after Weiß von KarliHempel ================================================================================ Kapitel 25: Akt XXV ------------------- Akt XXV Nervös stand er neben Schuldig vor der Tür des Detektivs, an die er gerade geklopft hatte. Nervös war er auch schon in Schuldigs Auto gewesen, nachdem er ihn überredet hatte, mit ihm hier herzufahren. Die letzten 36 Stunden hatte es für ihn gar keine Außenwelt gegeben. Er hatte die ganze Zeit mit Schuldig in seiner Wohnung verbracht und zu seiner eigene Überraschung nicht nur im Bett. Sie hatten viel geredet, zusammen fern gesehen, Ran hatte für sie gekocht und dann hatten sie es sich am Abend mit einer Flasche Rotwein in den beiden Sesseln bequem gemacht und schweigend auf die Stadt gesehen. Es war unglaublich kitschig gewesen und er war noch immer aufgekratzt von den hunderten Zärtlichkeiten die sie, wie nebenbei ausgetauscht hatten. „Und du willst das wirklich tun? Jetzt?“, hörte er die Stimme des Deutschen neben sich. Sie war leise und klang für einen Moment unentschlossen. Ran nickte nur. Er war sich sicher. Es musste jetzt sein. Wenn Yoji es durch einen Zufall herausbekam ... Oh daran wollte er gar nicht denken. Ran hörte Schritte, dann wurde die Tür geöffnet und seine Anspannung kehrte zurück. „Tammy“, murmelte Ran und sah über ihre Schulter, wie Yoji in den Raum kam. Ein Blick genügte, dann war der Detektiv in wenigen Schritten an der Tür, schob seine Freundin grob hinter sich und trat mit ihr vorsichtig ein paar Schritte zurück. Sein Blick huschte zwischen Schuldig und Ran hin und her. Ganz offensichtlich war bereit zu kämpfen. Aus dem Augenwinkel heraus sah Ran, wie Schuldig nach seiner Hand angelte. Ob er wohl genauso nervös war? Ohne den Blick von Yoji zu nehmen, der alles misstrauisch beäugte, griff Ran versichernd nach der Hand, verschränkte ihre Finger und schluckte kräftig, um seiner Stimme die nötige Festigkeit zu geben. „Können wir reinkommen?“ Yoji schien ehrlich erschüttert. Fast so als hätte Ran ihn gefragt, ob er ihm die Hand abschneiden dürfte. „Er wird sich benehmen“, schob Ran nach und nun war es an Tammy, die Stimme zu erheben. Sie drängte sich hinter Yoji vor, unterband jeden Protest mit einem Blick und nickte. „Kommt rein. Wir haben gerade Tee aufgesetzt.“ Dankbar lächelte Ran und trat ein. Schuldig nur einen halben Schritt hinter ihm. Zusammen setzten sie sich auf die Couch und erst jetzt ließ Ran die warme Hand wieder los. Yoji stellte sich ihnen gegenüber, lehnte sich an den Schreibtisch und musterte den Deutschen eindringlich, während Tammy Tee auftrug. „Was hast du Hirnverdreher mit Ran gemacht?“, zischte er. Tammy schlug ihn an den Arm und mahnte ihn mit einem Blick. Der Blonde schnappte nach Luft, deutete fragend auf sich und dann beschuldigend auf den Deutschen. Diese Geste war wohl eindeutig. „Er ist der Verrückte“, schob er nach und erntete ein Schnauben. „Ich bin nicht verrückt. Ich bin talentiert“, konterte Schuldig, hob sein Kinn und begann zu grinsen, als Ran ihm den Ellenbogen in die Rippen stieß. Nun war es an Schuldig, Yojis Geste zu spiegeln. „Er provoziert mich.“, beschwerte er sich und Ran schüttelte den Kopf, erinnerte ihn so an sein Versprechen, umgänglich zu sein, wenn sie auf Yoji trafen, das er ihm am Morgen noch abgerungen hatte. „Ihn verteidigst du also?“, knurrte der Deutsche, verschränkte beleidigt die Arme und sah in eine andere Richtung. Ran schluckte. So sollte das nicht laufen. Er wollte die ganze Sache bereinigen und nicht noch weiter verkomplizieren. Sanft legte er eine Hand auf Schuldigs Oberarm und war froh, dass sie nicht grob abgeschüttelt wurde. Der Deutsche atmete ein paar mal tief durch, das konnte Ran sehen, dann sah Schuldig nachdenklich auf die Hand auf seinem Arm und blickte anschließend Ran an. Noch einmal atmete er seinen Frust weg, ehe er sich an Yoji richtete. Rans Hand blieb, wo sie war. „Ich habe nichts mit Ran gemacht und habe ihn nicht beeinflusst, wenn es das ist, was du wissen willst.“ „Was dann?“, wollte Yoji wissen und jetzt wurde auch Ran aufmerksam. Wie war das mit ihnen? Sollte ihr Treffen ein Zufall gewesen sein? Doch bereits beim ersten Date hätte Schuldig ihn doch erkennen müssen. Warum hatte er da nicht reagiert? Warum hatte er ihn dann weiter zu sich bestellt. Und warum hatte er bis jetzt nicht mehr daran gedacht? „Ich habe dir versprochen, dass ich nicht in deinen Kopf gucke, wenn es nicht nötig ist, aber wenn du weiter so heftig nachdenkst, drängt es sich mir zwangsläufig auf“, murmelte es neben Ran und er sah in blaue Augen, die ihn belehrend ansahen. „Es war kein Zufall“, gestand Schuldig, hielt seinen Blick mit Rans verschränkt. Wollte er etwa seine Reaktion beobachten? „Am Anfang schon. Ich wusste nicht, wer sich hinter ‚Aya‘ verbarg, auch wenn ich bereits da eine irrwitzige Vermutung hatte. Als er ... als du dann in das Hotel kamst, musste ich meinen Plan umwerfen. Das Ding mit der Augenbinde war nur eine Kurzschlussreaktion. Sonst wäre einer von uns in dieser Nacht gestorben. Das weißt du.“ Ran schluckte hart und nickte. Schuldig hatte recht. Er hätte ihn angegriffen und auf diesem beengten Raum, wäre einer von ihnen zu Tode kommen. Vermutlich sogar er selbst, da er völlig unbewaffnet war. „Aber du hast ... Wir haben ...“ Schuldigs Nicken unterbrach ihn. „Das kann ich dir nicht erklären. An diesem Abend wollte ich mich eigentlich einfach mit jemandem zusammensetzen und über was anderes als den Job sprechen. Ich wollte nur Abstand von der Arbeit.“ Ein sanftes Lächeln huschte über seine Lippen. „Mit dir und dem was passiert ist, hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Ich war nicht auf dich vorbereitet gewesen“, raunte er ganz leise, dass Ran glaubte, nur er könne es hören. „Was hast du denn für nen Job? Du ziehst doch sicher mit Schwarz weiterhin Leute über den Tisch oder spielst den Wachhund für einen reichen Kriminellen“, kam es unterkühlt von Yoji und Ran sah seinen Freund an. Den hatte er gerade ganz vergessen. Wie peinlich! „Schwarz gibt es nicht mehr, falls es dir entgangen sein sollte. Ich bin mittlerweile Unternehmensberater.“ Yoji brach in heftiges Lachen aus und auch Ran blickte ungläubig auf den Deutschen. „Du wirst es kaum für möglich halten, aber auch ich brauche einen Job, um meine Rechnungen zu bezahlen. Und nach dem Schwarz nicht mehr ist, helfe ich jetzt Firmen, ihre Konkurrenz aufzukaufen, Diebstähle am Arbeitsplatz aufzuklären und Vorstände zu säubern.“ Tammy mahnte Yoji, doch der musste sich bereits auf den Knien aufstützen und hatte keine Chance mehr gegen das Lachen anzukommen. Verzeihend sah die junge Frau auf die beiden Männer auf ihrer Couch. Schuldig schnaufte, legte seine Hand auf Rans und küsste seine Wange. Das erregte Yojis Aufmerksamkeit. „Mir wird die Luft hier zu dick. Mach dir eine schöne Zeit. Sehen wir uns zuhause?“, flüsterte der Deutsche und Ran neigte seinen Kopf, um ihn ansehen zu können. „Ich komme zu dir?“, wollte er wissen und Schuldig nickte. „Gern, dann bestell ich Pizza.“ Das so typische Grinsen des Deutschen zeigte sich, ehe er sich einen Kuss von Rans Lippen stahl, über die Hand unter seiner strich und aufstand. Schweigend, die Hände in den Hosentaschen ging er um die Couch und hielt kurz vor der Tür inne, drehte sich zurück und legte seinen finstersten Blick auf. „Ein Kratzer, ein blauer Fleck oder ein einziges gekrümmtes Haar, Balinese und ich bring dich um!“ Diese Drohung wurde so ruhig, so dunkel ausgesprochen, dass keiner der Anwesenden an ihrer Ernsthaftigkeit zweifelte, als Schuldig das Büro verließ. Fast eine viertel Stunde verging, bis wieder Leben in Yoji kam. Womöglich wollte er sicher sein, dass der Telepath nicht mehr in der Nähe war. „Bist du bescheuert? Er? Ein Schwarz? Schuldig? Ernsthaft?“, platzte es aus Yoji, ehe er die Hände über den Kopf schlug und begann vor seinem Schreibtisch auf und abzulaufen. „Ran! Bitte! Es gibt so viele Männer auf der Welt. Bitte! Such dir irgendeinen anderen. Jeden nur nicht ihn!“ Mit einer großen Geste deutete Yoji auf die Tür. Rans Blick wurde kühl. Jetzt war es wohl an ihm, Stellung zu beziehen. Aber deswegen war er ja hier, oder? „Ich will aber keinen anderen“, meinte er und stand auf. „Du erinnerst dich aber, was er getan hat? Er hat dich Krankheiten ausgesetzt, hat dich mit einer Droge betäubt, die willenlos macht. Mensch! Dir hätte sonst was passieren können.“ Ran nickte. Diese Momente hatten sich in sein Gedächtnis gebrannt. „Ich erinnere mich. Aber er hat mich auch vor deiner Tür abgesetzt und hat mir nie Gewalt angetan.“ Er seufzte und sah seinen Freund ernst an. Er konnte ihn ja verstehen, aber ... „Das mit uns musst du nicht verstehen, Yoji. Aber du musst es akzeptieren. Keiner von uns weiß, wie lange das gut geht und ob wir uns nicht schon in einer Woche an die Kehle gehen. Aber jetzt. Heute. In diesem Moment, in dem ich hier vor dir stehe, fühlt es sich richtig an.“ Gott! So viele Worte! Und es mussten noch mehr gesagt werden, das wusste Ran. Er musste seinem Freund etwas Sicherheit geben und ihm gleichzeitig klar machen, dass es an dieser Entscheidung nichts zu rütteln gab. „Jetzt weiß ich, was du an Tammy hast und was sie für dich ist. Du bist mein bester Freund, Yoji und ich weiß, wie schwer es dir fällt, mich jetzt gehen zu lassen, wenn du weißt, dass ich zu Schuldig gehe. Gerne schreibe ich dir auch pausenlos irgendwelche Nachrichten oder mache Selfis mit der Tageszeitung, wenn du das brauchst, um zu wissen, dass es mir mit ihm gut geht.“ Yoji senkte den Blick und schüttelte nach einigen Augenblicken den Kopf. „Ich fasse es nicht. Da ist der Schwarz wohl doch auch nur ein Mensch“, murmelte er und sah erst zu seiner Freundin, dann wieder zu Ran. „Pass bloß auf dich auf! Okay?“ Ein Nicken. „Wir wollten übermorgen bei mir kochen. Warum kommt ihr beide nicht dazu und wir versuchen es noch einmal?“, warf Tammy ein und Yoji küsste sie dankbar auf die Schläfe. Wahrscheinlich hätte er dieses Angebot gern gemacht, es aber nie herausbekommen. „Ich frage ihn.“ Damit gab Tammy sich zufrieden und Ran verabschiedete sich, verließ die beiden und machte sich auf den Weg zu Schuldigs Wohnung. Es dauerte eine gute Stunde, selbst mit Bus und Bahn, ehe er ankam, doch das war gut so. So hatte Schuldig Zeit für sich und auch Ran konnte das geschehene Sacken lassen. Ihr erstes Aufeinandertreffen war also ein Zufall gewesen. Aber die Küsse waren so sanft, so liebevoll. Ging man so mit einem Feind um? In der Wohnung angekommen, rief er vorsorglich nach Schuldig, wollte den Telepathen, der es gewohnt war, allein zu wohnen, nicht erschrecken und damit vielleicht einen Angriff auf sich auslösen. Eine Antwort erhielt er jedoch nicht, also rief er lauter und erinnerte sich dann, dass Schuldig am Morgen, wie auch gestern, Kopfhörer aufhatte. Vielleicht hörte er ihn einfach nicht. Ran trat die Schuhe aus und drückte die Tür in ihr Schloss. Dann warf er einen Blick tiefer in das Loft. Weder im Wohnraum, noch im Schlafbereich war etwas zu sehen. Ein schneller Blick um die Ecke, aber auch die Küche war leer. Blieb nur noch das Bad. Er klopfte höflich und machte die Tür einen Spalt weit auf. Gerade weit genug, um den Kopf hineinzustecken. Schuldig lag in der freistehenden Wanne, die Arme hingen über den Rand, der Kopf lag entspannt zurück und Musik drang bis zu Ran. Der Schaum knisterte leise und bildete eine weiße Decke über dem Wasser. Ran schnaufte verhalten und trat ein, stellte sich hinter Schuldig und sah auf ihn herab. Die Wohnungstür war offen und er schlief hier in der Wanne mit Musik auf den Ohren? Entweder war Schuldig sehr leichtsinnig oder aber echt von sich überzeugt. Spontan würde er auf Zweiteres tippen. Er griff nach den Kopfhörern und zog sie dem Deutsch vom Kopf. Dieser verzog das Gesicht und Ran beugte sich zu ihm, küsste ihn verzeihend. „Nicht dass du mir noch absäufst“, flüsterte er und sah in blitzendes Blau. Oha! Da freute sich aber jemand, ihn zusehen. „Komm zu mir“, schnurrte Schuldig, griff nach Rans Hinterkopf und küsste ihn gieriger. Der Japaner löste sich und neigte gespielt den Kopf. „Was bekomme ich dafür?“, fragte er und Schuldig strich ihm zärtlich über die Wange. „Was immer du willst.“ Heiße und kalte Schauer gingen durch seinen Rücken und er richtete sich auf, legte die Kopfhörer auf die Bank, die frische Kleidung und ein Handtuch für Schuldig bereit hielt, und zog sich aus. Vorsichtig stieg er zu dem Deutschen in die große Wanne, hoffte, dass er nicht zu viel Wasser verdrängte und es am Ende vielleicht noch überschwappte. Der Überlauf gurgelte hilflos, das Wasser blieb aber, wo es hingehörte. Schuldigs Blick lockte ihn zu sich und Ran folgte, legte sich auf den Mann und lehnte seinen Kopf an seine Schulter. Das warme Wasser, der dezente Geruch von Kaugummi und die sichere Umarmung ließen Ran entspannen. „Ich habe mich weiter mit dir getroffen, weil du mir gutgetan hast. Außerdem passen wir doch ganz gut zusammen“, begann Schuldig flüsternd, küsste seine Haare und strich den Schaum auf seiner Haut breit. „Beim zweiten Treffen habe ich es, glaube ich, etwas darauf angelegt. Würdest du mich erkennen, trotz Erkältung?“ „Du warst also wirklich erkältet?“ Ein Lachen erhellte den Raum. „Und wie. Ich dachte, es geht mit mir zu Ende. So erkältet war ich seit Jahren nicht mehr.“ „Und die ganzen Extras?“ Ran war grüblerisch, dachte an die Nacht im Hotel, die ihm als Entschuldigung spendiert wurde, an das Frühstück und das reichliche Trinkgeld. „Ich wollte dich nicht um den Finger wickeln. Also ja schon. Aber nie mit so etwas. Ich weiß, dass du dich nicht bestechen lässt. Das Hotelzimmer war wirklich bezahlt und es wäre schade gewesen, es verkommen zu lassen. Alles andere war mehr, um dir etwas Gutes zu tun“, erklärte er und zog Ran ein wenig enger an sich. „Nach unserer ersten Nacht bin ich neben dir wach geworden und hab mich ehrlich erschreckt. Zwar ist es mir erst in der Dusche richtig bewusst geworden. Denn ich bin morgens echt spät dran mit klaren Gedanken, aber dann bin ich überstürzt aus dem Zimmer und konnte erst in der Lobby wieder klar denken. Bestimmt ist eine Stunde vergangen, in der ich in dieser Lobby saß und überlegt habe, was ich jetzt mache. Sollte ich einfach abhauen und dir das Geld irgendwie zukommen lassen oder sollte ich mich dir stellen? Aber dann wären wir sicher wieder dabei gewesen, dass es einer von uns nicht überlebt hätte. Also dachte ich mir, ich besänftige dich mit Frühstück und kann dir so auch den Scheck zukommen lassen. Was mich dazu getrieben hat, dir einen Pin zuzustecken ... Ich hab keine Ahnung. Ich wusste nur, dass ich das wieder haben wollte.“ „Den Sex?“, murmelte Ran und spürte, wie etwas saures seine Kehle hochkroch. „Nein. Ja auch aber ich wollte in erster Linie dich. Du bist so anders als die paar Male, die wir uns früher begegnet sind und ich wollte genau diesen Mann wieder sehen. Je öfter ich dich getroffen habe, je länger wir zusammen waren, desto mehr wurde mir klar, dass wir gar nicht so verschieden sind. Du bist in deinem Innersten gar nicht der rachsüchtige, verbitterte Kerl, der über Leichen gegangen wäre, um seine Schwester wieder zu sich zu holen, das ist wohl nur deine Schale, und ich bin kein ... Ok! Doch, ich bin ein manipulativer Mistsack und habe auch noch Spaß daran. Stimmt schon. Aber auch ich habe meine guten Seiten ... Irgendwo.“ Schuldig wurde immer leiser und setzte einen Kuss auf Rans Haare. „Hättest du es mir je gesagt, wenn es nicht so rausgekommen wäre?“ Die Umarmung wurde inniger und für Ran war es Antwort genug. Schuldig wusste es selbst nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)