Takahashis entziehen wollen, denn er vermutete schwer, dass sein Sohn zunächst die Dienerin und dann den Fürsten getötet hätte, hätte er selbst nicht eingegriffen.   Sakura blickte vorsichtig auf. Wo war denn der Hundeprinz? Sie fand sich hier allein. Aber, da sie keine andere Anweisung erhalten hatte, musste sie eben warten. Erst jetzt fiel ihr in der zunehmenden Dunkelheit auf, dass keine zehn Schritte von ihr entfernt ein Bach floss, der offenbar sehr warm war, denn er dampfte. Nur ein Stück entfernt konnte, musste, sich eine heiße Quelle befinden und sie vermutete, dass Lord Sesshoumaru dort sich und seine Kleidung abwusch. Kein Wunder, dass er sie dabei nicht als Zeugin wollte. Es war allerdings ein wenig unheimlich so allein in der zunehmenden Nacht zu knien und die eigenartigen Laute zu hören, die hoffentlich nur von Tieren stammten. Bestimmt von Tieren, beruhigte sie sich. Für Dämonen war doch schon die Energie des Prinzen eine Mahnung nicht zu nahe zu kommen.   „Was tust du hier?“ Oh, ihr Götter, war der zornig. Von ihm ging die Kälte einer Winternacht aus. „Befehl des Herrn, Lord Sesshoumaru“, brachte sie irgendwie hervor. Hoffentlich würde das sie schützen. „Komm.“ Gegen Vaters Anweisungen durfte sie nicht verstoßen, das war klar. Hoffentlich hatte sie nicht mitbekommen ... Sie hatte, sie war schließlich recht aufmerksam. Aber sie würde schweigen. Da sie auch nur aufstand, packte er sie um die Taille und nahm sie so mit sich durch das Portal, zurück in das Schloss der Takahashis. Dort waren die routinemäßigen Vorbereitungen für den Abschlussabend und die Verabschiedung Prinzessin Izayois bereits getroffen worden. Nichts sollte die Peinlichkeit des Hausherrn verraten, den das Gesicht vor dem Brautgeleit, und damit dessen Herrn verlieren lassen. Uveda, der Haushofmeister, erwartete trotz seiner mannigfaltigen Pflichten den Dämonenprinzen auf dem Hof und verneigte sich tief, als dieser die Heilerschülerin nachlässig zu Boden fallen ließ. „Darf ich Euer Lordschaft zu den Fürsten begleiten? Der Empfang findet wie angekündigt statt.“ Da dahinter ein Befehl seines Vaters steckte, geruhte Seine Eisigkeit dem Haushofmeister wortlos zu folgen. Sakura ging hinterher – ihre letzte Anweisung hatte gelautet, sie sollte bei dem … Ach du Schande, dachte sie. Wie sollte sie ihn je wieder ansehen ohne an einen rosa Hundewelpen zu denken? Das musste sie jedoch, wollte sie am Leben bleiben, das war klar.   Sesshoumaru nahm neben seinem Vater Platz, der auf der Empore mit Hidemaru Takahashi, dem Fürsten, saß. Da Sakura keine anderen Befehle erhalten hatte, kniete sie sich hinter ihre beiden Herren. Der Inu no Taishou meinte leise: „Das dort ist der Leiter des Brauteskorte. Der Daimyo teilte mir mit, dass dieser, wie auch alle anderen, wohlweislich nichts von den möglichen Fälschungen erfahren haben sollten. Sie werden morgen früh abreisen. - Der Mann dort links im roten Kimono ist Fürst Shinichi. Er unterhält sich gerade mit Prinz Daichi.“ Sesshoumaru betrachtete den vielleicht um die Vierzig zählenden Fürsten, dessen Borten und Verzierungen gerade noch angemessen waren: „Weiß er, dass Akira tot ist?“ „Bislang nicht. Er fragte nicht.“ Hm. Akira war tot – und damit auch die Chance des Kleinfürsten an die Belohnung zu kommen. Wieso wunderte der sich nicht, dass sein Bauer nicht auftauchte? Oder nahm der an, dass der rangniedere Akira eben nicht zu solch einem noblen Empfang geladen worden war? Ja, das musste es sein. Daichi war der zweite Sohn des Daimyo. Sakura hatte gehört, dass der nicht sonderlich glücklich über diese Rolle war. Er sah zu ihr und meinte leise: „Sakura – Shinichi und Daichi.“ Sie verstand sofort, was er meinte, dachte er zufrieden, als sie sich verneigte und aufstand, sich dezent einen Weg durch die Menschen bahnte. Sie hatte – natürlich – sein Gespräch mit seinem Vater verfolgen können, da sie hinter ihm niedergekniet war. Für einen Menschen war sie wirklich brauchbar.   Sakura entdeckte im Vorbeigehen Prinzessin Reika, diesmal natürlich ohne ihre Tochter, und verneigte sich höflich, ehe sie sich möglichst unauffällig von hinten an Fürst Shinichi und Prinz Daichi anschlich. In der Tat war sie als Mensch eher unbemerkt als es der Dämonenprinz gewesen wäre, und würde vielleicht etwas zu hören bekommen, das nicht für sie oder gar ihre Herren bestimmt war. Sie blieb neben einer Holzsäule stehen, möglichst außer Sicht, und versuchte die Stimmen der Beiden aus dem Gewirr herauszufiltern. „... meine sozusagen Schwägerin“, erklärte Daichi soeben. Fürst Shinichi lächelte, Sakura hörte es an seiner Stimme. „Ja, Austausch der Mädchen ist stets gut für die Familien. Man bindet sich. Wobei ich, Euer Einverständnis vorausgesetzt, auch gern mit Eurem werten Vater über eine Eheschließung sprechen würde. Meine jüngere Tochter dürfte Euer Alter haben.“ „Mag sein“, dehnte der Prinz. „Aber mein Herr und Vater wird sicher einen Vorteil sehen wollen.“ „Ich bin überzeugt, dass er auf Euch hören wird. Und Mariko ist ein sehr ... einfaches, gehorsames Mädchen. Ich bin gewiss, dass sie Euch keinerlei Probleme bereiten wird.“ „Und Euer Vorteil, Fürst Shinichi?“ „Nun, eine Familienverbindung dieser Art mit einem Daimyo ist nie schlecht, nicht wahr? Und, da Euer Bruder bislang nur ein Mädchen hat … Man kann ja hoffen, eines Tages der Großvater eines Daimyo zu sein.“ Daichi klang geschmeichelt. „Das mag natürlich sein. Aber, wie sollte ich meinem Vater eine solche Ehe schmackhaft machen?“ „Oh, werter Prinz. Natürlich ist Euch und Eurem mächtigen Vater bekannt, dass ich nur Töchter habe.“ „Eure älteste Tochter ist dennoch bereits verheiratet.“ „Ja. Aber nicht mit einem Daimyo.“ „Ich verstehe.“ Daichi lächelte hörbar.   Verstanden hatte auch Sakura. Shinichi versuchte sich raffiniert an den jüngeren Sohn des Daimyo heranzumachen. Reika hatte wahrlich durchaus Grund zur Sorge, sollte sie keinen Jungen bekommen. Hoffentlich würde der Prinzessin ihr medizinischer Rat helfen. Hm. Natürlich stand die Bewertung ihren Herren zu, aber, wenn der Kleinfürst Akira getötet hätte, hätte er seine Möglichkeit Geld zu gewinnen umgebracht. War Akira ihm in die Quere gekommen, hatte sich verweigert? Unwahrscheinlich. Für einen einfachen Bauern war das die Chance seines Lebens. Aber Fürst Shinichi schien auf alle Fälle auf die Zukunft zu setzen, das Leben als Opa eines Daimyo, zumal wenn der Enkel entsprechend erzogen worden war, oder man gar als Vormund agieren konnte. Und Daichi: das war eine Intrige gegen seinen älteren Bruder. Prinz Hidemaru sollte darüber nicht sehr glücklich sein. Eine Schlange im eigenen Haus bedeutete stets Ärger – für ihn oder auch Reika und mögliche männliche Nachkommen. Sie sollte besser wieder zuhören.   Fürst Shinichi meinte leise: „Ich würde ja auch darauf hoffen, dass ein künftiger Daimyo sich...bessere Umgebung sucht.“ „Als diese Beiden da? Ja, eine Abfallgrube wäre ausgezeichnet. - Ich muss meinen Pflichten nachkommen, werter Fürst. Vater sieht bereits zu mir.“ „Ja, natürlich. Ich hoffe doch, wir können uns in den nächsten Tagen noch sprechen, bis ich mein Geld, ich meine, Akiras Geld habe.“ „Ach ja, diese Bohrer. Wie lästig, dass Euch noch nicht Gerechtigkeit widerfuhr.“   „Heilerin.“ Sakura fuhr herum und neigte sich eilig tief vor dem menschlichen Erbprinzen. Hidemaru Takahashi betrachtete sie: „Meine Gemahlin teilte mir mit, dass Ihr ihr sagtet, ich solle sie ... schonen.“ Aua. Saß sie gerade in der Patsche? Oder Reika? „Nur solange die Therapie dauert.“ „Und Ihr seid sicher, dass Reika dann wieder empfangen kann.“ „Das liegt in der Hand der Götter, edler Prinz. Aber ja, es gibt dann kein körperliches Hindernis mehr.“ „Was würde geschehen, wenn ich es nicht tue?“ „In diesem Fall solltet Ihr Euch nach einer neuen Gemahlin umsehen“, entfuhr es ihr. Am liebsten hätte sie das unverzüglich zurückgenommen. Das war unhöflich, taktisch unklug, und dem Blick des Menschenprinzen nach zu urteilen sah der das mindestens ebenso. „Würdest du auch Lord Sesshoumaru so antworten?“ fragte er jedoch nur sachlich. Und wenn er sich bei dem Inu no Taishou über ihr unpassendes Verhalten beschwerte, würde sie Ärger bekommen. Sie sollte es entschärfen. „Seine Lordschaft geruht zumeist meine medizinische Beurteilung zu berücksichtigen.“ „Ihr seid Schülerin.“ „Frauen, zumal menschliche Frauen, obliegen zwischenzeitlich mir.“ Hidemaru Takahashi betrachtete das junge Mädchen. „Ihr seid Eurer Sache sicher. - So werde ich auch Eure Meinung berücksichtigen.“ Sakura neigte sich.„Vielen Dank, edler Prinz.“ Puh.     Kapitel 7: Erste Aussagen ------------------------- Sakura wandte sich eilig wieder den beiden Männern zu, die sie beobachten sollte, aber Fürst Shinichi plauderte nun mit einem anderen Mann, der sichtlich auch aus gutem Hause stammte, während sich Prinz Daichi in eine andere Ecke der Halle zurückzog. „Heilerin.“ Das Flüstern ließ sie sich umsehen. „Prinzessin Reika?“ Diese warf einen hastigen Blick über ihre Schulter, ehe sie leise sagte: „Ich hoffe, mein Gemahl … Er war ein wenig ungehalten, dass jemand in unsere Ehe ...“ „Er wollte nur nachfragen, ob Ihr das richtig verstanden habt“, beruhigte Sakura sofort. „Keine Sorge, er zürnt weder Euch noch mir.“ Nun, Hidemaru Takahashi, der Erbprinz, wollte es sich kaum mit dem Inu no Taishou verscherzen. Was natürlich die Frage offen ließ, wie das sein jüngerer Bruder sah. Immerhin schützte der Hundefürst seit Jahrzehnten, um nicht zu sagen, Jahrhunderten diese Familie – und deren Stellung als Daimyo war gewiss auch dieser Tatsache geschuldet. Das Bild auf dem Teppich in der Eingangshalle war schon sehr alt und zeigte eindeutig den Herrn der Hunde, wie sie ja erst heute gesehen hatte. Daichi ignorierte den Schutz offenbar, oder eher, hielt das für vernachlässigbar. Falls der Daimyo würde, gäbe es nur Ärger – für ihn.   Nach dem Empfang zogen sich der Inu no Taishou und Seine Lordschaft in das „Zimmer des Herrn der westlichen Gebiete“ zurück, um Sakuras Bericht zu hören. Sie erwähnte auch kurz das Gespräch mit dem Erbprinzen und schloss: „Ich beruhigte Prinzessin Reika, dass er ihr nicht zürne, aber natürlich empfand er meine Einmischung wohl als unpassend.“ „Er akzeptierte deine medizinische Meinung jedoch“, meinte der Hundefürst gütig. „Und Daichi – hm.“ „Ich möchte den Haushofmeister sprechen, falls Ihr nichts dagegen habt, verehrter Vater“, warf Sesshoumaru ein. „Nein. Ermittle nur.“ „Sakura.“ Sie erhob sich, nur innerlich seufzend. Uveda hatte sicher noch mit den Aufräumarbeiten nach dem Empfang zu tun und würde kaum begeistert sein. Überdies wurde sie müde. Der Tag heute war sehr lang für sie gewesen. Aber das zählte selbstverständlich nicht, zumal bei dämonischen Herren, die selbst so gut wie nie Schlaf benötigten.   Tatsächlich folgte ihr der Haushofmeister ohne weiteres Wort. Er wusste, dass sie nur im Auftrag handelte – und wer der wahre Herr des Westens war, wie jeder hier im Schloss. Als die beiden Menschen niederknieten und Sakura die Tür schloss, sah der Inu no Taishou zu seinem Sohn. Dieser sagte daher: „Du hast in Erfahrung gebracht, dass Akira offenbar noch zu Abend aß. Gesehen hat ihn jedoch niemand mehr.“ „Nein, Euer Lordschaft. Der Befehl Fürst Hidemarus lautet, das er, wie auch die Anderen, nicht das Zimmer verlassen durfte.“ „Diese Anweisung gilt nicht für Fürst Shinichi.“ „Im Prinzip schon, aber er wurde heute ausdrücklich zu der Verabschiedung der Prinzessin eingeladen.“ „Die Braut und ihre Eskorte werden morgen früh das Schloss verlassen.“ „Ja, Euer Lordschaft.“ „Soweit dir bekannt ist, weiß niemand von ihnen von der .... kleinen Schwierigkeit um Hitori und seine Erfindung.“ Eine erstaunlich umsichtige Anfrage eines Dämons, zumal, wenn man doch so manches Gerücht um den Erbprinzen gehört hatte. „Ja. Es galt eine strikte Anweisung dies nicht zu erwähnen. Mit Verlaub, Lord Sesshoumaru, alle hier im Schloss sind unserem Herrn gegenüber loyal und würden ihn nie gegenüber Außenstehenden in Schwierigkeiten bringen.“ „Hitori hat ebenso Zimmerarrest wie Masa oder Akira.“ „Ja. Und wie eben auch Fürst Shinichi, der jedoch zu Akira durfte, und der Diener zu Hitori.“ Also war deren Zimmerarrest schon mal aufgeweicht. „Name des Dieners?“ Uveda zögerte. Leute, die nicht ihm unterstanden, merkte er sich nicht gerade gut. „Kiyoshi, Lord Sesshoumaru.“ „Hitori kam mit ihm aus der Hauptstadt?“ „Ja. Er hat jedoch ein kleines Zimmer im Dienstbotentrakt erhalten, so dass Hitori allein in seinem Zimmer ist. Dieser bat den Herrn anscheinend darum.“ Eigenartig, dachte der Hundeprinz. Wenn dieser Hitori schon mit einem Diener anreiste, wieso wollte der den nicht in Rufweite haben? Genauer: warum wollte der allein sein? Und aus welchem Grund hatte ein junger Absolvent eines Studiums schon einen eigenen Diener? War Hitori nicht nur ein Günstling des Shogun aufgrund seiner guten Leistungen, sondern auch oder ausschließlich aufgrund seines familiären Hintergrunds? „Ich will diesen Kiyoshi sprechen.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Der Haushofmeister verneigte sich, da er das zu Recht als Entlassung wertete – und als neue Anweisung. So war er nicht überrascht, dass ihn die Heilerschülerin begleitete, um den Diener zu den Hundedämonen zu holen.   Kiyoshi war ein Mann an die Sechzig, die schütteren grauen Haare zu einem Zopf gebunden. Er seufzte etwas, aber da der Haushofmeister ihm sagte, dass Lord Sesshoumaru auf Wunsch des Daimyo ermittele, erhob er sich ein wenig mühsam, erkundigte sich jedoch nur, ob das Mädchen ihn begleiten solle und ob es lange dauere, weil er nicht frei habe. Er schien überrascht, als er vor seiner Tür einen Samurai stehen sah, schwieg allerdings dazu. Sakura, vermutete, dass er erhebliche Schmerzen im Brustkorb haben musste, so, wie er auch die Arme an sich drückte. Er trug einfachen Kittel und Hose, aber seine Ausdrucksweise war die eines durchaus gebildeten Mannes. Hatte er sich das an der Akademie abgeschaut? Arbeitete er da länger schon?   Sesshoumaru wartete, bis beide Menschen vor ihm und natürlich seinem Vater knieten, Sakura die Tür schloss. „Kiyoshi.“ Der Diener verneigte sich eilig, ohne ein unwillkürliches Aufstöhnen nur halb verschlucken zu können. Hm. Der kannte Höflichkeit, aber ... „Hitori war unzufrieden mit dir.“ Und hatte ihn wohl verprügelt. „Äh, ja, Lord .... Sesshoumaru.“ Das kam vor. Hausangestellter zu sein war oft ein hartes Los – wobei sich Seine Lordschaft da ausnahm. Er misshandelte schließlich keine Dienstboten, er strafte nur bei Fehlern. „Du kamst mit Hitori her. Dienst du schon lange bei ihm?“ „Nein. Ich … ich wurde ihm für diese Reise zugewiesen.“ „Von eurer Familie?“ „Nein, von der Akademie.“ „Die Anforderung des Daimyo für einen Ingenieur scheint der Akademie geschmeichelt zu haben.“ „Ja.“ Kurze Antworten waren ja schön und gut, aber das war eindeutig zu wenig. „Etwas ausführlicher.“ Kiyoshi deutete trotz seiner Unerfahrenheit mit Dämonen, aber aus Kenntnis hoher Herren den knappen Satz richtig. „Ja, die … die Leitung der Akademie war unglaublich geschmeichelt, zumal der Daimyo so freundlich war, bereits bei der Anfrage kundzutun, dass er einen erfolgreichen Brunnenbauer auch in seinem gesamten Machtbereich empfehlen würde. Und natürlich gegenüber dem Shogun.“ „Und sie wollten repräsentieren und sandten dich mit ihrem Absolventen.“ „Ja, so ungefähr, ich meine, ja, Euer Lordschaft.“ „War Hitori bereits einmal hier in der Gegend oder warum schickte man ausgerechnet ihn?“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Hitori lebte seit Jahren, ich glaube, acht, in der Akademie und hat dieses Studium nicht verlassen. Er wurde jedoch geschickt, weil er der beste Absolvent seit langen Jahren war, sehr gute Noten hatte.“ Kiyoshi starrte zu Boden. Er vermutete, dass den beiden Hundedämonen seine Aufregung nicht entging. Aber, wann sah man sich schon einmal solchen Wesen gegenüber, noch dazu in seiner Lage? Dieser junge Herr hatte sofort bemerkt, dass er Schmerzen hatte und die Ursache benannt. Lügen war da wohl unmöglich. Ihn tröstete nur, dass die junge Heilerin sich knapp hinter ihm befand, wenigstens noch ein Mensch anwesend war. „Soweit dir bekannt ist, kannte Hitori weder den Bauern noch den Beamten, die nun Anspruch auf die Erfindung erheben.“ „Ja. - Also, nein, er kannte sie zuvor sicher nicht. Und, mit Verlaub, Euer Lordschaft, er war sehr wütend, als Fürst Shinichi mit seinem Bauern anreiste, und die Belohnung wollte.“ „Und dieser Masa dann.“ „Äh, ja, wenn Euer Lordschaft den Beamten meint.“ „Warum schläfst du nicht bei Hitori?“ Kiyoshi holte, so gut es mit seinen geprellten Rippen ging, tief Atem: „Es ...Wir beide sind uns sehr unähnlich. Und obwohl er einen Diener in seiner Nähe schätzt, schätzt er es nicht mich dauernd um sich zu haben.“ Ja, wie sollte man das nennen. Er hatte ihm mit seinen Tritten einige Rippen zumindest angebrochen. Es konnte einem Herrn doch gleich sein, wie ähnlich sein Diener ihm war – der hatte zu parieren und den Mund zu halten. Aber anscheinend neigte Kiyoshi dazu seinen augenblicklichen Gebieter erziehen oder belehren zu wollen. Nun, das konnte er verstehen, wenn einem da die Hand ausrutschte. „Wann rief er dich das letzte Mal zu sich?“ „Gestern Nachmittag, Euer Lordschaft.“ Und da hatte er ihn wohl verprügelt. „Du warst jedoch nicht in dem Trakt, in dem Akira und Masa untergebracht sind.“ „Nein.“ Die ältere Mann klang hörbar erstaunt: „Der Befehl des Daimyo befreit mich von dem Zimmerarrest nur, wenn Hitori etwas wünscht. Oder Ihr“, ergänzte er eilig. Das hörte sich nicht so an, als ob Hitori seinen Diener auch nur bei sich duldete, geschweige denn, den ins Vertrauen gezogen hatte. „Weißt du, wann Hitori seine Brunnenerfindung machte?“ „Er legte sie der Leitung der Akademie wohl vor, als die Anfrage des Daimyo kam.“ Das war nicht die Frage gewesen, aber natürlich kannte ein einfacher Diener nicht die Interna der Professoren. „Gut. Du kannst einstweilen gehen.“ Einstweilen? Aber Kiyoshi neigte sich nur. Was sollte er schon bitten? Er zuckte jedoch förmlich zusammen, als der Ältere der Dämonen zum ersten Mal sprach. „Sakura, gib ihm Kräuter, die seine Schmerzen lindern.“ „Ja, Herr“, erwiderte diese hastig und drehte sich, um zu dem Heilerkoffer zu greifen. „Danke, edler Herr.“ Kiyoshi war erstaunt, dass ausgerechnet ein Dämon an so etwas dachte. Aber ja, das musste der so ehrenvoll behandelte Gast des Daimyo sein, der Inu no Taishou. Andere Diener hatten ihm schon berichtet, dass der sehr menschenfreundlich sei.   Als Kiyoshi mit einigen, hörbar ehrlichen, Dankesworten – und Teekräutern - verschwunden war, hoffte Sakura eigentlich sich endlich hinlegen zu dürfen. Es war schon nach Mitternacht und sie war bei Sonnenaufgang aufgestanden. Überdies hatte sie Hunger und Durst. „Hole Hitori“, befahl Sesshoumaru jedoch nur, der noch immer neben seinem Vater saß. Er wollte aus diesem Menschenschloss der Schrecken weg, aber das ging erst, wenn er die Fälschungssache und den Mord aufgeklärt hatte. Sie gehorchte, was blieb ihr schon anderes übrig. Natürlich schlief der junge Ingenieur schon, dachte sie, als er auf das leise Klopfen nicht reagierte. Der Wächter hatte sie sofort erkannt und ließ sie gewähren. Das Abendessen war jedenfalls abgeräumt und nur der Samurai stand vor der Tür, als sie sie beiseiteschob – und erstarrte. Das würde Seine Lordschaft nicht freuen. Und es wäre vermutlich auch nicht sonderlich intelligent von ihr ihn zu bitten, dass sie die nächste Leiche finden würde, ehe die ins Stadium der Verwesung übergegangen war. Das wäre dann wohl sie selbst. Kapitel 8: Das zweite Mal ------------------------- Sie spürte, dass der Samurai hinter sie trat, und wich beiseite. Leise sagte sie: „Ihr solltet unauffällig den mächtigen Daimyo informieren und ich meine Herren.“ Der Mann nickte nur und verschwand, während sie die Tür schloss. Es wäre unmöglich für die Familie Takahashi würde die Brauteskorte in den wenigen Stunden, in denen sie noch hier war, mitbekommen, dass die Gäste des Hauses reihenweise ermordet wurden, das war Samurai und Heilerschülerin klar. Nicht einmal durch einen Familienselbstmord würden sie der unauslöschlichen Schande entkommen. Sie atmete tief durch. Der Adrenalinstoß war so heftig gewesen, dass er Müdigkeit, Hunger und Durst vertrieben hatte – und durch die Sorge ersetzt, wie die Herren das sehen würden. Sie sollte sich beeilen, damit sie gemeinsam mit dem Daiymo hier auftauchen würden, sie selbst durfte vermutlich den Heiler holen. Immerhin hatte ihr Eintreten und Zu-Boden-werfen den prompten Erfolg dass sich der Hundefürst erhob, ohne dass sie ein Wort verloren hatte. Sein Sohn folgte unverzüglich diesem Beispiel, wenngleich mit dem Gedanken: das durfte doch nicht wahr sein. Ging in diesem verfluchten Schloss denn nie irgendetwas glatt? „Sakura“, sagte der Inu no Taishou nur. Sie hatte einfach kein Glück. „Hitori ist tot, edler Herr, er starb wohl ebenfalls gestern Nachmittag oder Abend. Ich bat den Samurai den Daimyo zu informieren.“ Damit hatte sie den Herren zwar vorgegriffen, aber das war ja auch die Anweisung beim ersten Tod gewesen. „Hole Yoshifumi.“ Na, bitte.   Wenige Minuten später trafen sich die Fürsten, Sesshoumaru und die Heiler in Hitoris Zimmer. Dieser lag auf Tatamimatten an der rechten Seite der Kammer, als ob er dort gestorben wäre, jedoch zeigten sich mitten im Zimmer verwischte Blutflecken auf einer anderen Matte und den dort befindlichen, terteilt liegenden Kissen. Er war eher dort angegriffen worden – und hatte entweder sich selbst auf sein Lager geschleppt oder es war der Angreifer gewesen. Yoshifumi fragte gar nicht sondern kniete neben der Leiche nieder. Ja, Sakura hatte Recht. Die Totenstarre war schon offensichtlich am Abklingen, das deutete doch auf einen Todeszeitpunkt gegen gestern Abend hin. Natürlich konnte man nie ganz sicher sein, aber das ließ sich gleich deutlicher machen. Todesursache war der Dolch, der in der Brust, im Herzen, steckte und den Hitori im Tod noch umklammerte. Allerdings befand sich knapp darunter eine andere Verletzung wie von einem Messer, Blut auf dem Kittel, dieser etwas eingerissen. „Helft mir kurz, Sakura, die Brust freizulegen.“ Sie gehorchte. Sie war so müde .... Aber es half alles nichts. Es musste vor dem Brautgeleit verschwiegen werden, es mussten die Toten untersucht und beerdigt werden. So öffnete sie wortlos den Kimono, schlug den Stoff und den des darunter liegenden Yukata beiseite. Eigenartig. Wieso trug jemand solche Kleidungskombination? Sie sah beiseite. „Meister Yoshifumi, der erste Angriff ging daneben. Nun, wohl auf die Rippe hier, glitt daran ab und war umsonst.“ „Angriff, möglich.“ Der alte Heiler musterte die Lage. „Aber er hält das Messer umklammert. Und ich hatte schon Selbstmörder, wenn auch mehr weibliche, die beim ersten Mal die Rippe trafen und erst im zweiten Versuch erfolgreich waren. Mord oder Selbstmord?“ „Er könnte auch versucht haben das Messer herauszuziehen.“ „So ist es.“ Yoshifumi war durchaus angetan über die mitdenkende Art. So etwas fand man selten bei Heilerkollegen oder überhaupt nie bei Frauen. Vermutlich war es das, was der verehrte Meister Neigi derart an ihr schätzte, dass er sie als Schülerin aufgenommen hatte. So wandte er den Kopf zu den Fürsten und dem Prinzen, die alle drei schweigend aber betont zusahen. Keiner verriet, dass der Geruch im Zimmer, vor allem für die Hundenasen, stickig war. „Ich darf um Erlaubnis zum Reden bitten? Danke. Ich müsste den Toten untersuchen, mit einer Sonde nachprüfen wie das Messer in den Körper trat. Das könnte die Entscheidung, ob Mord oder Selbstmord, bringen. Ich hoffe, Sakura darf mir helfen, sie hat mehr Erfahrung.“ Er bemerkte, dass das Mädchen etwas unbehaglich auf den Unterbauch des Toten blickte, wo sich grünliche Schlingen zeigten. „Die Verwesung setzt ein. Es muss gestern Abend, eher am frühen Abend, passiert sein. Gegen zweiunddreißig Stunden. Und es ist hier drin warm genug. Es gibt keine Totenflecken, lasst Euch nicht über den Zeitpunkt irritieren. Das passiert bei blutenden Stichwunden öfter.“ „Untersucht ihn“, befahl der Inu no Taishou. „Sakura, nach der Reinigung und wenn du Bericht erstattet hast, geh schlafen und besorge dir auch etwas zu essen und zu trinken. Wenn Lord Sesshoumaru dich benötigt, wird er es dir sagen.“ „Vielen Dank.“ Sie vereinigte sich, wirklich erleichtert eine Pause zu erhalten. Schön, nach der Leichenschau und der dann notwendigen Reinigung, aber immerhin.   Es erforderte wieder ein wenig Mühsal den Toten unauffällig in die Räume des Heilers schaffen zu lassen. Miromaru, der Lehrling wurde ausgesandt um Sakura für später etwas zu essen besorgen, ehe sich diese und Yoshifumi über den toten Hitori beugten. „Nun ja“, murmelte der Heiler und legte die beiden Einstichstellen an der Brust wieder frei. „Das war eindeutig das Messer, ein großes Küchenmesser. Der Schnitt ist doch recht breit.“ „Ja, Meister. Ich sah schon Stiche von Attentatsmessern von Samurai, dies sieht anders aus.“ „Eigentlich würde ich ja sagen ein Selbstmörder öffnet seine Kleidung, um diese nicht zu beschädigen, aber das ist nicht zwingend. Ich hatte schon, vor allem allerdings Frauen, die das auch nicht taten. Ein Fehlversuch wäre auch selten.“ „Aber beides wäre nicht unmöglich“, wandte Sakura ein. „Ja, wir sollten nicht voreilig sein. Schlüsse ziehen die Fürsten. Wir machen nur sorgfältige Arbeit. Habt Ihr schon mit einer Sonde gearbeitet um die Richtung einer Verletzung zu bestimmen?“ Das war oft bei Pfeilen notwendig, um die Spitze aus dem Körper operieren zu können. „Ja, allerdings macht das Meister Neigi meist selbst“ „Dann mache ich dies. Sucht doch nach Abwehrverletzungen an den Händen oder auch weiteren Verletzungen an seinem Körper. Ziehen wir ihn aber zunächst aus.“ Während dieser Arbeit fragte Yoshifumi: „Ihr wisst sicher, dass es zwei Arten von Abwehrverletzungen gibt? Verzeiht, wenn ich ein wenig den Lehrer herauskehre, aber Ihr seid noch in der Ausbildung..“ „Ja, natürlich, ich danke Euch. - Es gibt zwei Arten von Abwehrspuren, ja. Welche, die anzeigen, dass das Opfer zugepackt hat, zum Beispiel um dem Angreifer das Messer zu entreißen – dabei könnte sich auch der Täter verletzt haben und selbst Spuren aufweisen. Das andere sind, ja, passive Spuren, in denen nur der Körper durch die Hände abgeschirmt werden sollte.“ „Sehr richtig. Wobei auch bei reinem Abwehren sich der Täter verletzen kann, wenn er den Umgang mit einem Messer nicht gewohnt ist. Das ist wie mit dem Erdrosseln – die meisten Menschen ahnen beim ersten Mal gar nicht wie schwer so ein Mord zu begehen ist. Und, werte Sakura, sucht doch auch nach älteren, verheilten Messerschnitten.“ „Ihr meint, dass er schon öfter in Kämpfe verwickelt war?“ Sie mochte Hitori nicht sonderlich, jemand, der einen alten Mann so verprügelte, dass der sich was brach, Diener hin oder her. Aber natürlich musste, sollte, sie neutral bleiben. „Eher würde das darauf hindeuten, vor allem an den Handgelenken, dass er bereits einmal versuchte sich umzubringen.“ „Oh, ja, ich verstehe.“ Doch, es war gut einmal mit einem netten, erfahrenen, menschlichen Heiler zu arbeiten. Neigi war der beste Heiler, aber er war eben auch ein Dämon, dem manches fremd war. Wie aufmerksam von dem mächtigen Hundefürsten, und natürlich auch von ihrem Lehrer, ihr auch solche Weiterbildungen zu ermöglichen.   Nach der zeremoniellen Reinigung im Schrein und Waschen, Umkleiden, ließen sich die Heiler im Zimmer des Inu no Taishou sehen. Wie sie erwartet hatten befand sich auch der Schlossherr hier, bereits gekleidet für die offizielle Verabschiedung seiner Tochter in wenigen Stunden. Nun, dachte Sakura unwillkürlich, sie sollte sich nicht beschweren. Der mächtige Daimyo war diese Nacht auch kaum zum Schlafen gekommen, so wie sie. Sie sollte nicht maulen. Notwendigkeit war eben Notwendigkeit. „Bericht“, sagte Sesshoumaru nur kühl, dem Vater und Gastgeber die undankbare Rolle des Ermittlers noch einmal aufgehalst hatten. „Es könnte sich um Selbstmord handeln, Euer Lordschaft“, erwiderte Yoshifumi höflich. „Ein derartiger Stich durch die Kleidung ist selten, aber ich sah so etwas schon. Selbst der zweite, oder eher erste, fehlgeschlagene Einstich spricht nicht dagegen, wenn das Opfer verzweifelt oder umnachtet genug wäre.“ Und jetzt kam das große ABER, dachte der Hundeprinz nur. Er würde kaum so viel Glück haben, dass Hitori zuerst Akira getötet hatte und dann sich. Oder? „Was dagegen spricht, ist gerade die erste Verletzung. Das Messer wurde von unten gerade in die Brust gestoßen, prallte dort auf eine der Rippen und rutschte wieder hinaus. Einmal abgesehen davon, dass das nicht von einem kräftigen Stich zeugt … Es muss Schmerz und einen Blutverlust gegeben haben. Ich nehme an, dass es sich um das Blut handelt, das in der Mitte des Raumes verteilt wurde.“ Wovon redete der Narr? Sesshoumaru sah zu einem vernünftigeren Objekt. „Sakura.“ „Wir haben die Sache nachgespielt, Euer Lordschaft“, berichtete sie eilig, vertraut mit den kaum wahrnehmbaren Merkmalen der Simmung des Dämonenprinzen: „Die Suche mit der Sonde und dann der … nachgespielte Stich ergaben, dass sich Hitori gebückt hatte, der Stich direkt von unten erfolgte. Entweder jemand erstach ihn, während der Täter unter ihm auf dem Boden lag – oder andersherum, indem Hitori auf dem Boden lag und der Täter auf ihm. In beiden Fällen wäre nicht von Selbstmord auszugehen. In wie weit dann der zweite, tödliche, Stich auf Selbstmord schließen lässt, mag Euer Lordschaft entscheiden. Der Dolch steckte noch in ihm, er hielt ihn umklammert und es zeigen sich keinerlei Abwehrverletzungen.“ Wunderbar. Sollte er hier noch ein Rätsel lösen? „Könnte der erste Stich ihn bewusstlos gemacht haben, so dass er sich deswegen nicht wehrte?“ „Möglich, Lord Sesshoumaru“, antwortete Yoshifumi. „Es gab definitiv eine Verletzung von Muskeln, der Knochenoberfläche und einen deutlichen Blutverlust. Einen Samurai – oder auch Euch - würde das kaum daran hindern weiter zu kämpfen, aber der Tote war ja Schreiber.“ Er hatte doch schon mal einen Fall gehabt, in dem sich die beiden Opfer gegenseitig umbrachten. Angenommen Akira marschierte wutentbrannt zu Hitori, wollte den als Dieb seiner Idee schlagen, stach ihn zusammen und ging. Hitori wachte auf, wollte sich rächen und ging hinüber, erdrosselte den Bauern, nur um hinterher festzustellen, dass er alles verloren hatte. Keine Ehre mehr, die Schule würde keinen Mörder mehr empfehlen, der Shogun nicht … Und so brachte der sich um. Zu dem Zeitpunkt war Vater noch nicht hier gewesen – ergo auch keine Samurai vor den Türen gestanden. Möglich wäre es. Oder? Welche Rolle spielte Shinichi? Und was sagte Masa? Hoffentlich lebte der wenigstens noch.     Kapitel 9: Die Ausssage des Kanzleibeamten ------------------------------------------ Während sich die beiden Fürsten aufmachten um Prinzessin Izayoi und ihre Brauteskorte zeremoniell zu verabschieden - und das so, dass kein Unberufener etwas von den seltsamen Vorfällen mitbekam - , und Yoshifumi in seine Räume zurückkehrte, um Hitori für eine Beerdigung vorzubereiten, wartete Sakura notgedrungen ab, ob Seine Lordschaft noch etwas von ihr benötigte. Der Hundeprinz hätte sie zwar gern dabeigehabt, aber da war die Autorisation seines Vaters. „Hole dir zu essen und zu trinken. - Hast du ein anderes Zimmer?“ „Nein, Lord Sesshoumaru. Danke für die Erlaubnis.“ Das klang so, als ob sie schlafen dürfte. Vielleicht konnte sie den freundlichen Heiler fragen, ob er ein Plätzchen am Kamin für sie hätte und eine Decke. Die Sonne würde bald aufgehen, aber sie war nur noch müde. Er nickte nur. „Dann komm nach dem Essen her und leg dich neben die Tür.“ Und ging. Dann musste er eben die Verhöre von Masa und diesem Kleinfürsten in deren Räumen abhalten. Lästig, aber sonst könnte sie kaum schlafen, aufmerksam, wie sie nun einmal war. Und keine Erholung für sie bedeutete für ihn mindestens einen Tadel, eher deutlich mehr, des Herrn der westlichen Länder, der das als flegelhafte, ja, grobe, Missachtung eines betonten Wunsches durch seinen Sohn ansehen würde. Das brauchte er wirklich nicht. Dieses unmögliche Schloss würde er sowieso nie wieder betreten, dessen war er sicher. Und wehe dem, der ihm gegenüber den Namen Takahashi je wieder erwähnen würde. Er wollte weder Hidemaru noch Izayoi in seinem gesamten Leben mehr hören. Hoffentlich lebten die anderen beiden Menschen noch. Naja, dieser Shinichi wohl schon, der war gestern auf dem Empfang gewesen, definitiv lebend, und wurde inzwischen von einem Samurai bewacht. Hm. Der Kleinfürst war hier im Flur untergebracht. Da vorn stand auch der Krieger. Nun, zuerst einmal war Masa zu befragen, der Letzte der drei Männer, die sich diese Erfindung zuschrieben oder wenigstens einen Teil davon. Vielleicht konnte der etwas Sinnvolles beitragen. Obwohl: Mensch, noch dazu Mann, und sinnvoll in einem Satz?   Der Samurai des Daimyo verneigte sich nur, als er den Dämonenprinzen sah, und öffnete wortlos die Tür. Wie jeder im Takahashi-Schloss wusste er, wer und was die Besucher waren Immerhin lebte der Kerl noch, dachte Sesshoumaru unwillkürlich, als er den in einen dunkelblauen Kimono gehüllten, schwarzhaarigen Mann von vielleicht Mitte Vierzig erkannte, der bei seinem Eintritt überrascht von seiner frühmorgendlichen Schreibarbeit aufsah, diese dann allerdings hastig beiseite schob und sich verneigte, so tief es ihm mit seiner Rundlichkeit möglich war. Hm. Vor dem Dämon oder dem Prinzen? Der Mensch konnte kaum wissen was passiert war. Und, da Sakura sich ja erholen sollte, musste er diesem Kerl das auch noch selbst sagen. Lästig. „Ich bin Lord Sesshoumaru. Der Daimyo Takahashi bat mich um Hilfe. Kannst du dir vorstellen, warum?“ Hoffentlich, dann musste er nicht von Anfang an beginnen. Masa war Beamter eines Kleinfürsten und schüttelte sich innerlich die Hände, dass er in dem Unbekannten sofort einen hochrangigen, wenngleich recht jungen, Herrn erkannt hatte, der Anspruch auf Höflichkeit besaß. Erst auf einen vorsichtigen, erhobenen, zweiten Blick erkannte er die viel zu langen und weichen Haare, die Klauen, dieses seltsame Fellteil. Das war ein Dämon! Nun ja, es hieß ja, dass die Takahashis es mit Dämonen hielten. Aber er sollte vorsichtig sein. „Ich vermute, es geht um diesen geistigen Diebstahl meiner Arbeit.“ „Du hast davon erfahren, als ...?“ Irgendetwas in der eigentlich ruhigen Stimme dieses Prinzen wirkte wie eine weiche Drohung. Masa schluckte und blickte lieber betont höfisch zu Boden, musterte nur mehr die schwarzen Schuhe des vor ihm Stehenden. „Ja, Lord Sesshoumaru. Es erging der Befehl des Daimyo künftig in all seinen Ländern diese Brunnenbaummethode zu nutzen. Ich arbeite in der Kanzlei meines verehrten Fürsten und so öffnete ich diesen Brief. Ich erkannte auf der Zeichnung sofort meinen eigenen Oberbau. Darf ich ausführlicher sprechen?“ Wenn etwas Sinnvolles dabei herauskam … Überdies konnte er sowieso nicht in Vaters Zimmer zurück. Nicht, ohne Sakura aufzuwecken – mit allen Konsequenzen für ihn selbst. Sie würde sich kaum beschweren, aber sein verehrter Vater würde es merken. Es war unmöglich vor dem Inu no Taishou etwas zu verheimlichen, das hatte er schon in Welpentagen begriffen. „Nun?“ „Vielen Dank, Lord Sesshoumaru.“ Schön höflich bleiben. Ärger mit dem Daimyo wäre weder für ihn noch für seinen Herrn förderlich. Zum einen könnte er seine Belohnung abschreiben, zum zweiten … Nun ja. Strafen wurden oft und gern verhängt und er hing an seinem Kopf. „Ich habe dieses Gestell eigentlich für den Bergbau entwickelt. Mein Fürst verfügt über mehrere Stellen an denen man Metallerze finden kann. Gewöhnlich graben die Männer mühsam ein Loch, über das sie jeweils ein hölzernes Gestell aufbauen, um mit Eimern Erde und Steine entfernen zu können. Der Vorteil meiner Erfindung war nun, dass man ein und dasselbe Holzgestell mehrfach verwenden kann. Man kann es zusammenklappen und mit einem Ochsengespann zu einer anderen Stelle transportieren, wo man es rasch wieder aufstellen kann. Es spart Zeit und Holz. Mein Fürst war sehr zufrieden mit mir – und ebenso empört wie ich, dass dieser Hitori sich anmaßte das erfunden zu haben. Daher erhielt ich die Erlaubnis herzureisen und den Daimyo davon in Kenntnis zu setzen. Mein Fürst bestätigte mir auch schriftlich, dass ich dieses Gestell bereits vor fünf Jahren entwickelt hatte. Und ich war nie an dieser Schule oder was auch immer ...“ Er war jetzt noch aufgeregt, stellte Sesshoumaru fest. „Du hattest Hitori auch nie zuvor gesehen.“ „Nein. Ich … ich kann mir nicht vorstellen, Euer Lordschaft, wie er an meine Pläne gekommen ist,“ gab der Beamte zu. „Sie lagern ja bei meinem Fürsten im Archiv.“ „Und, dass ihr beide es zufällig gleich erfunden habt?“ Masa schüttelte ein wenig den Kopf. „Das fragte der Daimyo auch, Lord Sesshoumaru, aber, da ist ja auch dieser Bauer mit dem unteren Teil. Da er weniger .... Kenntnis von höfischem Benehmen hat, begleitet den sein Fürst ja sogar.“ „Du gehst also davon aus, dass Hitori, wie auch immer, Kenntnis von den jeweiligen Bauteilen bekam und sie nur zusammenfügte. Nun, auch das wäre eine neue Erfindung.“ „Ja, Lord Sesshoumaru.“ Masa wollte etwas ergänzen, schwieg jedoch lieber. Mehr war nicht gefragt gewesen. „Rede.“ Immerhin kam er hier noch an Informationen, die Hitori oder Akira ja nicht mehr liefern konnten. „Danke, Euer Lordschaft. Es … es wäre eine neue Erfindung, ja, und alles wäre in Ordnung – hätte Hitori erwähnt, dass er die Teile von mir und diesem Bauern hat. Dann stünde uns auch eine Belohnung zu, anteilig, natürlich.“ „Daher kamst du.“ „Ja. Es ist mein Recht und, nun ja, wohl auch das dieses Bauern.“ „Sein Name war Akira.“ „War?“ Masa zuckte sichtlich zusammen, ehe er unwillkürlich an seine Stirn fasste, daran rieb. „Das ... Ich habe nichts damit zu tun, Lord Sesshoumaru!“ „Du gehst also von Mord aus.“ Der Beamte hätte um ein Haar aufgesehen. „Oh, war es das nicht? Ich bitte um untertänigst um Verzeihung, Euer gnädige Lordschaft, ich war vorlaut.“ Und darauf zu erfahren, wie sich ein Schlag von einem Dämon auswirkte, konnte er verzichten. Sesshoumaru dachte nach. Masa hatte sofort verstanden, was die Vergangenheitsform bedeutete, war unverzüglich in Schweiß ausgebrochen – hatte er oder hatte er nichts damit zu tun? Er war Kanzleibeamter, also sollte man selbst bei dieser minderen Art ein wenig Intelligenz erwarten. Ergo, dass der wusste, was es für ihn bedeuten würde des Mordes angeklagt zu werden. Umgekehrt: der hatte wohl nicht gelogen, auch, wenn diese Hitzewallung ebenso bei einer Lüge vorkommen mochte. Aber wenn Masa, der doch ein geradezu mustergültiges Motiv hatte, nichts mit Akiras Tod zu tun hatte – wer dann? Und schloss ihn das von dem Mord an Hitori aus? Sein Kimono zeigte keine Blutspuren, aber der Messerstich war bereits gestern, mittlerweile vorgestern, passiert, da konnte er sich schon längst gereinigt haben oder auch umgezogen. Hinter ihm befand sich eine kleine hölzerne Kiste, sicher seine Reisekiste. „Wie viele Kimonos hast du dabei?“ „Äh, ich verstehe nicht. Zwei, Euer Lordschaft.“ „Zeig den anderen.“ Masa gehorchte eilig, wenn auch sichtlich verwirrt. Ihm war jedoch klar, dass er einem Lord, noch dazu im Auftrag des Daimyo, nichts entgegenzusetzen hatte. Klagte der ermittelnde Dämon ihn an, beschuldigte ihn Akira getötet zu haben, auch, wenn das offenbar ein natürlicher Tod gewesen war ... Oh, daran wollte der Kanzleibeamte gar nicht denken. Als er den hellen, deutlich kostbareren, Stoff präsentierte, war Sesshoumaru klar, dass er diesen nur bei der Audienz mit dem Daimyo trug. Tja, was nun? „Du hast mit Akira gesprochen?“ „Äh, ja, Lord Sesshoumaru, etwas. Fürst Shinichi war immer dabei, dieser kann Euer Lordschaft gewiss bestätigen, dass ich nichts gegen den Mann hatte.“ „Er war aber eben nur ein einfacher Bauer.“ „Ja. Und er wirkte auch nicht krank ...“ verteidigte sich der Beamte mehr instinktiv als nützlich. „Kaum. Er wurde erdrosselt.“ Masa ließ förmlich seinen Kimono fallen. Das war dann doch Mord? Oh du je. „Ich schwöre Euch ...“ Der Schritt auf ihn zu ließ ihn abbrechen. „Hast du auch mit Hitori gesprochen.“ „Ja.“ „Und?“ „Er verwies auf die Entscheidung des Daimyo. Er ist … höfisch aber nicht höflich, Euer Lordschaft.“ Was sollte das denn? Und Sakura schlief, die ihm das Gestammel vernünftig hätte übersetzen können. Ach, war das Leben ungerecht! „Erkläre.“ „Er ist nicht unhöflich, Euer Lordschaft, aber man merkt, dass er trotz seiner Jugend sehr von sich eingenommen ist. Ich denke, im Umgang mit Eurer Lordschaft wird er das nicht sein.“ Vorsicht, Masa, dachte er. Das war auch ein sehr junger Herr. „Und, soweit ich hörte, hatte er soeben erst die Schule abgeschlossen. Überdies: wenn er wirklich meine Erfindung und die des Bauern, ich meine, Akiras, genommen hat, so wäre eine gewisser Respekt angebracht.“ Überdies war er fast doppelt so alt wie dieser Jungspund und hatte an einem Fürstenhof, wenn auch einem kleinen, Karriere gemacht – Hitori hatte außer dieser ominösen Erfindung noch nichts vorzuweisen. Sehr von sich eingenommen? „Gab es Ärger wegen einer Frau?“ probierte der Hundeprinz seine in diversen Fällen gewonnenen Erkenntnisse aus. „Nicht, das ich wüsste, Lord Sesshoumaru. Ihr ... Ihr glaubt, dass Hitori und Akira … Nein, Hitori hat nach dem Empfang nur mit Fürst Shinichi gesprochen, nicht mit dem Bauern.“ Das schloss allerdings nicht aus, dass Hitori Akira erwürgt hatte. War das kompliziert. Dieser Masa redete viel, aber kaum etwas Brauchbares. Darüber musste er erst noch einmal nachdenken. Nun gut. „Selbst, wenn du nichts mit dem Mord an Akira zu tun hast, wie steht es mit dem an Hitori?“ Der wohlbeleibte Kanzleibeamte keuchte auf, ehe er mit beiden Händen an seine Brust fasste, die Finger darin verkrallte und umfiel. Kapitel 10: Ein Geständnis und eine neue Aussage ------------------------------------------------ Sesshoumaru sah auf den regungslosen Beamten nieder, ein wenig erleichtert, dass er dessen Herzschlag noch wahrnehmen konnte. Es wäre vermutlich sehr unklug gewesen selbst für den nächsten Toten der Woche bei Vaters Lieblingsprojekt zu sorgen. So trat er einmal, wenngleich behutsam, gegen die Rippen des Bewusstlosen. Was war an dem Satz, dass auch Hitori tot sei, dermaßen ungewöhnlich gewesen? Was hatte dieser Masa nur? Er hatte ihn ja nicht beschuldigt. Oder, andersherum: was verbarg der Beamte, dass er so übertrieben reagierte? Hm. Immerhin war er der letzte Überlebende der drei Kandidaten für das Preisgeld – und damit natürlich der Hauptverdächtige. Womöglich war da wieder irgendetwas mit einer jämmerlichen Liebesgeschichte. Menschen. Unnütz, dumm und unbrauchbar. Nun ja. Der männliche Teil vor allem. „Masa!“ Der wohlgenährte Beamte erwachte langsam, mit dem Gefühl fast gestorben zu sein. Als er die Augen öffnete und in die eines Dämons blickte, wäre er jedoch lieber wieder ohnmächtig gewesen. Irgendwie gelang es ihm sich auf den Bauch zu drehen und hinzuknien. Was hatte dieser junge Herr gesagt? Auch Hitori ... Nur dem Dümmsten wäre nicht klar gewesen, dass er in der Patsche saß, in der schwärzesten Tinte, die sich ein Schreiber nur erdenken konnte. „Ich war es nicht ...“ brachte er irgendwie hervor. „Alternative?“ „Äh, was, Lord Sesshoumaru?“ Dann begriff er. „Ich … ich habe keine Ahnung ...“ „Das denke ich mir.“ „Ich schwöre es Euch, ich habe weder Hitori noch dem Bauern etwas getan. Ich habe doch hier Zimmerarrest.“ Ja, aber der Samurai stand erst seit gestern vor der Tür – nachdem die Morde geschehen waren. Kurz, als sein verehrter Vater hier aufgetaucht war und diese verworrene Sache mit dämonenhafter Vernunft in die eigenen Klauen genommen hatte. „Du hast niemanden, weder Hitori noch Akira noch Fürst Shinichi, noch sonst wen, der an dieser Erfindung irgendwie beteiligt ist, je zuvor gesehen.“ Der Hundeprinz merkte auf, als er den etwas zu lauten Atemzug hörte. „Wen?“ „Ich weiß es nicht, Lord Sesshoumaru, ehrlich. Ich weiß ja nicht einmal seinen Namen.“ Das war ein guter Grund, warum Personen dieser minderen Rasse als Zeugen ein Totalausfall waren. Sesshoumaru musste seinen Impuls, diesen törichten Menschen an der Kehle zu packen und die Wahrheit aus ihm herauszuwürgen, unterdrücken. „Wen?“ Masa wusste selbst, dass er nicht besonders intelligent wirkte, aber was sollte er schon anderes sagen. Da gab es solche Räume, wo Aussagen erzwungen wurden, und er hatte panische Furcht davor. „Ich habe keinen Mord begangen!“ Der erfahrene Ermittler stutzte. „Keinen Mord, aber ...?“ „Keinen Mord, nein, wirklich nicht!“ Masa atmete durch. „Glaubt mir, Euer Lordschaft, bitte.“ Besagte Lordschaft betrachtete ein wenig enerviert die Krallen seiner erhobenen Hand, schwieg jedoch. Wieso musste er ausgerechnet jetzt und bei diesem Narren auf Sakura verzichten? Der Beamte verstand das zurecht als Drohung. „Ich … ich weiß nichts, nicht viel … Und ich habe keinen Mord begangen. - Es .. .ich kenne seinen Namen nicht. Es war aber sicher nicht Hitori, er war älter. - Er war vor vielen Jahren bei meinem Fürsten. Wir … kamen ins Gespräch, bei so einem Glas Sake .... Und er erzählte mir von der Idee mit dem Gestell. Ich … Er war dann ja weg und als mein Herr erwähnte, dass das so teuer sei … Mir fiel das dann wieder ein und ich zeichnete es. Ja.“ Dieser Beamte hatte Nerven! Er hatte, anders war es nicht zu nennen, die Schöpfung von jemandem gestohlen – und kam dann her um sich zu beschweren, dass Hitori diese Erfindung verkaufte? Das erklärte aber die Aufregung. Und damit hatte Masa definitiv keinen Anspruch mehr auf irgendwelche Belohnungen. Hm, Moment. „Dir fiel nach Jahren eine Zeichnung wieder ein, die du nur einmal gesehen hast, und das auch noch betrunken?“ Masa drückte die Stirn auf den Boden. Oh ihr Götter, dachte er nur. Diese Stimme war so ruhig, aber das zeigte nur mehr denn je, dass es dem jungen Herrn völlig gleich war, ob er selbst lebte oder starb oder in diesen Keller gebracht wurde. Der Dämonenprinz würde seine Antwort bekommen. So stammelte er: „Ja, Lord Sesshoumaru, Ihr habt Recht, natürlich. Ich … ich hatte eine Zeichnung von diesem Mann. Wir waren … etwas angetrunken, er mehr, ich weniger ... und er zeichnete mir das ...“ „Du bist also ein Dieb.“ „Ich bin kein Mörder, Lord Sesshoumaru!“ „Ein Dieb“, wiederholte der junge Hundedämon eisig. Nicht den Keller! „Ja, Lord Sesshoumaru.“ „Davon werde ich den Daimyo in Kenntnis setzen.“ Und dieser dann seinen eigenen Herrn. Masa wusste, wie Diebe bestraft wurden. Nun ja, weniger grausam als Mörder, aber … Seine Karriere war beendet und er musste froh sein, wenn er am Leben blieb. Aber womöglich würde er Tage gefesselt in einem Baum hängen müssen. Oder ihm wurde die Hand abgeschlagen, oder ... „Hast du diesen Unbekannten je wieder gesehen?“ Ein panisches Kopfschütteln. „Nein, Lord Sesshoumaru.“ „Auch nicht dieser Diener Hitoris?“ „Nein, ein Diener! Das Andere war ja ein Ingenieur.“ Es war nicht so, dass sich Seine Lordschaft Dienstboten genauer ansah, aber das wäre ein schönes Motiv gewesen. Nein. Suche nie das Warum, suche das Wie, dachte er dann. Diese Vorgehensweise hatte sich stets bewährt. Dieser Schwachkopf mochte als Betrüger geschickt sein – schloss ihn das von einem Mord aus? Das Erwürgen Akiras war zuerst gescheitert, ein Amateurmörder, hatte der Heiler gemeint. Das mochte zu diesem Masa passen, aber jemand hatte ein Messer ein oder zwei Mal in Hitori gerammt. Warum hätte der Beamte den umbringen sollen? Und, vor allem, wie? Er war älter, rundlich, offenkundig leicht in Panik zu versetzen – der junge Ingenieur hätte sich doch wehren können. Für Verteidigung würde der erste, vergebliche, Einstich sprechen – aber Sakura und Yoshifumi hatten keinerlei Abwehrverletzungen feststellen können. Jedenfalls hatte dieses lästige Gespräch einige Informationen beinhaltet. „Bleib hier.“ „Ja, natürlich, Lord Sesshoumaru.“ Masa war nicht beglückt über den Ablauf des Dialogs und seine Zukunftsaussichten – aber es wäre nur töricht gewesen den Daimyo noch zusätzlich zu verärgern. Respektlosigkeit brachte einem leicht den Henker ein. Und er benötigte wirklich keine Straferhöhung. Er wagte erst seine Stirn abzuwischen, als der hochrangige Dämon sein Zimmer verlassen hatte.   Seine Eisigkeit dachte kurz nach, ehe er sich schweren Herzens auf den Weg zu Kleinfürst Shinichi machte. Sakura würde noch schlafen. Er hörte, dass draußen die Karawane der Braut aufbrach, gut, dann wären wenigstens Vater und der Daimyo bald wieder ansprechbar. Anscheinend war zumindest da die Geheimhaltung gelungen. Der Samurai vor der Tür öffnete diese nur wortlos vor dem hochrangigen Gast. Der Kleinfürst schrak aus dem Schlaf, raffte eilig sein beiges Baumwollyukata zusammen, das er nachts trug. Seine wertvollen, meist sündhaft teuer rot gefärbten und mehr als dekorativ verzierten, Kimono waren sorgfältig ausgebreitet. Viel mehr als diese besaß er nicht. Immerhin war jede Lage davon einen ganzen Bauernhof wert. „Ihr ...“ Er musste einen Moment nachdenken, ehe er den Kopf neigte. „Lord Sesshoumaru.“ Mehr war nicht nötig. Das war ein Dämon, aber nur ein Prinz – er ein Fürst. Der junge Hundedämon nahm das zur Kenntnis, wenngleich nicht sonderlich positiv. Für was hielt sich dieser jämmerliche Mensch eigentlich? Wenn es sich nicht um das Jahrhundertprojekt seines verehrten Vaters handeln würde ... „Ich ermittle im Auftrag des ehrenwerten Daimyo Takahashi in Bezug auf zwei Morde. Wann habt Ihr Akira das letzte Mal gesehen?“ „Akira?“ Shinichis Gedanken rasten sichtlich. „Er ... er ist tot? Ermordet?“ „Wenn ich eine Frage stelle, wünsche ich eine Antwort.“ Menschen! „Ich … ja, ich … Gestern Morgen, vorgestern … Wir haben ja schon wieder Morgen.“ Das konnte man aus dem Sonnenaufgang draußen schließen, ja. „Weiter.“ „Es gab nichts weiter, äh, Euer Name ist doch Lord Sesshoumaru? - Ich fragte ihn, ob er etwas benötige, er versicherte jedoch gut untergebracht zu sein.“ „Und Ihr habt seine rechtliche Vertretung in Bezug auf diese Erfindung übernommen.“ „Ja, natürlich. Er ist, war, nur ein einfacher Bauer. Nicht sonderlich redegewandt.“ „Aber er hat eine vernünftige Erfindung gemacht.“ „Ja. Äh, Lord Sesshoumaru, jemand, der immer mit etwas arbeitet, erfindet manchmal auch sehr Sinnvolles. Ich würde sogar sagen, besser als einer in der Hauptstadt, der nur Theorie kann.“ Er sollte diesen jungen Kerl mal etwas an die Wirklichkeit heranführen. Als ob er das nicht wüsste! Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Minuten fragte sich Sesshoumaru, für was ihn dieser Kleinfürst eigentlich hielt, und entspannte seine Finger. „Seit wann kennt Ihr diese Schraube?“ „In dieser Form seit zwei oder drei Jahren, aber ich hörte vor Ort, dass bereits Akiras Vater mit etwas Ähnlichem seine Brunnen setzte. Die Leute im Dorf schätzten das. - Wie starb er?“ „Er wurde erwürgt.“ Das entsprach nicht ganz korrekt den Tatsachen, sollte jedoch genügen. „Oh, ist Hitori so weit gegangen? Ich dachte mir schon, dass dieser Kerl aus der Hauptstadt neidisch ist, und auch irgendwie an die Erfindungen kam, aber ...“ „Ihr glaubt, Hitori habe Akira aus Eifersucht oder eher Neid getötet.“ „Ja, natürlich.“ Shinichi sah erstaunt auf. „Lord Sesshoumaru, wer hätte denn sonst ein Motiv?“ Motiv, ja. „Masa?“ warf Seine Lordschaft in den Raum, während er überlegte. Motiv, das Warum … Nein. Das hatte sich schon oft als der falsche Weg entpuppt. Motiv hätten immer einige Leute, Gelegenheit und Mittel waren deutlich schwerer zu finden, die auf eine einzige Person hinwiesen. „Masa? Der dicke Beamte? Oh, bitte, Genauso könntet Ihr mir den Mord an meinem Bauern unterstellen. Ich habe Geld verloren und Masa hätte sich besser gestellt, wäre er mit uns konform gegangen. Hitori ist Euer Bösewicht, sicher. Darf ich übrigens fragen, warum der mächtige Daimyo ausgerechnet Euch, einen so jungen Hund ... äh ...“ Nein, erkannte Shinichi lebenserhaltend beim Anblick zweier kalter, bernsteinfarbener Augen in einem regungslosen Gesicht. Er durfte nicht.     Kapitel 11: Die Aussage des Dieners ----------------------------------- Sesshoumaru dachte einen Moment nach. Shinichi konnte sich relativ frei bewegen – zumal, wenn er angab, dass er zu Akira wollte. Gelegenheit hätte er gehabt. Nur, warum sollte er den Mann umbringen, der sozusagen seine Geldquelle war. Als einfacher Bauer hätte Akira keinerlei Möglichkeit besessen dem Kleinfürsten auch nur den Wunsch nach einem Teil des Geldes, geschweige denn alles, abzuschlagen. Und das zweifache Erwürgen sah auch nicht nach einem emotionalen Streit aus, in dem dem Mörder die Gefühle durchgegangen waren. Das war geplant gewesen. Keiner schleppte ein Seil mit sich herum, selbst als nichtsnutziger Mensch. Shinichi hatte Akira wohl eher nicht getötet, schon, um kein Nachteile zu haben. Angenommen, Hitoris Diener wäre der Ingenieur, den Masa bestohlen hatte – das musste er noch überprüfen – dann hätte doch eigentlich Masa in Lebensgefahr schweben sollen und nicht Akira? Konnte dieser Kiyoshi nach wohl einem Jahrzehnt die Beiden verwechselt haben? Unwahrscheinlich. Unterschiedliche Herkunft aus verschiedenen Fürstentümern, unterschiedliche Berufe ... Wieso musste ausgerechnet der Bauer, der am wenigsten selbst etwas zu sagen hatte, sterben? Und Hitori? Warum der? Und wieso nicht auch erwürgt, sondern zwei Mal mit einem Messer angestochen? Doch Selbstmord? Ein zweiter, unabhängiger Mörder? Irgendwie drehte sich alles um diese Papiere – nur wer war hinter wem her gewesen? Hinter dem Geld alle, das war klar. Verworren, diese ganze Sache. Er musste noch einmal mit diesem Diener sprechen und dann versuchen einen vernünftigen Zeitablauf zu konzipieren. War Akira vor Hitori gestorben oder umgekehrt? Sakura würde ihm sicher hilfreich sein. „Habt Ihr mit Hitori gesprochen? Wann das letzte Mal?“ „Äh, ja, ich habe mit ihm geredet, vorgestern Nachmittag, nach der Audienz bei dem mächtigen Daimyo. Ich … ich machte ihn darauf aufmerksam, dass er uns allen eine Menge Aufwand und Ärger ersparen würde, wenn er Akira einen gewissen Anteil des Geldes zukommen ließe. Und, ich erwähnte, dass ich kaum glauben könne, dass er nie in der Provinz gewesen war – zwei Männer, eben Akira und Masa, aus zwei unterschiedlichen Fürstentümern .... Er war sehr kühl, Lord Sesshoumaru, aber er ging eindeutig lebendig weg. Dafür gibt es gewiss Zeugen. Dieser Masa zum Beispiel stand auch in der Nähe.“ „Danach habt Ihr ihn nicht mehr gesehen.“ Sesshoumaru bemerkte das Zögern. „Nun?“ „Ich war bei ihm, in seinem Zimmer, ja, gestern Nachmittag, kurz nach diesem, sehr unbefriedigenden, Gespräch. Ich wollte ihn nochmals darauf aufmerksam machen, dass er meinen Zorn und den des Fürsten Takahashi auf sich lädt … Nun ja. Es kam zu keinem zweiten Gespräch.“ Fürst Shinichi überlegte, wie er das sagen sollte. „Ich trat, zugegeben unangemeldet, ein. Er war gerade dabei seinen Diener zu verprügeln und zu treten. Ich weiß nicht, was der Mann getan hat, aber Hitori schien sehr wütend zu sein. Ich ging dann und glaube nicht, dass einer der Beiden mitbekommen hat, dass ich in der Tür stand.“ „Das war am späten Nachmittag, aber noch vor dem Abendessen.“ „Ja, genau. Ich meine, ja, Euer Lordschaft.“ Dieser Dämon tat ganz so als ob er höherrangiger als ein Fürst wäre. Leider bestand kaum ein Grund zu der Annahme, dass Fürst Takahashi das nicht ebenso sah. Hoffentlich war dieses Verhör jetzt beendet. Akiras Tod bedeutete ja leider auch, dass er selbst kein Geld sehen würde – und abreisen konnte. Ärgerlich. Das hatte er sich anders vorgestellt. Welcher Narr hatte nur seinen Bauern umgebracht? Da Hitori tot war: vielleicht könnte er den Daimyo als Erbe Akiras um Geld bitten? Auf jeden Fall sollte er noch einmal mit dem jüngeren Prinzen sprechen. Daichi war ehrgeizig – nun, er selbst auch, da könnte man sich doch verständigen.   Es half nichts, er musste noch einmal mit diesem Kiyoshi reden. Ob Sakura schon wach war, eher wohl nicht. Lieber also noch nicht wieder in Vaters Zimmer gehen ... Kiyoshi fuhr zusammen, als er den jungen Dämon erkannte, und kniete sich eilig ordnungsgemäß in, wieder eindeutig gutes Benehmen verratend. Der Hundeprinz blieb stehen. Anscheinend hatten die Schmerzen etwas nachgelassen. „Du warst nicht immer ein Diener.“ Kiyoshi blickte kurz verwundert auf, senkte aber eilig wieder den Kopf. „Ja, woher auch immer ....“ „War es Masa, der deine Erfindung stahl?“ „Daher“, murmelte der Mann. „Ich schwöre Euer Lordschaft, dass ich ihn nicht wiedererkannte – aber meine eigene Zeichnung sehr wohl.“ „Berichte ausführlich diesmal. Meine Geduld nähert sich dem Ende.“ „Ja, natürlich, ich … ich möchte Euer gnädige Lordschaft nicht langweilen mit meinen Problemen vergangener Zeiten … Ich war auf Reisen durch das Land. Ich bin ausgebildeter Ingenieur und so war es eine Studienreise. Ich war zu diesem Zeitpunkt auch Lehrer.“ „An der Schule des Shogun. Und du trafst Masa.“ „Ja. Wir redeten und tranken und ich skizzierte ihm dieses Gestell. Ich war ziemlich betrunken, ja. Das letzte Mal.“ „Wusstest du später noch, dass du es ihm gezeichnet hattest?“ „Ja, Lord Sesshoumaru. Und ehe Ihr fragt: ich war nicht wütend auf ihn. Ich dachte, er sitzt da in der Provinz, ich bin geachteter Lehrer, erfinde dauernd Neues ... Es hätte mir kaum etwas ausgemacht.“ „Du warst Lehrer. Was geschah dann?“ Kiyoshi starrte zu Boden. „Ich hatte natürlich von dieser Anfrage des mächtigen Daimyo Takahashi gehört. Ich hatte schon seit Jahren die Zeichnungen – sowohl von dem Gestell, das ich auch Masa aufschrieb, als auch von einem Brunnenbauer. Ich vermute jetzt, dass es sich um den Vater von diesem Akira handelte.“ Er atmete durch, stöhnte dann und griff sich an die Rippen. „Setzt dich aufrechter hin“, befahl Sesshoumaru, durchaus in der Erkenntnis, es könne hier gleich den nächsten Bewusstlosen oder gar Toten geben. Und immerhin redete der Kerl einigermaßen vernünftig. „Danke, Euer überaus gnädige Lordschaft. - Äh, ich hatte diese Bilder, wie auch andere, zu neuen, eigenen Erfindungen zusammengestellt, suchte natürlich aber nun die für den Brunnenbau. Ihr könnt Euch mein Entsetzen vorstellen, als ich die Zeichnung nicht mehr fand. Und nur zwei Stunden später wurde ich in den Rat gerufen, wo Hitori stolz das als seine eigene Erfindung präsentierte. Ich wurde wirklich wütend.“ „Hitori hatte sie dir gestohlen.“ „Er war mein bester Schüler, nun, nicht nur der meine, und hatte natürlich Zugang ... Das Ärgste jedoch war, Lord Sesshoumaru, dass mir keiner meiner Kollegen glaubte. Ich hatte diese Zeichnungen ihnen nie gezeigt, Hitori galt als hervorragend, intelligent und Schützling des Shogun. So … sie nahmen mir den Lehrertitel und schickten mich als seinen Diener hierher.“ „Um hier dann auf Akira und Masa zu treffen.“ „Ja. Es … Den Diener des Diebes spielen zu müssen war überaus demütigend, das versichere ich Euch, Lord Sesshoumaru, aber da … Ich glaubte an ausgleichende Gerechtigkeit. Ich hoffte, der Daimyo würde sehen, dass es nicht Hitoris Idee gewesen war, nun, zumindest nicht allein, und das das seinen Ruhm schmälern würde, ja, vielleicht mich in die Lage versetzen würde, anzugeben, dass ich diese Ideen zusammengefügt hatte. Denn, das kann ich Eurer Lordschaft schwören: ich hätte immer, wie es sich gehört, auch Akiras Namen, oder eher den seines Vaters, erwähnt, wenn meine Schöpfung je unter die Leute gekommen wäre. So gehört sich das unter Erfindern.“ „Hitori genoss es dich als seinen Diener zu sehen.“ „Ja.“ „Schlug er dich öfter?“ „Auf der Reise ja, aber nie so wie gestern, vorgestern.“ „Was war zuvor geschehen?“ „Ich weiß es nicht. Er war in Audienz bei dem mächtigen Daimyo, womöglich hat er sich mit Masa oder Fürst Shinichi anschließend gestritten.“ „Oder mit Akira?“ „Mit dem redete er nie. Ein einfacher Bauer.“ „Weiter. Er ließ dich in sein Zimmer kommen.“ „Ja, mit dem Essen. Er wirkte sehr ... unruhig, aufgeregt. Und. ohne etwas zu sagen, schlug er mich.“ Der ältere Mann blickte zu der Brust des vor ihm Stehenden auf. „Es tat sehr weh, Lord Sesshoumaru. Und als ich auf dem Boden lag, trat er auch noch zu. Ich fürchtete, mehrere Rippen sind angebrochen. Es schmerzt noch immer. Obwohl der Trank Eurer Heilerin wirklich hilft. Danke dafür, auch an Euren mächtigen Herrn und Vater.“ „Du hast dich nicht gewehrt?“ Nun ja, Hitori war deutlich jünger, aber man sollte doch auch bei Menschen so etwas wie einen Überlebensinstinkt erwarten – wobei, er selbst zweifelte ja schon manchmal daran. Kiyoshi senkte den Kopf. „Ich lag auf dem Boden, Lord Sesshoumaru ....Ich ... ich weiß nicht genau, was ich dann tat, aber ich muss wohl das Messer, das ich in der Hand hielt, da ich ihm ja das Abendessen bringen wollte, in ihn gestoßen haben.“ Ah! Ein Geständnis. Vor lauter Erleichterung fragte der Hundeprinz: „Hitori taumelte zurück, das Messer in der Brust ...?“ „Äh, nein, das hatte ich in der Hand, also, es fiel mir dann aus der Hand. Ich … ich war entsetzt, und auch erschrocken, dass er schrecklich blutete. Aber dann raffte ich mich auf und rannte eilig weg, so gut ich es konnte.“ „Samt dem Messer?“ „Nein. Ich ... ich glaube, es lag auf dem Boden. Ich erinnere mich fast an nichts, Lord Sesshoumaru.“ Schön, einmal zugestochen. Und dann? „Das Messer blieb also bei Hitori zurück. Was tat der?“ „Er schrie nicht.“ Kiyoshi klang fast verwundert. „Aber er blutete … und er fiel rückwärts auf die Matte.“ „Mit den Kissen, mitten im Raum.“ „Ja. Aber er lebte!“ „Hat dich jemand gesehen, als du von Hitori weg in dein Zimmer gingst?“ „Nein, ich hoffte ja auch, nicht gesehen zu werden. Nun ja, irgendwelche Dienstboten werden mich schon gesehen haben. Und natürlich Fürst Shinichi, der wohl gerade zu Akira wollte oder von dem kam. Es sind ja die anderen Flure, je nach Rang des Gastes.“ „Du gibst also zu auf deinen Herrn eingestochen zu haben, der das zwar überlebte, aber nicht für lange. Wie sieht es mit Akira aus?“ Kiyoshi überhörte in seiner Panik diese Frage. „Ich ... Es war Notwehr! Er hätte mich sonst wirklich erschlagen. Ich weiß nicht, was er hatte, wirklich nicht, aber ...“ Ja, aber. Das war ein Mordversuch am eigenen Herrn – kaum zu erwarten, das sich das nicht negativ für ihn auswirken würde.     Kapitel 12: Des Rätsels Lösung ------------------------------ Als der Dämonenprinz das Zimmer seines Vaters betrat, sah er, dass dieser ihn bereits erwartete. So neigte er höflich den Kopf, nicht, ohne festzustellen, dass Sakura noch neben der Tür lag und offenkundig tief und fest schlief. Er trat an das Fenster in der Hoffnung, dass ihn der Fürst gut genug kannte, um zu wissen, dass er nachdenken wollte – bei Weitem jedoch sich keine Impertinenz gegen seinen Herrn und Vater erlauben wollte. Wo sollte man in diesem Wirrwarr anfangen? Nun, warum nicht bei dem Mord an Akira. Yoshifumi hatte gemeint – und Sakura ihm nicht widersprochen – dass es ein kopfloser Amateurmörder gewesen war. Es war dem Täter allerdings möglich gewesen in das Zimmer des Bauern zu gehen, mit dem zu reden, ohne dass dieser misstrauisch wurde, und dem ein Seil um den Hals zu schlingen. Soweit so gut. Im zweiten Anlauf brachte er sein Opfer dann tatsächlich um. Es musste also jemand sein, bei dem Akira nicht auf Ärger gefasst war. Masa, der dicke Beamte? Sein Fürst? Nun, wenn Shinichi einen Bauern loswerden wollte, bräuchte er nur zuhause dem eine Anklage aufhalsen und konnte ihn hinrichten lassen. Es wäre unsinnig das so unter dem Dach des Daimyo zu tun. Überdies wollte der Fürst ja Akiras zustehendes Geld und war extra deswegen mitgereist. Shinichi wäre unlogisch. Masa? Der war schlau, wollte Geld verdienen, ohne selbst groß dafür etwas zu tun. Shinichi hatte ihm ja angeboten, sich an sie dranzuhängen, das wäre der einfachste Weg für Masa. Dann wurde das Geld zwar halbiert, aber er bekäme sicher etwas. Überdies war der ihm nicht gerade wie ein Mörder erscheinen. Obwohl ... Wenn es ein derartiger Anfänger wäre, dass der nicht wusste, wie mühselig für einen Menschen solch ein Mord war? Wer blieb noch? Kiyoshi? Möglich. Er hatte zugegeben, dass er auf Hitori eingestochen hatte und hatte sich um eine Aussage zu Akira gedrückt. Aber er hätte doch eher Masa umbringen sollen oder auch Hitori. Hm. War es das? Er ging zurück und brachte den bereits verletzten Ingenieur um, der ihm Position und Erfindung genommen hatte? Aber er hatte deutliche Schmerzen und Hitori war jünger. Einstich hin oder her – der hätte eigentlich bei dem zweiten Angriff sich doch noch wehren können. Warum hatte auch Hitori keine Abwehrverletzungen? War der zweite Angriff so überraschend gekommen? War er gar bewusstlos gewesen nach dieser blinden Abwehr von Kiyoshi? Der hatte sich verteidigen wollen und unüberlegt zugestochen. Noch so ein Amateurmörder. . Warum war Hitori überhaupt so brutal gegenüber seinem ehemaligen Lehrer gewesen? Ja, sie konnten sich nicht leiden, aber Kiyoshi hatte gesagt, dass ihn Hitori zwar schon auf der Reise schlug, aber nie so, ohne Begründung. Warum? Was war so wichtig, dass er den Diener extra angeblich mit dem Abendessen kommen ließ, um ihn so hart und genau zu diesem Zeitpunkt zu schlagen?   Dann lief hier noch dieser Daichi, der zweite Sohn, herum, der sich offenkundig redliche Mühe gab seinen älteren Bruder auszustechen. Nun ja, kleine Brüder machten dem Erben immer nur Probleme und er war wirklich nicht böse darum, dass seine verehrten Eltern sich mit ihm zufrieden gegeben hatten. Das Leben als einziger Sohn, auf dem alle Erwartungen ruhten, war manchmal nicht angenehm, aber besser als so einen nicht nur nervtötenden sondern auch noch ehrgeizigen kleinen Bruder, der einen umbringen wollte. Aber warum sollte Daichi auf die Idee kommen die Erfinder auszurotten? Und wieso sollte der in Hitoris Zimmer gelangen, er war doch eher auf Shinichis und damit Akiras Seite?   Nein, falsch gedacht. Der Zeitablauf und die Aussagen ...   Sesshoumaru drehte sich langsam um, nicht überrascht, dass ihn der Herr der westlichen Länder beobachtete. „Du kennst den Mörder?“ „Ich weiß, was geschehen ist, verehrter Vater.“ Er sah, wie die Heilerschülerin bei dem kurzen Gespräch sofort aus dem Schlaf schrak, in der lebenslangen Übung als Dienerin kniete, noch ehe sie ganz wach war. „Sakura.“ „Lord Sesshoumaru?“ Ach ihr Götter, der Fürst war auch da, sie hatte die Beiden nicht kommen gehört. Hoffentlich zürnten ihr die Herren nicht, dass sie einfach weitergeschlafen hatte. Sie musste wirklich müde gewesen sein, auch, wenn die Hundedämonen praktisch lautlos gehen konnten. „Kannst du oder Yoshifumi sagen, wer zuerst starb? Akira oder Hitori?“ „Das wäre geraten, Lord Sesshoumaru. Wir können nur angeben, dass die Todeszeitpunkte nicht lange auseinander lagen.“ Glaubte er an den gleichen Mörder bei beiden Fällen? „Ungefähr eine Stunde?“ „Vielleicht auch zwei, aber sicher nicht länger. Hitori war nur schon ... weiter, da wir ihn erst später fanden.“ „Setz dich“, befahl der Inu no Taishou, der keine Lust verspürte dauernd zu seinem Sohn aufblicken zu müssen. Sesshoumaru gehorchte sofort und ließ sich rechts neben dem Fürsten nieder. „Mit Verlaub, verehrter Vater, man sollte Fürst Takahashi davon in Kenntnis setzen, dass Prinz Daichi gegen seinen Bruder und dessen Familie intrigiert. Und womöglich nicht nur das.“ Mehr musste er bestimmt nicht erwähnen, das war seinem verehrten Vater klar. Prompt nickte der Herr der westlichen Ländern. „Da gibt es eine ihm sehr gelegene Fehlgeburt – und die Entführung der kleinen Prinzessin.“ Unwillkürlich stieg in dem Inu no Taishou das Bild des kleinen Mädchens auf, das zugesehen hatte, wie er in seiner Hundeform ihren dämonischen Entführer umbrachte – und ihm nur entgegengeblickt hatte, als er zu ihr zurückkehrte, behutsam die Pfoten setzend, damit er sie nicht umwarf. Um sie zu beruhigen hatte er sich nicht verwandelt, sondern, noch immer in seiner Hundeform, niedergelegt, und mit dem Schwanz gewedelt. Und zum ersten Mal in seinem Leben hatte er winzige Arme um seine wahrlich große Schnauze mit messerscharfen Zähnen gefühlt, und einen Kuss auf seine doch riesige Nasenspitze gedrückt bekommen. Danke, Hundi, hatte sie geflüstert. Das würde er wohl nie vergessen. Izayoi, ja. „Ich kann nicht immer da sein, um sie zu beschützen. Ein Hinweis zur Vorsicht ist wohl angebracht, auch, wenn ich mich in der Regel nicht in derartige menschliche Dinge mische. - Und die Morde?“ „Es begann vor Jahren bereits. Masa, der Beamte, machte Kiyoshi, der sich auf einer Studienreise befand, betrunken, und ließ sich von ihm das Gestell zeichnen. Zu einem passenden Zeitpunkt legte er es seinem Fürsten als seine eigene Erfindung vor. Kiyoshi gibt an, das sei ihm damals ziemlich gleich gewesen, da er anerkannter Lehrer an der Schule war. Ja, verehrter Vater, an der Ingenieurschule des Shogun. Hitori war sein Schüler. Als die Anfrage des Fürsten Takahashi kam, stahl Hitori die Zeichnungen Kiyoshis, der als Lügner dargestellt wurde, der sich auf Kosten seines intelligenten Schülers besser darstellen wollte. Für mich besteht kein Zweifel daran, dass Kiyoshi auf seiner Reise das Gestell selbst entwickelte, aber die Schraube von Akira und seinem Vater sah. Er fügte das zusammen und erweiterte damit die Erfindungen. Alles wäre legal gewesen – aber Hitoris Streich führte zu Kiyoshis Degradierung und Schande. Hitori hatte jedoch keine Ahnung von Akira oder Masa und wurde sehr unangenehm überrascht, als diese hier anreisten und ihre Rechte geltend machten. Vor allem Masa war seinerseits wohl etwas überrascht, dass die Zeichnungen, die er erschlichen hatte, nun von einem so jungen Mann dargebracht wurden, den er nicht kannte. Er erkannte auch Kiyoshi nicht wieder, übrigens. Akira hätte Anspruch auf das Geld des Daimyo, denn die Schraube war seine Erfindung oder die seines Vaters, Kiyoshi jedoch Anspruch auf das Gestell und die Kombination.“ Sesshoumaru sah beiseite. „Aber Hitori war ein Dieb, Masa ebenso, Fürst Shinichi wollte an Akiras Geld … Ich nehme an, dass Hitori sich mit einem großen Schlag von allen seinen Konkurrenten befreien wollte. Akira war im Verhältnis zu Masa das leichtere Opfer – sein Zimmer lag im Gang weiter hinten, es bestand weniger Risiko eines zufälligen Passanten. Überdies war der ein einfacher Bauer und verließ sich auf seinen Fürsten – Masa wäre misstrauischer gewesen, wenn Konkurrent Hitori in sein Zimmer gekommen wäre. Hitori hatte gestohlen, aber bislang nicht gemordet, und benötigte zwei Anläufe, um Akira zu erwürgen. Dann kehrte er in sein Zimmer zurück und suchte sich ein Alibi zu verschaffen. Darum prügelte er Kiyoshi, der so sicher nicht vergessen würde, dass er in seinem Zimmer gewesen war. Damit hätte Masa durch den Zimmerarrest kein Alibi – und wäre der Hauptverdächtige an Akiras Tod. Beide Konkurrenten wären so ausgeschaltet, denn Hitori war klar, dass Fürst Shinichi auf eine Bestrafung des Täters dringen würde.“ „Die Samurai standen noch nicht vor den Türen.“ „Ja, verehrter Vater. Und dann lief Hitoris Plan schief. Kiyoshi wusste sich nicht anders zu helfen, er dachte wohl, Hitori wolle ihn umbringen, und nahm das Küchenmesser, das er mit dem Abendessen mitgebracht hatte, und stach zu. Der erste Stich von unten, da er unter seinem Angreifer lag. Er floh, in Panik, vor Schmerzen. Hitori blutete, hatte Schmerzen, aber lebte ziemlich sicher noch. Dann kam ein Unbeteiligter, bislang. Fürst Shinichi sagte mir gegenüber aus, dass er bereits einmal in Hitoris Zimmer gewesen war, um mit diesem erneut zu reden, als dieser seinen Diener schlug, aber niemand habe ihn gesehen. Ich gehe davon aus, dass er erneut auftauchte, Hitori blutend fand, und seine Chance sah. Er gab vor ihm helfen zu wollen, ihn verarzten zu wollen – und stach zu, ohne dass der Ingenieur Verdacht schöpfte. Es gab keine Abwehrverletzungen. Shinichi ist ein Fürst, ein Krieger, er kann mit Waffen umgehen. Es wäre erstaunlich, wüsste er nicht wie man einen tödlichen Stich setzt. Und er konnte sich sicher fühlen. Er wusste nicht, dass Akira tot war, aber er sah, dass Hitori bereits angegriffen wurde. Falls der nun tot aufgefunden wurde, würde Kiyoshi auch dank seiner eigenen Aussage verdächtigt werden. Und sich kaum herausreden können. Damit wären Akira und Masa die einzigen Anspruchsberechtigten, und folglich er als Vorgesetzter Akiras. Shinichi erfuhr erst durch mich von dem Mord an Akira. Und er war alles andere als begeistert. - Wünscht Ihr, dass ich diesen Bericht an den Daimyo gebe, oder plant Ihr selbst mit ihm zu reden?“ Hoffentlich letzteres. Er wollte nur raus. Menschenschlösser im Allgemeinen bedeuteten schon eine Qual für seine Nase, aber hier schien ihm alles nach diesem unglückseligen Johannisbeersaft zu riechen. Alles. „Ich werde mit Hidemaru selbst sprechen.“ Schon, weil er seinen Sohn kannte, und dessen Selbstbeherrschung in diesem Fall tatsächlich belohnen sollte. Überdies wollte er sichergehen, dass der Daimyo seine einzige Enkelin und ihre Mutter besser schützte – am besten, indem er Daichi von hier entfernte. Da gab es doch so eine jahrhundertelang schon treu dienende Familie namens Setsuna, ja. Womöglich konnte Daichi da ein wenig Zucht beigebracht werden. „Du kannst gehen. Nimm Sakura mit.“ „Danke, mein Herr und Vater.“ Nur schön höflich bleiben, auch, wenn man sein Ziel erreicht hatte. Vater wäre in der Lage, besaß das Recht und die Macht, ihn stundenlang in Johannisbeersaft baden zu lassen.   Auch Sakura war begeistert. Nach Hause zu kommen bedeutete ja auch, immerhin ihren Lehrer nach etwas Schlaf fragen zu dürfen. Allerdings, so stellte sie auf dem Heimweg fest, den der Hundeprinz schweigend durch den Wald nahm, da käme noch etwas zuvor. Hoffentlich würde sie das bestehen. Aber, was blieb ihr schon anderes übrig als abzuwarten. Es dauerte fast zwei Stunden, ehe die Frage gestellt wurde, die das Menschenmädchen befürchtet hatte. Kühl und weich wie eine Schneeflocke: „Was würdest du denken, wenn du einen rosa Hund siehst?“ Na, bitte, dachte sie. Zum Glück hatte sie damit gerechnet und sich mehrere Antworten auf mehrere Fragen zurecht gelegt. Natürlich keine Lüge, das würde er merken und sehr übel zur Kenntnis nehmen. „Ich würde denken, dass mich meine Augen täuschen, Lord Sesshoumaru. Ich sah nie zuvor in meinem Leben einen rosa Hund.“ Nun ja, sie hatte einen HundeDÄMON gesehen, aber es war klüger, das so zu formulieren. Nein, sie würde nicht darüber sprechen, was immer sie gesehen hatte, dachte Sesshoumaru zufrieden. Hoffentlich fand er auch einmal einen schweigsamen dämonischen Diener, der nicht über Dinge tratschte, die ihn nichts angingen. Das und kein kleiner Bruder, keine Mordermittlungen – dann wäre sein Leben doch perfekt.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)