Imperativ von -Zerschmetterling- (Kontrolle über deine Sinne.) ================================================================================ Kapitel 6: ----------- -6-     Sakura saß an einem der Rechner in der Bibliothek. Mittlerweile las sie den Satz bestimmt schon zum sechsten Mal, ohne dabei auch nur einen Teil des Inhalts wirklich zu erfassen. Es fiel ihr zunehmend schwer sich zu konzentrieren und das lag nicht nur daran, dass sie die letzte Nacht wirklich kaum geschlafen hatte. Das Training mit Naruto verlangte ihr wirklich alles ab. Neben den Treffen, die alle zwei Tage stattfanden und sich oft bis in die Abendstunden zogen, erhielt sie an ihren freien Tagen den Auftrag, sich über die verschiedenen Techniken und Stile zu informieren.   An sich ein recht interessantes Thema, das Problem war nur, dass sie auch noch andere Dinge hatte, um die sie sich kümmern musste, wie zum Beispiel ihr BWL-Studium. Doch jedes Mal, wenn sie versucht hatte, diesen Punkt vorsichtig bei Sasuke anzusprechen, hatte er ihr nur ein müdes Lächeln geschenkt. Seine eigenen Ziele  hatten ganz klar Priorität und er hatte nun mal einen straffen Zeitplan gesetzt. Nur zu gerne erinnerte er sie daran, was passieren würde, wenn sie ihren Bezirk, den Bezirk Nummer sieben, verlieren würde und dabei fand er immer wieder neue Methoden, sie in die Enge zu treiben.   Letztlich blieb ihr also nichts anderes übrig, als trotzdem zu versuchen, alles irgendwie unter einen Hut zu bekommen und darunter litt dann bedauerlicherweise ihr Schlaf. Sie nahm einen großen Schluck aus dem Pappbecher, der neben der Tastatur stand und verzog kurz darauf angewidert das Gesicht. Das Zeug, das sie an den Automaten in der Bibliothek verkauften, hatte die Bezeichnung Kaffee eigentlich überhaupt nicht verdient. Wenn überhaupt konnte man ihn nur mit jeder Menge Zucker und Milch runterspülen und selbst dann schmeckte er noch scheußlich.   Konzentriert kniff sie die Augen zusammen und las den Satz ein siebtes Mal. Sie war gerade dabei, sich über den 3D-Stil zu informieren, die Art von Graffiti, die ihr Gegner Deidara bevorzugte. Naruto hatte ihr ein paar Beispiele von ihm gezeigt und sie musste zugeben, dass sie ein wenig eingeschüchtert war. Es würde einiges nötig sein, um den Kerl zu schlagen. Leider konnte Naruto ihr nur bedingt weiterhelfen, da er selbst  hauptsächlich mit einfachen Tags arbeitete und es ihm schlicht und ergreifend an Erfahrung fehlte. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass es seine Hauptfunktion war, für sie den Babysitter zu spielen und einfach nur ein Auge auf sie zu haben. Dennoch war sie froh, dass er da war.   Naruto hatte die spezielle Fähigkeit, Menschen zu motivieren und wieder aufzubauen, wenn sie kurz vor dem Verzweifeln waren. Sie verdankte es ihm, dass sie nicht schon unzählige Holzbretter vor Wut einfach zersägt und anschließend aus dem Fenster geworfen hatte. Er animierte sie, nicht aufzugeben und es einfach nochmal zu versuchen, wenn sie einen Fehler gemacht hatte. Und das war gerade am Anfang sehr häufig passiert. Als sie von Pappe auf Holz umgestiegen waren, hatte Sakura zunächst einige Schwierigkeiten gehabt, weil sich die Saugkraft des Materials drastisch geändert hatte. Mit Naruto und seinen Tipps hatte sie das am Ende dann einigermaßen in den Griff gekriegt.   Ganz anders war da Suigetsu. Ab und zu, wenn Naruto mal keine Zeit hatte, schickte Sasuke ihn, um ihre Fortschritte zu überwachen. Meistens saß er nur auf einem Stuhl in der Ecke und spielte auf seinem Handy, während er ihr abfällige Blicke zuwarf und nichts Besseres zu tun hatte, als ständig herumzukritisieren. Natürlich handelte es sich nicht um konstruktive Kritik, denn Suigetsu hatte noch weniger Ahnung von Graffiti als ein Schluck Wasser. Es machte ihm einfach Spaß Sakura auf die Palme zu bringen und sie konnte absolut nichts dagegen unternehmen. Selbst als er einmal aus Versehen seinen Energydrink über ihre Arbeit gekippt hatte, war ihr nichts anderes übrig geblieben, als es so hinzunehmen und nochmal von vorne anzufangen. Mit Sasuke im Rücken, konnte er sich einfach alles herausnehmen.   Beim Gedanken an Sasuke wurde Sakuras Griff um den Kaffeebecher unwillkürlich fester. Es passte ihr gar nicht, dass der Kerl sie so dermaßen in der Hand hatte. Immer wieder ließ er durchsickern, was er alles über sie wusste. Und das war viel. Zu viel. Beinahe jeden Aspekt ihres Lebens und hatte sie noch so sehr versucht, ihn geheim zu halten. Manchmal hatte sie den Verdacht, dass Shikamaru dahinter steckte. Keine Festplatte war vor ihm sicher, alles was über Elektronik gesteuert wurde, konnte er übernehmen und dazu bringen, genau das zu tun, was er wollte. Er war ein verdammtes Genie. Ein Genie, das blöderweise Sasuke mit Informationen versorgte. Wenn sie doch nur im Gegenzug irgendetwas über ihn in Erfahrung bringen könnte.   Sakura seufzte. Das alles hatte doch keinen Sinn mehr. Ihre Gedanken schweiften sowieso dauernd ab und vielleicht war es an der Zeit, eine kleine Pause einzulegen. Unentschlossen öffnete sie ein neues Browserfenster und starrte dann eine Zeit lang auf den blinkenden Cursor im Suchfeld der Startseite. Einen Moment lang zögerte sie noch, dann begannen ihre Finger zu tippen. Sie war zwar kein Genie wie Shikamaru, dennoch sollte es möglich sein über eine Internetsuche wenigstens an ein paar Informationen zu kommen.   Sasuke Uchiha.   Es gab gleich mehrere Treffer. Doch ihre erste Euphorie verflog sofort wieder, als Sakura erkannte, dass sich die Treffer allesamt auf einen anderen Sasuke Uchiha bezogen. Auch die Bildersuche ergab keine neuen Informationen. Nichts. Als hätte jemand sämtliche Informationen getilgt, die irgendetwas mit ihm zu tun hatten. Sakura verengte die Augen zu Schlitzen. Sie würde ihre rosafarbene Haarpracht darauf verwetten, dass auch hier Shikamaru die Finger im Spiel gehabt hatte. Frustriert schnaubte sie und löschte einen Buchstaben nach dem anderen wieder, bis nur noch ein Wort stehen blieb.   Uchiha.   Das Suchergebnis veränderte sich und zeigte plötzlich vor allem Einträge einer Firma an. Uchiha Solutions. Normalerweise hätte Sakura den Einträgen keine weitere Beachtung geschenkt, doch die Tatsache, dass die Firma ihren Sitz in Konoha hatte, machte sie stutzig. Ein paar Klicks später hatte sie sich auf die Homepage navigiert und begann zu lesen. Es handelte sich um ein gewöhnliches mittelständisches Unternehmen, das wohl ganz gute Gewinne abwarf und sich im Rahmen verschiedener Projekte sozial engagierte. Insbesondere das Thema Drogenmissbrauch durch Jugendliche schien der Firma ein Anliegen zu sein. Irritiert runzelte Sakura die Stirn. Das alles sprach ganz und gar dagegen, dass es hier eine Verbindung zu Sasuke gab.   Als nächstes sah sich Sakura das Impressum an. Geschäftsführer war ein sogenannter Hiruzen Sarutobi, von dem sie im Rahmen ihres Studiums sogar schon mal etwas gehört hatte. Der Mann hatte ein sehr gutes Gespür für den Markt und Innovationen und war dafür bekannt, dass er junge Firmen in ihrem Aufstieg unterstützte. Allerdings hatte sie bisher noch nie davon gehört, dass er selbst eine Firma leitete. Wer auch immer ihn als Geschäftsführer eingesetzt hatte, hatte damit definitiv einen großen Coup gelandet.   Sakuras Augen wanderten weiter über die Zeilen. Es waren noch ein paar Kontaktdaten und Verantwortliche für die Zweigstellen der Firma angegeben, doch das war es nicht, was sie interessierte. Noch immer wollte sie wissen, ob sie Sasuke irgendwie mit dem Unternehmen in Verbindung bringen konnte. Es konnte kein Zufall sein, dass er den Namen Uchiha trug. Erst am Ende der Seite wurde sie schließlich fündig. Inhaber: I. Uchiha. Gründer: Fugaku Uchiha und Mikoto Uchiha. Kein Sasuke.   Noch immer war Sakura nicht bereit aufzugeben. Das mysteriöse I sagte ihr erst mal absolut gar nichts und es würde schwierig werden, darüber noch mehr herauszufinden. Stattdessen kopierte sie die Namen der beiden Gründer in ihre Suchleiste und startete den Suchauftrag. Wieder tauchte ganz oben die Homepage von Uchiha Solutions auf, dicht gefolgt von verschiedenen Webseiten, auf denen ihre Produkte verkauft wurden. Der letzte Eintrag auf der Seite stammte jedoch von einer Lokalzeitung und schien auf den ersten Blick nichts mit der Firma zu tun zu haben. Kartellkrieg in Amegakure – Missglückte Übergabe fordert zivile Opfer. Sakuras Herz schlug augenblicklich schneller.   Ihre Hand verkrampfte leicht, als sie auf die Überschrift des Artikels klicke und somit auf die Webseite der Lokalzeitung weitergeleitet wurde. Es handelte sich um den Konoha-Kurrier, kurz KK, den sie selbst abonniert hatte, seit sie hier studierte. Normalerweise konzentrierte sie sich hauptsächlich auf den Wirtschaftsteil, in dem eher selten Nachrichten über die Opfer von Drogenkriegen zu finden waren. Dieser Artikel war jedoch komischerweise ebenfalls dem Wirtschaftsresort zugeordnet. Neugierig begann Sakura zu lesen.   Der Artikel begann wie üblich mit den wichtigsten Informationen. Amegakure war eine der Nachbarstädte von Konoha und wurde seit Jahren von einem Drogenkartell beherrscht, das von einem Mann namens Hanzo geleitet wurde. In Verbrecherkreisen nannte man ihn auch den Salamander, weil er seine Feinde wohl gerne mit Gift aus dem Weg räumte. Der Salamander war einen Deal mit den Sabakuno-Geschwistern aus Suna eingegangen – was genau dieser Deal beinhaltete, konnte nie wirklich nachgewiesen werden. Allerdings war bei der Übergabe wohl etwas schief gelaufen und Hanzo, der persönlich anwesend gewesen war, hatte eine Schießerei eröffnet, bei der es auch mehrere zivile Opfer gegeben hatte.   Ab hier wurde es interessant. Neben ein paar namenlosen Bürgern, waren zudem die Firmengründer Fugaku und Mikoto Uchiha unter den Opfern gewesen. Sie hatten sich aufgrund eines geschäftlichen Termins in Amegakure befunden und waren ebenfalls zwischen die Fronten geraten. Während Mikoto direkt vor Ort verstorben war, hatte man Fugaku noch in das örtliche Krankenhaus gebracht und erfolglos versucht ihm bei einer Notoperation das Leben zu retten. Nach dem Tod beider Firmengründer, ging das Unternehmen an den Sohn der beiden über, der zu diesem Zeitpunkt einundzwanzig  Jahre alt war. Statt selbst die Führung zu übernehmen, hatte er einen Geschäftsführer eingesetzt – Hiruzen Sarutobi.   Dieser Abschnitt erklärte zumindest, warum sich der Artikel im Wirtschaftsteil der Zeitung befand. Sakura spielte kurz mit dem Gedanken, dass es sich bei dem Sohn um Sasuke gehandelt haben könnte. Er war ein Uchiha und er lebte in Konoha. Allerding verwarf sie die Idee schnell wieder, als sie auf das Datum des Artikels sah. Der Vorfall war bereits sechs Jahre her und von Naruto wusste sie, dass Sasuke erst zweiundzwanzig war. Die beiden kannten sich schon aus der Schule und hatten zusammen Abitur gemacht. Naruto erwähnte nahezu ständig, dass er es ohne Sasukes Hilfe vermutlich gar nicht an die Uni geschafft hätte. Abgesehen davon begann Sasukes Name nicht mit I.   Trotzdem wurde sie den Gedanken nicht los, dass es irgendeine Verbindung zwischen Sasuke und dieser Firma geben musste. Wieder öffnete sie die Suchmaske und konzentrierte sich diesmal darauf, nach Informationen zu dem Vorfall in Amegakure zu suchen, statt speziell den Namen Uchiha einzugeben. Noch Wochen danach waren die Zeitungen voll davon gewesen und der Fall war immer seltsamer geworden. Allem Anschein nach hatte es nie eine Festnahme gegeben, da die Beteiligten an der Schießerei alle nach und nach plötzlich verschwunden waren. Angefangen bei Hanzo, dem Salamander, bis hin zu sämtlichen Handlangern der Sabakuno-Geschwister, die vor Ort gewesen waren. Den Geschwistern selbst konnte man nie eine Beteiligung nachweisen.   In ihrer Recherche stieß Sakura schließlich auch wieder auf den Namen Uchiha. Im Amegakure Anzeiger war zum ersten Mal die Rede von einem weiteren Sohn, den Fugaku und Mikoto Uchiha zurückgelassen hatten. Zum Zeitpunkt der Schießerei war er noch nicht volljährig gewesen, sodass man dem älteren Bruder das Sorgerecht für ihn übertragen hatte. Das könnte passen. Ihren Berechnungen zufolge war Sasuke gerade mal sechzehn Jahre alt gewesen, als der Vorfall passierte. Ihr Herz pochte schneller bei dem Gedanken daran, dass sie möglicherweise auf etwas gestoßen war.   „Seit wann interessierst du dich denn für Drogenkriege? Ist das der Grund warum du dich in letzter Zeit überhaupt nicht mehr blicken lässt?“   Erschrocken zuckte Sakura zusammen und drehte ruckartig den Kopf zur Seite, sodass sie ein leichtes Brennen in ihrem Nacken spürte.   „Ino, was machst du denn hier?“, fragte sie überrascht.   Ihre beste Freundin hatte die Hände in die Hüften gestemmt und sah sie vorwurfsvoll an.   „Du lässt mir ja gar keine andere Wahl“, schimpfte sie. „Man bekommt dich überhaupt nicht mehr zu Gesicht und du wagst es, dich noch als meine beste Freundin zu bezeichnen?“   Sakura wusste, dass sie es nicht ernst meinte und doch spürte sie einen kleinen schmerzhaften Stich in ihrem Herzen. Seit sie regelmäßig mit Naruto trainierte, hatte sie tatsächlich kaum noch Zeit für Ino gehabt und sie ständig mit irgendwelchen fadenscheinigen Ausreden abgespeist. Am liebsten wollte sie ihr einfach die Wahrheit erzählen und gleichzeitig hatte sie riesige Angst davor, dass Ino herausfinden könnte, was Sache war. Da es Sakura nie besonders lange gelang, etwas vor ihr geheim zu halten, war sie ihr schlichtweg aus dem Weg gegangen. Schuldbewusst senkte sie den Blick.   „Tut mir Leid“, murmelte sie entschuldigend. „Ich hab momentan einfach wahnsinnig viel für die Uni zu tun.“   Sakura betete, dass Ino ihr diese Lüge abkaufen würde. Sie war tatsächlich jemand, der durchaus mal für ein paar Tage abtauchen konnte, wenn Prüfungen anstanden, aber das Semester hatte erst begonnen und das wusste auch Ino.   „Für die Uni?“, wiederholte sie ungläubig. Ihre Stimme klang dabei laut und schrill und sie nahm keinerlei Rücksicht darauf, dass die Leute um sie herum alles hören konnten. „Lernt ihr seit Neustem, wie man einen Bandenkrieg anzettelt?“   Es war unüberhörbar, dass Ino ihr die Lüge nicht abkaufte und Sakura konnte ihre Skepsis durchaus nachvollziehen. Da half nur eins, volle Kraft voraus. Für einen Rückzieher war es jetzt zu spät. Zum Glück kannte Ino sich nicht sonderlich gut aus mit BWL und das Thema interessierte sie meistens auch nicht besonders.   „Nicht ganz. Wir befassen uns mit alternativen Organisationsformen und den daraus entstehenden Problemen für den Markt.“   Sakura zwang sich zu lächeln und Inos bohrenden Blick zu erwidern. Wenn ihre beste Freundin eine Lüge witterte, konnte sie noch furchteinflößender sein als Sasuke, und das sollte schon etwas heißen. Es war jedes Mal eine Tortur ihr Geschenk bis zu ihrem Geburtstag wirklich geheim zu halten, sodass es am Ende noch eine Überraschung war. Ino hatte so etwas wie einen unsichtbaren Radar für Dinge, die man vor ihr verbergen wollte. Sakura durfte sich auf keinen Fall etwas anmerken lassen, denn wenn sie etwas mitbekommen sollte, befand sie sich automatisch in Gefahr.   „Du lügst, Sakura Haruno“, sagte Ino schlicht und bohrte ihr den Zeigefinger in die Brust. „Da ist irgendetwas im Busch und ich weiß, dass du versuchst, es vor mir geheim zu halten.“   Sakura schluckte und verschränkte ihre Finger ineinander, um den Drang zu unterdrücken, ständig damit herumzuspielen. Sie konnte deutlich sehen, dass Ino verletzt war. Verletzt von der Tatsache, dass ihre beste Freundin ein Geheimnis vor ihr hatte und ihr deswegen eiskalt ins Gesicht log. Mehr noch, dass sie kaum noch Zeit für sie hatte und ihr offensichtlich aus dem Weg ging. Sakura hatte das Gefühl, mit jedem Atemzug mehr und mehr an ihrem schlechten Gewissen zu ersticken, doch sie konnte ihr einfach nicht die Wahrheit sagen.   „Ino“, begann sie. „Es tut mir wirklich leid. Es ist nur… es gibt da eine gewisse Veränderung in meinem Leben und die beansprucht momentan einfach meine Zeit.“   Plötzlich wurden Inos blaue Augen groß und begannen zu leuchten. Unwirsch schob sie die Tastatur beiseite hüpfte dann auf die Arbeitsplatte direkt vor Sakura, wobei sie fast den scheußlichen Kaffee umgekippt hätte. Mit ihren Händen packte sie fest Sakuras Oberarme und beugte sich dann weit nach vorne, um ihr direkt in die Augen sehen zu können.   „Warum hast du das nicht gleich gesagt?“, fragte sie mit einem bedrohlichen Grinsen und dieses Grinsen war dabei noch viel schlimmer als der enttäuschte Ausdruck, den sie zuvor gezeigt hatte. „Wie heißt er?“   Vollkommen überrumpelt weiteten sich Sakuras Augen.   „Wie heißt wer?“   Ino sah sie mit einem strengen Blick an, als wollte sie Sakura ermahnen, sie nicht für dumm zu verkaufen.   „Na der Typ, der dir so den Kopf verdreht hat.“   Hinter Sakuras Stirn begann es zu rattern. Allmählich wurde ihr klar, was für Schlüsse Ino aus ihrem Verhalten gezogen hatte und dass sie ihr damit unwissentlich die perfekte Ausrede geliefert hatte. Ungünstig war nur, dass sie nun einen Namen hören wollte und so wie Sakura ihre beste Freundin kannte, würde es nicht nur bei dem Namen bleiben. Sie musste sich schleunigst eine glaubwürdige Geschichte einfallen lassen, wenn sie noch auf den fahrenden Zug aufspringen wollte. So eine Gelegenheit würde sich nicht noch einmal bieten. Auch wenn es ihr wehtat, ihre beste Freundin belügen zu müssen, wusste sie, dass sie es nur zu deren eigenen Schutz tat. Das musste sie sich nur immer wieder vor Augen führen.   „Ist das denn so wichtig, wie er heißt?“   Es war ein schwacher Versuch, mit einer Gegenfrage den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, das war Sakura bewusst und doch fiel ihr gerade keine bessere Strategie ein, um Zeit zu schinden, bis sie sich einen Plan überlegt hatte.   „Also gibt es tatsächlich jemanden“, rief Ino mit funkelnden Augen.   Die Enttäuschung darüber, dass sie in den letzten Tagen so sehr vernachlässigt worden war, schien auf einen Schlag wie weggeblasen zu sein. Seit Sakura denken konnte, versuchte Ino bereits sie mit irgendeinem Kerl zu verkuppeln und war überzeugt davon, dass man als Frau alleine nicht glücklich sein konnte. Sie selbst war seit über zwei Jahren mit Darui zusammen, einem Model aus Kumogakure, das sie bei einem ihrer Shootings kennengelernt hatte. Sakura konnte den Kerl irgendwie nicht leiden, weil er auf sie sehr oberflächlich wirkte, aber Ino war ihm ganz und gar verfallen. Und solange Ino glücklich war, war Sakura es auch.   „Ich hab nicht gesagt, dass es jemanden gibt“, widersprach sie halbherzig und verschränkte die Arme vor der Brust.   Wenn Ino den Köder schlucken sollte, musste sie ihr die Informationen scheibchenweise geben.   „Sakura, du kannst vor mir einfach nichts geheim halten“, sprang Ino tatsächlich darauf an. „Denkst du mir ist nicht aufgefallen, dass du in letzter Zeit immer so müde bist. Der Kerl muss dich ja ganz schön auf Trab halten, wenn du in der Nacht nicht zum Schlafen kommst.“   Augenblicklich lief Sakura knallrot an. Der Kerl, der sie wirklich auf Trab hielt, war Sasuke und in diesem Zusammenhang wollte sie nun wirklich nicht an ihn denken. Schnell verscheuchte sie die Bilder, die vor ihrem inneren Auge aufgetaucht waren und presste Ino die Hand auf den Mund.   „Psst, nicht so laut“, fauchte sie. „Jeder hier kann uns hören.“   Tatsächlich waren einige Augenpaare auf sie gerichtet, die sich jetzt jedoch schnell wieder ihren Bildschirmen zuwandten. Ino hatte ein Talent dafür, die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu ziehen, was nicht zuletzt an ihrer lauten und durchdringenden Stimme lag. Allerdings hatte sie im Gegensatz zu Sakura auch kein Problem damit, wenn Leute sie anstarrten. Sie zog Sakuras Hand von ihrem Mund.   „Okay, folgender Deal“, begann sie verschwörerisch. „Ich halte die Klappe, wenn du mir dafür seinen Namen verrätst.“   In Sakuras Augen war das zwar kein Deal, sondern schlichtweg Erpressung, aber sie hatte das untrügerische Gefühl, dass es keinen Unterschied machen würde, wenn sie ihr das jetzt erklärte. Stattdessen brauchte sie so schnell wie möglich einen Namen. Einen Namen, der Ino möglichst nicht misstrauisch machen würde. Sasuke Uchiha fiel also schon mal raus. Es musste jemand sein, den sie nicht kannte und der ihr auch nicht bei der nächsten Gelegenheit zufällig über den Weg laufen würde. Trotzdem konnte sie nicht einfach so jemanden erfinden, der gar nicht existierte, das würde Ino merken.   Auf der Suche nach Antworten ließ sie ihren Blick hektisch durch die Bibliothek gleiten. Für Ino musste es so aussehen, als würde sie sich vergewissern, ob ihnen wirklich niemand zuhörte. Vor der Cafeteria tummelten sich mittlerweile die Leute, weil es dort im Gegensatz zum Automaten für ein paar Cent mehr ordentlichen Kaffee gab und außerdem auch ein paar kleinere Gerichte. Die Klapptafel neben der Tür verkündete wie jeden Tag das heutige Angebot. Ramen. Und plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Im Grunde genommen war es nicht einmal gelogen, wenn sie behauptete, dass er der Mann war, der ihre Zeit beanspruchte.   „Naruto“, antwortete Sakura schließlich. „Er heißt Naruto.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)