Sleep Sugar von Last_Tear ================================================================================ Kapitel 1: Let Your Dreams Take Wings ------------------------------------- Lila Schmetterlinge begrüßten ihn wie einen lange vermissten Freund, tanzten um ihn als wollten sie sicher stellen, dass er dieses Mal nicht so schnell verschwinden würde und mit einem sanften Lächeln ließ Mana sie gewähren, ließ zu, dass ein Falter sich auf seiner ausgestreckten Hand niederließ und dort für einen Moment verharrte. Er wusste, dass das Tier seinem „Meister“ Bescheid sagte, wer gekommen war, ihm alles mitteilte, was er in diesem Moment spürte, weswegen er versuchte, so ruhig wie möglich zu bleiben. Es war die einzige Chance ihn endlich wieder zu sehen. Endlose Minuten vergingen, die Dunkelheit um ihn herum allein erleuchtet von den Schmetterlingen welche nicht aufhörten ihn zu umschwirren als wäre er eine seltene Blume, von der sie sich doch nicht zu kosten trauten und dann löste sich der Falter von seiner Hand - und für einen Moment versank die Welt komplett in Schwärze, bevor sich ihm ein Licht näherte, zögernd zuerst und als er erkannt wurde, war es schneller bei ihm, als er hätte blinzeln können, weswegen Mana geblendet die Hand hob um seine Augen zu bedecken. Als er die Hand wieder sinken ließ, war das viel zu helle Licht verschwunden, einzig eine Gestalt stand vor ihm, die ebenfalls Licht ausstrahlte, aber es war weicher - und in einem zarten Lilaton gehalten, dass Mana nicht anders konnte als zu lächeln und den Anderen in eine enge Umarmung zu ziehen. „Kami.“ Endlich hatte er ihn wieder gefunden. Es dauerte, aber schließlich spürte Mana wie sein Gegenüber die Umarmung erwiederte, was ihn dazu brachte, sich noch enger an ihn zu kuscheln. Wie er ihn hatte finden können? War völlig irrelevant - Hauptsache, er war wieder da, wieder bei ihm. Und dieses Mal würde er nicht den Fehler begehen und ihn gehen lassen. Ein sanftes Rütteln an seiner Schulter brachte ihn dazu hochzuschrecken und völlig verwirrt sah sich Mana im ersten Moment um, bis ihm bewusst wurde, was ihn geweckt hatte und wem die Hand gehörte, welche immer noch auf seiner Schulter lag. Nicht Kami. Während er sich den Schlaf aus den Augen blinzelte, wurden die Konturen seines Gegenübers schärfer und schlussendlich gab er nur ein leises Seufzen von sich, als er Juka erkannte. Nein, ganz eindeutig nicht Kami. Sondern der Sänger seines Soloprojekts. „Alles in Ordnung? Du hast im Schlaf gewimmert, deswegen dachte ich, dass ich dich besser wecke…“ Mana nickte nur, drückte dem Anderen einen Kuss auf die Lippen und löste sich dann, dass er aufstehen und ins Bad verschwinden konnte. Dass Juka ihm folgte, ließ ihn schmunzeln und als dieser die Arme um ihn schlang, als er nackt unter der Dusche stand, wunderte es ihn kein bisschen, dass Juka ebenfalls nackt war. Es war, wie es war. Verpasste Gelegenheiten konnte man nicht wiederholen und er war glücklich mit dem Sänger. Aber wieso hatte er dann von Kami geträumt? Nach all diesen Jahren? Mana war fast dankbar, als Juka begann an seinem Hals zu knabbern, es war eine durchaus willkommene Ablenkung um seine wirren Gedanken zu ordnen und ihm zu helfen, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Sie hatten in drei Tagen ein Konzert zu spielen, da musste er fit sein und konnte sich nicht länger mit den Dämonen seiner Vergangenheit herumschlagen. Für einen Moment war er trotzdem am Überlegen, Közi anzurufen und mit ihm darüber zu reden, aber weiche Lippen die verspielt an seiner Schulter nippten, hielten ihn davon ab und bald waren alle rationalen Gedanken vergessen, mit dem heißen Wasser hinfort gewaschen, welches von ihren Körpern abperlte und als sie wenig später in der Küche beim Frühstück saßen, war alles was noch in seinem Kopf existierte - Juka. Und die Band. Und die Tatsache, dass diese ihm unglaublich wichtig geworden waren auch wenn er es am Anfang nie gedacht hatte. Es war schwer gewesen, weiter zu machen, nach dem Stillstand von Malice Mizer - aber es war die einzige Möglichkeit gewesen, ihn vom Durchdrehen abzuhalten. Musik hatte es bisher immer geschafft gehabt, ihm zu helfen, vor allem in schweren Zeiten. Je näher das Konzert schließlich kam, desto schlechter schien Mana schlafen zu können, selbst in Jukas Armen konnte er einfach nicht die Erholung finden, die er brauchte, weswegen er am Tag besagten Konzerts nur noch launischer war als sonst. Es fühlte sich an, als würde ihm etwas fehlen und das Schlimmste war, dass er mit Tränen auf den Wangen aufgewacht war, ohne sich erklären zu können, woher diese kamen. Oder wieso. Selbst Juka hatte keine Erklärung dafür und beschlossen, sich lieber zurück zu halten, nach dem er von Mana schon angefaucht worden war, als er ihn nur hatte trösten wollen. Es ergab keinen Sinn und Mana wurde das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte - was nur noch schlimmer wurde, je mehr Zeit verging. Am Anfang des Abends lagen seine Nerven bereits so blank, dass er heftig zusammen zuckte, jedes Mal wenn jemand an ihm vorbei ging. Beim Soundcheck verspielte er sich bei jedem Lied mindestens ein Mal und er war nahe davor, die Gitarre einfach auf den Boden zu schmettern, hätte Juka ihn nicht in eine ruhige Ecke geführt und beruhigend auf ihn eingeredet. „Mana…“ Besorgt ließ der Sänger die Hand über die Schulter seines Freundes gleiten, hauchte ihm einen liebevollen Kuss auf die Schläfe. „Es ist nichts dabei, sich Schwäche einzugestehen, weißt du? Das ist völlig normal…“ Weiter kam er jedoch nicht, seufzte nur leise, als sein Liebster ihn bereits so böse anfunkelte, als hätte er betont, was für ein niedliches Mädchen er doch sein konnte. „Selbst du hast deine Grenzen und das weißt du. Ignorier sie nicht, sondern rede mit mir!“ Jetzt war es an Mana zu seufzen und stumm den Kopf zu schütteln - er würde ja, wenn er wüsste, was mit ihm los war, aber er konnte nicht. Hatte keine Ahnung und genau das störte ihn. Für gewöhnlich hatte er die Kontrolle über alles - bei seinem Körper angefangen und dass dieser ihm jetzt nicht mehr gehorchen wollte, trotz jahrelangem Training ohne viel Schlaf auszukommen, behagte ihm nicht. Waren die Joggingrunden doch zu viel geworden? Aber er brauchte sie, um den Kopf richtig frei zu bekommen, um alles ordnen und planen zu können. Die einzigen Tage, wenn er nicht laufen gewesen war, waren die Tage, wenn sie Sex hatten. Aber selbst der war in letzter Zeit zu kurz gekommen. Konnte es daran liegen? Es ergab keinen Sinn und schlussendlich drückte er Juka nur einen liebevollen Kuss auf die Lippen. Mach dir keine Sorgen. Mir geht es gut. Dass dem nicht so war, sollte Mana erst wenige Tage später erfahren. Das Konzert war ein voller Erfolg gewesen, obwohl er die ganze Zeit grauenvoll gezittert hatte und ihm nach dem Headbangen so schlecht gewesen war, dass er sich am Liebsten übergeben hätte. Juka hatte ihn trotz heftigem Protest zum Arzt geschleift - welcher ihm Schlaftabletten und Bettruhe verordnet hatte um einen Burnout durch Überarbeitung zu vermeiden. So würde die neue Kollektion nie fertig werden. Aber nach dem sich Juka um die neuen Songs kümmern wollte, die, die er die letzten zwei Wochen geschrieben und bisher noch niemandem gezeigt hatte wohlgemerkt, hatte Mana nachgeben müssen. Vielleicht hatte es auch an der Drohung gelegen, dass sie nie wieder Sex haben würden, sollte er sich nicht ein Mal ausruhen wenn man es ihm sagte. Wenigstens hatte er ihn noch kochen lassen. Und das Interview für den nächsten Tag persönlich absagen. Was sein Freund noch alles tun wollte, während sich Mana ins Bett kuschelte, war ihm längst entfallen und auch wenn er die Schlaftabletten eher skeptisch angestarrt hatte, Juka hatte die Packung irgendwo versteckt, nach dem er ihm eine herausgelegt gehabt hatte, vielleicht aus wirklicher Besorgnis, vielleicht auch, weil er ihm nicht vertraute, sicher war sich Mana nicht. Nur, dass er, kaum dass sein Kopf das Kissen berührt hatte, schließlich auch eingeschlafen war. Mit einem Lächeln auf den Lippen, denn seit Tagen fühlte es sich endlich wieder richtig an im Bett zu liegen - allein, ohne jemanden eng an ihn gekuschelt, der ihn die ganze Nacht in den Armen hielt. Dieses Mal war Manas Schlaf zu tief, dass er etwas mitbekommen konnte und Juka erleichtert - dieser hatte es gehasst, seinen Freund so am Ende zu sehen und jetzt würde es endlich besser werden. Der Raum, welchen Mana betrat, war voller Licht und doch war es angenehm - es war das gleiche, lila Licht, welches er bereits kannte und mit einem beruhigten Lächeln ließ er den Blick schweifen. Schmetterlinge waren hier überall, saßen an den ebenfalls lilanen Wänden, auf den Möbeln, welche aus einem dunklen Holz bestanden, welches er im Moment nicht benennen konnte und während sich Mana weiter umsah, entdeckte er zu seiner Überraschung sogar eine kleine Tür, nicht weit von ihm und als er sich ihr neugierig näherte, sah er, dass es eine Glastür war, welche hinaus in einen wunderschönen Garten führte - in dem nur noch mehr Schmetterlinge durch durch die Gegend flatterten und der so voller Blumen war, dass es unmöglich schien noch etwas anderes zu erkennen - Gras zum Beispiel, oder Bäume - überall wo er hinsah, waren Blumen. Als er jedoch die Hand ausstreckte um die Tür zu öffnen, legten sich Finger um sein Handgelenk und mit einem überraschten Laut zuckte Mana zurück, nur um sich jetzt Kami gegenüber zu sehen, der ihn besorgt musterte. „Nicht, bitte. Bevor du durch diese Tür gehst, würde ich dir gerne noch einige Dinge zeigen.“ Mana nickte nur, wie betäubt, bevor er nicht anders konnte, als den Drummer eng an sich zu ziehen und das Gesicht an dessen Brust zu vergraben. „Ich dachte, ich hätte dich verloren.“ Er traute sich nicht mehr als zu flüstern und während Kami ihm liebevoll durch die Haare streichelte, entging Mana völlig dessen trauriges Lächeln, genau wie die Tränen in Kamis Augen. „Ich sagte doch, ich verlasse dich nicht.“ Jetzt war es an Mana mit den Tränen zu kämpfen, während er sich noch enger an sein Gegenüber kuschelte. „Aber ich habe dich doch gesehen…“ Weiter kam er nicht, als weiche Lippen die seinigen verschlossen, ihn in einen viel zu sanften und liebevollen Kuss führten und ihn zitternd zurück ließen, als sie sich lösten. „Das war nur ein Traum, Liebling.“ Und Mana nickte, wie betäubt, ließ zu, dass Kami ihn die alte Holztreppe hinauf führte, ohne sich zu wundern, woher diese gekommen war. Er erwachte zu vertrauten Klavierklängen und es dauerte, bis Mana bewusst wurde, dass er sich in seinem Bett befand. In seiner Wohnung. Nicht in einem Haus. Und allein im Bett lag. „Juka?“ Es dauerte nur Sekunden, bis dieser an seinem Bett saß - ohne dass die Klavierklänge jedoch verstummten und Mana hob verwirrt eine Augenbraue, bis ihm klar wurde, dass er die Musik kannte, weil sie aus seiner Sammlung stammte. Das war Bach und mit einem gequälten Laut kämpfte sich Mana in die Senkrechte, atmete tief durch, als er endlich saß und ließ den Kopf ans Bettende sinken. „Was hast du nur geträumt? Du bist bleich wie eine Wand, Mana und du zitterst…“ Stumm vergrub er das Gesicht in den Händen, zuckte nur mit den Schultern bei der Nachfrage hin - er konnte es Juka nicht sagen. Dass er erneut von Kami geträumt hatte. Dass sie sich geküsst hatten. Auch wenn sein Freund ihm theoretisch keinen Vorwurf machen konnte, weil es nur ein Traum gewesen war, aber er hatte diesem nie erzählt, dass sein Herz vor Jahren Kami gehört und er sich nie wirklich getraut hatte, es dem Drummer zu gestehen, bis es zu spät war. Aber dieser hatte so vertraut gewirkt mit Gackt, dass er sich nicht dazwischen hatte drängen wollen und es nur stumm ertragen hatte. Nicht mal Közi wusste davon, nur, dass Kami ihm unheimlich viel bedeutet hatte. Aber wie viel genau…Mana zwang sich ein paar Mal tief durch zu atmen, als könnte er so den Kuss aus seinen Erinnerungen vertreiben, Kamis Lippen, die so weich und sanft gewesen waren wie Schmetterlingsflügel gegen seine eigenen. „Ich mach dir einen Tee, ja?“ Dass Juka immer noch neben ihm auf dem Bett saß und ihn besorgt musterte, hatte Mana für einen Moment völlig vergessen, weswegen er heftig zusammen zuckte und den Anderen fast panisch musterte, bis dieser leise seine Worte wiederholte. Dieses Mal nickte der Gitarrist. Als Juka in der Küche verschwunden war, vergrub Mana nur erneut das Gesicht in den Händen - was passierte hier nur mit ihm? Wieso träumte er von Kami? Wieso jetzt und nicht die Zeit nach dessen Tod? Aber gut, da war er zu beschäftigt gewesen, hatte alles getan um zu verhindern, dass er nachdenken konnte. Vielleicht sollte er wieder damit anfangen…Als Juka zurück kam, saß Mana an seinem Schreibtisch, längst wieder in den Entwürfen für die neue Kollektion von Moi-même-Moitié vertieft. Und der Sänger konnte nur seufzend den Kopf schütteln, während er den Tee leise auf den Tisch stellte und dann das Zimmer verließ - wenn Mana arbeitete, war es lebensgefährlich diesen zu stören, das hatte er längst am eigenen Leib erfahren, also konnte er nur hoffen, dass dieser nicht vor hatte sich den restlichen Tag in den Entwürfen zu vergraben - wenn sie schon mal eine Woche frei hatten, wollte er die eigentlich gebührend mit seinem Freund genießen. „Mana? Darling?“ Ein unwilliger Laut entkam ihm, als er angestupst wurde, woraufhin nur ein Lachen folgte und schlussendlich ließ er verwirrt den Blick schweifen, musste herzhaft aufgähnen, als sich starke Arme von hinten um ihn schlangen und dazu brachten, sich seufzend der Umarmung mehr entgegen zu drücken - auch wenn Mana erst im nächsten Moment bewusst wurde, dass da noch ein Stuhl dazwischen war und ohne, dass es ihm wirklich bewusst wurde, zog er eine Schnute. Blöder Stuhl, was hatte der bitte auch zwischen ihm und Kami verloren? „Woran arbeitest du denn schon wieder so spät, hm?“ Mana hatte antworten wollen, legte dann allerdings erstmal überrascht die Arme um Kami, als dieser sich auf seinem Schoß niederließ und neugierig auf die Blätter Papier auf dem Schreibtisch schaute. „An…einem neuen Song?“ Unsicher sah Mana auf den Drummer, war sich sicher, dass er an etwas völlig Anderem gearbeitet hatte eigentlich, aber er konnte sich nicht mehr erinnern was es war und auf dem Blatt vor ihm standen unmissverständlich Worte, wovon einige durchgestrichen und bereits verbessert worden waren - ja doch, offensichtlich ein Song. Als Kami jedoch nach dem Blatt greifen wollte, hielt Mana beschützend die Hände über den Text, schenkte dem Anderen ein schwaches Lächeln. „Nicht…Er ist noch nicht fertig. Aber ich verspreche dir, du darfst ihn als Erstes lesen, wenn er es ist.“ Jetzt war es an Kami zu schmollen und Mana lachte leise, als der Drummer ihm in die Brust piekste. „Versprochen, Mana-chan?“ Und er nickte nur langsam, ließ die Finger sanft über Kamis Wange gleiten, bevor er ihm einen Kuss auf die Lippen hauchte. „Versprochen. Du wirst der Erste sein.“ Das reichte um den Drummer wieder zum Lachen zu bringen und dieser sprang nahezu von Manas Schoß, packte diesen an der Hand und zog ihn schlussendlich auch hinter sich her, ob der Gitarrist wollte oder nicht. „Ich muss dir unbedingt was Tolles zeigen - Cho hat Babies bekommen!“ So stolz wie Kami klang, mochte man fast nicht glauben, dass Cho eigentlich dessen Katze war und nicht seine Tochter, aber es brachte Mana trotzdem zum Lächeln und er ließ sich auch in die Küche ziehen, wo besagte stolze Mutter träge in einer Ecke lag, während vier tappsige Fellknäule um sie herum wuselten. Zumindest hatte das den Anschein und Mana sah verwirrt zwischen Kami und den Katzen hin und her, bevor er in die Knie ging, vorsichtig eine Hand ausstreckte und weg zuckte, als er angefaucht wurde. „Wie lange habe ich bitte geschlafen?“ Jetzt wurde Kamis Blick doch sorgenvoll und während er seinen Freund an sich drückte, strich er diesem liebevoll durch die Haare. „Viel zu lange, Schatz, viel zu lange.“ Als Mana dieses Mal erwachte, war es, weil ihm kalt war und mit einem leisen Fluchen richtete er sich erstmal auf - autsch. So wie es schien war er über den Entwürfen für die neuen Kleider wieder eingeschlafen. Und die unbequeme Position tat seinem Rücken alles Andere als gut. Aber wieso hatte Juka ihn nicht geweckt? Als er müde ins Wohnzimmer getappt war, musste er jedoch lächeln - sein Freund lag auf dem Sofa vor dem Fernseher und schlief, halb in eine Decke gewickelt und kopfschüttelnd schaltete Mana zuerst den Fernseher aus, bevor er Juka dann einen liebevollen Kuss auf Stirn hauchte und ihm sanft über die Wange streichelte. „Liebling? Willst du nicht im Bett weiterschlafen?“ Es dauerte etwas, bis der Sänger ihn völlig verschlafen ansah und etwas nuschelte von wegen, dass es ihm Leid tat, aber er ihn einfach nicht vom Arbeiten hatte abhalten wollen, nach dem er das letzte Mal einen Hausschuh an den Kopf bekommen hatte…Mana schüttelte nur amüsiert den Kopf, bevor er Juka noch mal küsste, dieses Mal auf die Lippen. „Schon in Ordnung. Ich mache mir noch einen Tee und dann können wir uns richtig ins Bett kuscheln, was hältst du davon?“ Jukas Antwort ging in einem herzhaften Gähnen unter - was Mana zum Schmunzeln brachte und liebevoll tätschelte er seinem Freund den Kopf, bevor er aufstand, dass er in die Küche gehen und den Wasserkocher einschalten konnte. Für einen Moment zögerte er, ob er sich nicht lieber einen Kaffee machen sollte, immerhin, das war der zweite Traum von Kami in Folge - und es machte ihm Angst, wenn er ehrlich war. Diese Träume waren so fernab der Realität…Kami hatte nie ein Haus gehabt, noch so ein riesiges Herrenhaus wie es bisher in seinen Träumen immer vorgekommen war. Eher eine kleine Wohnung, eine Katze, sicher, aber…Wobei…Hatte er? Mana blinzelte müde, registrierte nur beiläufig, dass er die Teetasse hatte fallen lassen. Wieso wusste er jetzt nicht mehr, ob Kami eine Katze gehabt hatte? Kurz zögerte er, aber entschied sich dann dagegen - sollte er Közi wegen so einer Kleinigkeit aus dem Bett holen - denn die Küchenuhr zeigte unmissverständlich elf Uhr abends an - würde dieser durchs Telefon springen und ihn mit dem Kabel erwürgen. Mana seufzte nur, bevor sein Blick auf die Scherben fiel - auch egal. Aber vielleicht war es besser, wenn er die Schlaftabletten erstmal weglassen würde, die hatten seltsame Nebeneffekte. Nur wieso träumte er von Kami immer in lila Klamotten? Sicher, das war dessen Farbe gewesen, aber doch nur auf der Bühne, dahinter hatte dieser auch normale Sachen getragen… Es mochte keinen rechten Sinn ergeben und nach dem er die Scherben aufgekehrt hatte, hätte er fast schon den Wasserkocher umgeworfen und sich das kochende Wasser über die Hand gekippt. Trotzdem ließ der Gedanke ihn nicht los und als Mana wenig später sich zu seinem Freund ins Bett kuschelte, hing er immer noch bei diesem Detail. Und vor allem - wo waren die Schmetterlinge gewesen in seinem letzten Traum? Die Woche war schlussendlich recht ereignislos verlaufen, Juka hatte sich die Songtexte alle durchgelesen, die er ihm vorgelegt gehabt hatte, die Entwürfe waren soweit fertig geworden und an die Designer weiter gegeben worden - und Mana hatte seit dem nicht mehr von Kami geträumt. Dafür war er jede Nacht in Jukas Armen eingeschlafen, eng an diesen gekuschelt, fast ängstlich, dass dieser plötzlich würde verschwinden können, ohne dass er ihm das erklären konnte. Das seltsame Gefühl der Panik wann immer er seinen Freund sah, war allerdings nicht wirklich besser geworden, dass Mana beschlossen hatte, zumindest einem Geheimnis auf die Spur zu gehen. Am zweiten Tag, nach dem sie sich alle im Studio getroffen und die neuen Daten für ihre anstehende Tour besprochen hatten, war er danach zum Friedhof gefahren - allein. Nur mit ein paar Blumen für Kamis Grab auch wenn es Mana etwas wunderte, dass dieses so frisch gepflegt war, aber gut, vermutlich war dessen Familie jeden Tag hier. Und für einen Moment überlegte er, sie zu besuchen, er war die zwei Stunden bis hier her gefahren, da konnte er das auch noch tun oder nicht? Theoretisch? Mana seufzte leise, bevor er die Blumen auf dem Grab ablegte und sich auf die Lippen biss. Alles noch wie immer. „Kami…Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisse.“ Das taten sie wohl alle, nach wie vor, vor allem dessen Eltern, wieso hatte der Drummer auch so jung von ihnen gehen müssen und sie allein lassen? Mana wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, er hatte sich doch geschworen, stark zu sein und nicht zu weinen, nicht nachzugeben. Kami zu zeigen, dass er trotzdem weiter leben konnte. Dass sie ihn nie vergessen würden und genau dafür eben ihr Leben weiterführten. Aber für den Moment? War er schwach und sank schlussendlich zu Boden, vergrub das Gesicht in den Händen - wieso schmerzte es jetzt wieder so sehr wenn es doch Jahre her war? Wieso mussten die alten Gefühle ausgerechnet jetzt aufkommen und ihn verwirren? Er verstand es nicht und ohne sein eigenes Zutun hatten sich seine Beine nach einer gefühlten Ewigkeit bewegt. Sein ganzer Körper schien auf Autopilot zu sein, denn wirklich erinnern, wie er zu Kamis Elternhaus gekommen war, konnte sich Mana nicht mehr. Allerdings zögerte er dann doch leicht - was wenn sie ihn nicht sehen wollten? Ihm die Tür vor der Nase zuschlagen würden? Aber Kami war glücklich gewesen mit der Band, mit der Musik…War darin aufgegangen, sie war sein Leben gewesen. Mana zwang sich tief durch zu atmen, bevor er klingelte - entweder sie würden es akzeptieren und mit ihm reden oder nicht. Zu seinem Erstaunen hatte Kamis Mutter die Tür geöffnet - und hatte ihn erstmal eng an sich gedrückt, als sie ihn erkannt hatte. „Wir dachten schon, du kommst gar nicht mehr.“ Das allein war schon Grund zur Verwunderung, aber es wurde nicht besser, als er schließlich mit einer Tasse Tee in der Hand und Kamis Eltern vor sich in der Küche stand - und diese ihn fragten, wieso er auf den Brief von Kami nie reagiert hatte. Briefe waren ihm neu, der Drummer hatte ihm nie geschrieben gehabt, wenn dann hatten sie telefoniert. „Weißt du Mana, unser Sohn hatte schon immer Probleme, was Beziehungen anging, meist hatte er sich nie getraut, etwas zu sagen…“ Stumm musterte er Kamis Mutter, hörte ihr weiter zu, wie diese meinte, dass Kamis einzige, wirkliche Beziehung die bis zu seinem Tod gehalten hatte, die mit der Musik gewesen war und ein trauriges Lächeln legte sich auf seine Lippen. Ja, das hatte jeder spüren oder besser - hören können, wenn er den Drummer je am Schlagzeug erlebt hatte. So voller Lebensfreude und Energie wie dieser immer gespielt hatte…Als sein Handy klingelte, zuckten sie alle drei zusammen und er warf einen kurzen Blick auf das Display. Seufzend drückte Mana seinen Freund weg, er wollte nicht mit ihm reden, wie sollte er es ihm denn erklären? Wenn man nach all den Jahren bei den Eltern eines toten Bandmitgliedes auftauchte, dann geschah das meist nicht ohne Grund, nur dass er seinen Grund nicht wirklich benennen konnte und erneut zusammen zuckte, als sich etwas flauschiges an seine Beine schmiegte und leise miaute. Die gleiche Katze wie in seinem Traum….Völlig verwirrt bückte sich Mana, dass er das Fellknäul auf seine Arme heben konnte, welches sofort schnurrend den Kopf an seiner Schulter rieb - eindeutig nicht schwanger und eindeutig ihm nicht feindseelig gegenüber. Wie konnte das denn sein? „Oh, Cho scheint dich zu mögen, sie lässt sich sonst nur von wenigen Menschen hoch heben…“ Und die Katze blinzelte ihn unschuldig an, gab nur ein leises Miauen von sich, als würde sie zustimmen, wenngleich sie sofort wieder schnurrte, als Mana begann ihr den Kopf zu kraulen - wann hatte er den Tee abgestellt gehabt? Egal. Zumindest wusste er jetzt, woher die Katze in seinen Träumen stammte. Auch wenn er immer noch nicht viel schlauer war, als er nach drei weiteren Stunden endlich in seiner gemeinsamen Wohnung mit Juka angekommen war. Zuerst hatte die Katze ihn nicht gehen lassen wollen, dann hatte Kamis Mutter ihm Kuchen angeboten und ihm zum Abschied noch einen Umschlag mitgegeben, den er sich nicht traute zu öffnen. Die ganze Autofahrt über war dieser auf dem Beifahrersitz gelegen, wie ein giftiges Insekt - ab und an beobachtet und doch besser nicht angefasst, aber jetzt… Kaum, dass er die Wohnung betreten hatte, keuchte Mana jedoch erschrocken auf, als Juka ihm um den Hals fiel und er ließ den Umschlag sanft auf dem kleinen Tisch in seinem Flur fallen, dass er die Umarmung seines Freundes erwiedern konnte, auch wenn diese etwas erdrückend war. „Ich hab mir solche Sorgen um dich gemacht, du wolltest mir ja nicht sagen, was du noch zu tun hast und du hast mich weggedrückt, Mana…Dein Chefdesigner hat angerufen, er wollte wissen ob du dir bei den Entwürfen wirklich hundertprozentig sicher bist und dass er heute noch eine Meinung dazu braucht, ich konnte ihm nur sagen, dass ich es ausrichte…“ Juka biss sich nervös auf die Unterlippe und erst jetzt wurde Mana bewusst, dass der Akku seines Handys die Rückfahrt über wohl gestorben sein musste. Oh. Deswegen hatte er keine weiteren Nachrichten von Juka erhalten. „Schatz?“ Mana zuckte nur leicht zusammen, bevor er Juka von sich schob, dass er ins Schlafzimmer verschwinden und seinen tragbaren Akku holen konnte. Sein Freund bekam noch einen sanften Kuss auf die Lippen gedrückt und mit den Worten: „Ich muss eine Kollektion retten!“ War Mana auch schon aus der Tür und zurück im Auto. Auch wenn er absolut keine Lust aufs Autofahren verspürte, nach dem er schon so lange darin zugebracht hatte heute…Aber es musste sein und seufzend reihte er sich in den Verkehr ein, der Umschlag lag vergessen im Flur. Und so gerne Juka diesen auch geöffnet hätte, er traute sich kaum, weswegen er diesen einfach auf Manas Schreibtisch legte und dann begann zu kochen, während er leise seufzte. Irgendetwas musste passiert sein. So durcheinander wie sein Freund wirkte? War es da wirklich gesund, ihn noch Auto fahren zu lassen? Allerdings wusste Juka auch nur zu gut, dass es gefährlich war, Mana etwas ausreden oder verbieten zu wollen, selbst wenn es sich nur um dessen Wohlergehen handelte. Also würde er warten und hoffen müssen - und sich eben anderweitig ablenken. Noch war er ja nicht ganz durch mit den Texten, die ihm Mana mehr oder weniger freiwillig überlassen hatte. Sein Freund würde schon auf sich aufpassen, dass hatte er bisher immer getan und als Mana nach fast zwei Stunden wieder zurück kam, wirkte dieser so erschöpft, dass sich Juka direkt Vorwürfe machte, dass er ihn hatte gehen lassen. Trotzdem bestand Mana darauf, dass sie zusammen essen würden und schlussendlich wagte Juka auch nachzufragen, was es gewesen war, was bei der Kollektion so seltsam gewesen war. Dass Mana jedoch statt Kreuzen ein paar Schmetterlinge gezeichnet hatte, schien sie beide zu verwirren, immerhin, er kannte das Label seines Liebsten - sehr gut - und Schmetterlinge hatten dort eigentlich nie etwas verloren gehabt. Als Mana dieses Mal die Augen aufschlug war das Erste, was er bewusst wahrnahm, der berauschende Geruch von gefühlt tausend Blumen um ihn herum und während er sich verwirrt aufsetzte und die Augen rieb, bemerkte er, dass er sich auf genau der Wiese befand, die Kami ihn nicht hatte betreten lassen. Lächelnd streckte er eine Hand aus und es dauerte nicht lange, bis ein kleiner, lila Schmetterling sich auf seiner Handfläche niederließ. Und auch nicht wegflog, als sich starke Arme von hinten um ihn legten und er an eine Person gepresst wurde, die er erst im nächsten Moment als Kami erkannte, als dieser ihm einen sanften Kuss in den Nacken hauchte. „Hier bist du also, ich hab dich überall gesucht.“ Mana seufzte leise auf, bevor er sich halb zu seinem Freund umdrehen und diesen sanft küssen konnte. „Es tut mir leid…Ich fürchte, ich war mal wieder eingeschlafen.“ Irgendwie brachte dieser Satz ihn dazu, den Blick verlegen abzuwenden, was Kami zum Lachen brachte. „Oh Liebling, denkst du denn nicht, dass du genug geschlafen hast?“ Jetzt entschied sich der Falter doch woanders sein Glück zu versuchen, da Manas Haut scheinbar nur nach Blumen roch, aber keine war und kaum, dass das Tierchen zu seinen Kameraden verschwunden war, schlang Mana die Arme komplett um den Drummer, dass er ihn richtig küssen konnte und ihnen beiden der Atem fehlte, als sie sich voneinander lösten. „Sagen wir zumindest lange genug ohne dich.“ Jetzt mussten sie beide lachen und Kami half seinem Freund vorsichtig auf die Beine, während er ihm liebevoll über die Wange streichelte und schlussendlich neckisch an einer blauen Haarsträhne zupfte. „Du solltest bei der Farbe bleiben, die steht dir wirklich gut. Aber ich bin auch dafür, dass wir etwas verpasste Zeit nach holen.“ Schmunzelnd verschränkte Kami ihre Finger miteinander während sie über die Blumenwiese langsam in Richtung Haus liefen und Mana nicht anders konnte, als die vielen Schmetterlinge zu bewundern, welche durch den Garten flogen. So vielfältig die Farben der Blumen auch sein mochten, die Schmetterlinge hatten alle nur eine einzige Farbe - lila. Von hell bis dunkel - aber es war wunderschön. „Kami?“ Mana blieb stehen, kurz bevor sie die Tür erreichen konnten, welche ins Innerste führte, atmete tief durch, es fühlte sich nicht richtig an, das in einem geschlossenen Gebäude auszusprechen auch wenn er wusste, dass ihre Freunde dort auf sie warteten. „Ich liebe dich.“ Keuchend stolperte Mana dann allerdings zurück, als er so verlangend geküsst wurde, dass ihm schwindlig wurde und er klammerte sich nur noch mehr an den Drummer, während er zu deutlich spürte, wie weich seine Knie wurden. „Ich liebe dich auch, Mana. Schon so lange.“ Der Gitarrist musste lachen, als er plötzlich hochgehoben wurde und er schlang die Arme fast automatisch um Kamis Hals, während er den Kopf an dessen Schulter lehnte. „Kein Protest?“ Der fragende Gesichtsausdruck seines Liebsten brachte Mana erneut zum Lachen und er schüttelte nur deutlich amüsiert den Kopf. „Nein. Schließlich hattest du mir versprochen, mich über die Schwelle zu tragen oder nicht?“ Jetzt war es an Kami zu lachen und Mana einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen. „Auf ewig dein, auf ewig mein.“ Und während Kami seinen Freund mit einem liebevollen Kuss ins Haus trug, bemerkte Mana nur aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung - und musste lächeln, als er Kamis Schmetterlingsflügel erblicken konnte. „Deine Flügel sind immer noch wunderschön~“ Der Drummer schüttelte nur den Kopf, drückte Mana vorsichtig an sich. „Nur weil du sie so lange nicht mehr gesehen hast…“ Dieser seufzte leise, murmelte eine Entschuldigung, bevor er Kami erneut küsste. „Dieses Mal bleibe ich bei dir, versprochen. Auf ewig dein, auf ewig mein. Das hier ist kein Traum, oder?“ „Nein.“ Kami ließ kurz den Blick schweifen, über die Wände voller Schmetterlinge, das lila Klavier in der Ecke und die Blumenwiese vor dem Haus, bevor er seinen Freund wieder direkt ansah. Das hier ist die Realität - und ich werde auf ewig bei dir bleiben, versprochen. Ich liebe dich, Mana und ich werde nicht zulassen, dass irgendetwas uns je wieder trennt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)