Kirschblüten im November von Sakuran ================================================================================ Kapitel 2: Alte Freunde (Tai) ----------------------------- Diese Stadt war einfach furchtbar, selbst an so wundervoll sonnigen Tagen wie heute, schien der Himmel einfach grau zu bleiben. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe und starrte gedankenverloren auf die überfüllte Straßenkreuzung. Es war Samstagmittag und es kam mir so vor, als würden die Menschen in dieser überfüllten Stadt niemals Ruhe finden. Ein merkwürdig zufriedenes Lächeln zeichnete sich auf meinem Gesicht ab. Auch ich konnte letzte Nacht keine Ruhe finden. Was war da zwischen uns letzte Nacht passiert? Diese wenigen Minuten, die wir zu dritt vor der Schule standen und jeder von uns den bitteren Geschmack der Vergangenheit kostete. Es fiel mir so unsäglich schwer, meine Gefühle vor ihr zu verbergen und als wir endlich im Auto saßen, stürzte alles über mir zusammen. Obwohl Izzy viel mehr Alkohol getrunken hatte als ich, musste er zurück fahren. Ich war völlig außer mir und meine Gedanken überschlugen sich, denn auch ich habe niemals vergessen können was mit uns geschehen ist und als ich eine herzzerreißend weinende Mimi in meinen Armen hielt, in ihren Augen den Schmerz und die Verzweiflung sah, wurde mir bewusst, dass wir zwar älter geworden waren, aber immer noch für unseren Fehler bezahlten. Ich war stets bemüht, mit jedem Jahr etwas mehr zu vergessen, doch gestern Nacht holte mich unsere Vergangenheit wieder ein. Als sie mir plötzlich im Schlafzimmer zärtlich durchs Haar streichelte und meinen Nacken küsste, vergaß ich alles um mich herum. Am liebsten hätte ich mich zu ihr gelegt, sie in meine Arme genommen und ihr gesagt, dass ich sie für immer beschützen würde und alles nur ein furchtbar schlechter Traum gewesen sei. Allein ihr Blick, ihr Lächeln, ihre Finger auf meiner Haut und ihre Stimme, die mir zärtlich ins Ohr flüsterte, brachten mich dazu, mich wieder genauso zu fühlen wie damals. Ich fühlte mich frei, geborgen und sicher. Ihr fuhr mir nervös durch mein zerzaustes Haar und stellte meine Kaffeetasse auf meinem Wohnzimmertisch ab. Mein Blick richtete sich auf die Badezimmertür und eine hübsche Blondine kam auf mich zu und trank einen Schluck von meinem Kaffee. „Guten Morgen mein Lieber, hast du deine Gedanken wieder etwas sortiert?“ Warum wurde ich plötzlich so verlegen? Ich kannte Anna schon länger. Sie kam ursprünglich aus der Ukraine und war die Ehefrau eines ehemaligen Klienten von mir. Sie arbeitete für ein Bauunternehmen und seit einigen Monaten trafen wir uns regelmäßig, wenn sie geschäftlich in Tokio zutun hatte. Eigentlich war ich überhaupt nicht der Typ für wilde Affären, mir lagen eher die einmaligen Bettgeschichten, aber das mit Anna hatte sich irgendwie entwickelt. Die Fronten waren geklärt und es war für uns beide lediglich unverbindlicher Sex. Gleich nachdem ich letzte Nacht Mimi verlassen und Izzy nach Hause gebracht hatte, rief ich sie an und bat um ein Treffen. Ich musste mich unbedingt auf andere Gedanken bringen, doch offensichtlich gelang es mir nur bedingt. „Was meinst du denn damit?“ fragte ich, obwohl ich genau wusste, worauf sie hinaus wollte. Sie ging in den Flur und zog sich ihre schwarzen Wildlederpumps an. „Du hast mich zwar um ein Treffen gebeten, aber dennoch bist du überhaupt nicht bei der Sache gewesen. Lag es an dem Mädchen, das du gestern vom Flughafen abgeholt hast?“ sie grinste und ihre stahlblauen Augen suchten meinen Blick. Mein Herz fing plötzlich an wie wild zu schlagen. Irgendwie war es mir peinlich, dass ich letzte Nacht zwar mit ihr geschlafen, aber dabei nur an eine andere Frau gedacht hatte. „Ach Quatsch, ich habe gestern bloß eine alte Freundin abgeholt. Da ist nichts und ich war gestern einfach nur müde...“ Um Gotteswillen, ich habe schon deutlich besser gelogen. Diesen Schwachsinn glaubte ich mir ja nicht einmal selbst. Doch Anna blieb völlig entspannt und kam auf mich zu. Zärtlich strich sie mir über die Wange und grinste zweideutig. „Weißt du mein lieber Yagami, eine feste Freundin würde dir ganz gut tun und du machst nicht den Anschein, als hättest du gestern lediglich eine alte Freundin wiedergesehen. Deine braunen Augen haben dich verraten, denn man kann in deinem Blick deutlich erkennen, dass du nur noch an sie denken kannst.“ Anna beugte sich zu mir und gab mir einen Kuss auf die Wange, bevor sie die Tür hinter sich zuzog und mein Apartment verließ. Etwas verdutzt sah ich ihr hinterher und musste über ihre Worte nachdenken. Schon merkwürdig, dass es den Menschen immer wieder so verdammt schwer fiel, ehrlich zu sich selbst zu sein. Ich erinnerte mich an den gestrigen Nachmittag, wie müde und erschöpft Mimi zwischen all den Menschen am Flughafen stand. Sie wirkte beinahe verloren in diesem wunderschönen fliederfarbenen Kleid. Ihre langen kastanienbraunen Haare, umspielten ihre nackten Schultern und dieser erwartungsvolle Blick, der sich hinter ihren goldbraunen Augen versteckte, ließ mein Herz sofort höher schlagen. Vom ersten Moment an, als ich sie in dieser überfüllten Flughafenhalle sah war mir klar, dass ich niemals aufgehört habe, diese Frau inständig und aufrichtig zu lieben. Und wenn ich jetzt wirklich ehrlich zu mir selbst war, dann war sie die einzige Frau in meinem gesamten Leben, die mir jemals etwas bedeutete. Aber jetzt, beinahe acht Jahre später, hatten sich die Dinge verändert. Wir waren nicht mehr dieselben und sicherlich hatten sich ihre Gefühle von damals ebenfalls verändert. Sie sagte mir gestern Nacht zwar, dass ihr alles leid täte, aber im Grunde gab es überhaupt nichts, wofür sie sich entschuldigen musste. Denn ich war es, der zu schwach gewesen ist. Ich konnte sie nicht beschützen, ich konnte ihr nicht beistehen ich konnte nicht der Mann sein, den sie damals an ihrer Seite gebraucht hätte. Ich ließ es zu, dass andere sie verletzten. Ich ließ es zu, dass unsere damals besten Freunde uns verrieten und unsere Eltern uns daraufhin voneinander trennten. Das ohrenbetäubende Geräusch meines Telefons riss mich aus meinen Gedanken. Ich nahm ab und meldete mich etwas genervt. „Guten Morgen mein Bester. Konntest du trotzdem in den Schlaf finden, auch wenn du gestern Abend leider nicht deinen Gute-Nacht-Kuss bekommen hast?“ Ich hörte das schadenfrohe Lachen in der Stimme meines besten Freundes und knurrte einige Beleidigungen ins Telefon. Aus unerklärlichen Gründen fühlte ich mich gestern Nacht unwahrscheinlich zu Mimi hingezogen und hätte sie zum Abschied wohl beinahe geküsst, doch Izzy kam dazwischen und machte mir einen Strich durch die Rechnung. Vielleicht war es auch besser so, sicherlich hätte es alles nur unnötig verkompliziert. Er hatte mir gesagt, dass Mimi weder etwas zu trinken oder zu essen im Kühlschrank hätte. Daraufhin sind wir mitten in der Nacht nochmal in den Supermarkt und haben dieser verwöhnten Prinzessin etwas besorgt. Kurzzeitig ließ mich Izzy spüren, dass er meinen Annäherungsversuch beschissen fand, aber dann kriegte er sich auch wieder ein. Eigentlich kamen wir uns beim Thema Frauen niemals in die Quere, aber Mimi war schon ein Kapitel für sich. „Keine Sorge, ich habe einen Gute-Nacht-Kuss bekommen. Mach dir mal um mein Sexleben keine allzu großen Gedanken.“ brummte ich und setzte mich auf meine Couch. „Oh, da bin ich ja beruhigt.“ gluckste er unverschämt. „Ich wollte dich fragen, wann wir uns heute treffen. Du hast doch die Villa eines Klienten über das Wochenende bekommen, richtig?“ „Der alte Nagoya war mir noch etwas schuldig, deshalb können wir seine Villa das gesamte Wochenende nutzen. Bei dieser Affenhitze brauche ich aber auch unbedingt die Abkühlung im Pool.“ Einer meiner Klienten, dem ich wie gewohnt den Arsch rettete und seine miesen Geschäftspraktiken verschleierte, war mir noch einen Gefallen schuldig. Ich hatte für heute Abend eine kleine Party organisiert und wollte zuvor den Nachmittag selbst am Pool verbringen. In der Regel nutzten Izzy und ich häufig die Anwesen meiner Klienten zum entspannen. „Vielleicht sollten wir Mimi mitnehmen. Ich hatte gestern nämlich das Gefühl, als würde sie sich etwas verloren fühlen. Es ist schwer, nach dieser langen Zeit wieder hier zu sein. Sicherlich fühlt sie sich einsam.“ Wenn es um Mimi ging, war Izzy unwahrscheinlich aufmerksam und fürsorglich. Ich lächelte etwas und legte meine Füße auf den Tisch. „Ja, das Gefühl hatte ich auch und als ich sie etwas trösten und willkommen heißen wollte, hast du mich unterbrochen. Du solltest dich schämen….“ Ich hörte ein hilfloses Seufzen und konnte mir sein genervtes Gesicht bildlich vorstellen. „Trotzdem musst du nicht jede Gelegenheit ausnutzen. Vielleicht lässt du sie erst mal aus dem Flugzeug aussteigen, bevor du über sie herfällst wie ein hungriger Wolf. “ „Also jetzt mach mal halblang, du tust gerade so, als wärst du viel anständiger als ich. Wenn ich mich richtig erinnere, gehen wir stets gemeinsam auf die jagt und du gehst sehr selten alleine nach Hause. Oder hat mich immer ein anderer Koushiro Izumi begleitet?“ Was dachte sich dieser rothaarige Klugscheißer? Er war ebenso kein Kostverächter und wir beide waren regelmäßig unterwegs, um etwas Spaß zu haben. „Wie auch immer. Wir sollten sie heute mitnehmen und ihr Gesellschaft leisten. Gesellschaft, in welcher Hosen getragen werden und Zungen im Mund verbleiben. Verstanden?“ Laut lachend hielt ich mir den Bauch, aber ich wusste genau, worauf Izzy hinaus wollte. Mimi war keine von diesen oberflächlichen Eroberungen für eine Nacht. Sie war etwas besonderes und das wussten wir beide. Izzy und ich vereinbarten, dass ich Mimi abholen und mitbringen würde, da er selbst nochmal ins Büro müsste. Während ich meine Klamotten für den Abend und meine Badesachen zusammensuchte blickte ich etwas argwöhnisch mein Spiegelbild an. In meinem Badezimmer roch es immer noch nach Annas Parfüm und dennoch konnte ich einzig und allein an diese traurigen goldbraunen Augen von Mimi denken. Ich musste mich unbedingt zusammenreißen. Wir waren nur alte Freunde und dieses merkwürdige Gefühl von Verliebtheit musste ich unterdrücken. Sie hatte mehr verdient als mich. Es sollte ein beständiger, ehrlicher und starker Mann sein, der sie auf Händen tragen würde. Kein Gefühlslegastheniker wie ich es war. Ich seufzte und knöpfte meine Bermudashorts zu. Aus dem Schrank griff ich mir ein weißes Polo Shirt und entschied mich für meine Hilfiger Espadrilles. Ich sah an mir runter und musste doch etwas schmunzeln, denn manchmal lief ich wirklich rum, wie ein stinkreicher Schnösel. Aber Geld war nun mal nichts, worüber ich mir bei meinem Job Sorgen machen musste. In der Tiefgarage setzte ich mich in mein Auto und ließ das Verdeck runter. Lässig wie immer griff ich zu meiner Sonnenbrille und fuhr nach draußen. Dieser Tag war wirklich abartig heiß. Von meinem Apartment bis zu Mimi waren es mit dem Auto und bei dem Verkehr in Tokio ganze vierzig Minuten. Gut gelaunt parkte ich den Wagen direkt vor ihrer Tür und schlenderte durchs Foyer zu den Fahrstühlen. Ob sie wohl noch schlief? Immerhin hatte sie gestern ordentlich getankt. Ich entschied mich dazu, lieber anzuklopfen und die Klingel nicht zu betätigen. Es tat sich nichts. Erneut schlug ich mit den Fingerknochen meiner rechten Hand gegen die Haustür. „Hey Prinzessin, aufgewacht die Sonne lacht!“ rief ich hinterher und schob meine Sonnenbrille ins Haar. Ich wollte gerade klingeln, als sich plötzlich die Tür öffnete. Eine völlig verschlafene Mimi blickte mich an. Sie trug lediglich Shorts und ein hautenges Tanktop. Ihr langes offenes Haar umspielte ihre Schultern und legte sich dezent über ihre Brüste. Natürlich konnte ich mir einen prüfenden Blick in ihre Körpermitte nicht verkneifen und sah deutlich, dass sie keinen BH trug. Meine Wangen mussten sich kurzzeitig rot gefärbt haben, denn ich spürte, wie mir das Blut in den Kopf schoss. „Wenn du fertig bist mir auf die Brüste zu starren, könntest du mir verraten, was dich so verdammt früh vor meine Haustür treibt.“ ihr selbstgefälliger Tonfall ließ mich grinsen und wieder in ihre Augen blicken. „Meine Hübsche, es ist inzwischen Mittag und diesen wundervollen Tag solltest du nicht so ganz alleine im Bett verbringen.“ Mit einer freundlichen Geste bat sie mich ins Apartment. „Deswegen bist du zu mir gekommen? Damit du mir etwas Gesellschaft im Bett leistest, nachdem du mich gestern so abgefüllt hast?“ sie ging an mir vorbei und holte sich etwas zu trinken aus dem Kühlschrank. Ich konnte mir einen prüfenden Blick auf ihren knackigen Hintern nicht ersparen und musste zugeben, dass sie verdammt lange Beine und überaus köstlich geformte Pobacken hatte. „Auch wenn ich dir selbstverständlich gerne Gesellschaft im Bett leisten würde, wollte ich dich eigentlich mit ins Haus eines Klienten nehmen und den Tag am Pool verbringen.“ Sie lehnte sich gegen den Küchentresen und schenkte mir ein fröhliches Lächeln. „Eine Poolparty?“ „Ja, heute Abend habe ich tatsächlich einige Leute eingeladen, aber jetzt wollte ich etwas Zeit mit dir und Izzy verbringen. Natürlich nur, wenn du noch nichts anders vor hast.“ Plötzlich stieß sie sich von der Arbeitsplatte ab und lief hinüber zum Badezimmer. Noch ehe ich tatsächlich realisieren konnte was geschah, glitten ihre Shorts zu Boden und ich konnte ihren nackten Hintern sehen. Diese unverschämte Hexe, das war also die Retourkutsche für gestern? Ich wusste, dass sie es mir noch heimzahlen würde, dafür dass ich sie gestern so nervös gemacht habe. „Dann werde ich mich mal duschen und umziehen, du kannst es dir ruhig bequem machen...“ sie blickte lasziv über ihre Schulter und streckte mir tatsächlich die Zunge heraus, bevor sie die Badezimmertür hinter sich ins Schloss fallen ließ. Als sie fertig mit duschen war, verschwand Mimi mit ihrem Handtuch bekleidet im Schlafzimmer und zog sich um. Ich hatte schon aufgehört auf die Uhr zu sehen, als sich die Zimmertür, nach einer gefühlten Ewigkeit, wieder öffnete. Mimi trug einen kurzen weißen Rock und ein schwarzes mit Spitze verziertes Top. Unter ihrem rechten Arm hatte sie eine kleine Reisetasche geklemmt, worin sich offensichtlich ein Handtuch und andere Utensilien, die eine Frau so benötigte befanden. Ich stand von der Couch auf und nahm ihr die Tasche ab. „Bist du jetzt endlich fertig?“ fragte ich ungeduldig und beobachtete sie dabei, wie sie in ihre Sandaletten schlüpfte. „Na hör mal, es kann ja nicht jeder so nobel angezogen sein wie Herr Rechtsanwalt von und zu Yagami.“ Autsch, das hatte tatsächlich gesessen, aber ich lächelte und ließ ihr diesen kleinen Sieg. Ich platzierte ihre Tasche auf dem Rücksitz und öffnete ihr die Beifahrertür. Etwas verwundert sahen mich ihre funkelnden goldbraunen Augen an. „Vielen Dank...“ murmelte sie und ich konnte den süßlichen Duft ihrer frisch gewaschenen Haare riechen. Warum war ich gerade so nervös? Eigentlich war es doch nichts besonderes mit ihr zusammen zu sein? Na gut, vielleicht war es etwas länger her, aber sie war doch noch immer die alte Freundin aus Kindertagen. „Warum kannst du das Haus eines Klienten nutzen?“ durchbrach ihre zarte Stimme die Stille zwischen uns. „Er war mir noch etwas schuldig.“ „Dein Klient war dir noch etwas schuldig? Bezahlen dich deine Klienten etwa nicht mit Geld?“ ich hörte den unterschwelligen Spott in ihrer Stimme. „Grundsätzlich bezahlen mich meine Klienten mit Geld, wie du unschwer an meiner Kleidung und meinem Auto erkennen kannst. Aber in diesem Fall habe ich ihn aus einer Sache rausgeboxt, bei der er ganz offensichtlich schuldig gewesen ist.“ Kurz sah ich prüfend zu ihr rüber, aber das was ich sah, gefiel mir überhaupt nicht. Ihre Augen blickten mich enttäuscht an. Ich dummer Idiot, sie war ja keine von diesen oberflächlichen Weibern, die lediglich auf mein Geld scharf waren. Sie kannte einen anderen Taichi Yagami, einen, der sich lieber beide Hände abgehackt hätte, als solche miesen Geschäftsmänner aus ihren kriminellen Machenschaften heraus zu hauen. „Wann bist du denn so ein Anwalt geworden? Ein Anwalt, der Verbrecher verteidigt, die schuldig sind? Früher hast du solche Menschen zutiefst verachtet.“ ihre Worte trafen mich unerwartet hart. Meine Kehle war staubtrocken und ich musste meinen Blick von ihr abwenden. Ich spürte ihre Verachtung auf meiner Haut und hörte die Enttäuschung in ihrer Stimme. Irgendwie schon verrückt, wie sehr ich mich daran gewöhnt hatte, diese Maske zu tragen. Die Maske eines erfolgreichen, ungebunden, unnahbaren Rechtsanwaltes. Aber im Inneren war ich meilenweit davon entfernt, so ein eiskalt kalkulierbarer Karrieremensch zu sein. Ein bitteres Lächeln schob sich über meine Lippen. „Ich hatte vergessen, dass du mich seit Kindertagen kennst. Auch wenn du denkst, ich wäre so ein gewissenloser, geldgieriger Rechtsverdreher, so ist es doch etwas anders. Ich komme nur sehr selten dazu, den Menschen um mich herum diese andere Seite von mir zu zeigen.“ ich nahm meine Sonnenbrille ab und sah sie ernst an. „Ich haue diese Verbrecher tatsächlich raus. Helfe ihnen dabei, ihr Vermögen zu behalten und ihre miesen Machenschaften zu verstecken, aber nur unter der Prämisse, dass sie einen erheblichen Teil ihres Vermögens spenden müssen und zwar in verschiedene Fonds. Das Geld wird dann dafür verwendet, um Kindern in Südamerika und Südostasien zu helfen.“ Mimi blieb unerwartet still und ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht richtig deuten, also konzentrierte ich mich wieder auf die Straße. „Also bist du am Ende trotzdem ein Verbrecher. Du stiehlst das Geld von den Reichen, um es den Armen und Bedürftigen zu geben.“ sie klang freundlich und ein prüfender Blick verriet mir, dass sie mich anlächelte. „Na ja, was soll ich sagen? Das macht mich wohl zu einem neumodischen Robin Hood?“ ich lachte verlegen und fuhr mir nervös durch mein Haar. Auf einmal spürte ich ihre Finger in meinem Nacken. Etwas nervös sah ich zu ihr und lächelte unsicher. „Ich wusste, dass du nicht so ein Anwalt bist. Auch wenn wir uns über die Jahre verändert haben, bleiben wir im Grunde unseres Herzen doch immer gleich, oder? Du bist schon immer ein Mensch gewesen, der sich schützend für die Schwächeren einsetzte, ohne dabei an sich selbst zu denken und diese Eigenschaft machte dich für mich immer so besonders. Heute benutzt du dafür eben nur mehr deinen Kopf, als deine Fäuste.“ Verdammt, ich wurde schon wieder rot und bekam eine Gänsehaut von ihren Fingern in meinem Nacken. Blieben wir denn tatsächlich im Grunde unseres Herzens immer gleich, auch wenn uns das Leben immer wieder auf harte Proben stellte? War ich noch immer derselbe, der sich uneigennützig schützend für die Schwächeren einsetzte, oder versuchte ich lediglich mein eigenes schlechtes Gewissen zu beruhigen? Ich wusste nicht, was ich ihr antworten sollte, aber ihr fröhlicher Gesichtsausdruck schien auch keine Antwort von mir zu erwarten. Wir verließen den überfüllten Stadtkern und fuhren in den Norden Tokios. Nach und nach reihten sich kleine Einfamilienhäuser aneinander und die riesigen Apartmentkomplexe verschwanden hinter uns. Die Straßenzüge wurden grüner und auch der Himmel schien endlich wieder blau zu sein. Ich fuhr mit dem Wagen direkt in die Einfahrt und parkte neben Izzy. Mimi stieg freudig aus und bewunderte das riesige Anwesen. „Hey Kumpel...“ begrüßte ich meinen besten Freund mit einem leichten Schlag auf die Schulter, als er uns auf der Treppe entgegen kam. „Na ihr beiden? Ihr habt aber lange gebraucht.“ entgegnete der Rothaarige und löste sich gerade aus der Umarmung mit Mimi. „Tja, die Prinzessin benötigte etwas mehr Zeit, um sich zurecht zu machen.“ Mimi schenkte mir einen zornigen Blick, bevor sie durch den Garten direkt auf den Pool zusteuerte. Noch bevor Izzy und ich etwas sagen konnten, schmiss sie ihre Klamotten von sich und sprang laut kreischend ins kühle Nass. Ich musste lachen und beobachtete, wie sie auftauchte und ihre nassen Haare hinters Ohr strich. Sie trug einen ungewöhnlichen Badeanzug. An der rechten Seite war der schwarze Stoff komplett geschlossen aber auf der linken Seite war er zwischen Brust und Hüfte großzügig ausgeschnitten, sodass man die nackte Haut ihrer linken Körperhälfte und ihres Bauches deutlich sehen konnte. Das eiskalte Wasser, welches mir mit einem Mal gegen die Brust spritzte, riss mich aus meinen Gedanken. „Was ist mit euch los? Haben die Herrschaften etwa Angst sich nass zu machen?“ fragte sie kess und streckte uns die Zunge heraus. „Na warte du alte Hexe!“ fauchte ich grinsend und zog mir mein Shirt über den Kopf, um dann mit Anlauf ins Wasser zu springen. Sie kreischte und quietschte wie ein kleines Mädchen, als ich sie immer wieder packte und unter die Wasseroberfläche drückte. Es war völlig aussichtslos, aber Mimi probierte es hartnäckig, mich ebenfalls unterzutauchen. Mir entlockten ihre verzweifelten Versuche nur ein müdes Grinsen. Doch plötzlich packte mich jemand hinten im Nacken und im selben Moment zog mir Mimi unter Wasser die Beine weg. Als ich wieder auftauchte und um Atem rang sah ich, wie Izzy und Mimi sich den Bauch hielten vor lachen. Dieser hinterhältige Rotschopf hatte doch tatsächlich mit dieser Zimtziege gemeinsame Sache gemacht. „Rache ist süß Izumi...“ verkündete ich diabolisch und stürzte mich in eine wilde Wasserschlacht mit beiden. Wenn uns jemand beobachtet hätte, hätte er wohl gedacht, dass wir gerade mal 15 Jahre alt waren. Aber seit unendlich langer Zeit fühlte ich mich so unbeschwert wie ein kleiner Junge. Ich genoss es mit meinen beiden besten Freunden zusammen zu sein, egal wie kindisch wir uns aufführten. Außerdem war es unerwartet reizvoll, Mimi ständig zu berühren und ihre nackte Haut unter meinen Fingern zu spüren. „Ich kann nicht mehr! Ich beiden ertränkt mich bald!“ japste sie und stützte sich mit beiden Armen am Beckenrand ab, um aus dem Pool zu steigen. Izzy und ich folgten ihr und legten uns nebeneinander auf die Liegen. Sie lag zwischen uns und die Sonne feuerte erbarmungslos auf uns nieder. Mimi hatte sich irgendwann auf den Bauch gedreht und schien zu dösen. Auch Izzy hatte seine Augen geschlossen und beide Hände hinter seinen Kopf gelegt. Ich beobachtete, wie sich Mimis Rücken bei jedem Atemzug gleichmäßig hob und senkte. Ihr langes Haar hatte sie über ihre linke Schulter gelegt. Der Badeanzug umspielte die Silhouette ihres Körpers und ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihr abwenden. Als ich ihren Körper das letzte Mal so gesehen habe, war sie noch ein Mädchen, ein Teenager und jetzt war sie, ganz ohne jeden Zweifel, eine wunderschöne Frau. Der Nachmittag verging für meinen Geschmack viel zu schnell. Die ersten Gäste trafen bereits ein und ich setzte wie gewohnt die Maske des versierten Rechtsanwaltes auf. Es kamen einige Kollegen aus der Kanzlei, ehemalige Klienten und andere unliebsame, aber deshalb nicht weniger bedeutende Bekannte. Zu Beginn meiner Karriere war es ungemein wichtig, den oberen Zehntausend tief in den Arsch zu kriechen, sodass ich für die Kanzlei Mandate an Land zog. Aber inzwischen eilte mir mein Ruf voraus, sodass ich es keineswegs mehr nötig hatte, für mich und meine Qualifikationen zu werben. Dennoch erinnerte mich Izzy immer wieder daran, dass ich nicht gänzlich als Arschloch durch die Welt ziehen konnte und mir einige Kontakte aufrecht erhalten sollte. Als Leiter der IT - Abteilung hatte mein bester Freund nichts auszustehen, außer ordentlich Geld zu scheffeln und ab und an einige Server von gegnerischen Parteien zu knacken. Der Vorstandsvorsitzende nutzte in letzter Zeit auch des Öfteren seine Fähigkeiten dahingehend, dass Izzy spezifische Software für die Kanzlei entwickeln sollte. Ich hatte im Grunde überhaupt keine Ahnung von seiner Arbeit und anders herum schien es wohl genauso zu sein. Eigentlich hatten wir beide einen ziemlich steilen Aufstieg hingelegt. In nur zwei Jahren hatte ich mich zu einem hoch angesehenen Partner in der Kanzlei etabliert und Izzy schaffte es ,durch seine außerordentlichen Fähigkeiten, innerhalb weniger Monate zum Leiter der gesamten Abteilung. Ich hasste solche blasierten Veranstaltungen und versuchte gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Izzy unterhielt sich im Wohnzimmer gerade mit einigen Kollegen, als ich zwei ehemalige Schulkameradinnen begrüßte. Seitdem ich ihre beiden Ehemänner in einem riesigen Betrugsfall verteidigt hatte, bekam ich diese zwei grässlichen Krähen nicht mehr los. Raiko und Hiromi waren eine Klassenstufe unter mir und somit in einer der Parallelklassen von Mimi und Izzy gewesen. Ihre überschwängliche Begrüßung ekelte mich an. Ich hasste es, wenn die Menschen so taten, als seien sie meine besten Freunde, nur weil sie mich von früher kannten. Schnell verzog ich mich in die Küche, um noch ein paar Flaschen Champagner zu besorgen. Verwundert sah ich, dass Mimi in ihrem Badeanzug an der Küchenspüle stand und einige Gläser säuberte. „Was machst du denn da?“ fragte ich grinsend und legte ihr sachte meine Hand auf die Schulter. „Es waren keine sauberen Gläser mehr übrig und die Spülmaschine braucht viel zu lange, also wollte ich schnell ein paar Gläser spülen.“ sie schenkte mir ein zuckersüßes Lächeln. „Warte, ich helfe dir...“ antwortete ich und schnappte mir das Geschirrtuch, um die Gläser abzutrocknen. „Du bist ein furchtbar schlechter Gastgeber, es gibt ja nicht mal was zu essen...“ Mimi grinste frech und spritzte mir etwas Spülwasser ins Gesicht. „Mir doch egal. Die sollen bloß nicht zu lange bleiben. Alkohol ist völlig ausreichend und wenn dieser auch noch in so liebevoll gespülten Gläsern serviert wird, gibt es jawohl nichts auszusetzen.“ Ich stieß mit meiner Hüfte gegen ihre und spritzte ebenfalls etwas Wasser in ihr Gesicht. „Hast du denn schon gesehen, dass Mimi Tachikawa hier ist?“ wir beide erstarrten in unserem Spiel, als wir von draußen diese beiden Stimmen hörten. Offenbar standen Raiko und Hiromi im Flur und da die Küche zum Flur hin durchgängig war hörten Mimi und ich jedes einzelne Wort, das die beiden miteinander wechselten. „Ja unglaublich, oder? Die traut sich was, hier nach all den Jahren aufzutauchen!“ „Sie soll doch eine Affäre mit einem Lehrer gehabt haben und dann Hals über Kopf mitten im Schuljahr der 10. Klasse verschwunden sein.“ „Nicht nur eine Affäre. Ich habe gehört, dass sie sogar schwanger gewesen sein soll und ihr Vater sie dann aus der Schule raus nahm und mit der gesamten Familie in die USA verschwand.“ „Es ist wirklich unfassbar, sie ist immer noch dieselbe Schlampe wie damals. Hast du ihren Badeanzug gesehen? Was soll das werden? Will sie jetzt Yagami rumkriegen? Sie war doch schon immer so ein Flittchen und hat sich an jeden Typen rangemacht.“ „Tja, wenn man sonst nichts kann, muss man sich wohl einen reichen Ehemann suchen, der einen dann aushält...“ Ich war völlig erstarrt über das, was die beiden da so schonungslos miteinander besprachen. Sie wussten nicht, dass Mimi und ich einige Meter entfernt standen und alles hörten. Mein Herz raste vor Wut und ich konnte mich kaum beherrschen. Es fehlte nicht viel und ich wäre nach draußen gestürmt, um den Beiden ordentlich meine Meinung zu sagen, als ich plötzlich das Zerbrechen eines Glases hörte. Erschrocken sah ich zu Mimi. Ich hatte sie in meinem Rausch aus Zorn völlig ausgeblendet, aber sie stand ja immer noch neben mir. In ihrer rechten Hand hielt sie den abgebrochenen Stiel des Weinglases. Sie schien unverletzt zu sein, aber bei dem Anblick ihres Gesichts lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Ihre Augen waren weit aufgerissen und wirkten völlig leer. Angespannt zitterten ihre Hände, in denen sie das zerbrochene Glas hielt. Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihre und schob die Scherben aus ihrer Handfläche. Ich konnte ohne große Mühe erkennen, wie sehr sie mit sich selbst kämpfte. Sie wollte nicht weinen, sie wollte keine Schwäche zulassen und doch zeigte jede einzelne Faser ihres Körpers, wie verletzt sie war. Als würde ich neben mir stehen, hörte ich nur beiläufig, dass die beiden Frauen im Begriff waren die Küche zu betreten und sich noch ein Glas Champagner zu holen. Mimi rieb sich panisch über das Gesicht und fing an wie Espenlaub zu zittern. Sie wollte sich verstecken, einfach nur davon laufen. Ich sah die Panik in ihren Augen. Wie ein angeschossenes Reh versuchte sie, vor den Wölfen zu flüchten, doch es gab kein Entkommen. Ich vermag nicht mehr genau zu beschreiben, was damals mit mir geschah. Was in meinem Kopf vorging, aber ich konnte an nichts anderes denken, als daran, sie zu beschützen. Auf keinen Fall wollte ich, dass diese gehässigen Weibsbilder ihre verletzte Seite sahen und Mimi dadurch noch viel mehr demütigten als ohne hin schon. Ich zog mein Shirt aus und beförderte es kurzerhand über ihren Kopf. Fassungslos starrte mich Mimi an, als ich mich mit dem Rücken gegen die Küchenspüle lehnte und sie an meine Brust zog. Mimi stand nun mit ihrem schmalen Rücken zum Flur, sodass niemand ihr Gesicht sehen konnte. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich unsere Blicke, bevor ich mich zu ihr beugte und sie zärtlich küsste. Ich schmeckte ihre salzigen Tränen auf ihren Lippen und spürte ihren zitternden Körper in meinen Armen. Zärtlich streichelte ich über ihren Rücken und versuchte ihr so ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Bevor ich meine Augen schloss, sah ich die dämlichen Gesichter von Raiko und Hiromi, die mit hochrotem Kopf in der Küche standen und unseren Kuss beobachteten. „Oh, wir wollten nicht stören...“ stammelte Raiko lachend und zog ihre Freundin am Arm wieder zurück in den Flur. „Da hat sich Yagami aber wieder schnell eine Flamme aufgerissen!“ „Diesmal eine Brünette, wo er doch sonst eher auf Blondinen steht...“ Ich konnte das dämliche Gerede und Lachen der beiden noch solange hören, bis sie endlich wieder irgendwo im Garten verschwunden waren. Doch im Grunde war es mir egal, denn meine Aufmerksamkeit galt einzig und allein der Frau in meinen Armen und dem atemberaubenden Kuss, den wir soeben miteinander teilten. Auch wenn Mimi zunächst nicht darauf einstieg und sichtlich überrumpelt wirkte, spürte ich irgendwann ihre Zunge, die sanft gegen meine stieß. Ohne länger darüber nachzudenken fuhren meine Hände hinauf zu ihrem Haar. Meine Finger vergruben sich in ihren langen kastanienbraunen Strähnen und ich sog den süßlichen Duft ihres Haares gierig in mich auf. Es war ein Kuss. Ein einfacher Kuss und doch weckte er so viele Emotionen in mir. Es war lange her, dass ich eine Frau so leidenschaftlich küsste. Es war überhaupt lange her, dass ich eine Frau geküsst habe. Verdammt, es war lange her, dass ich sie geküsst habe. Keine Ahnung wie lange wir so innig ineinander verschlungen in der Küche standen und uns küssten, aber es war Mimi, die sich schließlich von mir löste. Ich öffnete langsam meine Augen und rang kurz nach Atem. Sie blickte zu Boden und so war es mir unmöglich ihr Gesicht zu sehen. Ihre Hände lagen flach auf meiner Brust. Es war kein Zittern mehr zu spüren, einzig das leise Geräusch ihres gleichmäßigen Atems konnte ich vernehmen. „Danke...“ flüsterte sie kaum hörbar. Unbeholfen starrte ich sie an und drückte ihr Kinn mit meiner linken Hand nach oben. Ich wollte sie sehen, in ihre Augen blicken und wissen, was sie fühlte. Was war das gerade zwischen uns gewesen? Einfach nur ein Kuss unter Freunden oder doch mehr? Verschämt wich sie meinem Blick aus und vorsichtig wischte ich die letzten Reste ihrer Tränen weg. „Du musst diese dämlichen Weiber ignorieren. Nur wir beide wissen einzig und allein was damals wirklich passiert ist.“ Scheiße! Hatte ich das jetzt wirklich gerade laut ausgesprochen? Ihre goldbraunen Augen trafen mich wie scharfe Messerspitzen und ich sah deutlich, dass ich soeben eine längst verblasste Narbe aufgerissen hatte. Ich erzitterte bis ins tiefste Mark, als ich sah, wie aus ihren verloren Augen dicke Tränen kullerten. Schluchzend presste sie ihre Hände gegen ihre Lippen und versuchte sich zu beruhigen, aber es half nichts. Plötzlich war ich derjenige, der anfing zu zittern. Hastig zog ich sie an meine Brust und legte meinen Kopf auf ihre Schulter. „Entschuldige...“ flüsterte ich mit brüchiger Stimme. Doch anstatt einer Antwort hörte ich nur ihr verzweifeltes Schluchzen und spürte, wie sich ihre Fingerspitzen in die nackte Haut meines Rückens bohrten. „Es ist nicht deine Schuld...“ keuchte sie gegen meine Brust und ich öffnete erschrocken meine Augen. „...wahrscheinlich haben die beiden recht damit. Was sollen sie auch sonst von mir denken?“ Hatte ich das jetzt richtig verstanden? Was lief denn jetzt verkehrt? Mit überhaupt nichts hatten diese elendigen Schlampen recht. Wie konnte Mimi sich dieses Geschwätz annehmen? Niemand hatte das Recht über einen anderen zu urteilen und schon gar nicht dann, wenn er die Wahrheit überhaupt nicht kannte. Sanft drückte ich Mimi von mir weg und sah sie lächelnd an. „Vielleicht machst du dich kurz etwas frisch, ich bringe dich ins Schlafzimmer, dort ist ein separates Badezimmer. Nimm dir etwas Zeit, ich bin gleich wieder da.“ Auch wenn es total bescheuert wirkte, aber ich musste sie jetzt alleine lassen. Ich konnte es nicht länger aushalten, sie so verletzt zu sehen. Meine Wut vernebelte mir völlig die Sinne und ich konnte mich keine weitere Sekunde zusammen reißen, also blieben mir nur zwei mögliche Optionen. Entweder würde ich vollständig ausrasten oder aber Gleiches mit Gleichem vergelten. Ich stürmte durchs Wohnzimmer und packte Izzy an der Schulter. Etwas entsetzt über meinen harten Griff, starrte mich mein bester Freund ratlos an. „Bitte geh ins Schlafzimmer zu Mimi, ich bin gleich bei euch...“ mit diesen Worten ließ ich ihn stehen und eilte nach draußen zum Pool. Die beiden Weibsbilder standen gerade mit einigen anderen Gästen zusammen und unterhielten sich angeregt. Mit einem freundlichen Lächeln legte ich meine Arme um die Beiden und löste sie aus der Menge. „Ich glaube, ihr beiden wolltet gerade gehen.“ sagte ich überaus freundlich und manövrierte die beiden in Richtung Einfahrt. „Was? Nein, wie kommst du denn darauf? Wir sind doch erst gekommen!“ meinte Raiko und fing an zu lachen. „Oh ich bin ganz sicher, dass ich gerade gehen wolltet.“ Ich öffnete die Tür ihres Autos und forderte sie mit meinem beinahe schon bedrohlich ernsten Blick dazu auf einzusteigen. „Was ist denn passiert? Wir wollten dich und deine Flamme nicht stören. Warum so wütend?“ fragte Hiromi und ließ das Fenster runter. Lässig und mit einem süffisanten Grinsen lehnte ich mich ins Auto. Diese dummen Idiotinnen hatten Mimi tatsächlich nicht erkannt. Sie dachten also wirklich, ich hätte mit irgendeiner unbekannten Frau rumgeknutscht. „Wenn ich nur noch ein einziges Mal höre oder mitbekomme, dass ihr in dieser Art und Weise über Mimi sprecht, werdet ihr mich nicht nur wütend erleben.“ Beide starrten mich erschrocken an. „Aber wir...“ ich ließ sie überhaupt nicht zu Wort kommen. „Ihr erlaubt euch ein Urteil über Menschen, die ihr überhaupt nicht kennt. Kein Stück wisst ihr über sie oder über mich. Vielleicht solltet ihr eure Zeit vielmehr damit verbringen auf euch selbst zu schauen, bevor ihr euch die Mäuler über andere zerreißt. Vielleicht sollte sich Raiko die Frage stellen, warum ihr Mann jeden Dienstag und Donnerstag Überstunden machen muss und ihre beste Freundin Hiromi an diesen Tagen ebenfalls keine Zeit hat. Möglicherweise weil sich die beiden an diesen Tagen im Hotel zum vögeln treffen? Aber vielleicht vermutet Raiko das schon länger und hat deshalb vor wenigen Monaten eine Affäre mit dem Mann ihrer besten Freundin angefangen?“ mit jedem Wort, das ich von mir gab, entglitten ihre dummen Gesichter mehr und mehr. „Schon unfassbar was die Menschen alles so erzählen, wenn sie in der Klemme sitzen. Was mir meine Klienten erzählen, nur um ihren eigenen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Eure Männer haben weder vor euch, noch vor sich selbst Respekt. Alles was sie in ihrem Leben schätzen sind Geld und Macht und ihr lebt doch recht gut damit...“ Ich beugte mich tiefer nach unten und sah den beiden noch immer lächelnd ins Gesicht. „...die einzigen Schlampen die ich hier sehe seid ihr, fickt gegenseitig mit euren Männern rum und nennt euch beste Freundinnen? Ihr wisst doch überhaupt nichts von Freundschaft.“ Ich lehnte mich zurück und ließ meine Hände lässig in meine Hosentaschen gleiten. „Ich gehe recht in der Annahme, dass wir damit übereinkommen, dass ich nie wieder etwas von euren diffamierenden Anschuldigungen gegenüber Mimi Tachikawa höre, denn ansonsten wird wohl jeder von euren bedingt treuen Ehemännern und deren wenig rühmlichen Geschäften erfahren.“ Die zwei Frauen starrten schweigend vor sich hin und ich bekam nur ein kurzes Nicken als Bestätigung. Wütend schlug ich gegen die Wagentür und hob meine Stimme. „Haben wir uns verstanden ihr verfluchten Dreckstücke?“ Ängstlich zuckten beide zusammen und stammelten ein leises »Ja« in meine Richtung. „Na also, geht doch. Dann fahrt schön vorsichtig nach Hause.“ Ich drückte ihnen noch eines meiner freundlichsten Lächeln entgegen bevor ich zurück ins Haus ging. Nach diesem Zwischenfall hatte ich auf keine dieser Scheißfressen noch Bock und schickte alle unter einem fadenscheinigen Vorwand nach Hause. Ich sagte, dass ich mich umgehend mit einem wichtigen Klienten treffen müsste, der plötzlich in Untersuchungshaft saß. Als ich endlich den letzten Gast aus der Haustür befördert hatte, ging ich nach oben und wollte endlich nach Mimi sehen. Die Schlafzimmertür war leicht geöffnet. Scheinbar hatte Izzy beim Betreten des Zimmers vergessen diese wieder zu schließen. Es war totenstill im Haus und ich konnte noch immer das markerschütternde Schluchzen von Mimi hören. Ich wollte die Tür soeben öffnen, als sich mir ein Bild bot, welches mich erstarren ließ. Mimi saß weinend auf der Kante des Bettes und vor ihr auf dem Fußboden kniete Koushiro und hielt zärtlich ihre beide Hände mit seinen umschlossen. Die Art und Weise, wie er sie ansah, wie seine Augen hilflos versuchten ihr etwas zu sagen. Ich habe noch nie einen solchen Blick bei ihm gesehen. Überhaupt hatte ich die beiden noch nie so vertraut miteinander gesehen. Mimi löste eine Hand von ihm und streichelte ihm beinahe liebevoll über sein Haar. Er hingegen wischte ihr vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht und lächelte sie an. Beide sprachen kein Wort miteinander, aber das brauchten sie auch nicht. Ohne Probleme konnte ich erkennen, was sein Blick ihr mitteilen wollte. Sein sehnsüchtiger Blick. Ich konnte nicht länger hinsehen und lehnte mich gegen die Wand des dunklen Flurs. Mit einem Mal fühlte ich mich erstarrt, einsam, hilflos und mein verfluchtes Herz schmerzte in meiner Brust. Mit einem Mal wurde mir bewusst, dass er es war, der die letzten Jahre an ihrer Seite gewesen ist. Ihr bester Freund, ihr engster Vertrauter, ihre Zuflucht und in all den Jahren hätte ich niemals gedacht, dass mein bester Freund solche Gefühle für sie hatte. Vielleicht wollte ich es auch nicht wahrhaben, vielleicht täuschte ich mich auch jetzt in diesem Moment, aber egal was es war, es war mehr als Freundschaft. Und auch wenn es mich jetzt unendlich schmerzte, vielleicht war es auch richtig so. Das mit mir und Mimi war so lange her. Wir hatten uns verändert, unsere Gefühle, unsere Leben, vielleicht waren es nur die Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit mit ihr. An eine glückliche Zeit mit ihr, die mich glauben ließen, dass ich noch immer diese Gefühle in meinem Herzen trug, dass ich sie noch immer liebte. Routiniert setzte ich mein Lächeln auf und öffnete die Tür. Beide sahen mich fragend an und ohne ihnen eine Antwort zu geben, packte ich Mimi und trug sie unter lautem Protest nach draußen. „Hey Tai, was soll das?“ rief Izzy und lief mir hinterher. „Lass mich runter! Bist du bescheuert?“ fauchte sie laut und schlug mit ihren Fäusten gegen meinen Rücken. „Ich kann eure traurigen Gesichter nicht ertragen!“ sagte ich schließlich und warf Mimi von meiner Schulter direkt ins Wasser. Völlig fassungslos stand mein bester Freund neben mir und konnte überhaupt nicht so schnell reagieren, wie er ebenfalls von mir kurzerhand in das kalte Wasser befördert wurde. Mit Anlauf sprang ich den beiden hinterher und für in dem kurzen Moment, den ich unter Wasser war, gab ich mich meiner Traurigkeit hin, doch als ich wieder die Oberfläche erreichte und nach Atem schnappte, blickte ich in das lachende Gesicht meiner Freundin. Allein für dieses unbeschwerte Lachen hatte sich dieser Abend gelohnt. „Wenn man dich zum Freund hat, dann braucht man keine Feinde...“ sagte Mimi noch immer lachend und zog sich mein klitschnasses Shirt über den Kopf. „Dieses kleine bisschen Freundschaft ist mir soviel mehr wert, als alle Bewunderung der Welt.“ antworte ich leise. Ich spürte den fragenden Blick meines besten Freundes auf meiner Haut, dennoch sah ich nicht zu ihm. Mimi schwamm zu mir rüber und strich mir sachte durchs Haar. Ihre Augen wirkten dankbar und ihr Lächeln schien nicht gespielt zu sein und trotzdem konnte ich nicht vergessen, wie zärtlich sie noch vor wenigen Minuten Izzy auf die selbe Weise durchs Haar streichelte. „Das hast du schön gesagt Tai, dann werde ich dir diesen kleinen Fehler wohl vergeben...“ „Ein sehr guter Freund sagte einmal zu mir, dass man in der Freundschaft nicht sehr weit kommt, wenn man nicht bereit ist, kleine Fehler zu verzeihen.“ Ich sah zu Izzy, der bereits aus dem Pool geklettert war und am Stoff seiner nassen Hose zupfte. Er stand mit dem Rücken zu uns. Mimi folgte meinem Blick und lächelte zufrieden. „So ein kluger Freund, den du da hast...“ Er drehte sich zu uns um und streckte uns beiden die Zunge raus. „Bei soviel Blödheit, muss ja einer von uns Dreien etwas mehr als Luft und Kartoffelbrei im Kopf haben. Sehr schlau, mich mit meinen Klamotten ins Wasser zu werfen. Wie soll ich denn heute nach Hause kommen?“ Lachend lehnte ich mich gegen den Beckenrand und spritzte Mimi mit meinen Füßen etwas Wasser ins Gesicht. „Dann fährst du einfach nackt oder wickelst dir ein Handtuch um...“ Ich war im Moment wirklich gemein und irgendwie hatte er es wohl überhaupt nicht verdient, aber es ärgerte mich, dass er Mimi so nahe stand. Verdammt, ich war wirklich ein schrecklich ungerechter Freund. „Oder du leihst mir einfach eines der Kleidungsstücke deiner unzähligen Affären, die du regelmäßig mit hier raus bringst.“ Hatte er das jetzt tatsächlich laut ausgesprochen? Wenn mein Blick getötet hätte, dann wäre er sofort, so wie er dort vor mir stand umgefallen. Aber irgendwie schien es Mimi überhaupt nicht zu erschüttern. Ich hörte ihr sanftes Lachen und wie sie ebenfalls aus dem Wasser kletterte. Geschmeidig ließ sie ihre Beine vom Rand hängen und sah mich herausfordernd an. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der erfolgreiche Rechtsanwalt, so ziemlich jede Frau in der Stadt durch hat und zu meinem Bedauern muss ich anmerken, dass dies mein Bild des heroischen Robin Hood deutlich trübt.“ Mein bester Freund stellte sich neben Mimi und ich sah das schadenfrohe Grinsen in seinem dämlichen Gesicht. „Er vergleicht sich mit Robin Hood? Dabei knutscht er doch mit jeder herum, eher wie Casanova.“ Wenn er jetzt nicht sofort seine dämliche Fresse halten würde, dann müsste ich ihn tatsächlich ins Wasser ziehen und hier in diesem Pool ertränken. Mimi brauchte nun wahrlich nicht alles von unseren gemeinsamen Aufreiß-Touren zu erfahren und ich würde Izzy zum Schweigen bringen, so wahr mir Gott helfe. Ich zog mich ebenfalls aus dem Wasser und setzte mich den beiden gegenüber an den Rand. Meine Augen suchten im glimmenden Schein der Außenbeleuchtung nach ihren goldbraunen Augen. „Vielleicht habe ich tatsächlich so einige Gelegenheiten genutzt, wobei ich da nicht der Einzige bin...“ strafend sah ich zu Izzy und spürte seinen mahnenden Blick. „...aber ich küsse nicht jede Frau. Auch dann nicht, wenn ich mit ihnen eine Affäre habe. Ich küsse lediglich besondere Frauen oder aber alte Freunde.“ Ich hielt kurz Inne und versuchte ihren verwunderten Gesichtsausdruck etwas länger zu genießen. Danach stand ich auf und fuhr mir durchs nasse Haar. Ich wusste nicht, was sie dachte, was sie über unseren Kuss dachte, was sie für mich oder Izzy empfand. Ich wusste nicht, ob wir nur Freunde waren oder viel mehr als das. Eigentlich wusste ich überhaupt nichts und ich kam mir vor wie ein Volltrottel. „Du solltest Mimi nach Hause fahren. Oben sind sicherlich noch einige Klamotten, die du dir ausleihen kannst. Ich werde hier noch für Ordnung sorgen...“ Beide folgten mir nach drinnen und am liebsten hätte ich mich hinter irgendeiner Tür verkrochen. Ich wollte alleine sein, nicht länger diese Maske tragen und mein fröhliches Gesicht machen. „Aber wir können dir doch noch helfen. Du solltest nicht alles alleine aufräumen...“ Ihre Stimme klang stets so sanftmütig und doch konnte ich sie jetzt nicht länger ertragen. „Nein schon gut. Ihr habt noch eine längere Fahrt. Ich muss nur nach Shibuya...“ Keine Ahnung ob Izzy erkannte, dass es mir nicht sonderlich gut ging oder ob er einfach die Chance nutzen wollte mit ihr alleine zu sein. „Okay, ich hole mir von oben etwas zum anziehen und wir fahren nach Hause. Sehen wir uns morgen?“ fragte er und ich konnte nicht länger den Zorn in meiner Stimme verbergen. „Keine Ahnung. Ich glaube aber eher nicht, ich bin mit meiner Schwester verabredet...“ Ich drehte ihm den Rücken zu, wich seinem fragenden Blick aus und verschwand in der Küche. Mimi schien etwas verwundert im Wohnzimmer stehen zu bleiben. Wahrscheinlich spürte man die hitzige Spannung zwischen mir und Izzy und sie konnte nicht einschätzen weshalb ich so angefressen reagierte. Wenige Sekunden später hörte ich ihn aus dem Schlafzimmer kommen und einige Worte mit Mimi wechseln, danach ging er nach draußen und stieg ins Auto. Seufzend lehnte ich meinen Kopf gegen die Kühlschranktür. Was war nur los mit mir? Ich tat gerade so, als hätte er mir mein Spielzeug weggenommen. Wie ein kleiner bockiger Junge führte ich mich auf und wusste selbst nicht warum. „Tai?“ Ihre Stimme ließ mich zusammenzucken und ich drehte mich fragend zu ihr um. Sie hatte sich inzwischen auch wieder ihre Klamotten angezogen und schien etwas besorgt zu sein. „Alles in Ordnung mit uns? Bist du wütend?“ Ich lächelte und schüttelte mit dem Kopf. Sie war so feinfühlig und selbst nach all den Jahren sah sie es mir sofort an. Es war mir noch nie möglich gewesen, irgendwas vor ihr zu verbergen. Vielleicht waren wir uns in diesem Punkt einfach zu ähnlich. Obwohl ich mein Pokerface inzwischen perfektioniert hatte schien es, dass Mimi trotzdem hinter die Fassade blicken konnte. „Ich möchte mich nochmal bei dir bedanken. Vielen Dank für diesen Nachmittag und...“ Sie lächelte verlegen und sah zu Boden. „...Gute Nacht.“ Damit ließ sie mich alleine in der Küche zurück. Aus dem Fenster konnte ich beobachten, wie sie in seinen weißen Toyota Avalon einstieg. Es war natürlich ein Hybrid. Wie konnte man nur einen Hybrid fahren und dann auch noch ein japanisches Auto? Bei seinem Gehalt hätte er Porsche fahren können, aber so war Izzy eben. Vielleicht ein wissbegieriger, etwas gleichgültiger Snob aber ganz gewiss kein Poser. Und was war ich? Ein eifersüchtiger, arroganter, unbedachter Feigling, der seine Unsicherheit hinter einer Maske aus Überheblichkeit versteckte. Ich hätte sie nicht küssen dürfen, ich hätte die beiden nicht so sehen dürfen. Denn scheißegal was wir waren, uns Drei verband soviel mehr als Freundschaft. Nach all den Jahren waren wir alles, aber gewiss nicht nur alte Freunde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)