Summer Rain von Sayuri_Hiranuma ================================================================================ Kapitel 1: Summer Rain ---------------------- I’m not crazy, my reality is just different than yours~ -         Ceshire Cat, Alice in Wonderland   Der blaue Dunst stieg in trägen Kringeln  zur Decke herauf,  wurde von dem leichten Luftzug erfasst, der durch das halb geöffnete Fenster hereinströmte und löste sich im Halbdunkeln des Raumes auf. Aoi seufzte und tat einen weiteren Zug von seiner Zigarette, während er auf das leise Prasseln draußen lauschte. Es war vier Uhr morgens und die Stadt schien ausgestorben zu sein.  Das gelbliche Licht der Laternen reflektierte sich  in den flachen Pfützen und verlieh der ganzen Szene etwas Unwirkliches. Ein leises Lächeln huschte über die Lippen des Dunkelhaarigen, als der unverwechselbare Duft des warmen Sommerregens ihm in die Nase stieg.  Aoi drückte seine Zigarette aus und lehnte sich dichter an das Fenster heran, atmete den frischen Geruch tief ein, seine Lungen von dem Rauch frei spülend. Ein leises Lachen perlte von seinen Lippen, als der Regen ihm durch den Spalt ins Gesicht tropfte. Jedes Mal saß er so da…Aoi konnte nicht schlafen, wenn es regnete. Ganz gleich ob es ein warmer Sommerregen oder ein ausgewachsenes Gewitter war. Es war wie ein innerer Zwang, der ihn weckte und hierhin ans Fenster trieb, dabei mochte er Regen noch nicht einmal…. Aoi hasste es nass zu werden. Er hasste es durch Pfützen stampfen zu müssen und sich dabei die Schuhe zu ruinieren. Er hasste es einen Regenschirm mit sich herumschleppen zu müssen und noch mehr hasste er diese Hippies, die meinten sich im Sommerregen drehen zu müssen, als gäbe es kein Morgen. Aoi fragte sich was er wohl gerade machte. Uruha…so hieß er, doch ob es tatsächlich sein Name war, würde er wohl niemals  erfahren. Aber er gefiel Aoi. Der Klang davon…U-RU-HA… Er konnte ihn sich immer wieder auf der Zunge zergehen lassen. Ein Name, eine Erinnerung, so alt, dass sie längst hätte verblasst sein müssen, doch noch immer hatte er das hübsche  Gesicht vor sich, umrahmt von den gold-blonden  Haaren, einer Erscheinung gleich… Aoi war weder davor noch danach, jemals einem solchen  Menschen begegnet… *** Aoi war damals 25 Jahre jung. Frisch  vom College und mit dem sicheren Gefühl der König der Welt zu sein. Er hatte seine erste eigene Wohnung und die Freiheit kommen und gehen zu können wie es ihm beliebte und mit wem es ihm beliebte…  Es war kurz nach Mitternacht gewesen und er hatte  in lausigen Bar gearbeitet, mit noch lausigerer Bezahlung, aber die Gäste waren abwechslungsreich, auch wenn noch nie jemand Aois Aufmerksamkeit erregt hatte, zumindest nicht bis zu dem Tag. Der Blonde war alleine gekommen und saß nun schon seit längerem am Tresen, doch schien er keine der bemitleidenswerten Gestalten zu sein, welche kamen, nur weil die Drinks billig waren. Er schien weder auf jemanden zu warten, noch sah er aus, als würde er versuchen irgendwelchen Kummer in den zahlreichen Drinks zu ertränken, die er bereits in sich geschüttelt hatte. Seine Haut wirkte wie Alabaster in dem schlechten Licht der altmodischen Lampen. Umrahmt vom flüssigen Gold seiner Haare.  Aoi war vom ersten Moment fasziniert von den filigranen Zügen, den langen, schlanken Fingern,  die zu einer Melodie, die wohl nur der Blonde zu hören vermochte auf dem Tresen trommelten. Doch die kühle Unnahbarkeit die ihn umgab, ließ Aoi davor zurückschrecken ihn anzusprechen. So etwas hatte er noch nie gespürt. Aoi war nie der schüchterne Typ gewesen und doch….den ganzen Abend über vermochte er kaum mehr, als ihm nachzuschenken.  „Ich sollte wohl auch gehen…du willst sicher nach  Hause…“, lächelte der Honigblonde,  Aoi aus seinem  Tagtraum weckend. Er hatte gar nicht gemerkt, wie die Gäste nach und nach gegangen waren, bis sie nur noch zu zweit übrig geblieben waren… „Nein …warte…“ Aoi streckte seine Hand aus, wie um ihn zurückzuhalten. Er wollte nicht nach Hause.   „Nenn mir wenigstens deinen Namen…“ „Wieso?“, Aoi konnte seinen Blick nicht von den sinnlichen Lippen wenden, die sich zu einem katzenhaften Lächeln verzogen. „Was kriege ich dafür?“, hackte der Honigblonde nach und ein leises Lachen perlte von seinen Lippen. Verdutzt sah der Dunkelhaarige ihn einen Moment lang an, doch lächelte er dann bloß selbst. „Was willst du haben?“, ging er auf das seltsame Spielchen ein. Aoi wusste nicht was Uruha damit bezweckte, doch war er viel zu  neugierig, um so einfach aufzugeben… „Trink mit mir…..jetzt wo wir nur noch zu zweit sind..“, es funkelte herausfordernd in Uruhas Augen, ganz so als wollte er Aoi testen, doch dachte dieser nicht daran abzulehnen und so holte er bloß eine Flasche Whisky und ein weiteres Glas für sich, bevor er zu Uruha auf die andere Seite des Tresens kam.  „Nicht hier…setzten wir uns an einen Tisch..“, lächelte Uruha bloß erneut und bevor Aoi auch nur antworten konnte, hatte der Blonde ihm auch schon die Flasche aus den Händen genommen und schritt mit ihr und seinem Glas in der anderen zielstrebig voran, so dass Aoi bloß noch folgen konnte. Der Stuhl kratzte über das ausgetretene Holz des Fußbodens, als Aoi seinen Stuhl zurückschob und sich zu dem Blonden gesellte, welcher auch schon  zwei Finger breit in sein eigenes  Glas gefüllt hatte und nun dasselbe mit Aois tat. Der Dunkelhaarige nippte an dem Drink, seine Augen fest auf Uruha gerichtet. „Verrätst du mir jetzt deinen Namen?“ „Bist du immer so ungeduldig?“ „Nun…du wolltest, dass ich mit dir trinke…ich trinke…“, grinste nun auch Aoi. Er wurde aus dem Honigblonden einfach nicht schlau. Doch nun, wo er endlich den Mut gefunden hatte mit ihm zu sprechen, wollte er auch wissen, wer er war… „Sicher…..aber ich habe nie gesagt, wie viel du trinken sollst..“, lachte der Namenlose bloß erneut, sichtlich amüsiert, von Aois Verwirrung. „Was spielt es für eine Rolle wie ich heiße?“, lächelte der Honigblonde abermals herausfordernd. „Ich will wissen wer du bist…“ „Wer willst du denn, dass ich bin?“ Aoi tat einen weiteren Schluck. Der Whisky brannte in seiner Kehle. Nichts an dem Honigblonden ergab einen Sinn und doch war er wie verhext, je weniger er verstand, desto mehr wollte er wissen…. „Bist du immer so ein Langweiler?“, triezte Uruha ihn abermals. „Ich könnte jeder sein, der du willst….ich könnte der aufregendste Mensch der Welt sein, in deiner Erinnerung, wozu willst du da einen Namen haben und mich an die Realität ketten? Die Realität ist so schrecklich langweilig….findest du nicht…?“, Uruha hatte sich während des Sprechens dichter an Aoi heran gebeugt. Dicht genug, dass Aoi sein Parfum riechen konnte…Ein Schauer jagte über den Rücken des Dunkelhaarigen. „ Du bist doch völlig irre..“, Aoi lachte, um sich selbst zu beruhigen. Sein Puls  schlug ihm in dem Hals, doch nicht auf eine unangenehme Art. Der Honigblonde faszinierte ihn. „Nein….“, Uruha lachte leise. Lehnte sich wieder zurück und kramte eine zerdrückte Schachtel Zigaretten heraus. Zog mit den Zähnen einen der Glimmstängel hervor und  entzündete ihn an der halb heruntergebrannten Kerze in der Mitte des Tisches, sich die Haare mit einer Hand aus dem Gesicht haltend, damit sie kein Feuer fingen. „Ich bin Peter Pan und du könntest einer meiner verlorenen Jungs sein….“, Uruha lachte. „Sieh dich um! Hast du denn keine Lust auf ein Abenteuer? Gibt es nichts, was dein Herz begehrt?“, funkelte es nun sichtlich herausfordernd in den Augen des Honigblonden. „Ein Abenteuer?“ „Ja….eine Geschichte die du wirst erzählen können….von dem blonden Wen-auch-immer, den du dir wünschst….ist das Leben nicht schrecklich langweilig, wenn man immer alles weiß?“ Uruha tat einen weiteren Zug von seiner Zigarette, bevor er einfach aufstand und mit einer fahrigen Geste durch den Raum zeigte.  Sich um die eigene Achse drehte, die eine Hand im Nacken und die Augen geschlossen, als würde er jetzt schon den Wortlaut dieser Geschichte vor sich sehen. Sich schließlich auf den Tisch setzte, so dicht, dass Aoi zurückrücken musste, wollte er nicht seine Ellbogen auf Uruha Schoß legen. „Ich weiß, dass du mich die ganze Zeit über ansprechen wolltest…ich habe deine Blicke gesehen… Du willst mich, du weißt bloß noch nicht auf welche Art….“, lächelt der Honigblonde, auf eine Art, die Aoi schlucken ließ. „Also…was ist dir lieber…die Realität, in der ich dir meinen Namen nenne…oder eine Geschichte…?“, Uruha streckte ein Bein raus und stellte die Spitze seines Schuhs auf Aois Stuhl, genau zwischen dessen Beine. „Überleg‘s dir gut….du kriegst nur diese eine Chance…“ ***   Aoi schüttelte den Kopf um wieder zurück in die Realität zu finden. Diese Erinnerung lang nun schon fünf Jahre her und doch  konnte er sich daran erinnern, als wäre es erst gestern gewesen….Ein leises Lächeln huschte über die Lippen des Dunkelhaarigen und er entzündete sich mit einem leisen Klicken des Feuerzeugs einen weiteren Glimmstängel. *** „Ach verflucht…“, der Regen kam in kalten Güssen vom Himmel herunter, grau und trist sammelt er sich in den Pfützen, während im Horizont langsam die ersten orangen Strahlen der aufgehenden Sonne zu sehen waren. „Es ist doch nur ein Bisschen Regen…“, lachte der Honigblonde leise und trat an Aoi vorbei mitten in den Regen. Fast Augenblicklich klebten ihm die Haare im Nacken, doch er schien sich nicht im Geringsten daran zu stören. „Ich liebe den Regen…“, lachte er abermals und legte seinen Kopf in den Nacken, so dass der Regen ihm ins Gesicht prasselte. „Tu öfter etwas ungewöhnliches, mein verlorener Junge…..und vielleicht erzählt sich dann irgendwann jemand eine Geschichte über dich..“ Ein letztes Mal wirbelte der Blonde noch herum und  verschwand mit wenigen Schritten  tiefer in die Gasse, bis der Regen seine Konturen zu verwischen schien. „Ach übrigens…“, drehte er sich noch einmal herum, bevor er wie eine Fata Morgana verschwinden sollte. „Ich heiße Uruha…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)