Liebe führt, auch in Russland, zu Dummheiten von Lyndis ================================================================================ Kapitel 17: Training -------------------- Rei   "Na los, das kannst du besser!" Reis Muskeln schmerzten, doch er machte weiter. Schlag um Schlag setzte er gegen die Polsterungen um Kais Unterarme, Tritt um Tritt gegen den geschützten Körper. Schon lange war er am Ende, schon lange konnte er nicht mehr wirklich Kraft aufbringen, doch er gab nicht auf. Kai begann von einhundert Rückwärts zu zählen. Eine Zahl die ihm so groß erschien, dass er sich sicher war, die 0 niemals erreichen zu können. Doch er hielt durch. Sein Sparring-Partner war nicht besser dran, da war sich Rei sicher. Kai tropfte der Schweiß von der Stirn und seine Arme zitterten leicht. Offensichtlich konnte er die Polster kaum noch heben.   Genau in dem Moment, in dem er die Null hörte, gaben Reis Knie nach und er sank schwer atmend und keuchend zu Boden. Das sollte jetzt noch 2 Monate so weitergehen? Wie sollte er das überleben? Aber er konnte nicht aufgeben. Er konnte es nicht, weil er wusste, was auf dem Spiel stand.   *   Flashback   Er war froh gewesen, als Kai ihm endlich mitteilte, dass sie mit dem Training beginnen würden. Er war froh gewesen, weil das bedeutete, dass sich Kai erholt hatte. Er war froh gewesen, weil er dann endlich wieder Zeit mit Kai verbringen konnte. Als sie dann allerdings mit dem Training begannen, löste sich diese Freude schnell in Frust auf. Kai war während des Trainings wie ausgewechselt. Er war obsessiv und wirkte fast fanatisch. Immer, wenn Rei am Ende seiner Kräfte war, pushte er ihn weiter und schien nie zufrieden zu sein. Irgendwann schnappte dann selbst der sonst so ruhige Chinese über: "Du kannst mich mal!" Die Worte die er eigentlich hatte schreien wollen, gingen in seinem eigenen Keuchen fast unter. Halb in sich zusammengesackt, stand er vor seinem Freund, der ihn nur kalt anblitzte. "Ich habe mir mehr von dir erhofft, Rei! Dachte nicht, dass du so schwach bist!" Das hätte gesessen, wenn er das die letzten Tage nicht schon öfter gehört hätte. "So schlagen wir sie nie!" Rei trat einen Stein, der auf dem sandigen Boden des Außengeländes lag, so heftig, dass er, als er an Kais Wange vorbei flog, einen roten Streifen auf dieser hinterließ. Kai rührte sich nicht. "Warum zum Teufel willst du sie überhaupt so dringend schlagen!?" Langsam bekam er wieder genug Luft um mehr Druck in seine Stimme zu legen. "Das ist doch total sinnlos! Ich verstehe es nicht! Was ist das für ein kranker Egotrip den du da fährst?" Und das war es für Rei tatsächlich. Irgendein Egotrip. Irgendetwas was sich Kai beweisen musste. Er war durchaus bereit seinen Freund zu unterstützen, aber ganz sicher nicht zu jedem Preis! Und schon gar nicht, wenn er so enorm fanatisch dabei wurde.   "Wenn du noch die Kraft hast so herum zu jammern, dann kannst du auch weiter machen.", kam nur die gezischte Antwort. "Kai!", schrie er wütend. Unfähig zu verstehen was hier vor sich ging. "Warum Kai? Warum soll ich weiter machen? Gib mir einen Grund! Irgendwas vernünftiges das mir zeigt, dass du nicht vollkommen durchgedreht bist!" Etwas blitzte in Kais Augen auf, was Rei kurz tatsächlich Angst machte, doch dann entspannten sich seine Züge wieder. "Vertraust du mir nicht, Rei?" "Gerade im Moment? Kein Stück!" Das war hart, aber nicht gelogen. Gerade wusste er wirklich nicht, was er davon halten sollte. Er hatte wirklich Angst, dass sein Freund, nachdem er all seine Erinnerungen wiedererlangt hatte, vollkommen durchgedreht war. Dieses Internat hier bildete keine guten Menschen aus, das war ihm bewusst. Wer sagte ihm also, dass Kai nicht etwas von seiner altern Erziehung wiedererlangt hatte? Er hatte schon immer etwas gefährliches an sich gehabt. War schon immer anders gewesen. Wenn das sich jetzt alles intensiviert hatte? Wenn diese dunkle Seite in ihm nun wieder ausgebrochen und nicht kontrollierbar war?   "Du kotzt mich allmählich echt an!", knurrte Kai ihm entgegen, was Rei fast den Boden unter den Füßen wegriss. "Was?", hauchte er verwirrt. Was sollte das denn jetzt? Wo kam das her? "Nur, weil ich angst habe, dass du übergeschnappt bist? Kai, du wirkst im Moment nicht besser als Yuriy!" Er wollte nicht streiten. Wirklich nicht. Aber es ging nicht anders. Diese ganze Geheimniskrämerei wurde ihm einfach zu viel. Das musste endlich aufhören!   "Du vertraust mir schon nicht, seit ich hier her gekommen bin!", keifte Kai zurück. "Ich frage mich, ob du mir je irgendwie vertraut hast! Und zu allem Überfluss behandelst du mich seitdem auch wieder, wie zu der Zeit, in der wir uns kennengelernt haben! Es kotzt mich an!" Reis Augen weiteten sich, als er das hörte. War er etwa nicht der Einzige, der von dem Verhalten seines Partners enttäuscht war? Aber.. warum? Was hatte er denn getan? Er hatte sich doch wirklich alle Mühe gegeben. Hatte versucht zu akzeptieren, dass Kai eben anders war und dementsprechend behandelt werden musste. Er hatte so viel Geduld mit ihm gehabt! "Du verstehst es immer noch nicht, oder? Seit wir hier sind, bist du wie ausgewechselt! Wo ist der Kerl hin, der mich mitten auf dem Schulhof geküsst hat? Wo ist der, der sich getraut hat, mit mir Klartext zu reden? Du behandelst mich genau, wie zu dem Zeitpunkt, als wir uns kennenlernten: Als würde ich gleich wegrennen, wenn du auch nur ein falsches Wort sagst!" Damit kam Kai langsam auf Rei zu, der sich keinen Millimeter fortbewegte. Das was Kai sagte, erinnerte ihn sehr an die Worte von Yuriy. Hatte er sich wirklich verändert? Ging er anders mit seinem Freund um? Er konnte es nicht wirklich sagen. Als Kai vor ihm stand, zischte er die nächsten Worte nur noch: "Du hast mir nicht einmal gesagt, dass es dich nervt, dass ich alles im Alleingang mache. Du hast es einfach akzeptiert und die Klappe gehalten. Warum? Warum spuckst du nicht einfach aus, wenn dich was nervt? Das hast du früher immer gemacht!" "Selbst wenn ich etwas gesagt hätte, als hättest du dir reinreden lassen!" "Natürlich hätte ich das nicht! Aber dann hätte ich dir vielleicht mal erklärt, warum!"   Wie war das Gespräch eigentlich so umgeschlagen? Rei verstand es nicht, aber es spielte auch nicht wirklich eine Rolle. "Wenn du weißt, dass es mich stört, warum kommst du denn dann nicht mal auf mich zu?" Doch der Gegenangriff schien Kai nicht zu beeindrucken. Das war wohl das Problem, wenn man mit einem Managementerben zusammen war, die mussten diskutieren können. "Warum sollte ich? Wenn du den Mund nicht auf bekommst, ist das wohl kaum mein Problem!" "So funktioniert eine Beziehung aber nicht!" "Und wie funktioniert sie dann? Schleicht man so lange umeinander rum, bis man erraten hat, was der andere denkt? Ist das die Art von Beziehung, die du willst?" Rei wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Er fühlte sich in die Enge getrieben und Panik machte sich in ihm breit. War das das Aus ihrer Beziehung? So schnell? So einfach? Nein, er wollte nicht, dass es hier endete! "Du bist eben ein Einzelgänger. Ich wollte dich akzeptieren wie du bist, statt dich verändern zu wollen." "Hör doch auf mit diesen dummen Floskeln!" "Das sind keine dummen Floskeln! Was hätte es denn geändert, außer, dass wir uns gestritten hätten? Gar nichts! Du hättest eher noch weniger Zeit mit mir verbracht, als sowieso schon!" Er konnte ihm nicht sagen, dass das nicht der Wahrheit entsprach. "Bist du tatsächlich so verzweifelt, dass du dich schon selbst zurück nimmst, nur, um mich zu sehen? Was ist das für eine Beziehung?" "Es ist immerhin eine, oder? Ist es nicht normal, dass man mit der Person zusammen sein will, die man liebt?" Rei erschrak selbst etwas, als ihm diese Worte über die Lippen rutschten. Ja, sie waren schon eine Weile zusammen, aber niemand von ihnen hatte tatsächlich ausgesprochen, dass sie sich liebten und das hier war jetzt definitiv der falsche Zeitpunkt für so etwas. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Doch statt noch wütender zu werden, schien Kai sich ein wenig zu entspannen. "Wir sind beide sehr unterschiedlich, Rei. Sollten wir die Zeit die wir zusammen haben nicht lieber nutzen, um zu sehen, ob wir zusammen wirklich funktionieren? Was bringt es uns denn, wenn wir nur versuchen es dem anderen möglichst recht zu machen?"   Leicht beschämt wandte Rei seine Augen ab und wusste wieder nicht so recht, was er sagen sollte. Die Wut die die ganze Zeit in ihm gebrodelt hatte, schien sich langsam zu verflüchtigen. "Irgendwo hast du ja recht." "Natürlich habe ich das.", kam es voller Überzeugung von seinem Freund, was Rei nur dazu brachte seine Augen genervt zu verdrehen. Ein scheuer Blick in das Gesicht des anderen ließ ihn das leichte Schmunzeln noch sehen, ehe es wieder der gewohnt kühlen Maske wich. "Wir sind ein Team Kai. Natürlich müssen wir nicht alles zusammen machen, aber gerade bei so etwas Wichtigem will ich dabei sein. Verstehst du? Ich habe angst, dass dir etwas passiert, ich will dir helfen und um ehrlich zu sein, bin ich ziemlich eifersüchtig darauf, dass du Yuriy einweihst, aber mich nicht! Ich will nicht der sein, der als einziger außen vor gelassen wird!" Ehrlichkeit war in diesem Fall wohl wirklich das Beste. Sie mussten sich endlich aussprechen. "Es gibt einen Grund, warum ich das so mache, Rei. Du wurdest hier schon einmal angegriffen und fast umgebracht. Das die Stichwunde nicht tödlich war, war reines Glück. Ich will dich beschützen. Denn das alles hier ist nicht ungefährlich. Es wundert mich ja schon, dass ich noch nicht angegriffen wurde, aber ich schätze einfach, dass Volkov einfach denkt mich unter Kontrolle zu haben oder mich los zu sein, sobald das Jahr rum ist."   Er hatte ihn also die ganze Zeit nur beschützen wollen? Irgendwie war das schon niedlich, andererseits entfachte es von neuem die Wut in ihm. "Mich beschützen? Kai, ich bin weder ein kleines Kind, noch irgendein Mädchen, das sich nicht wehren kann!" Er war da schon immer recht empfindlich gewesen, wenn er ehrlich zu sich war. Er konnte es nicht leiden, wenn man dachte, er könne nicht für sich selbst sorgen. So lange schon lebte er im Prinzip alleine und auf sich allein gestellt, da konnte man ihm doch zutrauen, dass er das auch konnte, oder? "Darum geht es nicht, Rei! Das hier ist eine Nummer zu groß für dich! Ich bin immer noch der Erbe des Internatsinhabers, mir kann Volkov so schnell nichts! Deshalb..." "Moment, was?", unterbrach Rei schockiert. "Deinem Großvater gehört das Internat?"   War das sein Ernst? Kai war der Erbe eines Imperiums, das so etwas guthieß? Das so etwas förderte? Und sein Freund stand hier und sagte ihm das, als wäre es das Normalste auf dieser Welt? War es das? Betrieben alle großen Imperien solche perversen Einrichtungen? Wollte Kai das dann vielleicht auch so weiter führen? War denn die ganze Welt total übergeschnappt?   "Ja, aber Rei, hör mir zu!" "Dir zuhören? Du bist der Erbe dieses Drecksladens! Und das erzählst du mir erst jetzt? Warum zum Teufel willst du dann dieses Turnier gewinnen? Damit die Kinder angst vor dir haben, wenn du dieses Drecksloch nach dem Tod deines Großvaters übernimmst?" "Richtig." Rei riss geschockt die Augen auf, als diese trockene Antwort seine Ohren erreichte. Am liebsten wäre er weggelaufen, doch seine Beine bewegten sich nicht. Er konnte nur in die kalten Augen seines Freundes sehen und sich wünschen, dass er das nie gesagt hätte. Doch glücklicherweise sprach Kai weiter, noch bevor er seinen Körper dazu bringen konnte, wieder ordentlich zu funktionieren: "Denn nur wenn sie auf mich hören, kann ich ihnen helfen."   *   Flashback Ende   Kai hatte ihm im Groben erklärt, was genau er vor hatte. Er wollte den Kindern hier helfen, wollte sie von Volkov befreien. Aber dafür brauchte er deren Respekt und Achtung. Deshalb mussten sie beide gewinnen und das war auch der Grund, warum Rei immer wieder und wieder aufstand, egal wie sehr sein Körper dagegen protestierte. Es stand einfach zu viel auf dem Spiel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)