Befreiung von __Kira ================================================================================ Kapitel 8: Kapitel 8 -------------------- „Danke für den wirklich schönen Abend.“ Wir standen uns vor der Tür zu meinem Übergangszimmer gegenüber, unsere Finger ineinander verschränkt. Seine andere Hand strich mir sanft über meine Wange. Kleine Berührungen die sich warm und wohltuend auf meiner Haut anfühlten. „Immer wieder gerne kleine Lunae.“ Lysander beugte sich zu mir vor und mein Herz fing in hoher Erwartung auf einen weiteren explosiven Kuss an wild zu schlagen. Ich schloss meine Augen um die Intensität noch tiefer aufnehmen zu können. Seine Lippen trafen auf meine Stirn und lösten kein wildes, begieriges Gefühl in mir aus, sondern etwas viel kostbareres. Meine Großmutter hatte mir einmal gesagt, dass ein Kuss auf die Stirn viel mehr bedeutet als ein Kuss auf die Lippen. Ein Kuss auf die Lippen bedeutet: Du bist mein. Doch ein Kuss auf die Stirn hieß so viel wie: Ich gehöre dir. „Schlaf gut.“ Noch immer benommen sah ich zu wie er in sein eigenes Zimmer verschwand. Da war er wieder ganz Gentleman. Er überschritt keine Grenze und auch wenn uns so wenig Zeit verblieb, hetzte er mich nicht. Ich sollte mich in ihn verlieben und das wäre ich bestimmt schon längst, wenn nicht diese doofe Prophezeiung meines Großvaters gewesen wäre. Ein großer Kampf für den ich meine Macht erlernen sollte. Alles worauf ich mich gerade konzentrieren wollte war Lysander und das was sich zwischen uns entwickelte. Meine Kraft zu akzeptieren schien mir so sinnlos, wenn es hier doch um Lysanders Leben ging. Das Leben, das ein Innerer Selbstverständlicher Teil in mir, mit ihm verbringen wollte. Und dann war da noch mein altes Leben, das so endlos weit weg erschien. Meine Freunde und meine Familie, was würde aus ihnen werden wenn ich hierbleiben würde. Würde ich hier festsitzen und für immer bleiben müssen? Würde ich sie niemals wieder sehen können? Ich warf mich direkt auf mein Bett und ließ das Mondlicht auf mein Gesicht scheinen. Mein Mondstein reagierte sofort auf die Berührung des Lichts und flackerte im Takt meines Herzschlages. Ich brauchte noch mehr Informationen zu dem was ich war und was ich werden sollte. Alles was ich wusste war das ich eine Lunae war, ein Mitglied eines Volkes das seinen Ursprung vor langer Zeit hatte. Dass ich eine große Macht in mir trug, die mein Geist kontrollierte. Ich reagierte auf den Mond, jede meiner Fasern zog seine Kraft in mich auf. Am liebsten hätte ich meinen Großvater erneut herauf beschworen, was eine meiner neuen Kräfte war, doch glaubte er an mich und das ich es ohne ihn schaffen könnte. Ich weiß nicht welche Aufgaben er im Reich der Toten hatte und wollte ihn nicht noch mehr stören. Mein Leben fand keine ruhige Minute mehr, entweder gab es dort Lysander oder mein merkwürdiges neues Ich, das ich herauszufinden hatte. Früher einmal bestanden meine größten Sorgen darin ob ich nach dem Frühdienst einen Mittagsschlaf machen sollte oder eben nicht. Was ich anziehen oder wie ich meine Haare frisieren sollte. An so etwas wie Macht erlernen und kontrollieren war gar nicht zu denken. Ich arbeite in einem Beruf in dem es normal ist Menschenleben zu retten aber so? Mich in sie zu verlieben und ihnen mein Blut zu geben, war nie eine Option in meinem Leben gewesen. Was zur Hölle war ich? Und wer würde mir helfen es herauszufinden? Mein Amulett pulsierte noch immer, der stetige Lichtwechsel erwärmte den Raum und beruhigte mich. Mein Körper spürte die Erschöpfung dieses ereignisreichen Tages. Meine Augen fielen mir immer wieder zu, bis ich komplett eingeschlummert war. Das erste was ich sehen konnte nachdem ich meine Augen wieder geöffnet hatte war ein sagenhafter Nachthimmel. Abertausende Sterne erstrahlten den Himmel über mir und mitten darin ein riesiger Vollmond. Ich hatte den Mond noch nie so groß gesehen, er schien seine doppelte Größe zu haben und hang direkt über mir. Der Boden auf dem ich lag war warm und weich, ich konnte das Gras an meinen Fingern spüren. Ich wagte es nicht meinen Blick von diesem wunderschönen Schauspiel zu wenden und genoss das Gefühl welches der Mond in mir auslöste. Meine Haut kribbelte und wurde von einem weißen Licht umhüllt. Ich leuchtete genau wie einer der vielen Sterne dieser Nacht. In mir breitete sich eine angenehme Wärme aus und ich spürte wie die Kraft dieses Wahnsinns Planeten in mich floss. Er schien so greifbar nah, dass ich meine Hand nach ihm ausstreckte um ihn zu berühren. „Wunderschön, nicht wahr?“ Ich fuhr herum. Ich war nicht alleine hier. Mir ist es gar nicht aufgefallen da ich so dermaßen von diesem riesigen Mond gefangen war. Neben mir lag das Mädchen aus dem Spiegel, sie trug noch immer das weiße Kleid und ich schwarzes Haar lag verteilt auf dem Boden um sie herum. Sie lächelte und sah genauso fasziniert wie ich gerade in den Himmel. Ihr Körper war umgeben von einem Licht das auch meinen umgab und auf ihrer Brust lag das Mondsteinamulett das mir mein Großvater vor seinem Tod vererbt hatte. Sie drehte sich nun zu mir herum und lächelte mich freundlich an. Jetzt begriff ich. Ich war wieder in einem Traum. Die Frage war nur, hatte sie mich oder ich sie beschworen… Ganz egal, etwas an ihr sagte mir, dass sie mir weiterhelfen konnte. Vielleicht war es die Tatsache dass wir das gleiche Amulett teilten oder das sie mir in einem Spiegel gegenüber getreten war. Sie musste wie ich eine Lunae sein. Dieser Blick, sie sah den Mond nicht nur als einen Planeten wie jeden anderen und war nicht nur fasziniert von ihm weil er so hoch am Himmel stand. Da war mehr. Eine Verbundenheit die tief in der Zeit zurückging. „Du bist Amy, Gaelei’s Enkelin.“ Es war keine Frage die sie mir stellte. Sie wusste ganz genau wer ich war. Vielleicht wusste sie auch mehr darüber was ich war. Sie kannte also meinen Großvater, hatte er sie zu mir geschickt? War sie ebenfalls ein Geist? Ich nickte obwohl keine Bestätigung nötig gewesen wäre. „Entschuldige dass ich deine Nachtruhe störe. Ich musste dich sehen, jetzt nachdem deine Kräfte in dir erwacht sind. Du bist etwas so besonderes.“ Damit waren meine ersten zwei Fragen beantwortet. Sie hatte mich hier her beschworen und sie wusste mehr darüber was ich war. Ihr lächeln ruhte weiterhin auf mir und ich fand keine Worte um meine Fragen zu formulieren. Es nervte mich immer zu hören dass ich etwas Besonderes war, wenn keiner mit der Sprache heraus rückte um was genau es dabei überhaupt ging. Wer weiß ob sie mir Rede und Antwort stehen würde. Ein Versuch war es aufjedenfall Wert. „Zuerst einmal. Wer bist du überhaupt?“ Ich seufzte. „Du scheinst mich zu kennen aber ich habe keinen Schimmer wer du bist.“ Sie lachte und setzte sich auf um mich besser ansehen zu können, vermutete ich zumindest. Sie sah wirklich nicht sehr viel älter aus als ich und trotzdem umgab sie etwas sehr altes und weißes. „Mein Name ist Amaris und ich bin, wie mein Name vielleicht schon verrät, das Kind des Mondes.“ Sie legte so viel Nachdruck in dieses Wort das es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Sie war DAS Kind des Mondes! Sie war diejenige die Erschaffen wurde um die Schatten zu berühren. Sie war die erste Lunae überhaupt und wahrscheinlich so etwas wie meine Großmutter! Ihr Blick erheiterte und sie schmunzelte. „Nicht ganz deine Großmutter, ich würde es eher Schwester nennen.“ Ihre Schwes– Warte. Sie hatte meine Gedanken gelesen! Wie hat sie das gemacht? Tut sie es gerade? Lag es an dem Traum in den sie mich beschworen hatte? Mein Herz raste und ich fühlte mich extrem unangenehm. Ich wollte mich zwingen aufzuwachen, doch konnte es nicht. Ich kniff immer wieder in meinen Arm. Sie legte beschwichtigend eine Hand auf meinen Arm und ich sah sie erschrocken an. „Ich muss mich erneut bei dir Entschuldigen. Ich werde mich aus deinem Kopf heraus halten.“ „Wie…Wie hast du das gemacht?“ Sie zog ihre Hand zurück und blickte hinauf in den Nachthimmel. „Wir beide sind uns sehr ähnlich. Es stimmt schon das du eine meiner Nachfahren bist aber uns verbindet noch etwas.“ Sie legte eine kleine Pause ein uns sah mir sanft in die Augen. „Du und Ich haben eine besondere Gabe, es ist ein großes Geschenk. Wir wurden mit der Macht des Mondes versehen. Wir sind Töchter des Mondes.“ Ich kannte ihre Geschichte aber was hatte ich damit zu tun? Ich war unbestreitbar die Tochter von Lea und Christian Black dafür brauchte man keinen DNA-Test man sah uns die Ähnlichkeit an. Wie konnte ich also wie sie sein? „Aber wie?“ Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch die Nacht war so ruhig da sie mich Verstanden haben musste. Außerdem konnte sie ja noch immer in meinen Gedanken lesen. „Du wurdest in einer Nacht geboren, in dem der Mond am präsentesten und größten am Himmel steht. Die Menschen nennen es Supermond.“ Ich hatte viel darüber gelesen als ich Anfing mich mehr und mehr zum Mond hingezogen zu fühlen. Ich hatte viel recherchiert und konnte einen wichtigen Punkt einbringen. „Daran ist nichts Besonderes, ein Supermond findet jedes Jahr statt. Außerdem bin ich bestimmt nicht die einzige die am 8. März 1993 geboren wurde.“ Sie schmunzelte erneut. „Nein, ganz sicher nicht aber keine von ihnen war eine Lunae und keine von ihnen wurde genau um die Uhrzeit geboren als der Supermond der Erde am nächsten stand.“ Ich öffnete meinen Mund um weitere Zweifel an dieser Logik kund zu geben, doch sie Unterbrach mich indem sie weiter sprach. „Er hat dich auserwählt und dir seine Kraft geschenkt. Du wurdest nicht wie ich von ihm erschaffen aber du bist jemand den er nicht ignorieren konnte. Du warst zu präsent. Er liebt dich.“ Sie schockierte mich damit das sie von diesem weit Entfernten Planten wie von einem Menschen sprach. Als würde er tatsächlich fühlen und denken. Aus den Geschichten meines Großvaters wusste ich dass die Lunae den Mond wie einen Gott anbeteten aber ihn wie eine reale Person zu behandeln schien mir dann doch etwas zu viel des guten. „Das ist doch Schwachsinn…“ Sie unterbrach mich erneut. „Dein Amulett.“ Mehr brauchte sie nicht zu sagen um mich zum Schweigen zu bringen. Ich sah an mir herab und dort hang es wie immer, seit dem ich es von meinem Großvater bekommen hatte. Es war also wie ich bereits vermutete hatte. Sie sahen nicht gleich aus, es war ein und dasselbe. Ich seufzte. So schwer es mir auch viel ihr zu glauben, meine innere Stimme sagte mir bereits das sie recht hatte und alles stimmte von dem sie mir erzählt hatte. Das war also das Besondere an mir. Das machte mich zu einer besonderen Lunae. Ich war nicht nur ein Kind des Mondes, wie mein Großvater die Lunae auch nannte. Ich war eine Tochter des Mondes. Ich verfügte über seine Kraft, was auch immer das heißen sollte. Ich wusste jetzt zwar Was ich war aber hatte noch keine Ahnung damit umzugehen. Ich musste meine Chance nutzen mehr darüber zu erfahren. „Na gut, okay. Ich bin also wie du. Dann erzähl mir mehr darüber. Was ist das für eine Kraft und wie lerne ich sie zu benutzen? Was hat es mit diesem Amulett auf sich und vor allem was für ein Kampf wartet auf mich?“ Sie umfasste meine Hände und lächelte mich wieder sehr sanft an, was sie älter und reifer wirken ließ. Was sie ja auch war, sie hatte vor wer weiß wie vielen Jahren gelebt. „Zuerst musst du lernen deine Macht zu akzeptieren.“ Ich rollte mit den Augen. Es war so einfach für sie es zu sagen, doch so schwer für mich es umzusetzen. „Schon klar, ich arbeite daran aber ich muss mehr Wissen.“ Ich war nervös. Würde ich jetzt mehr erfahren? Würde ich ein paar Tipps bekommen wie das akzeptieren von statten ging? „Du musst deinen Weg finden es zu akzeptieren, dein Geist beschützt dich vor dieser großen Menge an Kraft.“ Das hatte ich alles schon von meinem Großvater gehört. Es half mir nur nicht. „Das Mondsteinamulett um deinen Hals beschützt dich zusätzlich und kontrolliert deine Kraft. Es leitet dich und ist mit deinem Herzen verbunden. Es ist nicht einfach nur ein Anhänger, es wirkt nicht bei jedem. Du und Ich, wir sind etwas Besonderes und es wurde für Lunae wie uns erschaffen.“ „Wer hat es erschaffen?“ Ihr Blick richtete sich traurig dem Himmel entgegen. „Jemand dem einmal mein Herz gehört hat. Es ist schon sehr lange her seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Er hat es für mich angefertigt um mich zu schützen und…“ Sie brach ab und bedachte nun wieder mich, ihr Blick war ernst geworden. „Er wollte mich damit dämpfen und hat versucht mich dadurch zu bändigen und zu kontrollieren. Es hätte fast funktioniert. Doch er hatte vergessen das unsere Herzen damit verbunden waren und so sehr mein Herz für ihn schlug, schlug seines für mich.“ „Er wollte deine Macht…“ Amaris strich über mein Haar. In ihren Augen lag ein Schmerz den ich schwer begreifen konnte. Kein Zorn oder Hass nur ein Schmerz des Verlustes. „Ja, aber noch mehr als diese Macht liebte er mich.“ Sie seufzte. „Unsere Wege haben sich danach für immer getrennt.“ Ich empfand Mitgefühl für sie. Sie hatte ihn wirklich und wahrhaftig aus vollem Herzen geliebt und er hatte versucht sie zu betrügen. Er wollte sie hintergehen doch das Amulett das er selbst dafür erschaffen hatte, beschützte sie. Und ich dachte Lysander’s und meine Liebesgeschichte wäre kompliziert. Sie war ein Witz gegen das hier. Ich war neugierig geworden und wollte mehr über sie und diesen Mann erfahren. „War er ein Schattenwanderer?“ Sie nickte. „Natürlich, dafür wurde ich…wurden wir erschaffen. Er war der erste Schattenwanderer der die Erde berührt hatte und er war ein Bild von einem Mann.“ Sie lächelte schief und jetzt schien es mir als wären wir zwei alte Freundinnen die über heiße Kerle redeten. Verträumt seufzte sie und fuhr fort. „Er hatte sich einen Bart stehen lassen und sah dadurch noch Verführerischer aus. Es passte perfekt zu seinem Markanten Gesichtszügen. Oh Amy, ich sage dir in seinen Augen konnte man sich verlieren. Dieses warme Braun das mich immer an die eines Reh’s erinnerten. Ich konnte nie aufhören ihn anzusehen. Wir wurden füreinander geschaffen. Ich liebe ihn noch immer bedingungslos.“ So viel von dem sie sprach erinnerte mich an Lysander. Dieses in den Augen des anderen verlieren war wohl eine spezielle Lunae – Schattenwanderer Sache. Ich musste bei den Gedanken an unsere erste Begegnung schmunzeln und jetzt schien alles was er tat mein Herz höher schlagen zu lassen. Es durchfuhr mich wie ein Blitz. „Wusstest du von Anfang an dass ihr füreinander bestimmt seid?“ Verwirrt sah sie mich an. „Um ehrlich zu sein… Nein. Ich weiß nicht genau wie ich es beschreiben soll aber ich fühlte mich ohne jeden Zweifel zu ihm hingezogen doch hatte ich das Gefühl das es ein Muss wäre, das ich keine andere Wahl hätte und ich wollte eine eigene Wahl haben. Ich wollte nicht nur existieren weil ich ihn lieben sollte, auch wenn es genau das war. Dafür wurde ich erschaffen. Um die Unerfüllte Liebe des Mondes zu erleben.“ Sie sprach genau das aus was in mir vorging. Wahrscheinlich lag es an der zu großen Macht die in uns lebte. Wir wehrten uns unbewusst gegen unser Schicksal. Dennoch gab es einen großen Unterschied zwischen uns beiden. Amaris hatte vor ihrem Seelenverwandten Schattenwanderer kein anderes Leben, ich hingegen schon. Sie wurde alleine für ihn erschaffen, ihn zu lieben war ihre Aufgabe. Ich wurde auch für Lysander geschaffen, wir beide füreinander aber es gab noch immer mein Leben vor unserer Begegnung in der Diskothek. Das Leben das ich hatte bevor er mich in einer Nacht und Nebel Aktion nach Norwegen verschleppt hatte. Genau das war es was mich daran hinderte mich voll und ganz auf ihn einzulassen. Die Angst dieses Leben nie wieder Leben zu können. Meine Freunde und Familie nie wieder sehen zu können. Der Magische Teil in mir war Lysander schon komplett verfallen, doch der logische, menschliche Teil in mir hatte furchtbare Angst vor dem was auf mich zukommen würde. Ich versuchte all diese Gedanken abzuschütteln und konzentrierte mich wieder auf Amaris. „Du hast mir noch gar nicht verraten wie er hieß.“ Sie lächelte verliebt. „Zelophed.“ Sie hauchte seinen Namen, einen Namen den ich zuvor noch nie gehört hatte. Er klang genauso geheimnisvoll und magisch wie er wohl selbst gewesen war. Keinem von uns war es wohl vergönnt mit einem normalen Namen in diese Welt zu starten. „Wann ist dir klar geworden das du dein Leben mit ihm verbringen willst?“ Amaris lachte. „Wann? Ich kann dir keine genaue Zeit nennen aber irgendwann habe ich mich einfach auf ihn eingelassen, ich konnte ihm einfach nicht länger wiederstehen.“ Man konnte ihr Ansehen in welche Zeit ihre Gedanken gerade schweiften. Auch wenn er sie versucht hatte zu hintergehen, glaubte sie selbst jetzt noch an seine Liebe zu ihr. Sie zweifelte keinen Moment daran. Ich wusste nicht ob ich es bewundern oder verachten sollte. Als würde unsere eigene Logik verschwinden sobald es um einen Schattenwanderer ging. Als würde unser Leben weniger zählen als ihres. War es das? Nein, entschied ich. Sie brauchten uns genauso sehr zum Leben. Ohne uns würden sie nicht einmal existieren können. Ohne Lunae würden sie aussterben und ohne sie würden auch wir sterben. Wie eine Symbiose waren wir von dem jeweils anderen abhängig. Die Vorstellung dass es für jeden Menschen beziehungsweise Lunae nur einen Partner gab war einerseits beängstigend und andererseits wunderschön. Zu wissen das es für jeden von uns jemanden gab der nur für einen selbst erschaffen wurde hatte etwas wunderbares. Aber was würde passieren, wenn wir diesen Jemand niemals treffen würden? Wären wir dann für immer alleine auf dieser Welt? Wie viele hätten dann Glück auf ihren Seelenverwandten zu treffen und wie viele würden ein einsames Leben tristen? Zelophed war Amaris Seelenverwandter, sie waren die ersten unserer Völker und doch waren sie nicht für immer zusammen gewesen. Für sie gab es kein „Glücklich bis an ihr Lebensende“. So sehr er sie auch geliebt hat, er war bereit dazu ihr etwas Schreckliches anzutun nur um an ihre Macht zu kommen. Er hatte es letztendlich nicht geschafft und doch war es ein Versuch und dieser Versuch hang jetzt um meinen Hals und beschützte mich vor der zu großen Kraft des Mondes. Ich hatte ganz vergessen dass ich noch immer träumte und fragte mich so langsam wie spät es wohl in der realen Welt sein würde. Amaris lag nun wieder neben mir und starrte noch immer in der Erinnerung an Zelophed in den Sternenübersehten Nachthimmel. Ich hatte noch nicht herausgefunden ob ich wirklich schlief und mich erholte oder ob ich aufwachen und völlig erschöpft sein würde. Ich wollte es nicht unbedingt herausfinden und konnte es mir nicht leisten einen ganzen Tag zu verschlafen. Die Zeit die Lysander und ich noch übrig hatten war viel zu kurz und jede uns verbleibende Stunde war kostbar. Ich musste jede Möglichkeit nutzen ihn näher kennenzulernen um sein Leben zu retten. Es gab diese Momente in denen ich es ohne zu zögern tun würde, mein Leben aufgeben nur um ihn zu retten, um ihn am Leben zu erhalten. Momente in denen ich daran dachte mich ihm hinzugeben und ihn mein Blut trinken zu lassen. Diese Momente in denen es nur uns beide gab, als wären wir die einzigen Lebewesen auf dieser Welt. Wenn ich bei ihm war, war es einfach alles andere um uns herum zu vergessen. Es schien möglich alles hinter mir zu lassen um mit ihm neu anzufangen. Ich sah mich neben Alienor in der Küche stehen, wie wir das Frühstück für unsere große Familie vorbereiteten. Ich sah mich Arm in Arm mit Lysander in seinem Bett liegen, sorgenfrei und unbekümmert. Mein früheres Leben hinter mir gelassen. Aber genau dieser Gedanke war es auch der mich wieder zurück in die Realität zog. Haylee, Benji, Liam und alle anderen die nun ohne mich lachten, meine Familie an Weihnachten ohne mich an einem großen Tisch sitzend. Diese Gedanken zerrissen mir mein Herz und hielten mich davon ab mich komplett auf Lysander und sein Leben einzulassen. Ich wollte weiterhin Teil der Leben meiner Freunde und Familie sein. Ich wollte weiterhin im Krankenhaus arbeiten und Zeit mit ihnen allen verbringen. Ich konnte mein früheres Leben nicht einfach zurück lassen. Mir brummte der Schädel von all diesen Gedanken und Szenarien. „Amaris?“ Ich berührte sie sanft an ihrer Schulter. Sie drehte sich zu mir um und lächelte immer noch genauso wie sie es die meiste Zeit über getan hatte. „Oh, ich hatte mich schon so daran gewöhnt mit dir hier zu sein das ich komplett vergessen habe das du ja eigentlich gerade schläfst.“ Sie verstand meinen kleinen Wink also sofort. Es hatte wohl auch Vorteile sie in meine Gedanken zu haben. Sie umarmte mich und entließ mich aus ihrem Traum. Es würde wohl nicht das letzte Mal sein das wir uns in einem Traum trafen. Ich war mir unsicher ob ich Lysander oder irgendjemanden davon erzählen sollte. Für mich war es ja selbst noch neu und auch wenn ich jetzt viel mehr wusste, hieß es noch nicht dass ich es umsetzen konnte. Ich wachte nun vollständig auf und war selbst überrascht von der Tatsache wie ausgeschlafen ich war. Ich fühlte mich immer noch etwas k.o. aber das lag wohl eher an diesem Riesen Gefühlschaos in mir. Die ersten Sonnenstrahlen des Morgens fielen in mein Zimmer und erfüllten ihn mit einem warmen, orange-rotem Licht. Ich schwang meine Bettdecke bei Seite und stand auf, mein Mund fühlte sich extrem trocken an und ich konnte mich nicht mehr daran erinnern wann ich das letzte Mal etwas getrunken hatte. Mein Weg führte mich in die Küche im Erdgeschoss, Alienor und der Rest des Hauses schienen noch zu schlafen. Ich nahm mir eine der großen Wasserflaschen und ging wieder nach oben. Mein Blick fiel auf die offene Tür zu Lysanders Zimmer. Ich war zu neugierig um einfach in mein eigenes Zimmer zurück zu kehren. Vorsichtig spähte ich in den Raum und sah dass er leer war. Lysander war also bereits wach und wieder unterwegs. Er würde wohl nichts dagegen haben, wenn ich es mir auf seinem Balkon bequem machen würde. Diese hängende Hollywood-Schaukel hatte meine Aufmerksamkeit gestern schon gewonnen. Ich trat hinaus in die kühle Morgenluft. Die frische Brise linderte meine vom vielen Nachdenken gewonnen Kopfschmerzen etwas. Ich beugte mich über das Geländer des Balkons und verschluckte mich fast an meinem kalten Wasser. Dort unten joggte Lysander. Er hatte mich noch nicht gesehen, ich schätzte mal dass es an den Kopfhörern in seinen Ohren lag und dass er nicht damit gerechnet hätte mich auf seinem Balkon zu entdecken. Ich konnte ihn also unbeobachtet betrachten. Er lief – natürlich Oberkörperfrei – große Runden auf dem Feld vor dem Haus. Seine Muskeln waren angespannt und ich konnte ein paar Schweißtropfen auf seinem Körper erkennen. Sie liefen sein wunderschönes Gesicht entlang und ließen den Rest seiner Haut glänzen. Einzelne Strähnen seines Haares klebten an seiner Stirn während der Rest im Takt seines schnellen Schrittes mitwippte. Er sah zum Anbeißen Scharf aus und das nicht nur weil seine Jogginghose verboten tief hing. Erneut fiel mir auf wie sehr seine dunklen Tattoos zu seinem perfekten Körper passten und ihm die richtige Note Bad Boy verliehen. Ich konnte nicht aufhören ihn anzusehen und musste an die Worte von Amaris denken, die sie für Zelophed benutzt hatte. Lysander war mein Seelenverwandter. Er wollte mich. Er brauchte mich. Er liebte mich. So viele Frauen hätten alles dafür getan um einen Mann wie ihm auch nur zu begegnen. Ich erinnerte mich an diese beiden, extrem merkwürdigen Mädchen aus der Damentoilette in der Diskothek in der ich Lysander kennengelernt hatte. Sie waren sofort vernarrt in ihn und hätten alles für seine Aufmerksamkeit getan. Sie hätten höchstwahrscheinlich kein Problem damit gehabt sich ihm hinzugeben. Sie wären sofort bereit dazu gewesen ihr Leben mit ihm zu verbringen. Und sie hatten noch nicht einmal seine Charakter kennengelernt der noch liebenswürdiger war als sein atemberaubendes Aussehen. Lysander wurde langsamer und sah nun doch hoch zu mir. Mein Atem stockte und ich fühlte mich ertappt, was ich ja auch war. Ich stand hier auf seinem Balkon und starrte ihn an. Ich war eine Stalkerin. Sein Überraschter Blick verwandelte sich sehr schnell in dieses schiefe Lächeln das einem das Herz höher schlagen ließ. Das mein Herz höher schlagen ließ. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)