Taichis bester Freund von Idris (Taito) ================================================================================ Kapitel 11: Matt und die Regeln des Homo-Kamasutras --------------------------------------------------- Vielen, vielen Dank für die wunderbaren Kommentare, die ihr mir geschrieben habt!! ^_____^ *euch allen einen Keks schenk* Da mich so viele gefragt haben, hier nochmal meine ganz offizielle Stellungnahme: Nein, TbF ist noch nicht fertig und wenn es nach mir geht, ist es das auch noch eine ganze Weile nicht. ^_~ D.h., das hängt natürlich auch davon ab wieviele das überhaupt nach diesem Teil noch lesen wollen. *drop* Gewidmet ist das Kapitel diesmal meinem tollen Käpt'n Tsutsumi. =) Und all den wunderbaren Menschen, die so liebe Empfehlungen zu Tbf geschrieben haben. ^__^ *** Ich muss irgendwann eingeschlafen sein. Denn meine nächste klare Erinnerung war, dass ich in Taichis Bett hochschreckte und im dämmrigen Halbschlaf mitbekam wie unten die Tür aufgeschlossen wurde. Waren das seine Eltern? Kamen die etwa schon nachhause? Blasse Sonnenstrahlen schoben sich durch die Spalten in seiner Jalousie und tauchten das morgendliche Grau seines Zimmers in ein mattes Dämmerlicht. Ich war mir nicht sicher, wie wir überhaupt in sein Zimmer gekommen waren, aber wir lagen inzwischen chaotisch ausgestreckt auf seinem Bett, so als ob wir uns einfach nur erschöpft hatten hineinfallen lassen, unsere Gliedmaßen kreuz und quer über- und untereinander verwickelt. Obwohl wir auf der Decke lagen war es warm und kuschelig, denn sein Körper verströmte soviel Wärme wie ein kleiner Ofen. Sein Arm lag um meine Taille und ich bemühte mich ihn nicht zu wecken, als ich mich vorsichtig zur Bettkante drehte. Ein erschöpfter Blick aus halb geschlossenen Lidern auf seinen Digitalwecker verriet mir, das es grade mal sieben Uhr war und ich also nicht mehr, als höchstens zwei kümmerliche Stunden Schlaf gehabt hatte. Wie erfrischend. Ich drehte mich wieder zurück und einen Moment lang, als ich sein schlafendes Gesicht betrachtete war die Versuchung mich zurück an ihn zu kuscheln und weiterzupennen so groß wie nie zuvor. Obwohl es so verdammt früh am morgen war, mein Kopf dröhnte, als hätte ich eine mittelgroße Blaskapelle im Schädel und mein Körper schmerzte, dass ich kaum noch wusste wohin damit, brachte mich sein Anblick zum lächeln. Gott, er sah so unglaublich ... unglaublich süß aus! Er lag entspannt auf der Seite, sein Gesicht zu mir gewandt und weiche, zerwuschelte Haarsträhnen fielen tief in sein Gesicht und seine langen, fast schwarzen Wimpern malten zarte Schatten auf seine Wangen. Seine sich langsam hebende und senkende Brust und sein warmer Körper boten geradezu die ultimative Einladung sich wieder zurück an in seine offenen Arme zu schmiegen, die Augen noch einmal zu schließen und sich von dem gleichmäßigen Pochen seines Herzschlages wieder in den Schlaf lullen zu lassen. Was mich letztlich dazu trieb doch noch aufzustehen, konnte ich mir selbst kaum erklären. Vielleicht lag es daran, dass ich ohnehin schon genug Fehlstunden hatte, die sich mal wieder nicht grade positiv auf meinen Noten auswirken würden. Und vielleicht lag es an dem ernstes, geradezu besorgte Blick meines Vaters gestern Abend, als ich ihm erklärt hatte, dass ich heute schwänzen würde ... und scheiße, er kam mit erstaunlicher Hartnäckigkeit immer wieder zurück in mein Bewusstsein. Ich wollte nicht, dass sich mein Vater zu viele Gedanken um mich machte. Und ich wollte nicht, dass er jemals, jemals wieder zu einem Elterngespräch musste, an dem er sich anhören musste, dass er mir als allein erziehender Vater vielleicht nicht alles geben konnte und dass mir wohl einfach eine Mutter fehlte ... So vorsichtig es ging schob ich mich unter Taichis Arm zur Bettkante und stand auf. Ich war zum Glück schon auf halbem Weg ins Bad, als mein Magen plötzlich rebellierte und ich die letzten Meter in beschleunigtem Tempo zurücklegte. Keuchend landete ich über der Kloschüssel und versuchte ruhig zu atmen. Oh bitte, das jetzt nicht auch noch ... Keine Ahnung, ob es gut oder schlecht war, aber mein Magen beruhigte sich langsam wieder etwas, während ich auf dem kalten Boden kniete und versuchte an alles, nur nicht an Alkohol zu denken, nur damit es mir nur nicht hochkam. Notiz an selbst: Nie wieder soviel trinken! Nie wieder irgendetwas trinken. Nachdem ich eine halbe Stunde unter abwechselnd kochend heißem und viel zu kalten Wasser gestanden hatte und meine Haare mit "der belebenden Kraft aus Orange und Minze" gewaschen hatte (was mir laut der Werbung nicht nur kraftvolleres, gesund glänzendes Haar garantierte, sondern auch einen schicken Wagen mit einer dümmlich grinsenden Blondine auf dem Beifahrersitz) war ich soweit wieder wach, dass ich in der Lage war in Taichis Zimmer zurückzukehren und mir etwas von seinen Klamotten auszuleihen. Da mussten doch noch ein paar Sachen sein aus denen er schon herausgewachsen war und die mir noch passen würden. Tatsächlich fand ich eine dunkelblaue Jeans, die halbwegs gut an mir aussah und ein olivgrünes T-Shirt, das nur unwesentlich zu weit war. Mit hochrotem Gesicht und ohne genau hinzusehen, wühlte ich schließlich in seinen Boxershorts herum um mir ein Paar zu angeln. Es waren enge hotpants-ähnliche Dinger, wie ich sie meistens trug, dunkelblau und schwarz und ich konnte nicht verhindern, dass ich mir automatisch vorstellte wie Taichi darin aussah, während ich sie überstreifte. Ich sage es nur ungern, aber ... Taichi Yagami hatte den süßesten kleinen Knackarsch, den die Welt je gesehen hat. Ehrlich! Ich war wirklich nicht voreingenommen. Es lag bestimmt am Fußball, da musste irgendwas dran sein ... Und allein ihn mir in diesen Hosen vorzustellen ... //Nein// dachte ich entgeistert //nein, das ist jetzt überhaupt keine gute Gelegenheit um eine Morgenlatte zu bekommen, Matt!// Ich war entsetzt, dass ich auch nur daran dachte, aber andererseits ... verdammt ... andererseits war er doch ... waren wir doch jetzt ... Argh, Sitz! Platz! Aus! Was soll ich sagen ... ich war einfach sehr empfindlich morgens. Empfindlich im Sinne von ... besonders sensibel und empfänglich was DAS anging. Ich weiß dass es abartig war, aber ich war nun mal in jeder Hinsicht ein Morgenmensch und meine Hormone bildeten da leider keine Ausnahme. Ich war 16 Jahre, jung und von notgeilen Aliens besessen, so sah es aus. Das hatte ich mir ja auch nicht ausgesucht. Mit zusammengebissenen Zähnen und jedem bisschen Willenskraft, dass ich besaß, hielt ich mich zurück und zog mich fertig an. Danach tappte ich auf bloßen Füssen zu seinem Schreibtisch und kramte nach einem Zettel in dem Chaos, das bei ihm herrschte. Immerhin wäre es nicht nett jetzt einfach wortlos zu verschwinden ... nicht unter diesen ganz besonderen Umständen. Er sollte nicht denken, dass es mir leid tat was gestern Abend passiert war oder dass ich es ungeschehen machen wollte oder sonst irgendetwas absolut komplett überhaupt nicht zutreffendes. Mit angezogenen Beinen kauerte ich auf seinem Schreibtischstuhl und starrte seine schlafende Gestalt auf Bett an, während ich an seinem neonfarbenen Blink-Kugelschreiber kaute und nicht wusste was und wie ich schreiben sollte. >Hey Tai < fing ich schließlich an. Harmlos genug. > Sorry, ich habe mir ein paar von deinen Sachen geliehen. < Meine Schrift sah seltsam krakelig und ungelenk aus, was ich darauf schob, dass es noch so früh am morgen und meine Finger noch steif waren. Vielleicht hätte ich meiner rechten Hand eben doch ein paar Aufwärmübungen gönnen sollen ... Wieso, wieso war ich nur mit dem Fluch der pubertären Männlichkeit belegt?? Was hatte ich denn getan? Obwohl nein ... Moment ... Ich konnte die Glühbirne, die über meinem Kopf auftauchte förmlich sehen. Dafür konnte ich ja gar nichts. Ich konnte das immerhin alles auf die Aliens schieben, die sich in meinem Körper eingenistet hatten. Hah! Halbwegs befriedigt mit dieser Vorstellung schrieb ich weiter. > Ich glaube, deine Eltern sind vorhin nachhause gekommen. Hat sich zumindest so angehört. Aber da von unten noch keine Entsetzensschreie gekommen sind, denke ich, dass wir unsere Sache wohl ganz gut gemacht haben. Du wirst vermutlich noch eine Weile weiterleben. *grins* Wir sehen uns nachher in der Schule. < Ich zögerte unentschlossen und ließ den Stift über dem Papier schweben, nicht sicher wie ich enden sollte. Eigentlich wollte ich etwas anderes schreiben, aber nach kurzer Überlegung setzte ich ein knappes > Bye, Matt. < darunter. Es klang irgendwie kühl und nüchtern und das war überhaupt nicht meine Absicht. Aber was zum Teufel hätte ich schreiben sollen? Küsse, Herzchen und so ein Mist war doch nur was für Mädchen. Unwillkürlich wanderte mein Blick zurück zu seiner friedlich schlafenden Gestalt auf dem Bett und mein Herz fing beinah sofort an schneller zu klopfen, als hätte es einen eigenen extra auf Taichi abgestimmten und nur für ihn bestimmten Rhythmus. Er lag ausgebreitet über das ganze Bett verteilt, Arme und Beine von sich gestreckt und sein Gesicht tief in das Kissen gekuschelt. Vielleicht waren Küsse und Herzchen doch nicht so unangebracht ... Ich ließ den Zettel sinken und tappte so leise es ging zu ihm. Direkt neben seinem Bett ging ich in die Knie, die Arme neben ihm abgestützt und starrte ihn an. Taichi ... mein Taichi ... War es denn meiner? Ich war nicht sicher ... Es fühlte sich so an. Als ob er schon immer mein Taichi gewesen war. Ein Teil von mir, ohne den ich nicht leben konnte und der immer fehlte, wenn er nicht da war. Als ob ich einfach nicht komplett war ohne ihn. So vorsichtig, als bewegte ich mich auf rohen Eier glitt ich neben ihn aufs Bett, rutschte durch die zerwühlten Bettdeckenmassen so lange näher zu ihm, bis unsere Nasenspitzen nur noch Millimeter voneinander entfernt waren und ich sein ruhiges, entspanntes Gesicht direkt vor mir hatte. Warmer, süßer Taichi-Geruch hing noch schwach über den Laken und brachte mich dazu tief ein und auszuatmen. Fasziniert betrachtete ich ihn, ließ meine Blicke sehnsüchtig über seine geschlossenen Augen mit den beinah mädchenhaft langen Wimpern und den leicht geöffneten Mund wandern und fragte mich wie es möglich war einen einzigen Menschen so unglaublich lieb zu haben. Ich hätte Stunden und Stunden einfach nur bei ihm liegen und dabei zusehen können, wie seine Brust sich langsam hob und senkte. Mit klopfendem Herzen neigte ich mein Gesicht noch etwas mehr zu seinem. Sein warmer Atem streifte meine Lippen, als ich sie vorsichtig und beinah schüchtern auf seine senkte und ihn sanft küsste. Auch wenn mein Körper eine Sehnsucht nach mehr hatte, hielt ich mich zurück und beließ es bei einer kurzen, zarten Berührung um ihn nicht zu wecken. Der einzigartige, unverkennbare Taichi-Geschmack blieb auf meinen Lippen haften, auch als mich schon wieder von ihm löste und so leise wie möglich wieder aufstand. Ich konnte nicht das Geringste gegen das überirdisch breite Grinsen machen, dass sich auf meinem Gesicht ausbreitete, als hätte man mir einen Kleiderbügel zwischen die Lippen gesteckt. Ob ich diesen Geschmack irgendwie konservieren konnte, so lange bis wir uns heute Nachmittag wieder sahen? Wie sollte ich nur überleben bis dahin? Und dann, dann musste er mich definitiv noch einmal küssen ... PS: < schrieb ich unter meine Notiz, bevor ich sie direkt neben ihm auf das Kopfkissen legte > Du siehst süß aus, wenn du schläfst. < Und dann PPS: Du schuldest mir einen Kuss ... < ~*~*~ Irgendwie gelang es mir auf meinem Weg nach draußen seinen Eltern auszuweichen, was mehr als gut war, denn ehrlich gesagt wusste ich nicht wie ich ihnen jemals wieder in die Augen sehen sollte, nach dem ich grade dabei war mich Hals über Kopf in ihren einzigen Sohn zu verlieben und ihn zu schwulifizieren. (Gab es das Wort? Oder hieß es vielleicht verschwult? Verschwuchtelt? Ich war nicht ganz sicher.) Ich wusste ehrlich gesagt überhaupt nicht wie das mit uns jetzt weitergehen sollte. In keinem der Filme die ich gesehen hatte (allerdings hatte ich bisher auch nicht grade viele Liebesfilme gesehen) wurden diese Probleme ausreichend thematisiert. Zwei Menschen trafen sich, verliebten sich, dann kam die große Frage, ob sie sich kriegten oder nicht, dann kam der Kuss oder der Sex oder beides und dann ... Irgendwie schien immer einer oder sogar beide vorher den Löffel abzugeben bevor es zu ernsthaften Beziehungsproblemen kommen konnte, zumindest soweit meine Erinnerung da korrekt war. Oder war das vielleicht nur grundsätzlich in Filmen so, in denen Leonardo DiCaprio mitspielte? Der hatte sich ja nie Gedanken machen müssen, wie es jetzt mit ihm und Kate Winslet weitergehen würde, denn zack war schon der Eisberg da und die beiden hatten andere Probleme. Aber was machten die ganzen Menschen ohne Eisberg? Während ich also in halsbrecherischem Tempo auf dem Fahrrad zur Schule kurvte, war genau das das einzige Thema was mich beschäftigte. Das und meine mit jedem Tritt immer mehr schmerzenden Beine. Au, au, au ... iergs, mir taten langsam Stellen weh, bei denen ich nicht mal sicher war, ob ich da Muskeln hatte! Aber ich sollte mich nicht über solche Trivialitäten beschweren, wo ich wirklich andere Probleme hatte. Probleme, an die ich wenige Minuten zuvor in der wonnigen Atmosphäre in Taichis Zimmer noch nicht einmal gedacht hatte. Immer wenn ich mit zusammen war, dann war alles so leicht, geradezu aufdringlich einfach und einleuchtend. Ich wollte ihn küssen, er wollte mich küssen, die Aliens wollten in der Besenkammer verführen - bingo! Aber ohne ihn ... Ich fühlte mich so verloren ohne ihn. Ich konnte nicht aufhören nachzudenken, konnte nicht aufhören mir über alles mögliche Gedanken zu machen und mich zu sorgen wie es jetzt weitergehen würde. Was wenn Taichi aufwachte und sich an nichts mehr erinnerte? Was wenn er mir übel nahm, dass wir uns geküsst hatten? Was wenn alles was gestern Abend passiert war, nur ein irrer Traum von mir gewesen war, ausgelöst durch zuviel Alkohol und Ryos blödes Gequatsche? Was wenn nicht? Was wenn seine Eltern es herausfanden? Was wenn mein Vater es herausfand? Was wenn seine Fußballmannschaft es herausfand? Was wenn wir wirklich ein Paar waren und uns irgendwann hassen würden? Müssten wir uns dann trennen? Könnten wir dann noch mal Freunde werden? Würde ich aufhören müssen sein bester Freund zu sein nur weil ich ihn verliebt war? Was war wenn Taichi irgendwann mehr wollte als küssen? Was wenn ich irgendwann mehr wollte als küssen? Was war wenn ... IEKS!! Oh scheiße, das war ein Laster. Ich hörte meine eigenen Reifen schauderhaft schrill aufquietschen, während ich mit durchgedrückter Bremse quer über den Asphalt schliddernd zum stehen kam. Mit untertellergroßen Augen starrte ich auf die riesige Kühlerhaube, die ich direkt vor der Nase hatte und der ungefähr fünf Zentimeter vor meinem Vorderreifen grade noch mal abgebremst hatte. "Pass doch auf wo du hinfährst, du Lümmel!" wurde mir von der Fahrerkabine zugebrüllt. "'Tschuldigung", hauchte ich leichenblass und schluckte. Oh Gott, ich sollte nicht mitten im Straßenverkehr soviel an Taichi Yagami denken, wenn ich meinen 17. Geburtstag noch erleben wollte. Ich konnte bei näherer Betrachtung sowieso nicht fassen, dass ich überhaupt schon so weit gedacht hatte. Wir hatten einen einzigen Kuss ... na ja, zwei ... bisher ausgetauscht und ich machte mir schon Gedanken über unser Sexleben, unsere Trennung und ob wir nach der Scheidung noch Freunde sein würde ... war ich eigentlich bescheuert? Es war alles in allem ein Wunder, dass ich heil und in einem Stück bei der Schule ankam. Nun ja, heil, abgesehen davon, dass mir immer noch schlecht war und ich nicht sicher war wie ich es schaffen sollte zwei Stunden auf diesen unerträglich harten Stühlen im Musikunterricht zu sitzen ohne vor Schmerzen zu Jaulen. Scheiße ... nie wieder Fußball. Eigentlich komisch wie viele Dinge ich in den letzten zwei Tagen alles getan hatte, die ich definitiv nie wieder tun würde. Wodka pur trinken, Fußball spielen, Klamotten in einer anderen Farbe als schwarz zu tragen, mit Irren wie Ryo reden ... und alles nur damit Taichi mich mochte und weiterhin mein bester Freund blieb. "MATT! Was machst du denn so früh hier?" Ich erstarrte mitten in der Bewegung, das Fahrradschloss in der einen Hand, der Schlüssel in der anderen. Diese Stimme ... diese abartig gute Laune ... oh nein. Das durfte doch nicht ... das konnte doch nur ... womit hatte ich das denn wieder verdient? "Das ist toll - ich habe gar nicht erwartet, dass du heute kommst!" Ryo schlug mir mit so viel Enthusiasmus auf den Rücken, dass ich röchelnd zusammenklappte und mich grade noch an meinem Lenker festhalten konnte. In Zeitlupentempo drehte ich mich zu ihm um und funkelte ihn wortlos an. "Was ist denn mit dir los?" Er legte den Kopf schief und betrachtete mich fragend. "Du siehst ja furchtbar aus. Nicht viel geschlafen, was?" Er konnte doch unmöglich viel mehr geschlafen habe, als ich. Wieso war er also so verdammt wach und so verdammt gut gelaunt? Ich war ja selbst eher ein Morgenmensch, womit Taichi mich immer aufzog ... aber nicht mal ich war dermaßen abartig. Das war pervers! Geradezu widerlich diese gute Laune. "Wieso zum Teufel bist DU hier?" knurrte ich missgelaunt und befestigte den Schlüssel zu meinem Fahrrad an meiner, oder besser Taichis Hose. "Ihr habt doch heute frei." Was bei näherer Betrachtung schon unfair genug war ... nur damit sie heute Nachmittag ihr blödes Sondertraining halten konnten und die Schule morgen wieder den begehrten Pokal gewann. Obwohl ich mir nicht erklären konnte wieso irgendjemand so scharf auf diesen überdimensionalen, abscheulichen Pott sein sollte. "Na ja, ich dachte es macht vielleicht keinen guten Eindruck direkt in meiner ersten Woche schon zu fehlen", strahlte er mit der absurd guten Laune, die so durch und durch charakteristisch für ihn war. "Außerdem bin ich bisher ja auch nur Auswechselspieler und komme morgen garantiert nicht mehr als fünf Minuten aufs Feld. Sag mal wieso hast du keine Schuluniform an?" wechselte er übergangslos und mit anklagendem Blick das Thema, während er gleichzeitig erfolglos an seinem Kragen zerrte. Man sah ihm an, dass er sich in seinen Sportklamotten definitiv wohler fühlte. Nun ja - niemand, der nicht farbenblind war, konnte sich in diesem Folterinstrument, genannt unsere Schuluniform auch nur halbwegs wohl fühlen. Ich litt jedes Mal Höllenqualen, wenn ich sie tragen musste, denn der gruselige Grün-Ton stand mir überhaupt nicht. Mein Glück, dass ich sie heute "vergessen" hatte. "Gibt höchstens einen Eintrag und einen Tadel", sagte ich und zuckte mit den Schultern. "Danke für den Tipp ... scheiße, die an die meiner alten Schule sah wesentlich besser aus." Ich verdrehte die Augen und versuchte ihn auf dem Weg über den erstaunlich leeren Schulhof abzuhängen. Natürlich erfolglos. Er pappte an mir wie ein alter Kaugummi und textete mich voll, während ich mich leider durch meine schmerzenden Beine nicht so schnell aus dem Staub machen konnte wie sonst. "Was ist eigentlich mit dir los? Alles okay?" fragte er und musterte mich neugierig von oben nach unten, während wir unseren Aufgang erreicht hatten und die Treppe hoch liefen. Rechts und links neben uns schubsten und drängelten Schüler nach oben, die offenbar gar nicht schnell genug in ihre Klassen kommen konnten. "Du läufst so komisch." Vermutlich ging ich tatsächlich irgendwie eckig. Ich versuchte auf jeden Fall behutsamer aufzutreten als sonst um meine angespannten und schmerzenden Beine nicht unnötig mehr zu belasten. Gott, ich brauchte mehr Bewegung, ehrlich ... es war ja nicht zu fassen, dass mich so ein lächerliches Fußballtraining schon so fertig machte. Ob Taichi mal mit mir trainierte? Ob er auch noch mal oben ohne mit mir trainierte ...? Wir könnten auch andere Sachen trainieren als Fußball ... Ich war grade dabei anzusetzen Ryo zu erklären, dass ich einfach nur Muskelkater von seinem blöden Sport hatte, als der plötzlich aufquietschte wie ein kleines Ferkel und mich mit weit aufgerissenen Augen an der Schulter packte. "Oh mein Gott!!" brüllte er und starrte mich mit einer Mischung aus Begeisterung und Entsetzen an. "Sag nicht, du und Yagami hattet gestern Nacht noch leidenschaftlichen, Schweiß treibenden Sex und ich weiß nichts davon?!" Stille. Ungefähr zweihundert Köpfe (es kam mir vor wie zweitausend) flogen gleichzeitig in unsere Richtung und starrten uns an. Besser gesagt starrten MICH an. Sämtliches Blut, das ich im Körper hatte, schoss absolut synchron hoch in meinen Kopf und ließ mein Gesicht so heiß anlaufen, dass man ein Spiegelei auf meiner Stirn hätte braten können. Tausend Sachen schossen gleichzeitig durch meinen Kopf. Ich fragte mich, ob es medizinisch möglich war an schierer Peinlichkeit zu sterben. Ich fragte mich, ob es denkbar war mitten im Schuljahr die Schule zu wechseln ... nach Taiwan. Und ich fragte mich wie viele Jahre auf Bewährung ich bekommen würde, wenn ich Ryo jetzt umbrachte. Es musste doch vor jedem Gericht absolutes Verständnis finden, wenn ich ihn jetzt auf der Stelle mit meinem Zirkel erstach. Das war reine, absolute Notwehr. "Wieso sagst du nichts?" drängte er, völlig unberührt davon, dass er grade mein Leben zerstört und Taichis Ruf ruiniert hatte. "Stimmt es etwa?! Oh Gott - ich habe recht, oder? Ihr HATTET ..." "Schnauze!!" zischte ich mit hochrotem Kopf und packte ihn am Kragen. "Wieso brüllst du nicht noch lauter - ich bin sicher ein paar Leute in Tokio haben dich noch nicht verstanden!" Meine Hand in sein Hemd verkrallt und ohne Rücksicht auf Verluste, zerrte ich ihn mit mir, was er zu seinem Glück widerstandslos geschehen ließ. Irritierte Blicke begleiteten uns, als ich ihn so schnell, dass es staubte hinter mir herschleifte. Ich wich ihnen mit glühendem Gesicht aus und hastete so schnell es ging an neugierigen und mehr als interessierten Gesichtern vorbei. Da, links ... in dem Raum war um diese Zeit noch keine Klasse. Ohne nachzudenken, riss ich die Tür auf und schubste ihn hinein, mich mit Dampf aus den Ohren quellend und funkelnden Augen vor ihm aufbauend. "HAST DU SIE NOCH ...?!!" setzte ich an, kam aber nicht sonderlich weit. "Oh. Heißt das nein?" fragte er mit bedauernden Tonfall. Was für ein Schnellmerker! "Natürlich heißt das nein!!" Verständnisvoll schüttelte er den Kopf und sah mich mitfühlend an. "Ach so ist das. Na ja, ich kann verstehen, wenn du deshalb frustriert bist." "FRUSTRIERT?!" japste ich. Und fragte mich wie frustriert er sein würde, wenn ich erstmal mit ihm fertig war und man seine kümmerlichen Reste vom Boden aufwischen konnte. Wieso sollte ich frustriert sein? Ich war nicht frustriert! "Ich will trotzdem alles wissen!" fuhr er fort, vollkommen unberührt von der Lebensgefahr in der er grade schwebte. Im Gegenteil, er klang beinah vorwurfsvoll, dass ich ihm nicht sofort einen umfassenden, sechsseitigen Bericht mit Durchschlag und amtlicher Beglaubigung gereicht hatte über sämtliche Vorgänge der letzten Nacht. "Und erzähl mir nicht, dass da gar nichts war zwischen euch!" "Spinnst du?" fauchte ich. "Nein da war nichts!! Was erwartest du denn? Dass Taichi aus seiner Schreibtischschublade mal so eben eine Tube Gleitgel, Handschellen und Schlagsahne zaubert und wir verlustieren uns für den Rest der Nacht mit dem Homo-Kamasutra?!" "Homo-Kamasutra?" Ryo lehnte vor Lachen an einem Pult und ich errötete leicht. "Gefällt mir ... vielleicht sollte das mal jemand schreiben." Ich will nicht behaupten, dass ich gar nicht daran gedacht hätte ... also nicht an die Sache mit den Schlagsahne und dem Homo-Kamasutra, so pervers war nicht mal ich, aber eben so allgemein daran gedacht. Daran wie es wohl sein würde mit Taichi ... Immerhin ... war da dieser Kuss ... und dieses heiße, kribbelige Gefühl in meinem Bauch als er sich so dicht an mich geschmiegt hatte, das sich irgendwie immer weiter in meinem Körper ausgebreitet hatte ... nach oben und nach unten... Er hatte sich so unglaublich gut angefühlt. Würde sich alles so gut anfühlen, was er und ich zusammen machen könnten? Trotzdem ... ich hatte Schiss. Diese ganze mysteriöse Sex-Sache, über die alle immer so viel Aufhebens machten und über die einige Leute mit wissendem, herablassenden Lächeln redeten und so taten, als ob es eine Schande wäre, wenn man es nicht schon mindestens mit fünfzehn verschiedenen Menschen an fünfzehn verschiedenen Orten in tausend verschiedenen Stellungen getan hatte, am besten immer mit drei Leuten gleichzeitig und einem Hund. Mir war das alles nicht geheuer. So wie sie das schilderten, klang das immer mehr nach Arbeit und Anstrengung als nach Spaß und Leidenschaft. Inzwischen war ich nicht sicher, ob ich überhaupt schon bereit dazu war mit irgendjemanden zu schlafen. Ich weiß dass das vielleicht dumm und unreif klang, nachdem laut Statistik der Altersdurchschnitt beim ersten Mal so bei 9,4 Jahren lag ... ungefähr. Aber im Moment mochte ich in den Gedanken daran Taichi einfach noch einmal zu küssen und ihn anzufassen und von ihm angefasst zu werden. Das war jetzt so kitschig, dass ich es niemals in der Öffentlichkeit gesagt hätte ... aber ich war ehrlich schon glücklich wenn ich einfach so nah wie möglich bei ihm sein konnte. Und sehen wie er einfach ein und ausatmete ... Hm ... ich war doch hoffentlich nicht dabei einen Fetisch für die menschlichen Atemorgane zu entwickeln? Das wäre neu ... "Erste Regel des Homo-Kamasutra: Nimm ja niemals Schlagsahne", sagte Ryo belehrend, der offenbar die ganze Zeit weitergeredet hatte, ohne meinen geistigen Blackout zu bemerken. "Ihr werdet aneinander pappen wie zwei Kuchenstücke. Das Zeug ist echt ekelhaft, wenn es erst mal geschmolzen ist." Igitt ... Vielen Dank für das mentale Bild von dir, das ich niemals haben wollte!! "... hab ich gehört", fügte er mit einiger Verspätung hinzu. Ich verdrehte nur die Augen. "Keine Details bitte", ich verzog angewidert das Gesicht und presste mit leidendem Stöhnen eine Hand auf meinen Bauch. "Mir ist jetzt schon schlecht genug." Was wollte ich schon über sein Sexleben wissen? Bitte gar nichts! Vermutlich legte er jede Woche einen anderen, unschuldigen Jungen flach, indem er ihn so lange platt laberte, bis dieser sich einfach nicht mehr wehren konnte. "Ach, nun guck nicht so widerstrebend, Ishi-Bishie", grinste er und schnippte mit den Fingern gegen meine Stirn. "So schlimm findest du das doch alles gar nicht!" "ISHI-BISHIE?!" Ich hatte mich doch hoffentlich nur verhört. Das KONNTE er einfach nicht wirklich gesagt haben. "Ishida-Bishonen", erläuterte er, als sei das doch total klar. "Hat doch einen netten Klang, oder nicht?" Er war tot. Er war einfach tot. Mausetot. So was von tot. War ihm eigentlich klar wie schrecklich tot er war?! "Aber okay, kommen wir zurück zum Grund unseres Gespräches", dozierte er und tätschelte mir nachsichtig den Kopf. Huargh!! Er berührte meine geheiligten Haare!! "Du wolltest ein paar Ratschläge bezüglich deines Intimlebens haben, nicht wahr?" "NEIN, WOLLTE ICH NICHT!!" Sah ich so aus? Sah ich ernsthaft so aus, als ob ich Ratschläge von ihm haben wollte?! "Das muss dir nicht peinlich sein, Bishie-Boy. Alle schmutzige Details, die du mir über dein Sexleben erzählst, werden natürlich streng vertraulich unter uns bleiben." "Welche schmutzigen Details?! WELCHES Sexleben?!" brüllte ich und fuchtelte nachdrücklich mit den Armen. "Ich HABE kein SEXLEBEN!!" "Ähem ..." ein Räuspern von der Tür her ließ uns herumfahren und ich spürte wie mir heiß und kalt wurde vor Entsetzen. Oh ... shit! Da stand ausgerechnet Herr Kanbara, der schlimmste, fieseste und hinterhältigste Lehrer, den unsere Schule zu bieten hatte und hinter ihm seine komplette Klasse, alles rotznäsige 13-jährige, die mich mit einem äußert interessierten Blick musterte. Mich, den Schüler ohne Sexleben. Oh Gott ... nicht doch ... "Auch wenn ich einsehe, dass ihr aktuelles Gesprächsthema wirklich hoch interessant ist", fuhr er beißend fort, "muss ich die beiden Herren jetzt trotzdem bitten meine Klasse zu verlassen, damit wir uns etwas trockeneren Themen zuwenden können, als dem Sexleben von Herrn Ishida. Oh, Verzeihung - dem nicht-vorhanden Sexleben des Herrn Ishida." Ich wollte im Boden versinken. Ich wollte sterben. Und das schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Dreißig hoch interessierte Augenpaare von neugierigen Unterstufenschülern folgten jeder meiner Bewegungen, während ich mit einer knappen Verbeugung und einem Kopfnicken hastig auf die Tür, den rettenden Ausgang zusteuerte. Ryo schlenderte so lässig neben mir her, als sei das alles nicht so schlimm. "Ach ja", fuhr Herr Kanbara fort, während er auf das Pult zuschritt und seine Aktentasche darauf abstellte. "Ich muss ihnen natürlich einen Eintrag wegen Verletzung der Schulregeln geben. Erscheinen sie doch bitte nächstens wieder in ihrer Uniform, Ishida. Und jetzt begeben sie sich bitte unverzüglich in ihren Kurs, damit sie nicht auch noch einen Eintrag wegen Verspätung zum Unterricht erhalten." ~*~*~ Ich weiß nicht wie, aber ich überlebte die folgenden Stunden, bis ich schließlich Erdkunde hatte und damit das letzte Folterfach an diesem Tag. Überlebte es trotz bohrender Kopfschmerzen, leichter Übelkeit und Muskelkater, überlebte es trotz der gähnenden Langeweile, die meine Erdkundelehrerin voller Enthusiasmus in unserem Kurs verbreitete und überlebte es trotz der penetranten Nervensäge Ryo, die sich einfach ungefragt neben mich gesetzt hatte und mir in einer Tour kleine Zettelchen schrieb und mich zutextete. Vermutlich musste ich ihm sogar dankbar sein deswegen - denn er hielt mich wenigstens wach. Ich hätte nicht garantieren können, dass ich ohne seine anstrengende Anwesenheit nicht doch irgendwann mit dem Kopf nach vorne auf mein Pult gesunken und eingeschlafen wäre. Niemals zuvor war ich so oft hinter einander gedemütigt worden wie heute. Und das alles noch vor der ersten Stunde Unterricht. Verdammt. Und die ganze Zeit über hatte ich so eine beschissene Sehnsucht nach Taichi. Er würde sich garantiert schlapp lachen, wenn ich ihm von meiner Horrorbegegnung mit Kanbara erzählte. Ich konnte ihn mir richtig vorstellen. Er würde lachen und mit blitzenden, dunklen Augen den Kopf zurückwerfen und mir sein freches, breites Taichi-Grinsen schenken, so lange bis es nicht mehr peinlich und demütigend war, sondern ich ebenfalls lachen musste ... so lange bis wir uns beide vor Lachen beinah auf dem Boden wälzen würden. Ich lag mit den Kopf auf die Arme gestützt auf meinem Tisch und dachte an ihn, dachte all diese Momente, in denen wir zusammen gelacht hatten, über Dinge die vermutlich niemand außer uns komisch gefunden hätte. Gelacht bis wir schließlich atemlos und mit geröteten Wangen auf dem Boden gelegen hatten, den Kopf gewendet und uns einfach nur angesehen und gelächelt wie die Idioten ... Taichi ... < kritzelte ich verträumt in mein Heft und malte ein schiefes, kleines Herz drum herum - nur um es einen Moment später hastig wieder durchzustreichen. Argh! Bloß keine Schwuchteleien in der Öffentlichkeit! Ich klang schon wie ein Mädchen. Panisch blickte ich mich um, ob das auch ja niemand mitbekommen hatte. Mein Ruf hatte für heute schon genug gelitten. In dem Moment hielt Ryo mir erneut ein kleines, zusammengeknülltes Zettelchen unter die Nase. Ich weiß nicht wieso er sich überhaupt die Mühe machte mir zu schreiben - immerhin saß er direkt neben mir. Aber ignorieren wir mal die absolute Sinnlosigkeit seines Tuns und versuchen lieber seine Hieroglyphen nicht unähnliche Krakelschrift zu entziffern. Zum Glück - Glück für IHN - war es diesmal keine überflüssige, absolut nicht wissenswerte Information über Gleitgel oder verschiedenen Stellungen im Bett, die er mir vorschlug, damit mein erstes Mal möglichst schmerzfrei war und auch keine neuen Regeln für das Homo-Kamasutra, die er grade ununterbrochen in sein Heft kritzelte. Ich hatte die letzte halbe Stunde leider völlig vergeblich damit verbracht meine jugendliche Unschuld vor seinem schlechten Einfluss zu schützen. Diesmal war es aber bloß die simple Frage, ob ich nachher mit zum Training kommen würde. Zusehen - ja < kritzelte ich drauf. > Spielen - nur über meine Leiche. < Ein breites Smiley kam von ihm zurück und daneben: > Yay, cool! Feuer uns an! Mach ne La Ola! < Aus mir unerfindlichen Gründen freute er sich offenbar wirklich, dass ich kam um ihnen bei dieser sinnlosen Rumrennerei um einen Ball zuzusehen. Hach ja, und wieder einen Menschen glücklich gemacht, dachte ich und lehnte mich zufrieden in meinem Stuhl zurück. Was war ich doch für ein toller Pfadfinder. Fünfte Regel des Homo-Kamasutras < stand auf dem nächsten Zettel, den er mir rüberwarf und den ich entnervt zur Kenntnis nahm. Ehrlich gesagt, hatte ich die ersten vier schon wieder vergessen ... > Bei Fesselspielchen nicht den Schlüssel zu den Handschellen verlieren. Sonst muss man die Nachbarn benachrichtigen, damit sie den Schlüsseldienst holen. < Ich schaffte es leider nicht mehr irgendwas Ausfallendes darauf zu antworten, denn in diesem Moment läutete es endlich. Erlöst von zwei Stunden quälender Langeweile. Vermutlich sollte ich Ryo echt dankbar sein. Ohne ihn wäre ich garantiert eingeschlafen. "Wir sehen uns gleich draußen, ja?" Unordentlich stopfte er neben mir seine Zettelsammlung in den Rucksack. "Ich geh mich schon mal umziehen - endlich raus aus der blöden Uniform." Er verzog das Gesicht und zerrte schon wieder entnervt an seinem Kragen. Ich nickte abwesend und spürte wie ich schon wieder Herzklopfen bekam. Oh Gott ... Fußball ... Training ... Taichi würde gleich hier sein! Ich würde ihn gleich wieder sehen ... ob er meinen Zettel gefunden hatte? Überdeutlich stand mir plötzlich mein letzter Satz vor Augen, ich sah ihn praktisch vor mir ... ganz klein und etwas schief unten auf das Blatt gequetscht und ich spürte wie mir heiße Röte ins Gesicht schoss. PPS: Du schuldest mir einen Kuss ...< Wie hypnotisiert winkte ich Ryo hinter her, der mir enthusiastisch von der Tür aus zuwedelte, bevor er davon sprintete und schaffte es dann irgendwie den Weg zu meinem Spind anzutreten. Taichi ... Taichi ...Taichi ... Mit jedem Schritt durch den überfüllten Flur, hallte sein Name in meinem Kopf wieder. Er war bestimmt schon hier ... vielleicht grade angekommen und dabei sein Fahrrad abzuschließen ... vielleicht schon draußen auf dem Sportplatz um sich aufzuwärmen ... Ich schob mich durch die farblich gleichförmige Masse an vorbeidrängelnden Schülern, die irgendwie alle in die andere Richtung wollten und fühlte mich seltsam auffallend und hervorstechend, da ich als einziger keine Schuluniform trug. Es kribbelte in meinen Händen und in meinen Beinen während ich mir vorstellte, wie er vielleicht grade über den Schulhof lief ... vielleicht nach mir Ausschau hielt. Tai ... Noch nie zuvor war ich so aufgeregt gewesen bei dem Gedanken ihn gleich zu sehen. Ich wollte es so sehr und gleichzeitig machte es mich so nervös und ich benahm mich wie ein blöder, kleiner Schisser. Meine Hände zitternden beinah während ich mit klopfendem Herzen meine Bücher in meinem Spind verstaute und meinen schweren Atlas ungefähr ein halbes dutzend Mal auf den Boden fallen ließ, bevor ich es endlich schaffte ihn endlich unterzubringen. Okay, vielleicht lag es auch daran, dass ich heute noch nichts gegessen hatte und ein bisschen unterzuckert war. Oder daran, dass mein Spind so unglaublich voll gestopft war mit allem möglichen Krimskrams und praktisch aus allen Nähten platzte. Oder vielleicht an der Möglichkeit, dass Taichi grade das Gebäude betreten hatte ... vielleicht ... hoffentlich grade nach mir suchte ... Shit, shit, shit ... ich starb gleich vor Nervosität. Tief ein und ausatmend stand ich vor meinem Spind und versuchte mich zu beruhigen. Zum Glück war mein Schrank ganz am Ende des Flurs und wenn die Tür geöffnet war, hatte ich damit praktisch ein kleines abgeschirmtes Eckchen geschaffen, wo ich beinah nicht gesehen werden konnte. Wäre sonst ziemlich peinlich gewesen, wenn jemand mit bekommen hätte, wie ich hier an meinem Regal lehnte und hyperventilierte. Ganz ruhig, Matt ... ganz ruhig ... alles gar nicht so tragisch ... "Ehrlich? Woher hast du das denn gehört?" "Na, von ihr selbst! Sie erzählt es doch schon den ganzen Tag!" Die schrillen Stimmen von den beiden Mädchen drangen trotz des lauten Stimmgewirrs auf dem Flur zu mir hindurch und ließen mich genervt die Augen verdrehen. Konnte man hier nicht mal in Ruhe nervös sein? Eine von beiden kannte ich und wusste, dass sie in der Klasse über mir war. Keine Ahnung wer die andere war und wovon sie redeten, aber es interessierte mich ehrlich gesagt auch nicht. "Also, ich kann das gar nicht glauben ... du etwa?" //Nein, ich kann es auch nicht glauben ... schon wieder diese Preiserhöhung bei meiner Haarspülung.// "Ich weiß nicht, er ist schon ganz süß, nicht wahr?" "Ja, aber er ist eine Stufe unter ihr!! Normalerweise gibt sich Kyoko doch nur mit den Jungen aus den höheren Klassen ab!" Erst als ich ihren Namen hörte, spürte ich wie ich die Stirn runzelte und unwillkürlich die Luft anhielt. Irgendwas an dem Namen der dummen Pute ließ sämtliche Alarmglocken in meinem Inneren losschrillen. Die hatte bisher doch immer nur Ärger bedeutet. "Aber gib zu, dass er einen süßen, kleinen Knackarsch in diesen kurzen Hosen hat", ein leises Kichern war zu hören. "Ich meine, ich würde ihn auch nicht von der Bettkante stoßen ..." "Dass er niedlich ist, bestreitet ja niemand, aber trotzdem ... glaubst du wirklich ...?" "Ich weiß nicht. Wenn sie sagt, dass sie gestern Abend beinah bei ihm gelandet ist?" "Bei Taichi Yagami? Ich weiß nicht ..." Atemlos und mit aufgerissenen Augen presste ich mich so dicht es ging gegen meine Fächer und versuchte mich unsichtbar zu machen, während ich so weit es ging die Ohren spitzte. Hoffentlich sahen sie mich nicht ... hoffentlich gingen sie nicht weg ... WOVON ZUM TEUFEL REDETEN SIE DA??! "Sie sagt, sie hätte ihn fast so weit gehabt, dass er ihr sein Zimmer gezeigt hätte. Sie meint, sie hat das Gefühl gehabt, dass er es auch wollte. Aber dann ist ihr wieder dieser Blonde dazwischen gefunkt. Du weißt schon ... Taichis bester Freund." "Ishida?" "Ja, genau. Irgendwas war mit ihm, sie weiß es selbst nicht genau, aber Taichi fing plötzlich an ihn zu suchen und tauchte dann nicht mehr auf. Da fällt mir ein ... über den habe ich vorhin in Mathe auch was sehr interessantes gehört ..." Sie senkte ihre Stimmt zu einem verschwörerischen Flüstern, dass ich nicht verstand, so sehr ich mich auch anstrengte. Oh Gott ... mir lief es heiß und kalt den Rücken herunter, während ich wie erstarrt an meine Fächer gepresst da stand. "Was?!" Ein schrilles Kichern ließ mich zusammenfahren. "Du meinst er und Kyokos kleiner Bruder ...?" "Ja! Ich habe es von Risa. Ihre kleine Schwester hat die beiden heute Morgen auf frischer Tat ertappt! In einem leeren Klassenzimmer. Kanbara kam mit seiner Klasse rein, während die beiden ...na ja, du weißt schon ..." "WAS?!" WAS?!!! Ich lautes Aufkeuchen und mein innerlicher Aufschrei fielen zufällig genau zusammen. Das konnte doch nicht ...das durfte doch nicht ... "Großer Gott! Du meinst, sie haben ...?! Mitten im Klassenzimmer?!" "Na ja, noch nicht so direkt. Waren aber kurz davor. Haben über Sex geredet und alles. Direkt vor Kanbara, dem alten, steifen Ekel - herrlicher Gedanke! Hast du es etwa noch nicht gehört? Reden doch alle von!" "Na ja, dass Ryo schwul ist, wusste ich ja von Kyoko, aber Ishida ...? Meinst du wirklich, die haben was miteinander?" "Ja klar! Die hingen gestern Abend auch schon die ganze Zeit zusammen - hab ich alles von Risa gehört! Und Ryo hat ihn ganz schön abgefüllt - ist doch klar, was da noch gelaufen ist." "Nicht zu fassen!" empörte sich die andere. "Jetzt schnappt uns nicht nur Kyoko die ganzen süßen Kerle weg, sondern ihr kleiner Bruder auch noch ...!" "Was mich ja viel eher interessiert, ist ..." jetzt tuschelten sie wieder und ich verstand nichts. "Yagami? Du meinst, der ist auch ...?" quietschte die andere wieder. "Weiß ich doch nicht ... aber er hängt doch die ganze Zeit mit den Beiden rum. Er und Ishida - das war doch schon immer auffällig wie viel die zusammenhängen und jetzt auch noch Ryo ..." Sie ließ den Satz bedeutungsvoll unbeendet in der Luft hängen. "Ja, aber was denn nun? Entweder hat er was mit Kyoko angefangen oder er ist schwul - beides geht doch nicht?" "Was weiß ich ...ich sage ja nur, was Sache ist. Wir müssen eben abwarten was weiter passiert. Aber ich glaube ja auch nicht, dass Yagami so einer ist." Sie entfernten sich tuschelnd und kichernd und ließen mich mit trockenem Mund und hämmerndem Herzen unsichtbar hinter meiner Schranktür zurück. Oh Gott ... oh shit ... oh fuck ... das durfte nicht wahr sein! Schwach und mit gummiweichen Knien sank ich nach vorne und presste meine Stirn gegen das kühle Metall meines Spindes. Alles drehte sich vor mir und ich konnte förmlich Ryos Stimme in meinem Kopf hören ... seine widerlich gut gelaunte, lachende Stimme, wie sie in belehrendem Tonfall dozierte: " Sechste Regel des Homo-Kamasutras, Matt: So entstehen Gerüchte ..." ^tbc^ Anmerkung: Was soll ich sagen ... ich habe mal wieder keine Ahnung wie es jetzt weitergeht. *drop* Falls ihr es trotzdem noch eine Weile mit meinem Geschreibsel aushaltet - über Feedback jeder Art wird sich wie immer sehr gefreut! =) Hosted by Animexx e.V. 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