Die Ash Connection von nacrate ================================================================================ . . Kapitel III: In dem Drew seine Meinung sagt . .   20. Dezember 2001. Vor Sonnenaufgang. Malvenfroh City.   „Ich verstehe nicht, wieso Siegfried den Rest von uns nicht schon früher darüber informiert hat...", grübelte Cynthia, während sie auf ihrem PokéTablet durch eine Reihe von Dateien über den Angriff in Azuria City scrollte. „...ich habe noch nicht einmal gewusst, dass die Indigo-Abteilung der G-Men das Ganze schon genauer untersucht." „Ich bin sicher, dass Siegfried uns nur nicht in seine Angelegenheiten mit hineinziehen wollte", erinnerte Troy sie. „Er dachte wahrscheinlich, das, was in Azuria passiert ist, wäre ein einzelner Vorfall." Cynthias Lippen spannten sich. „Richtig." Das Paar bewegte sich zügig durch das Terminal in Malvenfrohs Flughafen, nachdem ihr Flugzeug ein paar Minuten zuvor gelandet war. Sie zogen am Gepäckband vorüber, da sie nicht einmal ansatzweise Zeit zum Packen gehabt hatten, und gingen nach draußen, wo Wassili und ein anderer Mann mit langem, lilafarbenem Haar warteten. „Cynthia, Troy", grüßte Wassili lächelnd, „Danke, dass ihr gekommen seid." „Es ist schön, dich wiederzusehen", sagte Cynthia warm. „Ich wünschte nur, es wäre unter glücklicheren Umständen." „In der Tat." Wassili runzelte die Stirn. Dann sah der Wasserpokémonmeister herüber zu dem Mann, der neben ihm stand. „Ich sollte euch einander vorstellen. Das ist mein Cousin, Harley Rannels. Er war gerade zu Besuch bei mir in Xeneroville, als ich den Anruf von Officer Rocky aus Blütenburg City empfangen habe und über den Angriff informiert wurde." „Es ist solch eine Freude, Sie beide kennenzulernen", sagte Harley und schüttelte Cynthia und Troy eifrig die Hände. „Ich muss sagen, Troy, ich war ein großer Fan von Ihnen, damals, als Sie der Champion von Hoenn waren. Ich habe gehört, dass Sie vor Kurzem den Bund der Ehe mit Cynthia hier geschlossen haben. Sie sind ein richtiges Power-Duo, hm? Meinen Glückwunsch." Troy schenkte ihm ein schiefes Lächeln und ein höfliches Nicken, sagte aber nichts. „Nun, sollen wir dann aufbrechen?", fragte Wassili und deutete auf das Auto, das in der Nähe auf sie wartete. „Ich habe mit Caroline Maple telefoniert, während sie im Krankenhaus war, und einen Termin für ein Treffen mit der Familie bei ihnen zu Hause ausgemacht." „Im Krankenhaus?" Cynthia hob die Augenbrauen. „Sie hatten einen Gast, der sich während des Überfalls verletzt hat. Er ist aber auf dem Weg der Besserung." „Ah." Als sich die vier Erwachsenen im Fahrzeug niedergelassen und auf den Weg gemacht hatten, begann Cynthia wieder zu sprechen: „Also, erzähl uns, was du weißt, Wassili", begann sie nach einem Räuspern. „Du hast mit Caroline Maple gesprochen, nicht wahr? Hat sie irgendetwas über den Angriff gesagt?" Er nickte. „Sie haben ihren Angreifer sogar gesehen, anders als die Waterflower-Schwestern. Sie sagte, es sei ein Pokémon gewesen, aber eines, das sie noch nie zuvor gesehen hatten. Ihrer Beschreibung nach zu urteilen, habe auch ich noch nie von ihm gehört. Sie sagte, es war menschenartig und trug eine Art Panzer." „Woher wissen sie, dass es ein Pokémon war?", fragte Cynthia nach. „Es hat immer wieder Spukball-Attacken abgefeuert – oder zumindest so etwas Ähnliches wie ein Spukball." „Spukball?" Troy sprach zum ersten Mal seit seiner Ankunft. Er nahm sich Cynthias PokéTablet und öffnete eine bestimmte Datei, die sie zuvor schon angesehen hatten. „Hier, in dem Bericht, den Siegfried uns geschickt hat, steht, dass eine Agentin eine merkwürdige Substanz in der Nähe von Misty Waterflowers Schlafzimmer gefunden hat. Die Agentin hat geschrieben, seine Eigenschaften seien mit Geisterattacken verwandt, und unten ist eine Notiz, in der steht, dass eine Probe genommen und zur Untersuchung zum Arenaleiter von Teak geschickt wurde." „Nun, wenn sich die Probe tatsächlich als ein Überbleibsel einer Spukball-Attacke herausstellt, würde das die beiden Vorfälle definitiv miteinander verbinden.", sagte Wassili beeindruckt. „Brilliant, Troy." Troy schien sich daraufhin etwas zu entspannen, und Cynthia warf ihm ein kurzes Lächeln zu. „Also, bedeutet das, dass wir es mit einem Geisterpokémon zu tun haben?", fuhr Wassili fort. „Möglicherweise", räumte Troy ein und sprach jetzt etwas lockerer, „aber es gibt viele Pokémon, die Spukball lernen können. Zudem habe ich noch nie etwas von einem Geisterpokémon gehört, auf das die Beschreibung 'gepanzert' passt." „Vielleicht wurde es noch nicht entdeckt?", schaltete sich Harley ein. „Sie wissen doch, diese Pokémonforscher wie Professor Eich finden immer wieder neue Spezies." „Das ist eine weitere Möglichkeit", nickte Troy. „Leider ist es im Moment nutzlos, zu spekulieren, was es für ein Pokémon ist. Es ist wichtiger, das Motiv hinter diesen Angriffen herauszufinden." „Siegfried hat in Richtung Anti-Liga gedacht, als ich vorhin mit ihm telefoniert habe", kommentierte Wassili. „Eine gute Theorie, aber wir werden sehen, wenn wir heute mit den Maples reden", sagte Troy. „Wo wir gerade schon davon reden, wie weit ist Blütenburg von hier entfernt?", fragte Cynthia. „Um die vier Stunden, glaube ich", antwortete Wassili. Der Sinnoh Champion seufzte. „Nun", begann sie und warf Troy einen flüchtigen Blick zu, „vielleicht sollten wir die Gelegenheit nutzen,um ein wenig verpassten Schlaf nachzuholen. Schlaf könnte in der nächsten Zeit leicht zu einem Privileg werden."   20. Dezember 2001. Morgen. Schleiede.   „Wir sind hier live in Blütenburg City, dem Schauplatz eines weiteren ungewöhnlichen Falles, in dem das Zuhause des örtlichen Pokémon Liga Arenaleiters mitten in der Nacht Feuer gefangen hat. Mehrere Einwohner berichteten, sie hätten gestern Nacht um etwa 23 Uhr Hoenn Zeit eine laute 'Explosion' gehört, aber Blütenburgs Officer Rocky hat eine Aussage, ob dies das Feuer verursacht hat, verweigert. Norman Maple, der Arenaleiter von Blütenburg City, seine Frau, zwei Kinder und ein Gast der Familie Maple sind sicher entkommen und haben es geschafft, den Brand zu löschen, bevor er sich ausbreiten und ernsthaften Schaden am Haus anrichten konnte. Der Gast wurde scheinbar wegen einer leichten Kopfverletzung ins Krankenhaus transportiert, wird sich aber höchstwahrscheinlich vollständig erholen. Unsere Quellen berichten, dass es sich bei diesem Gast möglicherweise um den berühmten La Rousse Koordinatoren Drew Hayden handelt, Rivale und vermuteter fester Freund von Maike Maple, dem ältesten Kind und der einzigen Tochter von Arenaleiter Norman. Dieser mysteriöse und gefährliche Fall wirft nach wie vor Fragen darüber auf, ob die Ereignisse der letzten Nacht in Blütenburg mit dem Feuer in Azuria City verbunden sind, das die Arena und das Zuhause der Waterflower-Schwestern letzte Woche niedergebrannt hat. Ist dies das Werk eines Brandstifters, der eine Vendetta gegen die napajische Pokémon Liga führt, oder nur ein beunruhigender Zufall? Um diese Frage zu beantworten, übergeben wir das Wort dem Kriminalanalytiker Jason-" Reggie schaltete das Fernsehgerät aus, was Pauls normalerweise stoischem Gesicht einen genervten Blick entlockte. Der jüngere Bruder, der über die Feiertage von seinen Reisen zurückgekehrt war, saß auf dem Sofa und hatte bis zu diesem Moment mit leichtem Interesse die Nachrichten gesehen. „Tut mir Leid", entschuldigte sich Reggie. „Ich will nicht ignorant sein und die Augen vor den schlechten Dingen verschließen, die überall auf der Welt passieren, aber… na ja, Hilda wird jeden Augenblick hier sein, und sie hat große Angst wegen dem, was in Azuria und jetzt auch Blütenburg passiert ist. Ich habe sie zum Frühstück bei uns eingeladen, um sie von all dem abzulenken." „Hilda hat keinen Grund, Angst zu haben", grummelte Paul als Antwort. „Norman Maple und Misty Waterflower sind respektierte Arenaleiter von fest etablierten Arenen. So gut wie niemand weiß von Hildas Existenz. Wenn wer auch immer dafür verantwortlich ist wirklich Eindruck auf die Liga machen will, wird derjenige weiter auf beliebtere Arenaleiter abzielen." Reggie warf seinem jüngeren Bruder einen gereizten Blick zu. „Wir wissen noch nicht mal, ob das wirklich ein Angriff auf die Liga ist", betonte er. „Die Nachrichtensprecherin hat es selbst gesagt; all das könnte ein Zufall sein." Paul verschränkte die Arme. „Zwei Fälle von brennenden Arenen innerhalb von ein paar Tagen klingt für mich nicht nach einem Zufall", erwiderte der Teenager. Reggie seufzte. „Erwähne bitte einfach nichts davon, wenn Hilda hier ist", bat er ihn. Paul rollte mit den Augen. „Meinetwegen." Reggie kehrte in die Küche zurück, um den Blaubeerpfannkuchen, den er zuvor begonnen hatte, fertig zuzubereiten. Paul sackte auf der Couch zusammen, als plötzlich ein junges Sheinux, um das Reggie sich zurzeit kümmerte, auf seinen Schoß sprang. Das löwenartige Pokémon sah mit ihren großen, gelben Augen zu dem Trainer auf, und heischte nach seiner Aufmerksamkeit. Paul hob eine Augenbraue, und die beiden schienen einen Starr-Wettbewerb zu beginnen. Nach einem langen Moment gab Paul nach und strich dem Elektropokémon grob über den Kopf. Das Sheinux grinste und streckte glücklich schnurrend ihre Pfoten aus. „Weißt du, ich wünschte wirklich, ihr beide würdet euch besser verstehen", sagte Reggie plötzlich, laut genug, um von Paul gehört zu werden. Paul presste die Lippen zusammen. „Was? Ich bin nett und streichle das Ding und werf's nicht von meinem Schoß, wie ich gerne würde", grummelte er. Reggie steckte den Kopf ins Wohnzimmer, mit der Rührschüssel in der Hand. „Ich meinte dich und Hilda", erklärte er. „Obwohl ich froh bin, dass du jetzt generell netter zu Pokémon bist." Paul blickte finster drein und schob als Heimzahlung das Sheinux von sich weg. „Warum spielt es für dich eine Rolle?", fragte Paul schroff. „Weil ich euch beide liebe", entgegnete Reggie nüchtern. Paul stöhnte innerlich, sagte aber nichts. „Und", fuhr Reggie fort, und seine Stimme wurde langsamer und ein wenig ernster. „Ich weiß nicht… Was wäre, wenn sie bei uns einziehen würde? Wie würdest du damit klarkommen?" Paul sah seinen Bruder argwöhnisch an. „Was willst du damit sagen?", fragte er. Reggie hielt inne und schien zu zögern. „Nun, es hat wohl keinen Sinn, es dir zu verschweigen", verkündeter der Züchter schließlich. „Ich habe vor, Hilda einen Heiratsantrag zu machen." Es folgte eine lange Stille. Paul wandte den Blick von seinem großen Bruder ab, sein Gesicht blieb jedoch ausdruckslos. „Falls Hilda und ich heiraten wollen", fuhr Reggie fort, als er Pauls Schweigen zu diesem Thema nicht länger aushalten konnte, „möchte ich aber erst deine Zustimmung." „Was?" „Ich will deinen Segen, Paul." „Es geht mich nichts an, was du machst." Reggie seufzte, und ein halb belustigtes, halb frustriertes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus, als er sagte: „Ich glaube, du verstehst mich falsch." Paul schüttelte den Kopf. „Nein, ich verstehe sehr gut. Schön, heirate sie. Was interessiert mich das? Viel Spaß mit dem Leben als Ehemann. Es ist mir sowieso egal", sagte er. „Da hast du meinen Segen." Reggies Augenwinkel wurden weicher. Die meiste Zeit war Paul ein unlösbares Rätsel, aber Reggie kannte seinen Bruder gut genug, um zu sehen, dass das hier ihn aufregte. So, wie die Dinge standen, wurde Paul von allem, was Reggie tat, beeinflusst, wenn auch auf eine sehr subtile Art. Die einzige Familie, die die beiden Brüder hatten, waren sie selbst, und wenngleich sie auch nicht besonders eng war, schätzten sie beide ihre Beziehung zueinander – obwohl Paul Schwierigkeiten hatte, das zu zeigen. Hilda war, so wie Reggie es verstand, in Pauls Augen eine Gefahr für diese Beziehung. Er hatte ähnlich reagiert, als er herausgefunden hatte, dass sie ein Paar waren. Reggie machte sich eine mentale Notiz darüber, Paul später noch einmal mit dem Thema konfrontieren zu müssen. „Versprichst du dann auch, dass du wenigstens versuchst, netter zu Hilda zu sein?", fragte Reggie. „Immerhin wird sie deine Schwägerin sein." „Klar, meinetwegen", gab Paul nach. Dann, wie auf's Stichwort, klingelte es an der Tür. Reggie grinste, glättete seine Schürze und fuhr sich mit den Fingern durch das gepflegte, violette Haar. „Denk' daran, die Arenen von Azuria und Blütenburg nicht zu erwähnen", erinnerte Reggie ihn, während er zur Tür ging. Paul grunzte zur Antwort und bemerkte, dass das Sheinux von vorhin wieder da war und ihn erneut anstarrte. Ihr Schwanz wedelte verspielt hin und her, während sie ihn vom Boden neben seinen Füßen aus anblickte. Paul sah sie finster an. „Was willst du denn?"   20. Dezember 2001. Morgen. Blütenburg City.   „Ja, Lucia, uns allen geht's gut...", sagte Maike mit leicht abgelenkt klingender Stimme. Sie saß zu Hause im beschädigten Wohnzimmer und sprach über ihr PokéNav mit ihrer Freundin aus Sinnoh. Drew befand sich neben ihr, aber seine Aufmerksamkeit lag woanders. Er war ein paar Stunden zuvor aus dem örtlichen Krankenhaus zurückgekehrt; der Schnitt in seinem Gesicht war mit elf Stichen genäht worden. Er hatte auch, wie Maike bereits vermutet hatte, eine leichte Gehirnerschütterung erlitten und kämpfte zurzeit mit heftigen Kopfschmerzen. Er hatte gerade ein Gespräch mit Solidad beendet, in dem er sie informiert hatte, dass mit ihm und Maike alles in Ordnung war. „Gut, das ist ja eine Erleichterung", seufzte Lucia. Maike hörte auf einmal eine bekannte Stimme im Hintergrund, konnte aber die Worte der Besitzerin nicht verstehen. Lucia fügte hinzu: „Und Zoey wünscht euch auch alles Gute." Maike horchte auf. „Zoey ist bei dir?", fragte sie. Maikes Frage wurde beantwortet, als der Rotschopf plötzlich auf dem Bildschirm neben Lucia erschien. „Allerdings! Arceus, dass so etwas Furchtbares passieren konnte. Das Gute ist, dass alle wohlauf sind...", sagte Zoey. „Und, weißt du", fing Lucia erneut an, „es ist wirklich komisch, weil Misty Waterflowers Arena auch Feuer gefangen hat. Kennst du sie? Sie war früher auf Reisen mit Ash. Ich habe sie aber nie persönlich kennengelernt." Drew drehte leicht den Kopf, sein Interesse war geweckt. „Ja, ich kenne Misty", sagte Maike. „Warte, hast du gerade 'auch Feuer gefangen' gesagt?" „Ja, das ist doch passiert, oder nicht?" „Na ja… ja, aber da steckt noch mehr dahinter, zumindest bei uns." „Was meinst du damit?", fragte Zoey. „Das Haus wurde von einem richtig komischen Pokémon angegriffen. Das Feuer war nur die Folge von seinem Spukball, der irgendwelche elektrischen Leitungen im Dach getroffen hat, glaub' ich", erklärte Maike. „Wirklich?", sagte Zoey und riss die Augen auf. „Nein, oder?", rief Lucia aus. „Haben sie das nicht in der Nachrichtensendung gesagt, die ihr gesehen habt?", fragte Maike, der die Verwirrung ins Gesicht geschrieben stand. „Nein, die haben nur von einem 'mysteriösen Feuer' berichtet. Sie haben nicht gesagt, dass ihr angegriffen wurdet", stellte Zoey klar. „Ergibt Sinn", mischte sich Drew in die Unterhaltung ein. „Ich bin sicher, die G-Men wollen die Leute in dem Glauben lassen, dass es Unfälle und nicht Angriffe von irgendeinem frei herumlaufenden Pokémon waren. Das würde Panik erzeugen." „Warte, Maike, wer ist da bei dir?", fragte Lucia und legte neugierig den Kopf schief. „Ist das Max? Er klingt älter als 10." „Oh, nein, das ist nur Drew", antwortete Maike. „Meinst du damit Drew Hayden? Drew Hayden, den 'Prinzen der Koordination'?" Lucias Augen leuchteten vor Aufregung. Drew grinste, ignorierte das Pochen in seinem Kopf für einen Moment und rutschte näher an Maike heran, um die beiden Mädchen, mit denen sie redete, durch den Screen des PokéNavs sehen zu können. „Der bin ich", bestätigte er selbstgefällig. Maike rollte mit den Augen und schob ihn weg. „Bitte, Lucia, bläh' sein Ego nicht noch mehr auf", flehte sie. „Warte mal", sagte Zoey mit erhobenen Händen. „Bedeutet das, dass die Gerüchte wirklich stimmen? Dass ihr beide zusammen seid? Ich dachte, Coordinator's Monthly hätte sich das nur ausgedacht, damit sich die November-Ausgabe besser verkauft. Maike schien bei dem Gedanken zu erröten, was Drew natürlich amüsierte. Spekulationen über die Art ihrer Beziehung waren schon letztes Jahr bei Kantos großem Festival online und in Klatschzeitungen aufgetaucht. Maike war furchtbar schlecht darin, diese Anschuldigungen abzuweisen, aber Drew hatte die Fähigkeit erlangt, das Thema mühelos zu umgehen – außer, die Anschuldigungen kamen von Solidad, die völlig davon überzeugt war, dass Drew in Maike vernarrt war, egal, wie oft er dagegen protestierte. „N-na ja, das liegt daran, dass die Coordinator's Monthly sich das wirklich nur ausgedacht hat", stammelte Maike. „Drew ist nur als Kumpel hier." „Okay Maike, wenn du meinst", entgegnete Lucia achselzuckend. Sie nahm es ihr offensichtlich nicht ab, genauso wenig wie Zoey. Maike wurde glücklicherweise gerettet, als ihre Mutter den Kopf zur Haustür herein steckte und sagte, dass ein paar Leute persönlich mit der ganzen Familie (und Drew) reden wollten. „Na gut, dann muss ich wohl gehen", sagte Maike mit einem erleichterten Seufzer. „Wir reden später noch mal." Als der Anruf beendet war, schwang Caroline die Tür ganz auf und bat ihre Gäste hinein – vier Personen, die die beiden jungen Koordinatoren wiedererkannten: Troy und Cynthia Trumm, Wassili Reyes und zum Schluss (und wohl am überraschendsten), Harley. „Harley?", fragte Maike und sprang auf. „Was machst du denn hier?" Drew stand ebenfalls auf, misstrauisch wegen der plötzlichen Ankunft ihres hinterhältigen Koordinations-Rivalen. „Oh Maike, Liebling, als ich davon gehört habe, dass deine Familie letzte Nacht angegriffen wurde, habe ich darauf bestanden, mit Wassili herzukommen, um euch zu sehen und sicherzugehen, dass es euch gut geht", verkündete er theatralisch. „Mit Wassili?", fragte Drew argwöhnisch. „Aber ja, natürlich", erwiderte Harley augenzwinkernd. „Wassili ist mein Cousin." Dies schien Maike und Drew beide zu überrumpeln. „Wirklich? Also war Wassili die Familie die du in Xeneroville besuchen wolltest?", fragte Maike ehrfürchtig. „Das stimmt", warf Wassili mit einem charmanten Lächeln ein. „Was denkst du denn, wer meinen lieben Cousin dazu inspiriert hat, mit dem Koordinieren anzufangen?" Maike und Drew hielten einen Moment lang inne, um diese neue Information sacken zu lassen. „Na ja, man lernt wohl jeden Tag was Neues", sagte Max, der selbst etwas skeptisch aussah, als er mit seinem Vater den Raum betrat. Normans Miene hellte sich bei Troys Anblick auf. „Troy, es ist solch eine Freude, Sie wiederzusehen", sagte er und ging hinein, um die Hand des silberhaarigen Trainers zu schütteln. „Ich dachte, Sie würden immer noch die Region bereisen." „Das habe ich eine Zeit lang, Norman", antwortete Troy mit einem ebenso freundlichen Lächeln und Händeschütteln. „Aber ich habe entschieden, dass es Zeit ist, endlich sesshaft zu werden." Er tauschte einen schnellen, aber liebevollen Blick mit Cynthia. „Warte, Dad", fing Max an und schaute zwischen Norman und Troy hin und her. „Du kennst ihn?" „Aber klar doch!", grinste Norman. „Troy war der Champion von Hoenn, als ich Arenaleiter geworden bin. Er war derjenige, der mich empfohlen und den Papierkram erledigt hat, damit die Blütenburg City Arena zur offiziellen Arena der napajischen Pokémon-Liga werden konnte." „Eine Wahl, die Sie und Ihre Familie wohl, bedauerlicherweise, in Gefahr gebracht hat, Norman", erwiderte Troy entschuldigend. Norman schüttelte seinen Kopf. „Unsinn, Troy, das hier ist nicht Ihre Schuld. Denken Sie nicht einmal daran", sagte er. „Die Schuld wird den Champions zugeschoben werden, wenn wir diesen Angriffen kein Ende setzen", sagte Cynthia. „Ich kann nicht für Wassili, Lauro und Siegfried sprechen, aber ich habe eine Menge E-Mails von besorgten Arenaleitern in Sinnoh bekommen. Die Leute haben Angst, dass sie die Nächsten sind." „Ist es also wahr, was die Reporter draußen gesagt haben?", fragte Caroline in großer Sorge. „Dass das hier irgendwie mit dem Vorfall in Azuria City verbunden ist?" „Wir haben Grund zur Annahme, dass zwischen den Angriffen ein Zusammenhang besteht", sagte Cynthia, ging darauf aber nicht näher ein. „Warten Sie, also", meldete sich Maike zaghaft zu Wort, etwas eingeschüchtert von all den großartigen, berühmten Trainern, die sie umgaben, „wurde Mistys Arena auch attackiert? Es war kein unbeabsichtigtes Feuer?" „Es gibt keine Zeugen, und keine der Waterflower-Schwestern hat das merkwürdige Pokémon gesehen, das Caroline Wassili beschrieben hat", antwortete Troy. „Trotzdem deuten die Berichte, die wir von der Indigo Abteilung der Pokémon G-Men empfangen haben, darauf hin, dass eine äußere Gewalt – die, wie wir jetzt glauben, eine Spukballattacke von dem selben Pokémon gewesen ist, das letzte Nacht hier war – den Dachboden direkt über dem Schlafzimmer der jungen Misty Waterflower getroffen hat." Diese Aussage erregte Drews Aufmerksamkeit, aber er schwieg weiter, während es in seinem Kopf zu arbeiten begann. „Die Pokémon G-Men?", fragte Max neugierig. „Das ist eine staatliche Organisation, die Spezialfälle unter der Leitung der Champions der napajischen Pokémon Ligen untersucht", erklärte Norman seinem kleinen Sohn. Wassili nickte. „Alle regionalen Champions werden automatisch bei den G-Men aufgenommen, nachdem sie den Titel erlangen", sagte er und strich sich eine widerspenstige, blaugrüne Strähne aus den Augen. „Es ist Teil unserer Pflichten, die Sicherheit der Pokémon und Pokémontrainer unserer jeweiligen Region zu gewährleisten, wenn es zu Gefahrensituationen wie diesen kommt. Und es ist vollkommen inakzeptabel, wenn die Arenaleiter der napajischen Pokémon-Liga im Visier stehen-" „-Wenn ich Sie kurz unterbrechen dürfte", warf Drew ein, der nicht länger still zuhören konnte. Sämtliche Augen richteten sich auf ihn, und Maike sah von seiner dreisten Unterbrechung etwas erschrocken aus. Wallace jedoch schien sich nicht daran zu stören. „Sprich weiter", sagte er. Drew holte tief Luft und bereitete sich auf eine langwierige Erklärung vor. „Nun, um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass dies ein Angriff gegen die Arenaleiter war, und ebenso wenig gegen die Liga. Zuerst hab ich das gedacht, aber Sie", Drew deutete auf Troy, „haben vorhin etwas gesagt, das mich umgestimmt hat. Sie sagten, der Spukball hat den Bereich direkt über Misty Waterflowers Schlafzimmer getroffen, richtig?" Troy nickte. „Also", fuhr Drew fort, „wenn wir annehmen, dass dieses Pokémon hinter Arenaleitern her ist, hätte es letzte Nacht auf Norman schießen müssen. Aber nein, der erste Spukball hat die äußere Wand von Max' Zimmer getroffen. Nicht Normans. Zudem schien es komplett das Interesse an Norman und Caroline und deren Pokémon zu verlieren, als Maike und ich nach draußen gekommen sind, um beim Kampf gegen das Pokémon zu helfen. Genau genommen hat es seine letzte Attacke direkt gegen Maike und Max selbst gerichtet. Ich muss es wissen, denn als ich meinem Absol befohlen habe, einzuschreiten und sie zu verteidigen", Drew schob sein grünes Haar zur Seite, um die volle Länge der Naht zu offenbaren, die an der Seite seines Gesichts verlief, „habe ich mir das hier zugezogen." Er ließ die Hand sinken. „Worauf ich hinaus will: Wenn das hier wirklich ein Angriff auf die Liga gewesen wäre, hätte dieses Pokémon auf Norman, den Arenaleiter, gezielt, und nicht auf seine Kinder", schloss Drew ab. „Ein interessantes Argument", sagte Troy nachdenklich. „Norman?" Der Arenaleiter zuckte die Achseln. „Alles, was er gesagt hat, ist vollkommen richtig, wenn ich so darüber nachdenke", bestätigte er. „Ja", stimmte Caroline zu. „Das Pokémon schien Norman und mich zu vergessen, sobald Maike und Max nach draußen kamen." „Nun, ich möchte ja nicht den Teufel an die Wand malen", begann Harley in gewohnter Manier, „aber wieso sollte ein Pokémon, oder irgendein Trainer, der dieses Pokémon möglicherweise kontrolliert, hinter ein paar süßen Kindern her sein, die von keinerlei ernsthafter Bedeutung sind? Wo ist da der Zusammenhang? Welche Absicht steht dahinter?" Drew warf dem älteren Koordinatoren einen genervten Blick zu. „Ich weiß nicht, warum", entgegnete Drew einer frustrierten Schärfe in der Stimme, „aber wie wär's mit diesem Zusammenhang: Maike, Max und Misty kennen sich alle gegenseitig. Wenn ich es richtig verstanden habe, waren sie alle mal mit Ash Ketchum auf Reisen." Dann wandte er seine Aufmerksamkeit den drei Champions, ehemalig wie gegenwärtig, zu. „Lassen Sie das mal von Ihren G-Men untersuchen." Ein Moment der Stille folgte Drews gewagter Aussage, bis ein lautes Summen das Schweigen zerriss. Cynthia blickte kurz auf ihr Pokétch an ihrem Handgelenk, was ihr umgehend den Atem verschlug. Troy sah sie mit großer Sorge an. „Was? Was ist los?", bohrte er nach. Cynthia sammelte sich schnell, um zu antworten. „Ich habe gerade eine Nachricht empfangen, dass es eine dritte Attacke gab, dieses Mal in einer Wohnung in Schleiede, Sinnoh", sagte sie. „Die örtliche Arenaleiterin, Hilda, war zufällig gerade zu Besuch."   20. Dezember 2001. Später Morgen. Indigo Plateau.   „Arceus!" Leaf zuckte zusammen, als sie Siegfried ärgerlich den Fluch ausrufen und den Hörer wieder auf die Gabel knallen hörte. „Was ist passiert?", fragte sie, als Siegfried zurück ins Zimmer gestürmt kam. Sie wusste, dass es etwas Schlimmes sein musste. Siegfried vermied es üblicherweise, vor ihr zu fluchen. „Ein weiterer Angriff in Schleiede", murmelte Siegfried zur Antwort, während er zu seinem Computer ging, ein leeres Textdokument aufrief und wie wild zu tippen begann. „Dieses Mal auf ein Privathaus, aber Hilda Lillis war anwesend." „Was?" Leaf richtete sich auf. „Gerade eben? Am helllichten Tag?" „Ja." „Oh Mann..." Leaf schüttelte den Kopf. „Wer auch immer dieses mysteriöse Pokémon kontrolliert, wird mutiger. Sieht so aus, als ob es demjenigen egal ist, ob sie gesehen werden oder nicht. Vielleicht trägt es deswegen die Rüstung...? Sie wissen schon, um es zu tarnen?" Siegfried antwortete nicht, und Leafs Blick verfinsterte sich. „Und woran arbeiten Sie gerade?", drängte sie. „An einer Mitteilung, die an die Arenaleiter von Kanto und Johto geschickt wird", erhob er schließlich wieder die Stimme. „Das war Cynthia, mit der ich gerade geredet habe. Wassilis spontane Reaktion auf die Attacke war, alle Arenen in Hoenn zu schließen. Ich habe ihr gesagt, dass sie, ich und Lauro dasselbe tun müssen." „Warten Sie", warf Leaf plötzlich ein. „Was soll das bringen? Wenn der letzte Angriff in einem Zuhause stattgefunden hat, dann ist derjenige, der hinter all dem steckt, hinter den Arenaleitern und nicht den Arenen her." „Das ist mir bewusst", antwortete Siegfried knapp. „Wassili versteht das nicht, aber Cynthia und ich schon." „Warum dann?" „Um den Eindruck zu vermitteln, dass wir eine geschlossene Front und nicht ein Haufen aufgescheuchter Piccolenten sind." „Also ist es eine PR-Aktion?", fragte Leaf. „Wenn das so ist, dann vermitteln wir den Leuten nichts als ein falsches Gefühl von Sicherheit." „Es wird die Presse ruhigstellen, also passt es mir gut", sagte Siegfried kurz. Leaf schien unschlüssig, aber sie wechselte trotzdem das Thema: „Also, denken Sie immer noch, dass das hier das Werk einer Anti-Liga-Gruppierung ist? Team Plasma vielleicht?" Siegfried schwieg einen Moment lang, während er das Dokument auf seinem Computer abspeicherte und seine E-Mail aufrief. „Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll."   20. Dezember 2001. Nachmittag. Zweiblattdorf.   „Eine Eilmeldung: Wir haben soeben die Nachricht erhalten, dass Champion Siegfried Grayson der Indigo-Liga dem Beispiel des Champions Wassili Reyes der Hoenn-Liga und Champion Cynthia Trumm der Sinnoh-Liga gefolgt ist, und zu einer vorübergehenden Schließung aller offiziellen Pokémon-Arenen in den Johto und Kanto Regionen aufgerufen hat. Wir warten nun darauf, ob Champion Lauro Rey der Einall-Liga sich ebenfalls dafür entscheiden wird, die Einall-Arenen bis auf Weiteres zu schließen, und somit alle Hauptbranchen der napajischen Pokémon-Liga und der berühmten Pokémon-Liga-Herausforderung zum ersten Mal in der nationalen Geschichte zum kompletten Stillstand zu bringen. Dies folgte einem dritten Fall in einer Reihe von Angriffen, die mutmaßlich eine öffentliche Missachtung der nationalen Liga darstellt. Der Vorfall spielte sich zu Hause bei einem Einwohner von Schleiede, Sinnoh, ab. Die lokale Arenaleiterin, Hilda Lillis, war zur gegebenen Zeit anwesend. Schleiedes Officer Rocky weigerte sich, uns zu sagen, wem das Haus gehörte, aber sie sagte, dass Lillis und die beiden anderen Bewohner keine schwerwiegenden Verletzungen erlitten haben..." „Arceus, das ist echt krass", murmelte Kenny mit auf den Fernsehbildschirm fixierten Augen vor sich hin. Er, Barry und Lucia saßen alle um den Kaffeetisch bei Lucia zu Hause und nippten vorsichtig an der heißen Schokolade, die Johanna ihnen gemacht hatte. Zoey war im Nebenzimmer in ein privates Videogespräch mit Frida über die Angelegenheit vertieft. „Ich weiß", stimmte Lucia zu. „Und sie sagen immer noch nichts darüber, dass irgendein merkwürdiges Pokémon hinter all dem steckt." „Plin!", fügte Plinfa hinzu, der gemütlich auf dem Schoß seiner Trainerin saß. Barry runzelte die Stirn und setzte seine Tasse ab. „Ja, ich meine, komm schon", begann er und verschränkte die Arme. „Man würde ja erwarten, dass die Medien uns unbedingt die Wahrheit sagen wollen, aber neeeein. Die glauben nicht, dass wir mit der Wahrheit klarkommen, oder?" Zoey und Lucia hatten Barry und Kenny bereits mit den Infos, die sie aus dem Gespräch mit Maike und Drew herausbekommen hatten, auf den neuesten Stand gebracht. „Na ja, Drew Hayden hat ja gesagt, er denkt, die G-Men würden dieses kleine Detail unter Verschluss halten", räumte Lucia ein. „Und, weißt du, die Medien können nur sagen, was ihnen gesagt wurde. Vielleicht ist es aber auch besser so; die Leute wären völlig panisch, wenn sie die ganze Wahrheit wüssten." „Oh, bitte, die Leute sind schon jetzt panisch", sagte Zoey, die den Raum wieder betrat und sich zurück an ihren Platz neben Lucia setzte. „Ich hab gerade mit Frida zu Ende geredet, und sogar sie hat Angst. Wenn eine relativ unbekannte Arenaleiterin wie Hilda ins Visier genommen werden kann, warum dann nicht auch sie? … Wie auch immer, sie hat gesagt, dass Cynthia eine E-Mail herumgeschickt hat, mit der Forderung an alle ihre Arenaleiter, sich bedeckt zu halten und möglichst fürs Erste woanders hinzuziehen, bis dieses Durcheinander geregelt ist. Frida hat vor, in Blizzach zu bleiben, aber sie und ich haben uns darauf geeinigt, dass es das Beste wäre, wenn ich… na ja, nicht komme." Lucia machte ein langes Gesicht. „Oh, Zoey, das tut mir echt Leid...", seufzte sie mitfühlend. Zoey winkte den Kommentar ab. „Geht schon. Frida ist diejenige, um die ich mir Sorgen mache. Ich weiß nicht, was ich tun würde, wenn ihr was passiert", sagte sie. „Na ja, wenn du zu Weihnachten eine Bleibe brauchst", sagte Johanna plötzlich, die mit einer weiteren Tasse heißer Schokolade für Zoey den Raum betrat, „unser Zuhause steht dir offen." Die Rothaarige lächelte schwach. „Danke, Ms. Berlitz. Ich weiß das zu schätzen", sagte sie und nahm die dampfende Tasse an. „Ja", fügte Lucia mit einem leichten Lächeln hinzu. „Ich weiß, dass du wahrscheinlich total besorgt bist und dich über die ganze Situation aufregst, aber versuch, es dir nicht die Feiertage vermiesen zu lassen. Ich bin sicher, dass mit Frida alles in Ordnung sein wird." „Genau, und denk daran, es gab bis jetzt noch keine schwerwiegenden Folgen", sagte Kenny aufmunternd. „Ich meine, klar, ein paar leichte Verletzungen und beschädigtes Eigentum, aber noch keine Leichensäcke." Lucia blickte ihn verärgert an. „Könntest du vielleicht ein bisschen taktvoller sein, Kenny?", fragte sie scharf. Kenny hob eine Augenbraue. „Oh, tut mir Leid, dass ich sie trösten wollte!", erwiderte er. „Schon gut, schon gut, hört auf, alle beide", sprang Zoey ein, um eine Eskalation der Streiterei zu verhindern. „Es gibt keinen Grund, sich zu streiten, und ihr müsst mich auch nicht in Watte packen. Du hast Recht, Lucia, Frida wird nichts passieren. Ich bin sicher, Cynthia wird sich darum kümmern, dass auf sie und die anderen Arenaleiter von Sinnoh aufgepasst wird und sie in Sicherheit sind." „Das ist die richtige Einstellung!", rief Barry und streckte die Faust in die Luft. In seiner Aufregung stieß sein Ellbogen versehentlich gegen seine Tasse, wodurch das heiße Getränk auf seinen Schoß kippte. Er jaulte beim Schmerz der Verbrennung auf, sprang auf die Füße und wischte sich hektisch die Flüssigkeit von der Hose. Der belustigende Anblick entlockte Kenny, Lucia und sogar Zoey ein Lachen, obwohl ihr halbherziges Kichern schnell erstarb und sie sich dem Fenster zuwandte. Es hatte angefangen, leicht zu schneien. Sie fragte sich, ob sie vielleicht weiße Weihnachten haben würden. Sie legte das Kinn in die Hand, hingerissen vom Schneegestöber dort draußen. Sie war so abgelenkt, dass sie die zweite Hälfte der Barry Show verpasste, in der Lucia ihm ein Handtuch reichte, um das Chaos zu beseitigen, das er veranstaltet hatte, und ihn für einen kompletten Idioten hielt, während Kenny mit einem neckischen Grinsen daneben stand und ein paar spitze, aber trotzdem lustige Kommentare zu der unglücklichen Situation abgab.   20. Dezember 2001. Spätnachmittag. Orion City.   „Oh Mann, oh Mann, oh Mann… ah!" Ein lautes Krachen folgte, und es hörte sich an, als ob etwas Teures, Gläsernes auf dem Küchenboden zersplittert war. Benny, der im Nebenraum mitten in einem Gespräch via Videotelefon mit Lilia war, zuckte zusammen, als er den Tumult vernahm. Sein Auge zuckte etwas, und er hoffte, dass es sich bei dem, was gerade kaputt gegangen war, nicht um ihr Porzellangeschirr handelte. „Maik, könntest du dich bitte beruhigen? Sieh dir dieses Chaos an..." Benny konnte Colin seufzend schimpfen hören. „Klingt so, als wäre Maik etwas in Panik geraten", bemerkte Lilia, die den Krawall ebenfalls gehört hatte. „Mil!", fügte ihr Milza hinzu, der neugierig aus den Haarmassen seiner Trainerin hervorgelugt hatte, als der laute Krach ertönt war. Als er erkannte, dass nichts besonderes Interessantes passiert war, verschwand er wieder in Lilias Haarzotteln. „Alle sind ein bisschen nervös. Sogar mir ist unwohl", sagte Benny und warf einen kurzen Blick in Richtung Küche. „Wir hätten ihn wirklich nicht dort hineinlassen sollen. Er isst, wenn er gestresst ist, aber wenn er gestresst ist, neigt er auch dazu, ein wenig ungeschickt zu sein..." Der Kenner wandte sich rasch wieder der Drachentrainerin zu. „Wie auch immer, hast du von Lauros Bekanntgabe gehört?" „Ja", sagte Lilia. „Dass alle Arenaleiter von Einall keine Herausforderungen annehmen sollen. Genau wie so ziemlich alle andere Arenaleiter in ganz Napaj. Eigentlich habe ich gerade deswegen angerufen." „Hm?" Benny horchte auf. „Na ja..." Lilia begann nervös, sich eine ihrer langen, wilden Haarsträhnen um den Finger zu wickeln. „Ich weiß nicht, das Ganze macht mir ziemliche Sorgen – besonders Sorgen um dich und deine Brüder. Aber ich hab auch Angst um Ash." Benny schaute auf dieses Geständnis hin etwas verwirrt aus (Obwohl er zugeben musste, dass Lilias Sorge um ihn und seine Familie ihn berührte. Es war immer schön, zu hören, dass sich jemand um einen sorgte, selbst in einer misslichen Situation wie dieser). „Angst um Ash?", fragte er nach. „Ash ist kein Arenaleiter. Ein talentierter Trainer, mit Sicherheit..." „Ich weiß, ich weiß", fügte Lilia schnell hinzu. „Aber seit ich vom zweiten Angriff in Hoenn gehört habe – wusstest du, dass sie es jetzt schon Angriff nennen? Auf die napajische Pokémon-Liga? – habe ich eine Menge nachgedacht. Und meine Gedanken wandern immer wieder zu der Nacht, in der Ash diesen Albtraum hatte, du weißt schon, kurz bevor er nach Kanto aufgebrochen ist… und nur ein paar Tage vor dem Vorfall in der Azuria Arena." „Du denkst, da besteht ein Zusammenhang?" Benny klang ausgesprochen skeptisch. „Es ist mein sechster Sinn", beharrte Lilia. „Sieh mich nicht so an, Benny! Ich hatte Recht mit dem Geist – also dem Makabaja – im Septerna Museum, oder nicht?" Der Kenner lächelte schwach und sagte: „Ich behaupte nicht, es gäbe keinen Grund zur Sorge, Lilia. Ich glaube nur, dass du dir zu viele Gedanken machst." Lilia war offenbar bereit, etwas zu erwidern, aber im letzten Moment sackten ihre Schultern nach unten und sie gab sich geschlagen. „Vielleicht hast du Recht. Vielleicht bin ich nur paranoid", gab sie zu. „Ash ist sowieso nur ein kleines Kind. Er kann nichts damit zu tun haben, oder?" Sie schien ihn um Bestärkung zu bitten, die Benny ihr liebend gern beschaffte. „Ja, ich bin sicher, dass all das nur ein schrecklicher Zufall ist", sagte er. Er legte den Kopf schief. „Aber, ich würde schon gerne wissen, woher du den Eindruck hast, dass Ashs Traum mit diesen Ereignissen verbunden ist? Abgesehen von deinem sechsten Sinn." Lilias Miene hellte sich auf, als sie verstand. „Oh! Ich glaub', es ist dir gar nicht klar." „Was ist mir nicht klar?" „Die erste Arena, die angegriffen wurde, die in Azuria… das ist diejenige, die seiner Freundin Misty gehört. Dem Mädchen, das er unbedingt zu Weihnachten sehen wollte."   20. Dezember 2001. Früher Abend. Alabastia.   „Also… war es ein Pokémon...", grübelte Ash, offensichtlich in Gedanken vertieft. Er und Misty befanden sich, genau wie am vorherigen Abend, vor dem Videotelefon, nur, dass sie nicht mit Rocko, sondern mit Maike und Max sprachen. Pikachu hockte wie immer auf der Schulter seines Trainers. Azurill war im Labor bei seiner Mutter, Traceys Marill. „Weißt du, was für ein Pokémon es war?", wollte Misty wissen. Maike schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung", sagte sie. „Es war aber ganz bestimmt ein Pokémon", fügte Max hinzu und rückte seine Brille zurecht. „Es hat immer wieder Spukball-Attacken abgefeuert." „Seid ihr sicher?", fragte Misty. „Ja, kein Zweifel", nickte Maike. „Ich habe ein bisschen mit Drew geredet, als wir im Krankenhaus waren, und wir sind uns beide sicher, dass die Stöße, die es auf uns abgefeuert hat, definitiv Spukbälle waren, was es ja zu einem Pokémon machen würde, nicht wahr?" „Könnte man meinen...", sagte Ash nachdenklich, bevor seine Aufmerksamkeit sich schließlich auf etwas anderes konzentrierte, das Maike gesagt hatte. „Moment mal, Drew ist bei euch? Also, Drew, so wie dein Rivale Drew?" „Oh, ja", sagte Maike und stieß ein nervöses Kichern aus. „Er ist über die Feiertage bei meiner Familie." Sie lehnte den Kopf zurück und rief: „Hey, Drew! Komm mal Ash und meiner Freundin Misty hallo sagen!" Misty kam sich währenddessen etwas verloren vor. Sie hatte noch nie von diesem Drew-Typen gehört, aber daraus, dass er über die Feiertage bei den Maples war, schloss sie, dass er eine enge Beziehung zu Maike haben musste. Der Rotschopf beugte sich zu Ash vor und flüsterte ihm eine Frage ins Ohr: „Gehen Drew und Maike miteinander?" Nun war es Ash, der verwirrt war. „Was? Wohin denn?" Misty und Pikachu seufzten beide. Er war wirklich ein hoffnungsloser Fall. „Stimmt, tut mir Leid", sagte die Wasserpokémontrainerin. Dann wandte sie sich wieder dem Bildschirm zu und stellte die Frage erneut, dieses Mal an Maikes Bruder und in normaler Lautstärke. „Max, gehen Drew und Maike miteinander?", fragte sie. „Nein, sollten sie aber", antwortete der Zehnjährige ehrlich. Maikes Gesicht wurde puterrot und sie schnappte nach Luft. „Max!", quiekte sie laut. „Okay, was hab ich verpasst?", sagte Drew, der plötzlich auf dem Bildschirm erschien und sich neben Maike setzte. Sie wurde noch röter, und Misty musste ein Lachen unterdrücken. Sie musste zugeben, dass die beiden ein süßes Paar abgaben, wie sie so nebeneinander saßen. „Oh, hey, Drew! Lange nicht gesehen", sagte Ash mit einem freundlichen Grinsen. „Wir haben gerade darüber geredet, dass du nicht mit Maike gehst." Die Stille, die folgte, war schrecklich peinlich. Drew hob die Augenbrauen und warf seiner Rivalin einen verwunderten Blick zu. Sie wich jedoch krampfhaft seinem Blick aus, mit einem 'Oh Arceus, warum?'-Blick im Gesicht. Max schlug sich die Hand vor den Mund, um sich körperlich von einem Lachanfall abzuhalten. Ash war ahnungslos wie eh und je, während Misty ihn mit einem Todesblick durchbohrte. Pikachu seufzte seinen eigenen Namen in Verzweiflung über die Ahnungslosigkeit seines Trainers. Da sie die Erste gewesen war, die gefragt hatte, beschloss Misty, einzuschreiten und Maike vor weiteren Peinlichkeiten zu bewahren. „Egal, Maike, Max, was habt ihr jetzt vor?" Maike atmete tief ein, um sich zu beruhigen, und über die Demütigung von eben hinweg zu kommen. „Wissen wir noch nicht", sagte sie. „Wassili hat vorgeschlagen, dass wir weggehen und für die nächste Zeit irgendwo anders unterkommen. Cynthia und Siegfried haben all ihre Arenaleiter um dasselbe gebeten. Ich glaube, die einzige Region, die noch keinen Evakuierungsbefehl bekommen hat, ist Einall, da es dort ja noch keine Angriffe gab – die Schließung der Arenen ist nur eine Vorsichtsmaßnahme..." Drew brummte etwas Unverständliches vor sich hin. „Wie war das?", fragte Ash den grünhaarigen Koordinatoren. „Nichts", antwortete Maike an seiner Stelle und stieß ihn an der Schulter. „Drew stellt nur Verschwörungstheorien auf." „Es ist keine Verschwörungstheorie", fiel er ihr etwas verärgert ins Wort. „Der Angriff in Sinnoh auf Hilda Lillis beweist, dass es wohl eine ist", warf Max ein. „Okay, okay, das reicht. Oh Mann...", sagte Misty kopfschüttelnd. „Zurück zum Thema. Habt ihr wenigstens eine Idee, wo ihr hin könntet? Ash und ich möchten mit euch in Kontakt bleiben, wenn ihr alle weggeht..." Delia Ketchum ging in diesem Moment gerade zufällig an dem Raum vorbei, in dem sich Misty und ihr Sohn aufhielten, und blieb stehen, als sie diesen Teil des Gesprächs mithörte. „Unsere Eltern überlegen noch", erklärte Maike. „Meine Mom hat darüber nachgedacht, ein kleines Haus in Wurzelheim zu mieten, aber Dad findet, dass das nicht reicht. Er will die Region verlassen. Vielleicht nach Einall. Es ist kompliziert." „Oh! Nun, wenn eure Familie die Region verlassen möchte", sagte Delia auf einmal und trat in das Zimmer und die Unterhaltung ein. „Unser Haus ist klein, aber wir würden euch alle wirklich gern hier haben, wenn ihr das für sicherer haltet." „Wirklich, Frau Ketchum?", fragte Maike mit großen Augen. „Das wäre spitze!", rief Max. „Maike, wir würden Ash und Misty wieder in echt sehen!" „Ja, es wäre kein Problem", beharrte Delia abwinkend. „Außerdem habe ich liebend gerne Gesellschaft. Ich wollte schon immer mal eine große Weihnachtsversammlung haben, aber es hat sich nie die Möglichkeit ergeben..." Delia bedeutete Misty und Ash, aus dem Weg zu gehen, damit sie auf dem Stuhl sitzen und das Videotelefon richtig benutzen konnte. „Gut, wenn einer von euch dann kurz eure Eltern herholt, kann ich privat mit ihnen reden und alles besprechen." Einige Minuten später erschien Caroline auf dem Bildschirm, und obwohl sie sich noch nie getroffen hatten, quatschten die beiden Frauen drauflos, als wären sie schon seit Ewigkeiten befreundet. Ash und Misty liefen derweil etwas weiter nach hinten in den Raum, während die beiden Mütter über etwas Unwichtiges lachten, bevor sie mit den ernsteren Besprechungen begannen. „Eifrig ist deine Mutter allemal", bemerkte Misty. Ash zuckte mit den Schultern. „Sie ist einsam", sagte er nur. Misty sah ihn mit einem unleserlichen Blick in den Augen an. Sie wollte gerade fragen, warum er das dachte, aber dann hielt sie inne und ihr wurde klar, dass sie die Antwort bereits kannte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)