Die Konkurrenz schläft von Hotepneith (Der 29. Fall Lord Sesshoumarus) ================================================================================ Kapitel 4: Totenschau --------------------- Sakura verbeugte sich höflich bereits vor der Tür, wohl wissend, dass der Hundefürst sie gehört hatte. Da er ihren Namen sagte, kam sie herein, kniete sofort nieder und schloss die Tür hinter sich, ehe sie sich vorneigte, nicht ohne Grund die Stirn auf den Boden legte, die Hände vor sich ausgestreckt. Sie wusste, wie Seine Eisigkeit auf derartige Nachrichten zu reagieren pflegte, und hoffte bloß, dass sein Vater nachsichtiger war. „Du bist allein“, stellte der Inu no Taishou das Offensichtliche fest, auch, um zu überlegen was passiert war. Er konnte ihre Furcht wittern, aber sie würde natürlich nicht ohne Aufforderung sprechen. „Nun?“ „Akira ist verstorben, mein Herr.“ „Ein nicht natürlicher Tod.“ Ein wenig erleichtert bejahte sie. „Eine Schlinge um den Hals, vermutlich Erdrosselung, bereits gestern, soweit ich auf den ersten Blick sehen konnte.“ Sie hörte, da sie krampfhaft zu Boden blickte, dass Seide leise raschelte. Er stand auf. Wollte er sie doch bestrafen? „Ich werde den Daimyo selbst davon in Kenntnis setzen. Das verändert die Lage. Gehe zu diesem Heiler hier und bringe ihn zu dem Toten. Sonst zu niemandem ein Wort.“ „Ja, Herr.“ Sie schaffte es gerade noch vor ihm die Tür aufzuschieben, so schnell war er aus dem Zimmer. Oh oh. Da war jemand nicht angetan. Aber immerhin hatte es für sie nicht einmal einen Tadel gegeben – nur den Befehl zu einer Leichenschau. Hoffentlich würde Yoshifumi nett sein – sie lernte andere Heiler gern kennen, aber nicht unter solchen Umständen.   Sie musste nur einmal fragen, wo sich der Heiler aufhalte, denn der angesprochene Diener begleitete sie in einen hinteren Hof des Schlosses. „Dort, die offene Holztür.“ Er deutete auf eine Pforte in der unteren Steinwand des hier dreistöckigen Gebäudes. „Vielen Dank.“ Sie trat etwas nervös hin. Das war irgendwie kein gutes Kennenlernen. Noch in der offenen Tür verneigte sie sich höflich. Es handelte sich um einen großen Raum mit Ziegelboden und Bambusegalen an den Wänden, auf denen allerlei Flaschen, Schalen und sonstige Behältnisse standen. An einem kleinen, niedirgen Tischchen kniete ein junger Mann von Anfang Zwanzig und mixte eine Salbe an. Er musterte sie neugierig, nickte dann allerdings neben sie. Erst jetzt erkannte sie, dass auf der Eingangsseite, quasi neben ihr, sich ein Lager befand, auf das in offenkundig fiebernder Patient gebettet war. Neben diesem saß der Heiler. Yoshifumi war ein hagerer Mann Mitte, Ende der Fünfzig und hatte sein graues, langes Haar, wie viele seiner Berufskollegen, zu einem Zopf nach hinten zusammengebunden. Sein schwarzer Kimono war schlicht, nur der grüne Seidengürtel fiel ihr ins Auge. Er sah auf, „Ah, Neigis Schülerin, willkommen. Ich würde mich freuen, mich mit Euch über den ehrenwerten Meister austauschen zu können. Ich war allerdings nur ein Jahr bei ihm, gleich nach meinem Abschuss in der Heilerschule. Eine, im wahrsten Sinne des Wortes, heilsame Erfahrung. Nach der Schule hält man sich doch für allwissend. - Oh, mein Benehmen. Mein Name ist Yoshifumi, das ist Miromaru, mein Schüler.“ „Mein bescheidener Name ist Sakura, werter Meister Yoshifumi. - Und es gibt ein Problem. Ich soll Euch auf Befehl des mächtigen Inu no Taishou ...“ Der Heiler erhob sich unverzüglich. „Der Daimyo? Jemand der Familie?“ Da sich seine junge Besucherin nur verneigte, vermutete er zu Recht, dass das nicht einmal sein Lehrling erfahren sollte, und nahm nur schweigend seinen Koffer auf, den er wie jeder ordentliche Heiler stets griffbereit hatte.   Erst draußen auf dem Hof meinte er sehr leise: „So heikel, Sakura?“ Sie senkte den Kopf. „Ich hätte Euch gern unter anderen Umständen kennengelernt. Es gab einen Toten“ „Ihr habt ihn bereits gesehen?“ „Ich habe ihn gefunden“, erklärte sie hastig, damit er nicht denken würde, sie wollte ihm vorgreifen. „Keine Scheu vor Leichen? Ungewöhnlich für Menschen. Aber natürlich dämonische Ausbildung. Sollen wir ihn uns ansehen?“ „Ja.“ „Habt Ihr das schon getan?“ erkundigte er sich doch neugierig, da das Mädchen so ruhig schien. „Mordopfer untersucht? Ja. Mein Herr erwies mir des Öfteren die Ehre zu derartigen Ermittlungen an Lord Sesshoumaru, den Erbprinzen, befohlen zu werden.“ Was zweierlei bedeutete, erkannte Yoshifumi. „Ihr scheint schon mehr als nur eine Schülerin zu sein, werte Sakura. Nun, ich will offen sein. Ich habe schon viele Tote gesehen, aber nur wenige Mordopfer in diesem Sinn. Ich bin ein gelernter Heiler mit Jahrzehnten Erfahrung, aber für eine solche Untersuchung ist eine Erfahrung der besonderen Art von Nöten. Gut, wenn wir uns ergänzen könnten.“ Hieß das Zusammenarbeit, weil er ehrlich war, oder versuchte er mögliche Probleme und Schwierigkeiten auf sie abzuwälzen? Beides war möglich und so erwiderte sie vorsichtig: „Danke für Euer Vertrauen, Meister Yoshifumi.“   Vor Akiras Kämmerchen standen zwei Samurai, die jedoch die Heiler wortlos passieren ließen. Im Raum selbst wurden die Zwei von dem menschlichen und dem dämonischen Fürsten erwartet und verneigten sich tief. „Todesart und – Zeitpunkt,“ befahl der Inu no Taishou nur. Sakura fühlte sich an Lord Sesshoumaru erinnert. Todesursache war der Strick um die Kehle, hätte Yoshifumi um ein Haar erwidert, ehe ihm einfiel, dass Todesart und –ursache durchaus nicht ein- und dasselbe war. So kniete er neben dem Toten nieder und schob dessen Ärmel herauf, ein wenig den Kittel. „Die Totenflecken gehen nicht weg, wenn ich sie mit dem Daumen eindrücke. Er muss bereits gestern Abend gestorben sein. Oder, Sakura?“ „Ja, Meister, vor mehr als zwanzig Stunden, gewiss.“ Nut schön höflich bleiben – und sich nicht die alleinige Verantwortung aufhalsen lassen. Seine Lordschaft würde schwierig genug werden, da brauchte sie nicht auch noch zwei Fürsten im Nacken. „Nicht früher, denn die Starre beginnt sich zu lösen. - Ich erkenne an den Händen und den Armen keine Abwehrspuren. Er hat nicht einmal versucht sich den Strick abzureißen. Lasst mich einmal zu seinem Kopf.“ Sakura rutschte eilig beiseite, sichtlich eine Anweisung erwartend, aber im Geheimen neugierig, ob auch der so viel ältere und erfahrenere Heiler über das stutzte, was sie gesehen hatte. Yoshifumi sagte allerdings nur. „Seht Euch doch noch einmal die Hände an. Er versuchte wirklich nicht sich zu wehren? Vielleicht zeigen seine Beine etwas.“   Während sie gehorchte, spürten beide Fürsten etwas wie einen Schauder. Sie hatten alle zwei schon oft genug Tote erlebt, ja, getötet, aber nie zuvor hatten sie Leute, die sie als Heiler kannten, die Beine schienten, Fieber senkten, Kinder zur Welt brachten, ebenso behutsam eine Leiche abtasten gesehen. Und sowohl Hidemaru Takahashi als auch der Inu no Taishou begriffen, dass es ein Glück war, dass hier nicht irgendein Heiler war, sondern zwei, deren Nerven das auch Stand hielten. Immerhin galt allein die Berührung von Toten für unrein und die Menschen reinigten sich danach durch Bad und in einem Schrein. Auch Akira würde so rasch wie möglich aus dem Schloss gebracht werden.   „Unter einem Fingernagel der linken Hand ist vermutlich menschliche Haut, Meister Yoshifumi,“ murmelte Sakura. „Das dürfte hier der Kratzer an seinem linken Hals sein. Aber es zeigen sich Schürfwunden auf beiden Seiten hinter den Ohren ... Diese Verfärbungen am Hals ...“ Der erfahrene Heiler rettete sich erst einmal in sicheres Gewässer, als er zu den Fürsten blickte, sich dann tief verneigte. „Nach den Symptomen bin ich überzeugt, dass er bereits gestern Abend starb, sicher mehr als zwanzig Stunden her, aber weniger als sechsunddreißig. Die leichten Blutstellen in seinen Augen und in seinem Gesicht sowie die leichte bläulich Färbung seines Gesichtes – die nicht auf den Tod an sich zurückzuführen ist – deutet darauf hin, dass in der Tat Drosselung die Todesursache war, vermutlich mit dem Strick um seinen Hals. Nur ...“ „Nur?“ knurrte der Inu no Taishou ungnädig. „Sakura!“ Sie verneigte sich eilig. Auweia. Der plötzlichen Kälte im Raum nach zu schließen war seine Energie sprunghaft angestiegen. Er war zornig. „Zwei Dinge erscheinen meiner Wenigkeit und Meister Yoshifumi eigenartig: es gibt keinerlei Abwehrverletzungen, wenn man von einem Kratzer absieht, den sich Akira offenbar selbst zugefügt hat. Und, wenn jemand umgebracht werden soll, wehrt er sich in aller Regel. Zum Zweiten sind da eigenartige Schürfwunden am Hals ... Dürften wir sie noch untersuchen, edler Herr?“ Er würde kaum verneinen, dachte sie. Er nickte auch nur und der menschliche Heiler schloss daraus, dass seine junge Kollegin wirklich den Umgang mit Dämonen - und Mordopfern - gewohnt war. So sagte Yoshifumi nur: „Kommt nur her, werte Sakura, betrachten wir beide Seiten. Nehmt Ihr diese Haare, ich diese …“ Da sie das Gewünschte tat, fuhr er fort: „Ihr habt mehr Erfahrung in diesen Dingen, aber für mich sieht das nach Verletzungen an einer rauen Oberfläche aus, eigentlich dem Strick. Aber niemand wird doch zwei Mal ermordet.“ Das stimmte und so dachte sie eilig nach, ehe sie, geübt in Vermutungen, meinte: „War das womöglich der erste Versuch, der scheiterte, aber ihn bewusstlos machte? Das würde die fehlenden Abwehrverletzungen dann erklären.“ „Ja, Ihr habt Recht, aber, dann müsste der Täter bei dem ersten Angriff über ihm gestanden haben. Moment. Ich werde den Toten umdrehen und Ihr zieht dort den Kittel aus seinem Gürtel. Am Rücken könnten wir die Erklärung finden.“ Keine Minute später betrachteten die beiden Heiler das Rückgrat des Verstorbenen. „Kaum Totenflecken,“ murmelte Sakura. „Aber, soweit ich weiß, gibt es auch keine, wenn der Tote aufliegt.“ „Richtig. Aber das hier ...“ Er deutete auf eine handtellergroße rosa Stelle auf dem Rücken: „Ist kein Totenfleck. Eine Prellung. Und das bedeutet, dass er da noch am Leben war. Etwas hat ihn dort zu seinen Lebzeiten hart getroffen. Ein Faustschlag, womöglich. Aber kurz vor seinem Tod. Vielleicht schlug ihn der Täter und darum war er wehrlos.“ „Ja, möglich.“ Sakura versuchte sich an alle Todesfälle der vergangenen Jahre zu erinnern. Der Todesfall im Schloss der Hundefürstin, dachte sie dann. „Und, wenn der Täter stand, von hinten, überraschend, angriff, das Knie als Hebel benutzte?“ „Ja, das könnte das erklären.“ Yoshifumi überlegte. „Er drosselte ihn von oben, das erklärt die Strickmale hier. Das Opfer bricht zusammen und der Täter hält es für tot, lässt nach, bemerkt dann seinen Irrtum und knüpft den Strick so um den Hals, dass der Bewusstlose erstickt – und geht.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)