Christmas in a Lion‘s Den von Arcturus (FF-Adventskalender Tag 2) ================================================================================ The Snake --------- Lucius‘ Parfum hing in der Luft, lange, nachdem er sich von ihr verabschiedet hatte. Es war ein maskuliner Duft, holzig und ledrig, aber Narcissa hätte seine Komponenten nicht näher bestimmen können. Das Parfum hatte sie umfangen, kaum, dass Lucius sich zu ihr gebeugt hatte, um ihr eine Strähne hinters Ohr zu streichen. Insgeheim fragte sie sich, ob er gar nicht mitbekommen hatte, dass sie, unter der Herznote von Jasmin und Maiglöckchen, immer noch nach der Vertrauensschülerangelegenheit der letzten Nacht roch. Vielleicht hatte er es aber auch gar nicht bemerken können. Ihr war noch immer ein wenig schwindelig. Natürlich, es überraschte Narcissa nicht, dass sich Lucius für teure Düfte zu interessieren begann, das taten die meisten reinblütigen Jungen in ihrem Alter. Sie wünschte sich nur, er würde die gleiche Sorgfalt, die er für die Auswahl des Duftwässerchens verwendete, auch für die Dosierung aufbringen. Sie räusperte sich. In ihrem Augenwinkel flackerte etwas Rot-Gold-Matschiges. Narcissa erkannte nicht, worum es sich genau handelte, doch die Bewegung war Warnung genug. Sie duckte sich reflexartig. Ein Arm, umhüllt von einem schwarzen Winterumhang und dem Odeur von vergammeltem Kürbis, fegte über ihren Kopf hinweg. Leider hatte ihr Angreifer zwei Arme. Der zweite erwischte sie und zog sie gekonnt in einen Schwitzkasten. Weicher, warmer Wollstoff in warmen roten und goldenen Farbtönen klatschte ihr ins Gesicht. Narcissa japste empört auf, dann zappelte sie. „Frank Longbottom!“, fauchte sie. „Lass mich auf der Stelle los!“ Der Gryffindor lachte. „Sag Frank Desmond Longbottom zu mir!“ „Ich sage gleich Vermiculus zu dir!“ Frank lachte, ließ sie aber tatsächlich los, allerdings erst, nachdem er ihre Frisur gehörig durcheinander gebracht hatte. Automatisch glitt ihr Griff in eine ihrer Umhangtaschen. Ihre Finger tasten über ihren Zauberstab und daran vorbei, bis sie kühles Metall unter ihren Fingerspitzen spürte. Mit routinierten Bewegungen zog sie den Taschenspiegel hervor und klappte ihn auf. Probeweise zupfte sie an einer Strähne. Einen kritischen Blick später seufzte sie schwer. Unrettbar. Narcissa warf ihm einen finsteren Blick zu. „Du bist unmöglich“, murrte sie. „Warum gebe ich mich überhaupt mit einem Gryffindor ab?“ Zugegeben, eigentlich war es ihr klar. Sie hatte an Frank einen Narren gefressen, seit sich ihr Klassenkamerad nicht, wie jeder normale Schüler, an seinen eigenen Haustisch gesetzt hatte, sondern mitten zwischen sie und … wusste sie nicht mehr. Ihre Erinnerung bestand nur aus klein, blass und fettig. Und aus Frank. Eigentlich vor allem aus Frank und aus ihrer Bewunderung dafür, dass er es ohne einen einzigen Fluch im Rücken durch das Frühstück und aus der großen Halle geschafft hatte. „Weil du ihn lustig findest“, sprach ein anderer Junge aus, was sie dachte. Rufus. Narcissa erkannte ihn an der Stimme, aber sie hätte auch gewusst, dass er hinter ihnen stand, hätte er geschwiegen. Rufus war selten weit entfernt, wenn Frank in der Nähe war. Außerdem hatte er diese typische Vertrauensschüleraura, die sie schon bei Isobel Nott in ihrem ersten Schuljahr gruselig gefunden hatte. Nott hatte immer plötzlich hinter einem gestanden, wenn man auch nur überlegte, ob das, was man gerade tat, gegen die Regeln war. Und selbst, wenn Narcissa sich sicher war, dass sie nichts verbrochen hatte, hatte ihr Blick gereicht, um ihr ein schlechtes Gewissen zu machen. Rufus konnte das auch. Nicht, dass Narcissa sich jetzt hätte schuldig fühlen wollen. Das war Franks Aufgabe. Leider war der gegen jede Vertrauensschüleraura immun. Sie klappte den Taschenspiegel wieder zu. „Was macht ihr um diese Zeit überhaupt hier? Ich dachte, ihr wolltet ausschlafen.“ „Frank wollte ausschlafen“, verbesserte Rufus sie. Er trat in ihr Blickfeld – vermutlich nur, damit sie sich schuldig fühlte, weil sie sich nicht zu ihm umgedreht hatte. Sie ignorierte das. „Gut, Frank wollte ausschlafen.“ Sie neigte den Kopf, sodass sie Frank mit einem anklagenden Blick strafen konnte. „Frank, warum schläfst du nicht aus?“ Frank zuckte zur Antwort mit den Achseln. „Ich dachte, wir sollten uns verabschieden.“ Verabschieden? Narcissa verdrehte die Augen. „Du tust ja beinahe so, als würde ich Gefahr laufen, nie wieder zu kommen.“ Die Chancen dafür standen wirklich schlecht. Zu Hause warteten nur das dröge Familienessen mit Tantchen Walburga, ihren Eltern und Tinkerbell. Das und – urgh. „Na ja, danach sah es aus, oder?“, entgegnete er. Urgh in der Tat. Gegen ihren Willen fühlte Narcissa sich ertappt. Verdammt. So sehr Narcissa Aufmerksamkeit an sich auch genoss, unbemerkt beobachtet zu werden, gehörte nicht dazu. Wie viel hatten die beiden Gryffindors gesehen, bevor Frank sie angefallen hatte? Lucius‘ Verabschiedung? Mit Pech mehr. „Sollen wir schon mal den Hochzeitswalzer üben?“, fragte Frank und klang dabei beinahe so süß wie sie es selbst gerne tat, wenn sie richtig ätzen wollte. Egal, wie viel die beiden Jungen gesehen hatten, es war eindeutig zu viel gewesen. „Eher den Trauermarsch.“ Franks Bewegung in ihrem Augenwinkel kam in etwa so unerwartet, wie sein Lachen. Es war ein warmes, angenehmes Lachen, das sie unter seinem Umhang spüren konnte, als er sie in eine neue Umarmung zog. Sie konnte nur hoffen, dass er die Kette unter ihrem Umhang nicht genauso spüren konnte. „Dabei wärt ihr so ein hübsches Paar! Du – die jüngste Tochter der Blacks, charmant, hübsch, intelligent und … Rufus, was ist Malfoy?“ Narcissa spähte an Franks Arm vorbei zu Rufus. Sie spürte, wie Franks Kinn über ihren Scheitel strich, als er das Gleiche tat.. Einen Moment lang tauschten die drei Blicke. „Ein Pfau.“ „Genau! Du … und der Pfau, Cissy! Ist das nicht romantisch? Fast so, wie in die Schöne und das Biest!“ Narcissa wand sich aus Franks Griff. „Ist das ein Muggelmärchen, Frank?“ „Ja, und? Es ist so romantisch.“ „Lucius Malfoy ist in etwa so romantisch, wie ein explodierter Knuddelmuff.“ Für den Moment auf allen Respekt, den sie anderen reinblütigen Magiern normalerweise entgegenbrachte. Ohnehin hatte ihr Respekt für Lucius in der letzten halben Stunde gelitten – unter Parfumwolken, Geschenken, die sie nie hatte haben wollen, und ordentlich manikürten Fingernägeln, unter denen ein undefinierbarer, grüner Farbton geklebt hatte. Frank zuckte mit den Achseln. „Nun, dann ist er zumindest flauschig.“ „Wenn du das glaubst, solltest du einmal einen Knuddelmuff in die Luft jagen“, warf Rufus ein. Er schüttelte den Kopf. „Aber Kopf hoch. Wie wahrscheinlich ist es, dass er sich morgen noch an dich erinnert?“ „Meine Eltern haben ihn und seine Eltern zum Weihnachtsessen eingeladen.“ Da, jetzt hatte sie es gesagt. Der Satz hing zwischen ihnen, wie ein rosafarbener Elefant. Vielleicht hätte sie sich weniger Sorgen gemacht, hätte Malfoy nicht begonnen, sich für sie und ihre Mitschülerinnen zu interessieren. Das letztes Jahr war möglicherweise noch ein schlechter Scherz gewesen, eine Mischung aus jugendlicher Idiotie und dem Bedürfnis mit seinen Quidditch-Kumpeln die Besenlängen zu vergleichen. Aber jetzt? Mittlerweile musste er verstanden haben, dass er den Erben, den sein Vater von ihm erwartete, nicht durch Zellteilung erhalten würde. Nicht mal durch magische. Das Schweigen der Jungen war Antwort genug. Narcissa warf beiden einen skeptischen Blick zu. Rufus blickte drein, als suche er nach einem Grund, für den er Malfoy Punkte abziehen konnte, und neben ihr sah Frank sie an, als habe sie ihm gerade eröffnet, Lady Sapphire, ihre Katze, sei von einem Flubberwurm gefressen worden. „Wie wahrscheinlich ist es, dass Tinkerbell ihn frisst?“ Sie wandte sich aus Franks Griff und verschränkte die Arme vor der Brust. Eine blonde Strähne fiel ihr dabei ins Gesicht. Narcissa pustete sie fort und sah ihn finster an. „Tinkerbell ist Daddys Mops, Frank.“ „Er ist Daddys größenwahnsinniger Mops?“ Realistisch betrachtet, hatte Tinkerbell keine große Chance. Selbst als Pfau wäre Malfoy größer und schwerer als der Schoßhund ihres Vaters und das überdimensionale, malfoysche Ego blieb sicher auch einem Mops im Halse stecken, der sich für Godric Gryffindor hielt. Dennoch – die Vorstellung von Tinkerbell auf dem heimatlichen Canapé, mit blutverschmierten Leftzen und einem letzten, abgerissenen Finger vor den Pfoten, auf dem noch der klobige Siegelring steckte, war zu gut, um sie sich nicht für einen Augenblick vor ihr inneres Auge zu rufen. Zwischen silbernen Christbaumkugeln und Mince Pies rülpste Tinkerbell zufrieden. Narcissa kicherte leise. „Tinkerbell frisst nur Kaninchenleber.“ „Bestimmt macht er für dich eine Ausnahme. Mag er Brandy Butter?“ „Ich empfehle Cranberries“, warf Rufus dazwischen. Narcissa schüttelte, immer noch kichernd, den Kopf, dann riss sie sich zusammen. „Nein und nein, aber das muss er nicht.“ „Willst du ihn etwa selbst fressen?“ Noch während er sprach, bedachte Frank sie mit einem kritischen Blick. Vermutlich überlegte er, ob Malfoy mitsamt seinem Ego in sie passte. Angewidert verzog Narcissa das Gesicht. „Nein. Ich geh nicht hin.“ „Wie, du gehst nicht hin?“ „Nun, also-“ Sie kam nicht dazu, ihren Freunden von ihrem Plan zu erzählen, der in ihr gärte, seit Malfoy ihr ein liebliches „Bis Boxing-Day!“ ins Ohr gesäuselt hatte. In ihrem Augenwinkel sah sie gerade noch, wie eine Schülerin ein paar Meter weiter durch das Eingangsportal ins Freie trat. Narcissa erkannte ihr Gesicht nicht, aber sie erkannte den hinter ihr her schwebenden Koffer. Er war nicht groß, aber aus edlem, schwarzen Leder, beinahe eine Kopie des Gepäcks, das neben ihr im Schnee stand. Die einzigen Unterschiede waren die Beschläge, die auf dem fremden Koffer nicht N.A.B. sondern A.S.B. lauteten. Das und ein großer, die Farbe wechselnder Aufkleber der Nothing but Wands, den Narcissa sicher nicht auf ihren persönlichen Gegenständen geduldet hätte – und das nicht nur, weil er eine Standpauke von der Länge eines Quidditchspiels für sie bedeutet hätte. Noch während ihre Schwester hinter Rufus' Rücken außer Sicht verschwand, verschwand auch Narcissa – aus pragmatischen Gründen hinter Frank. Der war zwar kaum größer, als Rufus, aber er trug den aufgeplusterten Umhang. „Ähm ... Cissy?“ Sie war sich der Blicke, die ihre Freunde ihr zuwarfen, durchaus bewusst. Narcissa rührte sich dennoch keinen Milimeter. „Nicht bewegen, beide!“, zischte sie und schielte an Franks Arm vorbei auf den Hof. Frank schnaubte amüsiert, hielt aber still. Vor ihr verschränkte Rufus die Arme vor der Brust und bedachte sie mit einem dieser vorwurfsvollen Blicke, die von allen Vertrauensschülern im fünften Jahr nur er wirklich gut beherrschte. Sie hätte ihm ein O dafür gegeben, hätten nicht gerade ihre Weihnachtsferien davon abgehangen, dass sie die Klappe hielt. Einen Augenblick später trat Andromeda auf Rufus' anderer Seite wieder in ihr Blickfeld, den Koffer noch immer hinter sich. Der Aufkleber strahlte gerade in neonrosa - das tat er immer, wenn Narcissa in seiner Nähe war. Sie hasste ihn dafür, aber ihre Schwester hatte glücklicherweise keinen Blick für solche Details. „Jetzt etwas drehen, Franky-Boy“, murmelte sie, und zog, als er sich in die falsche Richtung bewegen wollte, an seinem Ärmel. Keinen Augenblick zu früh verschwand sie erneut hinter seinem Rücken. Sie sah gerade noch, wie ihre Schwester stehen blieb, dann blockierte sein – eilig mit geschickten Slytherinfingern zurecht gezupfter – Schal die Sicht. Erneut stieg ihr der Geruch von gammligen Kürbis in die Nase. Dennoch nahm sie einen tiefen Atemzug und hielt die Luft an. Irgendwann wurde das Schweigen drückend und noch ein paar Atemzüge, die sie nicht nahm, später, vorwurfsvoll. Außerdem ging ihr die Luft aus. „Sie ist weg“, informierte Frank sie schließlich. Er klang, als amüsiere er sich gerade ausgezeichnet. Narcissa klang eher wie ein sterbender Kniesel, als sie schließlich Luft holte. Bevor sie sich hinter ihrem feixenden Schutzwall hervor traute, warf sie einen letzten, skeptischen Blick an seinem Arm vorbei. Tatsächlich konnte sie Andromeda noch sehen. Ihre Schwester hatte ihnen den Rücken zugewandt und schritt zielstrebig den Weg entlang, der sie und ihren Koffer nach Hogsmeade und zum Bahnhof bringen würde. Gerade verschwand sie hinter ein paar Fünftklässlerinnen aus Hufflepuff außer Sicht. Das Letzte, was Narcissa von ihrer Schwester sah, war der ätzende Aufkleber, der gerade von pink zu orange und blau wechselte. Neben ihr wurde das Schweigen aufdringlich. Widerwillig ließ Narcissa Franks Umhang los und stellte sich wieder zwischen die beiden Jungen. Andere Mitschüler hätten sie jetzt vermutlich nach dem Grund für ihre – zugegeben recht peinliche – Aktion gefragt, aber nicht Rufus. Er sah sie einfach nur an. Seine Augenbrauen waren beinahe eine durchgängige Linie und hinter seinen dicken Brillengläsern funkelten seine Augen wie verfluchte, gelbe Edelsteine. Automatisch stellten sich ihre Nackenhaare auf. Sie konnte die Smaragde im Punkteglas ihres Hauses beinahe schon mit einem leisen Plopp! verschwinden hören. Letztendlich biss sich die Furcht, die sie bereits seit Isobel Nott kannte, die Zähne an Narcissa aus. Trotzig und mit einer guten Portion Black-Starrsinn starrte sie zurück und verschränkte ihrerseits die Arme vor der Brust. „Was?“, fragte sie. „Denkst du, du bist hier der Einzige, der sich bei der Wahl zwischen den Holyhead Harpies und den Chudley Canons für einen großen Krug Butterbier entscheidet?“ Rufus rührte sich keinen Millimeter. „Ich dachte, du magst Quidditch.“ „Nein, ich mag den Fankalender von Puddlemere United.“ Narcissa konnte förmlich sehen, wie hinter seiner Stirn die Erkenntnis einrastete, dass sie nicht den familienfreundlichen Mit den Jungs von Puddlemere durchs ganze Jahr! meinte, von dem sein Onkel vor einer Woche drei Dutzend mit persönlicher Widmung an das Lehrerkollegium geschickt hatte. Einen Augenblick später ließ er die Arme sinken. „Na schön“, murrte er, „was hast du vor?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)