after Weiß von KarliHempel ================================================================================ Kapitel 18: Akt XVIII --------------------- Nachdem er seine ganze Wohnung geputzt hatte, musste Ran erneut duschen, denn wer ging schon zu einem Date, ohne sich zu duschen? Äußerlich ruhig wartete er in der Lobby und holte sich, wie so oft schon, seine Schlüsselkarte. Einmal mehr wunderte es ihn, dass die Bedienung ihn weder nach seinem Namen noch nach irgendetwas anderem fragten. Vielleicht wollte er auch gar nicht wissen, warum es so war. Wer wusste schon, was in den Köpfen der Leute vorging? Kurz zuckte sein Mundwinkel. Wie kam er denn jetzt auf Schwarz? Ganz offensichtlich hatte der Morgen ihn etliche Hirnzellen gekostet, dass er jetzt an diese Bande dachte. Vor dem Zimmer besann er sich, was er heute zu tun hatte. Er musste dem Fremden sagen, dass er für ihn nicht nur ein Auftrag war, dass da mehr war, als der Wunsch Geld zu verdienen. Es musste sein. Mit allen Konsequenzen. Noch einmal atmete er durch und trat in das Zimmer ein. Wie immer war das Zimmer nur spärlich beleuchtet und sofort fühlte Ran sich wohl. Leise, klassische Musik spielte, war mehr ein unterschwelliges Geräusch, als echte Musik. Er schloss vertrauensvoll die Augen, als er das Geräusch von nackten Füßen auf dem Teppich hörte. Das gewohnte Tuch wurde ihm über die Augen gelegt, gleichzeitig wurde sein Kopf nach hinten gezogen. Ran spürte den warmen Körper an sich und entspannte sich immer weiter. Eine Nase strich durch sein Haar und der kühle Luftzug verriet, dass Mister X tief einatmete. Dann ein entspanntes, fast schon sehnsüchtiges Seufzen. Hatte er ihn etwa ähnlich schmerzlich vermisst? Rans Überzeugung schwankte und kippte über die Klippe. Er würde ihm nichts einfach vor den Latz knallen. Nicht diesem Mann. Mit geschlossenen Augen griff er nach den großen Händen. Ob der Mann ihm auch vertraute? Einen Versuch war es Ran wert. Ganz vorsichtig lockerte er den Zug der Hände und stellte sich wieder aufrecht hin. Der Mann ließ ihn gewähren, aber noch hatte er ja auch das Tuch vor Augen. Ganz langsam drehte Ran sich um. Er konnte nicht widerstehen. Seine Hände tasteten nach den Seiten des Fremden und wanderten auf seinen Rücken. Nun hieß es für Ran alles oder nichts. Sanft schmiegte er sich an den Mann, umarmte ihn von sich aus und lehnte seinen Kopf an die Schulter, hörte den schnellen Herzschlag in der Brust. Nun hatte er sich offenbart und konnte nur noch hoffen, nicht weggestoßen zu werden. Starke Arme legten sich verspätet um seine Schultern. Damit hatte der Mann ganz offensichtlich nicht gerechnet. Doch nun zog er ihn fest an sich, legte seine Nase wieder in Rans Haare und schien ihn in sich vergraben zu wollen. Zufrieden seufzte Ran. Der stetige Druck auf seine Lungen machten ihm das Atmen schwer, jedoch war das etwas, dass er gern hinnahm. Er roch den Mann, die leichte Note Kaugummi, spürte die Wärme und den offenen Wunsch, ihm nahe sein zu wollen. Gott! Das hier war so gut. Fast perfekt. In seinem Kopf flüsterte eine Stimme nach Vergebung. Er war ein Mörder, ein schlechter Mensch. Hatte er diese Nähe überhaupt verdient? Die letzten Jahre hatte er sie sich versagt. Wichtig war nur die nächste Mission. Und stand er hier und wollte nichts mehr, als diesem Mann sagen, was er war und hoffen, dass er einen Blick bekam, wie Tammy sie Yoji schenkte. Er wurde noch enger an den starken Körper gezogen und der jahrelang angestaute Schmerz wollte sich nur zu gern lösen. Nein! Das durfte nicht sein. Das hier war keiner seiner Träume, in denen er jetzt die Augen öffnen, den Mann seiner Träume sehen und ihm gestehen würde, was er die letzten Jahre getan hatte, nur um dann in den Arm genommen zu werden. Er würde keine Vergebung von ihm erfahren. So sehr Ran es sich auch wünschte, würde dieser Fremde ihm nicht helfen können, seine blutbeschmierten Hände wieder reinzuwaschen. Eine große Hand wanderte in seine Haare, zogen seinen Kopf vorsichtig, doch bestimmt nach hinten. Kurz darauf legten sich weiche Lippen auf seine. Sie Küsten sich, ganz ohne Augenbinde. Ob der Mann wohl dabei seine Augen schloss? Oder beobachtete er ihn? Hatte er neben dieser Augenbinde und dem Schnüffeln noch einen anderen Fetisch? E war egal. Er wollte es gar nicht wissen. Ohnehin würde er die Augen jetzt nicht öffnen. Zu sehr genoss er das Spiel ihrer Zungen, das Gefühl bedingungsloser Zärtlichkeit. Seine eigenen Hände wanderten unter die Jacke des Fremden und unter dessen Hemd. Oh das mochte er. Hemden, bei denen er einen Knopf nach dem anderen öffnen und immer wieder neu entdecken konnte, was sich darunter befand. Sollte der andere doch ruhig spüren, was Ran wollte. Das hier war schon lange kein normales Treffen mehr. Selbst, wenn der Mann Sex wollte, war Ran sich sicher, dass es sich bei seinen Vorgängern nicht so ereignet hatte. Scheinbar war mit ihm alles anders. Diese Augenbinde und das angenehme Schweigen hatte es vorher nicht gegeben. Ein Teil in ihm hoffte, dass es auch die Leidenschaft so vorher nicht gegeben hatte. Eine Hand löste sich von ihm, ehe er mit dem Fremden mitgezogen wurde. Ein Lichtschalter wurde betätigt, das konnte Ran am Geräusch erkennen. Dann ging alles ganz schnell. Eine ungestüme Leidenschaft erfasste sie und sie rissen sich regelrecht die Kleider vom Leib. Er war aufgeregt. Das hier fühlte sich so richtig, so echt an, dass er an der Realität zweifeln wollte. Auf einmal konnte er der Mann sein, der er schon immer war. Da waren keine Grenzen mehr zwischen ihnen. Nicht mal eine Augenbinde. Hier, zwischen ihnen war so viel Vertrauen. Schnaufend drängte er sich an den anderen, wollte austesten, wie weit dieser mit gehen würde. Eigentlich ein kindischer Gedanke, aber Ran wollte beweisen, dass er auch eine gewisse Dominanz mitbrachte. Der Mann führte ihn zum Bett und löste sich von ihm. Ran spürte, wie er sich einen Schritt entfernte, dann wieder auf ihn zu kam und ihn erneut küsste. Dann trennte er sich wieder und schnaufte unwillig, ehe er seine Hände in Rans Nacken legte und ihn wieder gierig küsste. So fanden sie ungelenk den Weg aufs Bett und er stützte sich über dem Fremden ab. Ihre Beine waren verschränkt und für einen Moment zögerte er. Sollte er sich seinem Kunden wirklich aufdrängen? Plötzlich bewegte sich der andere Körper, schien etwas greifen zu wollen, das ein Stück weiter lag, als die Arme lang waren und Ran schmunzelte. Zu gern hätte er den Mann mit einem Spruch geneckt. Hätte er, wenn dieser Mann sein Partner war. Innerlich seufzte Ran. Da war er wieder, der schale Geschmack der Lieblosigkeit. So viel Spaß sie hier auch zu zweit hatten. Sie waren keine Partner, keine Liebenden. Der Mann hielt inne, schien ihn einen Moment lang zu beobachten und das war etwas, dass Ran unendlich peinlich war. Sicher konnte man ihm seinen Gedanken ansehen und er lehnte seine Stirn auf die breite Brust. Mister X durfte sein Gesicht jetzt nicht sehen. Die Lust war mit einem Schlag dahin. Ganz vorsichtig fuhren Finger durch seine Haare, streichelten beruhigend seinen Nacken. Verdammt! Jetzt hatte er dem Mann sicher den Abend ruiniert. An seinem Nacken wurde gezogen und sein Gesicht wurde an den gut duftenden Hals des Fremden gebettet, ehe sich der zweite Arm um Ran legte und ihn umarmte. Kraftlos ließ Ran sich sinken. Es war eh schon offensichtlich. Rans Erregung war vollkommen abgeklungen und er schämte sich. „Entschuldige“, nuschelte er, hörte selbst, wie brüchig seine Stimme klang. Klasse! Fehlte nur noch, dass er anfing zu heulen, während er auf seinem Kunden lag. Shit. Das hier war gründlich daneben gegangen. Um so dankbarer war er, als der Mann den Kopf schüttelte, seinen Schopf küsste und langsam über seinen Rücken strich. Was sollte er jetzt sagen? Sollte er überhaupt etwas sagen? Dabei war die Stille gerade so schön. Er legte seinen Kopf bequemer auf der Schulter ab, spürte noch immer die Lippen, die nun von seinem Haar auf seine Stirn gerutscht waren und wagte es, die Augen zu öffnen. Er sah nur einen Teil der trainierten Brust und die andere Schulter. Alles war beinahe nur zu erahnen und Ran schloss mit einem Lächeln die Augen. Sollte der Mann doch seine Geheimnisse haben. Ihm war es egal. Jetzt, in diesem Moment, wollte er nur hier liegen und gehalten werden, bis seine trüben Gedanken wieder von ihm wichen. Die streichelnde Hand und die kleinen Küsse auf seiner Stirn halfen ihm dabei und bald schob Ran seinen Kopf hoch, tauschte seine Stirn gegen seine Lippen. Sie versanken in einen immer leidenschaftlicher werdenderen Kuss. Starke Arme legten sich um ihn und der Mann drehte sich auf ihn. Ok. Er wollte offenbar den dominanten Part innehaben, obwohl Ran sich sehr sicher war, dass er ihn vor wenigen Minuten hätte gewähren lassen. Neugierige Hände strichen über ihn, ehe er auf den Bauch gedreht wurde. Massierend fuhr der Fremde immer wieder über seinen Rücken, setzte sanfte Küsse auf seine Haut, bis Ran nicht mehr an sich halten konnte. Gerade, als die Hände wieder an seinem Rücken hoch glitten, bäumte er sich auf, drängte seinen Rücken an den flachen Bauch. Ein lustvolles Knurren entkam dem Mann, der eine Hand über seine Seite streichen ließ. Mit sanften Küssen und geschickten Fingern wurde er vorbereitet, bis er stöhnend die Stirn ins Kissen drängte. Sein Herz raste vor Aufregung und Vorfreude. Die trüben Minuten waren schon fast aus seinem Gedächtnis verschwunden. Jetzt und hier wollte er es nur noch genießen, sich hingeben und vergessen, dass das hier sein Job und der Mann hinter ihm sein Kunde war. Im nächsten Moment spürte er, wie er vereinnahmt wurde. Ein Stöhnen fiel über seine Lippen und er wand sich genüsslich, je tiefer er ihn in sich spürte. Er spürte ihn so deutlich. So … Ran stockte und riss die Augen auf, starrte auf die Matratze. Er spürte ihn pur, kein Kondom zwischen ihnen. Panik trieb durch seinen Körper. Er wollte sich aus der Situation herauswinden, doch diese großen Hände legten sich auf seine Hände und verschränkte ihre Finger. Ran spürte einen beruhigenden Kuss in seinem Nacken, reagierte jedoch nicht darauf. Wie sollte er sich denn bitte beruhigen? Er wurde genommen. Von einem Fremden. Ohne irgendeinen Schutz. Ein Teil in ihm redete gebetsmühlenartig auf ihn ein, dass alle Kunden genauestens geprüft wurden, doch ein anderer, immer größer werdender Teil, hatte Angst. So große Angst, dass es ihm sogar die Sprache verschlug. Am Liebsten hätte er geflucht, geschrienen und geschimpft, doch nichts davon verließ seine Kehle. Die warmen Lippen, die sich federleicht auf seinen Schultergürtel setzten, konnten daran auch nichts ändern. Ihm kamen die Tränen. So durfte das nicht sein! „Schhhhhh“, raunte es in seinem Ohr und er stockte. Diese angestrengte, erregte Stimme hatte etwas unglaublich Beruhigendes. Sein Körper begann sich zu entspannen. Er begann ruhiger zu werden. Dieses leise Zischen hatte ihn tatsächlich aus seiner Panik geholt. Noch ehe er ernsthaft anfangen konnte nach einem Grund dafür zu suchen, begannen die Bewegungen und Rans Denken schaltete sich ab. Nie hatte er etwas so Intensives erlebt. Er hatte all seine Hemmungen verloren. Nie zuvor hatte er sich so gehen lassen. Träge öffnete Ran über diesen Gedanken die Augen. Das rötliche Licht des neuen Tages blendete ihn und er vergrub sein Gesicht murrend in dem Kissen. Tief inhalierte er den Geruch, der ihm so seltsam vertraut vorkam. Sofort ruckte sein Kopf in die Höhe. Er hatte das fehlende Kondom vollkommen vergessen. Doch nun tropfte dieser Gedanken wie glühendes Metall in seinen Kopf. Eilig erhob er sich und ging mit wackligen Beine zu der Tür, hinter der er das Bad vermutete. Mit einem hastigen Blick hatte er erkannt, dass die Suite verwaist war. Er schenkte der teuren Keramik nur flüchtige Blicke und stieg unter die Dusche, um sich gründlich zu waschen. Wütend über sich selbst, fragte er sich immer wieder, wie er nur so dumm und leichtsinnig hatte sein können. Es dauerte, bis seine Haut vom heißen Wasser bereits ganz rot war, ehe er die Dusche ausschaltete und zurück ins Zimmer ging. Hektisch zog er sich an und verließ das ihm so vertraute Zimmer. Innerlich um Ruhe ringend, ging er zur Rezeption, an dem er die Karte gegen einen Umschlag tauschte. Noch auf dem Weg aus dem Gebäude war er einen Blick hinein. Doch diesmal war da keine Karte. Nur ein eindeutig fieberhaft ausgefüllter Scheck. Das machte das Ganze nur noch realistischer. Ran war entsetzt. Sein Verstand wusste nur einen Ort, an den er jetzt gehen konnte und eine gefühlte Ewigkeit später hörte er sich selbst an die Tür des Büros hämmern. „Yoji!“, rief er und wusste nur zu gut, wie verzweifelt er klang. Am liebsten hätte er den panischen Tränen Raum gegeben, die in ihm hochkrochen, doch er wollte nicht vor dem Büro des Detektivs zusammenbrechen. Das konnte er sich für Zuhause aufheben. Hinter der Tür hörte er Gepolter, dann wurde die Tür aufgerissen und Yoji starrte ihn mit weiten Augen an. Ran musterte ihn schnell. Die Haare zerwühlt, die Hose zwar an, aber nicht geschlossen, der Atem hektisch. „Verdammt“, murmelte Ran, als er begriff, wo er gerade reingeplatzt war. Doch ebenso erkannte er das Verstehen in Yojis Blick. „Gib mir nur eine Minute. Ok? Bleib hier und gib mir nur eine einzige Minute“, sagte er und hob vorsichtig die Hände, als könnte er ein Reh verschrecken. Sah er wirklich so furchtbar aus? Die Tür wurde nicht einmal ganz angelehnt, und Ran hörte Stimmen, die ihm die Hitze in die Wangen trieb. Das wollte er nicht. Er wollte diese Stimmen nicht hören, wollte sich nicht an diese Nacht erinnern, an dieses ungewohnte Gefühl. Wie hatte er das nur zulassen können? Wie? Ran wollte sein brennendes Gesicht in seinen Händen vergraben, doch er war starr. Ein Teil in ihm sah die Situation ganz nüchtern. Er hatte Mist gemacht und nun musste er damit klar kommen. Es war der Teil, der ohne Zögern töten konnte. Der Teil, den er in den letzten Wochen sträflich vernachlässigt hatte. Der andere Teil in ihm schrie nach Zuwendung, nach Verständnis und murmelte etwas von bitterer Enttäuschung. Ja, Ran war enttäuscht. Von dem Mann und von sich. Er hätte es stoppen müssen, als er es bemerkt hatte. Er hätte ihn von sich schieben und sich ihm noch willig anbieten sollen. Und er? Dieser Typ hätte ihn warnen können, hätte es auf der professionellen Ebene halten können. Ran stockte. Das war es! Es ist in dieser Nacht persönlich geworden und diese Nähe, riss seine alten Wunden auf. „So. Komm rein“, hörte er Yoji sagen und folgte. Für Tammy hatte er kaum einen Blick übrig. Er wusste, wie unhöflich das war, doch er konnte nicht. Konnte sie nicht ansehen. Was, wenn sie seine Verfehlung erkennen konnte? „Ruf mich an“, raunte sie hinter ihm und dann hörte er die Tür. „Okay. Was ist passiert?“ Yoji platzierte ihn vorsichtig auf dem Sofa. Eine Geste, die Ran sich noch schwächer fühlen ließ und das machte ihn wütend. Leise knurrte er und sah Yoji ernst an. „Ein Glück! Etwas Feuer scheint noch in dir zu stecken“, lächelte der Blonde matt und hockte sich vor ihn. „Und jetzt sagst du mir, was passiert ist. Hat er dir was angetan?“ Ran hörte die ehrliche Sorge deutlich aus der leisen Stimme, doch er konnte weder nicken noch den Kopf schütteln. Hatte man ihm etwas angetan? Eigentlich nicht. „Ich habe einen großen Fehler gemacht, Yoji“, sagte er und war über die Ruhe in seiner Stimme selbst erstaunt. „Einen Fehler?“ Er nickte, war froh, dass sein Gegenüber ein Profi war und jetzt keinen kameradschaftlichen Witz über ihn riss. „Einen großen“, gab er zu verstehen und beobachtete, wie Yojis Miene sich mich Schrecken füllte. „Verdammt! Ran! Bist du irre?“ Leise und voller entsetzen kamen die Worte an sein Ohr, doch er erlaubte sich nicht, den Blick beschämt zu senken. Er musste zu dem stehen, was er getan hatte. „Ich bring dich ins Krankenhaus. Das ...“ Der Detektiv war aufgesprungen. Vorbei war die Professionalität. Jetzt herrschte der entsetzte Freund vor. Und selbst dafür war Ran dankbar. „Er hat mir nichts angetan. Ich ... habe es zugelassen“, meinte er und Yoji erstarrte. „Du hast was?“ Ihre Blicke hielten sich gegenseitig fest. „Hast du den Verstand verloren? Du weißt gar nichts über den Typen und dann machst du so etwas? Du weißt genau, dass du nicht der Erste bist, und hast keine Ahnung, was er sich sonst noch ins Bett holt. Mein Gott, Ran!“ Das reichte! Nun erhob sich der Japaner und stand bedrohlich dicht vor Yoji. Er wollte ihm etwas demonstrieren. Was genau, wusste er selbst nicht, aber er musste es demonstrieren. Da war Abyssinian wieder. Dunkel und drohend schob sich dieser Teil seiner Persönlichkeit hervor. Reiner Schutz, das wusste Ran, doch er konnte es nicht ändern. Auch Yojis Blick änderte sich, als er sich eine Zigarette anzündete und den Kopf fast eine Spur zu arrogant schräg in den Nacken legte. Oh ja! So kannten sie sich. Sie wussten, wer sie waren, was sie waren. Sie kannten ihre Fähigkeiten aus den letzten Jahren und sie wussten beide, dass ein einziger Funke entstehen musste, um das selbst gebaute Pulverfass bersten zu lassen. „Ich mache dir einen Tee“, nuschelte Yoji mit der Zigarette zwischen den Lippen, ehe er sie zwischen die Finger nahm und ungesehen ausdrückte. Nur wenige Millimeter drehte er den Kopf und blies den Rauch aus, dem Blick weiter standhaltend. Er schien auf irgendeine Entscheidung zu warten, doch schließlich wandte er den Blick ab und ging zu der kleinen Küche. Ran blieb stehen und sah seinem Freund nach. Eigentlich war er ihm dankbar. Kaum ein anderer hätte ihm standgehalten und es gewagt sein Temperament zu heizen. „Du musst trotzdem untersucht werden“, hörte er eine Erklärung und war geneigt, milde zu reagieren. Er knurrte nur und senkte das Kinn, als der Blonde mit zwei Tassen Tee zurückkam und sie auf den kleinen Tisch vor der verwühlten Couch stellte. Dann ging Yoji in das angrenzende Bad und kam nach einigen Momenten mit einer ganzen Handvoll medizinischer Dinge wieder. „Ich nehme dir jetzt Blut ab und lasse es Tammy untersuchen. In ihrem Krankenhaus werden auch Obdachlose behandelt. Wir machen das anonym. Sie hat da Erfahrung und hat für mich schon ein bisschen was gedreht“, erklärte Yoji und legte alles auf den kleinen Tisch, ehe er sein Handy zückte und eine kurze Nachricht schrieb. „Los! Arm freimachen!“, bestimmte er dann und Ran schenkte ihm erst noch einen bösen Blick. „Ich bin kein Opfer. Behandel mich ja nicht wie eins!“, verlangte er, ehe er den Mantel auszog, sich setzte und den Ärmel des Pullovers hochschob. Yoji band seinen Arm ab, desinfizierte die Stelle und nahm Ran geübt drei Röhrchen Blut ab, die er jedes mal etwas schüttelte und den Kolben abbrach. Dann drückte er einen Tupfer auf die Stelle und packte die Röhrchen in eine Tüte ein. In dem Moment klopfte es an der Tür. Yoji öffnete und ließ Tammy herein, die sich zu Ran gesellte. Ihr offener Blick und ihre kraftvolle Ausstrahlung ließen ihn einmal mehr ahnen, was Yoji an ihr fand. Keiner der beiden sagte etwas und den Detektiv schien das nicht im Geringsten zu stören. „Du musst das Blut für mich untersuchen.“ „Auf was?“ Ein schneller Blick zu Ran, der diesen nur dunkel erwiderte. „Auf alles, was du finden kannst. Es ist wichtig.“ Ein Lächeln zuckte über den Mundwinkel der Frau und sie Küste Yojis Wange. „Bei dir ist immer alles wichtig“, raunte sie und verstaute die Röhrchen sicher. Dann verließ sie die Männer mit dem Versprechen, sich gleich ranzusetzen. Nun endlich konnte auch Ran sich entspannen und etwas zurücklehnen. Ehrlich gesagt war er Tammy sehr dankbar. Erst hatte sie Yoji eine Kugel aus dem Arm geholt und nun untersuchte sie sein Blut. Beides Gefälligkeiten, die sie durchaus auch ihren Job kosten konnte, das wusste auch Ran. „Soll ich jetzt ‚dieser Mistkerl‘ oder ‚du Vollidiot‘ sagen?“ Darüber musste Ran sogar etwas schmunzeln. „Ich weiß es nicht. Vielleicht einfach beides.“ Yoji ging seinem Willen nach, schimpfte auf Ran und diesen Fremden. Dann tranken sie Tee und Ran kam langsam zur Ruhe. Die nächsten Wochen würden anstrengend genug werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)