Magisch von -Moonshine- (Old Souls) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Shinji hatte ihr tatsächlich einen Großteil des Frühstücks übrig gelassen, was Natsuki überrascht feststellen musste. Sie hatte sich den Rest eingepackt, um ein bisschen früher zur Schule gehen zu können. Die Morgenzeit genoss sie immer sehr. Die Geschäftigkeit in den Straßen, die frische Luft, und die Zeit, die sie für sich selbst hatte, bevor der Alltag begann. Es machte ihr nichts aus, dass Shinji sie an einigen Tagen zur Schule begleitete. Meistens benahm er sich und sie unterhielten sich über Belangloses, oder sie neckten sich. Tatsächlich erwischte sie sich immer öfter dabei, wie sehr sie die Zeit morgens mit ihm genoss, und sie schob es darauf, dass sie beide noch entspannt waren, bevor der Tag sich entfalten konnte, und frei vom alltäglichen Stress. "Wie schaffst du es bloß immer, genau den richtigen Moment abzupassen, in dem Papa das Haus verlässt?", wollte Natsuki belustigt wissen. Shinji hielt ihr beiläufig die Eingangstür des Wohngebäudes auf, seinen Rucksack lässig über die Schulter geschwungen. "Ich bin eben ein Genie." Natsuki lachte laut auf. "Du bist kein Genie, nur größenwahnsinnig." Shinji nickte. "Das sind die besten Genies." Sie schüttelte amüsiert den Kopf. "Du bist so überzeugt von dir selbst. Hast du es schon mal mit Bescheidenheit versucht? Ich denke, das könnte dir gut stehen." Er blickte sie von der Seite an. "Ach so? Und ich dachte, ihr Mädchen steht auf selbstbewusste Männer?" Natsuki verzog zweifelnd das Gesicht. Es gefiel ihr nicht ganz, in welche Richtung sich dieses Gespräch entwickelte. "Ist das so?" "Sag du es mir, immerhin bist du eins." "Woher soll ich denn wissen, was andere Mädchen attraktiv finden? Ich bin schließlich kein Kollektiv, sondern eine einzelne Person." "Dann... sag mir, was du attraktiv findest", sagte Shinji leise mit dunkler Stimme. Natsuki lief ein Schauer über den Rücken und sie wich seinem Blick aus. Sie wollte dieses Gespräch beenden und so viel Abstand zwischen sich und Shinji bringen wie möglich, fühlte sich aber gleichzeitig von ihm angezogen, wenn er so mit ihr sprach. Sie schluckte. "Das, äh..." "Da sind wir", unterbrach Shinji sie und nickte mit dem Kopf Richtung Schulgebäude. Obwohl er sie oft in peinliche Situationen brachte, ließ er sie dennoch nie lange zappeln. Sie atmete etwas auf. "Deine Freunde warten schon." Natsuki folgte seinem Blick und winkte Sarah und Taki zu - Zwillinge und ihre besten Freunde -, die zu ihr hinüberschauten. Taki drehte sich demonstrativ weg - er konnte Shinji nicht ausstehen -, aber Sarah kam fröhlich zu ihnen herübergelaufen. "Guten Morgen", flötete sie. "Hallo Shinji." Sie drängte sich zwischen Natsuki und Shinji und hakte sich mit jeweils einem Arm bei beiden ein. "Worüber habt ihr so angeregt geredet eben?" Natsuki stöhnte innerlich auf. Sie wollte dieses Thema wirklich nicht hier in Anwesenheit von Sarah und Taki ausbreiten, und eigentlich auch überhaupt nicht darüber reden. "Nichts", presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und beschwor alle Götter - oder Geister, oder wasauchimmer -, ihr beizustehen. Vergeblich. "Ich hatte Natsuki gerade gefragt, was sie an einem Mann attraktiv findet", erklärte Shinji freimütig - und mit Sicherheit auch, weil er ihr eins auswischen wollte. Oder sie in Verlegenheit bringen wollte. Oder... wasauchimmer! Sarah kicherte. "Tja, ich will dich nicht enttäuschen, aber für Natsuki gibt es nur den mysteriösen Unbekannten aus ihren Träumen." Natsuki schloss vor lauter Qual die Augen und spürte, wie ihre Wangen zu brennen anfingen. Danke, Sarah - möglicherweise-nicht-mehr-beste-Freundin. Shinji sah sie forschend an, doch sie vermied seinen Blick. "Noch immer dieser mysteriöse Kerl", seufzte er theatralisch. "Dabei hast du ihn schon lange nicht mehr erwähnt." Da er diese Aussage an Natsuki direkt richtete, war sie ihm wohl oder übel eine Antwort schuldig. "Das ist gar nicht so", murmelte sie peinlich berührt. "Ich..." "Da hast du wohl keine Chance", unterbrach Sarah sie fröhlich, sprach aber wieder mit Shinji, und zwinkerte ihm zu Natsukis Entsetzen sogar zu! "Du solltest stattdessen mich um ein Date bitten." Empört schaute Natsuki auf und betrachtete die Szene verwirrt. Zu allem Überfluss grinste Shinji Sarah schief an. "Ich werd es mir überlegen." Diese sah ihn beschwörend an. "Oder", schlug sie vor, "du könntest auch einfach das Gegenstück zu Natsukis schwarzem Ohrring finden - vielleicht wärst du dann deinem Ziel näher?" Natsuki gefiel die Intensität der Blicke, die die beiden austauschten, überhaupt nicht. Sie schnaubte laut. "Entschuldigung? Ich bin noch hier!" Sarah lachte gleichmütig. "Entschuldige, wir albern doch nur herum. Sollen wir zu Taki rübergehen, bevor ihm roter Rauch aus den Ohren kommt?" Natsuki nickte, immer noch leicht beschämt und verwirrt. Sie sah Shinji an und er sie. "Bis dann", murmelte sie ungewohnt schüchtern. "Danke fürs Begleiten." Auch Sarah verabschiedete sich, stets gut gelaunt. Er nickte knapp. "Klar. Macht's gut." Als sie genügend Abstand zwischen sich und Shinji gebracht hatten und Natsuki sich sicher war, dass er sie nicht mehr würde hören können, blieb sie stehen, griff nach Sarah's Arm und wandte sich ihrer besten Freundin zu. "Was sollte das denn?", wollte sie empört wissen. "Wieso plauderst du alles aus, was ich dir jemals erzählt habe?" Sarah sah kein bisschen beleidigt aus. "Tut mir leid. Ich war mir sicher, Shinji weiß von deiner Schwärmerei für diesen Traummann. Und na ja, ehrlich gesagt tut er mir leid. Er bemüht sich wirklich. Er hat sogar schon aufgehört, dich ständig zu belästigen, aber du gibst ihm noch immer keine Chance." Taki, der sich mittlerweile wieder zu ihnen gesellt hatte, äugte misstrauisch in die Richtung, in die Shinji gegangen war, und wandte sich dann ab. "Bist du sowieso nicht zu jung für ihn?", wollte er wissen. Taki stichelte gegen Shinji, wann immer er die Gelegenheit dazu fand. Nur in Shinji's Gegenwart war er etwas sparsamer mit seinen gehässigen Kommentaren, was vermutlich daran lag, dass Shinji vier Jahre älter war und ihn lässig in die Tasche stecken konnte. "Ich bin gar nicht-" "Unsinn! Jedes Mädchen braucht einen älteren Freund. Ihr Gleichaltrigen seid viel zu unreif. Ihr lacht ja noch darüber, wenn jemand einen Unterarmpups macht!", antwortete Sarah statt Natsuki und bohrte ihren Finger anklagend in Taki's Brust, der sie mit einem genervten Blick bedachte und ihre Hand wegwischte. "Was auch immer", murmelte er schlecht gelaunt. "Natsuki kann doch für sich selbst entscheiden. Und wenn sie Shinji nicht will, dann muss er sich damit abfinden, und du auch. Gehen wir jetzt rein?" "Er ist heute mit dem falschen Fuß aufgestanden", flüsterte Sarah Natsuki zu, als sie in einigem Abstand zu ihrem Bruder in Richtung Schulgebäude gingen. "Was ist jetzt mit Shinji? Willst du ihm nicht langsam eine Chance geben? Er wird nicht immer verfügbar sein, weißt du?" "Darum geht es doch gar nicht", verteidigte Natsuki sich hilflos. Aber worum es ging, das wusste sie auch nicht genau. "Shinji ist nur... ein guter Freund." "So einen 'nur' Freund hätte ich aber gerne", spöttelte ihre Freundin. "Er sieht gut aus und ist zudem ein Genie. Was willst du mehr?" Natsuki verdrehte genervt die Augen. Hatten denn all ihre Mitmenschen eine Art Wahrnehmungsstörung entwickelt heute Morgen? "Er ist kein Genie! Er spielt lediglich gut Basketball und das war's!" "Aber", nickte Sarah, als hätte Natsuki ihre Theorie geradezu bestätigt, "darin ist er ziemlich genial." Ein paar Meter vor ihnen schnaubte Taki, ohne sich zu ihnen umzudrehen. "Habt ihr Hühner auch ein anderes Thema auf Lager als diesen Möchtegern-Casanova?", rief er ihnen mit Verachtung zu. "Durchschnittsspiel, höchstens", murmelte er dann, aber laut genug, dass die Mädchen es hören konnten. "Achte nicht auf ihn", wisperte Sarah nun noch leiser. "Er ist immer noch pikiert wegen deiner Abfuhr letzten Sommer. Aber bezüglich deines unbekannten Helden? Ich hab Neuigkeiten! So etwas gibt es nur im Märchen. Shinji hingegen ist real, und er ist hier, zum Greifen nahe." Ernüchtert von den Worten ihrer Freundin wandte Natsuki sich ab und blickte nachdenklich auf ihre Schuhspitzen, die mal links, mal rechts von unter ihr her auftauchten. Sarah wusste ja gar nicht, wie sehr sie mit ihrer Behauptung ins Schwarze getroffen hatte. Der große Unbekannte. Wer war er nur? Und warum war anscheinend sie diejenige, die dazu auserkoren war, ständig von ihm zu träumen? War er wirklich der Grund dafür, warum sie scheinbar kein Interesse an anderen hatte? Sie schüttelte den Gedanken ab. "Warum interessiert dich das überhaupt?", wollte Natsuki nicht zum ersten Mal wissen. "Er tut mir einfach leid", wiederholte Sarah und machte ein Gesicht, als spräche sie von einem herrenlosen, streunenden Hund. "Und du magst ihn doch auch. Oder?" Natsuki wand sich ein bisschen. "Vermutlich", gab sie dann geschlagen zu. "Ha! Ich habe dein Gesicht gesehen, als ich ihm vorgeschlagen habe, mich um ein Date zu bitten." Sarah sah ziemlich zufrieden aus mit sich selbst. "Na also. Worauf wartest du dann noch?" Ich warte auf Klarheit, sagte Natsuki sich mit einem mulmigen Gefühl. Was war, wenn da draußen noch jemand anderes auf sie wartete...? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)