Ein Jahr von szymzickeonee-sama ================================================================================ August - zweite und dritte Woche -------------------------------- Tenten war so aufgeregt, dass sie viel zu früh wach wurde. Selbst nach einer ausgiebigen Dusche und dem Zusammensuchen ihrer Kyudo-Ausrüstung (die Hälfte ihrer Umzugskartons war immer noch nicht ausgepackt) hatte sie noch massig Zeit. Sie faltete ihren dunkelblauen Hakama, der die besten Jahre definitiv schon hinter sich hatte, und legte ihn umsichtig in die Sporttasche, auf ihren ebenfalls gefalteten Gi. Ihren Yukage, den Handschuh, fasste sie noch behutsamer an. Das Leder wurde trotz intensiver Pflege langsam brüchig, aber Tenten konnte sich einfach nicht von ihm trennen. Zu viele Erinnerungen hingen daran. Sorgsam zog sie den Reißverschluss zu und sah erneut auf die Uhr. Gut. So langsam konnte sie sich auf den Weg machen. Ein Mädchen das nur ein paar Türen weiter ihr Zimmer hatte, war gestern Abend beim Essen noch so freundlich gewesen und hatte ihr eine kurze Wegbeschreibung zu der Adresse gegeben, die Neji ihr geschickt hatte. Schon komisch, dass ausgerechnet sie sich direkt mit einem Jungen anfreundete. Und dann noch einem so gutaussehenden. Vielleicht war sie doch nicht so schlimm, wie die Mädchen auf ihrer alten Schule immer behauptet hatten. Tenten schulterte die Tasche, nachdem sie in ihre Halbschuhe geschlüpft war. Sie trug heute extra das hellgrüne Oberteil, welches sie mit Hinata gekauft hatte. Es passte gut zu dem grauen Faltenrock, der sich in einem der Umzugskartons versteckt hatte. Tenten beglückwünschte sich zu ihrem guten Orientierungssinn. Sie hatte es tatsächlich geschafft, sich NICHT zu verlaufen! Die richtige U-Bahnstation, die richtige Linie, die richtige Richtung. Und der richtige Ausstieg. Unglaublich. Dabei machte ihr die große, brummende Stadt um sie herum immer noch etwas Angst. Die Innenstadt, in der Neji sie und Hinata herumgeführt hatte, war schon beeindrucken gewesen, aber nichts im Vergleich zu dem Anwesen, vor dem sie jetzt stand. Die Hausnummer stimmte aber. Obwohl der Gebäudekomplex doch mindestens zehn davon haben musste! Ein ganzer Block in dem etwas ländlicheren Stadtteil war umzäunt von einem hohen, undurchlässigen Holzzaun. Die Seite, an der sie entlangging, bot neben einer Bushaltestelle auch ein unfassbar riesiges Eingangstor. Tenten vergewisserte sich mit einem Blick auf ihr Handy, auch wirklich am richtigen Ort zu seien. An einem großen Schild war der Name 'Hyuuga' angebracht. Außerdem wurde der Kyudo-Dojo erwähnt. Welche Familie schrieb auf ihr Klingelschild, welche Sportart sie betrieb? Oder war das hier ein offizieller Dojo? Unsicher drückte Tenten die Klingel. Ein leises Summen ertönte und versicherte ihr, dass der Alarm ins Haus weitergegeben wurde. Wenige Sekunden später öffnete sich die linke Seite des Tores und eine Frau, augenscheinlich eine Bedienstete – Halloho! Wenn nicht schon die schiere Größe des Anwesens für Reichtum sprach! - begrüßte Tenten freundlich. »G-guten Morgen«, stotterte Tenten nervös und verbeugte sich kurz. »Ich bin mit Neji verabredet…« »Natürlich, er erwartet sie bereits. Treten sie ein.« Hastig folgte Tenten der Frau, die sie durch einen wunderschön angelegten Garten zum Eingangsbereich des traditionellen Hauses führte. Kirschbäume, ein Teich, eine Brücke. Das alles sah aus wie gemalt. Im Inneren des Hauses, der Eingangshalle – die wie alles andere ziemlich groß war – entdeckte Tenten Neji, der ihr knapp zunickte und damit die Angestellte entließ. Er trug normale Straßenkleidung, eine dunkle Hose und ein dazu passendes, helles Hemd. Gab es überhaupt etwas, worin er nicht gut aussah? »Guten Morgen«, machten beide synchron und ein leichtes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. »Ich zeige dir, wo du dich umziehen kannst.« Sie lief ihm hinterher in den rechten Teil des Hauses, einen Korridor entlang, der mehrfach abbog. Schließlich hielt er vor einer Tür an. »Die Umkleide. Du kannst alle deine Sachen dort lassen, hier kommt nichts weg. Geh einfach die andere Tür hinaus, ich warte dort.« Sie nickte schüchtern und er ließ sie alleine. Tief durchatmen, Tenten, versuchte sie sich zu beruhigen. Alles ganz normal. Sie war doch täglich in Häusern, wo man von einem Zimmer bis zur Küche eine halbe Stunde Fußmarsch hinter sich bringen musste. Die hatten hier bestimmt auch ihren eigenen Onsen. Hoffentlich schmiss sie nicht irgendeine Vase herunter. Neji ließ sich Zeit, in Gi und Hakama zu schlüpfen. Er genoss es, die Bindung zu zelebrieren. Vor allem früh am Morgen, wenn noch nicht das ganze Haus auf den Beinen war. Der Gedanke keimte in ihm auf, dass selbst mit Tenten sich nicht viel an seiner morgendlichen Routine ändern würde. Sie war kein Mädchen, dass viel redete, im Gegensatz zu seiner Freundin und Teamkollegin Sakura, die ihm mit ihrem Geplapper ein ums andere Mal auf die Nerven ging. Gelassen trat er aus dem Umkleideraum und musste nur wenige Minuten warten, bis Tenten zu ihm stieß. Ihre Trainingsklamotten sahen abgewetzt aus, aber standen ihr hervorragend. Wortlos schritt er voran, öffnete die Türen zu der überdachten Terrasse, von der das Kyudo ausgeübt wurde. Einer seiner Vorfahren hatte vor etlichen Jahren die fünfzig Meter langen Bahnen errichten lassen, die bis heute nur betreten wurden, um den Rasen auf einer angemessenen Länge zu halten. Vier Zielscheiben an dem aufgeschütteten Wall zeigten an, wie viele Schützen diesen Trainingsplatz gleichzeitig nutzen konnten. Neji war eines der wenigen Familienmitglieder, die öfter hierher kamen. Sein Onkel, sowie seine jüngste Cousine Hanabi trainierten hier, aber abgesehen davon kamen die Meisten nur zur gelegentlichen Entspannung. Fast hätte Tenten der Mund offen gestanden, als sie das gesamte Bild bestaunte. Wahnsinn! Neji hatte ja so ein Glück, einen eigenen Trainingsplatz zu haben! Und dann auch noch so einen schönen! Neji reichte ihr einen Bogen. Gemeinsam, schweigend spannten sie die Yumi. Neji reichte ihr außerdem einen Köcher mit zehn Pfeilen. Fünf Haya, fünf Otoya. Für sie machte es keinen Unterschied, sie schoss mit beiden gut. Ihr blieb noch ein Moment der Bewunderung, aber Neji hatte sich schon aufgestellt, die Füße in die richtige Position geschoben und legte den ersten Pfeil an. Er war Rechtshänder und stand links von ihr, sodass sie ganz genau seine Haltung analysieren konnte. Er wirkte sehr mit sich im Einklang. Sie schloss die Augen, wandte sich ab, als sie das Geräusch des durch die Luft zischenden Pfeiles vernahm. Zeit für ihr eigenes Kyudo. Mit geschmeidigen Bewegungen nahm sie Haltung an, legte den Pfeil auf ihrer Hand ab, das Ende an die Sehne gezogen. Ein harter Bogen. Sie musste etwas kräftiger ziehen, als bei dem Schulbogen, den Neji ihr vor wenigen Tagen gegeben hatte, aber das machte ihr nichts aus. Sie versank in der Betrachtung der geraden Linie, die der Pfeil parallel zu ihrem ausgestreckten Arm bildete. Tief ein- und ausatmen. Den Bogen, den Pfeil fühlen. Die Sehne, die Spannung. Sie zielte weniger, als dass sie einfach versuchte die perfekte Position zu finden. Sie achtete nicht darauf, wie gut ihre Pfeile trafen. Aber keiner verfehlte die Scheibe. Nach dem vierten Pfeil setzte sie den Bogen ab, sah zu Neji, und errötete. Er starrte sie an. Nicht böse, nur… nachdenklich. Mit einem Lächeln, dass seine Mundwinkel unmerklich nach oben bog. Als sie ein leises Klatschen hinter sich hörte, zuckte sie zusammen. Neji hatte den Neuankömmling natürlich schon längst gesehen, aber nichts gesagt. Hiashi begrüßte Tenten mit einer Neigung seines Kopfes und sie stotterte einen Guten-Morgen-Gruß zusammen. »Wie ich sehe, habt ihr ein gemeinsames Talent entdeckt«, ließ er verlauten. Auf einen Wink des Hausherren machte sich ein junger Angestellter daran, die schon abgeschossenen Pfeile aus den Scheiben zu entfernen. Tenten konnte noch sehen, dass auch Neji bei seinen fünf Schüssen kein einziges Mal daneben getroffen hatte. »In einer knappen Stunde ist das Frühstück angesetzt. Ich lasse noch ein weiteres Gedeck auftragen. Bitte seid pünktlich.« »Natürlich, Onkel.« Neji ließ sich nicht beirren und nahm seine Position wieder ein, sobald der Angestellte aus der Schusslinie gegangen war. Tenten wartete unruhig, bis Hiashi sich umgedreht hatte, bevor sie zu einem neuen Pfeil griff und ebenfalls wieder Haltung annahm. Fremde Menschen machten sie immer so nervös. Mit Neji allerdings… es war fast, als wäre er gar nicht da. Sie konnte ihn vollständig ausblenden, wenn sie sich auf ihr Kyudo einließ. Eine gute Dreiviertelstunde später wies Neji sie an, sich umzuziehen. Hastig folgte sie seiner Anweisung, ohne ein Wort zu sagen. Auch der Weg zu dem kleinen Speisesaal – ehrlich mal, wie groß war dieses 'Haus'?! - verlief schweigend. Neji ertappte sich bei dem Gedanken, dass er sich daran gewöhnen könnte, Tenten um sich zu haben. Sie war viel mehr damit beschäftigt sich die Wege hier zu merken. Zweimal rechts, einmal links, eine Treppe hoch, den Gang bis zum Ende- Verwirrend. In dem Zimmer, das sie schließlich betraten – es war wirklich ein kleiner Saal – war ein großer Tisch und ein Buffet! aufgebaut. Hiashi Hyuuga saß schon am Kopfende, in eine Unterhaltung mit einem noch älteren Mann – seinem Vater? - verstrickt. Neben ihm war ein Platz frei und wiederum daneben saß ein junges Mädchen, das Tenten neugierig betrachtete. Neji verbeugte sich steif, während er grüßte. »Guten Morgen Großvater. Onkel. Hanabi.« Rasch verbeugte sich auch Tenten, brachte ein stotterfreies, aber leises »Guten Morgen!« hervor. Neji nahm neben seinem Großvater platz, nachdem er hilfsbereit den Stuhl neben sich für Tenten nach hinten gezogen hatte. Die beiden älteren Männer beachteten sie nicht, und zumindest fühlte sie sich in Nejis Nähe nicht ganz so unwohl. Der freie Platz gegenüber wurde schließlich von Hinata eingenommen, die mit einem entschuldigenden Lächeln und einer tiefen Verbeugung das Zimmer betrat. Hanabi beugte sich zu ihrer älteren Schwester und flüsterte: »Neji-nii bringt doch sonst nie seine Freunde mit.« Hinata zuckte mit den Schultern und lächelte. »Tenten ist sehr nett«, murmelte sie der jüngeren zu. Stirnrunzelnd folgten Hanabis Augen dem brünetten Mädchen, welches jetzt hinter Neji, ihrem Vater und ihrem Großvater zum Buffet trat. Hanabi reihte sich hinter ihrer Schwester ein. Als Tenten schon wieder platz genommen hatte, stupste die jüngere Hinata an, die Hand erhoben und mit ausgestrecktem kleinen Finger, der Blick fragend. Hinata wurde rot, schüttelte aber zaghaft den Kopf. Nicht soweit sie wusste. Nach dem ausführlichen Frühstück kehrten Neji und Tenten zurück in den Kyudo-Dojo. Er war verwundert darüber, wie sehr sich ihr Verhalten ändern konnte. Beim Frühstück hatte sie sich übernervös gezeigt - generell in der Nähe anderer Menschen. Aber beim Kyudo war es… als ob sie eine Selbstsicherheit hätte, die sie fast schon überheblich wirken ließ. Wenn sie wirklich in seinen Freundeskreis aufgenommen werden wollte, musste sich daran etwas ändern. Neji war jemand, der zu seinem Wort stand, deswegen hatte er sich fest vorgenommen, sie so gut wie möglich zu integrieren. Genau wie Hinata. Er ahnte ja nicht, welche Schwierigkeiten sich dabei auftun würden. Zwei Tage später, am Montag, betrat Tenten auf Nejis Aufforderung hin erneut den Schul-Dojo. Er hatte angeboten, sie dem zuständigen Lehrer vorzustellen, Kakashi-Sensei. Kakashi trug eine Gesundheitsmaske vor dem Gesicht und grüßte Tenten unenthusiastisch, musterte sie kritisch von oben bis unten. »Heute kannst du leider nicht mit trainieren, wir müssen uns für das Wochenend-Turnier vorbereiten«, erklärte er ihr schließlich, während Neji, Kankuro und Sakura – die einzigen, die sie bis jetzt kennengelernt hatte – sowie ein paar andere Schüler mit ihrem Kyudo anfingen. Tenten nickte verständnisvoll. Das war vollkommen richtig so. Sie als Neuling sollte das Training nicht mehr stören, als nötig. Der Lehrer war ihr sympathisch, und da sie sowieso schon in ihre Kyudo-Kleidung geschlüpft war, bot sie leise an, sich nützlich zu machen. Zusammen mit einem anderen Mädchen wurde sie in den Geräteschuppen geschickt und verbrachte einige Zeit damit, Pfeile nach Haya und Otoya zu sortieren - sie konnte nicht verstehen, warum jemand sie gemischt hatte. Es wurde spät, bis Kakashi-Sensei das Training für beendet erklärte. Sakura hatte sich zu Tenten gesellt, den Jungen dabei zugeguckt, wie sie ihre Ausrüstung verstauten. »Und, wie war die Stadtführung mit Neji?«, fragte sie lächelnd. Tenten erwiderte es zögernd, bevor sie antwortete: »Sehr nett. Er war mit mir und Hinata… shoppen.« »Freiwillig?«, machte Sakura überrascht. So kannte sie Neji ja gar nicht. Machte er nicht sonst einen riesigen Bogen um die Shopping-Trips, die Ino ansetzte? Und verzog er nicht, genau wie Shikamaru und Sasuke immer leidend das Gesicht, wenn er trotzdem mitgeschleift wurde? Tenten nickte langsam. Sakura sah verblüfft von ihr zu Neji, der jetzt zu ihnen kam, den Bogen in Tentens Richtung ausgestreckt. »Mach noch ein paar Schüsse, sonst bist du heute ganz umsonst hier gewesen«, sagte er kühl. Er nahm Tentens Platz neben Sakura ein, während er die Brünette beobachtete. Bis auf Kankuro und Kakashi hatten sich die anderen Mitglieder schon in die Umkleiden verabschiedet. Kakashi für seinen Teil war neugierig auf das Mädchen, das Neji Hyuuga dazu brachte, ihr seinen Bogen zu leihen. »Ihr wart shoppen?«, flüsterte Sakura Neji amüsiert zu. »Hn.« »Du wurdest nicht gezwungen?« »Hinata und Tenten sind sehr viel angenehmere 'Shopping-Partner', als du, Temari oder gar Ino«, flüsterte er leise zurück, die Augen nicht von Tenten abwendend, die gerade den Bogen spannte. Sakura wusste, dass das Thema beendet war. Sturkopf. »Und sie hat Sais Urlaubsort herausgefunden?« Neji schwieg. Seine Freundin boxte ihm grinsend in die Seite und verpasste dabei fast, wie Tentens Pfeil von der Sehne schnellte. Mitten ins Schwarze. Kakashi nickte anerkennend und Kankuro hatte den Kopf schief gelegt. Tenten nahm einen weiteren Pfeil, ließ sich nicht beirren. Auch der zweite Schuss traf die Zielscheibe, allerdings etwas unterhalb des innersten Rings. Der Lehrer nickte erneut anerkennend, bevor er sagte: »Ab nächster Woche kannst du zum regulären Training kommen. Ich bin mir sicher, wir finden einen Platz für dich.« Auf Tentens Wangen breitete sich ein Hauch rosa aus und sie nickte dankbar, reichte Neji seinen Bogen zurück. Hoffentlich würde sie niemanden aus dem Team verdrängen. Das würde nur böses Blut bringen, und darauf war sie wirklich nicht scharf. Am Samstag, zwei Wochen später – dem letzten vor Beginn des Schuljahres – fand sich Tenten erneut im Hyuuga-Anwesen wieder. Nach dem regelmäßigen Training in der Schule hatte Neji ihr erneut angeboten, ihm am Wochenende Gesellschaft zu leisten und dankbar hatte sie angenommen. Da sie erst zum zweiten Mal hier war, führte Neji sie erneut zu den Umkleiden. Er schwieg dabei, aber Tenten war überrascht, eine glockenhelle Stimme leise im Hintergrund singen zu hören. Sie sah ihn fragend an. »Hinata hat heute Gesangsunterricht.« »Oh. Wow. Das hört sich richtig gut an«, murmelte Tenten und lauschte einen Moment. »Sie ist viel musikalischer als der Rest der Familie«, erklärte Neji knapp und ließ Tenten allein. Er mochte den Gesang seiner Cousine, keine Frage – aber er war froh, dass dieser im Dojo nicht zu hören seien würde. Jedwede Ablenkung war ihm unwillkommen. Letzte Woche hatte er nur knapp den ersten Platz geholt, dicht vor seinem Co-Captain und gewissermaßen 'Rivalen' Kankuro. Das würde ihm nicht nochmal passieren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)