Liebe führt, auch in Russland, zu Dummheiten von Lyndis ================================================================================ Kapitel 12: Wahrheit -------------------- Kai   "Du bist echt wahnsinnig", zischte Yuriy neben ihm. Er war dabei aber so leise, dass Kai ihn kaum verstehen konnte. Kein Wunder, sie beide wussten, was hier auf dem Spiel stand.   Es waren drei Wochen vergangen, seit er mit Rei in dem Café gesessen hatte. Seitdem hatten sie sich kaum mehr gesehen. Sie beide hatten viel mit der Schule zu tun und Rei war wieder dabei mit dem Training anzufangen. Da sie schon länger nicht mehr im selben Kurs waren, trafen sie sich auch dort nicht. Es war allerdings geplant, dass sie ab nächster Woche zusammen an den Wochenenden trainierten, damit sie fit für den Wettkampf im Frühjahr waren. Zwischendurch irgendwann würde auch noch Weihnachten sein, was sie wahrscheinlich wie letztes Jahr zusammen verbringen würden. Kai hatte die letzten Wochen schlichtweg keine Zeit gehabt, weil er sich mit Yuriy beschäftigt hatte. Nachdem er erfahren hatte, wie sehr der sich in seine Angelegenheiten einmischte, hatte er beschlossen, härtere Geschütze aufzufahren. Natürlich keine körperlichen. Wie schon unzählige Male erwähnt, war es Kai bewusst, dass er noch keine Chance gegen den Russen hatte. Dennoch war auch das psychische Spiel nicht einfach gewesen. Aber auch wenn Yuriy äußerst intelligent war, mit Kai konnte er nicht mithalten. Irgendwann hatte er ihn klein gekriegt und ihn so dazu bringen können, ihm die Geheimnisse des Internats offen zu legen. Nun, zumindest hatte er begonnen ihm zu sagen oder zu zeigen, wie er an die Informationen kam, an die er wollte. Heute war die erste, größere Erkundungstour an der Reihe. Yuriy hatte sich unglaublich dagegen gesträubt, ihm die geheimen Kellerräume zu zeigen. Offenbar lebten die Kinder hier mit dem Wissen, dass etwas nicht stimmte, wollten aber nicht wissen was es war. Nachvollziehbar, aber in diesem Fall vollkommen irrelevant. Es hatte nur ein wenig Überzeugungskraft gebraucht und Yuriy hatte widerwillig zugestimmt. Jetzt gerade waren sie beide in einem der dunklen Gänge des Kellers und lauschten, ob von irgendwoher Schritte hallten.   "Mach dir nicht gleich ins Hemd.", zischte Kai auf die Anschuldigung, er sei verrückt, zurück. Dann löste er sich von der Wand, an der sie gepresst standen und lief vorwärts. Yuriy folgte ihm, das wusste er, doch er konnte ihn fast nicht hören. Entweder die Umfassende Ausbildung hier oder die Angst bei etwas Verbotenem erwischt zu werden, hatten ihn zu einem unschlagbaren Schleicher werden lassen. Das einzige Geräusch was so in der Dunkelheit widerhallte, waren Kais Schritte. Ihm war selbst nicht wirklich wohl dabei, wenn er ehrlich war. Die dunklen Gänge erinnerten ihn an seine finsteren Träume, vor denen er eigentlich schon seit der Ankunft in Japan davon lief. Doch es nutzte alles nichts. Wenn er wissen wollte, was hier los war, dann war es unbedingt notwendig, dass er auch die Keller untersuchte. Wenn sogar die Heimkinder sich davon fern hielten, musste etwas grausames dort lauern und er musste wissen, was es war.   Die Gänge waren kaum bewacht. Eigentlich liefen Sie niemandem über den Weg, aber Kai hatte immer wieder das Gefühl, etwas zu hören. Als wären Schritte ständig hinter ihm oder vor ihm. Schwere Schritte, langsame Schritte, die aber stetig bei ihnen waren. Er war sich nicht sicher, warum er das dachte, warum sein Kopf ihm diese Streiche spielte, denn so nervös er auch war, Wahnvorstellungen waren nun wirklich nicht sein Gebiet. Vielleicht waren es Erinnerungen, die ihn die letzte Zeit immer häufiger heimsuchten. Wahrscheinlich war es pure Paranoia. Aber egal was es nun letztendlich war, er würde sich davon nicht einschüchtern lassen.   Das Dumme an der ganzen Sache war allerdings, dass selbst Yuriy noch nie hier unten gewesen war. Nicht in diesem Teil des Kellers zumindest. Es gab auch noch einen anderen Bereich: das sogenannte Labor. Kai hatte es in den letzten Tagen einmal gesehen. Eine grausige Einrichtung voll mit Maschinen und Arzneischränken. Das Labor wurde dazu verwendet, um die Kinder hier mit legalen mitteln zu dopen und anderweitig zu optimieren. Und mit anderweitiger Optimierung, meinte er tatsächlich genetische Verbesserungen. Widerlich. Es war kalt dort und furchteinflößend und er war sich ziemlich sicher, dass daher seine Abneigung gegen Ärzte und Krankenhäuser kommen musste. Ja, Kai war mittlerweile überzeugt davon, dass er in diesem Internat einen Großteil seiner Kindheit verbracht hatte. Es war kein allzu großer Schock gewesen, wenn er ehrlich war. Es war mehr wie ein Puzzle, dass er endlich gelöst hatte. Ein wenig so etwas wie Erleichterung hatte ihn erfasst und eine Art Zufriedenheit darüber, dass er endlich wusste, wo sein Ursprung lag. Jetzt war alles ganz logisch und sinnvoll. Jetzt wusste er warum er war wie er war und, dass es nicht einmal seine eigene Schuld war. Er selbst war nicht von Grund auf verkommen und psychopathisch. Man hatte ihn hier dazu gemacht. Das war tatsächlich etwas, wofür er sich immer geschämt hatte und jetzt brauchte er sich keinerlei Gedanken mehr darum zu machen. Wirklich angenehm. Was noch blieb, war aber der Kampf den er weiter kämpfen musste. Denn er wollte nicht ewig so kaputt bleiben wie er jetzt war und da spielte es auch keine Rolle, wer das zu verantworten hatte. Es lag allein in seiner Hand, das zu ändern.   Es fehlte aber noch etwas. Etwas ganz entscheidendes: Das letzte bisschen Gewissheit über wirklich alles, was hier vor sich ging. Denn etwas fehlte noch, das wusste er. Irgendetwas war da noch, er konnte nur nicht sagen was und das machte ihm irgendwo angst. Denn wenn sein Geist sich nicht daran erinnern wollte, musste es etwas furchtbares sein. Yuriy wusste etwas, das war ihm auch schnell klar geworden. Er wusste etwas, vor dem er ihn beschützen wollte, so absurd das auch klang. Kai war sich nicht ganz sicher, warum er das wollte, aber er war sich sicher, dass er es wollte. Vielleicht war es ein Geheimnis, über das niemand redete. Vielleicht hatte er damals etwas schlimmes angestellt. Vielleicht war es etwas, was jeder mitmachte, eine Art Aufnahmeritual möglicherweise. Ungewollt hatte er sogar an Vergewaltigung gedacht, aber wenn er ehrlich war, bezweifelte er das doch sehr. So züchtete man keine Kampfmaschinen. Auch wenn er selbst es nicht besonders mochte, wenn man ihn berührte, hatte er niemals Anzeichen für eine solche Grausamkeit gezeigt. Dass er sich nicht gerne anfassen ließ, lag sowieso nur daran, dass er dafür jemand anderen nah an sich heran lassen musste und sich damit angreifbar machte. Es war also eher ein antrainiertes Abwehrverhalten. Ein Verhalten, ganz nebenbei erwähnt, dass jeder andere in diesem Internat ebenfalls an den Tag legte. Also ein weiterer Beweis dafür, dass er hier aufgewachsen war.   Letztendlich blieb er vor einer großen Tür stehen. Es war eine ganz ähnliche, wie die des Labors: schwer und aus Metall. Dort hinter befand sich eine Antwort. Eine Antwort, auf die er die Frage nicht kannte und genau in diesem Moment, musste er sich dazu entscheiden, diese Frage kennenlernen zu wollen und die Antwort dazu ertragen zu müssen. Sein Unterbewusstsein, momentan alles andere als tatsächlich unterbewusst, signalisierte ihm deutlich, dass er es nicht wissen wollte. Es signalisierte ihm, dass er umdrehen und gehen sollte - weit weg - und dass er nie wieder einen Gedanken daran verschwenden sollte. Niemals wieder... Aber das konnte er nicht. Er musste wissen wer er war. So lange hatte er einen vollkommen Fremden im Spiegel betrachtet. So lange hatten ihn Alpträume heimgesucht. Sein Geist warnte ihn davor, dass die Alpträume hier nach sicherlich schlimmer werden würden. Das war ihm egal. Gegen etwas, was man kannte, konnte man etwas tun. Dann hatte er etwas, gegen das er kämpfen konnte. Es war dann kein formloses Gesicht mehr, das ihn bedrohte. Endlich würde alles klar vor ihm liegen.   Und dennoch zitterte seine Hand, als er sie zum Türgriff führte und auch, als er eben diesen herunter drückte. Wie zu erwarten, war die Tür schwergängig. Kurz durchflutete Licht den finsteren Gang und blendete die beiden Jugendlichen, die daraufhin eilig in dem Raum verschwanden, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Als sich die Augen der beiden an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, erstarrten sie.   Vor ihnen lag ein riesiger, weiß gekachelter Raum, in dem große Behältnisse standen, die mit einer Flüssigkeit gefüllt war und irgendetwas schwamm darin herum. Nur zögerlich gingen beide vorwärts. Yuriy so abgelenkt, dass auch seine Schritte zu hören waren. Nur das leise summen irgendwelcher Maschinen, versuchte dieses Geräusch zu übertönen. Beide Russen konnten erst einmal nicht einordnen, was sie sahen, bis sie an einem der Tanks angekommen waren. Wie erstarrt standen sie davor und versuchten zu verarbeiten, was nicht verarbeitet werden konnte. In dem Tank schwamm ein Körper, kaum noch als solchen zu erkennen. Von ihm aus gingen unzählige Schläuche, Kabel und was sonst noch alles. Ausgezehrt spannte sich die Haut über Knochen, die Gesichter bis fast zur Unkenntlichkeit zusammengefallen. Leblos... nicht wahr? "Was ist das für ein Monitor?", hauchte Yuriy mehr, als dass er wirklich sprach. Kai musste sich zwingen seinen Blick von dieser Grausamkeit abzuwenden und dann, zum ersten Mal in seinem Leben, wurde ihm schlecht vor entsetzen. "Ein Herzschlag?", keuchte er und wich erschrocken von dem Tank zurück. Nur um gegen einen anderen zu stoßen. Ein Blick über seine Schulter eröffnete ihm freie Sicht auf einen weiteren Körper. Auch dessen Monitor zeigte Vitalwerte an. Kai gab ein würgendes Geräusch von sich und trat in die Mitte, zwischen den beiden Behältern. Yuriy wirkte ungesund gräulich im Gesicht, verzog aber keine Miene. "Was tun die hier mit denen? Wer ist das?" Kai konnte nicht vermeiden, dass seine Stimme den Schock mit ausdrückte, den er empfand. Er war nicht so hartgesotten wie sein Begleiter, der in aller Ruhe erwiderte: "Ich weiß nicht was sie tun. Aber das sind die angeblich adoptierten." Kais Magen gab und nachdem er sich gerade wieder ganz aufgerichtet hatte, ertönte ein tiefes, mechanisches Geräusch. Ohne es ausprobieren zu müssen, wussten beide, dass ein Mechanismus gerade die Tür versperrt hatte. "Kai... was machst du hier unten?" Erschrocken wirbelte der Angesprochene herum und sah Volkov zwischen den unzähligen Tanks hindurch auf sie zukommen. Er wirkte ganz normal. So schleimig wie immer. Ihm machte diese Szenerie gar nichts aus. Kein Funken Mitleid war in seinen Augen zu sehen. Widerlich.   Kai spannte sich an und sah automatisch Hilfesuchend zu Yuriy, doch der hatte sich etwas Abseits gestellt und schien nur noch ein unbeteiligter Beobachter. Oder vielleicht doch nicht so unbeteiligt, wie er jetzt erfahren durfte: "Yuriy hat mir erzählt, dass du unangenehme Fragen stellst. Ich habe ihm erlaubt sie zu beantworten, weil ich sehen wollte, wie weit du gehen würdest. Offenbar bist du bis zum Äußersten gegangen." Was? Diese Ratte! Yuriy hatte ihn von Anfang an verraten? Aber was hatte er denn auch erwartet? Dass sie Freunde waren? Dass Yuriy ihm den Rücken frei hielt? Wohl kaum... er hätte das wissen müssen. Es war alles viel zu glatt gelaufen. Alle Türen waren offen gewesen. Yuriy hatte ihm immer ausführlich geantwortet. Sie waren niemals jemandem begegnet. Gott, er war so blind gewesen! Wie hatte er sich nur so sehr von seiner Aufgabe einnehmen lassen können, dass er das übersehen hatte? Jetzt war es zu spät und es hieß Ruhe bewahren. "Du krankes Schwein!" Nun gut, das war nicht die beste Art von 'Ruhe bewahren', aber wenn er dieses Ekel angreifen konnte, wenn auch erst einmal nur verbal, lenkte ihn das ein wenig von der heiklen Situation ab. "Wie kannst du diesen Jungen das antun? Hast du denn kein bisschen Menschlichkeit in dir?" Doch Volkov berührten seine Worte gar nicht. Er blieb ganz ruhig, sah ihm nur mit einem überheblichen Lächeln entgegen und blieb schließlich dicht vor ihm stehen. "Na, na Kai. So redet man doch nicht mit seinem Erzieher, oder?" Die Worte waren ohne jegliche Drohung ausgesprochen worden. Sie waren nur genauso schleimig wie sonst auch und dennoch brachten sie ihn zum Erstarren, als hätte Volkov gerade eine Pistole auf ihn gerichtet. Angst erfüllte ihn. Eine tiefe Angst, die er selbst nicht greifen konnte, die er nicht verstand. War das das Resultat der Internatserziehung? Wenn der Leiter auch nur eine Ermahnung aussprach, verfiel man in eine Schockstarre? Wie schaffte Volkov das? Wie? Nach so vielen Jahren sollte er keine Macht mehr über ihn haben! Er konnte sich ja nicht einmal an ihn erinnern! Sein eigener Körper erinnerte sich aber nur zu gut. Die Narben auf seinen Armen begannen plötzlich zu brennen, als wäre jemand dabei, die Haut dort auseinander zu reißen. Eine tonnenschwere Last legte sich auf seine Brust und erschwerte ihm das atmen, während sein Herz raste und versuchte den wenigen Sauerstoff den er hatte, so schnell wie möglich durch seinen Körper zu pumpen. Ihm wurde schwarz vor Augen und es viel ihm schwer aufrecht stehen zu bleiben. Lähmende Angst legte sich um seine Muskeln, machte jede Bewegung eigentlich unmöglich, während sein Kopf ihm immer wieder zu schrie, er solle verschwinden, solle weglaufen, solle hemmungslos gegen die dicke, eiserne Tür schlagen, in der Hoffnung, sie würde aufspringen. Doch er rührte sich kein Stück. Nie in seinem Leben hatte er solche Angst gehabt. Nicht einmal vor seinem eigenen Großvater.   Und dann plötzlich schossen ihm Bilder durch den Kopf. Grausame, blutige Bilder. Ihm wurde wieder schlecht, doch sein Magen enthielt nichts mehr, was er loswerden konnte. Er schmeckte nur saure Galle auf seiner Zunge. Als er seinen Blick auf seine Arme richtete, bemerkte er, dass er sie blutig gekratzt hatte. Eine nervöse Anwandlung, die er vor Jahren schon losgeworden war. Vor so vielen Jahren. "Ich dachte ich hätte dir das abgewöhnt." Die Stimme Volkovs drang nur stumpf zu seinen Ohren durch, sorgte aber für einen weiteren Schwall Erinnerungen, den er nicht unterdrücken konnte. Mit dem kratzen hatte er angefangen, kurz nachdem er in diesem Internat angekommen war. Damals... nach dem Tod seiner Eltern. Es war ein nervöser Tick gewesen, der sich von Tag zu Tag verschlimmert hatte. Einer der Lehrer hatte ihn einmal dabei erwischt und Volkov Bescheid gegeben. Der hatte ihm mit einem Messer den Unterarm aufgeschlitzt. Nicht tief, aber tief genug, dass es seine erste Narbe gegeben hatte. Wenn er seinen eigenen Körper so wenig wertschätzte, konnte man ihn ja auch weiter verschandeln, hatte Volkov damals gesagt. Und, dass man solche Schwächlinge wie ihn hier nicht gebrauchen konnte. Jedes mal wenn er ihn danach erwischte, gab es eine weitere Narbe. Das war aber nicht der Grund gewesen, warum er aufgehört hatte. Diese Behandlung hatte es sogar noch verschlimmert. Kurz flackerte sein Blick wieder zu Yuriy. Ich mag deine Arme. Sie sind so stark und muskulös. Nicht so wie meine. Schade, dass sie ständig unter Bandagen versteckt sind. Die Kinderstimme hallte ihm durch den Kopf. Er konnte sie nicht so recht zuordnen, aber irgendetwas sagte ihm, dass es Yuriys Stimme gewesen war. Ob das der Grund gewesen war, warum er aufgehört hatte sich zu kratzen? Fast schon automatisch ließ er die Arme wieder sinken. Diese eine Erinnerung hatte ihn wieder ruhiger gemacht und so konnte er Volkov wieder offen ansehen. "So ist es besser, nicht wahr, Kai?" Doch er ging gar nicht erst darauf ein. "Was machst du mit den Körpern?", feixte er, statt ihm zu antworten. "Ich schenke ihnen ein zweites Leben." Mit Stolz in den Augen, betrachtete Volkov sein widerliches Werk und erneut versuchte sich Kais Magen umzudrehen. Wie konnte man nur... warum gab es solche Menschen? Warum hielt ihn niemand auf? Ein so schleimiger Kotzbrocken konnte unmöglich genug Kontakte haben, um das hier zu verbergen, oder? War er wirklich so intelligent? Vieles hatte Kai sich ausgemalt. Viele Grausamkeiten, aber nicht das hier. Das mussten dutzende Kinder sein. Die ganze, riesige Halle, war voll gestellt mit diesen Tanks. Und dieses Monster war auch noch stolz darauf! "Ich nutze die Körper, um neue Methoden und Mittel zu testen, um die noch lebenden Kinder zu verbessern." Zu verbessern... Kais Blick schweifte erneut zu Yuriy. Ob er verbessert war? Ob er von dieser Abscheulichkeit profitierte? Nach dessen Reaktion vorher zu urteilen, hatte er keine Ahnung von den Machenschaften hier gehabt, aber jetzt stand er einfach teilnahmslos da. Wie die Puppe die er nun einmal war. Ein braver Soldat, der seinem Herren diente. Straßenköter Schoss es ihm erneut durch den Kopf und plötzlich wusste er wieder, woher dieser Ausdruck kam. Alle in dieser Einrichtung waren Köter, die man von der Straße geholt hatte und die hier einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. Tu was man dir sagt, gehorche und solange du nützlich bist, hast du einen Platz, zu dem du gehörst. Er selbst war niemals anders gewesen. Erst Volkov, dann sein Großvater. Trotz seiner Rebellion hatte er sich bereit dazu erklärt, der Erbe zu werden. Solange du am Ende deiner Ausbildung bereit bist, eine Firma zu leiten, kannst du tun, was du willst. Er hatte es für Freiheit gehalten, aber das war es nicht. Freiheit war an keine Bedingung geknüpft. Er war immer noch ein Soldat.   "Du bist so still geworden, Kai. Möchtest du denn nicht erfahren, warum du hier her gekommen bist? Warum es dich in diesen Raum gezogen hat, seit du hier angekommen bist?" Seine Augen richteten sich wieder auf das Monster vor ihm. Yuriy konnte warten. "Was meinst du?" Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf die Züge von Volkov, ganz so, als hätte er ein Spiel gewonnen. Aber Kai wusste, dass es noch lange nicht vorbei war. Dieses Spiel hatte gerade erst begonnen. Doch Kai wusste jetzt, dass er seinen Gegner nicht unterschätzen durfte. Er war gefährlich, hinterhältig und offensichtlich intelligenter und trickreicher als er bisher angenommen hatte. Vorsicht war geboten. "Ich zeige es dir. Komm mit."   Kai vergrub seine Hände in den Hosentaschen. Hauptsächlich um zu verbergen, wie sehr sie zitterten, aber auch, weil er so gelassen wie möglich wirken wollte. Seine Hände zu vergraben, machte ihn angreifbar und drückte deshalb Selbstsicherheit aus. Er tat so, als würde es sich nicht bedroht fühlen, auch wenn es ihm schwer fiel. In solchen Situationen war es wichtig, in irgendeiner Weise die Oberhand zu behalten und wenn es nur aus einer so kleinen Geste bestand. Er würde sich nicht unterkriegen lassen. Er nickte nur und folgte dem Erwachsenen dann.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)