24 Nights - Adventskalender von Daelis (Diabolik Lovers x Reader) ================================================================================ Kapitel 3: Dritte Nacht: Yuma ----------------------------- Als du langsam erwachtest, hattest du jedes Zeitgefühl verloren. Es hätte ebenso gut früher Morgen wie später Abend sein können, zumindest wenn man dich fragte. Um dich herum war es dunkel, doch nicht zu dunkel, als dass du nach einer Weile, die deine Augen brauchten, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, nicht deine Umgebung grob ausmachen hättest können. Ein Schlafzimmer. Da stürzten auch schon die Erinnerungen an das Geschehene auf dich ein. Kou. Der Biss. Das Blut. Für einen Moment wurde dir ganz schwindelig, doch nach einigen tiefen, ruhigen Atemzügen hattest du dich wieder gefasst und sahst dich noch einmal genauer um. Eindeutig Kous Zimmer. Du konntest den schattenhaften Umriss der Foto-Leinwände sehen. Langsam wanderte dein Blick in den näheren Umkreis und du konntest zu deinem Erschrecken, obwohl du damit wohl hättest rechnen müssen, Kou auf dem Bett neben dir liegen sehen. Er schien tief und fest zu schlafen, denn er regte sich nicht. Einige Sekunden vergingen, die du brauchtest, um dich wieder ein wenig zu beruhigen, denn dein Herz hatte beim Anblick des mutmaßlichen Vampirs einen entsetzten Satz gemacht und danach gerast, als wärst du einen Marathon gelaufen. Mit zittrigen Fingern griffst du an deinen Hals, dorthin, wo du glaubtest, gebissen worden zu sein. Noch immer hofftest du insgeheim, alles wäre nur ein Alptraum gewesen und Kou hätte dich selbstverständlich nicht gebissen und war ein ganz normaler, freundlicher Junge. Als deine Fingerspitzen jedoch die blutverkrustete Bisswunde ertasteten und der Schmerz wie ein Stich durch dich hindurch fuhr ob der Berührung, war klar, dass alles kein Traum gewesen war. Kou hatte dich tatsächlich gebissen. Natürlich machte ihn das nicht sofort zu einem Vampir, er könnte auch einfach ein verkappter Grufti sein, irgendein Spinner, so ein Sanguinist. An deiner unvorteilhaften Lage änderte das aber nichts und eines war dir auf jeden Fall klar: Du musstest weg von ihm! Bestimmt ahnten seine Brüder nicht einmal, was er für ein Spinner war, denn nach außen wirkte Kou ja überaus freundlich und sympathisch, das hattest du ja selbst so wahrgenommen. Entschlossen, nicht eine Sekunde länger als unbedingt nötig mit Kou dem Blut trinkenden Irren in einem Raum zu bleiben, richtetest du dich auf und schwangst die Beine aus dem Bett. Angezogen warst du noch, also hatte er sich zumindest nicht anders an dir vergangen, stelltest du erleichtert fest. Immerhin etwas. Langsam und leise stelltest du dich auf. Prüfend sahst du dabei über die Schulter gen Kou, den du um gar keinen Preis wecken wolltest. Wer wusste schon, wie er dann reagieren würde? Du jedenfalls wolltest da lieber kein Risiko eingehen. An deinen Koffer und dessen Verbleib verschwendetest du in diesem Moment keinen weiteren Gedanken. Er würde schon irgendwo irgendwie wieder auftauchen, aber zunächst galt es, hier heraus zu kommen und mit einem seiner Brüder über den Zwischenfall zu sprechen, damit so etwas nicht noch einmal geschah. Wäre dir in den Sinn gekommen, dass Kou wirklich ein Vampir war, wäre diese Erkenntnis dir logisch erschienen und nicht so realitätsfern, wäre dir wohl auch die Überlegung gekommen, dass alle Mukamis Vampire wären und du bei keinem von Kous Brüdern Hilfe erwarten könntest, doch diese Idee war für dich in diesem Moment noch zu abstrakt und unglaubwürdig. Es gab keine Vampire, keine Magie, keine Werwölfe und ähnlichen Firlefanz. Das alles gehörte ins Reich der Fantasie und du lebtest nun einmal in der Realität. Es war absolut still im Haus und das einzige Geräusch waren deine leisen, schleichenden Schritte gen Tür. Immer wieder sahst du zurück, um zu prüfen, ob Kou auch ja nicht erwachte. Du hattest die Tür schon beinahe erreicht, da rollte der Blonde sich mit einem leisen Grunzen herum, was dir beinahe einen Schreckensschrei entlockt hätte, den du dir im letzten Moment verkneifen konntest. Ein Schrei hätte ihn wohl auf jeden Fall geweckt. Doch so blieb Kou ruhig liegen und schlief weiter, während du die Türklinke Millimeter um Millimeter herab drücktest, damit sie keinen Lärm verursachte, der Kou wecken könnte. Als sich die Tür dann aber mit einem leisen Klicken öffnete, blieb dir beinahe das Herz stehen. Ein prüfender Blick über die Schulter. Kou hatte sich nicht gerührt und schlief seelenruhig weiter. Innerlich atmetest du auf. Glück gehabt. Um kein Risiko einzugehen, schlosst du die Tür nicht ganz hinter dir, sondern lehntest sie nur an, ehe du den Flur hinab schlichst. Kous Tür war die zweite links. Blieben vier andere Türen. Eine am Ende des Flures und die anderen drei an den Seiten des Flures. Am besten, entschiedst du, klopftest du an die schräg gegenüber liegende Tür. Die war am weitesten von Kous Zimmer weg und somit schienen dir die Chancen, nicht von dem Blonden gehört zu werden, am höchsten. Also das erste Zimmer rechts. Schritt um Schritt schlichst du zu eben dieser Tür, um dann leise anzuklopfen. Natürlich folgte keine Reaktion. Was hattest du auch erwartet? Vermutlich hatte man dich im Inneren einfach gar nicht gehört und wen wunderte es? Auf der anderen Seite trautest du dich auch nicht, lauter anzuklopfen, denn dann wiederum könnte ja auch Kou es hören und aufwachen. Seine Tür war ja noch immer nicht ganz geschlossen. Eiskalter Schweiß rann dir den Rücken hinab. Vielleicht solltest du einfach hineingehen und den Bewohner des Zimmers wecken. Zurück konntest du jedenfalls nicht und lauter klopfen kam auch nicht in Frage. Du schlucktest nervös und entschiedst dich, ungefragt einzutreten. Dein Herz schlug dir bis zum Hals, als du die Tür schließlich hinter dir zuschobst. Kou hatte bisher keinen Laut von sich gegeben und du nahmst an, er schlief noch. Ebenso wie sein Bruder, der hier nächtigte, denn von dem hattest du auch noch nichts gehört. Klick. Die Tür war zu. Du atmetest erleichtert tief durch. Geschafft. Irgendwie zumindest. Immerhin warst du hier erst einmal in Sicherheit vor Kous Verrücktheiten. Gerade als du dich umwandest, um zu sehen, in wessen Zimmer du hier geplatzt warst, erhob sich vor dir auch schon eine große dunkle Gestalt, der du nicht einmal bis zu den Schultern reichtest. Dazu, einen Ton von dir zu geben, kamst du nicht einmal mehr, ehe mit einem lauten Knall eine Handfläche neben dir an die Tür prallte, während dein Gegenüber mit der anderen Hand nach deiner Schulter griff. Sofort stieg klamme Furcht in dir auf. Was, wenn Kou diesen Lärm hörte und herkam? „Was machst du hier?“, hörtest du eine knurrende Stimme, die zu zunächst nicht zuzuordnen wusstest. Nun wanderte die Hand von deiner Schulter an die Wand und du konntest das Klicken eines Lichtschalters hören. Helles Licht flackerte von der Lampe an der Decke auf und blendete dich, obwohl du ja im Schatten des Mukamis standest, den du nun als Yuma erkanntest, den größten der vier Brüder. Er war wirklich ein wahrer Riese und überragte dich ein gutes Stück. Es war also keine Einbildung in der Dunkelheit und vor Nervosität gewesen. Auf seine Frage hattest du allerdings noch immer nicht geantwortet, sondern ihn nur blinzelnd angestarrt, sodass er seine Frage wiederholte. „Was machst du hier?“ Jetzt klang er schon etwas weniger unfreundlich, doch noch weit weg von freundlich. Im Moment war dir das jedoch herzlich egal. Du wolltest lediglich einen sicheren Ort zum Schlafen und Kous Zimmer hatte diesen Status nun einmal nicht. „I-ich wollte... ich sollte eigentlich bei Kou...“ Weiter kamst du nicht, denn Yuma hatte die Augenbraue erhoben und sein Blick, der starr auf deinen Hals gerichtet war, verriet dir, dass er sah, was sein Bruder mit dir angestellt hatte. Du schlucktest. „Ah, verstehe.“ Seine Miene blieb einen Moment lang kühl, ehe sie sich zu einem herablassenden Grinsen verzog. „Und du kamst her, weil du dachtest, ich könnte dich beschützen.“ So spöttisch, wie es aus seinem Munde klang, wagtest du nicht mehr, es zu bejahen, nicktest aber dennoch kaum merklich aus reinem Reflex. Im Grunde stimmte es ja. Daher warst du hergekommen. Um Schutz zu suchen. Aus deiner Sicht war das allerdings wirklich kein Anlass, um so herablassend zu sein oder sich über dich lustig zu machen. Jeder an deiner Stelle hätte Angst vor Kou. Yuma hingegen schien das anders zu sehen, denn er machte nicht den Eindruck, als würde ihn der Anblick der Bisswunde irgendwie überraschen oder sogar in Besorgnis versetzen. Ganz im Gegenteil wirkte es eher so, als habe er genau das erwartet. Das wiederum sorgte dafür, dass sich in deinem Bauch ein eiskalter Klumpen zu bilden schien. Wenn Yuma nicht überrascht war, dann wusste zumindest er also von seines Bruders Eigenheiten. Oder aber... Nein, das war Unfug! Du mahntest dich in Gedanken, auf dem Teppich zu bleiben. Verrückte machten noch keine Mythen wahr. „Natürlich könnte ich das“, begann Yuma nun mit sinistrem Lächeln. Er beugte sich zu dir hinab und prompt wurde dir übel. Sein Lächeln ließ keinen Zweifel daran, dass er das nicht tun würde, sondern vermutlich viel eher das Gegenteil. Und waren das da nicht Eckzähne, die da aufblitzten? Du wolltest zurückweichen, doch in deinem Rücken war längst die Tür und es gab keinen Ausweg zu den Seiten, die Yuma mit seinen Armen blockierte. „Aber du wirst nicht“, wagtest du zögerlich zu erwidern, wofür du all deinen Mut zusammen kratzen musstest, denn Yumas große Gestalt wirkte überaus einschüchternd, besonders wenn er so finster grinste. Anstatt zu antworten, beugte er sich weiter zu dir hinab, sodass er dir ins Ohr flüstern konnte, was er jedoch nicht tat. Sein warmer Atem streifte deinen Hals, nur knapp neben der Stelle, an der dich sein Bruder schon gebissen hatte und du zucktest zusammen, zogst die Schultern hoch, als helfe dir dies, die Stelle zu schützen, obwohl du im Grunde selbst wusstest, dass es das nicht tat. „Nicht!“, entrang es sich heiser deiner Kehle. Yuma lachte lediglich. „Dann weißt du also schon, was du bist.“ Dein fragender Blick sprach Bände. Was meinte er denn damit? Was du bist? Unsicher? Verängstigt? Verwirrt? Wäre alles richtig, doch irgendwie schwante dir schon, dass er davon nichts meinte, sondern etwas anderes. Etwas, das dir nicht gefallen würde. „Mesubuta*“, war alles, was er sagte und dir einen empörten Ausdruck aufs Gesicht zauberte. Was bildete der sich ein, dich eine Sau zu nennen?! Aufgebracht entgegnetest du: „Na hör mal! So spricht man nicht mit anderen Leuten! Du kannst mich doch nicht einfa-“ „Me-su-bu-ta“, unterbrach Yuma dich mit boshaftem Grinsen. Empört schnapptest du nach Luft. Warum überhaupt Sau? Du warst nicht unordentlich oder sogar dreckig, geschweige denn schlammbespritzt gewesen, als du eintrafst! Gerade wolltest du wieder auffahren, als der Groschen fiel. Sau. Wie in Mastsau. Wie erstarrt sahst du in Yumas braune Augen, die deinen Blick kühl erwiderten. Du konntest nicht den kleinsten Funken Mitleid darin erkennen oder so etwas wie Nachsicht oder Freundlichkeit. Anstatt dieser Attribute konntest du lediglich Hohn, Abfälligkeit und sogar Abscheu in den Augen Yumas erkennen. Yuma, der ein... Vampir war? Genau wie Kou? Echte Vampire? Sofort rasten deine Gedanken wieder. Wie passte das zusammen? Du warst doch nur wegen Herrichtung der neuen Praxis überhaupt hier und davon abgesehen: Wie machten Vampire in der modernen Zeit überhaupt einen Sinn? Sie wären doch bemerkt worden! Immerhin gab es Einwohnermeldeämter und Sonne und... Deine Gedanken überschlugen sich förmlich, doch Yumas harsche Worte rissen dich heraus. „Du kannst fürs Erste hier bleiben. Die nächste Nacht hättest du eh hier verbracht, also leg dich hin und geh mir nicht auf die Nerven“, wies er dich unfreundlich an und trat zu deiner Erleichterung von dir zurück. Zwar hieß das noch nicht, dass du sicher warst, doch zumindest für den Moment schien Yuma dir nichts tun zu wollen, denn er steuerte gelassen das Bett an und warf sich hinein, als wäre nichts geschehen. „Und mach das Licht aus, Mesubuta“, ließ er dich noch wissen, nun schon eher gelangweilt klingend, ehe er die Decke über die Schultern zog. Fassungslos standest du an der Tür. Und wo solltest du schlafen? Wie stellte er sich das vor? Fand er das hier allen Ernstes normal? All diese Fragen äußerten sich ein wenig unelegant in einem „Häh?“, das Yuma dennoch richtig zu deuten wusste. „Mach das Licht aus und komm ins Bett. Ich will schlafen. Also mach kein Drama draus.“ Seine Worte klangen so gereizt, dass dir klar war, dass das Thema damit für ihn beendet war und er keine Widerworte hören wollte – und du wagtest auch keine zu geben. Deiner Furcht zum Trotz dauerte es nicht lange bis du an der Seite des hochgewachsenen Vampirs eingeschlafen warst, forderte die Aufregung des letzten Tages und dieser Nacht doch ihren Tribut von dir. Erst als die Sonne ihre ersten warmen Strahlen durch das Fenster schickte und damit den Raum erhellte, denn die Jalousien waren nicht herabgelassen und die Vorhänge nicht vorgezogen, erwachtest du. Etwas großes Warmes engte dich ein und als du die Augen öffnetest, sahst du auch, was – oder vielmehr wer – es war: Yuma Mukami. Sofort schoss dir die Schamesröte ins Gesicht. So nahe warst du seit deinem letzten und ersten Freund keinem Jungen mehr gewesen – schon gar nicht im Bett! Dein Gesicht lag an seiner Brust und seine Arme um dich gelegt, sodass du deinen eigenen Arme kaum bewegen konntest, denn sein Griff war eisern und schon nach einem kurzen wie erfolglosen Versuch, dich herauszuwinden, gabst du dieses Vorhaben wieder auf. Dir blieb also gar nichts anderes übrig, als zu warten, dass Yuma aufwachte und dich losließ. Darauf musstest du nicht lange warten, denn dein Gezappel hatte ihn wohl aus dem Reich der Träume gerissen. Müde blinzelnd und sichtlich missgelaunt öffnete der Braunhaarige die Augen, lockerte jedoch seinen Griff um dich nicht. „Zappel nicht rum, Mesubuta“, murrte er leise und gähnte schließlich herzhaft, wobei er seine Eckzähne deinem Blick preisgab. Er war also auch ein Vampir. Oder aber diese Brüder waren eine Art krude Vampirsekte, in der sich die Mitglieder die Eckzähne künstlich verlängern und schärfen ließen, doch das klang sogar in deinen Ohren mehr als schrullig. Blieb nur die Erklärung, dass du hier wirklich in eine Vampirfamilie geraten warst. Verrückt genug für deinen Geschmack. „Yuma... seid ihr...?“, wolltest du zögerlich fragen aber Yuma kam dir mit der Antwort zuvor. „Vampire. Ja.“ Eure Blicke trafen sich und aller Hohn und Spott war aus seiner Stimme und seinem Blick verschwunden. Er klang ernst und aufrichtig. Andernfalls hättest du es wohl auch nicht geglaubt, doch nun kamen dir Zweifel daran, ob die Welt wirklich so einfach war, wie du sie bisher gesehen hattest. Vampire. Echte, richtige, Blut trinkende Vampire. Du konntest es noch immer kaum fassen und doch hattest du es am eigenen Leib erlebt. Wie viel mehr Beweis brauchtest du noch? Und war Kou nicht unglaublich stark gewesen? Nicht einmal gezuckt hatte er bei deiner Gegenwehr. So stark war doch ein schmaler junger Mann wie er üblicherweise nicht. Und natürlich waren da noch die Eckzähne, die du bei Kou und Yuma hattest sehen können. Hieß das, dass auch Ruki und Azusa Vampire waren? Es war allein Yumas finsterer Blick, der dich davon abhielt eine der tausend Fragen zu stellen, die dir durch den Kopf schossen. „Wir frühstücken, dann reden wir“, seufzte er. „Eigentlich ist das Rukis Job“, fügte er murmelnd hinzu und ließ dich nun endlich los, um sich zu erheben. Eilig tatest du es ihm gleich und fielst dabei vor Aufregung beinahe aus dem Bett. Yuma schien es bemerkt zu haben, denn aus den Augenwinkeln warf er dir einen scharfen Blick zu, als wolle er dich vor deiner eigenen Ungeschicklichkeit warnen, doch das Glück war dir hold und du fielst nicht. Yuma rückte sein Hemd zurecht. Erst jetzt fiel dir auf, dass er offenbar in seiner normalen Alltagskleidung geschlafen hatte – genau wie du, wenn es bei dir auch eher unfreiwillig gewesen war. Den Vampir schien es nicht weiter zu stören. Nach einer kurzen Selbstinspektion schien er mit seiner Erscheinung soweit zufrieden und verließ das Zimmer wortlos. Ohne zu zögern folgtest du ihm, denn schlimmer als bei Yuma zu sein, wäre es wohl, alleine durch das Haus zu irren, in dem mindestens ein weiterer Vampir wohnte, der dich womöglich wieder anfallen würde. Fortuna blieb heute auf deiner Seite und in der Küche traft ihr niemanden an, wenn es auch Spuren gab, die verrieten, dass irgendjemand bereits gefrühstückt hatte. Deine Stirn legte sich in grüblerische Falten. Also mussten Vampire auch normal essen? Das sprach irgendwie doch wieder eher für die Sekten-Möglichkeiten. Wortlos kramte Yuma im Kühlschrank herum und starrte dich finster an, als du nur still daneben standest. Mit einem genervten Ächzen nickte er zu einer Schranktür zu seiner linken. „Da vorn sind Brettchen und in der Schublade findest du Messer“, teilte er dir mit und ließ zwischen sich und dem Tisch in seinem Rücken gerade genug Platz, damit du zwischen her huschen konntest, um den Tisch zu decken. So nervenaufreibend das Frühstück für dich auch verlief, so wenig geschah doch. Ihr wechseltet kein Wort. Dir hatte diese ganze Vampir-Sache gehörig den Appetit verdorben und während du nur lustlos auf deinem Brot herumkautest, fiel Yuma nahezu über die Nutella her und griff sich noch eine Handvoll Zuckerwürfel aus dem Schrank, die er sich einverleibte. Er hatte ganz offensichtlich eine Schwäche für Süßes. Nachdem er sein Mahl beendet hatte, räumte Yuma ab und schnell eiltest du ihm zu Hilfe, denn seinen Zorn wolltest du dir lieber nicht zuziehen. Obwohl du Angst vor Kou hattest – durchaus begründet – obsiegte langsam aber sicher die Furcht vor Yuma, obgleich dieser dir (noch) gar nichts getan hatte. Allein seine große Gestalt, die Breite seiner Schultern und sein aggressiver Tonfall sorgten dafür, dass er einen bedrohlicheren Eindruck machte als Kou, der zumindest ansonsten einen eher freundlichen und fröhlichen Eindruck machte, eher wie ein quirliges Kind. Als du Yuma zurück in sein Zimmer folgtest, schnaubte er abfällig und warf dir über die Schulter einen missmutigen Blick zu, noch während ihr die Treppe hinauf gingt. Du konntest ihm förmlich an der Nasenspitze ansehen, was er dachte. Du nervtest ihn, er hatte keine Lust, den Aufpasser zu mimen und schon gar keine, deine Fragen zu beantworten. Doch was blieb dir? Kou fragen? Niemals? Azusa oder Ruki? Das wären natürlich Möglichkeiten, doch wer wusste schon, wie die beiden drauf waren? Beinahe hätte er dir die Tür vor der Nase zugeschlagen, doch im letzten Moment huschtest du noch durch den Türspalt, ehe die Tür mit einem Knall ins Schloss fiel, der verriet, dass er die Tür kräftig zugeschlagen hatte. In deinem Hals bildete sich ein Kloß. Hättest du die Tür abbekommen, wäre das sicher ziemlich unangenehm gewesen. Yuma ließ sich auf einem großen Stuhl nieder, der an einem Schreibtisch stand und von dem aus er bequem aus dem Fenster sehen konnte, durch das noch immer die wärmende Sonne schien, die nicht erahnen ließ, wie nasskalt das Wetter noch gestern gewesen war. Eine ganze Weile saßt du nur auf seinem Bett und sahst zu hinüber, doch dann rutschte dir die erste Frage heraus. „Seid ihr wirklich Vampire?“ Yuma sah auf und antwortete. „Ja.“ Der Bann war gebrochen. Deiner ersten Frage folgten weitere und Yuma antwortete, wenn auch sichtlich missmutig und desinteressiert, doch zumindest ersparte er sich fürs Erste Hohn und Spott, sondern beantwortete deine Fragen sachlich und offen. Die Stunden flogen nur so dahin. Das Mittagessen vergaßt ihr beide völlig. Zu viele Fragen hatten dir auf der Zunge gelegen und oftmals hatte eine Antwort Yumas nur zu weiteren Fragen geführt. Es dämmerte bereits, als dir langsam die Fragen ausgingen und du still dasaßt und all die Dinge überdachtest, die du erfahren hattest. Sie waren Vampire, aber nicht als solche geboren, sondern als Menschen. Sie alle waren von der selben Person, über die Yuma zwar sehr ehrerbietig sprach, aber nicht näher benennen wollte, verwandelt worden und seitdem Adoptivbrüder, denn eine Blutsverwandtschaft gab es zwischen den Mukamis nicht. Als Vampire hatten sie alle übermenschliche Kräfte und geschärfte Sinne, genau wie in den Mythen – und sie tranken Blut. Doch sie aßen auch normal und waren an das Sonnenlicht gewöhnt. Und natürlich konnten sie sich nicht wie Dracula in einen Wolf oder eine Fledermaus verwandeln oder sogar in Nebel. Yuma hatte zwar lachend durchsickern lassen, dass sie das auch gar nicht nötig hatten, doch er hatte nicht preisgeben wollen, weshalb. Auch mit einer ganzen Menge anderer mythologischen Feinheiten hatte er aufgeräumt. Angefangen bei Sonne und dem zu-Staub-zerfallen bis hin zu Draculas Person selbst oder Albernheiten wie Geglitzer im Sonnenlicht. Du fühltest dich seltsam erschöpft und müde, dabei hattest du im Grunde ja nichts getan, außer hier herumzusitzen und Fragen zu stellen. Irgendwie war es anstrengend gewesen, auf eine seltsame Art und Weise und noch immer schwirrten dir die Fakten im Kopf herum, die Yuma dir offenbart hatte, der soeben den Raum verließ und dich mit deinen Gedanken und Überlegungen alleine ließ. Dass du dir jeden Fluchtversuch sparen könntest, hatte er dir eingeschärft. Es sei sinnlos und natürlich könntest du es gern versuchen, aber es würde dir nichts nutzen. Selbstverständlich würdest du es dennoch versuchen, sobald sich die Möglichkeit bot. Allerdings bliebe die Frage, wie du deinen Eltern erklären solltest, dass du wieder daheim warst, denn die Wahrheit würden sie dir nie im Leben abkaufen und du konntest das sogar gut verstehen. Hättest du es unter anderen Umständen erfahren, du hättest kein Wort geglaubt. Yuma kam erst eine gute Weile später wieder, das Haar nass und einen Pizzakarton in der Hand haltend. „Abendessen“, brummte er dir entgegen, ehe er ohne Vorwarnung den Karton in deine Richtung warf, den du nur knapp auffangen konntest. „Danke“, murmeltest du leise als Antwort. Yuma grummelte nur leise und nahm wieder am Schreibtisch Platz. Dieses Mal allerdings klappte er den Laptop auf, der darauf stand und signalisierte damit ziemlich klar, dass er keine Lust auf ein weiteres Gespräch hatte. So schnell der Nachmittag vorüber gegangen war, so langsam zog sich nun der Abend dahin, den selbst die beste Pizza nicht füllen konnte. Während Yuma im Internet surfte und nebenbei Zuckerwürfel naschte, als wären es Kartoffelchips, lagst du einfach mit ausgebreiteten Armen auf dem Bett und überlegtest, wie du dich aus dieser verfahrenen Situation heraus bugsieren könntest. Eine rechte Lösung wollte dir nicht einfallen, doch allzu weit kamst du mit deinen Überlegungen, wie du hier unbemerkt abhauen könntest, auch gar nicht, denn es klopfte und ehe Yuma auch nur ein Wort sagen konnte, schob sich die Tür auf und Kou steckte den Kopf herein. Sofort warst du wieder hellwach und dein Puls schoss in die Höhe, doch der Blonde schien gut gelaunt und freundlich wie bei eurem ersten Treffen. „Hey, M-Neko-chan“, grüßte er dich strahlend, als wäre nie etwas zwischen euch vorgefallen, als hätte er dich nie angegriffen, nie dein Blut getrunken und dich nie geängstigt. Als ob. Du hingegen konntest nicht so einfach darüber hinweg sehen, wie er scheinbar und starrtest Kou misstrauisch an, als würde er jeden Moment auf dich zustürmen und erneut attackieren – und wer sagte, dass er es nicht tat? „Ich bringe dir deinen Koffer“, flötete er gut gelaunt und schob deinen Trolli herein, den du schon beinahe vergessen hattest ob all der Aufregung. Erleichterung machte sich in dir breit. Du hattest also zumindest deine Sachen wieder. Unsicher standest du auf, um den Trolli entgegen zu nehmen. Kou grinste dich weiter freundlich an. „Das steht doch jetzt nicht zwischen uns, oder?“ Sein Lächeln blieb freundlich, als frage er nur nach dem Wetter, doch auf deinem Gesicht zeichnete sich Unglauben. War das sein Ernst? Das einfach so vergessen? Wie sollte das bitte funktionieren? „Äh...“ „Schön, das freut mich!“ Kou sprang am Koffer vorbei und griff mit seinen Händen deine. „Wir wollen doch ein gutes Miteinander verleben, nicht wahr?“ Dass du absolut nicht zugestimmt hattest und es auch nicht vorgehabt hattest, ließ der Blonde völlig außer Acht und interessierte ihn wohl auch nicht, doch zumindest war er dir gegenüber nicht feindselig eingestellt und das wertetest du als Pluspunkt, denn ein Vampir, der dich mochte war besser als einer, der wütend auf dich war und dir vielleicht den Hals umdrehen (oder hinein beißen) wollte. Dennoch warst du erleichtert, als Kou nun ging und dich wieder mit Yuma allein ließ, der euch beiden längst wieder den Rücken zugewandt hatte, als ginge ihn das alles überhaupt nichts an. Zumindest dieser Vampir hatte an dir scheinbar kein Interesse, auch wenn in deinem Kopf noch immer seine Bezeichnung für dich herumspukte. Mesubuta. Mastsau. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)