Love doesn't make any sense von FairyPirate (Natsu x Lucy) ================================================================================ Kapitel 1: Cars don't kill people, drivers with cellphones do ------------------------------------------------------------- Es war spät. Viel zu spät, um noch so ausgelassen zu feiern, wie sie es taten. Sie waren in ihrer Stammbar, Fairy Tail. Der Geruch des Alkohols schwebte in der Luft, gemischt mit dem Geruch des Zigarettenrauchs und des Schweißes. Die meisten Leute jedoch waren schon vor einiger Zeit gegangen. Die Tanzfläche war leer und nur vereinzelt fand man in der Bar noch Leute, die nicht zu ihrer Gruppe gehörten. Doch daran störte sich keiner von ihnen. Cana schwenkte noch fröhlich eine Flasche Bier durch die Luft, was von ihnen nur belächelt wurde. Levy lehnte an Gajeel's Schulter und döste immer mal wieder leicht ein, was von ihrem vermeintlichen Kissen nur mit einem Kichern quittiert wurde. Erza hatte ihren Alkoholkonsum schon vor ein paar Stunden eingestellt, worüber Natsu und Gray sehr glücklich waren. Nicht überraschend, wenn man bedachte, dass sie die beiden als sie das letzte Mal betrunken war windelweich geprügelt hatte. Seitdem trug sie den Beinamen Titania. Ein kleines Lächeln huschte Lucy übers Gesicht, als sie daran zurück dachte. Es war eine Gruppe voller Verrückter, aber es war auch eine kleine Familie. Sie liebte jeden Einzelnen ihrer Freunde. Dabei wollte sie an diesem Abend eigentlich gar nicht feiern gehen. Sie hatte am nächsten Tag eine extrem wichtige Vorlesung an der Uni für die sie eigentlich ausschlafen wollte. Aber wie Natsu nun einmal war, hatte er alle Einwände ihrerseits komplett ignoriert und sie einfach mitgenommen. An der Bar angekommen hatte Mira ihr auch gleich etwas Alkoholisches in die Hand gedrückt und jegliche Protestversuche einfach überhört. Als dann auch noch Erza kam, wusste Lucy, dass sie keine Chance mehr hatte zu entkommen. Also hat sie einfach nachgegeben. Mit einem flüchtigen Blick auf die Uhr stellte Lucy fest, dass der nächste Morgen bereits grauen musste. Sie klopfte ein paar Mal mit der Faust leicht auf den Tisch, um sich von ihren Freunden zu verabschieden. Dabei fiel auch Juvia die späte – oder frühe, ganz wie man wollte - Uhrzeit ins Auge und sie stellte sich schnell an Lucy's Seite um gemeinsam mit der Blondine die Heimreise anzutreten. Die kleine Gruppe verabschiedete sich von den beiden, machte aber nicht den Anschein als würden sie es ebenfalls bald in Betracht ziehen zu gehen. Bei der Garderobe angekommen, suchte Lucy erst einmal zwischen den unzähligen Jacken nach ihrer eigenen. Zwischendurch fand sie noch die von Juvia und reichte sie ihrer Freundin, was diese mit einem leichten Lächeln quittierte. Wenig später fand sie auch ihre eigene Jacke, die Natsu unter seine gehängt hatte. Schnell zog sie sich diese über, ließ dabei jedoch den Reißverschluss offen und trat mit Juvia hinaus auf die Straßen Magnolia's. Lucy hatte Recht gehabt. In der Ferne konnte sie die Sonne sehen, die vorsichtig über den Horizont blickte und dabei den unteren Teil des Himmels bereits blutrot einfärbte. Sie hatten wieder einmal viel zu lange gefeiert. So würde das mit Lucy's Schlaf vor der Vorlesung auf jeden Fall nichts mehr werden. Sie könnte sie darüber ärgern, wenn sie nicht so viel Spaß in der vergangen Nacht gehabt hätte. So konnte sie das ganze lediglich belächeln und einfach hoffen, dass die Müdigkeit nicht ganz so sehr ins Gewicht fallen würde. Die morgendliche Kälte fühlte sich wie kleine Nadelstiche auf ihrer Haut an und instinktiv zog sie ihre Jacke enger um ihren Körper. Aus dem Augenwinkel konnte sie erkennen, dass Juvia neben ihr das Gleiche tat. Sie tat die ersten Schritte auf die noch leeren Straßen von Magnolia. In ein bis zwei Stunden würden sie sich wieder füllen und überall würden geschäftige Menschen herum laufen. Dann kehrte der Alltag wieder in die Stadt ein. Sie liebte Magnolia. Und sie liebte ihr Leben in dieser Stadt. Es war einfach der perfekte Ort für sie und das Leben, das sie begann als sie umzog. Damals wollte sie eigentlich nur so weit wie möglich weg von ihrem Vater. Sie hatten im Vorfeld einen riesigen Streit gehabt und waren danach beide Übereingekommen, dass es besser für sie und ihre Vater-Tochter-Beziehung war, wenn sie sich eine Auszeit voneinander gönnen würden. Die ersten paar Wochen war sie bei Natsu untergekommen, ehe sie eine eigne, bezahlbare Wohnung gefunden hatte. Das war nun schon fast ein Jahr her. „Ob der Bäcker schon auf hat?“, fragte Juvia laut in die Umgebung und riss Lucy somit aus ihren Gedanken. Sie zog ihr Handy aus ihrer Jackentasche und drückte den Entsperrenknopf, um zu sehen welche Uhrzeit sie hatten. Es war früher Morgen, der Bäcker hatte also definitiv bereits geöffnet. Ein kurzer Seitenblick zu Juvia und die Versicherung dass sie selbst Hunger hatte, veranlassten sie dazu einen Umweg zu nehmen und beim Bäcker an der großen Hauptstraße noch einen kleinen Frühstückssnack zu holen. Die Glocke über der Tür klingelte leise als Lucy und Juvia die Backstube betraten. So früh am Morgen duftete es immer nach frisch gebackenen Brötchen und Brot. Lucy ließ sich Zeit beim Anschauen der vielen Leckereien, während Juvia schon seit geraumer Zeit wusste, was sie essen wollte.Letztendlich hatte Lucy sich eine Zimtschnecke gegönnt und Juvia einen Apfelstrudel. Der beiden Frauen traten wieder hinaus auf die Straße, bevor Juvia begann von ihrem Lieblingsthema zu erzählen. Gray – und wie sie ihn für sich erobern wolle. Lucy betrachtete ihre Freundin unauffällig von der Seite. Ihre Augen leuchteten mit der hellen Sommersonne um die Wette, während sie die Hände gefaltet hatte wie ein verliebter Teenager und eine Euphorie in ihrer Stimme lag, die Lucy beim besten Willen mit nichts vergleichen konnte. Sie war ein wundervoller Mensch, Gray musste blind sein, um das nicht zu bemerken. „ … und dann wird Juvia in Gray-sama's Arme fallen und sie werden für immer glücklich sein“, murmelte sie vor sich hin, mit einer so glücklich verträumten Stimme, dass Lucy unweigerlich ein wenig über ihre Freundin lachen musste. „Oh ja, das werdet ihr“, bestätigte sie ihrer Freundin. Sie drehte sich noch auf dem Fußweg um, damit sie Juvia gegenüberstand und redet weiter mit ihr, hörte zu, wie sie von ihren fünf zukünftigen Kindern erzählte, die sowohl klug, als auch hübsch werden würden – wenn man ihr glauben konnte. Immer noch lachte sie laut und ging rückwärts, sodass es kam, wie es kommen musste – sie übersah das wichtigste. Sie erinnerte sich noch, wie Juvia's Gesicht von fröhlich zu panisch wechselte und wie die Blauhaarige versuchte nach vorne zu sprinten, dabei den Arm nach ihr ausstreckte, sie aber nicht mehr erreichte. „Pass auf, Lucy“. Kapitel 2: I could write a book named 'run as fast as you can' -------------------------------------------------------------- Piep. Piep. Piep. Dieses regelmäßige Piepen hörte Lucy nun schon seit geraumer Zeit. So langsam ging es ihr auf die Nerven. Mühsam versuchte sie ihre Augen wenigstens ein bisschen zu öffnen, jedoch scheiterte sie grandios daran. Um sie herum kam zu dem unerträglich hohen Piepton auch noch ein anderes dumpfes Geräusch dazu. Sie brauchte ein paar Sekunden, aber dann erkannte sie, dass es sich um Stimmen handelte - mindestens zwei. Ein weiteres Mal versuchte sie ihre Augen zu öffnen, diesmal jedoch erfolgreich. Das grelle, weiße Licht blendete sie fast sofort. Sie kniff ihre Augen zusammen und hob reflexartig ihren Arm, um die Augen von dem Licht abzuschirmen. Dabei schienen die Personen um sie herum auf sie aufmerksam zu werden und sofort wurden alle Gespräche eingestellt. „Luce, du bist wach“, rief eine tiefe und gleichzeitig aufgeregte Stimme direkt neben ihr. Sie erkannte diese Stimme sofort, sie hätte sie unter tausenden erkannt. Vorsichtig senkte sie ihren Arm wieder und schaute in die Richtung aus der soeben seine Stimme vernommen hatte. Ihr bester Freund lächelte ihr strahlend breit entgegen, sodass ihr gar keine andere Wahl blieb, als leicht zurück zu lächeln. „Hey, Natsu“, ihre Stimme klang heiser und ihr Hals kratzte ein wenig, „was ist denn passiert?“. Sein Lächeln wurde kleiner, war ganz verschwunden, als er mit seinen beiden Händen nach ihrer Hand griff und sie fest umschloss. Lucy ahnte Schlimmes. Er räusperte sich ein wenig, seine Augen huschten kurzzeitig unruhig im Raum umher, ehe er sie wieder auf sie richtete. „Du wurdest von einem Auto angefahren. Der Fahrzeugführer hat dich nicht gesehen, er hatte ein Handy in der Hand“, er atmete kurz durch, drückte ihre Hand ein wenig fester und starrte ihr fast schon vorwurfsvoll in die Augen, „Glücklicherweise wurdest du nur leicht verletzt. Ich hatte einen halben Herzinfakt, als das Krankenhaus mich anrief“ Jetzt erkannte Lucy den Ausdruck in seinen Augen. Es war kein Vorwurf, sondern einfach bloß Sorge. Sorge um sie. „Wir würden Miss Heartfilia gerne noch etwas mitteilen. Wir bitten Sie kurz draußen zu warten“, mischte sich nun eine dritte Person in ihr Gespräch ein. Lucy drehte den Kopf leicht und erblickte einen freundlich aussehenden, älteren Mann in einem weißen Kittel – der Arzt. Natsu nickte, ehe er Lucy's Hände losließ und zur Tür hinausging. Diese war noch nicht richtig ins Schloss gefallen, als aus Lucy auch schon die erste Frage herausbrach. „Warum darf er nicht bleiben?“. Sie würde sich sicherer fühlen, wenn Natsu immer noch ihre Hände halten würde. Die Tatsache, dass er vor die Tür verbannt wurde, ließ jedoch ein sehr schlechtes Gefühl in ihr aufsteigen. „Er war nur hier, weil er als ihr einziger Notfallkontakt angegeben war. Da er jedoch weder ihr Lebensgefährte noch eines ihrer Familienmitglieder ist, darf er nichts von ihrem medizinischen Zustand erfahren“ Lucy stützte sich leicht auf ihre Unterarme, merkte dabei sofort einen stechenden Schmerz in ihren Rippen. Nicht schwer verletzt war anscheinend Definitionssache. Auffordernd sah sie ihren Arzt an, bat ihn somit stumm, weiter zu reden. Offensichtlich ging es um ihren Gesundheitszustand, da wollte sie am besten schnellstmöglich alles wissen, was er ihr zu sagen hatte. „Wir hatten nach ihrem Unfall Blut abgenommen, um mögliche Folgeschäden bereits früh feststellen zu können. Ich kann sie in sofern beruhigen, dass in der Richtung alles in Ordnung ist“, der Ton in seiner Stimme veranlasste sie, scharf die Luft einzuziehen – was sie aufgrund ihrer anscheinend geprellten Rippen sofort bereute – und auf das unausweichliche ''Aber'' zu warten, „aber wir haben eine bösartige Neubildung bestimmter Zellen feststellen müssen“ Lucy zog verwirrt die Stirn kraus, wartete auf eine Übersetzung seines medizinischen Fachchinesisch, doch die blieb aus. An seiner Stimme hatte sie bereits erkannt, dass es sich keinesfalls um etwas gutes handeln konnte. Dennoch sie wollte wissen, woran sie litt und was sie noch erwartete. „Es ist bereits zu weit fortgeschritten, um es noch zu bekämpfen. Wir können es ihnen nur noch so angenehm wie möglich machen und -“ „Was bedeutet das?“. Sie zuckte selber kurz zusammen, da sie fast geschrien hatte. Aber sie war einfach viel zu aufgeregt. ''Bösartige Neubildung der Zellen'', das konnte alles sein. Ihr Arzt holte tief Luft und spante sich sichtlich an, als würde ihm das folgende sehr schwer fallen. „Miss Heartfilia, sie haben Krebs“. Sie schluckte hart. Krebs. Das sollte ein Sternzeichen sein, ein Sternzeichen und nichts weiter. „Ich kann verstehen, wenn sie Zeit zum verarbeiten - “, setzte er an, doch sie unterbrach mit einer einfachen, wegwerfenden Handbewegung. Er schien den Wink verstanden zu haben, sie hörte das Klacken seiner Schuhe auf dem Parkett, wie sich die quietschende Tür öffnete und wieder schloss und schließlich zwei gedämpfte Stimmen, die anscheinend angeregt mit einander redeten. Doch das alles interessierte sie nicht. Sie hatte ihre Knie an den Oberkörper gezogen, die Arme darum geschlungen, den Kopf darauf gebettet. Die ersten Tränen kamen wie von selbst und liefen stumm ihre Wangen hinunter. Wieso? Womit hatte sie das verdient? Das erste Aufschluchzen wurde laut und ihm sollten noch viele weitere Folgen. Die Tür wurde aufgerissen und drei oder vier hektische Schritte ertönten. „Lucy“. Ihr wurde an der Schulter gerüttelt und mit tränenverschwommenem Blick sah sie zu Natsu auf. Der Rosahaarige zögerte gar nicht lange ließ sich neben sie aufs Bett sinken und nahm sie fest in die Arme. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter, verkrampfte ihre Hände in seinem T-Shirt, welches immer noch nach der Bar roch. Sie spürte, wie sein Griff um sie fester wurde. Er hielt sie fest, als würde sie ihm davonrennen, wenn er losließ. Eine Hand hatte er auf ihrem Hinterkopf platziert, die andere streichelte ganz sanft ihren Rücken auf und ab. „Schon okay. Das wird alles wieder. Ich versprech's“, flüsterte er sanft an ihrem Ohr. Sie würde ihm unwahrscheinlich gerne glauben. Wie gerne würde sie einfach auf alles, was er ihr so zuversichtlich zuflüsterte hören. Wie gerne würde sie denken, das sein unübertroffener Trotz sie auch aus dieser Situation retten könnte. Sie würde gerne, aber sie konnte nicht. „Natsu, ich -“, versuchte sie zu sagen, aber ihre Stimme brach ab und erneut wurde ihr zarter Körper vom einem Schluchzen geschüttelt. Sie riss sich zusammen und sprach das unvermeidliche aus: „Ich habe Krebs“ Natsu stockte. Er riss geschockt die Augen auf, seine Kinnlade klappte herunter und er musterte Lucy ungläubig. Er wartete wahrscheinlich darauf, dass sie kicherte, sich über ihn lustig machte, weil er auf ihren Witz hereingefallen war. Aber es war kein Witz, sondern die bittere Realität. Er begann langsam seinen Kopf nach rechts zu bewegen. Dann nach links. Dabei ließ er Lucy keine Sekunde aus den Augen. „Nein“, hauchte er ungläubig und erst als sich bei ihr immer noch nichts tat, wurde sein Kopfschütteln konsequenter, seine Stimme lauter, verzweifelter: „Nein, nein, nein, nein, nein. Lucy, du verarscht mich richtig? Das ist doch alles nur ein ganz blöder Scherz, nicht wahr?“ Sie biss sich leicht auf die Unterlippe, die Tränen liefen ihr immer noch unaufhaltsam über die Wangen, als sie ebenfalls kurz den Kopf schüttelte. So gerne sie ihm auch eine bessere Nachricht überbracht hätte, sie konnte es nicht. „Verdammte Scheiße“, konnte sie ihn ungläubig flüstern hören, ehe sie wieder an seine Schulter gezogen und fest umarmt wurde. Sie klammerte sich an ihn, während er sie vorsichtig vor und zurück wiegte. „Das kannst du mir nicht antun, Luce. Das kannst du mir einfach nicht antun“ Kapitel 3: Life isn't about waiting for the storm to pass, but about how to dance in the rain --------------------------------------------------------------------------------------------- Cana gesellte sich zu ihren Freunden an ihren Stammplatz. Es war zwar noch früher Nachmittag, das hielt die Alberona jedoch nicht davon ab, schon wieder eine volle – oder mittlerweile nur noch halbvolle – Bierflasche in der Hand zu haben. Sie bekam dafür einen abschätzigen Blick von Titania und ein wissendes Grinsen von Gray. „Immer noch nichts von Lucy“, nuschelte sie schlecht gelaunt, ehe sie ihre Bierflasche anhob, um einen besonders großen Schluck daraus zu trinken. Das Grinsen verschwand aus Gray's Gesicht und auch Erza versuchte sich abzulenken, indem sie sich auf die Köstlichkeit des Erdbeerkuchens vor sich konzentrierte. Leider versagte dieser bei seiner Aufgabe. „Mann, wenn nicht mal Mira etwas weiß …“, murmelte Juvia leise vor sich hin, ehe sie ebenfalls den Blick traurig auf den Tisch senkte. Sie hatten nun schon seit drei Wochen nichts mehr von ihrer Freundin gehört. Drei Wochen waren vergangen, seit Lucy und Juvia im Morgengrauen die Bar verlassen hatten. Drei Wochen, seit Natsu nach einem dreißig Sekunden Telefonat Hals-über-Kopf aus der Bar gestürmt und Juvia ihnen unter Tränen erzählt hatte, was mit Lucy passiert war. Seitdem war das einzige, was sie über Lucy gehört hatten, das gewesen, was Natsu ihnen erzählt hatte. Die Blondine schien ihre Freunde zu meiden. Gray haute mit der Faust auf den Tisch. „Das geht doch so nicht weiter. Einer von uns muss jetzt mal zu ihr gehen und mit ihr reden, verdammt“. Dem Fullbuster seine schlechte Laune anzusehen, war in etwa so schwer wie Juvia ihre ewige Schwärmerei anzusehen. Es gab am ganzen Tisch nur eine Person, die noch schlimmere Laune hatte als er. Natsu zog schon seit drei Wochen mit einem missmutigen Gesichtsausdruck durch die Straßen. Niemand wusste, was passiert war, nur dass etwas passiert sein musste, war allen klar. Etwas ziemlich schwerwiegendes noch dazu, sonst hätte sich Natsu nicht so sehr davon herunter ziehen lassen. „Wir sollten Levy schicken, immerhin ist sie Lucy's beste Freundin“, schlug Juvia laut vor und wurde von Erza mit einem Nicken bekräftigt. Die Blauhaarige hatte bereits Levy's Nummer im Handy eingegeben, als ihr eine große Hand das Sichtfeld versperrte. „Nein, ich gehe“, verkündete Natsu, mit einem Ton in der Stimme, den sie sonst nur von Erza kannten. Dem Ton, der keinerlei Widerspruch dudelte. Juvia nickte ihm leicht zu, packte das Handy wieder in ihre Tasche. Auch von Erza und Gray kam erstaunlicherweise kein Einspruch, sodass Natsu sich nur schnell eine Jacke überzog und schon auf den vielbeschäftigten Straßen Magnolia's war. Den Weg, den er nun gehen musste, kannte er in- und auswendig. Er würde ihn selbst dann finden, wenn er blind wäre. So oft war er diesen Weg schon gegangen, immer in freudiger Erwartung auf das, was ihn am Ende erwartete. Er hatte es zwar immer gewusst, dennoch die Vorfreude hatte es ihm nie nehmen können. Und nun? Nun zögerte er an jeder Ampel, an jeder Straßenecke, an jeder Bushaltestelle etwas mehr. Lucy war so fertig gewesen, dass sie sich im Krankenhaus und bei sich Zuhause in den Schlaf geweint hatte. Er hatte ein wenig Angst davor, was er zu sehen bekommen würde, wenn er jetzt in ihre Wohnung spazierte. Sie war vorher immer so strahlend gewesen, so voller Lebensfreude. Aber die Tage nach der Schockdiagnose war sie nur noch blass, hatte fast ausschließlich geweint. Vor dem Mehrfamilienhaus, in dem sie ihre Wohnung hatte, blieb er stehen. Er sah herauf zum dritten Balkon. Früher war er immer doch hinauf geklettert, damit sie ihn in seine Wohnung ließ. Sie hatte zwar immer ein wenig gemeckert, ihn aber doch jedes Mal aufs neue in ihre Wohnung gelassen. Sollte er es wagen? Sein Blick glitt zum Abflussrohr der Regenrinne. Seinem ''Einbruchshelfer'', wie Lucy sie immer liebevoll und voller Sarkasmus kommentiert hatte. Vorsichtig griff er mit einer Hand um das kalte Stahl und sofort machte sich ein altbekanntes Gefühl in ihm breit. Grinsend betrachtete er sein verzerrtes Spiegelbild, ehe er auch die zweite Hand ums Rohr legte, den Fuß darauf abstützte und kräftig Schwung holte. Er würde es wagen. Mehr oder minder elegant schwang sich über das Geländer ihres Balkons. Er atmete einmal tief durch, ehe er sich den imaginären Staub von Händen und Klamotten klopfte. Wenn Regenrinnen-Hochklettern eine olympische Disziplin wäre, würde er Gold gewinnen. Er wollte gerade an den Fenstern klopfen, um Lucy auf sich aufmerksam zu machen, als die Balkontür mit Elan aufgerissen wurde. Im Türrahmen stand eine Blondine, die nicht sonderlich begeistert aussah. „Schon wieder? Sag mal, wofür habe ich dir eigentlich meinen Zweitschlüssel gegeben?“, zeterte sie auch gleich los und ein kleines Lächeln machte sich auf Natsu's Gesicht breit, während sie sich darüber aufregte, wie gefährlich das doch war, dass ihre Untermieter jedes Mal einen Herzinfakt bekamen, wenn er das tat und dass sie sich schon einmal mit der Polizei auseinander setzen musste, weil jemand aus ihrem Haus Natsu für einen Einbrecher gehalten hatte. Es war einfach so normal. Sie hielt diesen Vortrag, wie sie ihn immer hielt. Als wäre nichts passiert stand sie vor ihm, die Hände in die Hüfte gestützt, während einer ihrer Füße auf den Boden trommelte. „Ich hab dich vermisst, Luce. Ich hab das vermisst“, unterbrach er sie mitten in ihrem Redefluss und machte dabei eine ausholende Handbewegung. Lucy's gesamte Körperhaltung änderte sich. Die Wut schien zu weichen und machte etwas neuem Platz. Schmerz oder Angst, so genau konnte er das nicht erkennen. Er wusste nur, dass er sie so nicht sehen wollte. „Vielleicht gewöhnst du dich besser schon mal an dieses Gefühl. Du solltest dir auch 'ne neue beste Freundin suchen, ich mach's ja nicht mehr lange“, flüsterte sie, ehe sie sich auf dem Absatz umdrehte und wieder in ihrer Wohnung verschwand. Ohne zu zögern folgte Natsu ihr. In ihrer Wohnung traf ihn der Schlag. Es war dunkel und stickig, völlig ungewohnt für ihn. „Okay, was willst du?“, fragte sie nun doch, ein bisschen zickiger als gewohnt. Natsu schob sich in ihr Sichtfeld, packte sie mit beiden Händen fest an den Schultern und schaute ihr mit seinem gewohnten Trotz entgegen. „Ich will Lucy. Meine Lucy, mit der ich bis jetzt noch alles überstanden habe. Die tapfere Blondine, die es schon so viele Jahre mit mir aushält und nicht den Trauerkloß, von dem seit drei Wochen keiner mehr was gehört hat“ Sir riss sich von ihm los, schaute ihm dabei traurig in die Augen. „Die wird bald tot sein. Gottverdammt, Natsu, ich hab's dir doch erklärt, oder? Ich hab nicht mehr viel Zeit, keiner weiß wie lange genau“ „Und darum gibt’s du jetzt einfach auf?“, schrie er ihr dazwischen und die Tränen, die ihr kurzzeitig über die Wangen gelaufen waren stoppten. Natsu nahm ihre Hände in seine und starrte ihr wieder in die Augen, versuchte sich an einem versöhnlichen Lächeln. „Okay, du hast nicht mehr viel Zeit und vielleicht ist es nicht wahr, dass alles wieder gut wird. Aber weißt du was wahr ist? Wir beide hier, unsere Freundschaft. Ich hab dir doch mal versprochen, dass ich immer für dich da bin, oder? Also, Lucy Heartfilia ...“, er kniete sich vor sie als würde er ihr einen Antrag machen wollen, „ … darf ich deine verbleibende Lebenszeit so lustig und angenehm wie irgendwie möglich gestalten?“ Sie kicherte kurz, dann musste sie laut auflachen. Sie nickte heftig, immer noch mit Tränen in den Augen. „Weißt du was, Natsu? Du bist dumm und naiv und einfältig und ein Kindskopf“, sie wischte sich mit dem Handrücken vorsichtig die Tränen aus den Augen, ehe sie weitersprach, „und du bist der beste Freund, den ich mir in so einer Situation vorstellen könnte“ Er lächelte ihr breit entgegen und auch ihre Mundwinkel zuckten nach oben. Er hatte es geschafft. Dieser Idiot hatte es tatsächlich wieder einmal geschafft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)