Imperativ von -Zerschmetterling- (Kontrolle über deine Sinne.) ================================================================================ Kapitel 13: ------------ -13-     Trotzig schloss Sakura die Augen. Sie wusste nicht, wo sie in dem Moment den Mut hernahm, doch vermutlich lag es daran, dass sich noch immer alles anfühlte wie ein schrecklicher Traum. Irgendwie unrealistisch.   „Tu, was du nicht lassen kannst“, sagte sie ruhig.   Es fühlte sich fast so an, als würde all das sie gar nicht betreffen, als wäre sie nur ein Zuschauer in dieser Situation, der jederzeit gehen konnte, wenn es ihm zu viel wurde. Ihr eigener Geist bewahrte sie durch diese künstliche Distanz davor durchzudrehen, ein psychologischer Schutzmechanismus. Sie ließ es einfach nicht an sich heran. Dabei stand Hidan noch immer dicht hinter ihr. So dicht, dass sie jede seiner Bewegungen spüren konnte. Die Klinge lag auf ihrer Haut und übte zunehmend sanften Druck aus.   „Willst du gar nicht betteln?“, Hidans Stimme klang fast schon enttäuscht.   Sakura schnaubte.   „Danke, ich verzichte.“   Die Klinge glitt ihren Hals entlang bis hinauf zu ihrer Wange, wo Hidan sie knapp unterhalb von ihrem rechten Auge verweilen ließ. Mühsam versuchte Sakura die Angst hinunterzukämpfen, die sich immer wieder brodelnd ihren Weg an die Oberfläche bahnen wollte. Wenn sie jetzt doch noch die Nerven verlor, würde sie ihm damit nur einen Gefallen tun. Sie schloss die Augen und atmete tief durch.   Gerade hatte sie sich auf das Schlimmste gefasst gemacht, als sie ein lautes Rumpeln, gefolgt von einem erstickten Schrei erschrocken zusammenzucken ließ. Es kam aus einem der anderen Zimmer. Der Richtung nach zu urteilen vermutlich sogar aus dem Übungsraum. Auch Hidan hatte es gehört und zu ihrer großen Erleichterung ließ er schließlich die Klinge sinken, nur um sie kurz darauf wieder auf die Beine zu ziehen. Offenbar hatte er vor nachzusehen, was da draußen vor sich ging und würde sie nicht unbeobachtet hier zurücklassen.   Bestimmend bugsierte er sie durch die Tür hinaus auf den Gang. Hier draußen gab es kein Fenster, durch das Mondlicht hereindringen könnte, wodurch es noch einmal bedeutend dunkler war. Sakuras Augen hatten sich an das Dämmerlicht des Laptops gewöhnt und sie hatte Schwierigkeiten überhaupt irgendetwas zu erkennen. Allerdings schien außer ihnen niemand anderes hier zu sein. Unwillkürlich fragte sie sich, ob Sasuke auf Deidara getroffen war. Vielleicht hatte er sich doch nicht aus dem Staub gemacht, sondern die Gunst der Stunde genutzt und den Sprayer überrascht.   Zielstrebig steuerte Hidan auf das Übungszimmer zu und riss ungeduldig die Tür auf. Das erste was Sakura sah als er mit seinem Handy den Raum ableuchtete, war die umgekippte Staffelei, die auf dem Boden lag. Die Holzspanplatte war in der Mitte gesprungen und eines der beiden Teilstücke war ein paar Zentimeter zur Seite gerutscht, wie zwei Hälften, die sich einander sehnsüchtig entgegenstreckten. Als nächstes fiel ihr Blick auf Sasuke, der in einer Ecke des Zimmers stand und Deidara fest im Griff hatte, sodass der sich keinen Millimeter rühren konnte. Ein röchelndes Geräusch drang aus seiner Kehle und er versuchte erfolglos Sasukes Unterarm von seinem Hals wegzuziehen.   Am liebsten hätte sie geweint vor Erleichterung. Sasuke war da und es war ihm gelungen Deidara zu überwältigen. Das bedeutete, dass sie möglicherweise eine Chance hatten. Wenn ihm auch nur ein bisschen was an ihr lag, würde er vielleicht versuchen, ihr zu helfen. Immerhin hatte er ihr befohlen hier zu warten, wodurch die beiden sie überhaupt erst geschnappt hatten.   „Ich glaube, du hast da was, was mir gehört“, knurrte Hidan ungehalten.   Er nickte in Richtung Deidara, der noch immer in Sasukes Griff zappelte wie ein Fisch an Land. Gleichzeitig zog er Sakura unsanft nach vorne, um ihren Körper wie ein Schutzschild zu benutzen und ließ mit einer geschmeidigen Bewegung das Messer aufschnappen.   „Dasselbe gilt für dich“, erwiderte Sasuke mit ruhiger Stimme.   Sein Blick ruhte dabei auf Sakura, taxierte ihr Gesicht, blieb für ein paar Sekunden an den dünnen Schnitten an ihrem Hals hängen und verweilte dann an dem Blut, das aus ihrer Nase strömte. Vermutlich sah das alles schlimmer aus, als es im Endeffekt war, auf jeden Fall aber hatte es ihn verärgert. Auf seiner Stirn zwischen seinen Augenbrauen bildete sich eine tiefe Falte, die ganz bestimmt nichts Gutes zu bedeuten hatte.   „Alles klar Prinzessin, das nennt man dann wohl Pattsituation“, stellte Hidan gänzlich unbeeindruckt fest.   Noch immer wirkte es so, als wäre all das für ihn nur ein Spiel. Ein Spiel, bei dem es ihm nichts ausmachte, das ein oder andere zu verlieren. So hatte er beispielsweise für Deidara kaum einen Blick übrig. Ganz im Gegenteil, er schien richtig erfreut über die Situation und genoss das hilflose Röcheln seines Kollegen.   „Lass meine Sprayerin los, dann bekommt ihr euren zurück“, forderte Sasuke kühl.   Zur Untermauerung seines Standpunktes drückte er noch ein wenig fester zu und Sakura zweifelte keine Sekunde lang daran, dass er ihm mit einem einzigen Handgriff das Genick brechen könnte. Hidan war skrupellos, aber Sasuke war es auch. Und seltsamerweise war sie gerade froh, in dieser Situation jemanden wie ihn an ihrer Seite zu haben.   „Wenn du deine kleine Hure zurückhaben willst, musst du uns danach gehen lassen“, forderte Hidan seelenruhig.   Spielerisch ließ er das Messer durch die Finger gleiten und drückte Sakura mit der freien Hand noch ein bisschen näher an seinen Körper. Sein Geruch umhüllte sie, wickelte sie in einen dicken Nebel und sie hatte das Bedürfnis zu husten. Sasuke würde niemals auf seine Forderungen eingehen, dafür war er viel zu stolz. Auch, wenn er sie wahrscheinlich für diesen dämlichen Wettbewerb brauchte.   „Das werden wir ja sehen“, antwortete Sasuke abweisend.   Hidan lachte leise. Es war ein ganz und gar unangenehmes Lachen. Gehässig. Böse. Und es jagte Sakura eiskalte Schauer über den Rücken.   „Oh ja, das werden wir“, bestätigte er breit grinsend. „Weißt du, mein Boss wird zwar sauer sein, wenn unserem kleinen Sunnyboy hier was passiert, aber eigentlich konnte ich Deidara sowieso noch nie leiden.“   Sakura konnte sehen, wie sich Deidaras Augen vor Schreck weiteten und sofort nahm er wieder seine Bemühungen auf, sich aus Sasukes unerbittlichem Griff zu befreien. Der jedoch ließ nicht locker und fixierte stattdessen Hidan mit eiserner Miene, der nun begann eine von Sakuras Haarsträhnen um das Messer zu wickeln. Dabei kam er ihrem Gesicht immer wieder bedrohlich nahe und sie hielt angespannt die Luft an.    „Deidara ist mir scheiß egal. Du hingegen hast ganz eindeutig was übrig für die Kleine“, stellte Hidan fest. „Also bin ich in der besseren Verhandlungsposition. Übergib ihn mir einfach, wir verschwinden und damit sind wir quitt.“   Hinter Sasukes Stirn begann es zu arbeiten. Sein Mund wurde zu einem dünnen Strich und er verengte die Augen zu Schlitzen. Natürlich passte es ihm nicht, dass Hidan Forderungen an ihn richtete und dementsprechend wollte er nicht klein beigeben. Gleichzeitig aber konnte Sakura sehen, dass er wusste, das Hidan das, was er sagte, wirklich ernst meinte. Deidara war ihm komplett egal, er würde ihn ohne mit der Wimper zu zucken opfern und das einzige, was ihn daran störte, war der Anschiss, den er daraufhin von seinem Boss bekommen würde.   Wenn sie zuvor noch geglaubt hatte, dass die beiden in etwa gleich skrupellos waren, sah sie jetzt in Sasukes Augen, dass sie sich getäuscht hatte. Er musterte sie aufmerksam, ließ sie keine Sekunde lang aus den Augen und suchte jeden Zentimeter ihres Körpers nach weiteren Verletzungen ab. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und seine Nasenflügel bebten vor Wut. Sakura glaubte, dass sie ihn noch nie zuvor so angespannt erlebt hatte. Eine ungewöhnliche Mischung aus Besorgnis und Zorn flackerte ein letztes Mal in seinen Augen auf, bevor er sich wieder an Hidan wandte.   „Fast“, sagte er mit rauer Stimme und lockerte den Griff um Deidaras Hals.   Der stolperte sofort einen Schritt von ihm weg und rang hechelnd nach Luft. Mit heiserer Stimme begann er irgendetwas vor sich her zu schimpfen, was verdächtig nach „Scheiß Uchihas“ klang und versuchte Abstand zwischen sich und Sasuke zu bringen. Der jedoch packte ihn am Arm und zog ihn nochmal zurück.   „Wenn ich dich das nächste Mal erwische, werde ich dir jeden Finger einzeln brechen“, prophezeite er düster.   Dann holte er mit dem Ellbogen aus und rammte ihn dem völlig überraschten Deidara ohne zu Zögern ins Gesicht. Blut strömte aus seiner Nase und er verpasste ihm einen unsanften Schubs in Richtung Hidan.    „Jetzt sind wir quitt.“   Hidan lachte nur und ließ das Messer zuschnappen. Augenblicklich fühlte Sakura sich so, als hätte man ihr eine zentnerschwere Last von den Schultern genommen und sie sog erleichtert Luft in ihre Lungen. Hidan nahm in aller Seelenruhe den Arm von ihrer Hüfte und trat einen Schritt zurück. So schnell sie konnte durchquerte Sakura den Raum, bis sie dicht neben Sasuke stand. Ihre Beine zitterten und fühlten sich unglaublich wackelig an. Allmählich wurde sie sich zunehmend bewusster, dass gerade ihr Leben, zumindest aber ihre körperliche Unversehrtheit auf dem Spiel gestanden hatten. Es war kein böser Traum. Das hier war die Realität und sie hatte sich bis gerade eben tatsächlich in den Händen eines gewalttätigen Irren befunden. Die Erkenntnis brach wie ein Monsun über sie herein und lähmte sämtliche ihrer Sinne.   Stumm beobachtete sie, wie Hidan das Zimmer verließ, wobei gleichzeitig das Leuchten seines Handydisplays immer schwächer wurde. Mit jedem schweren Schritt, den er sich von ihr wegbewegte, hatte sie das Gefühl besser atmen zu können. Dieser Mann machte ihr mehr Angst als alles andere in ihrem Leben. Auch Deidara hatte sich in Bewegung gesetzt, zögerte jedoch plötzlich und drehte sich im Türrahmen noch einmal zu ihnen um.   „Du bist genauso schlimm wie dein Bruder“, seine Stimme bebte leicht. „Ihr Uchihas haltet euch vielleicht für etwas Besseres,  aber im Prinzip ist euer ach so tolles Engagement auch nichts anderes als Geldwäsche. Wenn du wirklich glauben willst, dass er ein guter Mensch ist, dann machst du dir etwas vor. Ohne deinen Bruder wäre ich nicht da, wo ich jetzt stehe. Du kannst dich also bei ihm bedanken, wenn ich deiner Kleinen im Wettbewerb den Arsch aufreißen werde. Und glaub mir, das werde ich.“   Sein Blick triefte nur so vor Verachtung und das Blut, das noch immer in kleinen Schüben aus seiner Nase quoll, verstärkte diesen Eindruck zusätzlich. Sie sah schief aus und wahrscheinlich hatte Sasuke sie ihm gebrochen. Seltsamerweise empfand Sakura in diesem Moment tatsächlich so etwas wie Mitleid mit dem Kerl, obwohl er auch ihr gerade gedroht hatte. Abgesehen von Hass erkannte sie deutlich etwas anderes in seiner Miene – Verzweiflung – und auf eine groteske Art und Weise konnte sie sich mit ihm identifizieren.   „Du solltest jetzt besser mein Haus verlassen“, entgegnete Sasuke ihm mit bedrohlich tiefer Stimme. „Ich habe vielleicht zugestimmt, dass ich euch gehen lassen werde, aber das trifft nicht auf Jugo zu.“   Deidara leckte sich ein wenig nervös über die blutigen Lippen und ließ seinen Blick zwischen ihnen hin- und hergleiten. Schließlich heftete er sich auf Sakura.   „Egal womit er dir droht, du kannst noch aussteigen“, sagte er eindringlich. „Es gibt Leute, die dich schützen würden, genauso wie es Leute gibt, die dir ohne zu zögern Schlimmeres antun würden. Ich hab nichts gegen dich persönlich, also überleg dir gut, ob du wirklich für ihn ...“   „Das reicht“, Sasukes Stimme war schneidend.   Drohend war er einen Schritt nach vorne getreten und Deidara wich unwillkürlich ein Stück zurück, sodass auch er draußen auf dem Gang stand. In seiner Mimik war deutlich der innere Kampf abzulesen, den er gerade ausfocht. Irgendetwas schien ihm noch auf der Zunge zu liegen, was er unbedingt loswerden wollte, doch gleichzeitig zeigte Sasukes Drohung bei ihm Wirkung. Was auch immer er bisher für Erfahrungen mit Uchihas gemacht hatte, er unterschätzte sie jedenfalls nicht. Trotzdem wollte Sakura unbedingt wissen, was er noch zu sagen hatte. Zum ersten Mal hatte sie gehört, wie jemand über Sasukes Bruder sprach, diesen mysteriösen Mann, dem Uchiha Solutions gehörte und dessen Namen sie noch nicht einmal kannte und sie wurde das Gefühl nicht los, dass es irgendwie von Bedeutung war. Dies hier war ihre bisher beste Möglichkeit, mehr über Sasuke zu erfahren.   Ein letztes Mal sah Deidara Sakura an. Bedeutungsvoll. Eindringlich. Dann drehte er sich um und sie hörten seine hastigen Schritte die Treppe hinunterpoltern. Sofort griff Sasuke nach seinem Handy und entsperrte mit einer geübten Handbewegung das Display. Momentan war sein Handy die einzige Lichtquelle im Raum und als er es sich ans Ohr hielt, versiegte auch diese.   „Jugo, du musst zurückkommen. Sofort“, lautete seine knappe Anweisung.   Also hatte er zuvor geblufft, als er angedeutet hatte, dass dieser bereits auf dem Weg sein würde. Einen Moment lang fragte sich Sakura, warum er ihn erst jetzt dazu zog, doch im Grunde genommen war es nicht weiter wichtig. Vielmehr kreisten ihre Gedanken um das, was Deidara gesagt hatte. Um Sasukes Bruder. Darum, dass er ihm die Schuld an allem gab, was ihm widerfahren war. Er hatte ihr einen Ausweg geboten, vielleicht, weil er ihre Lage kannte und sie verstand. Und möglicherweise hatten sie ja sogar mehr gemeinsam als ihr Interesse für Kunst.   „Komm mit“, befahl Sasuke knapp und zerschnitt mit einem kleinen Taschenmesser die Kabelbinder, mit denen Hidan ihre Hände gefesselt hatte.   Mit großen Schritten ging er aus dem Raum und ebenfalls in Richtung Treppe. Wahrscheinlich wollte er den Strom wieder anschalten. Obwohl es mühsam war ihm zu folgen, beeilte Sakura sich, da sie jetzt unter keinen Umständen alleine oben bleiben wollte und hielt sich entkräftet am Treppengeländer fest. Ihre Beine fühlten sich noch immer wackelig an und die Begegnung mit Deidara und Hidan steckte ihr tief in den Knochen. Möglicherweise war Sasuke sowas ja gewohnt, aber sie war es nicht. Für sie war das hier ganz und gar nicht alltäglich gewesen.    Er ließ sie kurzerhand in der Küche zurück, während er im Keller verschwand. Ein paar Minuten lang war es stockdunkel und Sakura wagte nicht, sich zu rühren. Das dumpfe Pochen in ihrem Hinterkopf war einem unerträglichen Ziehen gewichen, das bis nach vorne zu ihren Schläfen reichte und ihr gesamtes Denken blockierte. Trotzdem wirbelte alles in ihrem Kopf durcheinander. Allen voran Deidaras Andeutungen und Sasuke, der so spät aufgetaucht war, dass sie schon geglaubt hatte, er hätte das Haus längst verlassen. Was hatte er so lange gemacht?   Als das Licht plötzlich wieder anging, schloss sie geblendet die Augen. Die unerwartete Helligkeit brannte auf ihrer Netzhaut und das Ziehen in ihrem Kopf wurde schlimmer, bis es schließlich unerträglich war. Hidan war nicht gerade sanft mit ihr umgegangen und der Schlafmangel und die Ereignisse des heutigen Abends taten ihr Übriges. Erschöpft vergrub sie das Gesicht in den Händen. Das alles war allein Sasukes Schuld.   „Sakura?“   Seine Stimme klang fast schon sanft, als er ihr von hinten eine Hand auf die Schulter legte.   „Fass mich nicht an“, zischte sie wütend.   Ruckartig zog sie den Stuhl zurück und stand dann auf, um zum Spülbecken zu gehen. Jetzt wo sie wieder Licht hatte, konnte sie sich endlich das ganze Blut aus dem Gesicht waschen. Der Geschmack lag noch immer wie Blei auf ihrer Zunge und an manchen Stellen hatten sich bereits Krusten gebildet, die ein ekliges Spannen auf der Haut verursachten, auch wenn ihre Nase mittlerweile aufgehört hatte zu bluten.   „Sakura“, setzte Sasuke erneut an. Er stand noch immer dicht neben dem Stuhl, auf dem sie bis eben gesessen hatte und hatte eine Hand auf der Lehne abgestützt. Ganz deutlich spürte sie, wie sein prüfender Blick auf ihr lag und irgendetwas schien ihn zu beschäftigen. „Es tut mir Leid, wie das gelaufen ist und es lag nicht in meiner Absicht, dass du verletzt wirst.“   Überrascht sah sie ihn an. Da lag etwas in seinem Blick, was sie nicht kannte, auch wenn er versuchte, es vor ihr zu verbergen. Sorge. Allerdings schien es vielmehr die Sorge zu sein, was Deidaras Worte in ihr ausgelöst haben könnten, als die um ihren aktuellen Zustand. Er befürchtete, dass sie einen Weg finden könnte, seine Organisation zu verlassen, dass Deidara sie wirklich überzeugen könnte, ihm den Rücken zu kehren. Zum ersten Mal fühlte sie sich ihm ein kleines bisschen überlegen. Und das obwohl sie gerade wahrscheinlich einfach nur erbärmlich aussah, mit der vor Schreck blassen Haut, den dunklen Augenringen und der blutenden Nase.   „Schön für dich“, schnaubte sie. „Nur seltsamerweise hab ich davon absolut nichts gemerkt, als irgend so ein Irrer beschlossen hat, mich mit seinem Messer aufzuschlitzen.“   Sasuke blieb erstaunlich ruhig, während es in ihr zunehmend brodelte. Er musste gehört haben, dass die beiden die Treppe hinauf gegangen waren, insbesondere Hidan war nicht gerade unauffällig gewesen, und trotzdem hatte er sie alleine gelassen.   „Er hat dich aber nicht aufgeschlitzt.“   Unwillkürlich fasste Sakura an ihren Hals. Die dünnen roten Linien, dort wo das Messer ihre Haut gestreift hatte, brannten leicht und auch wenn sie schnell verheilen würden, konnte sie die Angst, die sie in diesem Moment gespürt hatte, wahrscheinlich nie vergessen. Am schlimmsten war die Gewissheit gewesen, dass Hidan seine Drohung tatsächlich wahrmachen würde. Er hatte sie ohne Vorwarnung auf den Tisch geschlagen, nachdem sie ihm das Passwort nicht nennen konnte.   „Er hat mir fast die Nase gebrochen“, erinnerte sie Sasuke.   Die Konsequenzen davon bekam sie jetzt immer noch zu spüren und das konnte selbst er nicht übersehen. Doch Sasuke zuckte nur mit den Schultern.   „Ich hab Deidara die Nase gebrochen.“   Ungläubig sah Sakura ihn an.   „Soll mir das jetzt helfen?“, fauchte sie. „Was hat er überhaupt gemeint, als er gesagt hat, dass dein Bruder an allem Schuld ist?“   Sofort sah sie, wie sich ein dunkler Schatten über Sasukes Gesicht legte und seine Miene wurde noch verschlossener, als sie es sowieso schon war. Stumm reichte er ihr ein Geschirrtuch und sie hielt es unter den kalten Wasserstrahl, während er scheinbar noch überlegte, ob er ihr auf diese Frage antworten sollte.   „Ich weiß nicht, was er damit bezweckt, aber es ist eine Lüge“, sagte er schließlich. „Deidara ist einfach an die falschen Leute geraten. Mein Bruder hat damit nichts zu tun.“   Sakura wrang das Geschirrtuch aus und faltete es dann zu einer kleinen Rolle zusammen, die sie sich in den Nacken legte. Dann drehte sie sich vollends zu ihm um und blitzte ihn herausfordernd an. Aus irgendeinem Grund hatte sie gerade das Bedürfnis sich mit ihm anzulegen. All die aufgestauten Emotionen brauchten irgendein Ventil und er schien dafür in diesem Moment perfekt geeignet.   „Aber er lässt zu, dass du das Geld aus den Drogendeals wäschst, indem du sie als Spenden für die gemeinnützigen Projekte von Uchiha Solutions tarnst?“   Er wirkte ehrlich verblüfft, wahrscheinlich weil er sich fragte, woher sie diese Informationen hatte. Sie genoss den Hauch von Genugtuung, den sie dadurch gewann, dass sie ihm einmal einen Schritt voraus war.   „Du solltest nicht alles glauben, was er so von sich gibt“, stellte er klar.   Aus seiner Tonlage ging jedoch hervor, dass er das nicht nur auf die Anspielungen auf seinen Bruder bezog. Sakura verschränkte die Arme vor der Brust.   „Er hat gesagt, dass ich mir gut überlegen soll, ob ich wirklich für dich arbeiten möchte“, griff sie das nächste Thema auf.   Deidaras Angebot hallte in ihrem Kopf wieder. Es gibt Leute, die dich schützen würden. Zweifellos hatte er von Akatsuki gesprochen. Auch wenn es auf den ersten Blick verlockend klingen mochte, wusste sie, dass es keine wirkliche Alternative war. Es klang nach einer Option der Hölle zu entkommen, doch in Wirklichkeit würde sie nur einem anderen Teufel ins Fegefeuer folgen. Akatsuki waren vermutlich keinen Deut besser als Sasukes Organisation. Allein die Tatsache, dass dort Menschen wie Hidan arbeiteten, war für sie Grund genug, die Möglichkeit schon von vornherein kategorisch auszuschließen.   „Er hat dir auch gedroht, aber dabei hat er etwas Entscheidendes vergessen. Du bist Teil meines Teams, das heißt, dass ich dafür sorgen werde, dass Akatsuki sich von dir fernhalten.“   Ihr war durchaus bewusst, dass man diese Aussage auf zweierlei Arten interpretieren konnte. Zum einen bedeutete es wohl, dass er einen weiteren Angriff verhindern würde, zum anderen hieß es genauso, dass er sie nicht gehen ließ. Nicht zu Akatsuki und auch sonst nirgendwohin.   „Ich weiß“, erwiderte sie deshalb nur.   Sasuke nickte zufrieden.   „Gut.“   Sakura setzte sich zurück an den Tisch und drehte ihm den Rücken zu. Das Gespräch war ermüdend und sie hatte keine Lust mehr, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Außerdem nahm ihr Kopfschmerz immer weiter zu und verhinderte, dass sie in Ruhe nachdenken konnte.   „Ich hab wirklich keine Ahnung, was daran gut sein soll“, murmelte sie gefrustet.   Sasuke lehnte sich an den Rand des Tisches und verschränkte die Arme vor der Brust. Offenbar hatte er nicht vor, sie jetzt in Ruhe zu lassen.   „Sakura, lass mich dir ein Angebot machen.“   Genervt massierte sie sich ihre Schläfen. Das Pochen im Kopf war noch schlimmer als das in ihrer Nase. Wann hatte sie heute zum letzten Mal etwas getrunken? Bemüht unauffällig schielte sie zu dem Glas hinüber, das Sasuke ihr gebracht hatte, doch sie wollte es nicht nehmen. Nicht von ihm.   „Ich denke, ich habe genug von deinen Angeboten“, wehrte sie ab.   Im Grunde genommen machte Sasuke Uchiha niemals ein Angebot. Er gab Befehle, die man nicht ablehnen konnte und sie hasste es. Vor allem jetzt wollte sie einfach nur ihre Ruhe haben, doch Sasuke ließ nicht locker.   „Ich denke, du solltest es dir wenigstens anhören.“   Resigniert zuckte sie mit den Schultern und gab einen zustimmenden Laut von sich. Mehr würde er nicht bekommen. Sasuke schien sich jedoch damit zufrieden zu geben.   „Wenn der Wettbewerb vorbei ist und du deinen Bezirk verteidigt hast, lasse ich dich gehen“, verkündete er.   Augenblicklich ruckte ihr Kopf nach oben. Die schnelle Bewegung sorgte dafür, dass das Geschirrtuch zu Boden fiel und sich die Schmerzen nur noch verstärkten. Doch in diesem Moment war das absolut zweitrangig.   „Ist das dein Ernst?“, hakte sie misstrauisch nach.   In seinen Augen lag ein belustigtes Funkeln. Er drückte sich mit einer eleganten Bewegung vom Rand des Tisches weg und stellte sich dann direkt neben sie. Dann beugte er sich dicht an ihr Ohr. Ihr Puls schoss unkontrolliert in die Höhe, zum einen weil er ihr so nahe war und zum anderen, weil er ihr gerade eine Möglichkeit eröffnet hatte, die sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht hatte vorstellen können.   „Das ist der Unterschied zwischen mir und Akatsuki“, hauchte er.   Ihr Herz schlug schneller. Also hatte er es wohl ernst gemeint. Und selbst wenn es möglicherweise nur eine Taktik war, um sie daran zu hindern, doch noch zu Akatsuki überzulaufen – sie funktionierte. Gleichzeitig spürte sie, wie die Hoffnung den ganzen Hass in ihr einfach verpuffen ließ. Obwohl sie immer noch wütend auf Sasuke sein wollte, konnte sie es plötzlich nicht mehr.   „Hier“, versöhnlich hielt er ihr eine Tablette unter die Nase, doch sie sah ihn nur skeptisch an.   Für den Bruchteil einer Sekunde zuckte ein amüsiertes Lächeln in seinem Mundwinkel und Sakura war sich kurz nicht sicher, ob sie es sich nur eingebildet hatte.   „Das ist nur Ibuprofen“, beruhigte er sie.   Obwohl die Situation bis vor wenigen Sekunden noch sehr angespannt gewesen war, spürte sie schon wieder diese seltsame Vertrautheit zwischen ihnen. Sie konnte nicht erklären, woher das Gefühl kam, aber es war plötzlich da und gleichzeitig so intensiv, dass sie davor zurückschreckte. Sasuke handelte mit Drogen. Sasuke erpresste sie. Sasuke scheute sich nicht, anderen Menschen Gewalt anzutun. Wenn man es kurz und knapp zusammenfasste, war er einfach ein schlechter Mensch und doch fühlte sie sich in seiner Nähe wohl.   Wenn er ihr so nahe war, vergaß sie plötzlich, dass das alles hier eigentlich seine Schuld war und sie vergaß, dass sie ihn eigentlich hassen wollte. Immer wieder stieß er sie in den Abgrund, ohne dabei auch nur mit der Wimper zu zucken und sah ihr zu wie sie fiel. Trotzdem ließ er niemals zu, dass sie unten aufschlug. Es war absurd, aber in manchen Momenten gab er ihr das Gefühl, dass sie es verdient hatte, dass sie ihm gar keine andere Wahl ließ, als so zu handeln. Sie hasste ihn und gleichzeitig war sie ihm dankbar. Sie fürchtete ihn und gleichzeitig fühlte sie sich bei ihm sicher.  Ihre Gefühle waren komplett widersprüchlich, doch statt sich zu neutralisieren, schaukelten sie sich gegenseitig in die Höhe.   Noch einmal warf sie einen prüfenden Blick auf die kleine weiße Tablette, die er ihr entgegenhielt. Natürlich hatte sie Vorbehalte und das konnte man ihr ja wohl kaum verübeln. Und eigentlich hatte sie sich geschworen, nie wieder irgendetwas von Sasuke Uchiha entgegenzunehmen, was auch nur annähernd Ähnlichkeit mit einer Tablette hatte, aber jetzt gerade brachte der Schmerz in ihrem Kopf sie um. Widerwillig nahm sie sie entgegen und schob sie sich in den Mund. Selbst wenn er sie vergiften wollte, im Moment war es ihr vollkommen egal. Sie wollte nur noch, dass der Schmerz endlich aufhörte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)