Babylon-6 - 03 von ulimann644 (Gegenangriff) ================================================================================ Kapitel 4: Im Brennpunkt ------------------------ Eine Woche später saß Eireene Connally im Kommandozentrum der NE´VAR, fuhr sich mit der Hand durch das noch immer ungewohnt kurze, nun schwarz gefärbte, Haar und ließ die Ereignisse in ihren Gedanken Revue passieren, während sich der Narn-Kreuzer im Hyperraum befand – auf dem Weg zu einer der maßgeblichen Kolonialwelten der Drazi. Sie hatten die medizinischen Güter zur Heimatwelt der Gaim gebracht und befanden sich nun mit den dort eingehandelten Duftstoffen und Luxusgütern auf dem Weg nach Centauri-Prime, mit einem kleinen Umweg zu einer Drazi-Kolonie um auf dem dortigen Handelsposten einige der dringend benötigten Ersatzteile für die NE´VAR zu kaufen. Im Anschluss ihrer Unterhaltung mit Generalmajor Hayes hatte Eireene Connally sich gemeinsam mit G´Ryka wieder an Bord der NE´VAR begeben. Hayes hatte Wort gehalten und siebenundvierzig Freiwillige seines Flaggschiffes zum Narn-Kreuzer abkommandiert, darunter auch drei Jagdpiloten für die FRAZI-Jäger der NE´VAR, unter der Führung von Lieutenant Isani Mbane, einer schlanken, hochgewachsenen Senegalesin. Diese Pilotin hatte Hayes während des ersten Kampfeinsatzes der SHERIDAN als Flügelpilotin zur Seite gestanden und seitdem hielt der General große Stücke auf sie, wie man munkelte. Die Techniker, die der Generalmajor abgestellt hatte, waren seit ihrer Zeit an Bord kontinuierlich dabei, die Systeme des Kreuzers optimal instand zu setzen. Zusätzlich hatten sie ein erst kürzlich entwickeltes Zusatzsystem installiert und an die Zentrale-Kontrollen angeschlossen. Es handelte sich dabei um einen leistungsstarken Hypersender, der in der Lage war, einen Funkspruch so zu zerlegen, dass jemand, der nicht über ein passendes Dekodiersegment verfügte, nichts weiter auffing, als ein Hintergrundrauschen, wie es für den Hyperraum üblich war. Zudem sendete dieses Gerät auf keiner der üblichen Hyper-Frequenzen. Generalmajor Hayes wollte auf diese Weise sicherstellen, dass die NE´VAR jederzeit Kontakt mit ihm aufnehmen konnte, ohne Gefahr zu laufen, dass die Existenz seines Verbandes dadurch dem Feind mitgeteilt wurde. Zusätzlich hatten die terranischen Techniker ein Freund-Feind-Erkennungssystem an das Bordnetz angeschlossen, welches gewährleistete, dass die NE´VAR fortan in der Lage war, frühzeitig zu erkennen ob sich ihr Schiffe der Kampfgruppe-Epsilon näherten. Das System sorgte gleichfalls dafür, dass andere Kampfschiffe der Erd-Allianz als neutral, und die sieben gestohlenen Alpha-Kreuzer, sowie diverse andere als vermisst geltende Kriegsschiffe, als feindliche Einheiten angegeben wurden. Ein Erweiterungssegment, bei dem Hayes sichtlich gezögert hatte, es der Narn zu überlassen, war eines, das die Signaturen der gestohlenen sieben Erdkreuzer gespeichert hatte und sie, mit Hilfe der angeschlossenen Schiffssysteme, selbst im Hyperraum verfolgen konnte. Doch der General hatte beschlossen das es an der Zeit war gewisse Risiken einzugehen um der Organisation auf die Spur zu kommen die sieben Kreuzer der Erd-Allianz entführt hatte, und dazu gehörte, dass er G´Ryka ein gewisses Grundvertrauen entgegen brachte. Eireene Connally warf der schräg hinter ihr sitzenden G´Ryka einen fragenden Blick zu. Sie wunderte sich immer noch darüber, welches Vertrauen ihr Hayes entgegen brachte. Die Frau fragte sich zum wiederholten Mal, was den General dazu bewogen haben mochte. Vielleicht musste man General werden, um solche gewagten Entscheidungen treffen zu können, überlegte sie. Eireene Connally lächelte bei diesem Gedanken, denn auch sie spürte tief in ihrem Innern ein gewisses Vertrauen zu der Narn. G´Ryka bemerkte den Blick der Frau. Sie ging jedoch nicht darauf ein sondern erkundigte sich: „Wann werden wir das Kolonie-System der Drazi erreichen, Lieutenant Connally?“ Eireene Connally warf einen Blick auf ihre Instrumente, die ihr im Laufe der vergangenen Woche vertraut geworden waren. „Noch etwa sieben Minuten und wir haben den Drazi-Außenposten Grendolla-VII erreicht, Kommandantin. In weniger als fünfzehn Minuten sollten wir dann an der Handelsstation angedockt haben.“ G´Ryka nickte bestätigend und erwiderte dabei: „Wird auch Zeit. Wir haben Duftstoffe an Bord, die sehr empfindlich sind, und die will ich nicht noch länger durch das halbe Universum spazieren fliegen. Außerdem brauchen wir bald den Erlös dafür. Momentan frage ich mich ernsthaft, welcher der Märtyrer mich geritten hat, auf das Angebot von General Hayes einzugehen.“ „Ich schätze, die Alternative wäre unangenehmer gewesen“, erwiderte Connally und erntete einen finsteren Blick der Narn dafür. „Erinnern Sie mich gelegentlich mal daran, durch wen ich überhaupt erst in diese Lage gebracht worden bin“, konterte G´Ryka ironisch. Nicht mit einer Erwiderung rechnend blickte die Narn wieder auf den Hauptbildschirm, auf dem sich das gewohnte rote Wallen des Hyperraums abzeichnete, ohne es wirklich wahrzunehmen. Ihre Gedanken eilten den Dingen voraus und sie überschlug bereits, wie hoch ihr Gewinn sein würde und welche weiteren wichtigen Ersatzteile für die NE´VAR sie danach zuerst besorgen würde. Schneller als gedacht waren die sieben Minuten um und das Raumschiff wurde von der Drazi-Pilotin, die auf den Namen Drenis hörte, in den Normalraum gebracht. Bereits einen Moment später brach um das Raumschiff herum das Chaos los. Rote Partikellaserstrahlen fegten dicht an dem Narn-Raumschiff vorbei. Einem weiteren Energiestrahl entging die NE´VAR knapp, weil Drenis den Kreuzer, beinahe in bester Manier einer Jagdpilotin, entlang der Längsachse, um neunzig Grad kippte und den Strahl so an der Unterseite der NE´VAR passieren ließ. „Was geht hier vor!“, donnerte G´Rykas Stimme durch das entstehende Chaos in der Zentrale. „Wer, bei G´Quon, schießt da auf uns?“ „Das gilt nicht uns!“, erwiderte Eireene Connally nicht weniger laut und ließ ihre Finger über die Sensortasten der Instrumente huschen. „Mir scheint, dass die Handelsstation der Drazi das Ziel dieser Attacke ist!“ G´Ryka nahm die Meldung mit einem Knurren zur Kenntnis. Ihre Befehle kamen in einem schnellen Stakkato: „Maschinenkontrolle: Kraftwerke auf Maximum. „Taktik: Geben Sie Vollalarm für alle Abteilungen! Alle Waffensysteme und das Schutzgitter hochfahren. Feuern auf mein Kommando! Pilotin: Bringen Sie uns hier weg!“ Ein spürbares Vibrieren erfüllte das gesamte Raumschiff, als die Systeme durch den Narn an den Maschinenkontrollen auf Maximalwerte hochgefahren wurden. Fast zeitgleich sah G´Ryka zwei große Schatten an der NE´VAR vorbeiziehen. Sie erkannte, dass es sich um zwei ALPHA-Kreuzer handelte, und ihr war noch vor Eireene Connallys Identifizierung klar um was für Schiffe es sich handeln musste. Sie reagierte blitzschnell, indem sie sich an die Pilotin wandte. „Drenis, sobald die beiden Schiffe an uns vorbei sind schwenken Sie auf den linken Kreuzer ein, so dass wir mit unseren beiden Hauptwaffen seinen Antrieb unter Feuer nehmen können!“ Bei ihren Worten blickte die Kommandantin fragend zur Navigatorin, und Connally nickte ihr zu. „Es sind definitiv zwei der gestohlenen Kreuzer. Offensichtlich sind wir mitten in einen Überfall auf die Handelsstation geraten.“ „Aber warum diese Station?“, meldete sich der ansonsten eher wortkarge Narn von der Taktik. „Die ist weder besonders wichtig, noch besonders groß.“ „Denen geht es momentan darum Schrecken zu verbreiten, G´Ral“, erwiderte die Kommandantin grimmig. „Dazu ist es ihnen im Moment noch egal, welche Ziele sie attackieren. Es ist nicht vorhersehbar gewesen, und darum wird es den Verbrechern momentan hauptsächlich gehen, würde ich vermuten.“ „Die NE´VAR liegt auf Kurs!“, unterbrach Drenis die Betrachtungen der Narn und blickte dabei kurz über die Schulter. „Ich habe den Antrieb des Kreuzers im Visier!“, meldete G´Ral und wartete gespannt auf weitere Befehle. „Feuer!“, wandte sich G´Ryka an den Taktischen Offizier. Im nächsten Moment schüttelte sich der Kreuzer und zwei leuchtend rote Energiestrahlen standen zwischen dem Schiff und dem gestohlenen Erdkreuzer, den Eireene Connally mittlerweile als die EAS AGLAIA identifiziert hatte. Beim zweiten Kreuzer handelte es sich um die KLOTHO. Anders als G´Ral, der seine Instrumente hatte, erkannte G´Ryka den Erfolg ihres spontanen Angriffs erst, als auf dem Hauptbildschirm ein greller Energieball am Heck der AGLAIA aufleuchtete und rasend schnell größer wurde. Bereits im nächsten Moment wurde das Erdschiff durch mehrere Folgeexplosionen förmlich zerrissen und G´Ryka brüllte: „Ausweichkurs!“ Drenis tat, mit Hilfe von Eireene Connally, die ihr laufend die günstigsten Fluchtvektoren durchgab, ihr Bestes, doch mehrere Trümmerstücke des vernichteten ALPHA-KLASSE Kreuzers kollidierten mit der NE´VAR und schwere Erschütterungen durchliefen den Narn-Kreuzer. Auf G´Rykas fragenden Blick hin erklärte G´Ral fast entschuldigend: „Offensichtlich haben wir ein kritisches System des Kreuzers getroffen, Kommandantin!“ „Was Sie nicht sagen!“, erwiderte G´Ryka ironisch. Im nächsten Moment krachte die, durch den Translator mechanisch klingende, Stimme der Gaim-Technikerin der NE´VAR aus dem Lautsprechersystem der Zentrale. „Kommandantin, eines der Trümmerteile hat unseren Hauptreaktor in Mitleidenschaft gezogen. Wir müssen ihn sofort um etwa vierzig Prozent herunterfahren und ihn reparieren lassen, oder dieses Schiff wird explodieren!“ „Verstanden!“, gab G´Ryka kurz angebunden zurück, ballte ihre Fäuste und gab Ta´Ran, an den Maschinenkontrollen einen entsprechenden Wink. Dann wandte sie sich nach Vorne. „Lieutenant Connally: Fluchtvektoren errechnen. Drenis, wir müssen aus der Kampfzone heraus. Mit nur sechzig Prozent der Leistung sind wir für sechs Erdkreuzer eine leichte Beute.“ Allein am Tonfall der Kommandantin erkannte Eireene Connally, wie sehr es die Narn wurmte, sich zurückziehen, und dem Kampf nun ausweichen zu müssen. Bereits mit ihren nächsten Anweisungen schien sich die Narn jedoch wieder im Griff zu haben. „Taktik: Setzen Sie einen Spruch an den Generalmajor ab und berichten Sie in knapper Form von diesem Überfall!“ „Ja, Kommandantin!“ Der Narn nahm einige Schaltungen an den neu installierten Systemen vor und setzte danach einen entsprechenden Funkspruch ab, der nur auf den Schiffen von Lynden Benjamin Hayes entsprechend entschlüsselt werden konnte. Aus der Hangarsektion rief Isani Mbane zur Zentrale durch um die Erlaubnis zum Start zu bekommen, doch Eireene Connally bekam unterbewusst mit, das G´Ryka dieses Ansinnen ablehnte, mit der Begründung, dass die Kreuzer sehr schnell wieder aus dem System verschwinden konnten, und dass sie in diesem Fall unbedingt die Verfolgung aufzunehmen gedachte. Connally lächelte flüchtig, als sie die Jagdpilotin noch kurz fluchen hörte, bevor G´Ryka die Verbindung unterbrach. Natürlich wollte die Senegalesin zeigen, dass sie nicht umsonst an Bord gekommen war. Jedoch verstand die momentane Navigatorin der NE´VAR den Standpunkt der Narn sehr gut. Hier ging es um weitreichendere Interessen. Die gesamte Zentralebesatzung wurde aufmerksam, als der Taktische Offizier meldete: „Die sechs übrigen Zerstörer greifen die Station und die angedockten Handelsschiffe direkt an.“ Auf dem Hauptbildschirm zeichnete sich die sich anbahnende Tragödie ab. Sechs ALPHA-Kreuzer griffen aus drei verschiedenen Vektoren den Handelsposten an. Grellrote Strahlenbündel erfassten die angedockten Handelsschiffe und rissen sie förmlich in grellen Energieorgien auseinander. Explosionen von abgefeuerten Raketen überzogen die gesamte Handelsstation, die schließlich in fünf verschiedene Teile zerbrach, die in verschiedene Richtungen davon wirbelten. Handelsschiffe, die der Zerstörung bisher entkommen waren, wurden von ihnen erfasst und zerstört. „Ich empfange mehrere Notrufe!“, meldete Eireene Connally schließlich. „Sie alle berichten von Kriegsschiffen der Erd-Allianz, die diesen Angriff zu verantworten haben!“ „Die wissen es ja auch nicht besser“, mahnte G´Ryka. „Wüssten wir selbst es nicht besser, so würden wir ebenfalls auf einen verbrecherischen Vertragsbruch der Erd-Allianz schwören.“ „Aber was ist mit den Notrufen, Kommandantin?“ G´Rykas Miene erstarrte zur Maske. „In dieser Situation ist es wichtiger, dass wir Kontakt zu den Kreuzern halten, Miss Connally. Oder in anderen Systemen wird es zu ähnlichen Massakern kommen, das wissen Sie so gut wie ich. Verfolgen Sie die Kurse der Erd-Kreuzer.“ Eireene Connally nickte frustriert. „Verstanden.“ Für eine Weile konzentrierte sich die Terranerin wieder auf ihre Instrumente und bekam unterbewusst mit, wie der Narn-Ingenieur G´Ryka meldete, dass die beschädigten Systeme weitgehend überbrückt oder repariert waren, so dass die NE´VAR mit zunächst wieder rund siebenundachtzig Prozent ihrer Maximalleistung operieren konnte. Im nächsten Moment schlugen ihre Instrumente an und sie wandte sich zur Narn-Kommandantin: „Die Kreuzer öffnen Hyperraumfenster. Sie verlassen dieses System.“ „Verfolgen!“, wies G´Ryka Connally und Drenis knapp an. Die beiden so verschiedenen weiblichen Wesen handelten und nachdem der letzte der gestohlenen Kreuzer den Sektor verlassen hatte, aktivierte Drenis die Hypertriebwerke. Vor dem schnittigen Narn-Kreuzer mit den auffällig rot-schwarzen Markierungen entstand ein gold-gelb leuchtender Vortex-Wirbel, durch den die NE´VAR den flüchtenden Erd-Kreuzern in den Hyperraum folgte. Noch bevor dieser Vorgang richtig abgeschlossen war hatte Eireene Connally bereits das Freund-Feind-Erkennungssystem aktiviert und mit dem Hauptbildschirm gekoppelt. Grün leuchtende Kursbahnen und die Zahlenwerte für die Flugvektoren und Entfernungen der sechs flüchtenden Kreuzer erschienen auf dem Bildschirm. „Bleiben Sie außer Scannerreichweite der Kreuzer, Drenis“, verlangte G´Ryka. „Lieutenant Connally, Sie geben Drenis einen ausreichenden Sicherheitsfaktor an und achten mit darauf, dass er nicht unterschritten wird. Wir wissen nicht, ob die Systeme der Kreuzer von ihren Entführern verbessert wurden. Ich glaube, ob des schnellen Einsatzes seit dem Diebstahl, zwar nicht daran, aber wir werden trotzdem vorsichtig agieren. Unsere Scanner sind moderner und besitzen eine höhere Reichweite, wir können uns diese Taktik also leisten.“ Die Terranerin bestätigte und arbeitete Hand in Hand mit der Drazi-Pilotin. Mehr als siebzehn Stunden vergingen. In dieser Zeit ruhte die bisherige Besatzung der Zentrale reihum. Eireene Connally war wieder auf dem Posten, als sich die Lage immer noch unverändert darstellte. Nur wenige Worte wurden in der Zentrale gewechselt. Irgendwann, nach einer nicht enden wollenden Zeitspanne, fragte G´Ryka mürrisch: „Wohin, bei G´Quon, wollen die? Bis in die Randzone?“ So als wären die Worte der Narn das Stichwort gewesen verzögerten die sechs Erd-Kreuzer und Eireene Connally gab eine entsprechende Warnung an Drenis weiter. Danach meldete sie angespannt: „Kommandantin, die Kreuzer werden langsamer. Ich vermute, dass sie in Kürze den Hyperraum verlassen werden.“ „Wo sind wir?“, erkundigte sich die Narn prompt. „Nach ihren Sternenkarten in der Nähe von M5-986. Eine rote Riesensonne, die bei der Erd-Allianz den Namen Queralin trägt und die von sechzehn Planeten umlaufen wird.“ „Wir verlassen den Hyperraum“, entschied die Narn. „Sofort danach werden Sie den General per Funk unterrichten, wo der Feind zu finden ist.“ Dann wandte sie sich an den Taktischen Offizier. „Offensiv- und Defensiv-Systeme in Bereitschaft halten. Geben Sie Gefechtsalarm und informieren Sie die Jagdpiloten. Sie sollen ausschwärmen und Flankenschutz fliegen. Durchdringende Alarmsignale erfüllten die NE´VAR, als sie den Hyperraum verließ, und eine mürrische Narn fragte sich insgeheim, wohin dies alles noch führen mochte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)