Weihe des Siegelschwerts (neu) von Ubeka ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- "Sag ihm, er soll Dreck fressen, Zandera." "Tu's doch selber." So dreht Ralph sich zu mir und brüllt so laut durch die Schlucht, dass es selbst die Kolph in der Stadt es hören müssen, "Friss Dreck, du Arsch! Hoffentlich fällst du 'ne Klippe runter!" Tief durchatmen. Ignorier ihn einfach und vielleicht, ja vielleicht wird seine Stimme endlich mal einen der großen Felsen oben auf dem Berg lockern, unter dem er dann ganz plötzlich ein wenig entspannen kann. Sira indes ist sogar gut genug aufgelegt, ein Späßchen zu machen, "Nun, Phentos, wenn ihr wirklich so von den Göttern gestraft sein werdet, diesem Burschen bei seinen Feldzügen unter die Arme zu greifen, dann werdet ihr ihn immerhin nie suchen müssen auf dem Schlachtfeld. Oder diese Cholger konzentrieren ihr Pfeilfeuer auf ihn." "Als ob dieser Kerl sich nicht beim bloßen Anblick eines einzigen Feindes in die Hose machen würde," zische ich, "Ich wette jedes Buch, das ich gelesen habe, dass der nur ne große Klappe hat, aber nichts dahinter." Sira will etwas erwidern, doch Dūs ist schneller, "Er braucht nicht kämpfen zu können." Während wir uns neugierig zu ihm umdrehen, liegen seine Augen unverändert auf dem Rücken der großen, sehnigen Ikanerin neben Ralph. Die dicken Strähnen ihres milchblonden Haares reichen ihr bis zum Po und tänzeln sanft im Wind wie ein Vorhang, der den ein oder anderen Blick auf ihre dunkle, eng-anliegende Lederrüstung und die grünen Gurte an ihren Hüften gewährt. An jedem baumelt je eine Schwertscheide. Eine für ein filigran gefertigtes Kurzschwert, an dessen ringförmigen, silbernen Knauf ein Band aus orangener Seite gebunden ist, mit dem auch das Heft umwickelt wurde. In der anderen wartet ein wesentlich weniger schmucker Parierdolch genauso ungeduldig darauf, gezogen zu werden. Die Frau heißt Zandera, wenn ich mich nicht verhört habe. Ralphs Kameradin, wie er sie vor den Hohepriestern und Aigavlov betitelte. "Sie ist die Kämpferin von den beiden," erklärt Dūs, "Und wenn ich mir ihre kräftigen Arme besehe und wie sie sich bewegt – so geistesgegenwärtig und doch mit so viel Vertrauen in ihre Fähigkeiten – dann kann sie mit diesen Schwertern gut für zwei austeilen." Ihre aufrecht stehenden, langen Ohren zucken bei seinen Worten und für einen winzigen Augenblick stiert sie zu uns hinüber. Ihre Augen lassen das Blut in meinen Adern gefrieren. Kurzzeitig ist da ein oranges Glimmern in ihnen, als hätte sie gerade einen dünnen, funkelnden Pfeil direkt vor unsere Füße abgefeuert. Während Ralph nur ein Großmaul ist, sind es Zanderas Blicke, die uns auf gebührendem Abstand halten, während Phentos, Sira, Dūs und ich den beiden auf steilem Pfad zum Gipfel folgen. Fast hätte ich diese Ansammlung flacher Felsbrocken am Grund der Kluft, die wie Stufen einer gewachsenen Treppe hinaufführen, kaum als Weg erkannt, bisis mir aufgefallen ist, dass sie doch ein wenig zu günstig gelegen sind, um zufällig hinabgefallen zu sein. Und dann wären da noch die rostigen Stangen, die wohl als Meilensteine dienen. Bisher hab ich bloß zehn von denen gesehen, also ist es wohl noch ein ganzes Stück. Trotzdem ist mir, als seien wir Welten von der Stadt entfernt. Die Felsen wirken unberührt. Auf einer kleinen, scharfkantigen Klippe wehen die Blätter eines einsamen Olivenbaumes träge im Wind. Dann ist da ein Schrei. Ein lautes, kehliges Geräusch, verzerrt von der Distanz, über die das Echo sie zu uns getragen hat. Nicht, dass ich den Laut überhaupt einem Tier zuordnen könnte, das ich kenne. "Große Kin, was war das?" keucht Phentos. Das ist nie gut, wenn nicht mal die Einheimischen wissen, was für ein Biest so ein Geräusch von sich gibt. Aber um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen bleibt keine Zeit. Das Klacken mehrerer Kiesel lässt mich herumfahren und da taucht auch schon die Kreatur auf den Klippen auf. Ein sonnengebleichtes Monstrum, halb so groß wie ein ausgewachsener Mann, aber mindestens genauso kräftig. Seine wulstigen Schultern stehen wie Gebirge von seinem krummen, gefiederten Rücken ab, ehe sie in zwei gebogenen, klauenbewehrten Armen mit zu vielen Gelenken auslaufen. Entsetzt frage ich, "E-eines der kleines Missgeschicke der Göttinnen?" Ich kriege keine Antwort, denn das Monster hat sich mittlerweile einen schweren Stein gepackt, den es sogleich auf Ralph und Zandera schleudert. Ralph gibt ein empörtes Krächzen von sich, als die Ikanerin ihn am Schlafittchen packt und mit ihm vor dem Geschoss ausweicht. Längst bewaffnet sich die Kreature erneut. Und dann tauchen auch noch zwei weitere, schnabelförmige Köpfe über den Klippen auf. Mist, ein Hinterhalt! "Geht in Deckung!" ruft Phentos, während er sich eng an den Rand der Kluft unter die Felsenvorsprünge presst. Außer mir und Ralph hört jedoch niemand auf seinen Rat. Während Zandera weiter die Felsen hinaufkraxelt, murmelt Dūs irgendsowas wie "Dieses Spiel können zwei spielen," und greift zu den Wurfdolchen an seinem Oberschenkel. Ein gepeinigtes Quietschen verrät, dass die Klinge ihr Ziel gefunden hat. Um Haaresbreite entgeht Dūs der Rache dafür. Verflucht, ich kann mich nicht hier verkriechen, während er und Zandera ihr Leben riskieren! Aber wie komm ich rauf zu diesen Mistviechern? "... Phentos, wie gut kannst du werfen?" "Äh, kommt drauf an, was ich werfen soll-" "Mich vorzugsweise," versuche ich ohne Zittern zu sagen, "Auf die Klippe hoch." Sira seufzt, "Oh Götter, ich hätte dich nie ermutigen sollen, wieder zu deinen tollen Spontan-Einfällen zu greifen." Phentos scheint genauso überzeugt. Seine Augen wandern zu Dūs, der gerade noch ein Messer werfen will, als ein Fels fast seinen Fuß zerquetscht. Vor Überraschung verliert er den Halt auf dem unebenen Terrain, fällt einige Stufen hinab, ehe er glücklicherweise auf den Füßen aufkommt und gleich hinter einen Felsen in Deckung gehen kann, bevor die nächsten Steine niederprasseln. "Springende Klingen, na gut!" höre ich Phentos schimpfen und er packt mich plötzlich. Moment, jetzt bin ich nicht so weit- Zu spät, denn schon befinde ich mich in der Luft! Ich tu das erstbeste, was mir in den Sinn kommt, wenn ich plötzlich eine Felswand hinauffliege: versuchen, mich irgendwo festzuhalten. Ein geschmerztes Keuchen schießt zwischen meinen Lippen hervor, als ich den scharfen Stein in meine Finger beißen spüre, doch ich klammere mich unbeirrt an die Kante. Einen Herzschlag lang vergesse ich, dass ich noch lange nicht sicher bin. Und kaum will ich zu Ende bringen, was ich vor wenigen Sekunden noch für eine zündende Idee gehalten habe, entdeckt eines der Ungeheuer mich und rennt zu mir hinüber unter wütenden Schreien – und mit seinen Klauen im Anschlag, um mir die Augen auszukratzen! Die Spitzen berühren bereits meine Nase, kurz davor entweder sich unter meine Haut zu graben, oder mich wieder hinunterzuschubsen und- da springt das Biest mit lautem Aufschrei zurück. Ich schaue zu dem Dolch, der plötzlich im Arm des Viehs steckt, dann zu Dūs. Ich lächle ihm anerkennend zu, ehe ich mich gar auf die Klippe ziehe und mein Schwert ziehe, um dem Monster den Rest zu geben. Just in diesem Moment erklimmt auch Zandera die Felsen und stürzt sich auf einen der beiden verbleibenden Angreifer. Er dreht sich herum, sobald er sie kommen hört, in derselben Bewegung versuchend, ihr die Haut vom Gesicht zu reißen. Die Blondine pariert jedoch sofort mit ihrem Schwert und mit einer Drehung ihrer zweiten Klinge fliegen drei Finger der Bestie davon. "Zwecklos, zwecklos!" spottet Zandera, als das Monster postwendend in ihr Bein beißen will. Das einzige, was es zu schmecken bekommt, ist sein eigenes, schwarzes Blut, das plötzlich aus einem zweiten Schlund quillt, wo mal die Kehle der Kreatur gewesen sein muss. Damit bliebe nur noch eine – die selbst ein paar Wurfmesser zur Hand hat! "Pass auf!" rufe ich Zandera zu. Da übertönt jemand meine Stimme, "Und merk dir, dass das hier vom großen Ralph kommt!" Er steht plötzlich hinter der Bestie und verpasst ihm einen kräftigen Tritt in den Hintern, der es hinunter in die Kluft befördert. Mit einem dumpfen Knacken seiner Halswirbel ist dann wohl auch die letzte Bestie Geschichte. Bewegt sich auf jeden Fall nicht mehr. "Puh, das war knapp," ächze ich, "Geht's jedem gut?" "Trotz der Kühnheit mancher von uns ja," stellt Sira fest, nachdem sie kurz an jedem vorbeigeflogen ist. Mit ironischem Unterton fügt sie dann an, "Ich fühle mich jeden Tag ein bisschen wohler auf diesem Berg." Zandera indes klettert wieder hinunter in die Schlucht, um das tote Tier zu untersuchen. Ihre Augen verengen sich zu Schlitzen, als sie Phentos ansieht und eines der Messer hochhält. "Wollt Ihr uns vielleicht erklären, was das für Viecher waren und wie sie an Waffen von dieser Qualität kamen?" "Ich hab sowas noch nie gewesen! Aber... die Messer sind eindeutig aus einer unserer Schmieden." Er atmet einmal tief durch, während wir so langsam begreifen, worauf er hinauswill. Ralph spricht aus, was wir alle denken, "Wenn diese verruchten Wesen den Boss oder irgendeinen anderen Kolph gefangen halten, ist Eile geboten!" Ausnahmsweise will ich ihm zustimmen. Doch Dūs mahnt uns, "Wir sollten dennoch auf der Hut bleiben." Mit ein paar wenigen Sprüngen erklimmt er die Felsstufen und schaut sich den weiteren Weg aus der Ferne an. "Wir wissen weder, um was für Kreaturen es sich hier handelt... noch was ihr Begehr ist." Ralph zuckt mit den Achseln. "Eine Meute räudiger Biester, die uns fressen wollten, oder?" "Dem ungeschulten, voreingenommenem Auge nach ja." Uhh, das muss wehtun. "Doch diese Kreaturen sind kaum so primitiv, wie ihr annehmt, Prinz Sturmbock. Sie wussten um den Vorteil, uns aus dem Hinterhalt anzugreifen anstatt einfach auf unsere Schultern zu springen und uns mit bloßen Zähnen zu zerfetzen. Stattdessen haben sie versucht uns festzusetzen und mit Kolph-Waffen angegriffen, die sie offenbar schnell verstanden haben. Hier geht es um mehr als hungrige, wilde Tiere. Ansonsten wäre selbst Eure hoffnungsvolle Annahme, dass sie den Boss nur gefangen genommen haben, einfältig gewesen." Ich riskiere einen vorsichtigen Blick zu Ralph. Die Nase gerümpft starrt er brodelnd auf den Schattenlosen hinab. Es dauert länger als erwartet, bis ihm wieder Worte über die Lippe kommen, "Werd mal nicht unverschämt! Du bist in meinen Augen genauso wenig vertrauenswürdig wie dein kleiner Diebeskumpan." "Dieser kleine Diebeskumpan hat grade dafür gesorgt, dass du aus deinem Versteck hervorkriechen konntest, während wir um unser Leben gekämpft haben!" halte ich dem entgegen. Augenblicklich liegen seine bohrenden Augen auf mir. "Du wagst es, mich einen Feigling zu nennen?!" "Nein, ich stelle fest, dass du ein undankbarer Fatzke bist." "Soll ich dir mal zeigen, wie dankbar ich dir bin?!" "Versuch's ma-" Und postwendend, in einer Explosion aus Sternchen und Schmerzen, trifft etwas mich am Hinterkopf. Aber nicht Ralph, denn der hat ebenfalls eine ordentliche Schelle abbekommen. Verdammt, das fühlt sich an, als hätt' ein Pferd mich getreten... Während wir unsere wunden Köpfe festhalten und uns durch Schleier aus Tränen anstarren, sagt Zandera, "Nun hört schon auf, ihr zwei. Am Ende rollt ihr noch wieder bis zum Fuß des Berges, wenn ihr euch prügelt. Machen wir, dass wir weiter kommen." Klar, falls mein Kopf nicht entzweibricht, sobald ich auch nur einen Schritt mache. Behutsam richte ich mich auf. Ralph hat die Zähne fest aufeinandergebissen. "Ich dacht, das wäre deine Leibwächterin, nicht deine Lehnsherrin," flüstere ich ihm zu. "S... sei einfach still." [align type="center"]* * *[/align] Glücklicherweise treffen wir bis tief in die Nacht keine weiteren Bestien. Meine Füße tragen mich wie von selbst, während ich verzweifelt versuche, mich wach zu halten – eine willkommene Ablenkung von dem Pochen in meinen Beinen und auch teilweise immer noch in meinem Kopf, sodass ich schon am Überlegen bin, ob diese Verrückte mich ernsthaft mit dem Schwertknauf geschlagen hat. Ralph läuft wieder treu mit ihr an der Spitze unserer kleinen Bergsteigergruppe, wenn auch um einiges wortkarger als zuvor. Vielleicht beschäftigt ihn auch der Schmerz. Er ist auf jeden Fall erschöpft, denn als wir damit fertig werden, unser Lager für die Nacht in einer kleinen Senke zu errichten, schläft er fast augenblicklich ein. Sehr zu Zanderas Frustration. "Hmpf soviel dazu, dass er die erste Nachtwache übernimmt." Erwartungsvoll schaut sie zu Dūs, Phentos, Sira und mir... und seufzt schließlich. "Will mir wenigstens jemand Gesellschaft leisten und mich wach halten, während ich klarstelle, dass uns keins dieser Viecher nachts in den Arsch beißt?" Als niemand etwas erwidert und Zanderas orange Augen an mir hängen bleiben, krieg ich dieses Gefühl wie früher beim Orden, wenn Orson vergessen hat, wer an der Reihe war, die Messehalle zu säubern, und wie durch Magie jeder außer mir sich plötzlich daran erinnert hat, dass ich dran war. Und da ich heute gelernt habe, dass man mit den Fäusten dieser Frau genauso wenig diskutieren kann wie mit Orson, ergebe ich mich meinem Schicksal, "Klar, ich setz mich zu dir." Sie grinst mich an, fast als hätte ich eine Wahl gehabt und sie sei glücklich, dass ich mich freiwillig gemeldet habe. Während Phentos und Dūs sich also die bequemsten Felsen zum Nächtigen aussuchen, lasse ich mich gegenüber der anderen Blonden nieder und beobachte unser mickriges Lagerfeuer Funken husten wie ein alter Mann Speichel. Wenn ich jetzt nicht irgendein Gespräch anfange, fallen mir gleich die Augen zu und ich stürze mit dem Gesicht voran ins Feuer. "Also, ähm... mag ein wenig spät dafür sein, aber ich glaub, wir haben uns gar nicht richtig vorgestellt." "Nicht, dass ich wüsste, Kleiner." Einen Moment lang hält sie inne, während sie ihre Waffen putzt, und überlegt, "Nun, Ralph hatte so n paar Namen für dich, aber so nennt wohl keine Mutter ihren kleinen Wonneproppen." Kurz frag ich mich, was man darauf am besten erwidert. "... Nein, ich heiße tatsächlich nicht Suppendieb. Ich bin Marin, ein Novize vom Orden der Armen Ritterschaft zu Doarnb." Etwas in ihren Augen lodert wie das Feuer, als sie aufblickt. Ich höre sie flüstern, "Dann hatte ich Recht." "Was?" "Oh, ich hab nur zufällig dich und deine Freunde reden hören. War nicht sicher, ob ich deinen Namen richtig verstanden habe. Passt zu einem Doarnber Burschen. Ich bin Zandera." "Freut mich," sag ich und will ihr übers Feuer hinweg die Hand geben. Sie beugt sich vor, um sie zu schütteln, doch plötzlich weicht sie zurück, hält einen Fluch zurück. "Was ist?" frage ich beunruhigt. "B.. bloß ein Krampf," versichert sie atemlos, "Brauchst dir nicht in die Hosen zu machen." Flugs senkt sie den Kopf und wendet sich wieder ihrer Arbeit zu, wild mit dem Fuß tappend. Das muss vielleicht ein Krampf sein... Ehe wir jedoch wieder komplett in Schweigen versinken, frage ich, "Also, du und Ralph... wie steht ihr eigentlich zueinander?" Ihr Blick ist misstrauisch. "Was meinst du?" "Nun, ja, ist er dein Gebieter... oder dein älterer Bruder oder was?" Endlich beruhigt sie sich wieder etwas. Ihre Schultern sinken, als sie erklärt, "Ersteres." Sie schafft es sogar wieder zu lächeln. "Nie im Leben sind wir auch nur irgendwie verwandt. Das Blut der Sturmbocks von Kesselrode und der Maresas von Eschfels ist noch nie zusammengeflossen." Ich glaub mich tritt ein Pferd! "Maresa?! W-wie Skender Maresa, der Vierte, der Sakon, den Dreisten, bezwungen hat?!" Ihr Schmunzeln erlischt augenblicklich. Die Augen verdrehend stöhnt sie, "Ich und meine große Klappe..." "Ich hab von den Maresas schon öfters beim Orden gehört! Bist du ein echter Nachfahre von Skender?!" Kaum auszudenken, dass ich jemanden treffe, der mit dem legendären Vierten, der sich selbst erwählte, verwandt ist! "Um ehrlich zu sein," seufzt Zandera, auf der Stelle herumruckend, "hat Skender kein einziges Kind hinterlassen. Tut mir Leid, Kleiner, aber ich stamme bloß von seinem älteren Bruder Dorin ab." "Trotzdem! Wie toll muss das sein, auch nur irgendeine Verbindung zu einem von Cardighnas größten Helden vorweisen zu können?" Sie schiebt ihr Schwert zurück und sagt plötzlich, "Ich bin eigentlich froh, nicht wirklich mit ihm verwandt zu sein. Skender Maresa war ein schwarzes Schaf. Sowohl im Stammbaum der Maresas... als auch in der langen Folge von Vierten, welche diese Welt gesehen hat." Es verschlägt mir die Sprache, doch jemand anders ist plötzlich da, um auszusprechen, was mir durch den Kopf schießt, "Wieso würdet Ihr so etwas sagen?" Ganz nach Schattenlosen-Tradition steht Dūs wie aus dem Nichts plötzlich am Rand des dämmrigen Lichtkreises ums Feuer. Ups, hab ich ihn wohl grade geweckt durch meine Euphorie? Seine Miene passt auf jeden Fall zu jemandem, der grade aus dem ersten bisschen ruhigen Schlaf seit gut einer Woche geweckt worden ist. Sein kühler Blick gilt aber nicht mir. Kritisch beäugen Zandera und er sich, bis die Luft zwischen ihnen so dick ist, dass man sie schneiden und über dem Feuer rösten könnte. Und bestimmt würde einem davon genauso schlecht wie mir, wenn ich die zwei so bei ihrem Starr-Wettbewerb beobachte. Nach einer Ewigkeit bricht Zandera das ungemütliche, feindselige Schweigen, indem sie fragt, "Kannst wohl nicht schlafen?" "Ich bin zufällig aufgewacht und habe gehört, dass ihr über Skender redet. Da bin ich neugierig geworden." "Dann sind wir schon zwei. Denn, so hart das auch klingen mag, aber ich wunder mich auch – über den Aufzug, in dem du rumläufst. Hältst dich wohl für ein Überbleibsel des ausgelöschten Ordens der Schattenlosen?" Gut sichtbar unter dem engen Leder- und Wollanzug spannt Dūs' Körper sich an. Seine Muskeln spielen herausfordernd, als er seine Hände zu Fäusten ballt. "Wieso denkt Ihr zu wissen, ob der Orden noch besteht, oder nicht?" will Dūs stichelnd wissen. Zandera lässt das kalt. "Einfach," entgegnet sie, "Ich bin vielleicht nicht direkt mit Skender verwandt, aber er wird dennoch ausführlich in unserer Familienchronik beschrieben. Auch wie er maßgeblich am Untergang der Schattenlosen beteiligt war." Den Göttern sei Dank reißt Dūs sich noch mal zusammen, nicht seine Fäuste oder gar seine Messer sprechen zu lassen. Ausnahmsweise kann er seine Gefühle nicht hinter seiner Schattenlosen-Maske verbergen, während er vehement widerspricht, "Skender hätte die Schattenlosen nie verraten!" "Mir gleich, wie du das nennst," erklärt Zandera achsel-zuckend, "Aber was er in der Zweiten Dämmerung getan hat, klingt sehr wohl wie Verrat für mich – und bestimmt auch für echte Schattenlose. Sie und er haben beide unter König Petahriul gedient in den Zwielichtskriegen, doch in der letzten Schlacht der Schattenlosen gegen die Truppen des Thronräubers waren sie plötzlich auf sich gestellt... weil Skender Maresa, der Vierte, der sich selbst erwähnt hat, meinte, dass sie weder sein Vertrauen noch seine Hilfe verdient hätten. Damit hat er genauso viel zu ihrem Untergang beigetragen, wie der Thronräuber, der nach ihren Köpfen verlangt hat." Während sie das sagt, schaut sie vielmehr mich als ihn an. "Er soll ein großartiger Kämpfer gewesen sein. Und klar, er hat Cardighna von der Bedrohung durch Sakon befreit. Hätte ich zu seiner Zeit gelebt, wäre ich ungern sein Gegner gewesen, denn denen zeigte er keine Gnade. Aber ich wollte auch nicht sein Verbündeter sein – da die ebenfalls schnell zu seinen Feinden werden konnten." Dūs rastet aus, "Gar nichts weißt du! Dir steht es nicht zu, so über ihn zu reden! Du hast ihn nie gekannt!" "Oh, aber du?" Alles geht plötzlich ganz schnell. Ich springe gerade noch rechtzeitig auf, um Dūs' Hand abzufangen, bevor er Zandera schlagen kann. "He, jetzt mal ganz ruhig!" fahre ich ihn an, während ich ihn von ihr wegziehe. "Was ist denn jetzt in dich gefahren?!" Sein Gesicht verzieht sich vor Wut... dann plötzlich vor Schmerz. Seine Hand reißt sich von mir los, um zu seiner Schläfe zu schnellen. Fast brechen seine Beine unter ihm zusammen, er torkelt zurück. Als ich ihn festhalten will, winkt er ab. "E-es tut mir Leid!" schreit er, "Ich... Ich hab nicht... ich bin nur aufgekratzt... seit den Harpyien. Entschuldigt mein Benehmen, Daemsel Maresa. Ich habe mich benommen wie ein Narr." Sie würdigt diese halbherzige Entschuldigung keiner Reaktion. Müde aussehend und geschlagen wendet Dūs sich noch einmal mir zu, um zu sagen, "Ich sollte ruhen. Ich hab es die letzten Tage übertrieben..." Ein Tropfen Schuld fällt in seine Augen, als er anfügt, "Danke, dass du mich aufgehalten hast." Ich bin viel zu überrumpelt, als dass ich etwas erwidern kann, ehe er sich verkriecht. Seine Stimmungsschwankungen werden auch immer heftiger. Vielleicht sollte ich doch gleich noch mal ein ernstes Wörtchen mit ihm reden. "Lass ihn," meint Zandera besonnen. Während ich mich noch mit der Tatsache abfinde, dass Sira wohl Recht hat, dass ich so einfach zu durchschauen sei, wenn diese Frau, die ich keinen ganzen Tag kenne, das schon kann, fährt sie fort, "Ich kenn das. So hat Ralph sich auch benommen, wenn er nicht seinen Willen gekriegt hat. Hat sich aufgeregt und geheult und ist dann abgehauen, um zu schmollen. Und glaub mir, einen Schmollenden willst du nicht trösten oder konfrontieren, bis er sich beruhigt hat." "Ich glaub ja kaum, dass Ralph und Dūs auch nur irgendwas gemeinsam haben." "Mein Ratschlag bleibt. Ich weiß ja nicht wie lange ihr euch schon kennst... aber wäre ich du, würde ich mich vor diesem Kerl genauso sehr hüten wie davor in eine Schlangengrube zu pinkeln. Bei eurem selbst-ernannten Schattenlosen ist was gehörig faul." Ich weiß zwar, was sie meint, ziehe aber dennoch eine Braue hoch und frage, "Und wieso sagst du mir das? Nach dem, was Ralph dir so erzählt hat, würde ich erwarten, dass du mir genauso wenig über den Weg traust wie Dūs." "Ach, nimm Ralphs Gefasel nicht so ernst. Wie gesagt, er ist 'ne Heulsuse. Ist ja viel einfacher, jemanden die Schuld dafür zu geben, kein Mittagessen gehabt zu haben, anstatt es hinzunehmen. Aber mach dir nichts draus. Er kann selbst mit Dieben Freundschaft schließen." "Ach ja? Wem hat er denn solche Gnade gezeigt?" Sie lehnt sich zurück, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. "Wie wär's mit dem blonden Ikanermädchen aus Eschfels, das sich in die Vorratskammer von Fürst Sturmbock geschlichen hat und erwischt worden ist?" Mir klappt die Kinnlade runter. Nie im Leben! Doch Zandera gluckst leise und fährt fort, "Ob du's glaubst oder nicht, aber als ich ertappt worden bin, hat Ralph für mich den Kopf hingehalten. Da hat er ausnahmsweise mal um jemand anderer Willen geheult als um seinen. Der hat seine Eltern so lang angebettelt, bis sie, bloß damit er Ruhe gibt, mich als Dienerin aufgenommen haben. Und das ist jetzt über zehn Jahre her. Versteht sich von selbst, dass es also das Mindeste ist, wenn ich auf ihn aufpasse, oder?" "... Du steckst wirklich voller Überraschungen." Mysteriös sagt sie, "Kleiner, das ist nur der Anfang." Dann meint sie, "Aber jetzt sieh zu, dass du 'n bisschen schläfst. Ich glaub, ich hab genug geredet, um auch gar den Rest meiner Wache wach zu bleiben. Ich muss nachdenken." Und während sie das sagt, spricht aus ihren Augen Wärme und Verbundenheit, als würde sie einen alten Freund anschauen. [align type="center"]* * *[/align] Der Nachmittag neigt sich grade dem Ende, als wir am nächsten Tag schon fast den Gipfel erreicht haben. Scheinbar war der gestrige Überfall nur eine Ausnahme, denn wir sind keinem weiteren dieser Biester begegnet. Nur dem gelegentlichen Salamander, einer Bergziege hier und da und ein paar Adlern, die uns verstohlen von ihren unerreichbaren Nestern aus im Auge behalten. Trotzdem komme ich kaum zur Ruhe. Sobald der Gipfel sich uns preisgibt als scharf gezogene Krone aus zackigen Felsspitzen, die einst Säulen gewesen sein mögen, stoßen wir wieder auf die Kreaturen. Nur dies mal tot, die Köpfe und Brustkörbe mit großer Wucht eingedrückt... für einen hohen Preis. Für die Kolph, die hier gekämpft haben, kommt alle Hilfe zu spät. Blitzschnell wende ich mich ab von ihren aufgerissenen Bäuchen. Bah, ich will gar nicht wissen, was die Adler hier schon haben mitgehen lassen. Ralph indes hat einen halben Nervenzusammenbruch. Er brabbelt, "BittesagtmirdasskeinervondenenMolldumist, bittesagtmirdasskeinervondenenMolldumist, bittesagtmir-" "Sind sie nicht," sagt Phentos mit brüchiger Stimme. Er tut ein paar tiefe Atemzüge, ehe er fortfahren kann, "Trotzdem schrecklich. Wir können sie nicht hier lassen, nachdem sie so ihr Leben gelassen haben." "Ja," stimmt Zandera zu, wobei sie Ralph leicht gegen den Hinterkopf schlägt, damit er sich beruhigt. Dann sagt sie, "Aber nicht, bevor wir den Boss gefunden haben. Sonst haben wir gleich noch 'ne Leiche mehr zu schleppen." Ich sehe Phentos an, wie innerlich zerrissen er ist, doch er nickt trotz alledem. Wir alle teilen Zanderas Ansicht. Olphe möge sich gedulden, die Seelen dieser Krieger zu sich zu holen, und Kin möge ihre Körper erhalten, bis da sie ein anständiges Begräbnis erhalten haben. Und wo wir schon dabei sind, könnten wir auch Daera bitten, den Geruch der Toten nicht an die Nüstern irgendwelcher weiteren Biester zu tragen. Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend setzen wir unseren Weg auf einer Reihe steiler Zick-Zack-Pfade durch die äußeren Zacken des Gipfels fort. Wie ein Tannenwald, dessen Bäume so leer an Leben und Feuchtigkeit sind, dass sie sich zu Stein verwandelt haben. Einige der Spitzen sind auf den Weg gefallen, parallel zu den wachsenden Schatten im Schein der Abendsonne. Ihr Licht bricht sich an den raren Eisenstangen wie rosa Flammen wegweisender Fackeln. Und als ob die Götter uns für völlig tumb halten, waren sie auch noch so nett, uns eine immer dichtere Spur aus toten Monstern in den Weg zu legen. Ich unterdrücke einen Schrei, als eines von ihnen zockt. "Das lebt ja noch!" "Dann kann der Boss nicht weit sein," vermutet Dūs am hinteren Ende unserer Truppe, wo er so viel Abstand zu Zandera – und mir – hat wie möglich, ohne dass wir ihn ganz aus den Augen verlieren. Schätze, der Schmollende ist immer noch nicht bereit für ein Gespräch. Nun, ich grad genauso wenig. Der Boss hat Priorität. Hier ist die Verwüstung noch viel größer. Der Weg ist fast komplett begraben unter einem löchrigen Haufen umgestürzter Säulen und Zacken. Wie ein steinerner Biberdamm, der einen ausgetrockneten Wasserweg blockiert. Bleibt die Frage: was für ein Biber hält sich da drinnen versteckt? Kurz bin ich überzeugt, ein Paar rubinroter Augen in der Dunkelheit zu erspähen, das uns aufmerksam beobachtet. Dann bemerke ich plötzlich Dūs, der seine zurückgezogene Position aufgegeben hat und sich dem größten Loch nähert, das vielleicht der Eingang ist. "Warte," zische ich, "Was ist, wenn-" Meine Warnung schlägt um in einen wütenden Fluch, als plötzlich eine gewaltige, geschuppte Pranke mit dicken Eisenringen um den Handgelenken hervorschnellt und ihn packt. Ich eile zu ihm, um gegenzuhalten, doch umsonst. Die rubinäugige Kreatur mit den riesigen Händen zerrt uns mit Leichtigkeit beide in sein dämmriges Domizil, das ausgekleidet ist mit einem verschwommenen Raster aus Licht und Dunkel wie die Gitterstäbe einer Zelle. Wie ein grüner Komet schießt Sira aus meiner Tasche, das Monster zu blenden. Endlich lassen seine Klauen von Dūs, während es überrascht aufschreit, "Ich ergeb mich! Ich ergeb mich! Kin noch eins, du Geschmeiß, hau schon ab!" Während ich noch am Boden und gekreuzt auf Dūs liege wie die Spitzen über uns, schaue ich auf, wer da eigentlich spricht. Meine Augen gewöhnen sich langsam an das Dämmerlicht, sodass ich die Gestalt nicht als Monster erkenne – sondern als einen großen, beigefarbigen Kolph mit einer Kette aus Eisen um seinen Hals und einem zusammengerafften Rock voll bronzener Schuppen. Auf seiner gehörnten Stirn prangt eine dunkelblaue Tätowierung, die aussieht wie das Wappen am Stadteingang. Als ich merke, dass mein Mund offen steht, frage ich, "B-Boss Molldum, nicht wahr?" "Genau der! Schwefel und Bergrütteln, fast hätte ich euch zwei Barrahs für mehr von diesen hässlichen Viechern gehalten, die hier in letzter Zeit randaliert haben!" "In gewissem Maße tun sie das immer noch," sagt Dūs, worauf der Boss erbost entgegnet, "Bah, hab ich mir schon gedacht. Unmöglich, dass ihr zwei Burschen zu Ende gebracht haben könntet, woran ich nun schon seit drei Tagen schufte!" Über die Schulter zeigt er in ein paar dunklere Ecken seines Verstecks. Als ich dort hinsehe, entdecke ich die Umrisse einiger weiterer toter Bestien. "Ich sag's euch, der Mief bringt mich noch um, ehe die mir auch nur eine Schuppe krümmen können!" "Tatsächlich sind wir hier, um nach Euch zu sehen, Eure Majestät," erklärt Ralph, als er mit Zandera und Phentos unter die Kuppel tritt. Der Anblick des Letzten lässt Molldum aufspringen und frohlocken, "Ein Bruder! Ah, und ich hatte schon Angst, dass es hier bloß Barrah-Jungspunde gäbe!" "Boss! Wie gut, dass Ihr unversehrt seid." "He, man wird nicht Anführer der Kolph, wenn man nicht ein paar Hundesöhnen 'ne gehörige Abreibung verpassen kann!" grölt er, als sie sich in dem Arm nehmen mit einer Wucht, die überall sonst in Hesproys wohl 'halsbrecherisch' genannt würde. "Also, die haben euch also geschickt, mich abzuholen?" wiederholt der Boss dann das Wesentliche. Da riecht Ralph sofort eine Chance, wieder auszuholen, "In der Tat, Eure Majestät! Wir haben den steinernen Weg diesen Berg hinauf auf uns genommen und so einige Bestien niedergestreckt, um Euch wohlbehalten zurück zu Eurem Palast zu geleiten!" Zähneknirschend reibt Molldum sein Kinn. "So, so... bloß leider wird das noch nicht möglich sein," brummt er, "Ich hab noch was zu erledigen hier. Aber wenn ihr schon da seid... kommt, ich zeig's euch!" Weil er gar nicht erst eine Antwort abwartet, bleibt uns nichts übrig als ihm zu folgen. Schnurstracks führt er uns um sein bescheidenes Versteck herum zu einer weiteren von Kolph-Hand geschaffenen Treppe. Nur dass diese gut sechsmal so breit ist wie die anderen und kaum halb so steil. Wie der Aufgang zu einem Tempel. "Wohin bringt Ihr uns?" frage ich. "In unsere Arena," entgegnet er, den Blick nach vorne gerichtet, "Oder eher... was mal unsere Arena war." Als wir das Ende der Treppe erreichen, verstehe ich, was er damit meint. Vor uns erstreckt sich ein großer Krater voll kreisförmig angelegter, zerbrochener Marmorsitzreihen. Bis zum Rand gefüllt mit geschnäbelten, gebuckelten Monstern. Ralph und ich machen gleichzeitig zwei Schritte zurück. Oh je, hoffentlich haben die uns nicht gesehen! "Eine Plage, was?" stellt Molldum fest. "Ich wollte diesem Ungeziefer eine kleine Lektion erteilen, aber... nun... war ein bisschen mehr Arbeit als ich gedacht hab... und jetzt seid ihr hier, also..." "Also~?" will Sira wissen. Im nächsten Augenblick finde ich mich plötzlich nicht mehr auf den Stufen wieder. Eigentlich weiß ich nicht mal mehr, ob ich noch auf dem Boden bin, denn plötzlich packen Molldums kräftige Hände uns und schubsen Ralph, Zandera, Dūs und mich in die Grube voll von Viehzeugs, das uns umbringen will! "Auf sie mit Gebrüll!" ruft er lachend. Ich schreie, "Du dreckiger-" doch ich muss meine 'dankenden' Worte vertagen, denn schon greift das erste Ungetüm mich an. Ich springe aus dem Weg der Klauen, die mir den Kopf abreißen wollen, während ich versuche, mein Schwert freizubekommen. Mehr Monster sind aber schon auf dem Weg, sodass ich notgedrungen das nächste mit der Schwertscheide schlage und einem anderen den Schwertknauf in seinen knöchernen Bauch ramme. Im nächsten Moment reißt mich eins von ihnen von den Füßen, doch ich rolle mich weg, ehe es auf mich springen kann. Ich weiß kaum noch, wo oben und unten ist, als ich mich hochkämpfe und augenblicklich wieder zu Boden gerempelt werden. Das Biest schreit siegessicher, ehe sich in just diesem Moment drei Dolche in einer geraden Linie in sein Gesicht rammen. Ich geb dem sterbenden Monster noch einen festen Tritt mit, nur um von sieben weiteren angefallen zu werden. "Danke, Dūs," rufe ich noch, laut genug, dass er es vielleicht sogar mitbekommt, und ziehe endlich mein Schwert, um in derselben Bewegung zwei Ungeheuer zu fällen. Ich befinde mich inmitten eines Meer aus wackelnden Schultern. Scheiße. Es sind so viele, das schaff ich nie. Es ist zweck- "Zwecklos!" Etwas segelt durch die Luft. Grade noch rechtzeitig reagiere ich, um nicht unter der zweigeteilten, niederprasselnden Leiche eines Monsters begraben zu werden, und lasse die übrigen, meine Sandalen und Klinge schmecken. "Bei Vas, wer schafft es denn, so ein Vieh in der Mitte auseinanderzuschlagen und dann noch durch die halbe Arena zu werfen?!" zische ich. Die Antwort zerstückelt Ungeheuer zu allen Seiten, während sie zielstrebig auf mich zurast und schreit, "Zwecklos, zwecklos, zwecklos, zwecklos!" So sehr ich auch Zanderas Hilfe begrüße, sagt mir etwas, dass ich überall sein will, außer nahe der Schneise der Zerstörung, die sie und ihre Klingen in den Schwarm reißen. Was sie macht, gleicht eher einem Tanz als Fechten. Fast durchgehend dreht sie sich, Angriffe mit einer Klinge parierend, ehe sie all ihren Schwung in einem Streich mit der anderen Waffe herauslässt und die Bewegung prompt in die nächste Drehung fließen lässt. Unsere Blicke treffen sich. Ihre Augen weiten sich und sie will mir etwas zurufen – eine Warnung, wie ich erst verstehe, als sich längst Klauen in meine Seite graben und ein Feuer in meinem Torso entfachen, das sogleich auf den Rest meines Körper überspringt. Und kaum, da es meinen Kopf erreicht, meine Augen mit Weiß flutet – wird alles dunkel. Das nächste, was ich spüre, ist, dass ich wohl wortwörtlich ins Leben zurückgeworfen bin. Zumindest, wenn ich so merke, wie mein Kopf langsam entzweizubrechen scheint von den ganzen Geräuschen, die sich Nägeln gleich in meinen Kopf hämmern. Klong macht etwas und nur ein schmerzerfüllter Schrei meinerseits kann es übertönen. Was mich nur noch weiter quält. Wenigstens hat es mich bis jetzt von dem Geschmack von Blut und Galle in meinem Mund abgelenkt. Indes ist mein Äußeres durchnässt von Schweiß... und... meinem Blut, vermutlich. Hoffentlich bloß meinem. Wie wahrscheinlich das jedoch ist, wage ich nicht auszusprechen. Nicht bei der schreienden Ikanerin, die neben mir aufs Ganze geht, und dem schwergewichtigen Kolph, der sich bewegt, als sei er federleicht. Zandera ist langsamer geworden, aber jede ihrer Bewegungen bringt denen den sicheren Tod, die sich trauen heranzukommen. Ihre Kampfesschreie klingen fast nicht mehr menschlich. "Alles klar?!" ruft Phentos, während er einem der Ungeheuer mit der Faust das Genick zertrümmert. Nachdem Zandera einer anderen Kreatur die Zähne ausgeschlagen hat, und sie im nächsten Moment noch einer das Auge aussticht, fügt sie an, "Wenn ja, dann beweg deinen Arsch und hilf uns! Ralph muss auch gerettet werden!" Fast rutscht mir heraus, "Würde mich wundern, wenn der so lange durchgehalten hat," aber das ist jetzt wohl nicht angebracht. Nicht, wenn ich grade auf Olphes Schwelle hocke und beten muss, aufstehen zu können. Wie genau, weiß ich nicht, aber irgendwie schaffe ich es tatsächlich zurück auf meine Füße, dem Schmerz in meiner Seite zum Trotz. Wobei... fühlt sich gar nicht so schlimm an, wie ich dachte. Zandera knirscht, "Wenn du wüsstest, wie teuer die Salbe war, die ich an dir aufgebraucht hab, würdest du 'n bisschen schneller machen." Eventuell wäre Verbluten doch die bessere Wahl gewesen. Ich suche schnell mein Schwert, das fast augenblicklich wieder geschwungen wird. Der bleibende Schwindel schlägt sich in meinem Streich nieder, doch es reicht aus, um das Ungeheuer benommen zurücktaumeln zu lassen, bis Phentos ihm den Schädel einschlägt. Derweil halte ich Ausschau nach Ralph. Es sind noch immer mehr Monster als ich zählen kann. Und wissen die Götter, wo dieses hinterhältige Schwein Molldum abgeblieben ist. Würde ich nicht seine Erlaubnis brauchen, um ins Heiligtum der Kolph zu kommen, wäre ich ja gar nicht so traurig, wenn diese Ausgeburten ihm auch mal eine Abreibung verpassen würden. Keine gute Lektion für einen Kolph, wenn er sie nicht noch im Sterbebett spürt. Da erspähe ich Ralph – und Dūs, beide umzingelt wie wir. Und obgleich Prinz Sturmbock in wesentlich besserer Verfassung ist als ich, zieht er dem Kampf vor, sich auf die kleinstmögliche Angriffsfläche zusammenzukauern, während Dūs mit geschwinden Tritten und Faustschlägen austeilt, als hätten die Schattenlosen eine großartige Alternative für ein Rückgrat gefunden. Mit einem Fingerzeig mache ich Zandera auf die beiden aufmerksam. Sie schreitet sogleich zur Tat und bricht mit einem weiteren enthusiastischen Schrei durch den Ring aus Ungetümen, gefolgt von Phentos und mir, die ihr Rückendeckung geben. Wie im Rausch flaut der Schmerz langsam ab, während ich fast doppelt so gut wie zuvor hören kann. Das kleinste Geräusch reicht aus, um mich herumwirbeln zu lassen und die Monster auf unseren Fersen in Stücke zu schneiden, während Phentos sich um ihre Knochen kümmert und seine eigenen Klauen sprechen lässt. Dann halten sie plötzlich von uns ab. Ich rechne jede Sekunde mit einem weiteren Angriff, doch nichts! "Wo sind sie hin?" Da dämmert uns, dass sie sich ein neues Ziel gesucht haben. Wir hören Molldum brüllen, "Weg mit euch Viehzeugs!" Wo kommt der denn plötzlich her?! Einen Arm zum Himmel erhoben, hält er etwas in seiner Hand umklammert, was die Bestien so anstachelt, dass sie versuchen an seinem Rücken und Bauch hinaufzuklettern. Er schüttelt sich und rammt die Hörner auf seinen Armrücken in ihre Bäuche, während sie ihn anfallen, aber egal, wie man es auch dreht und wendet: er wird das nicht ewig durchhalten. Sein Schuppenpanzer klafft längst offen und sein Gesicht ist mit roten Kratzern überzogen. So sehr ich es auch hasse, aber "Wir müssen ihm helfen!" "Wie lästig," ächzt Zandera. Ihr seidenes Haar ist matt, nass von Schweiß und Blut und klebt an ihrer Stirn. In ihren Augen lodert es jedoch noch genauso hell wie zu Beginn des Kampfes. "Bringen wir's zu Ende. Ich zeig dem Möchtegern-Schattenlosen, wie eine echte Maresa das macht." "Komm mir nicht in die Quere," entgegnet Dūs genauso freundlich. Sira seufzt, "Toll! Die erste Emotion, die unser Schattenloser erlernt hat, ist Verachtung." "Das kannst du laut sagen," pflichte ich augenrollend bei, "Los, schauen wir, dass ein paar Monster zwischen ihnen sind, damit sie sich bloß nicht zu nahe kommen." "Denen zeig ich's...!" keucht Ralph, als selbst er sich bereit macht für den letzten Stoß, indem er einen schweren Stein aufhebt. Molldum ist zum Zentrum der Arena getrieben worden. Er ist fast nicht mehr zu erkennen unter all diesen sandfarbenen Säcken missgestalteten Fleisches und Knochen. Besser wir beeilen uns! Sie haben uns aber nicht gänzlich vergessen. Wer weiß, von wo, aber kaum bewegen wir uns auf den Boss zu, versperren uns zwanzig von ihnen den Weg – und dies mal sind sie bewaffnet. Einem zweibeinigen Tiger gleich rast eines von ihnen über die Sitzreihen, um auf mich und Ralph loszugehen. Wild schwingt es seinen hölzernen Knüppel nach uns. Ich lass mich zurückfallen, aber nicht weit genug. Der Schlag in die Schulter bringt mich zu Fall und raubt mir kurzzeitig sogar den Atem, während mir mein Schwert entgleitet. Über mir ragt das Ungetüm auf, die Keule erhoben und- "Nimm das, Ausgeburt!" ruft Ralph und zieht ihm von hinten den Stein über den krachenden Schädel. Heiliger Dreizack... das war knapp! Oh je, und jetzt schulde ich Ralph was! Aber nicht lange. Während er noch auf den Sitzen steht und stolz seine 'Waffe' umklammert, erspähe ich, wie eins der Viecher ihm in die Kehle beißen will. Aufspringend werfe ich mich in Ralph und drücke ihn aus dem Weg – was damit endet, dass sein Stein und er den Krater hinunterrollen. Ups. Ich schiebe den Gedanken, dass ich mich dafür später wohl entschuldigen sollte, beiseite, während ich dem wütenden Monster ausweiche, mein Schwert aufhebe und die Spitze von unten in seinen Hals jage. Im selben Moment erhasche ich einen Blick auf Dūs und Zandera, die schon wesentlich näher an Molldum sind und auf doppelt so viel Widerstand treffen. Was wollen diese Viecher bloß vom Boss?! Obwohl die beiden Ikaner es nie zugeben würden, geben sie ein gutes Duo ab. Jede Bestie, die Zandera nicht mit ihren Klingen zerstückelt, wird von Dūs mit präzisen Tritten und Schlägen außer Gefecht gesetzt. Ich könnte schwören, die berstenden Knochen fast bis hierher zu hören. Doch selbst so sind sie dem Ansturm nicht ganz gewachsen. Verflucht, Molldum muss sich gedulden, die beiden brauchen meine Hilfe zuerst! Dūs wird am Bein gestriffen, worauf er das Gleichgewicht verliert, während Zandera ihre beiden Klingen überkreuz halten muss, um einem Monster Einhalt zu gebieten, dessen Schwert sicher nie für einen Menschen gedacht war. Ich bin gut fünfzig Schritte entfernt, als sie aus der Parade kommt und die Bestie mit einem Schnitt quer über die Brust erledigt. Gerade rechtzeitig, um von noch einem Ungeheuer angefallen zu werden. In seinen Händen liegt eine brennende Fackel und Zandera erstarrt mit einem Mal. "Was machst du denn?!" schreie ich. Zwanzig Schritte noch. "Beweg dich, Zandera!" Sie hört mich nicht, reagiert nicht auf das Feuer, das ihr jeden Moment übers Gesicht leckt. Zehn Schritte. Ich werfe mich in ihre Richtung. Bitte, Vas, nur weit genug, dass ich sie aus dem Weg schubsen kann! Er erhört mich nicht. Nur drei Schritte von Zandera schlage ich auf dem Boden auf und sehe aus nächster Nähe, wie das Feuer ihre Haarspitzen erfasst und sie – beiseite gestoßen wird. Begleitet vom Klirren ihrer Klingen rollt sie schlaff durch die Reihen der Arena... und wo sie eben noch stand, fängt Dūs grade das Feuer mit seinem Armstulpen ab. Er schreit, als seine Hand in Feuer gehüllt wird, doch irgendwie greift er mit der anderen zu seinem letzten Dolch und rammt ihn ins Herz des Ungetüms. Wie einen Schild drückt hält er es vor sich und stößt seinen brennenden Arm in die Masse der verbliebenen Ungeheuer. Kein Funke kann übergehen, ehe sie auseinanderspringen und wie ein Rudel getretener Hunde das Weite suchen. Schnell reißt Dūs sich den Stulpen vom Arm und schlägt die restlichen Flammen aus. Zandera liegt derweil noch immer am Boden. Zitternd suchen ihre Finger ihr Gesicht nach irgendwelchen Verbrennungen ab. Sie kann kaum atmen. "Grundgütiger!" kommt Ralph angerannt, "Zandera, halt durch!" Hin und her gerissen frage ich, "Was hat sie?!" Ralph beugt sich über sie und schüttelt sie sanft, während er mich anfährt, "Lass das meine Sorge sein! Ihr zwei müsst dem Boss helfen!" "Dūs hat mehr als genug getan! Er hat die Flammen abgekriegt, die für Zandera-" Mein Ärger verpufft, als ich endlich begreife. Was letzte Nacht war, als Zandera meine Hand nicht schütteln konnte. Das Feuer! Sie hatte Angst vor dem Feuer! Selbst die kleinste Flamme bereitet ihr mehr Schrecken als den Verfluchten Drei die Klinge von Vas. "Du hast Recht," sage ich da zu Ralphs und meiner eigenen Überraschung, "Ich überlass sie dir. Tut mir Leid." "Mach das," stimmt er zu und wirkt dabei einmal wirklich demütig. "Und... hilf deinem Freund. Wir schulden ihm was." Dūs ist aber längst wieder auf den Beinen. "Ehrensache. Verschieben wir das auf später, wenn wir unsere Mission erfüllt haben. Bereit, Marin?" Er lächelt. "Oder willst du da unten ein Päuschen machen?" Obwohl ein paar der Schmerzen zurückgekehrt sind, entgegne ich, "Sira würde mir die Hölle heiß machen." "Ich hab dich auch lieb," bemerkt sie. Aufmerksam beobachte ich Dūs, während wir zu Phentos und Molldum stoßen. Geht es ihm wirklich gut? Er sollte noch immer ausgelaugt sein von seinem Kampf mit den Harpyien und jetzt hätte er sich fast von seiner rechten Hand verabschieden können, hätte er auch nur eine Sekunde länger gebraucht. Aber er benimmt sich, als sei alles in Butter, schnappt sich mit seiner Rechten sogar ein paar der Messer, welche die Monster dabei hatten. Auch auf seiner Hand zeichnen sich gelbe Pigmentierungen ab wie in seinem Gesicht. Irgendetwas an den Linien scheint vertraut... Ehe ich darüber aber weiter nachdenken kann, sind wir in Reichweite des Bosses – und des Rests der Kreaturen. Phentos reißt sie von dem anderen Kolph herunter, doch wie Ratten klettern sie von Neuem am Leib des Riesen hoch. Aber nicht mehr lange. Dūs und ich erledigen fix die Biester, um die sich nicht schon Phentos und Molldum selber kümmern. Ich hacke und trete und steche und schwinge, blende die grellen Schreie der Monster aus, bis wir sie endlich weit genug dezimiert haben, dass der klägliche Rest erkennt, etwas im Nachteil zu sein. Die Geräusche, mit denen sie verschwinden, klingen wie leere Drohungen. Den Göttern sei Dank, endlich war's das. Molldum schmeißt ihnen noch einen Stein nach, seinen Verletzungen zum Trotz breit grinsend. "Haha, was für eine Keilerei!" tönt er stolz, "Gut Arbeit, Leute!" "Vielleicht habt Ihr jetzt," keuche ich, "wo wir nicht mehr... von einem Haufen Missgeburten... zerfleischt werden... die Güte, uns zu sagen, warum zum Dreizack ihr uns in dieses Monsternest geschmissen habt?!" Molldum zieht eine peinlich berührte Schnute, als hätte er ernsthaft erwartet, dass ich jetzt mit ihm feiere. "Stimmt, äh... 'tschuldigung. Da ist was mit mir durchgegangen. Ah, bloß wo fang ich am Besten an?" "Vielleicht damit, was das für Kreaturen waren?" empfiehlt Sira. Sein schuppiges Gesicht versteinert und seine Zähne knirschen wie bebende Felsen. Die Schultern senkend wählt er seine Worte mit viel Bedacht, "Sie sind... ein düsteres Zeugnis dessen, was vor langer Zeit auf diesem Gipfel geruht hat... und es immer noch tut, wenn auch nur in Teilen. Wir haben uns angewöhnt, sie Kinder des Zackens zu nennen." Eine Augenbraue hebend frage ich nach, "Die Zacken können Kinder haben?" "Nun, es lässt sich am ehesten so sagen, dass sie von der Magie des Dreizacks 'geboren' wurden, ja. Aber..." Er zieht scharf die Luft ein, kratzt sich nervös im Nacken. "Die Wahrheit ist... diese Biester teilen ihr Blut mit uns, den Kolph der Hyperionsfest." Ich starre ihn und Phentos ungläubig an. "Diese Viecher sind mit euch verwandt?!" "Nicht so ganz," hilft Phentos dem Boss, der beschämt den Kopf senkt. "Ich hab nicht gewusst, dass das die Kinder waren... aber auf der Hyperionsfest hat jedes Kleinkind von ihnen gehört. Der Grund, wieso wir so fest an den Dreizack und den Krieg der Drei glauben ist... weil diese Kreaturen beweisen, dass sie existieren. Sie sind der Fluch, mit dem der Umgedrehte König diesen Gipfel belegt hat an jenem Tag, da er einer der Drei geworden ist." Je mehr sie erklären, umso verwirrter bin ich. "Warte. Man kann einer der Drei werden?" "Nicht so verblüffend, wenn man bedenkt, dass das einzige Ziel der Drei ist, die anderen beiden Zacken an sich zu bringen und den Dreizack wiederherzustellen, oder?" wirft Sira ein. Phentos nickt. "Bestimmt gab's schon unzählige, die selbst den Dreizack in den Händen halten wollten – nur war der Umgedrehte König erfolgreich dabei, einen der Zacken zu rauben." Es läuft mir kalt den Rücken runter. Je mehr ich über den Umgedrehten König herausfinde, umso bedrohlicher erscheint er. Nicht nur hat er die Schattenlosen ausgelöscht und dieses Land ins Chaos gestürzt, sondern auch noch einen der Drei bezwungen, ohne selbst ein Zackenträger zu sein. "Hier, in dieser Arena, hat er vor anderthalb Jahrhunderten Boss Rokesh getötet und den Zacken beansprucht, den wir Kolph so lange verwahrt haben," fährt Molldum fort, "Und im selben Moment, da sich das Mal des Dreizacks auf seinem Handrücken gezeigt hat, war er überwältigt von der Macht der Göttin... so sehr, dass ein Teil dieser Kraft zurückfloss in das tote Fleisch von Rokesh und aus ihm die Kinder des Zackens schlüpfen ließ. Nervige Biester, die sich ihren kranken Geist mit dem Umgedrehten König teilen und seitdem den Gipfel besetzt haben. Und seit ein paar Wochen scheinen sie sich drastisch vermehrt zu haben und wagen sogar,des Nachts unsere Stadt anzugreifen." "Das hab ich ja gar nicht gewusst!" ruft Phentos verblüfft, "Ich war nur eine Weile weg, aber dass sowas in der Zwischenzeit passiert ist..." "Ich wollt's geheim halten. Sie haben keine echte Gefahr dargestellt und sind bloß in kleinen Zahlen runtergekommen... aber ich hatte so ein Bauchgefühl, dass das noch nicht alles war. Und trotzdem waren meine Begleiter und ich nicht vorbereitet auf das hier oben, als wir hergekommen sind." "Wozu eigentlich?" fragt Sira. "Um das hier zu holen," erklärt er und hält ein kegelförmiges, rostiges Stück Stahl hoch, das so dick ist wie meine Faust. "Äh... und was genau ist das?" bohre ich nach. "Die Spitze von Rokeshs altem Speer, den er im Kampf mit dem Umgedrehten König benutzt hat! Beschmutzt mit dem Blut dieses Hundesohns. Die Priester haben gesagt, dass das genau das Richtige sein wird, um unseren Berg endlich von dieser Plage zu befreien, also kein Wunder, dass die Kinder mich da nicht dran lassen wollten." Ein breites Grinsen stiehlt sich in sein flaches Gesicht. "Aber da ihr sie beschäftigt habt, konnte ich die Speerspitze stibitzen! Jetzt müssen wir sie nur noch der alten Mophlas bringen und sie können mit dem Ritual anfangen. Ich bin euch echt was schuldig!" "Genau deswegen sind wir hier," erklärt Sira. Gerade da drückt Ralph mich beiseite und fällt ihr ins Wort, "Es war uns eine Ehre, Euch behilflich sein zu dürfen, großer Boss der Kolph! Da alles etwas schnell ging, erlaubt, dass ich mich verspätet vorstelle: Ralph Sturmbock, Sohn von Gordan, dem Fürsten zu Kesselrode. Ich will nicht unverschämt sein-" Der war gut. Und für einen Moment hab ich fast geglaubt, er sei gar kein so übler Kerl. "Doch wir haben einen sehr dringenden Gefallen, um den wir Euch bitten müssen. Wir können die Einzelheiten besprechen, während wir Euch zu Eurer Tochter bringen. Das arme Mädchen war ganz aufgelöst vor Sorge um Euch!" "Urgh, hab ich mir schon gedacht... und, äh, klar, Prinz Sturmbock, nur raus damit! Ich werd' einem mutigen Krieger wie Euch helfen, wie ich nur kann, haha!" Bei all der Wut, die in mir hochkommt, während dieser Fatzke schon wieder den ganzen Ruhm allein einstreichen will, sehe ich mit einiger Genugtuung, wie Ralph mit einem guten Kolph'schen Schlag auf die Schulter der Länge nach in den Dreck befördert wird. Ja, doch, ich glaube, ich überlasse ihm vorerst die volle Aufmerksamkeit des Bosses. Er hat sie sich redlich verdient. Da lässt eine Hand auf meiner Schulter mich herumfahren. Zandera! Und es geht ihr wieder gut, puh. "Nicht zu viel grinsen, Kleiner," scherzt sie, während sie an mir vorbeigeht, dem mutigen Krieger aufzuhelfen, während er sich aushustet. Ehe sie aber losgehen, schaut sie noch einmal zu Dūs und schenkt ihm ein dankbares, entschuldigendes Lächeln. Er scheint es jedoch kaum zu bemerken, während er gedankenverloren an seinem rechten Handrücken kratzt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)