after Weiß von KarliHempel ================================================================================ Kapitel 9: Akt IX ----------------- Ran war ein wenig unsicher, als er aus dem Büro seiner Chefin trat. Sie hatte ihm noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig dieser Kunde war und dass er lieber rechtzeitig absagen sollte, wenn er Zweifel hatte. Doch seltsamer weise hatte er das nicht. Er war neugierig geworden. An der Anmeldung traf er auf Jay, der mit ihm in den Fahrstuhl stieg und ihn mit einem amüsierten Seitenblick bedachte, als die Türen sich schlossen. „Sie haben wirklich einen guten Griff getan“, begann er und erhaschte Rans Aufmerksamkeit. „Er mag auf den ersten Blick ein wenig verrückt wirken, aber er ist ein sehr angenehmer Mensch, der, glaube ich, nur etwas Abstand von seinem Job haben möchte. Also sein Sie nicht zu nervös. Er ist ein Mensch wie jeder andere auch.“ „Was waren das denn für Gespräche?“, wollte er wissen und empfing einen mahnenden Blick. Alle Inhalte der Gespräche unterlagen einer Schweigepflicht, das hatte Ran im Arbeitsvertrag unterschrieben. Dennoch reizten ihn Details. „Es waren allgemeine Gespräche. Einmal haben wir kaum geredet. Er hatte wohl etwas zu feiern und wir haben mit kleinen Flaschen Türme gebaut.“ Dabei zeigte Jay einen wenige Zentimeter großen Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger. „Wir waren danach heillos betrunken.“ Ein leises Lachen erhellte den Raum. „Ein anderes Mal haben wir auf der Dachterrasse eines Hotels gesessen und über die Menschheit und die Lichter der Stadt philosophiert.“ Die Tür des Fahrstuhls öffnete sich und beide Männer setzten sich in Bewegung. Ran ließ den Abstand zwischen ihm und Jay immer größer werden. Eine alte Angewohnheit. Niemand sollte eine Verbindung zwischen ihnen herstellen können. Als er das Gebäude verließ, richtete sich sein Blick zum Himmel. Einsame weiße Flocken schwebten lautlos auf die Straße. Eine setzte sich todesmutig auf seine Wange und schmolz sofort. Ran seufzte und folgte den Straßen bis zur letzten Ruhestätte seiner Schwester. Das Grab sah friedlich aus. Letztes Grün und ein Strauß Blumen bedeckten die Erde und Ran ging in die Knie. Er wusste, dass Yoji hin und wieder her kam. Sicher war der Strauß von ihm. Verlegen lächelte Ran und strich mit den Fingerspitzen über den kalten Stein. „Wieder bin ich ohne Blumen da“, entschuldigte er sich und hoffte auf Verständnis. „Das nächste Mal, das verspreche ich dir, bekommst du einen ganz großen Strauß. Mit all deinen Lieblingsblumen darin.“ Dann erzählte er ihr in Gedanken, was in der letzten Zeit alles passiert war. So hatte er es auch immer im Krankenhaus getan. Niemand hörte ihn und doch konnte er sich alles von der Seele sprechen. Dabei konnte er sich noch immer gut vorstellen, wie sie auf die eine oder andere Neuigkeit reagiert hätte. Lange Minuten vergingen und nach einer knappen Stunde erhob Ran sich. Sein Körper war kalt und ein wenig ungelenk, als er aus dem Tor des Friedhofes trat und heimging. Heute Abend würde er mit Mieko in die Oper gehen und morgen hatte er am Nachmittag noch einen Termin mit einer jungen Frau, die unbedingt für einen Film ins Kino wollte. Jedoch nicht allein. Einmal mehr war Ran erstaunt, was für Gründe es gab, sich eine Begleitung zu mieten, und so langsam fielen seine Vorurteile über diesen Beruf von ihm ab. Dann kam der Tag und Ran stand bereits seit einer viertel Stunde in der Lobby des Hotels. Er war aufgeregt. Gestern hatte er von der Agentur eine kleine Karte von seinem Auftraggeber bekommen. Punkt 20 Uhr sollte er sich an der Rezeption die Schlüsselkarte fürs Zimmer geben lassen. Das waren jetzt noch vier Minuten. Ran versuchte, nicht zu sehr aufzufallen, und blätterte in der Zeitung, die auf seinem Schoß lag. Dabei huschte sein Blick immer wieder auf die Uhr über der Rezeption. Gleichzeitig beobachtete er die Menschen in der Lobby. Ob er den Mann bereits jetzt erkennen würde? Innerlich schnaufte er. Wie sollte er ihn erkennen? Er würde wohl kaum ein Schild mit seiner Kundennummer um den Hals tragen. 379. Er musste einer der ersten Kunden gewesen sein. Mittlerweile waren die Kundennummern fünfstellig. Wie kam er jetzt darauf? Er stand auf, als der Sekundenzeiger ihm noch dreißig Sekunden gab und ging zur Rezeption. „Guten Tag. Ich hätte gern die Schlüsselkarte für mein Zimmer.“, begann er und erhaschte damit die Aufmerksamkeit des Hotelangestellten. Der warf einen schnellen Blick auf Ran und in das Buch vor ihm, dann legte er ihm eine goldfarbene Plastekarte auf den Tresen. „Aufzug vier, bitte. Einen schönen Aufenthalt.“ Ran nickte knapp und ging. Er nahm den vierten Aufzug und wählte die oberste Etage. Mit weichen Knien stand er vor der Tür des Hotelzimmers und fragte sich, wann er das letzte Mal so nervös war. Es musste Jahre her sein. Noch ein letztes Mal atmete er tief durch und klopfte an. Als er nach einigen Augenblicken keine Reaktion bekam, klopfte er erneut. Diesmal etwas lauter. Doch auch daraufhin bat ihn niemand herein oder öffnete ihm die Tür. Kurz überlegte Ran, ob er nicht vielleicht doch einfach wieder gehen sollte, verwarf den Gedanken jedoch sofort wieder. Entschlossen zog er die Karte durch das Schloss, drückte er die Klinke herunter und betrat das Zimmer. Auf den ersten Blick war niemand zusehen. „Guten Abend. Wir haben einen Termin“, erklärte er, für sich selbst recht plump, sein Eindringen und lauschte auf eine Antwort, während er weiter eintrat und die Tür sich hinter ihm leise von selbst schloss. Dabei verschaffte er sich einen groben Überblick, sah sich flüchtig um. Er stand offensichtlich im Wohnzimmer. Ein Glastisch mit einer Obstschale und zwei bequem aussehende schwarze Sessel standen vor der großen Fensterfront. Durch eine geöffnete Tür erspähte er die Ecke des Bettes. In dieser Richtung vermutete er auch das Bad. Es war eine teure Suite. Das Interieur wirkte sehr exklusiv. Auf dem kleinen Glastisch vor ihm entdeckte er eine Karte. Auf einer ähnlichen Karte standen die Daten für das heutige Treffen. War er also doch richtig? Warum war dann niemand da? „Nicht erschrecken?“, las er sich irritiert vor. Nur Bruchteile einer Sekunde später verdeckte jemand seine Augen. Ran zog scharf die Luft ein und griff nach dem Tuch. Eine warme Hand legte sich auf seine, hielt ihn sanft, doch bestimmt von dem Versuch ab, sich das weiche Tuch wieder von den Augen zu ziehen. Rans Körper war auf das Äußerste angespannt. Er hatte niemanden kommen hören und versuchte krampfhaft nicht in Panik zu verfallen. Er wollte den Kunden nicht unüberlegt angreifen, doch er würde sich mit allem wehren, was er hatte, wenn dieser Typ komische Dinge mit ihm anstellen wollte. Worauf hatte er sich hier nur eingelassen? Er spürte, wie ein doppelter Knoten in das Tuch gemacht wurde. Seine Hände wurden von seinem Gesicht gezogen und fremde Finger strichen beruhigend über seine Arme. Nur langsam ließ Ran seine Arme sinken. Dabei ballte er die Hände zu festen Fäusten. Sicher traten seine Fingerknöchel bereits weiß unter seiner Haut hervor. Alles in ihm bereitete sich instinktiv auf einen Kampf vor. Er lauschte auf jeden Schritt und auf jeden Atemzug des anderen. Seine Nackenhaare stellten sich auf, als er den fremden Körper an seinem Rücken spürte. Ran war um Ruhe bemüht, doch der heiße Atem in seinem Nacken machten es ihm schwer sich zu konzentrieren. Sanft legten sich Lippen in seinem Nacken, schienen ihn weiter beruhigen zu wollen, während die Finger weiter zart über seine Arme strichen und er musste sich eingestehen, dass er sich fürchtete. Blind, in einem unbekannten Raum einem potenziellen Gegner ausgeliefert, den er nicht richtig einschätzen konnte. Und doch löste diese Unwissenheit ein seltsames Prickeln in ihm aus. Es reizte ihn. Die fremden Hände strichen etwas fester über seine Arme und Ran spürte, wie der Mann um ihn herumging. Die Berührungen brachen dabei nicht ab. Mit den restlichen Sinnen versuchte Ran, sich ein grobes Bild seines Gegenübers zu machen. Die Hände auf seinen Schultern waren groß. Sicher war auch der Mann ein gutes Stück größer, als er selbst. Automatisch hob Ran den Kopf. Diese großen Hände glitten über seinen Hals in seinen Nacken, streichelten ihn. Ein heißer Schauer lief über seine Haut. Er mochte es, wenn er so berührt wurde. So ließ er sich gern in Besitz nehmen, auch wenn er das nicht vielen in seinem Leben erlaubt hatte. Er hatte die Kontrolle. Immer. Er bestimmte das Spiel. Zu jeder Zeit. Normalerweise. Doch heute war das nicht der Fall. Er würde folgen müssen. Ein Gedanke, der ihn mehr und mehr in Spannung geraten ließ. Er fühlte sich ausgeliefert. Gierig legten sich die warmen Lippen auf seine, die er gerade noch beruhigend in seinem Nacken gespürt hatte. Tief atmete er ein. Seine Gedanken an Flucht und Kampf sanken immer tiefer in sein Unterbewusstsein. Die fordernde Zunge strich über seine Lippen, drängte sich hindurch, streichelte seine Zunge und hinterließ einen milden Geschmack von Kaugummi. Die Begierde dieses Kusses jagte ihm heiße Schauer durch den Körper und ließ das Adrenalin in seine Adern schießen. Er griff nach den Handgelenken des Fremden, hielt sich daran fest und schnaufte leise in den Kuss. Es fühlte sich fantastisch an. Ran drängte sich der fremden Zunge entgegen, begann einen energischen Kampf um sein Territorium und drängte den Eindringling zurück, folgte ihr, um weiter zu kämpfen. Die großen Hände glitten über seinen Hals, seine Schultern und seine Brust auf seinen Rücken. Mit Nachdruck wurde er an den warmen Körper gezogen. Mitgerissen von dieser Leidenschaft hob Ran seine Hände, wollte sie in den Nacken und die Haare des anderen Mannes legen, sich daran festhalten, doch der Fremde griff schnell zu und trat einen Schritt zurück. Ran unterdrückte ein Murren und wartete ab. Gleichzeitig war er von den Reflexen des Mannes angenehm überrascht. Ein überlegenes Lächeln huschte über seine Lippen. Der Mann hielt seine Hände noch immer fest. Nach einiger Zeit schluckte er trocken. Hatte er jetzt doch einen entscheidenden Fehler gemacht? Aus irgendeinem Grund, der überhaupt nichts mehr mit seinem Job zu tun hatte, wollte er nicht, dass es nun zu Ende war. Zärtlich wurden seine Handinnenflächen geküsst und anschließend unter den Stoff über dem fremden Bauch geschoben. Ran konnte die warme, weiche Haut spüren, die feste Muskulatur und die feinen Härchen spüren. Was er ertasten konnte, gefiel ihm ausgesprochen gut. Erneut wallte die Leidenschaft in ihm auf, doch er bemühte sich um ein wenig Professionalität. Am Ende bestimmte der Kunde. Und dieser Kunde wollte keine Hände in seinem Nacken. Das würde er sich merken. Sanft strich er über die weiche Haut und musste zugeben, dass es spannend war einen fremden Körper zu erkunden, wenn man nichts sehen konnte. Die fremden Hände ließen von seinen ab und wanderten über seine Arme zu seiner Brust, öffneten den Mantel und schoben ihn von seinen Schultern. Ein seltsames Gefühl breitete sich in ihm aus, als er darüber nachdachte, dass er nun von einem völlig Fremden entkleidet wurde. Dieser Gedanke wurde durch warme, gierige Lippen verdrängt. Er ließ sich in den Kuss fallen und seine Arme aus dem Mantel glitten. Augenblicklich griff er wieder nach diesem warmen Bauch, wollte den gut trainierten Körper weiter unter seinen Fingerspitzen erfahren. So plötzlich, wie der Kuss kam, endete er und Ran hörte das Geräusch von Kleidung, spürte, wie die Bauchmuskeln sich geschmeidig bewegten. Der Fremde zog sich aus. Heiß kroch die Gänsehaut über Rans Rücken. Er spürte flinke Finger unter seinem Shirt und seufzte angetan. Dieses Spiel aus Sanftheit und Begierde gefiel ihm. Willig ließ er sich das Shirt über den Kopf schieben und wurde mit einem weiteren gierigen Kuss belohnt. Ran unterdrückte den Impuls erneut nach dem fremden Nacken zu greifen. Er wollte mehr. Er griff nach der Hüfte des fremden Mannes und fuhr über die Haut über dem Hosenbund. Warme Arme umfingen seine Schultern, zogen ihn fest an den starken Körper. Der Kuss wurde leidenschaftlicher. Dieser Mann war ganz nach seinem Geschmack. Groß, dominant und kräftemäßig auf Augenhöhe. Wären sie nicht wegen eines Geschäftes hier, würden sie vermutlich um ihre Positionen kämpfen müssen. Ein Lächeln huschte über Rans Lippen bei diesem Gedanken. Doch sie waren nicht ebenbürtig. Dieser Fremde war sein Kunde und er würde die Position einnehmen, die von seinem Kunden bestimmt wurde. Für einen Moment hoffte er auf die Frage nach seinen Vorlieben und verwarf den Gedanken gleich wieder. Wenn er an die Karten dachte, befürchtete er, dass dieser Mann stumm war und ihm eine solche Frage nicht stellen konnte. Die fremden Lippen trennten sich und der warme Körper folgte. Ran unterdrückte es enttäuscht zu seufzen. Finger glitten über seine Arme und eine Hand legte sich in seine. Er erschauderte. Diese Geste hatte etwas Vertrautes. Etwas Intimes. Händchenhalten war eigentlich nicht seine Art, aber das hier fühlte sich gut an. Er folgte dem leichten Zug an seiner Hand und ließ sich durch die Suite führen. Ein Teil in ihm konnte kaum glauben, wie schnell sie zur Sache kamen. Gleichzeitig war da diese Gelassenheit. Anders konnte Ran es nicht beschreiben. Es war ganz und gar einvernehmlich und allmählich verstand er die Aussagen von Jay. Dieser Mann wusste sehr genau, was er wann wollte und doch zwang er seinen Willen nicht auf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)