after Weiß von KarliHempel ================================================================================ Kapitel 2: Akt II ----------------- Der Wecker kreischte in seinen Ohren und wurde mit einer kraftvollen Handbewegung vom Nachtschrank gewischt. Seine Ruhestätte fand er am Fußende des Bettes auf dem Holzboden, auf dem er zerschellte. Träge schob sich Aya auf die Arme und hob seinen Körper etwas von der Matratze. Er schnaufte, als er sich an die Bettkante setze und die Beine aus dem Bett schwang. Missmutig musste er sich eingestehen, dass Yoji Recht hatte. Nichts war normal. Er fühlte sich miserabel. Sein Körper schmerzte und sein Herz schien aus dem Takt geraten zu sein. Minutenlang saß er unbeweglich da, ehe er sich aufraffte und sich erhob. Mit frischen Sachen lief er ins Bad und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Es sollte seine letzte Müdigkeit vertreiben. Mit der Zahnbürste im Mund sah er sich durch den Spiegel an, musterte sich selbst. Leichte Schatten hatten sich unter seinen Augen gebildet und seine Haut wirkte eine Note blasser. „Kommt nur von der Mission“, urteilte er und schob die Zahnbürste in die andere Wange. Er wusste, dass er sich damit selbst belog, doch er wollte sich die Wahrheit einfach nicht gänzlich eingestehen. Gurgelnd beendete er seine Morgenwäsche und wischte sich den Mund ab. Er wickelte den Verband von seinem Arm und begutachtete die Wunde. Seine Vermutung vom Vorabend sollte sich bestätigen. Die Wunde war trocken. Zügig warf er sich das Shirt über den Körper und verließ das Bad. In einer flüssigen Bewegung öffnete er mit einer Hand seine Zimmertür und warf mit der Anderen seine Schlafsachen in sein Bett, ehe er die Tür wieder zuzog. Sein Weg führte ihn in die Küche. Er fasste einen Plan. „Tee, Frühstück und dann raus hier“, murmelte er und nickte bestätigend. Er schaltete den Wasserkocher an und griff nach einer Banane, die in einem Korb auf dem Tisch lag. Genüsslich biss er hinein und lauschte dem Wasser. Er wollte nur schnell einen Tee trinken, da durfte das Wasser nicht zu heiß werden. Als er die Schale der Banane in seiner Hand drehte, begann das Wasser dumpf zu rauschen. Aya schaltete den Wasserkocher ab und warf die Schale in den Müll. Mit einer Hand holte er sich eine Tasse auf dem Schrank über seinem Kopf, mit der Anderen angelte er sich das Tee-Ei mit seinem Lieblingstee, das er in die Tasse fallen ließ. Er goss das heiße Wasser darüber und zupfte an der kleinen Kette. Er beobachtete, wie das Wasser sich langsam verfärbte. Immer wieder ein hübscher Anblick, wie er fand. Nach einiger Zeit zog er das Ei aus dem Wasser, ehe es seinen Weg in die Spüle fand. Er setzte die Tasse an seine Lippen und blies über den Tee. Das Schlürfen kühlte den Tee weiter ab. Immer wieder nahm er kleine Schlucke zu sich, bis die Tasse halb leer war. Nun konnte er den Tee in der Tasse schwenken und sie dann in zwei großen Schlucken leeren. Die Tasse stellte er in das Abwaschbecken und verließ die Küche. Leise trat er die Treppe hinunter und griff sich im Vorbeigehen seine Jacke und seinen Schlüssel. Die Tür des Koneko schlug leise in ihr Schloss und er zog seine Jacke über seine Arme. Aya blickte in den Himmel. Strahlendes Blau und nur wenige, watteartige Wolken begleiteten den Sonnenschein. Es sah nach Sommer aus. Einzig die bunten, langsam kahler werdenden Bäume an den Straßen erinnerten ihn daran, dass der Hebst längst über das Land hereingebrochen war. Er zog den Reißverschluss der Jacke hoch und steckte seine Hände in die Taschen. Sein Blick heftete sich an die Fußgängerampel, die auf Grün umschaltete. Er beschleunigte seine Schritte. Er hatte keine Lust auf die nächste Grünphase zu warten. Mit langen Schritten joggte er über die Straße und wurde auf dem Fußweg wieder langsamer. Er folgte dem Weg zum Friedhof. An den Toren des Geländes überkam ihn ein Gefühl der Übelkeit und er verzog seine Mundwinkel. Noch einmal atmete er tief durch und betrat das Gelände. Aya trat an einen Rosenstrauch heran und sah sich um. Schnell brach er eine Knospe ab und lief auf dem Kiesweg weiter zu dem gesuchten Grab. Die Knospe legte er auf den glatten Stein. Er zog die zweite Hand aus der Jackentasche und hockte sich vor das Grab. Seine Finger verschränkten sich und seine Ellen lagen auf seinen Knien. Ein Mattes Lächeln zog sich über seine Lippen. „Ich habe es wieder nicht geschafft dir einen Blumenstrauß mitzubringen“, begann er und schnaufte amüsiert. „Und das als Florist“ Lange hockte er still vor dem Grab, las immer wieder den Namen seiner Schwester und neue Übelkeit überkam ihn. Er musste sich erheben und durchatmen. Seine Beine kribbelten unangenehm und sein Magen rumorte. Massierend rieb er sich über den Bauch, wollte wenigstens die Übelkeit etwas verdrängen. „Ich frage mich immer wieder, ob ich das Richtige getan habe“, flüsterte er und hoffe auf eine Bestätigung seiner Schwester. Er schüttelte den Kopf, wusste, dass er diese Bestätigung nicht erhalten würde. Immer wieder kreiste dieser Gedanke in seinem Kopf und er rief sich die Worte des Arztes ins Gedächtnis, seine Schwester sollte lieber in Würde gehen, solange es noch möglich war. Er schloss die Augen als er überlegte, wie viel Würde ein Mensch noch haben konnte, wenn er an Kabeln und Schläuchen hing und nicht mehr Herr über die lebenswichtigsten Körperfunktionen hatte. Eisige Schauer liefen über seine Haut. Das Bild von diesem Schlauch in ihrem Hals hatte sich für den Rest seines Lebens in seine Gedanken gebrannt. Das war der Moment gewesen, in dem er entschieden hatte, dass er ihr nicht mehr zumuten konnte. Sein Blick hob sich. Er hatte gar nicht bemerkt, wie er den Rückweg angetreten hatte. Nun stand er an der Ampel und wartete auf Grün. Mürrisch schnaufte er. Er hasste es zu warten. Oh, er war geduldig. Sehr sogar, doch er hasste es zu warten. In allen Lebenslagen. Drohend blickte er das rote Licht an und gab sich er Fantasie hin, die Ampel mit seinem Blick einschüchtern zu können. Ein Kind trat neben ihn und sah seine Mutter erwartend an. Aus dem Augenwinkel beobachtete Aya das Treiben neben sich, beendete seinen Einschüchterungsversuch jedoch nicht. Er sah, wie die Mutter sich neben ihr Kind hockte und sie zusammen zu der Ampel auf der gegenüberliegenden Seite pusteten. Seine Brauen hoben sich und er blickte neugierig auf die Zwei hinab. „Noch einmal! Ganz doll!“, spornte die Mutter an und beide pusteten voller Kraft. Augenblicklich ertönte das freudige Lachen des Kindes und Aya blickte auf die Ampel. Grün. Ein überraschter Laut entkam seiner Kehle und er blinzelte einmal, ehe er seinen Weg über die Straße antrat. Vielleicht war diese Ampel einfach nur kinderfreundlich. Dennoch verbot er es sich nicht, nahe an dem Ampelmast vorbei zulaufen und ihm einen leichten Tritt zu verpassen. Immerhin hatte sie nicht nach seiner Pfeife getanzt. Ein amüsiertes Lächeln zog sich über seine Lippen. Etwas kindliches schien noch immer in ihm zu sein. Ein beruhigender Gedanke. Seine gehobene Stimmung sank in sich zusammen, als er den Laden betrat und das feurige Haar erspähte. „Manx“, machte er sich bemerkbar und die Frau drehte sich zu ihm um. Sie war noch immer so schön, wie vor zehn Jahren und mit einem einzigen Blick erkannte er, dass Yoji noch immer genauso verrückt nach ihr war. Ruhig hängte er seine Jacke auf und legte seinen Schlüssel an seinen Platz. Sie hatten bis jetzt auf ihn gewartet, da würden sie die 30 Sekunden auch noch überstehen. Gemeinsam gingen sie in den Keller. Eine seltsame Stimmung legte sich über Aya. Etwas war anders und es schien nichts Gutes zu sein. „Das hier wird euer letzter Auftrag!“, drängte sich ihm Manx' Stimme auf und er presste die Kiefer zusammen. Er hatte es gewusst. „Was soll das heißen?“, fragte Ken lauernd und spannte seinen Körper an. Ein schneller Blick über den Rest des Teams bestätigte Aya, dass es sie alle traf. „Und dann?“, schob Ken nach. Yoji machte einen Schritt auf die Frau zu. Die Wut in seinem Blick wechselte sich mit Enttäuschung ab. „Sollen wir dann etwa alle gebündelt zum Arbeitsamt gehen?“, rief er und seine Stimme nahm einen hysterischen Unterton an. Manx blieb still und Yoji schnappte nach Luft. „Und? Was sind ihre Vorzüge gegenüber den anderen Bewerbern? … Och naja … ich kann gut Leute töten“, äffte er ein imaginäres Bewerbungsgespräch nach und Aya konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Ihr könnt eure Sachen bis Ende des Monats hier lassen“, fand nun Manx ihre Stimme wieder. Sie reichte ihnen die Akten von ihrem Arm. Aya sah hinein und stutze. Datenbeschaffung. Was sonst? „Wir dürfen nicht mal mit einem Knall gehen“, murmelte Omi beleidigt und Aya hob seinen Blick. Das Entsetzen war deutlich in dem jungen Gesicht zu sehen. Er wusste, dass keiner seines Teams gerne tötete, doch mit einem solch popeligen Auftrag abgeschoben zu werden, glich einer Beleidigung. „Das Geld für diesen Auftrag bekommt ihr wie üblich“, gab Manx von sich und für einen Moment hatte Aya den Eindruck, dass es auch ihr leid tat. Sie verabschiedete sich kurz und verließ den Keller. „Mehr als zehn verdammte Jahre und das ist alles?“, rief Yoji wütend und warf die Akte an die Wand. Viele Informationen enthielt sie sowieso nicht. Aya ließ seine Akte auf das Sofa vor ihm fallen. Seine Wut war dem Entsetzen gewichen. Er hatte all seine Ersparnisse erst in die Gesundheit und Pflege seiner Schwester gesteckt und nur zurückbehalten, was er zum Leben brauchte und nun zahlte er die Beerdigung ab. Er spürte, wie die Farbe aus seinem Gesicht wich. Er hatte keinen müden Yen auf der hohen Kante und musste bis Ende des Monats umziehen. Mit einem Gefühl der Angst sah er zu der Uhr an der Wand und schluckte trocken. Sie hatten bereits den 18. des Monats erreicht. Er würde das Geld dieses Auftrags komplett in eine neue Wohnung und Möbel stecken müssen. „Na kommt! Wir müssen los!“, riss ihn Kens Worte aus seinen Gedanken. Er blickte auf sein Team, das sich langsam in Bewegung setzte. Yojis Hand auf seiner Schulter ließ ihn aufsehen. „Wird schon“, war alles und er nickte. Was hatte er schon für eine Wahl? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)