Star Trek - Icicle - 05 von ulimann644 (Die Kriegslist des Admirals) ================================================================================ Kapitel 1: Flucht von STRATEGICAL STARBASE 71 --------------------------------------------- Persönliches Logbuch Commander Pasqualina Mancharella Sternenzeit: 58711,7   Was wir vorhaben ist purer Wahnsinn! Vor zwei Stunden hat der neue Tag begonnen, der Tag, an dem ich vermutlich meine Sternenflottenkarriere unwiderruflich selbst beende. Zugunsten eines andorianischen Mannes, den ich gerade mal ein halbes Jahr kenne: Captain Tar´Kyren Dheran. Vor drei Tagen wurde Tar´Kyren Dheran, unter mysteriösen Umständen, in Admiral Taruns Büro verhaftet. Allem Anschein nach, hat er versucht, den Admiral, mit einem altertümlichen Revolver, zu erschießen. Doch das halte ich für ein Missverständnis, dass der Admiral geschickt für seine Zwecke ausnutzen will. Hätte der Captain ihn wirklich umbringen wollen, dann würde der Trill mittlerweile nicht mehr leben, dessen bin ich mir sicher. Und nun drohte ihm eine Anklage wegen versuchten Mordes und Meuterei, was die Todesstrafe für ihn bedeuten würde. Ist dieser Andorianer das alles wert, was ich bereit bin aufzugeben? Die Antwort darauf habe ich mir selbst vor wenigen Minuten gegeben. Ja, das ist er – das, und noch viel mehr, denn ich habe mich, mit jeder Faser meiner Existenz in diesen charismatischen andorianischen Mann verliebt. Aber rechtfertigt das wirklich unser Vorhaben? Immerhin ist das was wir vorhaben nicht weniger, als Hochverrat, Verschwörung, schwerer Diebstahl und Desertieren. Wir, das sind neben meiner eigenen Person: Commander Kunanga, Lieutenant-Commander Filiz, Lieutenant-Commander McMahan, Lieutenant-Commander Leandros, Lieutenant Senior-Grade Ivarsson, und die beiden Ensigns Tearash Corin und Charall. Wir alle haben uns dazu entschieden unsere Karriere zu opfern, um unseren Captain und einen talarianischen Strafgefangenen, aus dem Inhaftierungsbereich von STRATEGICAL STARBASE 71 zu befreien, und die U.S.S. ICICLE zu stehlen, um tief in den talarianischen Raum einzudringen. Neben unserem primären Vorhaben, den Captain vor der drohenden Todesstrafe zu retten, wollen wir sekundär versuchen, die Talarianer davon zu überzeugen, die Allianz, gegen welche die Föderation momentan einen blutigen Krieg führt, zu verlassen. Der Vorschlag Letzteres zu versuchen stammt übrigens von Captain Dheran. Allem Anschein nach versucht der Admiral genau das zu verhindern, um möglicherweise die anstehenden Wahlen zum Chiefadmiral zu beeinflussen. Sollte Torias Tarun möglicherweise doch größere Ambitionen haben, als wir alle dachten? Sollte dies so sein, dann werden wir ihm, mit unserer Aktion, einen ziemlich dicken Strich durch die Rechnung machen. Was meine Familie von mir denken wird, daran versuche ich momentan nicht zu denken. Möglicherweise werde ich sie für sehr lange Zeit nicht wiedersehen, und ich spüre dass sich mein Magen zusammenzieht, bei diesem Gedanken. Wir Alle werden möglicherweise zeitlebens nicht mehr in den Föderationsraum zurück kehren können, und diese Tatsache legt sich drückend auf unsere Stimmung. Ein wenig beneide ich Tearash Corin, Namoro Kunanga und Chief McMahan, die bereits unterwegs sind, um unsere spätere Flucht sicherzustellen. Auch für uns Andere wird es bald Zeit aufzubrechen. Dann wird die Zeit des Nerven zermürbenden Wartens endlich vorbei sein, und wir werden uns ganz auf unser Vorhaben konzentrieren müssen...   * * *   Vor wenigen Sekunden hatte Ensign Tearash Corin, der tellaritische Ensign, der zum Technischen Team des Chiefs gehörte, Commander Namoro Kunanga und Lieutenant-Commander Rick McMahan von Bord der ICICLE gebeamt. Der CAG und der Chief führten den ersten Streich in dieser höchst illegalen Operation. Erst wenn beide das verabredete Codesignal sendeten, und damit zu verstehen gaben, dass der erste Teil des Unternehmens funktioniert hatte, würde der zweite Teil, die eigentliche Befreiungsaktion für Captain Dheran und den gefangenen Talarianer starten. Pasqualina warf einen Blick zu Corin und musterte danach die übrigen Begleiter. So etwas wie Stolz keimte in ihr auf, als sie sich bewusst wurde, dass die hier im Transporterraum Versammelten, trotz ihrer verschiedenen Herkünfte und Rassenzugehörigkeiten, eine verschworene Gemeinschaft bildeten, die eins gemeinsam hatte: Unverbrüchliche Kameradschaft und Treue. Sie selbst war ein Teil davon. Und auch wenn sie alle gerade dabei waren, ihre Sternenflottenkarriere gründlich zu ruinieren, wusste sie, tief in ihrem Inneren, dass sie diesen Moment nie würde missen wollen. Sie war der festen Überzeugung, dass sie das Richtige taten. Auch wenn das bedeutete, sich gegen die Gesetze der Föderation zu stellen. Wieder einmal wurde ihr dabei bewusst, dass Gesetzgebung nicht dasselbe wie Recht war – und hier lag das grundsätzliche Dilemma, wenn geltendes Recht nicht gleichzeitig auch gerecht war. Das eigene moralische Rechtsempfinden kollidierte mit dem, was zu tun man geschworen hatte, und heraus kamen dann Situationen, wie die, in der sie und ihre Mitverschwörer nun steckten. Pasqualina Mancharella wollte keinesfalls die Tatsachen beschönigen, aber wenn die Dinge so lagen, wie es offensichtlich der Fall war, dann war ihr Handeln legitim. Wo Unrecht zu Recht wird – wird Widerstand zur Pflicht. Die Spanierin erinnerte sich an diesen alten Leitspruch längst verstorbener Revolutionäre, den ihr Vater sie in jungen Jahren einmal gelehrt hatte. Er hatte ihr auch erklärt, warum diese Einstellung sowohl wichtig, als auch richtig war. Sie ballte ihre Fäuste. Die Würfel waren gefallen und es gab kein Zurück mehr. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass der erste Teil Ihres Rettungseinsatzes für Tar´Kyren Dheran glückte...   * * *   Namoro Kunanga und Rick McMahan rematerialisierten in einem engen Zwischendeck der Station STRATEGICAL STARBASE 71. Beide Männer hatten ihre Visiere noch nicht geschlossen, und Rick McMahan, dem etwas Staub in die Nase geriet, nieste schallend. Namoro Kunanga blickte ihn missbilligend an. „Machen Sie so weiter, Chief, dann ist bald die gesamte Station alarmiert.“ „Eine allergische Reaktion“, verteidigte sich der Hüne und fuhr mit dem Zeigefinger über einen hüfthohen Träger, auf dem eine sichtbare Spur zurückblieb. „Hier müsste mal sauber gemacht werden. Eine Seite der Station, die der normale Tourist nie zu sehen bekommt.“ „Lassen wir das, und machen weiter“, schlug Kunanga grinsend vor. Er aktivierte den Camouflage-Modus seines Kampfanzuges und begab sich zum Zugang der Jeffries-Röhre, über die sie zur Hangarleitstelle, dieser Hangarscheibe zu kommen gedachten. Kunanga öffnete ihn und stieg zuerst in die beengende, schwach beleuchtete Röhre. McMahan folgte ihm dicht auf und schloss den Zugang. Hinter einander krochen Sie, auf allen Vieren, durch die Röhre, bis sie den nächsten Verteilerknoten erreichte, von dem aus drei weitere Röhren in horizontaler Ebene fortführten. Gleichzeitig ging es von hier aus vertikal, sowohl nach oben, als auch nach unten weiter. Kunanga bedeutete Rick McMahan von der Schaltkonsole zurück zu treten und öffnete dann den oberen Zugang. Wieder kletterte er als Erster die Sprossen hinauf, was in den MACO-Kampfanzügen nicht gerade ein Vergnügen war. Aufmerksam las Kunanga die Bezeichnungen der nächsten Ebene um sicherzugehen, dass es auch die Richtige war. Auf der nächsthöheren Ebene orientierte er sich kurz und wartete bis der Chief bei ihm war, bevor er auf die linke Jeffries-Röhre deutete und meinte: „Dort entlang. An ihrem Ende werden wir direkt beim Hauptkontrollraum für Andocksektion-7 herauskommen.“ Der Kanadier nickte und ließ aus dem Waffenpuffer einen Handphaser materialisieren. Diese Kampfanzug-Prototypen, die vom MACO-Alphateam der ICICLE seit einigen Monaten getestet wurden, gefielen ihm. Kunanga folgte seinem Beispiel. Die Visiere ließen sie jedoch geöffnet, damit sie sich weiterhin unterhalten konnten. Sie wagten nicht den Helmfunk zu benutzen, um nicht eventuell vorzeitig angepeilt zu werden. Im Betäubungsmodus würden die Phaser keinen Alarm auslösen – nicht auf dieser Ebene der Station, ein Vorteil, dass die Hangarleitstände nicht zu den kritischen Bereichen gezählt wurden. Nach dieser Aktion wird sich das möglicherweise ändern, überlegte Kunanga als er den Zugang zum Kontrollraum erreichte. Er wartete, bis sich der Chief der ICICLE dicht hinter ihm befand, bevor er, so leise wie möglich die Zugangsluke öffnete. Sie hatten Glück – die beiden Dienst habenden Hangarleitoffiziere saßen mit dem Rücken zur Luke und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen. Irgendein seltsamer Lärm erfüllte den Raum, und erst nach einem langen Moment konnte der CAG sich entsinnen, woran diese seltsamen Geräusche ihn erinnerten: An bolianische Musik. Etwas ähnliches hatte Ensign Charall ihm einmal näher bringen wollen. Schnell verließ Kunanga die Röhre und ging hinter einer Nebenkonsole in Deckung. Als McMahan neben ihm erschien, fragte der Afrikaner flüsternd: „Haben Sie schon einmal so grausige Musik gehört?“ „Nicht mehr, seit der Dudelsack meines Großvaters die Treppe hinunter fiel“, raunte der Kanadier ebenso leise zurück und grinste breit. Er spähte kurz um die Ecke und zog sich dann wieder zurück. „Hier könnte eine Elefantenherde einmarschieren, und diese beiden Vögel würden es nicht bemerken.“ „Gut für uns.“ Kunanga und McMahan erhoben sich lautlos. Der Commander machte dem Chief mit Handzeichen deutlich, dass er selbst den Bajoraner rechts übernehmen würde, und der Kanadier den Bolianer links übernehmen sollte. Dann legten sie an, zielten sorgfältig und feuerten ihre Phaser ab. Die beiden Hangarleitoffiziere sackten in ihren Sitzen zusammen. „Das hätten wir“, meinte McMahan zufrieden und begab sich zur Kontrollkonsole. Auf der ICICLE wartete Charall darauf, dass einer von ihnen beiden, höchst offiziell, über Hangarleit-Frequenz, Kontakt mit dem Schiff aufnahm und das Codewort durch gab. Das war am sichersten, und würde nicht weiter auffallen. Kunanga, der sich neben dem Zugangsschott aufbaute und es verriegelte, blickte kurz zu McMahan, als er Charall das Codewort: Aufbrecher mitteilte. Dem Plan zufolge würde Charall nun Commander Mancharella informieren, dass ihr Plan bis hierher funktioniert hatte. Teil Zwei des gewagten Unternehmens würde vermutlich in diesem Moment starten, und McMahan und er konnten nun nichts weiter tun, als abzuwarten, um im richtigen Moment das Schott für die ICICLE zu öffnen, um dem Schiff die Flucht zu ermöglichen.   * * *   Als Ensign Charall das verabredete Codewort erreichte, handelte sie umgehend. In Transporterraum-1 nahm Pasqualina Mancharella ihre Meldung entgegen und gab dann Tearash Corin, der hinter den Transporterkontrollen stand, den Befehl, sie und ihr Team auf die Station zu beamen. „Halten Sie den Standort, an den Sie uns beamen, erfasst, Mister Corin“, wies sie den Tellariten an bevor sie entmaterialisierte und zusammen mit Tal´Inuray Filiz, Victoria Leandros und Lou-Thorben Ivarsson in einem schwach beleuchteten Lagerraum wiederverstofflichte. Sie blickte sich kampfbereit um, doch alles blieb ruhig. Hinter ihr blickte Doktor Leandros zu Ivarsson und fragte verschmitzt: „Wie fühlen Sie sich als Hahn im Korb?“ „Verspüren Sie den Drang, ein Ei legen zu müssen?“, kam seine Gegenfrage. Die andorianische MACO blickte die beiden an, als würde sie an ihrem Verstand zweifeln und flüsterte Commander Mancharella zu: „Die Zugangsluke befindet sich weiter links, neben der Wandkonsole für die Inventurkontrolle. Die Spanierin erkannte sie und gab ihren Begleitern ein Zeichen, ihr zu folgen. Sie öffnete die Luke und kletterte in die Jeffries-Röhre. Tal´Inuray Filiz bildete hinter Ivarsson den Abschluss. Während sie durch die Röhre krochen nahm sich die Andorianerin vor, später mit Ivarsson darüber zu sprechen, was die Ärztin mit ihrer Bemerkung gemeint hatte. In dem Verteilerknoten mussten sie sich eng an einander drängen, als Commander Mancharella das Zugangsschott zum nach unten führenden Vertikalschacht öffnete. Wieder machte die Spanierin den Anfang und kletterte behände die Sprossen hinunter. Die Ärztin folgte mit genügendem Abstand, bevor sich Ivarsson anschloss. Wieder machte die Andorianerin den Schluss. Unangefochten erreichten sie den Verteilerknoten, drei Decks tiefer und Pasqualina Mancharella wandte sich zu dem Norweger. „Ihr großer Auftritt, Mister Ivarsson. Wenn Sie die Sicherheitssperre der Zugangsluke zur Inhaftierungsebene nicht korrekt umgehen, dann stecken wir in der Tinte, das ist Ihnen hoffentlich klar.“ Ivarsson grinste jungenhaft und meinte: „Kleine Fische, Commander. Sollte es dennoch schief gehen, gebe ich einen aus.“ Damit verschwand er in der Jeffries-Röhre. „Na, der hat ein sonniges Gemüt“, knurrte die Ärztin, während sie beobachtete, wie Tal´Inuray Filiz ihren Handphaser materialisieren ließ, und dem Steuermann der ICICLE dicht auf folgte. Diesmal machte sie den Abschluss und verriegelte die Luke hinter sich. Während sie schließlich vor der Luke warteten und der Norweger die Seitenverkleidung vor der Luke abmontierte, schien sich die Zeit zu dehnen. Obwohl Ivarsson zügig arbeitete kam es der Ärztin so vor, als würden sie bereits eine halbe Ewigkeit in dieser Röhre stecken, bis er endlich die Luke öffnete und hinaus spähte. Unglücklicherweise war der anwesende Wachhabende gerade im Begriff, sich in seine Richtung zu wenden, als er hinaus schlich. Ivarsson ging zwar sofort flach zu Boden, doch der Offizier bemerkte die Bewegung und zog seinen Phaser. In der Röhre hatte die Andorianerin bemerkt, das etwas nicht ganz so war, wie es sein sollte, und sie handelte schnell, wie sie es gewohnt war. Mit der Linken die Luke aufstoßend, erkannte sie mit größter Geschwindigkeit die Situation, visierte den Wachhabenden an und feuerte. Schnell sprang sie aus der Röhre und sah sich um. Niemand war zu sehen. „Nachziehen!“, zischte sie ihren Begleitern zu und rannte zur Kontrollkonsole, um zu überprüfen, ob der am Boden liegende Sicherheitsoffizier möglicherweise Alarm gegeben hatte. Sie hatten Glück. Der Betäubte hatte instinktiv gehandelt, anstatt zuerst die Bereitschaft zu alarmieren. Ein Fehler, der gerade jungen, unerfahrenen Sicherheitsleuten passierte. Ivarsson erhob sich und begab sich eilig zu der Andorianerin, während Commander Mancharella und Doktor Leandros rechts und links des Schotts Aufstellung nahmen und ebenfalls ihre Handphaser anforderten. Man wusste nicht, ob das Wachpersonal mittlerweile eventuell um eine weitere Wache aufgestockt worden war. Vielleicht patrouillierte im Gang, der zu den Zellen führte, eine weitere Person. „Achtung! Ich öffne das Schott!“, sagte die Andorianerin. Im nächsten Moment glitten die beiden Schotthälften zischend zur Seite und der XO und die Ärztin zielten mit ihren Phasern in den Gang. Doch Niemand war anwesend und so entspannten sich beide Frauen sehr schnell wieder. „Sie bleiben hier!“, wies Pasqualina Mancharella die Ärztin an und rannte den Gang hinunter. Beide Gefangenen waren noch wach. Dheran hatte den Talarianer am Mittag darauf hingewiesen, was er und seine Offiziere vor hatten, und so hatten beide am Nachmittag einige Stunden geschlafen. Die Spanierin blickte kurz zu dem Talarianer hinüber, der sich an der Zellenwand bereit hielt, und wandte sich dem Captain zu. „Wir holen Sie und den Talarianer jetzt heraus, Tal´Inuray und Ivarsson knacken gerade den Sicherheitscode der Zellen. Danach müssen wir hier heraus, und zwar im Eiltempo.“ Sie blickte über die Schulter und meinte zu dem Talarianer. „Damit meine ich, wir rennen so schnell wie möglich hier heraus – sobald sich die Energiefelder abschalten weiß die OPS nämlich Bescheid.“ „Ich habe verstanden!“, erwiderte der Talarianer brummend. „Bekomme ich eine Waffe, sobald wir draußen sind?“ „Das Einzige, was Sie von mir bekommen werden, wenn wir draußen sind, ist ein Schlag vor den Hals, wenn Sie noch mehr solcher dummen Fragen stellen“, drohte ihm die Spanierin an und wandte sich wieder Dheran zu. „Ich hoffe nur, dass wir das Richtige tun.“ „Für Bedenken ist es zu spät, Commander. Jetzt heißt die Parole: Vorwärts.“ „Teufel auch!“ Vom Eingang zum Gang kam der Ruf von Viktoria Leandros: „Bereithalten! Ivarsson schaltet gleich die Kraftfelder aus! Drei – Zwei – Eins – JETZT!“ Beide Kraftfelder flammten kurz auf und erloschen. Gleichzeitig schossen der Talarianer und der Andorianer aus ihrer Zelle und rannten, wenige Meter hinter Pasqualina Mancharella, so schnell sie konnten, durch den Gang. Im Kontrollraum hatte Ivarsson die Ärztin und Filiz bereits wieder zur Jeffries-Röhre geschickt. Er selbst wartete darauf, dass eine Rückfrage der OPS einlaufen würde – und zweifellos würde man eine männliche Stimme erwarten, die Meldung machte. Gleichzeitig mit dem Anruf aus von der OPS hetzte Commander Mancharella in den Kontrollraum, dicht gefolgt von Dheran und dem Talarianer. Keine Sekunde zu früh, denn kaum waren sie aus dem Gang heraus, als die Sicherheitsprotokolle Ivarssons Barrieren umgangen hatten und ein Kraftfeld vor dem geöffneten Schott aufbauten. Während der Talarianer bereits in der Röhre verschwunden war und Dheran ihm folgte, hörte die Spanierin, wie Ivarsson den Stellvertreter Tolarons hinhielt und ihm versuchte weiszumachen, dass man es mit einem Computerfehler zu tun hatte – in Wirklichkeit aber alles in Ordnung sei. Als sie selbst dem Andorianer folgte hörte sie den Norweger sagen: „Einen Moment bitte, Sir, ich habe das Problem gleich behoben...“ Damit verriegelte er des Eingangsschott, verließ seinen Platz und rannte zur Zugangsluke. Nachdem er sie hinter sich geschlossen hatte zerschlug er kurzerhand die Zugangsschaltung, mit dem Phasergriff. Bereits im nächsten Moment wurde er ein Stück in die Röhre geschleudert, als sich auch vor der Zugangsluke ein Kraftfeld aufbaute. Für einen Moment blieb der Blonde benommen liegen, bevor er sich ächzend aufrappelte und den Kameraden folgte. Dabei versuchte er sich vorzustellen, wie lange es dauern würde, bis man auf der OPS misstrauisch genug geworden war, um Alarm auf der gesamten Station zu geben. Sie hatten gerade eben den Lagerraum erreicht, und Pasqualina hatte bereits Kontakt mit Corin aufgenommen, als der Alarm durch die Station zu dröhnen begann. Sie gewannen dieses Wettrennen, wenn auch denkbar knapp. Kaum waren sie entmaterialisiert, als für sämtlichen Ebenen, rund um die Inhaftierungsebene der Verschlusszustand befohlen wurde. Alle Schotts und Luken wurden vom Stationscomputer verriegelt und zusätzlich durch Kraftfelder gesichert. Zusätzlich wurden Transporterscrambler aktiviert, die ein Fortbeamen unmöglich machen sollten. Niemandem würde fortan das Verlassen dieser Ebene gelingen. Dass die Aktion bereits erfolgreich abgeschlossen war, wusste man auf der OPS zu diesem Zeitpunkt noch nicht.   * * *   Tearash Corin war erleichtert, als er endlich das Signal von Commander Mancharella erhielt, sie zurück an Bord zu holen. Noch während des Transports bemerkte er die typischen Randerscheinungen jener Interferenzen, die von aktivierten Transporterscramblern verursacht wurden. Nur mit Mühe gelang es dem Tellariten die Muster der Zurückkehrenden stabil zu halten und sie im Transportraum zu materialisieren. „Das war knapp!“, rief er den Ankömmlingen entgegen. „Fast hätte ich Ihre Muster verloren. Vermutlich gab es bereits Alarm auf der Station!“ „Gute Arbeit, Mister Corin!“, erwiderte Commander Mancharella. „Jetzt auf ihre Station – zeigen Sie uns, ob der Chief zurecht so große Stücke auf Sie hält.“ „Aye, Sie werden schon sehen, wozu ich in der Lage bin!“ Damit verschwand er aus dem Transporterraum. Die anderen folgten ihm, bogen jedoch an der nächsten Gangkreuzung nach rechts ab, zu Turbolift-1. Auf der Brücke, wies Dheran den Talarianer an, sich auf den Platz des Counselors zu begeben. Doktor Leandros übernahm auf Geheiß von Mancharella die Wissenschaftliche Station, und Tal´Inuray Filiz die OPS, während die Spanierin selbst die Taktik übernahm. Ivarsson nahm seinen gewohnten Platz neben Charall ein, die bereits alle Systeme hochgefahren hatte, und erleichtert war, nicht länger allein auf der Brücke ausharren zu müssen. Dheran, der vor seinem Sessel stand, blickte über die Schulter zu Pasqualina, nickte ihr aufmunternd zu. „Signal an Kunanga und den Chief: Sie sollen das Außenschott öffnen.“ Dann wandte sich an Charall: „Ensign, die Andockklammern lösen.“ Während die Bolianerin bestätigte, wandte sich Dheran bereits dem Steuermann zu: „Mister Ivarsson sobald das Schiff frei ist, werden...“ „Andockklammern sind blockiert!“, meldete Charall mit vibrierender Stimme. „Ich habe die Schaltung bereits wiederholt, keine Reaktion.“ Dheran fuhr herum zu Tal´Inuray Filiz, die fieberhaft die Schiffssysteme analysierte und ihn dann mit leicht ungläubigem Gesichtsausdruck ansah. „Jemand hat die Andockklammern blockiert und auf manuelle Kontrolle geschaltet. Wir müssen die Klammern direkt an den Katamaranen entriegeln!“ „Verdammt!“, entfuhr es Pasqualina Mancharella. „Die Panzerpforten der Hangarsektion öffnen sich bereits, man weiß also in der OPS Bescheid, dass jemand an den Kontrollen sitzt, der dort nichts zu suchen hat. Computer: Wer befindet sich außer den Anwesenden auf der Brücke und im Maschinenraum noch an Bord?“ „Lieutenant Rania Singh-Badt befindet sich auf Deck-8, linker Katamaran.“ Dheran verbiss sich einen Fluch und befahl: „Filiz, Sie werden sich mit unserer Ärztin zum rechten Katamaran begeben und ihn entriegeln. Sollten Sie auf Lieutenant Singh-Badt treffen, dann machen Sie diesen Unglücksmenschen vorübergehend unschädlich. Commander, Sie kommen mit mir – Charall, Ivarsson: Sie bleiben mit unserem Gast hier. Informieren Sie Kunanga und McMahan, dass sie die Stellung etwas länger halten müssen, als geplant!“ Während Filiz und Leandros Turbolift-2 betraten und die Brücke verließen, fuhren Dheran und Mancharella mit Turbolift-1 zu Deck-8 hinunter. Pasqualina reichte dem Andorianer ihren Phaser und ließ für sich das Pulsphasergewehr materialisieren. Dabei knurrte sie: „Dieser Unglücksrabe entwickelt sich langsam zu einem wirklichen Ärgernis!“ Dheran lachte grimmig: „Dir passt nicht, dass sie mir ein paar mal zufällig in die Arme fiel, oder?“ Der Blick der Spanierin sprach Bände. „Einmal ist Zufall – zweimal großer Zufall. Aber bei drei Vorkommnissen dieser Art kann man schon auf merkwürdige Gedanken kommen, findest du nicht?“ „Selbst wenn du Recht hättest, sie wäre nicht mein Typ.“ „Das ist auch dein Glück!“ Die Spanierin ignorierte den amüsierten Gesichtsausdruck des Andorianers und kontrollierte die Einstellung ihrer Waffe. Dheran blickte sie wieder ernst an und meinte launig: „Einstellen auf Betäuben!“ Die Spanierin blickte ihn mit gespielter Entrüstung an. „Also wirklich...“ Der Lift hielt an und beide konzentrierten sich. Sie nahmen zu beiden Seiten des Schotts Aufstellung. Als es sich öffnete, spähte der Andorianer, mit angeschlagener Waffe hinaus in den Gang. Niemand war zu sehen. Trotzdem blieb der Andorianer vorsichtig und gab Pasqualina ein Handzeichen, ihm zu folgen. Die Spanierin hatte ihren Tricorder zur Hand genommen und scannte die Umgebung. Nach einem Moment deutete sie zum Gang, der zu den Kontrollen des rechten Andockklammer führte. Vor dem Schott zum Kontrollraum deutete Dheran zu einer Zugangsluke, die sich links des Schotts befand. „Du umgehst den Kontrollraum und dringst von der anderen Seite ein“, flüsterte er ihr zu. „Wenn du die Luke zum Kontrollraum erreicht hast, dann klickst du zweimal auf den Kommunikator.“ Die Spanierin nickte knapp, überlegte kurz, und reichte ihm dann ihr Gewehr, während sie ihm gleichzeitig den Phaser aus der Hand nahm. Diese Waffe würde sie in den Jeffries-Röhren weniger behindern. Dheran nickte ihr zu und beobachtete, wie sie in der Röhre verschwand. Die Zeit schien sich endlos in die Länge zu ziehen, bis sein Kommunikator zweimal schwach zirpte. Er öffnete das Schott und stürmte, mit angeschlagenem Phasergewehr, in den Kontrollraum. Rania Singh-Badt, die soeben dabei war, die Kontrollkonsole zu öffnen, um auch die manuelle Schaltung zu unterbinden, blickte den Captain halb überrascht, halb feindselig an und erhob sich langsam. Dabei verbarg sie den Handphaser in ihrer Linken, hinter der Konsole, während sie entschlossen sagte: „Ich werde dieses Schiff nicht starten lassen, Captain. Was Sie, und die Crew vorhaben, ist Hochverrat.“ „Gehen Sie von der Konsole weg, dann muss ich nicht auf Sie schießen, Lieutenant. Ob es Ihnen nun gefällt oder nicht, das Schiff wird starten.“ Der Andorianer hob seine Waffe leicht an, und kam auf sie zu. Mit einer schnellen Bewegung trat die junge Inderin zur Seite, und zielte mit ihrem Phaser auf den Captain, doch noch bevor sie abdrücken konnte, wurde ihr Unterarm von jemandem gepackt, der sie zu sich herum zog. Sie erkannte nur noch ein paar funkelnde, dunkle Augen, bevor etwas in ihrem Gesicht zu explodieren schien, und ihr Bewusstsein löschte. Rückwärts wurde die Inderin gegen Dheran geworfen, der sie im linken Arm auffing. Etwas ratlos blickte der Andorianer in das wütende Gesicht der Spanierin und meinte: „Diesmal ist es deine Schuld, nicht ihre.“ Er ließ sie vorsichtig zu Boden gleiten und half Pasqualina dabei die Kontrolle über die Andockklammer wieder auf die Brücke zu schalten. Danach drückte er ihr sein Gewehr in die Hand und hob sich die immer noch bewusstlose Inderin auf die Schulter. „Ich wusste gar nicht, dass du so einen eiserne Rechte hast. Beeile dich bitte, die Inderin wird bald wieder zu sich kommen.“ „Dann kann ich ihr ja gleich noch eine verpassen.“ Dherans Antennen spreizten sich und neugierig hakte er nach: „Irre ich mich, oder nutzt du die Situation gerade aus?“ Gegen ihren Willen musste die Spanierin grinsen. „Vergiss es. Sperren wir sie in die Brig?“ „Nein, ich möchte sie nicht allein dort unten lassen. Wer weiß, was dieser Pechvogel dort anstellt. Außerdem haben wir niemanden über, der dort auf sie aufpassen kann, und ihr Verpflegung bringt. Nein, wir sperren sie in deinen Bereitschaftsraum ein, nachdem du deine persönlichen Sachen in meinen gebracht hast.“ „Ganz wie du meinst.“ Sie machten sich auf den Rückweg. Kurz vor Erreichen der Brücke nahm Tal´Inuray Filiz Kontakt zu ihm auf, und meldete, dass sie und Doktor Leandros ebenfalls die Sabotage der Inderin rückgängig gemacht hatten. Dheran aktivierte seinen Kommunikator und erwiderte: „Gut gemacht, Lieutenant-Commander Filiz. Doktor Leandros soll bitte einen Abstecher zur Krankenstation machen und ein Hypospray mit einem Sedativum mitbringen. Sie trifft mich dann im Bereitschaftsraum des Commanders.“ Die Andorianerin zog die richtigen Schlüsse aus seiner Anweisung und meinte: „Sie wollen also den Lieutenant für eine Weile außer Gefecht setzen.“ „Richtig, wir können uns nicht auch noch um Lieutenant Singh-Badt kümmern. Und Sie wissen, wozu dieser Pechvogel fähig ist. Dheran, Ende.“ „Aye, Sir!“ Dheran blickte zu der Spanierin. „Beeilen wir uns besser, ich fürchte Kunanga und der Chief werden uns die Tür nicht lange aufhalten können.“ Dann gab er Ivarsson Bescheid, dass die ICICLE startbereit war.   * * *   Der CAG und der Chefingenieur der ICICLE fluchten um die Wette. Vor wenigen Augenblicken hatte Sub-Commander Tolaron persönlich einen Audio-Kanal zu ihrem Leitstand geöffnet und die bedingungslose Kapitulation verlangt. McMahan hatte versucht den Romulaner hinzuhalten, doch bereits nach wenigen Sätzen einsehen müssen, dass sich der Chef der Sicherheit auf STRATEGICAL STARBASE 71 auf keinerlei Verhandlungen einlassen würde. Er wiederholte lediglich seine Forderung. Bereits eine Minute, nachdem sie keine Anstalten gemacht hatten auf die Forderungen des Romulaners einzugehen, hatten die beiden Offiziere der ICICLE festgestellt, dass die Lebenserhaltung für ihren Bereich abgeschaltet worden war. Ohne ihre Anzüge hätten die beiden Männer bereits aufgeben müssen. Sie schlossen ihre Helme und aktivierten ihre Helmfunkgeräte. „Dieser grünblütige Mistkerl würde uns glatt ersticken lassen!“, tobte der Chief und schüttelte seine Faust in die Richtung, in der er die OPS der Station vermutete. Kunanga hatte ganz andere Sorgen, als er auf die Displays seiner Geräte blickte. „Jemand versucht von Draußen, die Sicherheitssperren des Schotts zu umgehen. Noch kann ich verhindern, dass jemand das Schott öffnet, aber bestimmt nicht mehr sehr lange. Suchen Sie sich besser eine gute Deckung, Chief und machen Sie ihren Phaser, und einige Betäubungsgranaten klar.“ McMahan blickte für einen kurzen Moment unschlüssig zu Kunanga, bevor er zum Schott rannte und sich dicht daneben an die Wand drückte. „Die werden ihr blaues Wunder erleben, wenn sie versuchen hier einzudringen.“ Kunanga warf einen Blick aus den Panzerfenstern und stellte fest, dass die ICICLE immer noch nicht abgelegt hatte. Er öffnete einen Kanal zum Schiff und bekam Verbindung zu Ensign Charall, die ihn davon unterrichtete, dass Jemand die Andockklammern sabotiert hatte, was den Dunkelhäutigen dazu veranlasste ein kurzes Stoßgebet zu sprechen. Dann erwiderte er mit deutlicher Unruhe in der Stimme: „Charall, wir können uns nicht mehr sehr lange halten, fürchte ich. Wenn das Schiff entkommen soll, dann beeilt euch besser!“ Als wären seine Worte prophetischer Natur gewesen, glitten die beiden Schotthälften ohne Vorwarnung zur Seite. Doch bevor jemand auf der anderen Seite dazu kam etwas zu unternehmen hatte Rick McMahan eine Betäubungsgranate nach draußen geworfen. Eine zweite folgte, und noch bevor beide detonieren konnten gelang es Kunanga den Öffnungsimpuls zu widerrufen und das Schott erneut zu schließen. McMahan erhöhte schnell den Output seines Phasers, visierte den Rahmen des Schotts an und feuerte auf einen Punkt zwischen Schott und Rahmen. Dabei rief er Kunanga zu: „Schnell! Helfen Sie mir! Wir verschweißen das Schott, das bringt uns sicherlich ein paar Minuten!“ Kunanga rannte zur anderen Seite des Schotts und folgte dem Beispiel des Kanadiers. Beide zogen eine Naht von fast einem halben Meter, an der sich das verflüssigte Material von Schott und Rahmen mit einander verband. Danach zogen sie sich vom Schott zurück und gingen hinter der Hauptkonsole in Deckung. „Die lassen sich wirklich Zeit!“, tobte McMahan und blickte beunruhigt zum Schott. Es konnte nicht lange dauern, bis es aufgesprengt werden würde, und dann würde ihre Lage sehr schnell unhaltbar werden. Zwei weitere Minuten später färbte sich ein etwa einen Quadratmeter großes Stück des Schotts in einem grellweißen Ton. Es war soweit – und die ICICLE war noch immer nicht gestartet. „Umsonst!“, hämmerte es hinter der Stirn von Kunanga. „Der Captain und die Anderen werden es nicht schaffen.“ Dennoch machte er sich, wie der Chief bereit, um die Herrschaft dieses Kontrollraumes bis zur letzten Sekunde zu kämpfen...   * * *   „Endlich!“, rief Ensign Charall erleichtert aus, als Dheran und Pasqualina Mancharella wieder auf der Brücke erschienen. Sie war gerade dabei, die Andockklammern zu lösen. „Kunanga kann die Stellung nicht mehr lange halten! Wir sollten längst weg sein!“ „Geht schon los“, warf Ivarsson von der CON ein. „Ich starte den Impulsantrieb.“ Der Talarianer, der sich bewundernswert ruhig verhalten hatte, beobachtete auch jetzt sehr aufmerksam, wie die beiden Offiziere der 5.Taktischen Flotte an der vorderen Doppelkonsole die notwendigen Schaltungen zum Start vornahmen. Ein dumpfes Summen war durch das gesamte Schiff zu hören, welches schnell zu einem hellen, leisen Hintergrundgeräusch wurde. Im nächsten Moment erschienen auch Filiz und der die Ärztin auf der Brücke. Mittlerweile hatte der Andorianer die bewusstlose Inderin in Commander Mancharellas Bereitschaftsraum gebracht, und kehrte nun zurück auf die Brücke. Commander Mancharella stand hinter der Taktik und erkundigte sich: „Ist das Schiff bereit zum Start, Mister Ivarsson?“ Der Norweger bestätigte: „Ja, Commander. Ich beschleunige das Schiff bereits.“ „Sehr gut! Steuern Sie das Schiff so schnell aus dem Hangarbereich, wie Sie es verantworten können, Ivarsson!“ Tar´Kyren Dheran blickte auf den Hauptschirm und kniff die Augen zusammen. Für einen Moment hatte er geglaubt sich zu irren, doch dann erkannte er, dass sich das Panzerschott der Hngarsektion langsam schloss. „Ivarsson, wenn Sie Bruch machen, dann wird es für Sie bestenfalls ein Kriegsgerichtsverfahren posthum geben, damit wir uns richtig verstehen“, drohte der Andorianer und setzte sich auf die Vorderkante seines Sessels. „Das ist doch mal wirklich eine Herausforderung!“, versetzte Ivarsson trocken. Das Schiff der AKIRA-KLASSE schoss rasend schnell auf den schnell enger werdenden Spalt zu, wobei es sich um seine Längsachse zu drehen begann. Pasqualina Mancharella spürte in diesem Moment, dass sie noch Nerven besaß. Ihre Hände krampften sich so fest um das Geländer der Taktischen Konsole, dass die Knöchel weiß hervortraten. „Ivarsson!“, schrie sie, und sie glaubte ihr Herz würde aussetzen. Im nächsten Moment gab es ein metallisches Kreischen, und eine fürchterliche Erschütterung durchlief das Schiff. Instinktiv verkrampfte sich die Spanierin und wartete auf den finalen Schlag, der sie über die Konsole schleudern würde, doch er blieb aus. Ein Blick auf den Hauptschirm genügte um zu realisieren, dass die linke Warpgondel der ICICLE das Panzerschott nur gestreift hatte. Sie befanden sich im freien Raum. Die Stimme des Andorianers brachte sie endgültig in die Wirklichkeit zurück. „Volles Programm, Mister Ivarsson. Den Kurs hat Charall hoffentlich schon festgelegt.“ „Aye, Sir“, bestätigte Ivarsson. „Kurs liegt an. Gehe auf Maximum-Warp.“ Lieutenant-Commander Filiz gab ihre gezwungene Haltung an der OPS auf und ihre Antennen bewegten sich dabei unruhig in verschiedene Richtungen. Auch Victoria Leandros löste sich aus ihrer Starre und meinte wütend: „Dieses Manöver hat mich einige Jahre meines Lebens gekostet, Mister Ivarsson.“ Der Norweger schluckte lediglich, als könne er selbst nicht ganz fassen, was eben passiert war. Nachdem er das Schiff bis auf Warp 9,98 beschleunigt hatte, blickte er ein wenig unsicher zu Captain Dheran. Der Andorianer stand langsam auf und stellte sich an seine Seite. Ungewöhnlich ruhig sagte er: „Entweder Sie besitzen das beste Augenmaß in der gesamten Föderation, oder sie sind ein noch unverschämterer Glückspilz, als ich, Lieutenant. Wie auch immer, dieses Manöver wird Ihnen so schnell niemand nachmachen. Sie haben da mit einem ziemlichen Knall von der Station Abschied genommen, das wird der Admiral nicht so schnell vergessen.“ „Das fürchte ich auch“, bemerkte Ivarsson düster. „Captain, zehn Schiffe mit Föderationssignaturen folgen uns mit Warp 9,97!“, meldete Commander Mancharella von der Taktik. „Ich würde sagen, der Admiral hat die RAG in Marsch gesetzt. Noch sind wir geringfügig schneller, aber die Verfolger werden alles daran setzen, noch mehr aus ihren Schiffen herauszuholen.“ Dheran nickte ihr zu. „Verstanden, Commander.“ Er tippte seinen Kommunikator an und nahm Verbindung mit dem Tellariten im Maschinenraum auf, der zwischen den beiden Warpkernen des Schiffes, im hinteren Bereich der Primärhülle lag. „Ensign Corin, wir brauchen maximale Geschwindigkeit. Können wir die beiden Warpkerne überlasten?“ „Ja!“, rief Tearash Corin unnötig laut aus. „Aber dies ist nicht über einen längeren Zeitraum empfehlenswert!“ „Kommen Sie mir nicht wie Mister Farok, sondern gehen Sie einfach mit der Leistung so weit herauf, wie Sie es verantworten können, ohne dass die ICICLE auseinander fliegt!“, knurrte der Andorianer giftig zurück, und unterbrach die Verbindung. Pasqualina Mancharella blickte kurz von ihren Kontrollen auf und wechselte einen schnellen Blick mit Dheran. Dieser hob neugierig seine Augenbrauen und fragte: „Was wissen Sie über den Dienstplan bezüglich der Red-Alert-Group?“ Es war Tal´Inuray Filiz, die an Stelle des Commanders antwortete: „Ich habe den aktuellen Dienstplan aufgerufen, Sir. Diese Woche bilden folgende Schiffe die RAG: Die SIRIUS als Verbandsleitschiff. Dann noch: HORNET, CALYPSO, CASSINI, INVINCIBLE, ALBATROS, ARGONAUT, RANGER, DARK STAR und die VALIANT.“ „Danke, Lieutenant-Commander.“ Dheran machte ein nachdenkliches Gesicht. „Ariane Degenhardt kommandiert die HORNET, ein Schiff der AKIRA-KLASSE. Sie hat im Dominion-Krieg von sich reden gemacht. Diese Frau soll eine kompromisslose Kämpferin sein und wird vermutlich alles daransetzen uns zu stellen. Akira Jez-Son von der ARGONAUT ist ein ähnlicher Typ. Auch er kommandiert eine AKIRA und wird nicht locker lassen.“ „Dass O´Donnell den Verband führt, könnte ein Vorteil sein“, orakelte Pasqualina Mancharella. Als sie den fragenden Blick des Captains aufschnappte, erklärte sie: „Nun, Chris O´Donnell und ihre Schwester haben sich, als wir letztens im GRAVITRON waren, anscheinend sehr gut verstanden. Möglicherweise können wir daraus Kapital schlagen.“ „Warum erfahre ich das erst jetzt?“ Der Andorianer wirkte verärgert, was sich auch am nach Innen biegen seiner Antennen zeigte. Er wandte sich schließlich ab und starrte mürrisch auf den Hauptschirm. „Sir, möchten Sie die Zusammenstellung der Daten des RAG-Verbandes sehen?“ „Auf meinen Sesseldisplay.“ Der Captain studierte die angezeigten Daten: Captain Jez-Son und Captain Degenhardt kommandierten Schiffe der AKIRA-KLASSE. Weiter setzte sich der Verband aus einem Schiff der STEAMRUNNER-KLASSE, einem Schiff der NORWAY-KLASSE, zwei Schiffen der komplett überarbeiteten MIRANDA-KLASSE, einem Schiff der SOVEREIGN-KLASSE, einem Schiff der NEW ORLEANS-KLASSE, einem Schiff der INTREPID-KLASSE und einem Schiff der AMBASSADOR-KLASSE zusammen. Nicht der schnellste Verband, aber dafür sehr gut bewaffnet. Selbst die hervorragende Bewaffnung der ICICLE konnte es nicht gegen die, aller zehn Schiffe aufnehmen, ihnen blieb also nur ihre Geschwindigkeit auszunutzen. Genau in diesem Moment drang die Stimme des Steuermanns in seine Gedanken. „Captain, ich fürchte wir haben ein klitzekleines Problem!“ Wie zur Bestätigung dieser Worte begann das Schiff leicht zu vibrieren. Nach einigen Sekunden verstärkten sich die Vibrationen und der Norweger sagte mit unheilschwangerer Stimme: „Ich fürchte, die linke Warpgondel hat bei unserer überstürzten Flucht geringfügig Schaden genommen, Captain.“ „Was verstehen Sie unter geringfügig Lieutenant?“ Wir können das Tempo nicht halten, ohne dass uns die Gondel in spätestens fünfzehn Minuten abreißt.“ „Aha“, machte Dheran. „Welche Geschwindigkeit können wir halten, ohne dass Derartiges passiert?“ „Warp 9,65 Sir. Bestenfalls.“ Der Andorianer realisierte, was das bedeutete, so wie auch alle anderen an Bord der ICICLE. Er atmete tief durch, bevor er seine nächsten Kommandos gab: „Commander Mancharella: Schutzschilde auf Maximum, sobald die Schiffe in Feuerreichweite kommen. Hintere Quantentorpedos laden und die Phaser bereithalten.“ „Aye, Captain bestätigte die Spanierin tonlos und machte das Schiff bereit, auf die eigenen Leute zu feuern... Kapitel 2: Jäger und Gejagte ---------------------------- Auf der Brücke der U.S.S. SIRIUS saß Captain Chris O´Donnell angespannt im Kommandosessel und machte ein grüblerisches Gesicht. Seit sie von STRATEGICAL STARBASE 71 aufgebrochen waren, um die flüchtende U.S.S. ICICLE abzufangen, sagte er sich, dass irgendetwas an der gesamten Sache nicht stimmen konnte. Einer der am höchsten ausgezeichneten Offiziere der Sternenflotte, der sich im Dominion-Krieg wiederholt verdient gemacht hatte, sollte ein Verräter sein – das konnte O´Donnell kaum fassen. Und das nicht allein deswegen, weil er mit Dherans Schwester zarte Bande geknüpft hatte. Was kann da passiert sein, überlegte der hochgewachsene, athletisch gebaute Captain. Dieser Andorianer spielt doch nicht plötzlich aus heiterem Himmel verrückt und versucht, den Admiral zu erschießen. Solche und ähnliche Fragen schossen dem blonden Mann durch den Kopf. Seine aquamarin-blauen Augen blickten sich auf der Brücke um und für einen Moment kam ihm der unsinnige Gedanke, die Anwesenden könnten erkennen, worüber er gerade brütete was natürlich vollkommen verrückt war. Die Stimme seines Ersten Offiziers, Commander Kim Il Yeon, riss ihn aus seinen Gedanken. „Glauben Sie wirklich, dass Captain Dheran ein Verräter ist?“ O´Donnell blickte in die fragenden, dunklen Augen des Koreaners. Wie immer verriet seine Miene nicht im Geringsten, was er selbst dachte. Eine Eigenschaft, die der Captain an seinem Commander am meisten schätzte war, dass er nie ein vorschnelles Urteil fällte. Sie taten nun schon seit fast vier Jahren Dienst mit einander. Früher war O´Donnell gelegentlich sehr schnell beim Fassen einer Meinung, doch seit er mit dem Koreaner zusammenarbeitete hatte dessen Art auf ihn abgefärbt – ja, ihn in gewisser Hinsicht reifen lassen. „Ich bin mir nicht sicher, Nummer Eins. Ehrlich gesagt: ich glaube es nicht.“ „Es scheint nicht nachvollziehbar“, stimmte Kim zu. „Aber Fakt ist, dass er auf den Admiral geschossen hat, und dass er die ICICLE entführt hat.“ „Manchmal sind die Dinge anders als sie scheinen, Mister Kim.“ „Kommen Sie mir nicht mit Weisheiten, von denen ich mich erinnern kann, dass ich sie Ihnen beigebracht habe, schmunzelte der drahtige Koreaner. Die beiden Männer, die neben einander auf der dunkelblau bezogenen Kommandobank, hinter der CON saßen, wurden abgelenkt, als Lieutenant Tinara Darex, eine vereinigte Trill mit langen dunkelbraunen Haaren und sphinxartigen, grün-grauen Augen, links hinter ihnen von der OPS meldete: „Sir, Captain Ariane Degenhardt von der HORNET ruft uns.“ „Auf den Schirm, Miss Darex.“ Auf dem Hauptschirm der SIRIUS entstand das Abbild einer energisch aussehenden, honigblonden Frau. Ihre dunkelbraunen Augen strahlten Willensstärke aus. Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen stand sie vor ihrem Platz und sagte: „Captain O´Donnell, unser Verband ist zu langsam, um die ICICLE einzuholen. Ich bitte darum, dass sie mich und Captain Jez-Son vorausschicken. Unsere beiden Schiffe sind schneller, als die des Rests unseres Verbandes. Wir werden Dheran beschäftigen, bis sie mit dem Rest des Verbandes bei uns sind.“ „Negativ“, lehnte O´Donnell ab und erntete dafür einen kalt funkelnden Blick der blonden Frau, die die HORNET kommandierte. „Der Verband bleibt zusammen.“ „Captain, wir müssen den andorianischen Verräter daran hindern, dass er zu den Talarianern überläuft!“ Chris O´Donnell spürte eine irrationale Wut bei den Worten der resoluten Endvierzigerin, und scharf antwortete er: „Noch ist der Andorianer nicht des Verrats überführt worden, Miss Degenhardt. Und ich bleibe dabei: Der Verband bleibt zusammen.“ „Ich halte diese Maßnahme nicht für gut!“, explodierte die blonde Frau, und ihre dunklen Augen sprühten beinahe Funken. „Das können Sie für gut oder schlecht halten, Captain Degenhardt, hier erteile ich Order! O´Donnell, Ende.“ Er gab der Trill ein Zeichen, die Verbindung zu unterbrechen. Während er aufstand und einen Schritt auf die CON zu machte, spürte er die Blicke der Brückencrew auf sich ruhen. Fragend blickte er schließlich zu Commander Kim. Der Asiat lächelte dünn, enthielt sich jedoch eines Kommentars. Doch O´Donnell ahnte auch so, was der Koreaner dachte. Kim stand absolut loyal zu ihm, und solange er, Chris O´Donnell, nicht offensichtlich gegen die Interessen der Föderation handelte, würde Kim ihn unterstützen, so viel stand fest. Der Captain der SIRIUS nahm wieder in seinem Sessel platz. Kaum saß er, als Ensign Garrett McDermott, ein etwas beleibter, untersetzter Mann von der Erde, von der CON meldete: „Sir, die ICICLE wird plötzlich langsamer. Das Schiff fliegt nur noch mit Warp 9,65.“ Kim hakte ein: „Gibt es einen erkennbaren Grund für dieses Manöver, Ensign?“ „Nein, Commander. Keine erkennbaren Energiefluktuationen.“ „Erkennbare Schäden am Schiff selbst?“ Der Ensign nahm eine Einstellung der Langstreckenscanner vor. „Geringfügige Schäden an der linken Warp-Gondel, Sir. Vermutlich entstanden, als das Schiff das Panzerschott der Hngarsektion von STRATEGICAL STARBASE 71 touchierte.“ Kim wandte sich zu Captain O´Donnell. „Sieht ganz so aus, als habe die ICICLE auf ihrer Flucht einen strukturellen Schaden davongetragen, Sir.“ Der Blonde nickte knapp und wandte sich dann an den Ensign: „Wann wird unser Verband zur ICICLE aufgeschlossen haben, wenn Captain Dherans Raumschiff dieses Tempo beibehält, Mister McDermott?“ „In zwölf Minuten und siebenundvierzig Sekunden, Captain.“ Tinara Darex mischte sich in das Gespräch ein. „Captain, wir werden den Talarianische Raumsektor in etwa dreizehn-einhalb Minuten erreichen. Das wird sehr knapp.“ „Signal an den Verband!“, erwiderte der Captain. „Schiffe sollen Abfangformation-Theta-7 einnehmen.“ „Aye, Captain!“ Kim warf seinem Captain einen fragenden Blick zu. Er wusste, dass dieses Umstrukturieren des Verbandes der ICICLE beinahe eine ganze Minute zusätzlich verschaffen würde. Für einen Moment sah es so aus, als wolle der Koreaner den Befehl in Frage stellen, doch dann meinte er lediglich, so leise, dass nur der Captain ihn verstehen konnte: „Sie sind sich bewusst, was das bedeutet, Captain?“ O´Donnell erwiderte lediglich den Blick seines Ersten Offiziers, antwortete jedoch nicht auf die Frage. Er hatte eine Entscheidung getroffen, und wenn es nötig sein würde, so würde er diese Entscheidung vor Admiral Tarun verantworten. Allein.   * * *   Auf der ICICLE beobachtete Commander Mancharella das Näherkommen der RAG. Als der verfolgende Verband sich neu zu formieren begann, runzelte sie die Stirn. Mittlerweile trug sie, so wie alle anderen Teilnehmer dieses Unternehmens, wieder ihre normale Uniform. Die MACO-Anzüge hatte Lieutenant-Commander Tal´Inuray Filiz mittlerweile ins Depot zurück gebracht. Dheran, der dabei in ihre Richtung sah, richtete seine Antennen nach vorne und fragte: „Was gibt es, Commander?“ Die dunklen Augen der Spanierin erwiderten den fragenden Blick des Andorianers als sie nachdenklich antwortete: „Es ist seltsam, Captain. Der Verbandsleiter der RAG lässt den Verband nach Muster Theta-7 auffächern. Er muss wissen, dass er uns dadurch die Möglichkeit verschafft, möglicherweise den Talarianischen Raum zu erreichen, bevor seine Schiffe uns stellen können.“ „Was schließen Sie daraus?“ „Captain?“ Dheran verdrehte seine Augen. „Sie haben den Captain auf STRATEGICAL STARBASE 71 kennen gelernt, Commander. Hatten Sie den Eindruck, dass er dumm ist?“ Pasqualina Mancharella ahnte worauf der Andorianer hinaus wollte. „Nein, Sir. Möglicherweise will er, dass wir entkommen.“ Der Andorianer machte eine zustimmende Geste. Gleichzeitig verfinsterte sich sein Blick, als er nachdenklich zustimmte: „Auf diese Weise müsste er nicht auf den Bruder einer Frau schießen lassen, die er wohl offensichtlich sehr sympathisch findet.“ Er begann auf der Brücke herum zu wandern und fügte nach einer Weile hinzu: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich O´Donnell deswegen mag, oder nicht.“ Die Spanierin unterdrückte ein Schmunzeln ob Dherans letzter Bemerkung. Mittlerweile kannte sie den Andorianer, bis zu einem gewissen Grad, und sie war sich sicher, dass er nicht halb so ungehalten wegen des Flirts seiner Schwester war, wie er vorgab. Dieses Poltern war eben seine Art, mit überraschenden Entwicklungen umzugehen. Sie „kitzelte“ den Captain etwas, indem sie meinte: „Solange es uns zum Vorteil gereicht...“ Der fragende Blick des Andorianers ließ nicht auf sich warten. Doch auch der Andorianer wusste mittlerweile die Spanierin besser einzuschätzen, und so verzogen sich seine Lippen schließlich zu einem schiefen Grinsen. „Sie sagen es, Commander.“ Dann marschierte er abrupt in Richtung des Bereitschaftsraums seines XO. Erst jetzt schien Doktor Leandros wieder das Sedativum einzufallen, dass sie von der Krankenstation mitgebracht hatte, und wortlos wollte sie sich dem Captain anschließen. Doch der hielt sie zurück, indem er zu ihr sagte: „Ich werde zunächst einmal versuchen, sie zum Mitmachen zu bewegen. Sie halten sich solange im Hintergrund. Sollte der Lieutenant sich unkooperativ zeigen, dann greifen sie ein und sorgen dafür, dass dieser Katastrophenmensch kein weiteres Unheil anrichtet.“ Victoria Leandros nickte amüsiert. „Aye, Captain.“ Dheran öffnete das Schott, und die beiden Offiziere traten ein. Die junge Inderin lag noch immer so auf der Couch, wie der Andorianer sie dort abgelegt hatte. Allerdings begann sie bereits sich wieder zu rühren. Auch die Augenbewegungen, unter den geschlossenen Lidern, nahm sichtbar zu. „Wir kommen gerade zur richtigen Zeit“, bemerkte Dheran und näherte sich langsam der Couch. Rania Singh-Badt gab ein undefinierbares Geräusch von sich und öffnete nach einer Weile langsam ihre Augen. Als sie Tar´Kyren Dheran erblickte sprang sie förmlich von der Couch auf und wollte sich auf ihn stürzen, doch die Inderin hatte die Reaktionsschnelligkeit des Andorianers unterschätzt. Der Captain packte blitzschnell ihre Handgelenke und schob sie zurück. An der Kante der Couch strauchelnd, plumpste sie rückwärts wieder auf die Polster, wobei sie ihren Vorgesetzten wütend anfunkelte. „Sie bleiben sitzen!“, herrschte Dheran die junge Frau an, die für einen Moment den Anschein erweckte, sich dem Befehl zu widersetzen. Doch dann blitzte sie ihn lediglich mit ihren dunklen Augen an und zischte leise: „Das ist Entführung, Sir. Dafür werden Sie sich vor einem Gericht der Föderation verantworten müssen. Dafür, und noch für Einiges mehr.“ „Schon möglich, Lieutenant, aber nicht heute. Und jetzt werden Sie mir gut zuhören, Lieutenant Singh-Badt. Wir befinden uns auf dem Weg in den talarianischen Raum. Sie können sich wohl gut vorstellen, dass wir jede Hand an Bord gebrauchen können.“ Ungläubig blickte die Inderin den Andorianer an, gerade so, als würde sie an dessen Verstand zweifeln. „Sie glauben doch wohl nicht, dass ich Sie und ihre Bagage bei dieser widerrechtlichen Handlung noch aktiv unterstütze?“ Der Captain wechselte einen schnellen, verschwörerischen Blick mit Lieutenant-Commander Leandros, bevor er antwortete: „Oh doch, genau das glaube ich. Sie sind dabei, Lieutenant, ob es Ihnen nun gefällt oder nicht. Auf STRATEGICAL STARBASE 71 hat man längst festgestellt, dass Sie nicht auf Harlings Geburtstagsfeier sind, und man wird, nicht ganz zu Unrecht, vermuten, dass sie zu uns gehören.“ „Das werde ich sofort aufklären, sobald wir wieder in Föderationsraum sind.“ Das siegessichere Lächeln des Andorianers brachte die Inderin etwas aus dem Konzept. Sie spürte instinktiv, dass er ein Ass im Ärmel hatte, dass er nun auszuspielen gedachte. „Nur damit Sie klar sehen, Lieutenant: Wir alle werden einen Eid schwören, dass Sie uns freiwillig begleitet und geholfen haben.“ Die Augen der Inderin weiteten sich bei den Worten des Captains und ungläubig starrte sie in dessen verschlossene Miene. Da sie seinem Gesichtsausdruck nicht entnehmen konnte, ob er seine Worte wirklich ernst gemeint hatte, blickte sie unsicher zu Victoria Leandros, die sich bislang im Hintergrund gehalten hatte. Die Griechin nickte bedeutungsvoll, mit todernster Miene und meinte finster: „Es ist so, wie der Captain es sagt. Sie können helfen, dass wir lebend aus diesem Schlamassel heraus kommen, oder aber Sie sterben mit uns. Wie auch immer: Man wird Sie keinesfalls rehabilitieren. Schon gar nicht, wenn wir bei diesem Abenteuer sterben.“ Fassungslos blickte die junge Inderin von Leandros zu Dheran. Noch während sie mit der Antwort zögerte, sagte der Andorianer beschwörend: „Ich habe keinerlei Hemmungen, Doktor Leandros anzuweisen, Sie für die Dauer unseres Fluges in Tiefschlaf zu versetzen. Sollten Sie sich jedoch dazu entschließen, uns mit ihrer ganzen Kraft zu unterstützen, dann werde ich Ihre Rolle bei diesem Unternehmen vor dem Kriegsgericht richtigstellen. Sollten Sie auf den Gedanken kommen uns zu sabotieren, dann werden wir bei der Version bleiben, dass Sie freiwillig mitgemacht haben. Ist das klar?“ In ohnmächtiger Hilflosigkeit blickte Rania Singh-Badt den Captain an. Ihre Gedanken jagten sich. Sie saß in der Falle, denn sie zweifelte keinen Moment daran, dass dieser blauhäutige Teufel seine Drohung wahr machen würde. Zwischen zusammengepressten Zähnen brachte sie schließlich wütend hervor: „Ich helfe Ihnen. Aber ich hoffe, dass man die ICICLE zuvor abfängt und in Stücke schießt.“ „Ihre Hoffnung ist unangebracht, denn Sie würden dabei ebenfalls den Tod finden“, konterte der Andorianer trocken. „Und nun ziehen Sie sich um, und melden sich dann auf der Brücke bei Commander Mancharella.“ „Aye, Sir“, zischte die Inderin wobei sie das Wort Sir besonders betonte. Dann erhob sie sich und stapfte in Richtung des Schotts. Mit den Augen bedeutete Dheran der Griechin, Rania Singh-Badt zu folgen. Sicher war sicher.   * * *   Als der Befehl zur Bildung von Abfangformation Theta-7 auf der HORNET einlief, stand Captain Ariane Degenhardt kurz vor einem Wutanfall. Ihre dunkelbraunen Augen sprühten förmlich Funken, als sie über die Schulter zu Lieutenant Arin Teniras, dem bajoranischen Lieutenant Senior-Grade an der Taktischen Station blickte. „Eine Blitzverbindung zur SIRIUS, Lieutenant!“, donnerte sie und schoss aus dem Sessel hoch. „Aye, Captain. Kanal ist offen.“ „Auf den Schirm!“ Bereits im nächsten Augenblick zeigte der Hauptbildschirm der HORNET das aufreizend gelassen Konterfei des australischen Captains der SIRIUS, und die auf Rigel VII geborene Frau, mit deutschen Wurzeln, begann ernsthaft daran zu Zweifeln, dass O´Donnell wusste, was er tat. „Was kann ich für Sie tun, Captain Degenhardt?“ Diese unschuldige Frage brachte Ariane Degenhardts Beherrschung noch näher an den Rand der Zerreißprobe. Sichtlich aufgebracht fauchte sie: „Wissen Sie eigentlich, was Sie mit diesem Formationsbefehl anrichten?“ „Ja, wir bringen den Verband in die beste Abfangformation.“ „NEIN! Verdammt, O´Donnell, dieser Befehl sorgt dafür, dass die ICICLE, und mit ihr der Verräter Dheran, entkommt!“ O´Donnell hob fragend seine Augenbrauen und erhob sich nun langsam aus seinem Sessel. „Ich habe Ihnen doch bereits zuvor schon...“ „Ich weiß, was Sie gesagt haben!“, fuhr Captain Degenhardt dem Australier in die Parade. „Und ich gewinne langsam den Eindruck, dass Sie mit dem Andorianer unter einer Decke stecken!“ Auf dem Hauptschirm der HORNET war zu erkennen, dass O´Donnell näher an den Bildschirm seines Schiffes heran trat. Langsam legte er seine Hände auf den Rücken und antwortete gefährlich leise: „Vielleicht spielen Sie mit dem wenig feinen Gedanken, die Kommandogewalt dieses Verbandes an sich zu reißen, Miss Degenhardt? Ich könnte mir vorstellen, dass man dies vor einem Militärgericht der Föderation wohl als Meuterei auffassen würde. Und die Nichtbeachtung eines direkten Befehls als Insubordination.“ Bei seinem letzten Satz bekam der Klang seiner Stimme eine schneidende Schärfe. Dann fügte er hinzu: „Ich schlage vor, dass Sie sich von nun an an meine Anweisungen halten, und die Kanäle für Notfälle frei halten. O´Donnell, Ende.“ Ariane Degenhardt stand eine Weile wie vom Donner gerührt da, bevor sie tief durchatmete und langsam wieder in ihrem Sessel Platz nahm. Dabei dachte sie erzürnt: Über diese Angelegenheit ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, Mister O´Donnell.   * * *   Auf der ICICLE meldete sich Rania Singh-Badt, nun in Uniform, bei Pasqualina Mancharella. Zunächst hatte sie vorgehabt, die Spanierin auf ihre Seite zu ziehen, doch die ernste, entschlossene Miene, mit der Commander Mancharella sie musterte, machte der Inderin die Aussichtslosigkeit einer solchen Aktion klar. Die XO des Schiffes deutete auf die Taktische Konsole. „Sie übernehmen, Lieutenant. Auf die Schnelle: Die RAG ist uns auf den Fersen und wird uns vermutlich mit Erreichen des Talarianischen Raumes einholen. Möglicherweise werden die Schiffe, ohne Vorwarnung das Feuer auf die ICICLE eröffnen. Sie werden in diesem Fall dafür Sorge tragen, dass die RAG-Schiffe zu Ausweichmanövern gezwungen werden.“ Rania Singh-Badt begann die gesamte Situation langsam für immer unwirklicher zu halten. Man erwartete tatsächlich von ihr, dass sie auf die eigenen Schiffe feuern sollte. Pasqualina Mancharella schien die Bedenken der Inderin zu erahnen und fügte ihren voran gegangenen Worten drohend hinzu: „Falls Sie mit dem Gedanken spielen sollten gegen uns zu arbeiten, so versichere ich Ihnen, dass ich in einem solchen Fall keine Hemmungen haben werde Sie niederzuschlagen, und selbst die Taktik zu übernehmen.“ Rania Singh-Badt funkelte ihre Vorgesetzte giftig an und nickte, mühsam beherrscht. Sie ließ ihre Finger über die Sensortasten der Konsole gleiten stellte die Abstände der RAG-Schiffe fest, und aktivierte, beinahe ohne darüber nachzudenken, die hinteren Zielscanner. Ab und zu warf sie dabei einen finsteren Blick zu den Offizieren der ICICLE, die sie bisher als ihre Kameraden angesehen hatte. Waren diese Leute plötzlich alle kollektiv durchgedreht? Wütend auf die Führungsoffiziere der ICICLE und wütend auf sich selbst checkte sie ganz automatisch die Feuerbereitschaft der Torpedolauncher. Mehr um sich selbst etwas abzulenken überprüfte sie die Unterprogramme für die Festlegung der Torpedosprengleistung. Sie kontrollierte routiniert den Code und wollte bereits wieder die Standard-Konfiguration der Konsole aufrufen, als ihr etwas merkwürdiges auffiel: Das Unterprogramm war erweitert worden. Hastig, dabei unauffällig prüfend, was die anderen Anwesenden auf der Brücke gerade machten, rief sie eine Programmsimulation auf, um zu prüfen, was dieses Unterprogramm nun bewirken konnte. Sie musste sich Gewalt antun, nicht entsetzt aufzustöhnen, als sie das Ergebnis angezeigt bekam. Alle Torpedos konnten mit diesem zusätzlichen Unterprogramm gleichzeitig zur Zündung gebracht werden. Nur einen Moment später schoss ihr durch den Kopf: Diese Wahnsinnigen sind drauf und dran einen Kamikaze-Einsatz zu fliegen! Rania Singh-Badt warf einen prüfenden Blick zu Dheran, der sich anschickte den Bereitschaftsraum des Captains zu entriegeln. Zusammen mit Pasqualina Mancharella betrat er den Raum, und die Inderin erkannte, dass dies DIE Gelegenheit war, diesen Wahnsinn zu verhindern. Immer ihre Umgebung im Auge behaltend begann die Inderin, sich dabei so wenig wie möglich anmerken lassend, damit das Unterprogramm aus allen Bereichen zu entfernen, was eine Weile in Anspruch nahm, da sie hektische Betriebsamkeit bewusst vermied. Sie hatte es gerade geschafft, das Programm endgültig zu eliminieren, als Dheran, Mancharella und der Talarianer die Brücke betraten. Keinen Moment zu früh schaltete sie die Konsolenkonfiguration wieder auf den Normalmodus, denn Pasqualina Mancharella hielt sofort auf sie zu um dicht neben ihr stehen zu bleiben. Es fiel Rania Singh-Badt nicht leicht, ihren Triumph für sich zu behalten. Dem Blick von Commander Mancharella ausweichend starrte sie auf ihre Anzeigen. Sie war als Pechvogel verschrien, doch diesmal hatte sie ganze Arbeit geleistet, und sie war sich sicher, dass der Admiral höchst persönlich ihr auf die Schulter klopfen würde, sobald er von ihrem Eingreifen an Bord der ICICLE erfuhr. Möglicherweise würde man ihr sogar eine Ehrenmedaille verleihen. Heute habe ich in bester Tradition der Sternenflotte gehandelt, und das sicherlich nicht zum letzten Mal. Kapitel 3: Loyalität und Freundschaft ------------------------------------- Captain Linara Enari handelte – so wie sie immer handelte, wenn es zu Gebote stand. Das war ihr Wesen, seit sie sich, im Jahre 2351, im Alter von 17 Jahren, dem bajoranischen Widerstand angeschlossen hatte. Diese Angewohnheit, und die Tatsache, dass sie stets das tat, was zu tun war, hatte sie öfter als einmal in die Zwickmühle gebracht, denn nicht immer hatte ihr Handeln dabei in bester Tradition der Sternenflotte gestanden. Nichts sah die resolute, und oft autoritär auftretende Bajoranerin für wertvoller an, als unverbrüchliche Loyalität ihren Freunden gegenüber. Und momentan galt es, für einen Freund einzutreten, den man zur Zeit, hinter vorgehaltener Hand, als Verräter titulierte. Sie selbst war im Jahr 2376 in die Fänge der Sektion 31 geraten, und sie wusste nur allzu gut, wie schnell man unschuldig unter Verdacht geraten konnte. Sie hatte bereits vor einigen Tagen, zusammen mit Captain Sorek, bei Captain Carey vor gesprochen. Die Irin hatte sie, gelinde formuliert, abblitzen lassen. Jetzt, nach der gelungenen Flucht des andorianischen Captains reichte es ihr endgültig. Sie würde das Büro des Admiral so lange belagern, bis man sie zu ihm vor ließ, und wenn es eine ganze Woche dauern sollte. Sie war Hunger und Schlaflosigkeit gewohnt, und sie bezweifelte stark, dass Tarun ihr in dieser Hinsicht das Wasser reichen konnte. Auf dem Weg zum Turbolift, der sie auf die OPS der gigantischen Raumstation STRATEGICAL STARBASE 71 bringen würde, fragte sie sich, nicht ganz ohne Häme, wie Dherans Führungsoffiziere es zuwege gebracht hatten, diesen blauen Teufelskerl, und den talarianischen Gefangenen, zu befreien, die ICICLE zu kapern, und dann auch noch damit erfolgreich zu verschwinden. Dabei fielen ihr wieder die Worte des Andorianers ein, als sie im August mit Dherans Schiff zur Erde geflogen waren. Ich möchte diese Crew nicht zum Gegner haben. Wenn sie denen befehlen, den Teufel aus der Hölle zu holen, dann ist nicht die Frage, ob sie es schaffen, sondern viel mehr: Wohin mit ihm? Damals war sie sich nicht sicher gewesen, ob der Andorianer seine Worte ernst gemeint hatte. Vielleicht hatte sie damals Dheran und auch seine Crew unterschätzt. Vielleicht hatte es aber auch nur an der Art des Andorianers gelegen, die etwas gewöhnungsbedürftig war. Sie wusste, dass sie sich auf ihre Crew blind verlassen konnte. Der aktuelle Vorfall zeigte jedoch, dass sie nicht als Einzige eine absolut loyale Führungscrew besaß. Das sollte dir aber klar sein, meldete sich ihr Unterbewusstsein. Die Bajoranerin wurde abgelenkt, als sie von einem uniformierten Mann gegrüßt wurde, der ihr entgegen schritt, als sie den Turbolift beinahe erreicht hatte. Sie erkannte, dass er, so wie sie selbst, Captain der Taktischen Flotte war, und seine nach oben geschwungenen Augenbrauen verrieten nur allzu deutlich die vulkanisch-romulanische Abstammung. „Hallo, Sorek“, sprach sie ihn an. „Wohin soll es denn gehen?“ „Ich bin auf dem Weg zu Admiral Tarun“, erklärte Sorek mit der ihm eigenen Ruhe. „Und wohin willst du?“ „Wir haben denselben Weg“, stellte die Bajoranerin fest. „Auch ich bin auf dem Weg zu Tarun, und einmal darfst du raten warum.“ Linara Enari konnte sich vorstellen, dass auch der Halbvulkanier von der Flucht des Andorianers gehört hatte, und offensichtlich war auch er im Begriff, herauszufinden, was hinter diesem ungeheuerlichen Vorfall steckte. Einen Verrat Dherans schloss sie rigoros aus. Der Andorianer mochte gelegentlich eine etwas seltsame Art haben, aber dass er ein Verräter war glaubte sie nie und nimmer. Im Widerstand hatte sie einen gewissen Instinkt dafür entwickelt, wem sie vertrauen konnte, und wem nicht. Irgend etwas stimmte auf dieser Station seit einigen Tagen nicht, das spürte sie in jedem Knochen. Deshalb war sie zu Tarun aufgebrochen, in der Hoffnung, sich damit Klarheit verschaffen zu können. Irgend etwas war im Busch, und sie würde schon herausfinden was. Als sie die Turboliftkabine betraten, blickte Sorek, mit leicht hochgezogenen Augenbrauen zu der Bajoranerin. „Sie scheinen guter Dinge zu sein?“ Linara bemerkte erst jetzt, dass sie in Gedanken grinste, und sie erklärte schnell: „Ich erinnerte mich gerade an die letzte Zusammenarbeit, zwischen mir und Captain Dheran.“ Sorek merkte, dass Enari nicht in der Stimmung war mehr zu erzählen, und so fragte er nicht weiter nach. Dann fragte er: „Ob der Admiral uns anhören wird?“ „Ich werde ihm keine Wahl lassen“, erklärte die Bajoranerin entschlossen. „Und für seine Nerven wäre es vermutlich besser, wenn er dies freiwillig tut, sonst werde ich auf ihnen Klavier spielen, und das ziemlich laut.“ „Oh ja, zweifellos.“ Sorek ignorierte geflissentlich, dass Linara Enari ihn mit einem Stirnrunzeln, und einem fragenden Blick bedachte. Auf der OPS angekommen verließen sie den Lift und schritten auf die Treppe zu Admiral Taruns Büro zu. Bevor sie diese jedoch erreichen konnten, trat Sub-Commander Enrom Tolaron auf sie zu und erklärte mit fester Stimme: „Sie beide können momentan nicht zum Admiral. Zwei der meuternden Offiziere der ICICLE werden im Moment vom Admiral zu den Vorgängen befragt.“ Die beiden Captains blickten interessiert zu den durchsichtigen Schotthälften, wobei sie erst jetzt erkannten, dass dort ein ziemliches Gedrängel herrschte. Außer dem Admiral und den erwähnten beiden Offizieren der ICICLE schienen dort auch noch einige MACO´s versammelt zu sein, die auf die beiden Meuterer achtgaben. „Wir werden warten, Sub-Commander“, beschied ihm die Bajoranerin und wechselte einen schnellen Blick mit Sorek. Während der Romulaner, der auf STRATEGICAL STARBASE 71 als Verbindungsoffizier zum Romulanischen Sternenimperium diente, und darüber hinaus auch den Posten des Sicherheitschefs bekleidete, sich wieder auf seinen Posten begab, blickten sich die beiden Captains um. Die OPS der Station war immer wieder beeindruckend. Kein Vergleich zur OPS von DS-9 oder irgend einer anderen STERNENBASIS, die Linara Enari und Sorek bisher gesehen hatten. Während sie warteten fragte sich Linara Enari, wer wohl die beiden Offiziere bei Tarun waren. Einige von ihnen hatten sie und Sorek bereits vor einigen Wochen, während des Fluges zur Erde kennen gelernt. Besonders erinnerte sie sich dabei an die XO des Schiffes, die mit Dheran und einigen anderen Offizieren der ICICLE auf der Flucht war. Sie waren zu Besuch im Haus ihres Vaters gewesen, und sie hatte einen recht vernünftigen Eindruck bei ihr hinterlassen. Und nun galt sie, zusammen mit den anderen Führungsoffizieren der ICICLE, als Verräterin. All das passte irgendwie nicht zusammen. Nun, sie würde es ja bald sehen. Und dann würde sie alles daran setzen, einem Freund zu helfen, der in ihren Augen unmöglich ein Verräter sein konnte.   * * *   Von sechs bewaffneten MACO´s flankiert, standen Commander Namoro Kunanga und Lieutenant-Commander Rick McMahan hoch aufgerichtet vor dem Schreibtisch des Admirals. Torias Tarun, der mit hinter dem Rücken verschränkten Händen, auf der anderen Seite des wuchtigen Schreibtisches stand, wirkte im Vergleich zu diesen beiden Hünen, jeder knapp über zwei Meter hoch gewachsen, beinahe schmächtig. Doch was ihm an Körpergröße fehlte, das machte er durch seine ungeheure Präsenz und sein Charisma mehr als wett. Obwohl die beiden Offiziere der ICICLE zu Tarun hinunter schauen mussten, war ihnen doch, als würden sie zu ihm hinauf schauen müssen. Zwar hatte Dheran, als sie ihn einige Stunden vor Pasqualina Mancharella besucht hatten, versichert, dass er sich vor sie stellen, und als Captain die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen würde, ganz gleich was passierte, aber hier zu stehen war dennoch nicht einfach. Kunanga und McMahan hatten gewusst, dass ihr Handeln hier vor dem Admiral enden würde, doch das hatte sie in keinster Weise auf den Trill vorbereitet, der nun wie ein Racheengel vor ihnen stand und sie so eindringlich musterte, wie es nur ein Offizier in seiner Position tun konnte. Sowohl Kunanga, als auch McMahan hatten dem Tod schon viele Male ins Auge geblickt, doch hier vor dem Admiral zu stehen, und mit Blicken seziert zu werden, war ihnen weitaus unangenehmer. Selbst die MACO´s zuckten zusammen, als Tarun die beiden Offiziere ohne Vorwarnung überlaut anfuhr: „Gibt es Zeiten, da Offiziere der Sternenflotte das Recht haben, Befehle zu verweigern?! Oh, ja – die gibt es! Die Sternenflotte befielt Ihnen nicht, auf Unbewaffnete oder auf Zivilisten zu schießen, oder sonst etwas, das Ihr Gewissen nicht zulässt. Aber Sie zwei Verschwörer haben nicht das Recht, sich ihre eigenen Befehle zurecht zu basteln, zwei Gefangene zu befreien, und einen schweren Raub zu begünstigen!“ Der Admiral hatte beide Arme vor der Brust verschränkt und funkelte die beiden Offiziere wütend an, was ihm nicht leicht fiel, da er einerseits genau diese Reaktion hatte haben wollen, und er andererseits die Loyalität beider Offiziere, zu Dheran, und ihren persönlichen Mut anerkannte. Dennoch deutete er anklagend auf seine Schreibtischplatte, und fuhr, scheinbar wütend, fort: „Ihr Captain hat es sehr schlau eingefädelt, indem er ihren Kollegen, Mister Farok, vor mehreren Tagen damit beauftragte, mir genau an diesem Morgen seinen schriftlich niedergelegten Befehl an Sie beide, zu überbringen, mit der Behauptung, dass er ihnen den Tatbestand einer, von mir geplanten Kommandoaktion vorgegaukelt hat, in deren Verlauf seine Befreiung aus dem Gefängnistrakt von Nöten sein würde. Da Sie beide, aufgrund dieses fadenscheinigen Alibis, nach bestem Wissen und Gewissen, auf Befehl ihres direkten Vorgesetzten, gehandelt haben, kann ich Sie beide nicht einmal für diese Aktion degradieren. Aber ich kann Sie beide sehr wohl, zumindest für die Dauer der offiziellen Untersuchung dieser Aktion in Haft nehmen lassen, und genau das werde ich jetzt tun! Das wäre bis auf weiteres alles, meine Herren!“ Er gab den MACO´s einen Wink. Während Kunanga und McMahan hinaus geführt wurden, blickten sie sich bedeutungsvoll an. Das hatte Dheran also mit, er würde sich vor sie stellen gemeint. Die beiden Offiziere mussten zugeben, dass der Andorianer ziemlich gerissen gehandelt hatte. Wie hätten sie auch ahnen können, dass dies alles zum Großteil ebenfalls Torias Taruns Idee gewesen war?   * * *   Linara Enari gab Sorek einen Wink, als sich das Schott zu Taruns Büro öffnete und die MACO´s zusammen mit zwei hünenhaften Offizieren der ICICLE heraus kamen. Einen von beiden erkannte Linara Enari. Sie wusste, dass er der Chefingenieur der ICICLE war. Der andere, mit den Insignien eines Commanders war ihr unbekannt. Doch aufgrund der Tatsache, dass es nur zwei Offiziere im Rang eines Commanders auf der ICICLE gab, musste es der CAG der Jagdverbände auf Dherans Schiff sein. Für einen kurzen Moment fragte sich die Bajoranerin, wie es dieser Riese schaffte, sich in das Cockpit eines SKORPION-Jägers zu zwängen, ohne dass seine Ohren die eigenen Kniescheiben berührten. Dieser Gedanke belustigte sie für einen Moment lang, als sie zusammen mit Sorek die Treppen zum Büro des Admirals hinauf stiegen. Enrom Tolaron hatte beide Captains mittlerweile angemeldet, so dass der Admiral das Schott zu seinem Büro gleich offen gelassen hatte. Abwartend saß der Trill hinter seinem Schreibtisch und blickte die nun eintretenden beiden Captains neugierig an. Kaum dass sich die beiden Schotthälften hinter Sorek und Linara Enari geschlossen hatten, fragte er: „Nun, was kann ich für Sie beide tun?“ Der Halbvulkanier und die Bajoranerin wechselten einen schnellen Blick und Linara übernahm es, das Gespräch zu beginnen. „Sir, wir sind wegen unsere Freundes, Tar´Kyren Dheran gekommen. Es heißt, er wäre ein Verräter, aber das kann ich nicht glauben.“ Tarun, der die Bajoranerin gut kannte, und glaubte sie einigermaßen einschätzen zu können, war sich im Klaren darüber, dass er ihr keine Halbwahrheiten auftischen konnte, ohne dass sie dies durchschauen würde. Zumal das nicht zu seinen Stärken gehörte. Er war ein grundehrliches Wesen, und er war stolz darauf. Darum waren ihm die Ränkespiele seines Widersachers Sherman, dem Chef des SFI, auch höchst zuwider. Überlegend blickte er die beiden so verschiedenen Captains an, bevor er seufzend erhob und zur Sitzecke deutete: „Machen Sie es sich gemütlich, denn ich fürchte, ich werde zu einer längeren Erklärung ansetzen müssen.“ Sorek und Linara nahmen Platz, nachdem sich der Admiral gesetzt hatte. Neugierig blickten sie den Trill an, der eine kleine Kunstpause machte, bevor er schließlich sagt: „Was ich Ihnen beiden nun mitteile ist streng geheim, und wird diese vier Wände nicht verlassen, damit das ganz klar ist.“ Die Mienen der beiden Captains spannten sich gleichermaßen an. Tarun erklärte: „Um Sie beide zu beruhigen, Ihr Freund und Kollege Dheran ist nicht desertiert, sondern er befindet sich auf einer geheimen Mission, auf die ich ihn persönlich geschickt habe. Auch sein Auftritt in meinem Büro, und sein Attentat auf mich ist Teil dieses Planes. Momentan müsste er es beinahe geschafft haben, den talarianischen Raum zu erreichen. Ich konnte jedoch niemanden sonst einweihen, da wir nicht wissen ob, und mit welchen Mitteln man die Crew der ICICLE verhören wird. Der andorianische Captain ist gegen telepathische Verhöre immun, der Rest hingegen nicht. Außerdem musste für den talarianischen Admiral alles echt wirken, darum dieses kleine Manöver. Nicht einmal Commander No´Leen Ra Taragenar und Tolaron wissen darüber Bescheid. Außer Ihnen beiden und Dheran wissen nur Captain Carey, Konteradmiral Kuehn und ich davon.“ Während Sorek reglos zugehört hatte, krampften sich die Finger der Bajoranerin um den Rand der Sitzfläche. Dann fragte sie: „Welchen tieferen Sinn hat dieses Schauspiel?“ Tarun erklärte den beiden Captains die Zusammenhänge, und als er endete, fragte Linara Enari verwundert: „Und diesem Wahnsinnsplan hat Tar´Kyren zugestimmt? Ich hatte immer angenommen er würde an seinem Schiff hängen. Und nun sagt er sich einfach, was soll´s – ist doch nur ein Schiff?“ Tarun nickte. „Ich denke er hängt tatsächlich an der ICICLE. Allerdings würde er das Schiff wohl niemals über die jeweilige Aufgabe stellen, solange er einen Sinn in dieser Aufgabe sieht. Das, zusammen mit der starken Torpedobestückung, machte die ICICLE für diesen Einsatz zum idealen Objekt. Und da Sie beide nun Bescheid wissen, werde ich Sie von der Station verbannen, und dazu einteilen, sich in Bereitschaft zu halten, Dheran notfalls zu Hilfe zu kommen. Sie werden mit der POLARIS und der WINDTALKER auf Patrouille gehen. Halten sie sich in de Nähe des Talarianischen Sektors auf, aber nehmen Sie einen anderen Anflugvektor, als unserer RAG-Schiffe. Sie haben notfalls die Befugnis in den Raum der Talarianer einzudringen, wenn dies keine übermäßige Gefahr für ihre beiden Schiffe darstellt. Versuchen Sie unsere Leute zu retten, falls ihnen die Flucht gelingen sollte, was nicht sicher ist. Ich werde diese Mission auf acht Wochen einschränken. Sollten Sie bis dahin kein Lebenszeichen von Dheran und seinen Leuten auffangen, kehren Sie zurück zur Station.“ Die Bajoranerin blickte den Admiral mit Widerspruch in den Augen an. „Was ist, wenn Dheran und seine Leute länger brauchen? Es gibt dutzende von Möglichkeiten, die eine solche Operation verzögern könne, Sir, das wissen Sie selbst.“ Sie blickte in die Augen des Trill, die in diesem Moment Bände sprachen. Wenn Dheran in acht Wochen kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte, dann würde man weder von ihm, noch von seinen Leuten jemals wieder etwas hören. Und das sah auch Linara Enari ein. Trotzdem ballten sich ihre Hände zu Fäusten. Dann meinte sie entschlossen: „Sorek und ich werden alles tun, damit Dheran und seine Leute heil zurückkehren.“ Sorek nickte zustimmend und erhob sich zusammen mit der Bajoranerin, als der Admiral Anstalten machte sich ebenfalls zu erheben. Bevor sich die beiden Captains zum Gehen wenden konnten, fügte Tarun hinzu: „Gute Jagd.“ Während die beiden Captains gingen, blickte der Admiral ihnen sinnend nach. Linara Enari hatte Dheran als ihren Freund bezeichnet, und er zweifelte keinen Augenblick daran, dass sie alles daransetzen würde, Captain Dheran und seine Leute zu retten falls es eine Möglichkeit dazu geben sollte. Und Sorek schätzte er ähnlich ein. Er hatte die beiden richtigen Captains auf diese Mission entsandt. Nun musste er warten. In Gedanken schritt er zu seinem Schreibtisch, um No´Leen Ra Taragenar und Enrom Tolaron zu sich zu bestellen. Es wurde Zeit die beiden Offiziere ebenfalls einzuweihen... Kapitel 4: Auf Messers Schneide ------------------------------- Auf der U.S.S. SIRIUS hielt es Captain O´Donnell nicht länger in seinem Sessel. Die RAG würde in etwas mehr als einer Minute auf Schussweite an die ICICLE heran gekommen sein. Gleichzeitig würde sich der Verband damit in Schussweite der ICICLE befinden. Noch glaubte er nicht daran, dass Dheran das Feuer auf die RAG eröffnen würde. Er traute dem Andorianer eine Menge zu, aber das nun doch nicht. Gerade so, als wolle der Andorianer seine Überlegungen Lügen strafen, meldete Lieutenant Darex in diesem Moment: „Die ICICLE aktiviert ihre Waffensysteme, Captain.“ O´Donnell drehte sich nach hinten rechts zum Taktischen Offizier der SIRIUS, einer ruhigen Coridanerin. „Ensign Kelav, Schilde hoch. Phaser und Torpedos in Bereitschaft.“ Der Australier war nicht bereit ein vermeidbares Risiko einzugehen. Immerhin konnte es sein, dass er Dheran falsch einschätzte. „Lieutenant Darex: Signal an den Verband – Kampfbereitschaft herstellen.“ „Aye, Captain.“ Während die Trill das Codesignal abstrahlte, beugte sich O´Donnell im Sessel nach vorne. Was haben Sie vor, Captain Dheran?   * * *   Auf der ICICLE wandte sich Tar´Kyren Dheran an den Talarianer: „Wir erreichen bald talarianisches Hoheitsgebiet. Ich schlage vor, dass Sie einen Subraumspruch an Ihre Leute absetzen. Etwas Hilfe gegen unsere Verfolger könnte nichts schaden.“ „Ich hatte mich schon gefragt, wann Sie auf diese Idee kommen würden, Captain“, antwortete der Talarianer von oben herab. Er ließ den Andorianer spüren, wen er als den Überlegenen von ihnen beiden betrachtete. Der Andorianer beherrschte sich eisern und ließ dem talarianischen Admiral den Vortritt, zur Brücke. Gemeinsam begaben sich die beiden absolut verschiedenen Männer hinauf zur Taktischen Station. Bei Lieutenant Singh-Badt angekommen wandte sich der Andorianer dem Admiral zu und sagte: „Sie übernehmen bitte, sobald mein Lieutenant die Verbindung hergestellt hat.“ Damit wandte er sich auch schon der Inderin zu. „Lieutenant, senden Sie einen Notruf auf allen gängigen, talarianischen Frequenzen.“ „Aye“, bestätigte die Inderin knapp wobei sie demonstrativ das Sir weg ließ. „Ich sende einen Standardnotruf.“ Als Rania Singh-Badt die entsprechenden Schaltungen vornahm, näherte sich Lieutenant-Commander Tal´Inuray Filiz langsam der Taktischen Konsole, während Commander Mancharella zur CON hinunter schritt. Die andorianische MACO hatte den kurzen, auffordernden Seitenblick des Captains bemerkt, und beobachtete sowohl den Talarianer, als auch die Inderin aufmerksam, bereit beide, bei der geringsten verdächtigen Bewegung, mit ihrem Phaser zu betäuben. Es dauerte lange Sekunden, bis Rania Singh-Badt meldete: „Ein talarianischer Verbandsleiter ruft uns.“ „Auf den Schirm, Lieutenant“, befahl der andorianische Captain. Während auf dem Hauptschirm der ICICLE sich das Abbild eines talarianischen Offiziers abzeichnete, und Dheran mit dem talarianischen Admiral die Rampe zu seinem Sessel hinunter schritt, begab sich Tal´Inuray Filiz noch näher zu der Inderin an der Taktik und raunte ihr, gefährlich leise zu: „Wenn Sie jetzt noch ein einziges Mal, dem Captain gegenüber, den nötigen Respekt vermissen lassen, dann lernen Sie mich kennen, Lieutenant. Ich hoffe, Sie verstehen den kleinen Wink.“ Rania Singh-Badt blickte in die funkelnden, dunklen Augen der Andorianerin. Schließlich wich Sie dem kalten Blick aus und antwortete leise zischend: „Ja, Sir.“ Die Wut war der Inderin deutlich anzumerken, doch sie bezweifelte nicht, dass die andorianische MACO ihre versteckte Drohung wahr machen würde, falls sie sich nicht fügte. Also machte sie böse Miene zu bösem Spiel. Der Hauptschirm erhellte sich, und das Abbild eines Talarianers in der braun-grün gehaltenen Uniform eines Verc´Ator, was dem Rang eines Vizeadmirals entsprach, erschien darauf. Wie bei Talarianern üblich besaß auch dieser auffällige Stirn- und Kopfwülste. Seine grauen Augen drückten Verschlagenheit aus. Torenan Cidar trat einen Schritt nach vorne und fragte: „Wie groß ist Ihr Verband, und wann können Sie uns erreichen?“ Der Verc´Ator schien von der knappen Art seines Vorgesetzten nicht weiter verwundert, sondern antwortete prompt: „Ich stehe mit dem Dritten Geschwader, einem Verband von 147 Einheiten, bereit. Wie ich sehe, befinden Sie sich an Bord eines Föderationsschiffes?“ Es war mehr eine Frage, denn eine Feststellung. Cidar sagte zustimmend: „Ja, und wir werden von zehn weiteren Föderationsschiffen verfolgt, vor denen Sie uns besser abschirmen sollten.“ „Wir haben die elf Schiffe bereits auf den Langstreckenscannern. Es könnte sein, dass Sie sich für kurze Zeit selbst verteidigen müssen. Wie gut ist das Schiff, auf dem Sie sich befinden, in dieser Hinsicht?“ Cidar blickte fragend zu dem Andorianer. Dheran antwortete an Stelle des Talarianers: „Wir werden uns behaupten können.“ Torenan Cidar blickte wieder seinen Untergebenen auf dem Bildschirm an. „Sie haben es gehört. Beeilen Sie sich dennoch.“ Der Talarianer auf dem Bildschirm bestätigte. Gleich darauf wurde die Verbindung unterbrochen, und der Bildschirm zeigte wieder die Sternenstreifen des Warpfluges. Tar´Kyren Dheran wandte sich zu Rania Singh-Badt um und fragte: „Wie lange noch, bis die RAG-Schiffe in Schussweite sind?“ Die Inderin warf einen schnellen Seitenblick zu Tal´Inuray Filiz und beeilte sich zu antworten: „Die RAG wird in dreißig Sekunden in Schussweite sein, Captain.“ Dheran lächelte unmerklich. „Danke, Lieutenant. Waffen in Bereitschaft.“ „Aye, Sir.“ Tal´Inuray Filiz blieb an der Seite der Inderin, bereit notfalls sofort eingreifen zu können, sollte die Menschenfrau nicht exakt auf die Befehle des Captains reagieren. In einer halben Minute würde sich entscheiden, ob man das Feuer auf die eigenen Schiffe eröffnen würde, oder nicht...   * * *   Auf der HORNET musste sich Ariane Degenhardt Mühe geben, keinen erneuten Wutanfall zu bekommen. Seit einigen Sekunden verfolgte man einen schweren Verband von talarianischen Einheiten, gegen den selbst die RAG-Schiffe machtlos sein würden. Beinahe 15:1 war kein Verhältnis, bei dem man hoffen konnte erfolgreich zu sein. Das Umgruppieren des Verbandes hatte so viel Zeit gekostet, dass die Aussichten, Dheran noch abfangen zu können, gegen Null tendierten. Dazu würden sie schon jede Menge Glück brauchen. Bereits vor O´Donnells Befehl hatte sie Kampfbereitschaft herstellen lassen. Ungeduldig blickte die blonde Frau zu Lieutenant Arin Teniras an der TAC. „Wie lange noch, bis die ICICLE in Schussweite ist?“ „Eine knappe halbe Minute, Captain. Torpedos und Phaser sind bereit.“ Ariane Degenhardt nickte entschlossen. „Feuern auf meinen Befehl. Halten Sie dabei auf die Warpgondeln und die Schildemitter – wir wollen die Crew lebend.“ „Aye, Captain“, bestätigte der Bajoraner und richtete die Zielscanner ein. Auf dem Hauptschirm zeichnete sich bereits schwach die Silhouette des verfolgten Schiffes der AKIRA-KLASSE ab, und ein wenig spürte Captain Degenhardt einen gewissen Widerstand, den Feuerbefehl zu geben. Doch sie wusste, dass sie es tun würde. Was sie noch mehr verabscheute, als auf die eigenen Leute feuern zu müssen, das war Verrat, und eines solchen Vergehens hatte sich die ICICLE-Crew schuldig gemacht, das bewies die Entführung der ICICLE samt eines Gefangenen der Föderation nur zu deutlich. Unaufhaltsam näherten sie sich dem Schiff. Ariane Degenhardt überlegte, dass es eine bedeutende Störung an Bord des flüchtenden Schiffes geben musste, denn unter normalen Umständen wäre die ICICLE bereits auf und davon gewesen. Oder hatte der flüchtige Captain der ICICLE irgendeine Teufelei vor? Zutrauen konnte man ihm dies. Immerhin war er einer der höchst dekoriertesten Sternenflottenoffiziere, und galt als äußerst gerissen. Die Stimme ihres Taktischen Offiziers riss sie aus ihren Überlegungen: „Noch zehn Sekunden, Captain. Die ICICLE aktiviert ihre Schilde und Waffensysteme.“ Die Hände des Captains verkrampften sich um die Sessellehnen. Sich mit einem normalen Schiff der AKIRA-KLASSE auf ein Gefecht einzulassen war bereits ein gewagtes Spiel – sich auf ein Gefecht mit der ICICLE unter dem Befehl eines Captains, wie Dheran, einzulassen, das grenzte an Tollkühnheit. Selbst mit einem Verband von zehn Föderationsschiffen. Im nächsten Moment, noch bevor die HORNET in Schussweite war, feuerte die ICICLE einen Schwarm von sechs Torpedos ab. Ungläubig blickte Ariane Degenhardt auf den Hauptschirm und wandte sich zu ihrem Taktischen Offizier um. „Was...?“ „Explosionen direkt voraus!“, meldete Arin Teniras im selben Moment. Ariane Degenhardt sah auf dem Bildschirm sechs diffuse Plasmawolken, die sich blitzartig ausbreiteten. Und der Verband flog direkt hinein...   * * *   Auf der ICICLE wirkte Rania Singh-Badt nicht weniger überrascht, als Captain Ariane Degenhardt auf der HORNET, als Dheran den Feuerbefehl gab, noch bevor die Schiffe der RAG in Schussweite waren. Nichts desto weniger führte sie den Befehl umgehend aus. Was nur der Captain, und sein Chief, der momentan in der Brig auf STRATEGICAL STARBASE 71 schmorte, wussten war, dass der hintere Satz Torpedos mit Tetryonplasma-Sprengköpfen bestückt war. Tetryonplasma besaß die Eigenschaft, eine Form von von Multifluss-Gammastrahlung freizusetzen, welche die Antriebssysteme von Raumschiffen stören sowie die Struktur des Subraums kurzzeitig zersetzen konnte. Auf sein Geheiß hin hatte McMahan diese Modifikation an den ersten hinteren Torpedos vorgenommen – und nun würde sich zeigen, ob diese Maßnahme, die erhoffte Wirkung zeigte. Als die Torpedos weit hinter dem Schiff explodierten, und das Tetryonplasma freisetzten, blickte Rania Singh-Badt erstaunt von ihren Kontrollen auf. Gleichzeitig hatte Dheran die bolianische Navigatorin angewiesen, den Blick achtern zu richten. Auf dem Hauptschirm, der mit maximaler Vergrößerung arbeitete, war zu erkennen, wie sich sechs diffuse, weißliche Wolken ausbreiteten, deren Ränder schon im nächsten Moment mit einander verschmolzen. Kurzzeitig verschwanden die zehn Verfolger dahinter, bevor sie wieder erkennbar wurden. Im nächsten Moment waren sie nicht mehr zu sehen. „Sir, der RAG-Verband ist unter Warp gefallen“, meldete die Inderin von der Taktik, und Unglaube schwang in ihrer Stimme mit. Tar´Kyren Dheran zeigte seinen Triumph mit keiner Miene. Lediglich in seiner Stimme schwang so etwas wie Schadenfreude mit, als er sich zu Pasqualina Mancharella wandte und sagte: „Erinnern Sie mich daran, dass ich mich dafür irgendwann bei O´Donnell entschuldige, Commander. Wann immer das auch sein mag.“ Die Spanierin, selbst überrascht von den Ereignissen erlaubte sich ein Schmunzeln, als sie erwiderte: „Das wird wohl, zumindest in diesem Leben, nicht mehr geschehen.“ Dheran blickte sie, mit undefinierbarem Gesichtsausdruck an, schwieg jedoch. Dann wandte er sich dem Talarianer zu, der das Manöver interessiert verfolgt hatte. „Bis die Föderationsschiffe wieder auf Warp gehen können sind wir längst in Sicherheit. Ich war nicht sicher, ob dieses kleine Manöver funktioniert.“ Torenan Cidar nickte verstehend. „Die Eskorte unserer Schiffe kann nicht schaden, Captain Dheran. Langsam begreife ich, wie Sie es geschafft haben, zu einem der höchstdekoriertesten Captains der Sternenflotte aufzusteigen.“ Der Andorianer warf dem Talarianer einen fragenden Blick zu und der Admiral erklärte: „Seien Sie nicht zu bescheiden, Captain. Unser Geheimdienst hat von den wichtigsten Militärs der Föderation Psychogramme angelegt. Sie gehören zu diesem Personenkreis. Ihre Kommandounternehmen, während des Dominion-Kriegs, sind auch außerhalb der Föderation bekannt geworden.“ „Vielleicht sollte ich mich geschmeichelt fühlen“, meinte Dheran ironisch. Er dachte bereits eine Stufe weiter und fragte: „Was geschieht mit mir und meiner Mannschaft, wenn wir unser vorläufiges Ziel erreicht haben?“ Das Gesicht des Talarianers wurde hart. „Natürlich werden wir uns zunächst einmal davon überzeugen, dass dieses Schiff keine Gefahr darstellt. Danach werden wir den von mir kommandierten Stützpunkt anfliegen, und ihr Schiff gründlich studieren.“ „Das war nie Bestandteil unserer Abmachung“, begehrte Dheran auf, obwohl er insgeheim genau damit gerechnet hatte. „Dann ist sie es jetzt“, meinte der talarianische Admiral kompromisslos. Der andorianische Captain blickte auf den Hauptschirm, auf dem zu erkennen war, dass der talarianische Verband die ICICLE erreicht hatte, und das Schiff bereits in die Mitte nahm. An eine Flucht war nun nicht mehr zu denken – und das wusste auch der Talarianer, der Dheran auffordernd ansah und verlangte: „Senken Sie ihre Schilde, damit unser Inspektionskommando an Bord kommen, Captain.“ Für einen Moment funkelte Dheran den Talarianer giftig an, bevor er sich zu Rania Singh-Badt um wandte und ihr zu nickte. „Also schön, Admiral. Stellen Sie mein Schiff ruhig auf den Kopf, während wir tiefer in talarianisches Gebiet einfliegen.“ Gleich nach der Deaktivierung der Schilde materialisierten die ersten, schwer bewaffneten Talarianer und eine Viertelstunde später wimmelte es an Bord der ICICLE von ihnen. Dheran hatte Tearash Corin, der sich noch immer im Hauptmaschinenraum aufhielt, darüber informiert, dass Talarianer an Bord kommen würden, und ihn angewiesen keinerlei Widerstand zu leisten, egal was auch passieren mochte, um zu vermeiden, dass der Tellarit eventuell eine Dummheit beging. Die Talarianer gaben sich keine Mühe höflich zu sein. Kaum dass sie an Bord gekommen waren hatten sie den Piloten, und die bolianische Navigatorin des Schiffes, mit vorgehaltenen Waffen, von den Kontrollen vertrieben und selbst die Steuerung der ICICLE übernommen. Tar´Kyren Dheran hatte mit einer ähnlichen Vorgehensweise gerechnet. Dennoch merkte man ihm nur zu deutlich an, was er davon hielt. Pasqualina Mancharella warf ihm einen beschwichtigenden Blick zu. Der Andorianer gab ihr mit einer unauffälligen Geste zu verstehen, dass er sich zu keiner emotionalen Reaktion würde hinreißen lassen. Dennoch warf er dem talarianischen Admiral einen wütenden Blick zu und meinte: „Sie hätten meine Leute das Schiff ruhig bis zum Zielort steuern lassen können, Admiral.“ Der Talarianer maß ihn abschätzend, und meinte dann: „Solange ich nicht von Ihrer Aufrichtigkeit überzeugt bin, werde ich keinerlei Risiken eingehen, Captain.“ Damit gab er einigen bewaffneten Talarianern, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatten einen Wink und fügte hinzu: „Ich darf sie jetzt bitten, ihre Quartiere aufzusuchen, und bis zum Ziel unserer Reise dort zu bleiben. Jeder Versuch von Ihnen, oder einem Mitglied Ihrer Besatzung, sich unseren Anweisungen zu widersetzen, wird von meinen Leuten schwer bestraft.“ Der Andorianer funkelte den Admiral zornig an, nickte jedoch und sagte, so laut, dass seine Untergebenen ihn verstehen konnten: „Wir leisten keinen Widerstand, Admiral.“ Damit folgte er den Bewaffneten zum Turbolift. Zusammen mit Doktor Leandros, Lou-Thorben Ivarsson und Charall, gefolgt von vier Talarianern, betrat er Turbolift-1. Pasqualina Mancharella, Rania Singh-Badt und Tal´Inuray Filiz wurden hingegen zu Turbolift-2 eskortiert. Während sie hinabfuhren gab sich der Andorianer Mühe, keinen Triumph zu zeigen. Der erste Schritt war gemacht – und sie hatten ihn überlebt. Nun kam es darauf an, wie lange die Talarianer brauchen würden, bis sie von seiner Aufrichtigkeit überzeugt waren. Und wann er, und seine Besatzung die Gelegenheit erhalten würde, sich wieder frei auf dem Schiff bewegen zu können. Der Plan des Admirals enthielt viele Unbekannten, und Dheran hoffte inständig, dass sie nicht von einer dieser Unbekannten zu Fall gebracht werden würden... Kapitel 5: Verhörtechniken -------------------------- Persönliches Logbuch Commander Pasqualina Mancharella Sternenzeit: Unbekannt   Vor etwa drei Wochen ist die ICICLE im Glintora-System, wie die Talarianer es nennen, angekommen, und wurde bei einer STERNENBASIS angedockt. Ich kann nicht sagen, ob diese Zeitspanne den Tatsachen entspricht, denn man hält uns seitdem gefangen. Seit dieser Zeit gehen wir durch die Hölle – jeden Tag. Aber ich weiß, dass es auf keinen Fall ein ganzer Monat gewesen sein kann, denn als Frau habe ich die Möglichkeit, zumindest die Länge von vier Wochen einigermaßen exakt abschätzen zu können. Die Verpflegung spottet jeder Beschreibung, aber der Hunger, und die Absicht, bei Kräften zu bleiben, lassen mich den Fraß hinunter würgen. Und diese Kräfte benötige ich, um die Torturen unserer talarianischen Kerkermeister zu überstehen. Darunter tut sich besonders Admiral Torenan Cidar selbst hervor, der mich anscheinend zu seinem persönlichen Opfer auserkoren hat. Vor einigen Tagen hat dieser Teufel in Menschengestalt mir ein Gift verabreicht, welches nach einigen Tagen tödliche Folgen hat, um mich zum reden zu bringen. Doch es gibt ja nichts zum reden. Als ich schließlich von Krämpfen geschüttelt wurde, deren Schmerzen mich beinahe wahnsinnig haben werden lassen, gab er mir endlich das Gegengift. Dabei hatte ich bereits das Gefühl, den Hades rötlich leuchten zu sehen. Es war denkbar knapp. Ungewöhnlicherweise hat er mich seit einiger Zeit in Ruhe gelassen, so dass ich, das erste Mal seit unserer Ankunft auf der talarianischen Station, wieder ausschlafen konnte. Zum Glück ahnt der Admiral nichts von meiner Beziehung zu Tar´Kyren. Ich bin sicher, dass er dieses Wissen skrupellos nutzen würde, obwohl es sinnlos wäre. Wir sind Ausgestoßene der Föderation und können nur hoffen, dass unser Handeln dazu beiträgt, das Leben von Sternenflottenangehörigen und Talarianern gleichermaßen zu retten. Auch wenn dies mittlerweile einen ganz bestimmten Talarianer ausschließt.   * * *   Gefesselt an einen Stuhl starrte Pasqualina den Talarianer vor ihr, mit hasserfülltem Blick, an. Im nächsten Moment glaubte sie, dass etwas in ihrem Gesicht explodieren würde, und ihr Kopf flog zur Seite. Torenan Cidar hatte ihr nun bereits mindestens drei dutzend mal mit der Hand, oder der Faust ins Gesicht geschlagen. Dem entsprechend mitgenommen sah die Spanierin aus. Eine Blutfahne rann aus ihrer Nase und ihre Unterlippe war aufgeplatzt. Zudem spürte sie schmerzhaft, wie ihr rechtes Auge langsam zuschwoll. Außerdem begannen die Fesseln an Händen und Füßen, ihr langsam das Blut ab zuschnüren. Dazu kam ein ziehender Schmerz im Rückenbereich, wegen der verkrampften, unnatürlichen Haltung. Tausender winziger Nadeln schienen in ihre Wirbelsäule, Arme und Beine zu stechen. Die Giftbehandlung des Admirals hatte sie zusätzlich geschwächt, und ihre Schmerzgrenze empfindlich herabgesetzt, so dass jeder Schlag mindestens dreimal so weh tat, wie ohnehin schon. Tar´Kyren Dheran, der von zwei kräftigen Talarianern an den Armen festgehalten wurde, und zusehen musste, wand sich im festen Griff seiner Wachen und schrie den Admiral aufgebracht an: „Was erwarten Sie zu erfahren! Wir haben Ihnen doch bereits gesagt, warum wir Ihnen geholfen haben, von STRATEGICAL STARBASE 71 zu fliehen! Ist das der Dank!? Wie lange wollen Sie dieses irre Spiel noch fortsetzen!?“ Der talarianische Admiral grinste ihn sardonisch an: „Ich habe vor mich zu vergewissern, dass Sie es wirklich ernst meinen. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass Sie selbst eine ganze Menge einstecken würden, Captain Dheran. Deswegen lasse ich Ihre Crew leiden. Ich weiß, dass Ihnen dies seelische Qualen bereitet, da Andorianer, zumindest im Allgemeinen, sehr familiär eingestellt sind.“ Damit schlug er der Frau auf dem Stuhl erneut ins Gesicht, und man merkte dem Talarianer deutlich an, dass es ihm sichtlich Vergnügen bereitete, die Spanierin zu quälen. Wieder wandte er sich danach an den Andorianer: „Sie können das Ganze sofort beenden, indem Sie mir sagen, was Sie wirklich zu uns geführt hat.“ Tar´Kyren Dheran war vollkommen klar, dass sie alle innerhalb einer Stunde tot sein würden, wenn er dies tatsächlich tun würde. Er konnte Pasqualina nicht helfen, was ihn innerlich beinahe zerriss. Ohnmächtiger Zorn ergriff ihn – auch auf sich selbst, weil er diesem Plan des Admirals zugestimmt hatte. Insgeheim scheute er sich darüber nachzudenken, ob er vielleicht an einem Punkt in seiner Sternenflottenkarriere angekommen war, von dem an er bereit war über Leichen zu gehen. Die Aussicht darauf, dass es vielleicht so sein könnte erschreckte ihn innerlich, und er zwang sich dazu, diese Gedanken zu verdrängen. Wie auch immer, sie mussten nun da durch – und sie würden es überstehen. Sie mussten es überstehen... So presste er die Kiefer zusammen und funkelte den Talarianer mit mörderischem Augenausdruck an. Torenan Cidar beobachtete Dheran sinnend, sich ernsthaft fragend, ob der Andorianer wirklich so verstockt sein konnte, bevor sich seine Körperhaltung entspannte und er sagte: „Sie können ihren Commander mitnehmen. Ihre Ärztin wird von mir einige medizinische Geräte bekommen, um diese Frau zu behandeln.“ Das wird Dich nicht vor meiner Rache bewahren, dachte der Andorianer finster und begab sich zu seinem Ersten Offizier, die von zwei Wachen von ihren Fesseln befreit wurde. Einen Arm um seine Schulter legend, packte er sie in der Hüfte und schleifte sie mehr zum Ausgangsschott, als dass sie mit ihm ging. Pasqualina drohten die Sinne zu schwinden, während sie sich bemühte, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Dabei verschwamm die Umgebung immer wieder vor ihren zusammengekniffenen Augen. Leise wimmernd vor Schmerzen drängte sie sich dabei an den Andorianer, dessen Nähe momentan ihr einziger Halt war. Vier Wächter folgten ihnen dicht auf. Mittlerweile kannte der Andorianer den Weg durch diesen Teil der Station, zu ihrer Gemeinschaftszelle. Auch die anderen Besatzungsmitglieder waren in den letzten Wochen systematisch gefoltert worden – nur ihn, den Captain der ICICLE, hatte man seltsamerweise ausgelassen. Nur zuschauen musste er bei diesen Verhören durch die Talarianer permanent. Tar´Kyren Dheran fragte sich, worin der Sinn darin lag. Wollte man ihn auf diese Weise psychisch brechen, oder rechnete man sich wirklich von Vornherein keine Chance aus, dass er etwas verraten würde, falls es etwas zu verraten gab? Die Aussage des Admirals konnte eine Finte gewesen sein, einer seiner paranoiden Tricks. Nun, beides würden diese Talarianer niemals schaffen. Er würde den Auftrag des Admirals ausführen – bis zum letzten Moment; bis zum letzten Atemzug. Gleichzeitig erschrak er bei diesen Gedankengängen. Hatte er früher schon so gedacht? Oder fiel ihm diese Denkweise nur wegen seiner Sorge um Pasqualina besonders auf? Verdammt, genau darauf legt es Cidar an, dachte er gleich darauf. Lass dich nicht irre machen, von diesem verbrecherischen Talarianer. Mittlerweile erreichten sie den Lift, der sie drei Decks tiefer bringen würde, und prüfend blickte er die Spanierin, die sich wieder etwas erholte, an. Der gequälte, hilfesuchende Blick aus ihren unnatürlich geweiteten Augen ging ihm dabei durch und durch. Diesmal hatte der Admiral ihr wirklich übel mitgespielt, und es fehlte wirklich nicht mehr viel, um ihn zu einem Amoklauf zu verleiten. Am liebsten hätte er sie in seine Arme gerissen und ihren Kopf an seine Schulter gebettet, doch das durfte er auf gar keinen Fall tun. Die Talarianer würden es sich zunutze machen, sollten sie von ihrem Verhältnis zu einander erfahren, und Pasqualina würde dann von Cidar erst recht durch den Wolf gedreht werden. Als sie den Zellentrakt endlich erreichten, waren die übrigen Besatzungsmitglieder der ICICLE in der Zelle. Auch die Bolianerin hatte man übel zugerichtet. Victoria Sarafina Leandros kümmerte sich gerade in diesem Moment, mit einem primitiven Hautregenerator um einige offene Wunden in Charalls Gesicht, wobei Ivarsson ihr behilflich war, indem er die Bolianerin in einer sitzenden Position hielt. Auch das Gesicht des Piloten drückte Zorn und Verbitterung über diese Behandlung aus, und beinahe feindlich blickte er Dheran an. Der Andorianer konnte Ivarsson dies nicht einmal verdenken, denn offiziell war er der Stein des Anstoßes, durch seine angebliche Desertation. Für den Piloten war es natürlich seine Schuld, dass sie momentan in dieser Klemme saßen. Und noch durfte er nichts unternehmen, um dieses Bild richtig zu rücken. Er konnte nur hoffen, dass seine Crew ihn anschließend nicht noch mehr hassen würde, wenn er endlich mit den Tatsachen herausrückte. Die Ärztin ging zielstrebig zu Werke wobei sie einen erschütterten Blick zu der Spanierin warf, als Dheran sie vorsichtig auf eine der Pritschen legte. „Ich kümmere mich sofort um den Commander, Sir“, erklärte sie leise. „Bei Ensign Charall bin ich in wenigen Augenblicken fertig.“ Hinter ihnen hatten die Talarianischen Wachen, das Sperrfeld der Zelle wieder aktiviert, und nur einer blieb in dem Vorraum zurück. Die anderen warfen einen letzten überheblichen Blick zu den Gefangenen, bevor sie verschwanden. Dheran ignorierte den zurück gebliebenen Wächter und wandte sich der Ärztin zu. Ungeduldig schaute er ihr bei der Arbeit zu, sagte aber nichts. Er kannte Victoria Leandros lange genug, um zu wissen, dass sie sich nicht in ihre Arbeit hineinreden ließ – auch von ihm nicht. Nachdem sie Charall versorgt hatte, wandte sie sich augenblicklich Pasqualina Mancharella zu und begann augenblicklich mit der Behandlung. Tar´Kyren Dheran warf ihr einen dankbaren Blick zu, der von Herzen kam. Die Spanierin war zwar wieder einigermaßen bei sich, aber ihr Blick irrte noch etwas ziellos in der Gegend umher. Außerdem war ihr schmerzerfülltes Wimmern noch immer nicht völlig verstummt. Tar´Kyren Dheran ging hinüber zu Tearash Corin, der etwas apathisch in einer Ecke der Zelle hockte und seinen Oberkörper leicht vor und zurück wiegte. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gefangenen war er nie im Krieg gewesen. Ebenso wenig Charall. Darum waren sie solche Torturen, wie sie sie im Moment durchleiden mussten nicht gewohnt. Der Andorianer konnte nur hoffen, dass beide Ensigns durchhalten würden. „Wie geht es Ihnen, Ensign?“, erkundigte sich der Captain, wobei er sich neben dem Tellariten nieder ließ. Forschend blickte er den jungen Tellariten von der Seite an. Es dauerte einen langen Moment, bevor Corin Dherans Blick, aus seltsam gläsernen Augen, erwiderte. Offensichtlich hatte man dem Tellariten irgendwelche Drogen verabreicht. Schleppend antwortete der junge Techniker: „Ich bin in Ordnung, Captain. Wie lange werden die das noch mit uns machen, Sir?“ Dheran legte seine Hand auf die Schulter des jungen Offiziers. Dabei wünschte er sich inständig mehr für ihn tun zu können. „Nicht mehr lange, Mister Corin. Wir haben schon Schlimmeres überstanden.“ „Was, Captain?“ Der Andorianer sparte sich die Antwort und verstärkte mit beschwörendem Blick den Druck seiner Hand. Ungewohnt sanft sagte er: „Es ist bald vorbei, Ensign. Selbst dieser paranoide, talarianische Admiral wird letztlich erkennen, dass wir ihm nicht schaden, sondern nur helfen wollen.“ Dheran lächelte gezwungen und erhob sich wieder. Er ging weiter zu Rania Singh-Badt, die sich auf ihrer Pritsche demonstrativ zur Wand drehte. Leise seufzend schritt er an der jungen Frau vorbei, zu Tal´Inuray Filiz. Die MACO war hart im nehmen und nickte ihm optimistisch zu. Um Filiz musste er sich keine Sorgen machen. Die MACO war eine Kämpfernatur, und ihr andorianisches Wesen hätte es niemals zugelassen, Vorwürfe gegen ihn laut werden zu lassen, da sie freiwillig an diesem Unternehmen teilnahm. Als er Lieutenant Ivarsson erreichte, blickte der blonde Mann ihn fragend an. „Sir, ist es das alles wert?“ Dheran presste seine Lippen zusammen. Dann sagte er mit fester Stimme: „Ja, Mister Ivarsson, dessen bin ich mir ganz sicher. Es geht um unzählige Leben, sowohl um talarianische, als auch um die der Sternenflottenangehörigen. Und ich hoffe, Sie werden später zu derselben Einsicht gelangen.“ „Wenn es ein Später für uns gibt, Captain.“ „Haben Sie Vertrauen, Mister Ivarsson“, erwiderte der Andorianer mit beschwörender Miene. „Wie geht es Miss Charall?“ Ivarsson, der die Bolianerin noch immer in seinen Armen hielt, antwortete: „Den Umständen entsprechend. Momentan wünschte ich, dass ich sie nie zu diesem Unternehmen überredet hätte, Sir. Sie wollte nicht mitmachen, und ich Esel habe ihr zugeredet, es doch zu tun. Ich bin dafür verantwortlich, dass die Talarianer das mit ihr gemacht haben.“ Tar´Kyren Dheran schüttelte den Kopf: „Nein, Mister Ivarsson. Charall ist keine labile Person. Ich glaube, wenn sie wirklich nicht hätte mitmachen wollen, dann hätten auch Sie Miss Charall nicht dazu veranlassen können. Sie sollten sich keine Vorwürfe machen. Zumindest nicht hier und jetzt. Wir müssen bei klarem Verstand bleiben, wenn wir einigermaßen heil aus dieser Lage herauskommen wollen. Der blonde Norweger atmete tief durch und nickte. „Sie haben sicherlich Recht, Sir. Haben Sie eine Ahnung, weshalb man Sie bisher bei den Verhören ausgelassen hat?“ Tal´Inuray Filiz, die während ihrer Gefangenschaft kaum mal ein Wort gesagt hatte, antwortete an Dherans Stelle. „Man will uns auseinander dividieren, Lieutenant. Eine alte Strategie, die leider nur allzu oft Erfolg hat.“ Lou-Thorben Ivarsson blickte die Andorianerin unwillig an, ob ihrer versteckten Kritik. Bevor er etwas erwidern konnte, meinte Tar´Kyren Dheran beschwichtigend: „Der Lieutenant-Commander hat nicht ganz Unrecht. Dies ist eine alte, aber wirksame Taktik. Darüber hinaus zerrt sie an der Psyche dessen, der geschont wird.“ Ivarsson blickte in die blau-violetten Augen des Captains und senkte schließlich verlegen den Blick. „Tut mir leid, Captain, ich...“ „Vergessen wir es, Mister Ivarsson. Genau darauf zielen die Talarianer ab. Aber uns werden sie weder auseinander dividieren, noch brechen, nicht wahr?“ Ivarsson blickte wieder auf und nickte entschlossen. „Niemals, Sir.“ Der Andorianer legte seine Hand auf den Unterarm des Piloten und meinte aufmunternd: „Das wollte ich hören, Lieutenant. Wir schaffen das.“ Langsam wandte sich der Captain der ICICLE ab und begab sich wieder zu der Ärztin, die mittlerweile die Wunden des Commanders notdürftig versorgt hatte. Doktor Leandros warf dem Andorianer einen ernsten Blick zu. „Sie schläft jetzt. Der Admiral hat den Commander als bevorzugtes Opfer herausgepickt, Captain“, meinte sie warnend. „Ich fürchte, dass ich für nichts garantieren kann, wenn er sie weiterhin so misshandelt.“ Der Andorianer ließ sich auf dem Rand der Nachbarpritsche nieder und erwiderte den Blick der Schiffsärztin. „Ich weiß, dass Sie ihr Bestes geben werden, Lieutenant-Commander. Selbst Torenan Cidar wird letztlich nicht um die Erkenntnis herum kommen, dass er uns vertrauen kann.“ Victoria Leandros gewann den Eindruck, dass die letzten Worte des Captains für eventuelle Zuhörer gedacht waren, denn es stand außer Frage, dass die Zelle abgehört wurde und unter Beobachtung stand. Sie sagte leise: „Commander Mancharella war es, die uns darauf eingeschworen hat, Sie und den Talarianer zu befreien. Sie besitzt mehr Loyalität innerhalb der Mannschaft, als ihr selbst bewusst ist.“ „Ja, sie hat sich erstaunlich schnell in die Mannschaft integriert. Schneller als ich es ihr zu Beginn ihres Dienstes auf der ICICLE zugetraut hätte. Irgendwann wäre sie ein hervorragender Captain geworden. Doch das wird wohl nun für alle Zeiten Geschichte sein.“ „Ja, aber wir werden ihnen auch weiterhin folgen, Sir – in welcher Flotte auch immer wir in Zukunft dienen werden.“   * * *   An einer anderen Stelle der Raumstation schaltete Admiral Torenan Cidar die Überwachungsanlage ab und blickte seinen Stellvertreter auf dieser Station nachdenklich an. „Was denken Sie, Oberst Bralac?“ Der etwa fünfzigjährige, mittelblonde Talarianer, der Cidar gegenüber saß, lehnte sich im Sessel zurück und meinte nachdenklich: „Nun, die Fakten sehen wie folgt aus: Auf dem Föderationsschiff haben wir nichts Verdächtiges gefunden. Alles dort entspricht dem Standard der Föderation für diese Schiffsklasse. Die Waffenmodifikationen entsprechen zwar nicht dem Standardmodell dieser Schiffsklasse, dürften aber laut Quantendatierung zusammen mit dem Schiff selbst fertiggestellt worden sein, und wurden nicht nachträglich installiert. Auch in den Hangars und den Frachträumen haben wir nichts Auffälliges finden können, und die Quartiere sehen so aus, als würde die Mannschaft jeden Moment an Bord zurück erwartet. Wollte man einen Anschlag auf unsere Flotte ausführen wollen, dann hätte man zumindest eine Vorrichtung installiert, um bei einem Überladen der Warpkerne zusätzliche Sprengkraft zu entwickeln. Aber auch in dieser Hinsicht ist das Schiff dieses Andorianers sauber, Admiral.“ „Mit anderen Worten, Sie glauben nicht an einen Hinterhalt der Föderation?“ „Richtig, Admiral. Ein normales Flottenschiff in unseren Raum einfliegen zu lassen, mit einer Crew von nur acht Personen, das wäre nicht nur Wahnsinn, sondern Selbstmord.“ Der Admiral nickte nachdenklich. „Was sagen die Computerauswertungen?“ Der talarianische Oberst strich sich mit der linken Hand über den leichten Bauchansatz, der ihn störte. Er nahm sich vor, künftig mehr Sport zu treiben. Dabei blickte er Cidar offen an und antwortete: „Die Computerauswertung gibt die Chance dafür, dass dieser Captain und seine Crew einen Anschlag auf uns durchführen sollen, mit gerade einmal 1,37% an. Das ist verschwindend gering, Admiral.“ Torenan Cidar lehnte sich etwas vor und legte seine Hände dabei auf die Oberfläche der Überwachungskonsole. „Und was würden Sie an meiner Stelle nun tun, Oberst?“ Der schon etwas betagte Oberst, der sich gute Chancen ausrechnete, in diesem Krieg zum Admiral befördert zu werden dachte darüber nach, dass er sich in ein gutes Licht rücken konnte, wenn er Cidar weise beriet. Die Talarianer konnten die Technik der Föderation wahrhaftig gut gebrauchen. Möglicherweise blieben die Gorn und Tholians nicht ewig ihre Verbündeten. Er traute ohnehin diesen beiden Fremdrassen nicht allzu sehr über den Weg. Darum sagte er überzeugt: „Es wäre sicherlich von Vorteil, das Schiff der Föderation zu unseren Werften zu bringen, wo unsere Techniker es studieren, und die Verteidigungssysteme adaptieren können. Unsere Schiffe könnten dann gleich vor Ort umgerüstet werden. Das erspart uns einerseits das Opfer vieler talarianischer Leben, und würde uns gleichzeitig unabhängiger von unseren momentanen Verbündeten machen. Mit einer Flotte, welche diese Waffen- und Schildtechnik besitzt könnten wir unser Schicksal zukünftig selbst bestimmen, ohne Abhängigkeit von der Allianz.“ Die Worte des Oberst zeigten Wirkung bei Cidar und lächelnd meinte er: „Es wäre wirklich von Vorteil, wenn wir über uns selbst bestimmen könnten, ohne die permanente Gefahr, von einer der galaktischen Großmächte unterjocht zu werden. Dann werden wir im Chor der Großen ein wichtiges Wort mitsprechen, Oberst.“ Der Oberst machte eine zustimmende Geste. „Wenn wir die Offiziere des Schiffes dazu bewegen können, uns mit ihrem Wissen zu unterstützen dann wäre das ein zusätzlicher Vorteil für uns. Und wenn wir sie nicht mehr benötigen sollten, dann...“ Er ließ den Rest des Satzes offen, und Cidar nickte grinsend. „Ich sehe, wir verstehen uns, Oberst. Wenn unser Plan aufgeht, dann soll es Ihr Schaden nicht sein. Ich werde mich für Sie verwenden und ihre Beförderung vorschlagen.“ Dann wechselte Cidar das Thema und sagte bestimmt: „Wir werden das Schiff der Föderation morgen, zusammen mit der Crew zum Klantora-System bringen. Dort werden wir das Föderationsschiff genau studieren, und die Crew wird uns dabei helfen, die Systeme zu verstehen, und eng mit unseren Wissenschaftlern und Ingenieuren zusammenarbeiten. Außerdem erwarte ich unseren Hauptwaffenhändler, der unsere Gäste eingehend durchleuchten kann.“ Der Oberst wusste, dass Torenan Cidar auf einen Betazoiden anspielte, der die Talarianer seit über einem halben Jahr regelmäßig mit Waffen und modernen Raumschiff-Systemen aller Art versorgte. Sollten die Gefangenen ihnen bisher, wider aller Wahrscheinlichkeit, etwas verschwiegen haben, dann würde der Betazoide es herausfinden. Kapitel 6: Harun Malori -----------------------  „Das wird nicht lustig, Harun!“ Harun Malori, der ganz in dunkles Leder gekleidete Betazoide, mit den dunkelbraunen, fast schwarzen, Augen musterte seine Lebensgefährtin, Sirina Galorin eine Frau von Izar, mit ernster Miene. Er wusste, was sie gemeint hatte. Lächelnd blickte er sie an, bevor er beschwichtigend sagte: „Dessen bin ich mir bewusst, Liebes. Aber das wussten wir, als wir uns vor einem halben Jahr darauf eingelassen haben, Waffengeschäfte mit den Talarianern zu tätigen, nicht wahr?“ „Der Typ, dem wir das zu verdanken haben, sollte man aufknüpfen“, stellte Sirina fest, und raufte sich das kurze, dunkelbraune Haar. In ihren grünen Augen lag eine gewisse Gereiztheit, die sie seit einem halben Jahr stets überkam, wenn der etwas betagt wirkende, betazoidische Frachter sich der talarianischen Grenze näherte. In wenigen Minuten würde man den Subraum verlassen und unter Warp fallen, um ein relativ unbekanntes, namenloses Sonnensystem mit zwei lebensfeindlichen Planeten anzufliegen, bevor die VINH´KORUM in talarianisches Hoheitsgebiet einflog. Auf einem der Planeten gab es ein geheimes Lager, in dem die Ware, die er in den talarianischen Raum schmuggelte, von einem Ferengi-Zwischenhändler übernahm. Gegen Vorkasse selbstverständlich. Malori war nicht gewillt ein zu hohes Risiko einzugehen, und mit vollen Laderäumen quer durch Föderationsgebiet zu fliegen. Diese Gegend, die dem Cardassianischen Raum quasi gegenüber lag, hatte sich als ideal für seine Transaktionen erwiesen, da sie für keine der momentanen Kriegsparteien irgend einen strategischen Wert besaß. Malori wusste, dass hingegen von cardassianischer Seite regelmäßig Einheiten der 5.Taktischen Flotte entlang des Talarianischen Sektors patrouillierten. Und der Betazoide war nicht erpicht darauf, von einem Föderationsschiff gestoppt und durchsucht zu werden. Hätte man ihn mit Laderäumen voller Kriegsgerät, auf dem direkten Kurs auf talarianisches Gebiet erwischt, dann wäre es vorbei gewesen, mit seinen Geschäften. Und das durfte er auf gar keinen Fall riskieren, und zwar aus mehreren Gründen, von denen nur sein Auftraggeber, Sirina und er selbst wussten. Obwohl der bullige Frachter mehr als zweihundert Meter in der Länge maß, reichten zwei Personen, um ihn zu fliegen, was an dem hohen Grad an Automation einerseits, und der Tatsache, dass es sich dabei im Grunde um nicht mehr, als einen steuerbaren und warpfähigen Frachtcontainer handelte. Wenn man einige zusätzliche Dinge außer Acht ließ. „Noch zehn Sekunden, bis wir unter Warp fallen“, sagte die Izarianerin leidenschaftslos. Diese Fähigkeit, von emotionalem Gehabe auf sachliche Notwendigkeit umzuschalten versetzte den Betazoiden immer wieder in Erstaunen. Im selben Augenblick, als die VINH´KORUM unter Warp fiel, sprachen die Unterlichtscanner des Frachters an. Die Izarianerin prüfte die eingehende Telemetrie und fluchte: „Mist, zwei Schiffe nähern sich aus 017,34. Den Antriebssignaturen zufolge handelt es sich dabei um Schiffe der Föderation. Eines davon ist ein ziemlicher Brocken, mit einer Länge von beinahe sechshundert Metern. Seltsam, der Kahn scheint über drei Warpgondeln zu verfügen, wenn ich den Geräten glauben schenken darf.“ „Verdammt!“, entfuhr es dem Betazoiden, und Sirina blickte stirnrunzelnd zu ihm. Schnell erklärte Malori: „Bei einem so riesigen Pott wird es sich bestimmt um ein Sternenflottenschiff handeln, und dreimal darfst du raten, was die hier machen. Hoffentlich haben die unseren Zwischenhändler nicht aufgebracht. Wenn doch, dann werden die Brüder sehr schnell eine Verbindung zu uns herstellen, und dann sind wir erledigt, Süße.“ Sirina Galorin blickte wieder auf ihre Instrumente und antwortete knapp: „Wir werden vom größeren der beiden Schiffe gerufen.“ „Auf den Bildschirm legen“, wies Malori seine Lebensgefährtin an. Der sechseckige Hauptschirm der Frachterbrücke erhellte sich, und das Abbild einer hübschen Bajoranerin, in der Uniform der Sternenflotte erschien darauf. Jedoch täuschte ihr Aussehen nicht über den kompromisslosen Blick hinweg, an dem der Betazoide schnell erkannte, dass mit dieser Frau nicht gut Kirschen essen war. Auch die Narbe an der Stirn ließ einer Person, die ein Auge dafür besaß, einige Rückschlüsse ziehen. Malori hatte ein Auge für solcherlei Dinge und war dem entsprechend auf der Hut. „Hier spricht Captain Linara Enari, vom Raumschiff WINDTALKER, 5.Taktische Flotte. Bitte nennen Sie den Grund ihres Hierseins?“ „Captain Harun Malori, vom betazoidischen Handelsschiff VINH´KORUM spricht. Aus welchem Grund halten Sie meinen Frachter auf?“ Der Betazoide erkannte, dass sich die schlanke Bajoranerin aus ihrem Sessel erhob und die Hände hinter den Rücken legte. „Bitte antworten Sie auf meine Frage, Captain.“ „Also schön, Captain Linara. Wir sind auf den Weg zu STERNENBASIS-214 um Ersatzteile und Nachschubgüter für DEEP SPACE 9 an Bord zu nehmen.“ Der Betazoide war froh, für genau solche Situationen geschickt gefälschte Frachtunterlagen angelegt zu haben. Nur ein Spezialist würde diese Unterlagen als gefälscht identifizieren können, und das auch nur nach eingehender Prüfung, die einige Tage in Anspruch nehmen würde. Malori glaubte nicht daran, dass es auf einem Sternenflottenschiff einen solchen Spezialisten gab. Und STERNENBASIS-214 lag in der Tat in verlängerter Linie zu seinem eigentlichen Ziel, wenn auch um ein paar Grad quer ab. Die Bajoranerin machte ein zweifelndes Gesicht. Dann sagte sie entschlossen: Ich werde mit einigen Begleitern an Bord kommen, und Einsicht in ihre Unterlagen nehmen. Halten Sie bitte die Frachtunterlagen zur Einsicht bereit.“ „Ich werde ihnen gerne mein Schiff zeigen“, antwortete der Betazoide übertrieben liebenswürdig. Meine Co-Pilotin und ich erwarten Sie.“ „Wir werden in einer Minute zu ihnen an Bord beamen. Sollten sie auch nur eine falsche Kurskorrektur vornehmen, dann werden Sie es bereuen, damit Sie im Bilde sind, Captain Malori. Captain Linara, Ende.“ Gleich darauf wurde die Verbindung von Seiten der WINDTALKER unterbrochen, und der Bildschirm der VINH´KORUM zeigte wieder die vertraute Schwärze des Weltalls, mit seinen Myriaden Lichtpunkten – jeder von ihnen ein Stern. „Werde bloß nicht unvorsichtig, Harun“, warnte ihn seine Freundin. Diese Bajoranerin macht kurzen Prozess mit uns, sollte ihr nicht gefallen, was sie hier vorfindet.“ „Die kann uns nichts, solange wir uns nicht selbst verraten“, erwiderte Malori ruhig. „Wenn sie den Zwischenhändler erwischt hätte, dann wäre sie wohl anders vorgegangen, das spüre ich. Also keine Sorge, Sirina.“ Die Frau hob leicht die Augenbrauen. „Wer macht sich denn Sorgen?“ Im gleichen Augenblick begann die Luft hinter ihnen bläulich zu flirren und im nächsten Moment schälten sich die Konturen von fünf humanoiden Gestalten daraus hervor. Kaum materialisiert blickten sich die vier Männer und jene Frau, die zu Malori gesprochen hatte, kampfbereit um. Die Bajoranerin erfasste die Situation mit einem schnellen Blick und wies ihr Sicherheitsteam an, die Waffen weg zu stecken. Drei von ihnen schickte sie los, das Schiff gründlich zu inspizieren, während sie selbst, mit einem hochgewachsenen Mann, in grün abgesetzter Uniform bei Malori und seiner Lebensgefährtin auf der Brücke blieb. „Sie sehen sich hier auf der Brücke um, Lieutenant“, wies die Bajoranerin den verbliebenen Uniformierten an. Dann wandte sie sich zu Malori. „Sie sagten, sie hätten Unterlagen, bezüglich der Waren, die Sie auf STERNENBASIS-214 übernehmen werden?“ Der Betazoide reichte Linara Enari ein Padd, dass er zuvor aus der Beintasche seiner Hose gezogen hatte. Er beobachtete die Bajoranerin dabei, wie sie die fingierte Ladeliste flüchtig überflog, und den Zeitstempel prüfte. Schließlich blickte sie wieder zu ihm auf und fragte, mit hochgezogenen Augenbrauen: „Ist es nicht ungewöhnlich für einen Frachterpiloten, dass er eine Tour mit leeren Laderäumen fliegt? Man sollte doch meinen, dass es wesentlich lukrativer wäre, auf jeder Route mit vollen Laderäumen zu fliegen.“ Maloris Begleiterin erlaubte sich ein Stirnrunzeln und mischte sich verärgert ein: „Besorgen Sie uns einen Liefervertrag mit den Bajoranern, und wir werden sie dankend in unsere Gebete einschließen, Captain. Die Föderation arbeitet auf DEEP SPACE NINE nur mit bestimmten Firmen zusammen, da haben Neulinge im Sektor, wie wir zwei, ohne Beziehungen genug Schwierigkeiten, lukrative Aufträge zu ergattern.“ Captain Linara Enari wurde abgelenkt, als ihr Untergebener, der die Konfiguration der Maschinenkontrolle durchging, ihr ein Zeichen gab. „Machen Sie keine hastigen Bewegungen, Captain Malori“, meinte sie warnend, bevor sie sich zu dem Lieutenant begab. Mit einem leichten Gefühl der Unruhe beobachtete der Betazoide, wie die beiden Sternenflottenoffiziere mit einander flüsterten. Noch bevor sie sich ausgetauscht hatten erschienen die übrigen drei Uniformierten auf der Brücke. Als sich die Bajoranerin ihnen zu wandte, meldete einer der Männer: „Wir haben nichts Außergewöhnliches feststellen können, Captain. Nur der Antrieb ist etwas überdimensioniert, für einen Frachter dieser Größe.“ Linara Enari nickte dem Mann zu und wandte sich mit verschlossener Miene wieder an Harun Malori. „Hören Sie, Captain: Dass ihr Frachter über einen Antrieb verfügt, der eigentlich einem wesentlich größeren Schiff zustehen würde, interessiert mich nicht. Auch ihre kriegsschiffmäßige Scannerphalanx nicht, das ist Ihr Privatvergnügen.“ Malori grinste ironisch und meinte: „Vielen Dank, Captain Linara. Ich wollte ich hätte einen Hut auf, dann würde ich ihn nun schwenken.“ „Lassen Sie die Albernheiten, Mister Malori“, unterbrach ihn die Bajoranerin, mit scharfer Stimme. „Wie kommt es, dass sie angeblich am Hungertuch nagen, aber sich solche kostspieligen Extras für Ihren Frachter leisten können?“ „Ich schulde einigen sehr guten Freunden eine Menge Credits dafür“, zog sich der Betazoide aalglatt aus der Affäre. In dem Wissen darum, dass dieser Sternenflotten-Captain keinerlei Handhabe hatte ihn noch länger zu belästigen fragte er neugierig: „Darf ich davon ausgehen, dass ich nun weiterfliegen darf, oder gibt es noch etwas, Captain?“ Eine gewisse Kälte trat in seine dunklen Augen, als er hinzufügte: „Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass ich in diesem Fall eine Beschwerde bei Ihrem Vorgesetzten einreichen müsste.“ Mit Genugtuung beobachtete er, wie sich die schlanken Hände der Bajoranerin zu Fäusten ballten. „Das wäre alles, Captain Malori“, erwiderte Linara Enari mit funkelnden Augen, bevor sie ihren Kommunikator betätigte, der sich geringfügig vom Standardmodell der Sternenflotte unterschied. „Captain Linara an WINDTALKER: Fünf zurück beamen.“ Eine Sekunde später begann die Luft um Malori und Sirina Galorin zu flimmern, und sie waren wieder allein auf der Brücke. Der Betazoide legte zwei Finger auf den Mund seiner Begleiterin, und blickte sie warnend an. Die Izarianerin verstand sofort. Es war nicht ausgeschlossen, dass die ungebetenen Besucher einige winzige Überwachungsgeräte zurückgelassen hatten „Setze einen Kurs auf STERNENBASIS-214“, sagte Malori deutlich, während er zur Kontrollkonsole ging und die internen Scanner aktivierte. Nach einem langen Moment legte sich ein Lächeln auf seine Züge, und er sagte erleichtert. „Unsere Sternenflottenleute gehören zumindest nicht zu der hinterhältigen Sorte. Das Schiff ist sauber.“ Sirina blickte den Betazoiden neugierig an. „Hast du wirklich vor, einen Umweg über STERNENBASIS-214 zu machen. Die Lippen des Mannes verzogen sich zu einem spöttischen Grinsen. „Nein, wir werden eine Weile auf Impulsgeschwindigkeit weiterfliegen. Das dürfte kaum weiter auffallen, da es nicht unüblich ist, dem Warpantrieb, nach einem längeren Überlichtflug, eine Erholungspause zu gönnen. Wollen wir hoffen, dass die beiden Schiffe nur zufällig in der Gegend waren, sonst müssten wir einen Umweg machen, der uns in echte Terminschwierigkeiten bringen würde. Du weißt, wie sehr die Talarianer Unpünktlichkeit verabscheuen. Und wir können es uns nicht leisten, dass sie ihren Kontrakt mit uns lösen.“ Seine Lebensgefährtin lächelte aufmunternd. „Wird schon klappen, Harun.“ Malori beobachtete seine Freundin dabei, wie sie einen Kurs zur Föderationsbasis bestimmte, während er selbst wieder im Pilotensitz Platz nahm. Noch bevor sie sich eine Astronomische Einheit von dem namenlosen Sonnensystem entfernt hatten, beschleunigten die beiden Föderationsschiffe in die entgegengesetzte Richtung und gingen kurz darauf auf Warp. Dennoch hielt Malori für eine halbe Stunde den Kurs, bevor er Kehrt machte, zu dem System zurück flog, und den äußeren der beiden Planeten ansteuerte. Auf dem Hauptschirm wurde die unbewohnbare Chlorgaswelt langsam immer deutlicher, bis sie schließlich den gesamten Bildschirm ausfüllte. Vorsichtig, wie immer, umrundete er den Planeten zweimal, bevor er das Schiff in die Atmosphäre eintauchen ließ und eine unwegsame Felsgegend ansteuerte. Über einem markanten Felszacken brachte er das Schiff, in einer Höhe von 5000 Metern über Normal, zum Stillstand. Dann sandte er über den normal lichtschnellen Funk eine komplizierte Impulsgruppe hinab zum Planeten. Wie schon unzählige Male zuvor, begann auf der Oberfläche ein Teil der giftigen Atmosphäre zu flirren, und gleich im nächsten Moment wurde das Geheimlager des Ferengi, mit dem er einen schwunghaften Waffenhandel trieb, sichtbar. Mit einer weiteren Schaltung veranlasste er das moderne Lastentransportersystem des Frachters, die Warencontainer im Lager zu erfassen und nach einem bestimmten System an Bord zu beamen. Nachdem der Vorgang abgeschlossen war, kontrollierte er die Transporterprotokolle und meinte zufrieden: „Der Ferengi hat auch diesmal alles geliefert, was wir bezahlt haben.“ „Dann nichts, wie hinein in talarianisches Gebiet“, erwiderte Sirina finster. „Bevor hier noch mehr Sternenflottenschiffe aufkreuzen.“ „Du sagst es.“ Er schenkte seiner Freundin ein Lächeln, während er das Schiff schnell aus dem Einflussbereich des planetaren Gravitationsfeldes heraus steuerte. Kaum hatte der Frachter den Minimalabstand erreicht, der für einen ungestörten Warpsprung nötig war, schaltete der Betazoide den Warpantrieb zu. Der Frachter erfuhr eine signifikante Beschleunigung, und trat, mit einem grellen Blitz in den Subraum ein.   * * *   Etwa 27 Standardstunden später erreichte die VINH´KORUM das Klantora-System. Nur vier der insgesamt 13 Planeten des Systems standen, relativ zum betazoidischen Frachter gesehen, auf dieser Seite der weißgelben Sonne. Zur Ekliptik des fünften Planeten, einer Welt der Klasse-M, gesehen, drang das Raumschiff, in einem flachen Winkel, von schräg-unten in das System ein. Anders als bei vielen anderen Sternensystemen gab es im Klantora-System kaum Asteroiden, und nur wenige Kometen umkreisten den Zentralstern. Harun Malori war dies nur recht, erleichterte es doch das Navigieren innerhalb des Systems. Die Bahn des sechsten Planeten schnell hinter sich lassend, nahm Malori direkten Kurs auf Klantora V, während seine Lebensgefährtin Funkkontakt zu der zentralen Werftstation, über dem Planeten aufnahm, um sich zu identifizieren und gleichzeitig ihre bevorstehende Ankunft anzukündigen. Nach dem Wissen des Betazoiden gab es insgesamt fünf dieser Werftstationen über dem fünften Planeten. Bei einem längeren Gespräch unter vier Augen hatte ihm der Stellvertretende Kommandeur der Basen verraten, dass diese Werften mit Hilfe der Allianzvölker auf einen technischen Stand gebracht worden waren, den die Talarianer allein noch längst nicht erreicht hätten. Dies erklärte auch die ungewöhnliche Durchschlagskraft der Talarianischen Flotte, die sich im Vergleich zu den letzten paar Jahren mindestens verdreifacht hatte. Und der Prozess war noch längst nicht abgeschlossen. Innerhalb weniger Monate würde man hier die gesamte Talarianische Flotte, in mehreren Schüben umrüsten, und danach würden einige wenige Schiffe der Talarianer ausreichen, um es selbst mit Föderations-Kreuzern der Sovereign-Klasse aufnehmen zu können. Und er, Harun Malori, gemeinsam mit seiner Freundin, sollte durch seine Waffenlieferungen mit dazu beitragen. Der Betazoide schürzte verächtlich die Lippen, und ein seltsames Funkeln trat in seine Augen. Auf dem Weg hierher hatte ihn ein merkwürdig anmutender Subraumspruch des Talarianischen Kommandanten dieses Werftkomplexes erreicht. Anders als zu früheren Gelegenheiten, schien es sich dabei um ein sehr hohes Tier innerhalb der talarianischen Militärhierarchie zu handeln – Ein Admiral, der als Endars Stellvertreter galt, wenn er richtig zwischen den Zeilen gelesen hatte. Dieser Admiral hatte anklingen lassen, dass er dieses mal eine besondere Zusatzleistung von ihm verlangte. Scheinbar hatten die Talarianer Gefangene gemacht, von deren Aufrichtigkeit er sich überzeugen sollte. Nun, nichts leichter als das. Betazoiden waren für ihre besonderen, kognitiven Fähigkeiten bekannt, und er bildete in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Seine telepathischen Fähigkeiten waren gut entwickelt, vielleicht sogar besser, als die der meisten Betazoiden. Die Gedanken Maloris schweiften ab. Wenn er diesen Torenan Cidar, mit dem er gesprochen hatte, richtig verstanden hatte, dann gehörten die Gefangenen zu derselben Einheit, zu der die beiden Schiffe gehörten, die sie vor etwas mehr als einem Standardtag angehalten und kontrolliert hatten. Es war unschwer, anhand der Informationen, die Cidar ihm gegeben hatte, sich auszurechnen, was diese beiden Schiffe der Taktischen Flotte dort draußen vorhatten. Harun Malori lächelte unbewusst. Die beiden Schiffe würden nicht in talarianisches Gebiet einfliegen, ohne zu wissen, wo sich die Gefangenen aufhielten. Er und Sirina mussten also keinerlei Hektik bei ihren Geschäften an den Tag legen. Gerade so, als habe seine Freundin neuerdings ebenfalls telepathische Fähigkeiten, meinte sie: „Sieht ganz so aus, als wären die beiden Schiffe der 5.Taktischen Flotte, auf die wir gestern gestoßen sind, nicht zufällig dort draußen.“ Malori nickte ernst. „Du sagst es, mein Schatz. Es wäre möglich, dass sie wegen der vom Admiral erwähnten Gefangenen an der Grenze zum Talarianischen Raum herumschleichen, was tief blicken lässt.“ Sirina runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“ „Nun, wer auch immer zwei Schiffe, statt nur einem, abstellt, nur aufgrund der vagen Chance, vielleicht etwas für die Gefangenen tun zu können, dem sind diese Leute entweder sehr wichtig, oder sie liegen ihm sehr am Herzen. Oder beides...“ „Du spielst doch nicht mit dem Gedanken, mit der VINH´KORUM...?“ Malori schüttelte heftig den Kopf. „Nein, das wäre mehr als Wahnsinn. Wir werden unsere Ladung löschen, und ich werde sehen, was ich für diesen Admiral Cidar tun soll. Und danach werden wir vermutlich zusehen müssen, dass wir wirklich STERNENBASIS-214 erreichen. Ich habe da nämlich ein ganz mieses Gefühl.“ „Darauf gebe ich nichts“, entgegnete Sirina, beugte sich hinüber zu Harun Malori und gab ihm einen schnellen Kuss auf die Wange.“ Der Betazoide lächelte und strahlte dabei eine Zuversicht aus, die er tief in seinem Innern nicht empfand. Bisher hatten ihn seine Gefühle nur selten getrogen. Und er hoffte dieses Mal wirklich inständig, dass es anders war. Der fünfte Planet war auf dem sechseckigen Hauptschirm der Frachterbrücke mittlerweile auf Fußballgröße herangewachsen. Etwa die Hälfte des Planeten lag im Licht und zwei der Kontinente waren zu erkennen. Nur wenige Wolkenfelder störten den Blick auf die Oberfläche des Planeten, dessen Oberfläche zu etwa 74% von Wasser bedeckt wurde. Auf dem Planeten gab es eine talarianische Kolonie, hauptsächlich aus Familienangehörigen bestehend, deren Verwandte auf den fünf Werftstationen stationiert waren. Als der Planet den halben Bildschirm ausfüllte, wurde die erste Station darauf erkennbar. Zwei weitere folgten. Die anderen beiden, das hatten die Scannerauswertungen mittlerweile ergeben, befanden sich auf der ihnen abgewandten Planetenseite. Harun Malori forderte über Funk einen Leitstrahl an. Kurz darauf lief die Bestätigung von der Station ein. Als sie sich der Werftstation soweit genähert hatten, dass er wirksam wurde, schaltete der Betazoide auf Automatik um und lehnte sich im Sessel zurück. In wenigen Minuten waren sie am Ziel. Kapitel 7: Unerwartete Verbündete --------------------------------- Tar´Kyren Dheran war immer noch überrascht, wegen der geradezu zuvorkommenden Behandlung in den letzten Tage. Seit man ihn, und die übrigen Besatzungsmitglieder der ICICLE, in das Klantora-System gebracht hatte, war niemand von ihnen mehr gefoltert oder misshandelt worden. Jeweils zu zweit hatte man sie in spartanische Kabinen gesperrt, die jedoch immerhin über moderate sanitäre Anlagen, und sogar einen, wenn auch sehr primitiven Nahrungsreplikator verfügten. Man hatte ihn zusammen mit Ensign Corin in die Kabinenflucht gesperrt. Auf diese Weise hatte er in den letzten Tagen die Gelegenheit gehabt, Tearash Corin etwas näher kennen zu lernen. Bisher hatte er nur gelegentlich Kontakt zu dem Tellariten gehabt, auf den sein Leitender Ingenieur so große Stücke hielt. Momentan machte der Tellarit seinem Ruf, den er sich bei McMahan erworben hatte, alle Ehre, denn es war ihm vor wenigen Minuten gelungen, ein verstecktes Menü der Benutzeroberfläche des Replikators aufzurufen. Momentan sah Tar´Kyren Dheran dem Ensign angespannt dabei zu, wie er die talarianischen Texte durchrollen ließ. Beide konnten dabei nur einen Bruchteil entziffern, aber nach einer Weile wandte sich Corin zu dem Andorianer um und meinte: „Wir können den Replikator zwar nicht dazu bringen, etwas anderes, als Nahrungsmittel und Getränke zu replizieren, und das auch nur in weichen, nicht zerbrechlichen Behältern, aber möglicherweise kann ich eine eingeschränkte Kommunikation mit den anderen Kabinen aufbauen, Sir.“ „Dann zeigen Sie mal, dass der Chief sie, während unseres Einsatzes im Frühjahr, zurecht gelobt hat, Mister Corin.“ Bevor der Tellarit jedoch zu einer Antwort ansetzen konnte, klangen vor dem Schott Schritte auf, und Corin stieg schnell aus dem Menü aus. Gerade rechtzeitig, denn schon im nächsten Moment fuhr das Schott der Kabine zischend auf, und zwei schwer bewaffnete Talarianer kamen herein. Sie machten eindeutige Gesten mit ihren Waffen, und der Tellarit bewegte sich in eine der Zimmerecken, während der Tar´Kyren Dheran ungerührt mitten im Raum stehen blieb. Gleich darauf trat Torenan Cidar in den Raum ein und blieb vor dem Andorianer stehen. „Ich möchte Sie bitten, mit mir zu kommen, Captain Dheran. Vor wenigen Augenblicken ist jemand auf diese Station gekommen, den ich Ihnen unbedingt vorstellen möchte.“ Dheran sparte sich jegliche Fragen, denn er ahnte, dass Cidar sie ohnehin nicht beantworten würde. Während er dem Admiral nach draußen, auf den Gang folgte, warf er Corin einen schnellen, auffordernden Blick zu, und hoffte, dass ihn der Tellarit verstehen würde. Corin nickte unauffällig und Dheran wandte sich zufrieden ab. Auf dem Gang warteten weitere zwei Wachen auf sie. Der Andorianer musste sich ein Schmunzeln verbeißen. Man hatte offensichtlich Respekt vor seinen Fähigkeiten. Doch ohne seine Leute, würde Dheran keinen Fluchtversuch wagen, so viel hätte eigentlich auch Torenan Cidar wissen müssen. Entweder war sein Ruf beim Feind so schlecht, dass man ihm eine solche Vorgehensweise zutraute, oder aber der talarianische Geheimdienst war so schlecht, dass er es schlicht und ergreifend nicht besser wusste. Durch lange, sechseckige Gänge, deren Wandverkleidung, im indirekten Licht, in einem hellen Grünton schimmerten, marschierten sie tiefer in das Innere der riesigen Werftstation, in der bis zu acht Schiffe gleichzeitig umgerüstet werden konnten. Der Sternenflottengeheimdienst hatte dieses strategische Ziel genau richtig gewählt, und das Opfer der ICICLE würde absolut Sinn machen. Bei diesem Gedanken spürte der Andorianer, wie es ihm das Herz zusammen zog. Das Schiff zu opfern kostete ihn doch größere Überwindung, als er zuvor gedacht hatte. Nicht zuletzt deshalb, weil er die Crew, die sich gerade in den letzten Tagen und Wochen als vorbildlich und loyal erwiesen hatte, mit diesem Schiff gleichsetzte. Als sie kurz darauf das Quartier des talarianischen Admirals erreichten, öffnete Torenan Cidar das Schott und meinte: „Bitte, nach Ihnen, Captain Dheran.“ Der Andorianer nickte verbindlich und betrat den Empfangsraum der Zimmerflucht. Der talarianische Admiral, und zwei der vier Wachen, folgten ihm dicht auf. Für einen Moment war Dheran versucht, eine der Wachen zu überrumpeln und zu entwaffnen, die drei Talarianer zu erschießen, danach die beiden Wächter draußen auf dem Gang zu überlisten, und seine Mannschaft zu befreien – um die ICICLE zu besetzen, und den Plan des Admirals, hier und jetzt auszuführen. Doch an einen Erfolg einer solchen Aktion zu glauben, das war selbst für einen Mann wie Dheran illusorisch. Zunächst würde er das Vertrauen des talarianischen Admirals erringen müssen. Danach würde man weiter sehen. Als von nebenan ein schlanker hochgewachsener Mann, mit dunkelbraunen, fast schwarzen Augen den Raum betrat, hatte der Andorianer für einen kurzen Moment das Gefühl, in einen bodenlosen Schlund zu fallen. Auf den ersten Blick erkannte Dheran, dass dieser Mann ein Betazoide war, und Torenan Cidar hatte ihn zweifellos hergebracht, damit er seine Gedanken sondierte. Natürlich hatte Dheran die Möglichkeit dies zu verhindern, aber anders als bei einer vulkanischen Kommilitonin zu Akademiezeiten, konnte er dies bei einem Betazoiden nicht unbemerkt tun, da er – anders als bei einem Kontakttelepathen – selbst keine mentale Verbindung zu diesem telepathisch begabten Wesen aufbauen konnte. In wenigen Augenblicken würde Torenan wissen, dass er etwas zu verbergen hatte, und auch wenn der Talarianer nicht erfahren würde was er verbarg, so stand doch fest, dass er Ihn, und seine Begleiter, als Spione hinrichten lassen würde. Tar´Kyren Dheran schloss, in diesem Moment mit dem Leben ab, auch wenn er sich vornahm, es so teuer wie möglich zu verkaufen, und zumindest den sadistischen Admiral mit sich zu reißen. Während es hinter der Stirn des Andorianers fieberhaft arbeitete, lächelte Torenan Cidar eigentümlich und sagte: „Captain Dheran, ich möchte ihnen einen meiner Geschäftspartner, Captain Harun Malori, vorstellen.“ Tar´Kyren Dheran konzentrierte sich darauf, seine Gedanken abzuschirmen, während er den Betazoiden mit zornfunkelndem Blick musterte. Dieser Mann also würde es sein, der den Plan des Admirals zum Scheitern bringen sollte. Er war so damit beschäftigt, seine Gedanken zu kontrollieren, dass es einige Sekunden dauerte, bis er realisierte, dass das Drängen in seinen Gedanken, kein Sondierungsversuch des Betazoiden war, sondern dass er sendete. Dheran öffnete seine mentale Abwehr so weit, dass er Bruchstücke davon empfangen konnte, immer noch bereit, sich sofort wieder abzuschotten. Was er auf mentaler Ebene erkannte war: Kont..dmi ...lan.. Ku... Im nächsten Moment begriff der Andorianer endgültig und öffnete sich für das, was der Betazoide ihm telepathisch mitteilen wollte. Und er empfing ganz klar drei eindringliche Worte: Konteradmiral Valand Kuehn   * * *   Harun Malori fluchte innerlich. Man hatte ihm den Andorianer als Elitesoldat geschildert, aber momentan war dieser Elitesoldat so schwer von Begriff, dass seine und Sirinas Tarnung drohte aufzufliegen. Denn er, Commander Harun Malori, und seine Lebensgefährtin, Lieutenant-Commander Sirina Galorin, arbeiteten für den Geheimdienst der Sternenflotte. Fast hätte Malori erleichtert gelächelt, als der Andorianer endlich verstand, was er ihm immer drängender zu übermitteln versuchte, und nur seine harte Ausbildung beim SFI bewahrte ihn vor einer solchen Unachtsamkeit. Als der Andorianer endlich seinen Widerstand, den er als Telepath, in dieser Form nur selten erlebt hatte, aufgab, nutzte Malori die Gelegenheit, dem Captain schnell mitzuteilen, dass er ein Verbündeter war, und es angebracht war, sich zu beruhigen und friedfertig zu verhalten, statt etwas Unüberlegtes zu tun. Gleichzeitig spürte er nun die grenzenlose Erleichterung des Andorianers. Der Betazoide eröffnete nun das Schauspiel für die Talarianer, indem er etwas auf Dheran zu ging und ihm theatralisch tief in die Augen sah. Für beinahe zwei Minuten verharrte er so, bevor er sich spürbar entspannte und sich zu Torenan Cidar wandte. „Ich habe den Gedankeninhalt des Captains sondiert, Admiral Cidar. Er ist davon überzeugt, das Richtige getan zu haben, sie zu befreien, und ihre Flucht zu ermöglichen. Seine Intentionen sind: Frieden zwischen der Föderation und den Talarianern zu schaffen. Er weiß, dass die Handlungsweise seines Vorgesetzten Admirals falsch war, und darum ist er übergelaufen. Und er hofft darauf, dass sie ihn und seine Leute als Verbündete anerkennen, Admiral.“ Torenan Cidar blickte beinahe etwas enttäuscht von Harun Malori, zu Tar´Kyren Dheran. Doch dies hielt nicht lange vor. Endlich sagte er zu dem Betazoiden: „Danke, Captain Malori. Sie können sich nun, zusammen mit Ihrer Co-Pilotin, um das Löschen ihrer Waren kümmern. Mein Stellvertreter wird sich dann um ihren Bonus und um alles weitere kümmern. Wir sprechen später noch mit einander.“ Damit war der vermeintliche Waffenhändler entlassen. Malori hinterließ bei Dheran noch eine eindringliche, telepathische Warnung, auch seinen Offizieren gegenüber, Stillschweigen zu wahren, was seine Rolle betraf, bevor er den Empfangsraum verließ. Nachdem er gegangen war, schickte der Talarianer die beiden Wachen hinaus, und deutete auf den Durchgang zu seinem Büro. „Darf ich bitten, Captain? Ich hoffe, sie tragen mir nicht nach, dass ich zuvor etwas misstrauisch Ihnen und Ihrer Crew gegenüber war.“ Der Andorianer hätte den Admiral am liebsten auf der Stelle niedergeschlagen, doch er unterdrückte dieses unbändige Verlangen und antwortete beherrscht. „Vielleicht hätte ich an Ihrer Stelle ganz ähnlich gehandelt.“ „Es freut mich, dass Sie es so sehen, Captain Dheran.“ Der Talarianer führte Dheran zu einer gemütlichen Sitzgruppe in seinem geräumigen Büro. „Nehmen Sie doch Platz.“ Tar´Kyren Dheran kam der Aufforderung nach. Der talarianische Admiral setzte sich ihm gegenüber und lehnte sich im Polster zurück. Er schien nicht auf die Idee zu kommen, dem Andorianer etwas zu trinken anzubieten. Übertriebene Gastfreundschaft konnte man Torenan Cidar nicht vorwerfen. „Nun, Captain Dheran: Ich denke, dass Sie und ihre Crew etwas Ruhe vertragen können. In siebzehn Stunden werden wir sie dann auf Ihr Schiff bringen, damit sie die Datenbanken zum Kopieren vorbereiten können. Danach werden Sie das Schiff in eines der Docks fliegen, und unserer technischen Abteilung übergeben, zusammen mit den Kommando-Codes, damit wir das Schiff partiell demontieren und die Technik studieren können.“ „Ihr Vorschlag klingt vernünftig. Danach werden meine Leute und ich ihnen dabei helfen, zu ermitteln, wie die Systeme am besten und schnellsten in Ihre Schiffe integriert werden können.“ Dieser Vorschlag war Dheran spontan eingefallen, und da er nicht vorhatte, die ICICLE zu übergeben, sondern den Plan des Admirals auszuführen, sobald er und seine Crew an Bord waren, würde er ohnehin niemals Realität werden. Admiral Cidar nickte anerkennend und antwortete: „Sehr gute Idee, Captain. Alles weitere werden wir dann morgen besprechen, sobald die ICICLE im Dock verankert wurde. Und nun, Captain, sollten Sie sich ebenfalls etwas erholen, damit Sie uns morgen mit aller Kraft unterstützen können.“ Der Talarianer erhob sich und Dheran tat es ihm gleich. Gemeinsam, fast wie gute Freunde, gingen sie zum Schott. „Meine Männer werden Sie zu Ihrer Kabine geleiten. Morgen werde ich dafür Sorge tragen, dass man Ihnen und ihrer Crew bessere Quartiere zuweist.“ „Danke, Admiral“, erwiderte der Andorianer freundlich, was ihn einen Gutteil an Überwindung kostete. Dann wandte er sich ab und ließ sich von den Wachen zu der Kabine zurück bringen, die er sich mit Tearash Corin teilte. Dies geschah 10 Stunden bevor sich die Ereignisse überschlugen...   * * *   Zurück in der Kabine wartete Dheran, bis die Wachen das Kabinenschott verriegelt hatten, bevor er Tearash Corin auffordernd ansah. „Nun, Ensign?“ Der Tellarit grinste verschlagen. „Mit zwei Kabinen habe ich, wenn auch nur über einen primitiven Morse-Code, den ich mit einer Anforderungstaste sende, Kontakt bekommen, Sir. Lediglich Lieutenant Singh-Badt und Charall habe ich nicht erreicht. Außerdem konnte ich einen Nebenanschluss der Hauptdatenbank anzapfen. So habe ich in Erfahrung gebracht, dass unsere Kabinen nicht überwacht werden. Die Station besitzt keine internen Überwachungssensoren, und man war wohl nicht darauf vorbereitet, Gefangene an Bord dieser Station aufzunehmen, Captain.“ „Gute Arbeit, Mister Corin. Das erleichtert einiges. Die Navigatorin und Miss Singh-Badt können wir später einweihen. Und nun hören Sie mir sehr gut zu, Mister Corin: Admiral Cidar vertraut uns, warum das so ist, werde ich Ihnen später erklären. Zunächst folgendes: Der Anschlag auf den Admiral, unsere Flucht zu den Talarianern, und unser scheinbares Überlaufen – das alles ist nur Teil eines raffinierten Planes, den sich Admiral Tarun ausgedacht hat, und für den ich mich freiwillig gemeldet habe. Wir konnten Sie und alle anderen Beteiligten nicht in den Plan einweihen, da wir genau mit dem Verhör rechnen mussten, dass dann auch tatsächlich erfolgte.“ Tearash Corin hörte den Ausführungen seines Vorgesetzten mit wachsendem Staunen zu, und nachdem Dheran geendet hatte, blickte der Tellarit ihn nur fassungslos an. Dann sagte er schließlich: „Dann sind wir keine Verräter für die Föderation?“ Ein gelöstes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Andorianers, und leise, fast väterlich, antwortete er: „Nein, Mister Corin. Sobald wir wieder auf STRATEGICAL STARBASE 71 sind, werden wir vom Admiral rehabilitiert werden. Und einige Captains der RAG, die uns hart auf den Fersen gewesen sind, werden dann vermutlich ziemlich überrascht dreinschauen.“ „Das steht außer Frage, Sir“, antwortete der junge Tellarit und ein unternehmungslustiges Leuchten erfüllte seine Augen. „Sir, ich...“ „Später, Mister Corin. Informieren Sie nun bitte Commander Mancharella, Doktor Leandros, Miss Filiz und Mister Ivarsson, und sagen Sie ihnen, dass sie sich möglichst erholen sollen, in den nächsten Stunden. Ich brauche Sie alle so fit wie möglich.“ „Aye, Captain“, antwortete der Tellarit begeistert und machte sich gleich daran, die Anweisung in die Tat umzusetzen. Dies geschah 9 Stunden, bevor sich die Ereignisse überschlugen... Kapitel 8: Unternehmen Eiszapfen -------------------------------- Nachdem Tearash Corin die vier erreichbaren Offiziere der ICICLE von der neuen Lage unterrichtet hatte, begaben sich der Tellarit und Tar´Kyren Dheran zur Ruhe. Der Andorianer schlief tief und traumlos, eine Folge davon, dass er schon dutzende Male in ähnlichen oder schlimmeren Lagen gesteckt hatte. Etwa eine Stunde, nachdem er erholt aus diesem Schlaf erwacht war, erschienen zwei talarianische Soldaten, die ihnen das erste anständige Essen, seit Beginn ihrer abenteuerlichen Odyssee, brachten. Tar´Kyren Dheran konnte nur hoffen, dass man auch die anderen Mitglieder seiner Besatzung ebenso gut verpflegte, wie ihn und Corin. Während des ausgiebigen Frühstücks musste er immer wieder an die Worte des Betazoiden denken. Sein Freund Valand hatte ihn geschickt. Er fragte sich, in wie fern der Kommandeur der Sektorenflotte-Bajor in diese Angelegenheit verwickelt war. Und vor allen Dingen warum? Diese Aktion fiel doch in den Kommandobereich von Admiral Tarun. Vielleicht hatte Tarun seinen Freund um Unterstützung gebeten, als er, im Zuge der Sektorenmeisterschaften im Degenfechten, auf der Station gewesen war. Das schien dem Andorianer im Nachhinein sogar sehr wahrscheinlich. Dennoch blieben einige Fragen offen. Zum Beispiel, in welcher Verbindung der Betazoide mit seinem Freund und der Sektorenflotte stand. Dieses Unterfangen passte eher zum SFI, denn zu dem Kommandeur einer Sektorenflotte. Ein gewisses Magengrummeln stellte sich bei diesen Überlegungen ein, und der Andorianer sagte sich, dass er möglicherweise das Gras wachsen hörte. Dennoch blieb ein gewisses merkwürdiges Gefühl, bei der Aussage des Betazoiden, dass Valand ihn geschickt hatte, in ihm zurück. Aber möglicherweise hatte Harun Malori damit auch nur gemeint, dass Valand Kuehn die Befehle des SFI an ihn weitergeleitet hatte. Das schien dem Andorianer noch die wahrscheinlichste Variante zu sein. Und die angenehmste. Sein Freund und der SFI. Dheran verwarf diesen unsinnigen Gedanken und konzentrierte sich auf die naheliegenden Probleme. Wenn das Glück auf seiner Seite war, dann würden die Talarianer ihn und seine Besatzung die ICICLE allein in eines der Docks fliegen lassen. In diesem Fall musste Ivarsson das Schiff lediglich rückwärts in das Dock fliegen. Rückwärts deswegen, damit die vorderen Hangartore der ICICLE nach außen gerichtet waren. Anschließend würden sie die automatische Sequenz zum Starten der Jäger, und zur verzögerten Zündung der annähernd 500 Torpedos, aktivieren und mit dem Fluchtshuttle das Weite suchen, bevor sein Schiff in einer gewaltigen Explosion zerrissen wurde, und dabei die Haupt-Werftstation mit ins Verderben zog. Dem Andorianer war klar, dass bis dahin noch dutzende Dinge schiefgehen konnten, doch er war guten Mutes, diesen Einsatz zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Er hoffte, für den Betazoiden, dass er bis dahin die Station verlassen haben würde. Nachdenklich begann er in dem Raum auf und ab zu marschieren, und erschrak beinahe, als Corin ihn ansprach: „Macht Ihnen etwas Sorgen, Captain?“ Dheran blickte den Ensign mit gerunzelter Stirn an. Dann beschloss er dem Tellariten zu sagen, was ihn bedrückte. „Ich bin auf dem besten Wege mein Schiff zu vernichten. Wie würden Sie sich dabei fühlen, Mister Corin.“ „Ich fühle eine gewisse Beklemmung deswegen, obwohl es nicht einmal mein Schiff ist, Captain. Und ich glaube, auch den Übrigen wird es so gehen.“ Der Andorianer nickte stumm und nahm seinen Marsch durch das Zimmer wieder auf. Dheran wusste nicht zu sagen, wie lange er damit zugebracht hatte, als das Schott des Raumes von Außen geöffnet wurde, und Torenan Cidar, diesmal nur mit zwei Begleitern, herein kam. Gekünstelt jovial erkundigte er sich: „Sind Sie nervös, Captain.“ „Die Enge dieses verdammten Ortes macht mir zu schaffen“, knurrte Dheran, was nicht einmal gelogen war, denn dieser Ort ging ihm wirklich auf die Nerven. „Dann wird es ja eine willkommene Abwechselung werden, wenn Sie gleich die ICICLE in eines der Raumdocks steuern werden.“ „Oh ja“, entgegnete der Andorianer, wobei er sich ein zu schadenfrohes Lächeln verkneifen musste. „Das wird es bestimmt.“ Sie verließen den Raum, und holten die übrigen Besatzungsmitglieder ab. Zum ersten Mal, seit gut einer Woche sahen Dheran und Corin dabei ihre Kameraden wieder. In Dherans Gesicht arbeitete es, als er den schlechten Zustand von Pasqualina Mancharella bemerkte, die von Doktor Leandros beim Gehen gestützt wurde.“ Torenan Cidar bemerkte den Blick des Andorianers und meinte fragend: „Vielleicht sollte Ihr Erster Offizier lieber hier bleiben, und sich erholen.“ Tar´Kyren Dheran gab sich Mühe, nicht zu schnell zu widersprechen. Mit verschlossener Miene meinte er: „Der Commander ist für dieses Manöver unabdingbar. Wir sind mit der absoluten Minimalbesatzung von STRATEGICAL STARBASE 71 gestartet. Sie wollen doch eine intakte ICICLE studieren, und nicht, dass wir Ihre hübsche Station demolieren.“ Cidar nickte leichthin. „Es ist Ihre Entscheidung.“ Du Verbrecher wirst dich noch wundern, WAS ich alles entscheide, dachte Dheran grimmig. Laut sagte er: „Für dieses Manöver wird die Kraft des Commanders sicherlich reichen, nicht wahr, Doktor?“ Victoria Leandros, die zu den Eingeweihten gehörte, antwortete prompt: „Aye, Sir.“ Sie marschierten durch die weitläufigen Gänge der Station und fuhren anschließend mit einem geräumigen Lift weiter hinauf, zum äußeren Andockbereich, wo die ICICLE momentan darauf wartete, was mit ihr geschah. Nachdem sie den Andocktunnel der Station durchschritten hatten, und Dheran wieder den Deckboden seines eigenen Schiffes unter seinen Füßen hatte, ballte er unwillkürlich seine Hände zu Fäusten. Dies geschah eine halbe Stunde, bevor sich die Ereignisse überschlugen...   * * *   Auf der Brücke der ICICLE erwachten die Konsolen zum Leben. Tearash Corin war zum Maschinenraum des Schiffes gefahren und hatte die Antriebs-Systeme von Stand-By zu Aktiv hochgefahren. Ein wenig wunderte sich Tar´Kyren Dheran darüber, dass Cidar ihm keine der Wachen mitgegeben hatte. Doch vielleicht war es von Vorteil, dass alle drei Talarianer mit ihm auf der Brücke waren. So konnte man sie besser gemeinsam überrumpeln, ohne dass einer von ihnen die Gelegenheit bekam die Station zu alarmieren. Der Captain schickte Ivarsson und Charall auf ihre Stationen. Bei dem was außer dem Einflugmanöver noch geschehen sollte, wären die beiden ohnehin nur im Weg gewesen. Victoria Leandros hatte Commander Mancharella zu ihrem Sitz gebracht, wo sie sich etwas erholen konnte, für das, was noch vor ihnen lag. Die Spanierin hielt sich tapfer, wie Dheran mit Stolz feststellte. Er wandte sich zu der Ärztin: „Bitte überwachen Sie, zusammen mit Miss Filiz, die Maschinenkontrollen.“ Er zwinkerte ihr schnell zu bevor er hinzufügte: „Warten Sie auf mein Zeichen, bevor Sie übernehmen.“ Das war gefährlich klar formuliert gewesen. Sie hatten sich vorher, da sie nicht wussten unter welchen Umständen das Einflugmanöver erfolgen würde, nicht absprechen können, und so mussten sie nun improvisieren, was das Ausschalten der drei Talarianer betraf. Zum Glück verstand die Ärztin, warum er ausgerechnet sie und die Andorianerin in den Rücken der beiden Talarianer beorderte. Sie bestätigte knapp, auch wenn sie nicht gerade begeistert von der Idee war, dass ausgerechnet Sie einen der beiden Wächter übernehmen sollte, sobald der Captain das Zeichen dazu gab. Wo war Lieutenant Farok, wenn man ihn wirklich mal brauchte...? Dheran hatte sich inzwischen an Lieutenant Rania Singh-Badt gewandt. Da sie bisher nicht hatte informiert werden können, blickte sie den Andorianer immer noch an, wie den letzten Schwerverbrecher. „Lieutenant, Sie werden die Nebenkontrollen des Maschinenleitstandes überwachen“, wies er sie an, und legte einen Ausdruck in seinen Blick, der sie dazu veranlasste, nicht zu widersprechen. Ausgerechnet diesen Pechvogel wollte er nicht im Weg stehen haben, wenn es Zeit wurde zu handeln. Von daher war sie an der seitlichen Backbordkonsole gut aufgehoben, überlegte Dheran. Zusammen mit den drei Talarianern stand der Andorianer an der Taktischen Station, und warf einen Blick zu Torenan Cidar, der sich sichtlich zu entspannen schien, als er realisierte, dass Dheran keinen seiner Offiziere an den taktischen Kontrollen postiert hatte. Der letzte Rest von Argwohn schien in diesem Moment von ihm abzufallen. Auch die Wachen hatten ihre Waffen gesenkt und hielten sie nun nachlässig in den Händen. „Wenn Sie so freundlich wären, uns nun das betreffende Dock zu zuweisen.“ Torenan Cidar nickte wohlwollend, und gab den Kursvektor vor, den Pasqualina Mancharella, wenn auch mit dünner Stimme, an Ivarsson und Charall weitergab. Sie hielt sich prächtig, wie Dheran zufrieden feststellte. Aus dem Maschinenraum meldete Tearash Corin, dass die Dilitiummatrix der beiden Warpkerne ausgerichtet und kalibriert war. Die ICICLE ging auf Kurs – so wie es momentan für Dheran aussah, ein allerletztes Mal. Während des Manövers erkannte er auf dem Hauptschirm ein Frachtschiff, betazoidischer Bauart, dass sich von der Station entfernte. Der Andorianer hoffte inständig, dass es sich dabei um Harun Maloris Schiff handelte. Als kurze Zeit später auf dem Hauptbildschirm das betreffende Dock deutlich erkennbar war, drehte sich Tar´Kyren Dheran in Richtung des talarianischen Admirals, und sowohl Tal´Inuray Filiz, als auch die Bordärztin spannten sich an, wobei die Griechin einen hastigen Blick auf den Bordchronographen warf. Es war genau 12:01 Uhr, am 16.10. 2381, als sich die Ereignisse überschlugen...   * * *   Der talarianische Admiral blickte Tar´Kyren Dheran fragend an, als dieser sich ihm zu wandte. Noch bevor er etwas sagen konnte, handelte der Andorianer. Blitzschnell und beinahe ohne erkennbaren Ansatz schnellte die rechte Faust des Andorianers vor und traf den Talarianer hart auf dem rechten Auge. Der talarianische Admiral strauchelte, und fiel nach hinten über zu Boden, wo er benommen liegen blieb. Zeitgleich stürzten sich die andorianische MACO und Victoria Leandros auf ihre Opfer. Während Tal´Inuray Filiz ihren Wächter mit dem Kopf auf die Taktische Konsole schlug, hatte die Ärztin den anderen Talarianer fest im Schwitzkasten und schnürte ihm langsam aber sicher die Luft ab. Tal´Inuray Filiz versetzte ihrem Gegner einen weiteren Schlag, mit der Handkante, der ihn betäubte. Inzwischen rappelte sich der Admiral hinter ihr wieder auf, und machte Anstalten sich auf Dheran zu stürzen. Tar´Kyren Dheran, der mittlerweile die Waffe des Talarianers, den die MACO eben zu Boden geschickt hatte, an sich genommen hatte, legte auf den Admiral an, der in der Bewegung verharrte, und den Andorianer mit hasserfülltem Blick an funkelte. Das letzte was er sah, war die furchtbare Entschlossenheit in den blau-violetten Augen des Andorianers. Dheran feuerte die Waffe ab. Ein greller Energiestrahl fuhr Torenan Cidar durch die Brust und tötete ihn auf der Stelle. „Du Verbrecher wirst niemals wieder eine Frau foltern“, sagte der Andorianer kalt. Mittlerweile hatte auch die Ärztin ihren Gegner überwunden, entwaffnet, und mit seiner Waffe, die ihm entfallen war, niedergeschlagen. Während Rania Singh-Badt, beinahe wie paralysiert die Ereignisse verfolgte, erklärte Dheran: „Wir betäuben die Wachen und bringen die drei in eine der unteren Rettungskapseln. Bevor wir von Bord fliehen, werden wir die betreffende Kapsel abschießen. Miss Singh-Badt, ich habe jetzt keine Zeit für Erklärungen, nur so viel: Wir befinden uns auf eine Geheimmission, die vom Admiral geplant wurde. Ich konnte Sie alle aber nicht einweihen, damit Sie, selbst unter der schlimmsten Folter, nichts verraten.“ Er ignorierte den noch immer ungläubigen Blick der Inderin und fuhr sie erbost an: „Stehen Sie nicht herum, helfen sie gefälligst der Ärztin und Miss Filiz dabei, die Talarianer von der Brücke zu schaffen!“ Auch für Charall kam das alles etwas plötzlich, und erst als ihr Ivarsson aufmunternd zu nickte, war sie bereit, die Worte des Captains zu glauben. „Captain, ich...“ Dheran blickte in das schuldbewusste Gesicht der Inderin und meinte unwillig: „Nicht jetzt, Lieutenant, die Zeit drängt.“ Er wollte sich wieder der Taktischen Konsole zu wenden, als Rania Singh-Badt drängend erklärte: „Ich habe ein Unterprogramm aus dem System eliminiert, als wir auf der Flucht vor der RAG waren.“ Der Andorianer fuhr herum, als wäre hinter ihm eine Granate eingeschlagen. „Sagen Sie das nochmal!“ Rania Singh-Badt wünschte sich ein Loch um darin zu versinken, denn langsam dämmerte ihr, dass sie den erwähnten Plan nachhaltig torpediert hatte. „Als ich auf der Flucht die Konfiguration der hinteren Torpedorampen überprüft hatte, da fiel mir auf, dass es ein Unterprogramm zum Fernzünden der Torpedos gibt, welches nachträglich eingefügt worden war. Sir, ich dachte doch... Ich wusste doch nicht, dass...“ „Sie haben das Programm komplett gelöscht?“, fragte der Andorianer heiser und blickte die Inderin an, als würde er sich jeden Moment auf sie stürzen. „Aye, Captain“, brachte die Inderin kleinlaut hervor. Der Andorianer verspürte für einen Moment das unbändige Verlangen, zum ersten Mal in seinem Leben, eine Frau zu verprügeln. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt und zischte die Inderin wütend an: „Schnappen Sie sich den Toten und schaffen Sie ihn in die Rettungskapsel, oder ich schicke sie gleich hinterher.“ Die junge Inderin machte sich errötend daran, den Befehl des Captains auszuführen, während dieser sich eilig zur Taktischen Konsole begab und einen Systemcheck vornahm. Zumindest das Programm zur Fernsteuerung der Jäger war noch vorhanden. Die Gedanken des Andorianers jagten sich. „Wie sieht unser Plan-B aus, Captain?“, fragte die Spanierin mit schwacher Stimme. „Ich denke mir gerade einen aus“, versetzte der Andorianer grübelnd. Nach wenigen Augenblicken hatte er eine Entscheidung getroffen und sagte mit fester Stimme zu Lieutenant Ivarsson: „Mister Ivarsson, steuern sie zunächst das Schiff weiter auf das Dock zu. Kurz vor dem Einflug, wenn das Schiff ausgerichtet ist, werden Sie, auf mein Kommando, das Schiff beschleunigen, nachdem wir die Jäger des Schiffes gestartet haben, und diese ferngesteuert auf die vier kleineren Basen zu halten. Gleichzeitig werden wir aus allen sechs hinteren Torpedorampen auf die Station feuern. Sobald die Station knapp außer Reichweite unserer Torpedos ist, werden wir eine scharfe Wende fliegen, und die Station frontal angreifen.“ Er wandte sich zu Charall. „Sobald die Wende erfolgt ist machen Sie die Pulsphaser bereit und feuern ebenfalls, sobald wir innerhalb der Reichweite sind.“ Beide Offiziere bestätigten. Tar´Kyren Dheran nahm neben Pasqualina Mancharella Platz und blickte sie besorgt an, wobei er seine rechte Hand vertraulich auf ihren Unterarm legte. Die Spanierin lächelte gequält. „Und das nennst du einen Plan-B?“ „Ich weiß, dass es sich eher nach einem Plan-F anhört“, gab der Andorianer leise zu, wobei er darüber hinweg ging, dass Pasqualina ihn eben geduzt hatte. „Aber unsere Optionen sind momentan etwas begrenzt. Kunanga hat, zusammen mit McMahan unsere Jäger soweit vorbereitet, dass sie die kleineren Werftstationen selbsttätig angreifen, und sich danach in Kamikaze-Manier auf die Stationen stürzen, wenn sie ihre Torpedos verschossen haben.“ Die Spanierin nickte schwach, und Dheran nahm seine Hand von ihrem Arm. Dann erhob er sich widerstrebend und schritt zu den beiden Offizieren an NAV und CON. „Das wird ein harter Ritt werden, aber wir haben hier die einmalige Gelegenheit, den Feind empfindlich zu treffen, und ihm klar zu machen, dass er auch in seinem eigenen Territorium nicht unverwundbar ist. Und unseren eigenen Leuten zeigen wir, wie so etwas gemacht wird.“ „Aye, Captain“, antworteten beide Offiziere entschlossen. Selbst der Bolianerin war nun anzumerken, dass sie wieder voll hinter Dheran stand. Im nächsten Moment öffnete sich das Schott des linken Turbolifts, und nach einander betraten Filiz, Leandros und die junge Inderin wieder die Brücke. Dheran, der seinen Zorn auf Rania Singh-Badt mittlerweile wieder weitgehend eingedämmt hatte, machte sie mit dem neuen Plan vertraut. Dann schärfte er ihr ein: „Vergessen Sie Ihren Fauxpas, Lieutenant. Ich brauche Sie jetzt mit all Ihrem Können für diesen Einsatz. Dabei können Sie einiges von dem, was Sie versiebt haben, wieder gutmachen. Und wehe, Sie enttäuschen mich, dann werden Sie mich einmal richtig wütend erleben.“ „Ich werde mein Bestes geben, Captain.“ Dherans Antennen spreizten sich: „Nun, dann sind wir uns ja einig.“ Victoria Leandros, die einen medizinischen Tricorder mitgebracht hatte, kümmerte sich indessen um Pasqualina Mancharella und sagte besorgt. „Die Giftbehandlung durch Torenan Cidar hat dem Metabolismus des XO ernsthaft geschadet. Der Commander muss dringend auf die Krankenstation, aber selbst dort kann ich ihr nur einen Aufschub verschaffen. Wenn wir STRATEGICAL STARBASE 71 nicht innerhalb von wenigen Tagen erreichen, dann kann ich für nichts garantieren, Sir.“ Der Andorianer presste die Lippen zusammen. „Nehmen Sie Commander Mancharella mit, Doktor.“ Dann wandte er sich zu Lieutenant-Commander Filiz. „Miss Filiz, Sie werden für den XO einspringen. Vorübergehend sind Sie der Erste Offizier des Schiffes.“ Die Andorianerin nickte ernst und schritt zu ihm hinunter. „Aye, Captain.“ Tar´Kyren Dheran wusste, dass die Andorianerin die Prüfungen zur Kommandobefähigung abgelegt hatte, als sie vor zwei Jahren zum Lieutenant-Commander befördert worden war. Sie hatte also durchaus das Zeug dazu, den Posten des XO auszufüllen. Letztlich würde ihr in der momentanen Lage auch gar nichts anderes übrig bleiben. Dheran stand einen halben Schritt vor seinem Sessel und konzentrierte sich wieder auf den Einsatz. Sentimentalitäten konnte er sich im Moment nicht erlauben, deshalb verdrängte er seine Sorge um Pasqualina. „Blick achtern, Mister Ivarsson.“ Der Norweger bestätigte, und Dheran blickte über die Schulter zu Rania Singh-Badt. „Sind Sie bereit, unsere Jäger zum Einsatz zu bringen, Lieutenant?“ „Bereit, Captain!“ Dheran blickte zum Hauptschirm, auf dem das Raumdock näher und näher kam. Als Ivarsson begann, das Schiff merklich zu verzögern, sagte der Andorianer in die Stille des Runds: „Front-Hangartore öffnen, und die Startsequenz der Skorpion-Jäger initiieren.“ „Hangars werden geöffnet, Sir“, bestätigte die Inderin knapp. Gleich darauf fügte sie hinzu: „Unsere Jäger verlassen den Hangar.“ Dherans nächstes Kommando erfolgte umgehend: „Rettungskapsel mit den Talarianern abschießen, Lieutenant. Feuer frei für die hinteren Torpedorampen.“ Gleichzeitig wandte sich Tal´Inuray Filiz an Ivarsson: „Beschleunigen, Mister Ivarsson. Ein Viertel Impuls voraus.“ Während die ICICLE einen Satz nach vorne machte, verwandelte sie sich in ein tödliches Instrument, das Zerstörung über die talarianische Station brachte. Jedem an Bord des leichten Trägers war klar, dass nun auch dem letzten Talarianer dämmerte, was hier vor sich ging. Zweifellos würden die Stationskommandanten nun sämtliche talarianischen Kriegsschiffe, die sich in der Nähe aufhielten, alarmieren. Grellweiße Quantentorpedos jagten in Sekundenabständen aus den sechs hinteren Torpedo-Launchern und schlugen, mit verheerender Wirkung, in der Werftstation ein. Explosion auf Explosion erfolgte hinter dem Schiff. Kurze Zeit später meldete Rania Singh-Badt knapp: „Schiff ist außer Schussweite!“ Noch bevor Dheran einen entsprechenden Befehl erteilen musste, wendete der blonde Pilot die ICICLE hart und startete einen direkten Anflug auf die Station. Gleichzeitig aktivierte Charall den taktischen Bereich ihrer Konsole. Beides wurde von Tar´Kyren Dheran zufrieden registriert. Diese Crew funktionierte hervorragend, und das würde er später vor dem Admiral nicht verschweigen. Wenn es ein Später für sie gab... Als die Station wieder in Reichweite kam, ließ Rania Singh-Badt ihre schlanken Finger über die Sensortasten ihrer Konsole huschen. Erneut jagten Wellen von Quantentorpedos auf die Station zu. Noch bevor sie dort einschlugen, blähte sich am rechten Rand des Hauptbildschirms ein grellweißer Feuerball auf, gefolgt von einem zweiten, und Dheran schlug mit der geballten, rechten Hand auf die Sessellehne. „Wir haben zwei!“ „Zwei weitere verheerende Explosionen hinter der Planetenoberfläche“, meldete die junge Inderin triumphierend. Dheran und Filiz sahen sich begeistert an. „Der CAG wird zwar nicht jubeln, aber sein Jagdgeschwader hat sich bewährt.“ Dann blickte er wieder angespannt auf den Hauptschirm, auf dem die gewaltige Werftstation gerade hinter grellen Explosionen Verschwand. Immer näher kam die Station, und als die Entfernung 30.000 Kilometer unterschritt feuerte Charall zusätzlich die schweren Pulsphaser des Schiffes ab. Grell gelbe Phaserimpulse jagten, aus dem zusätzlichen Waffenmodul und von den Spitzen der Warpgondeln auf die Station zu. Im nächsten Moment jagte das Schiff der AKIRA-KLASSE dicht über die Werftstation hinweg, und Lieutenant Singh-Badt feuerte erneut aus den hinteren Torpedorampen auf die gewaltige Station. „Folgeexplosionen auf der gesamten Station!“, meldete die Junge Inderin erregt, und Lou-Thorben Ivarsson beschleunigte die ICICLE mit Maximalwerten. „Auf Warp gehen, Mister Ivarsson!“, befahl Dheran ruhig, und noch während hinter dem Schiff die Station in kleine Stücke zerrissen wurde, verschwand die ICICLE in einer grellen Lichterscheinung. Kapitel 9: Freunde und Verbündete --------------------------------- Captain Linara Enari hatte sich vor einigen Stunden mit Captain Sorek, von der POLARIS, in ihrem Quartier getroffen und nach der Besprechung mit ihm, zu einem gewagten Spiel entschlossen. Sie und Sorek waren nach einer intensiven Beratung überein gekommen, in den Talarianischen Raum einzufliegen, und zwar im engen Verbandsflug, so dass die WINDTALKER das Tarnfeld der Interphasentarnvorrichtung um die POLARIS herum ausdehnen konnte. Allerdings würden die Schiffe sich bei Warpgeschwindigkeit einander annähern müssen, den eine Abweichung von nur wenigen Nanosekunden beim Aktivieren während so eines Manövers würde die Warpfelder beider Schiffe zum Kollabieren bringen, und sie in Stücke reißen. Eine Annäherung der Schiffe musste also bei Warp erfolgen. Und erst dann würde die WINDTALKER das Tarnfeld um beide Schiffe legen können. Zudem mussten beide Schiffe die Geschwindigkeit exakt halten, da das Tarnfeld selbst, welches beide Schiffe aus der Phase schieben sollte, bei Maximalausdehnung gerade mal so für beide Schiffe reichen würde. Außerdem machte das erweiterte Feld und der zusätzliche Energieausstoß der POLARIS eine Ortung in begrenztem Umfang wahrscheinlich - trotz des Tarnfeldes der WINDTALKER. Sie brauchten also etwas Glück. Vielleicht genügt es ja schon, dass dieser verdammte Glückspilz, Tar´Kyren Dheran sich in der Nähe aufhält, dachte Linara Enari ironisch während das Schiff auf Warp 2 beschleunigte. Die U.S.S. POLARIS war direkt hinten dran und schob sich nun langsam näher. Der Pilot der WINDTALKER achtete darauf, Richtung und Geschwindigkeit zu halten, während das kleinere Schiff sich unaufhaltsam näherte. Die Warpblasen verschmolzen ohne Probleme mit einander, als die Schiffe sich nahe genug gekommen waren. Linara Enari musste zugeben, dass der Steuermann der POLARIS kein Anfänger war. Ruhig steuerte er das Schiff des Halbvulkaniers, mit romulanischen Wurzeln, immer dichter, von oben an das größere Schiff heran, bis es nur noch zehn Meter von der Außenhülle entfernt war, und die Bajoranerin in Gedanken bereits das dumpfe Krachen einer Kollision zu hören glaubte. Doch nichts derartiges geschah. „Captain, die POLARIS hat ihre Endposition eingenommen und hält nun einen konstanten Abstand von zehn Metern zur WINDTALKER“, meldete der Mann an der OPS. Linara Enari nahm die Meldung mit einem knappen Nicken zur Kenntnis. Sie aktivierte ihre Sesselkonsole, und schaltete die Interphasentarnvorrichtung frei. Erst jetzt erschienen die entsprechenden Kontrollen für dieses Aggregat auf der Taktischen Konsole, eine Sicherheitsvorrichtung, die es bereits an Bord der ersten WINDTALKER gegeben hatte. „Bereitmachen die Interphasentarnvorrichtung zu aktivieren“, wies Captain Linara den Taktischen Offizier der WINDTALKER an. „Öffnen Sie einen permanenten Kanal zur POLARIS.“ Der Taktische Offizier bestätigte, und meldete gleich darauf: „Verbindung zur POLARIS steht.“ Die Bajoranerin dankte, und sagte: „Linara Enari an Sorek: Bitte halte Dich bereit, wir werden jetzt die Interphasentarnvorrichtung aktivieren und gleichmäßig die Fahrtstufe steigern.“ „Wir sind bereit“, erklang die ruhige Stimme Sorek´ und die Bajoranerin wandte sich dem Taktischen Offizier zu. „Lieutenant, aktivieren Sie die Tarnvorrichtung.“ Danach wandte sie sich zum Steuermann: „Fahrtstufe langsam und gleichmäßig steigern, bis auf Warp 9,5.“ „Aye, Captain.“ Der Steuermann der WINDTALKER nahm die entsprechende Schaltung vor, nachdem der Taktische Offizier das Tarnfeld um beide Schiffe gelegt hatte, was sich an Bord daran bemerkbar machte, dass die Standardbeleuchtung einen Ton dunkler und bläulich wurde. Die POLARIS, die in demselben Maße beschleunigte hielt bewundernswert exakt die Position bei, bis beide Schiffe die gewählte Fahrtstufe erreicht hatten. Aus der Phase geschoben, und somit nicht mehr optisch und rein theoretisch auch nicht mehr für Scanner erfassbar, jagten beide Schiffe, mit hoher Warpgeschwindigkeit, tiefer in den Talarianischen Raum hinein. Linara Enari wusste, dass sie ab jetzt auf sich gestellt waren. Aber das war ja nichts neues für die Bajoranerin, und so nahm sie es hin – wie sie es immer hingenommen hatte. Sie erinnerte sich an ein lange zurückliegendes Gespräch mit Vizeadmiral Ross. Damals hatte der Admiral ihr das Kommando über die WINDTALKER angeboten, und heute war die Bajoranerin froh, dass sie es angenommen hatte. Auch wenn es zwischenzeitlich zum Bruch zwischen ihr, und der Sternenflotte gekommen war, was an den fragwürdigen Machenschaften des Sternenflottengeheimdienstes gelegen hatte. Und dass dem SFI momentan ein Mann, wie Admiral Sherman vorstand, war nicht gerade dazu angetan, ihre Meinung über diesen Verein zu verbessern. Die Bajoranerin schüttelte diese finsteren Gedanken ab. Es galt einen Freund und sieben Mitglieder seiner Besatzung zu retten, und das würde sie tun – auf Biegen oder Brechen. Noch nie hatte sie Freunde oder Kameraden im Stich gelassen, und sie hatte nicht vor jetzt damit anzufangen, auch wenn es sicherlich nicht leicht werden würde, Dherans Fluchtshuttle rechtzeitig zu lokalisieren. Man wusste ja nicht einmal, in welche Richtung sich Dheran wenden würde, wenn er versuchte, den Talarianischen Raum zu verlassen. Vorausgesetzt, er war überhaupt noch am Leben, was nicht sicher war. Linara Enari spürte bei diesem Gedanken einen imaginären Knoten im Magen, was sie deswegen etwas in Erstaunen versetzte, weil sie den Andorianer erst kurze Zeit kannte. Trotzdem hatte dieser charismatische, wenn auch nach außen oft etwas grob wirkende, Andorianer es geschafft, ihre Sympathie zu erringen. Und auch ihre Freundschaft. Ähnliches galt für Sorek, obwohl er grundsätzlich ein anderer Typ war als Tar´Kyren Dheran. Dabei musste sie an die anderen Captains und Offiziere der 5.Taktischen Flotte denken, die sie bisher kennengelernt hatte, seit sie im Mai dieses Jahres dazu gestoßen war. So verschieden sie auch immer sein mochten, in gewissen Grundzügen ähnelten sie einander auf geradezu verblüffende Art und Weise. Linara Enari ging zu dem caitianischen Taktischen Offizier der WINDTALKER. „Können unsere Scanner irgendwelche Warp-Signaturen jüngeren Datums auffangen?“ Das Katzenwesen gab ein leises Schnurren von sich und ließ seine Hände über die Sensortasten seiner Konsole huschen. Dann antwortete er: „Positiv, Captain. Aus Richtung der STERNENBASIS-214 hat sich vor nicht allzu langer Zeit, ein Schiff mit betazoidischer Warp-Signatur in talarianisches Gebiet bewegt. Die Warpspur verläuft beinahe parallel zu unserem jetzigen Kurs. Nach der Zerfallsrate der Ionenspur muss das Schiff vor nicht mehr, als siebzehn Stunden hier entlang geflogen sein.“ „Danke, Lieutenant.“ Linara Enari überlegte kurz, während sie zur vulkanischen Steuerfrau hinüber ging. Dann entschied sie: „Ensign Venaris, wir werden der Warpspur folgen. Korrigieren sie behutsam unseren Kurs.“ Gleichzeitig fragte sie: „Captain Sorek, ich bitte um Bestätigung für Kurskorrektor auf 002,14.“ Nur einen Augenblick später klang die Stimme des Halbvulkaniers auf: „Verstanden, Enari, wir sind bereit.“ „Dann los“, forderte Linara Enari die Vulkanierin auf. Behutsam korrigierte Ensign Venaris den Kurs der WINDTALKER. Die POLARIS blieb auch bei diesem Manöver dicht bei dem größeren Schiff. Nachdem die beiden Schiffe die Kursänderung erfolgreich abgeschlossen hatten, überlegte die Bajoranerin: Möglicherweise irre ich mich ja, aber ich glaube, dass die Warpspur zu dem Frachter gehört, den wir kürzlich untersucht haben. Wenn das stimmt dann hat mich der Frachter-Captain belogen, und ich wüsste gerne den Grund dafür. Und welches Ziel der Frachter wirklich hat. Die Bajoranerin war gespannt darauf, was sie am Ziel ihrer Reise vorfinden würden. Wie hätte sie auch ahnen sollen, dass sie genauen Kurs auf das Inferno hielt, das ein Andorianer namens Tar´Kyren Dheran genau in diesem Moment begann anzurichten.   * * *   Beinahe im selben Moment, als Linara Enari ihre Überlegungen, bezüglich Harun Malori anstellte, legte dieser mit seinem Frachter von der talarianischen Werftstation ab. Er wusste, dass er für dieses Manöver keinen späteren Moment hätte wählen dürfen, da das Schiff des Andorianers bereits dabei war, zu einem der Docks zu manövrieren. So, wie er den Andorianer einschätzte, würde dieser umgehend handeln, sobald das Schiff im Dock war, und was dann passieren würde, das konnte er sich ungefähr vorstellen. Immerhin hatte Konteradmiral Valand Kuehn ihn persönlich instruiert. So wusste Malori auch von dem Fluchtshuttle an Bord der ICICLE. Zu seinem Auftrag gehörte auch, den Rückzug notfalls unter Einsatz der Bordwaffen der VINH´KORUM zu decken, weswegen seine Lebensgefährtin auch alles andere als begeistert von dem Auftrag gewesen war. Dieser Frachter war von den Ingenieuren der Sternenflotte, auf einer geheimen Schiffswerft des SFI mit speziellen Torpedorampen und Phaserbänken ausgerüstet worden, deren typische Energie-Signaturen durch spezielle Dämpfungsfelder für Scanner nicht zu erfassen waren. So wusste Niemand, wozu der Frachter notfalls wirklich imstande war. Im Falle eines Einsatzes dieser Waffensysteme würden sie ohnehin zum letzten Mal in talarianisches Gebiet eingeflogen sein, denn danach würden die Talarianer über die beiden Piloten des Frachters Bescheid wissen. Aber vielleicht, so hoffte Malori, kam es gar nicht dazu, und die Crew der ICICLE konnte rechtzeitig die Kurve kratzen. Harun Malori grinste in Gedanken daran, dass dieses irdische Sprichwort in der bekannten Galaxis weit herumgekommen war – selbst Ferengi benutzten es gelegentlich. Sirina Galorin blickte ihn gereizt an: „Du scheinst unsere momentane Lage ja reichlich komisch zu finden, was? Für Dich scheint dieses gesamte Unternehmen ein Riesenspaß zu sein, bei dem man sich königlich amüsieren kann, wie es scheint.“ Der Betazoide machte eine entschuldigende Miene. „Nein, Sirina. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es bei diesem Einsatz um Kopf und Kragen geht. Aber deswegen mit bitterböser Miene hier zu hocken, das hilft nun auch nicht weiter.“ Der Izarianerin, der ihre heftigen Worte bereits wieder leid taten, legte ihre Hand auf den Unterarm ihres Freundes. „Entschuldige, ich bin nur etwas angespannt, das ist alles.“ „Wer wäre das nicht, in unserer Lage?“ Sie konzentrierten sich auf die Steuerung des Frachters. Die VINH´KORUM beschleunigte mit mäßigen Werten, obwohl der Frachter notfalls mit ganz anderen Werten aufwarten konnte. Doch ein zu schnelles Verlassen des Systems lag momentan nicht mehr im Interesse der beiden Sternenflottenagenten. Auf dem Hauptschirm des Frachters beobachtete Malori, wie die ICICLE sich rückwärts langsam dem Dock näherte, wobei das Schiff immer mehr verzögerte. „Verdammt, auf was wartet der Pilot dieses Schiffes denn?“, fragte der Betazoide in die Stille des Kontrollraumes. Im nächsten Moment öffneten sich die Hangartore an der Front der Primärhülle und die Jagdmaschinen der ICICLE starteten dicht hinter einander. Gleichzeitig wurde eine der unteren Fluchtkapseln abgeschossen, und Harun Malori ahnte, dass etwas Entscheidendes an Bord der ICICLE schief gegangen sein musste. Als die ICICLE beschleunigte, und sich dabei in ein feuerspeiendes Ungeheuer zu verwandeln schien, fluchte Malori erbittert und sagte zu seiner Freundin: „Bereitmachen, hier ganz schnell zu verschwinden, Sirina. Kurs halten in Richtung Forlan-System. Wenn der Andorianer sich zur Flucht entschließt, dann wird er den kürzesten Weg aus dem Gebiet, zum nächsten Flottenstützpunkt wählen, von dem aus er effiziente Hilfe bekommen kann.“ „Bist du sicher?“ „Ich würde es machen.“ Der Betazoide nickte Sirina ernst zu. „Waffensysteme in Bereitschaft halten, aber noch nicht aktivieren. Vielleicht brauchen wir sie nicht.“ „In Ordnung.“ Die Izarianerin blickte ihren Freund an und fügte hinzu: „Ich liebe Dich, Harun.“ Malori lächelte aufmunternd. „Und ich liebe Dich.“ Im nächsten Moment erforderten die Ereignisse außerhalb des Frachters wieder ihre volle Aufmerksamkeit. Beide Agenten beobachteten, wie die ICICLE, von ihrer Position aus, auf der anderen Seite der Station, wendete und einen Frontalangriff unternahm. Kaum, dass die ICICLE über die Station hinweg geflogen war, wurde die Werftstation hinter dem beschleunigenden Kriegsschiff in Stücke gerissen. „Ich gehe auf Warp“, sagte Malori erregt. Gleich nachdem der Frachter in einer grellen Lichterscheinung verschwand, folgte das Schiff der 5.Taktischen Flotte und beschleunigte auf Warp 9,5 und setzte direkten Kurs auf das Forlan-System. Harun Malori ließ das Kriegsschiff aufschließen und überholen, wobei er einen Kanal zu dem Schiff öffnete. „VINH´KORUM an ICICLE. Wir werden Ihnen Geleit geben.“ Es dauerte einen Moment, bis das Abbild des andorianischen Captains der ICICLE auf dem Bildschirm sichtbar wurde, und der Captain mit sonorer Stimme erklärte: „Verschwinden Sie mit ihrem Frachter, Malori. Wir schlagen uns allein durch. Sie haben genug getan.“ „Negativ, Captain“, entgegnete der Betazoide. „Konteradmiral Valand Kuehn gab mir eindeutige Order für einen Fall, wie diesen. Und zu Ihrer Information: Mein Frachter ist alles andere als wehrlos.“ „Auf ihre Verantwortung, Mister Harun“, brummte der Andorianer, der wusste, dass ihm sein höherer Rang nichts nutzte, bei einer Admiralsorder, auf die sich der Betazoide berief. Und Malori unterstand nicht den Taktischen Flotten, so dass auch das Anwenden von Sonderbestimmungen ausfiel. „Aber wir können ihnen kaum genügenden Feuerschutz geben, falls es Hart auf Hart geht. Unser Torpedoarsenal ist so gut wie leer – wir verfügen noch über ganze 17 Quantentorpedos, den Rest haben wir gegen die Station eingesetzt. Und wir können durch einen Schaden an unserer linken Warpgondel nur mit maximal Warp 9,5 fliegen.“ Der Andorianer schien noch etwas sagen zu wollen, doch eine undeutliche Stimme im Hintergrund hielt ihn scheinbar davon ab. Gleichzeitig meldete Sirina: Eine Flotte von mindestens einhundert talarianischen Schiffen nähert sich aus Vektor 279,23.“ Gleichzeitig meldete sich der Andorianer wieder. „Vielleicht erhalten Sie schon bald Gelegenheit, Ihren Starrsinn zu bedauern. Aus dem Grünsektor nähert sich...“ „Ich bin bereits im Bilde, Captain Dheran“, unterbrach der Betazoide den Andorianer ungerührt. Harun Malori wusste, was das für eine angeschlagene ICICLE bedeutete, die über eine Bestückung von gerade einmal siebzehn Quantentorpedos verfügte. Blitzschnell entschied er: „Captain, halten Sie Ihren Kurs. Sie können hier nichts ausrichten. Ich hingegen verfüge über eine Bestückung, die ausreicht, Ihnen einen guten Vorsprung zu verschaffen.“ Gleichzeitig scherte der Frachter nach Backbord aus. Auf dem sechseckigen Hauptbildschirm der VINH´KORUM erkannte der Betazoide den Widerspruch in Dherans Gesicht. Bevor der Andorianer jedoch etwas sagen konnte, sagte Malori eindringlich: „Bringen Sie Schiff und Besatzung heil zurück, Captain Dheran. Und bestellen Sie dem Konteradmiral, dass wir Sie nicht im Stich gelassen haben. Malori, Ende.“ Er schloss den Kanal und wandte sich zu Sirina, die ihn mit flackerndem Blick ansah. „Ich hoffe, du bist jetzt nicht sauer auf mich.“ Die Izarianerin beugte sich vor und küsste ihren Freund heftig, wobei der Betazoide spürte, dass etwas feuchtes seine Wange berührte. Als sie sich wieder von einander lösten, wischte sich Sirina die Tränen fort und sagte trotzig: „Was auch immer geschieht, wir sind zusammen, Harun.“   * * *   Auf der WINDTALKER stieß Linara Enari einen unterdrückten, bajoranischen Fluch aus. Kaum, dass die POLARIS und die WINDTALKER sich außerhalb eines unbekannten Sonnensystems getrennt hatten um unter Warp zu gehen, meldete der Taktische Offizier: „Mehrere gewaltige Energieentladungen in der Nähe des fünften Planeten des Systems. Den Scannern zufolge handelt es sich um insgesamt fünf schwere Explosionen. Zahlreiche Trümmerteile werden registriert. Moment: Zwei Schiff gehen gerade auf Warp, eins davon besitzt eindeutig eine Föderations-Signatur. Könnte die ICICLE sein. Das andere Schiff ist betazoidischer Herkunft.“ „Der große Blaue hätte noch etwas warten können“, entfuhr es der Bajoranerin. „Aber typisch, so hat er den Spaß wieder einmal ganz allein für sich.“ Dann wies sie den Caitianer an: „Einen Kanal zur POLARIS.“ „Aye, Captain – Kanal ist offen.“ Linara Enari nickte knapp. „WINDTALKER an POLARIS. Wie es scheint, ist unser andorianischer Freund soeben, mit einem Knall, aus dem System verschwunden. Zusammen mit dem betazoidischen Frachter, den wir vor einiger Zeit untersuchten, wie es scheint. Ich wüsste zu gerne, in wie fern der Frachter-Captain in diese Angelegenheit verwickelt ist.“ „Hier Sorek. Verstanden, ich werde auf Modus Grau gehen, und die Waffen in Bereitschaft halten. Ich denke mir, dass die Talarianer unseren andorianischen Freund nicht ungestraft entkommen lassen wollen. Eine Frage noch: Sollte die ICICLE nicht bei der Aktion gesprengt werden?“ „Ja, und wenn du mich fragen willst, warum Dheran das nicht getan hat, dann frage mich bitte etwas leichteres. Enari, Ende.“ Beide Schiffe gingen auf neuen Kurs und sprangen kurz darauf erneut auf Warp und beschleunigten, im Formationsflug, auf Warp 9,97. Während sie langsam zu den beiden Schiffen aufschlossen, meldete der Caitianer von der Taktik: „Eine talarianische Flotte nähert sich aus Vektor Grün. Mindestens einhundert Einheiten, Captain!“ „Dann bereiten Sie sich darauf vor, dass Sie bald etwas zu tun bekommen, Lieutenant“, meinte Linara Enari grimmig. „Diese Schiff wollen uns sicherlich nicht nur Geleitschutz bis zu ihrer Grenze geben.“ Der Caitianer machte ein erstauntes Gesicht, was sich bei ihm immer recht seltsam ausnahm, und zuerst fragte sich Linara Enari, ob sie etwas so seltsames gesagt hatte. Doch schon im nächsten Augenblick erfuhr sie warum der Caitianer so reagiert hatte. „Captain, der Frachter schert aus und hält direkten Kurs auf die talarianische Flotte.“ „Was, bei allen Pah-Geistern, hat dieser Malori denn nun vor?“ Sie schritt zur Taktischen Konsole, um sich selbst einen Überblick zu verschaffen. Schon einen Moment später hatte sie die Antwort. Der vermeintliche Frachter aktivierte seine Schutzschilde und eröffnete das Torpedo-Feuer auf die talarianischen Kreuzer, die ihm am nächsten waren. Mit durchschlagender Wirkung. Gleich beim ersten Feuerschlag vernichtete der vermeintliche Frachter zehn talarianische Kreuzer. Weitere folgten gleich darauf. „Wie lange noch, bis wir selbst in Schussweite sind?“, erkundigte sich Linara Enari. „Etwa eine Minute, Captain“, antwortete der Caitianer neben ihr. „Aber wie kann es sein, dass dieser Frachter plötzlich über Torpedorampen verfügt. Unsere Scans, als wir ihn gestoppt hatten, zeigten keine solchen Systeme an.“ Die Bajoranerin, die beobachtete, wie eine Reihe weiterer talarianischer Schiffe explodierten, oder schwer getroffen abdrehten mussten, während andere das Feuer erwiderten und die Hälfte der Kreuzer auf die ICICLE zu hielten, meinte: „Ich wollte, ich hätte eine Antwort darauf, Lieutenant. Dieser Frachter-Captain ist zumindest nicht das, was er zu sein scheint, so viel steht fest.“ „Verdammt, die übrigen Talarianer brechen durch und erreichen die ICICLE. Sie eröffnen das Feuer“, entfuhr es dem Caitianer. „Hoffentlich halten deren Schilde der ICICLE, bis wir da sind.“ Linara Enari begab sich wieder auf ihren Platz, als der Caitianer meldete: „Captain, die ICICLE steht unter schwerem Beschuss. Sie hat uns erfasst und ruft uns.“ „Auf den Schirm, Lieutenant!“ Auf dem Frontbildschirm der WINDTALKER wurde das Abbild von Tar´Kyren Dheran, und ein Teil der Brücke seines Schiffes sichtbar. „Schön, dass du Zeit hast, mal vorbei zu schauen“, begrüßte der Andorianer sie launig. Gleich darauf fuhr ernst fort: „Die Kurzfassung, Enari: Der Frachter-Captain ist kein Frachter-Captain, sondern gehört zum SFI. Ihm haben wir es zu verdanken, dass wir die Werften der Talarianer erfolgreich angreifen konnten. Sein Schiff scheint von unseren Leuten etwas aufgewertet worden zu sein, zumindest ließ er so etwas durchblicken. Wenn ich unserem Taktischen Offizier glauben darf, dann kommst du auch mit Maximum-Warp nicht mehr zurecht, um ihn zu unterstützen.“ Linara Enaris Hände ballten sich zu Fäusten. „Wir sollen ihn also im Stich lassen?“ „Wir können nichts machen, Enari!“ Der Andorianer blickte sie über die Bildverbindung eindringlich an, und sie erkannte, dass ihm dieser Umstand genauso wenig schmeckte. Beinahe beschwörend sagte Dheran dann, mit seltsam leiser Stimme: „Sorgen wir dafür, dass sein Opfer nicht vergeblich ist.“ Die Gedanken der Bajoranerin jagten sich. Fragend blickte sie zu dem caitianischen Offizier an der Taktik, der bestätigend nickte. Aber das hätte sie sich gleich denken können - Dheran war kein Mann der über Leichen ging. Schnell fand sie sich mit den Gegebenheiten ab und meinte bitter: „Also schön, Tar´Kyren. Kannst du vielleicht etwas mehr aus deiner Kaffeemühle herausholen, als Warp 9,5?“ Die Antennen des Andorianers bogen sich leicht nach Innen bei ihren letzten Worten. „Wir können maximal mit Warp 9,6 fliegen, ohne dass uns die Backbordgondel sofort um die Ohren fliegt. Mehr kann ich nur anbieten, wenn gesichert ist, dass wir mit nur einer Warpgondel STRATEGICAL STARBASE 71 erreichen werden. Und das höchstwahrscheinlich auch nur kurzfristig. Aber ich werde aber unserem technischen Genie mal Feuer unter dem Hintern machen. Vielleicht fällt Mister Corin etwas ein.“ Linara Enari nickte. „Das wäre vielleicht nicht schlecht. Versuche Dir die Talarianer noch etwas vom Hals zu halten, wir sind in etwa einer halben Minute bei euch. Linara, Ende.“   * * *   Auf der ICICLE zeichnete sich Erleichterung auf den Mienen der Besatzung ab, nachdem Rania Singh-Badt die beiden verfolgenden Schiffe, als die WINDTALKER und die POLARIS identifiziert, und eine Verbindung hergestellt hatte. Nachdem Dheran mit Linara Enari gesprochen hatte, und die Verbindung unterbrochen war, blickte der Andorianer aufmunternd in die Runde. „Der Admiral hat uns also noch längst nicht abgeschrieben, Ladies und Gentleman.“ So etwas wie verhaltene Erleichterung zeichnete sich auf den Mienen der Offiziere ab. Doch schon im nächsten Moment wurde die ICICLE, von dem Angriff der talarianischen Kreuzer, schwer erschüttert. Tonlos meldete Rania Singh-Badt beinahe gleichzeitig: „Der betazoidische Frachter wurde unter massives Feuer genommen und ist explodiert. Allerdings nicht ohne dabei vorher noch drei weitere talarianische Schiffe mit ins Verderben zu reißen.“ Die Antennen des Andorianers bogen sich deutlich nach vorn durch, und auch sonst sagte niemand ein Wort, bis Dheran sich schließlich an die Inderin wandte: „Halten Sie die Talarianer noch etwas hin, Miss Singh-Badt. Setzen Sie die letzten hinteren Torpedos gezielt ein, und weichen Sie, wenn möglich, auf die Phaser aus, bis die WINDTALKER und die POLARIS bei uns sind.“ Während der Lieutenant bestätigte, begab sich der Andorianer zu seinem Sessel, wobei ihn eine erneute Erschütterung fast hineinwarf. „Mister Ivarsson, halten Sie das Schiff ruhig!“ „Aye, Captain“, grinste der Norweger humorlos. Seit dem ersten Kampfeinsatz der ICICLE, im Mai des Jahres, kannte er diese trockenen Sprüche des Captains, in Gefahrensituationen. Tar´Kyren Dheran tippte auf seinen Kommunikator. „Mister Corin, wir müssen einen Weg finden die Leistung des Warp-Feldes zu erhöhen, ohne dass uns dabei die beschädigte Warpgondel um die Ohren fliegt. Lassen Sie sich was einfallen.“ „Toll, Captain“, erklang die raue Stimme des Tellariten. „Ich kann versuchen, die Dichte des Warpfeldes zu erhöhen, aber dafür brauche ich hier unten Unterstützung.“ Dheran blickte sich auf der Brücke um und erwiderte: „Ich schicke Ihnen Miss Charall, Ensign Corin. Machen Sie was draus.“ Die Bolianerin wartete nicht erste den Befehl des Captains ab, sondern erhob sich bereits, als der Captain noch mit Corin sprach und eilte zum Turbolift. Dafür übernahm die MACO Tal´Inuray Filiz automatisch die NAV-Konsole und für einen Augenblick dachte Dheran ironisch: Wofür brauchen die mich eigentlich noch, wenn es anscheinend auch ohne mich geht?   * * *   Elf Decks tiefer hielt sich Tearash Corin im Hauptkontrollraum auf und rannte zwischen den beiden Kontrollkonsolen für die Warpkerne hin und her, um den Leistungsoutput immer wieder anzupassen und möglichst viel Energie für die Schiffssysteme bereit zu stellen. Dabei arbeiteten beide Warpkerne schon beinahe im Grenzbereich. Der Tellarit verfluchte momentan den Schiffskonstrukteur, der nicht vorher gesehen hatte, dass dieses Schiff vielleicht mal in die Verlegenheit kommen würde, mit nur einem Techniker zu starten. Zugegeben, dafür war die ICICLE nicht ausgelegt worden, aber es hätte ihm sehr viel Lauferei erspart. Momentan stand der junge Techniker an den Kontrollen des linken Warpkerns und rekalibrierte die Magneteinengung des Materie/Antimaterie-Stroms, um ihn vor der Dilitiumkammer enger zu bündeln und somit die Leistung zu erhöhen. Gleichzeitig gab er mehr Energie auf die energetischen Tunnel der Plasmaleitungen. Diese verhinderten den Kontakt des mehrere Millionen Grad heißen Plasmas zu den Leitungen selbst, da keine bekanntes Material der Galaxis einen solchen Kontakt überstanden hätte. Auch den Fluss zu den EPS-Leitungen erhöhte er, um mehr Energie für die Schiffssysteme, wie den Waffen und Schilden bereit zu stellen. Danach warf er einen kurzen Blick auf die Kontrollen des Rektantinjektors, der für die Menge der Materie/Antimaterie-Zufuhr zuständig war. Zufrieden mit den Werten warf er einen Blick auf die Werte der Antimaterieeindämmungsfelder, deren Leistungsaufnahme sich bereits nahe der Grenzwerte bewegten. Als Charall endlich in den Maschinenraum gelaufen kam, sichtlich außer Atem, fuhr er sie gereizt an: „Das hat aber lange gedauert. Ich brauche Sie an den Kontrollen des Steuerbordwarpkerns, Verehrteste. Wir müssen die Leistung beider Warpmatrix-Fluxkompensatoren zeitgleich und möglichst synchron erhöhen. Kennen Sie sich damit aus?“ „Ja, Sie vergessen anscheinend, dass ich Astrophysik studiert habe, Nebengebiet Kernphysik.“ Tearash Corin beobachtete, wie Charall sich schnell zur Steuerbordkonsole begab. „Gut, schon etwas wert“, schickte er ihr bissig hinterher, was diese mit einem liebenswürdigen Lächeln quittierte. Sie wusste, dass man den Tellariten am besten mit Nettigkeit reizen konnte. Dann verschaffte sie sich einen schnellen Überblick und sagte kurz darauf sachlich: „Ich bin bereit, wenn Sie es sind.“ „Okay, wir werden die Leistung um insgesamt 5% erhöhen, dabei pro Sekunde um etwa 0,2%. Ich gebe Ihnen die Werte laufend durch. Auf mein Kommando... Jetzt.“ Beide Ensigns begannen die Leistung zu steigern, wobei der Tellarit die Werte, der Steigerung an Charall weitergab. Die Bolianerin erhöhte um dieselben Werte wobei sie bereits nach wenigen Augenblicken den Bogen heraus hatte mit derselben Rate zu erhöhen, wie der Tellarit. Als sie schließlich den Endwert erreicht hatten, wandte sich der Tellarit zu Charall um und brummte: „Das war ganz ordentlich, für den Anfang. Justieren Sie nun den EPS-Regulator entsprechend der neuen Werte.“ Die beiden verschiedenen Offiziere arbeiteten einen Moment schweigend, bevor eine schwere Erschütterung durch das Schiff lief. Charall, die unsanft mit einer Konsolenkante kollidierte meinte erbost: „Der Captain hatte Ivarsson doch befohlen das Schiff ruhig zu halten.“ Bevor der Tellarit etwas erwidern konnte, meldete sich der Captain und sagte: „Mister Corin, erhöhen Sie den Energieausstoß der beiden Kerne bis zum vertretbaren Maximum.“ Der Tellarit tippte auf seinen Kommunikator und erwiderte: „Captain die Kerne arbeiten schon im Grenzbereich. Wenn ich noch mehr Saft auf die Leitungen gebe, fliegen uns die beiden Warpkerne um die Ohren.“ „Das werden wir heute einfach mal riskieren, Ensign.“ Damit unterbrach der Andorianer die Verbindung und Corin blickte erbost zu Charall. „Ob der Captain vielleicht glaubt, wir würden an der nächsten Ecke zwei neue Warpkerne bekommen? Haben wir heute Dienstag, oder was?“ Charall grinste amüsiert. „Versuchen wir unser Bestes, Mister Corin.“ Eine neue Erschütterung veranlasste Corin dazu, sich etwas zu beeilen. Mit knappen Worten erklärte er Charall, was sie zu tun hatte, und hoffte inständig, dass die beiden Warpkerne die zusätzliche Belastung aushalten würden.   * * *   Auf der Brücke rissen zwei Plasmaleitungen, und weißlicher, beißender Qualm erfüllte den Raum, bevor die Notentlüftung endlich einsetzte, und begann, die Luft zu reinigen. „Verdammt, wie lange brauchen die WINDTALKER und die POLARIS noch, bis sie uns erreicht haben?“, rief Dheran hustend und wandte sich zu Lieutenant Singh-Badt um. „Beide Schiffe schießen sich mit einem Pulk Talarianerkreuzer herum“, antwortete die Inderin. „Brechen aber soeben durch und schließen auf.“ Eine neue Salve der Verfolger ließ die ohnehin stark geschwächten Schilde der ICICLE zusammenbrechen, und eine Reihe von Treffern erschütterte das gesamte Schiff. „Schilde sind unten, ich feuere unsere letzten Photonentorpedos ab“, meldete Rania Singh-Badt mit einer geradezu unheimlichen Ruhe. Erneut schüttelte sich das Schiff und eine weitere Plasmaleitung barst in einem gewaltigen Funkenregen. Wieder strömte dichter Qualm auf die Brücke und die Beleuchtung flackerte kurz auf, bevor sie endgültig versagte. Doch schon einen Augenblick später sprang die Notbeleuchtung an, und erfüllte den Kommandoraum mit einem düsteren rötlichen Schein. Die Entlüftung schien nicht mehr einwandfrei zu arbeiten, denn die Qualmschwaden, die sich unter der Decke sammelten wurden nur langsam weniger. Zahlreiche Energieschüsse der immer noch verfolgenden talarianischen Kreuzer schlugen in der Hülle der ICICLE ein und das Schiff wurde erneut heftig durchgeschüttelt. Wie durch ein Wunder wurden dabei keine der sensiblen Systeme des Schiffes getroffen. Lieutenant Ivarsson gab sein Bestes, um drei Raketen auszuweichen, und beinahe hätte er es auch geschafft. Doch trotz all seines Könnens konnte er nicht verhindern, dass eine der Raketen unterhalb der rechten Primärhülle einschlug. Dheran wurde beinahe aus seinem Sessel geschleudert, und auch Rania Singh-Badt hob es für einen Moment von den Beinen. Die Inderin klammerte sich jedoch verzweifelt an ihrer Konsole fest, und schaffte es schließlich, wieder ihren Posten einzunehmen, und das Feuer mit den hinteren Phasern zu erwidern. Zwei talarianische Kreuzer, die bereits dicht aufgeschlossen hatten wurden getroffen und blieben schließlich zurück. Auf dem Hauptschirm, der längst den Bereich achtern anzeigte, war zu erkennen, dass sich trotzdem noch immer siebenundzwanzig talarianische Kreuzer am Heck der ICICLE befanden, und unablässig auf das Schiff feuerten. Doch plötzlich verwandelte sich einer von ihnen in einen grellen Feuerball. Fast jubelnd rief Lieutenant Singh-Badt aus: „Die WINDTALKER und die POLARIS befinden sich jetzt in Schussweite der talarianischen Verfolger!“ „Man sieht es“, versetzte der Andorianer rau. Doch auch ihm war die Erleichterung darüber deutlich anzumerken. Die beiden Schiffe von Captain Linara und Sorek griffen die restlichen Talarianern kompromisslos an. Als die gegnerischen Schiff sich zerstreuten, schlossen die beiden Schiffe der 5.Taktischen Flotte bis auf wenige hundert Meter zur ICICLE auf. Mit ihren rückwärtigen Waffensystemen hielten sie die verbleibenden Gegner dabei auf Distanz. Gleichzeitig deckten sie dabei die ICICLE vor weiterem Beschuss. Von der ursprünglichen Flotte der Talarianer waren etwa sechzehn Schiffe übrig geblieben, und Dheran war klar, dass man das zu einem nicht unbeträchtlichen Teil dem Betazoiden und seiner izarianischen Begleiterin zu verdanken hatte. Ich werde dafür sorgen, dass man Ihre beiden Namen nicht vergisst, Commander Malori, dachte der Andorianer inbrünstig und umklammerte die Sessellehnen mit seinen Händen. Im nächsten Moment sagte Rania Singh-Badt erleichtert: „Captain, die restlichen Talarianer brechen die Verfolgung ab und fallen zurück. Tal´Inuray Filiz wandte sich kurz um und erlaubte sich ein Schmunzeln. Im nächsten Moment meldete sich Tearash Corin mit eindringlicher Stimme: „Captain, hier unten hatten wir ein Feuer, aber ich konnte es eindämmen. Miss Charall wurde von einigen Splitterfragmenten, unter anderem an der Stirn, getroffen und ist bewusstlos.“ Ein Husten folgte. Dann krächzte der Tellarit. „Ich kann momentan nicht weg, da ich den Laden irgendwie zusammenhalten muss, Sir, darum wäre es nett, wenn Sie jemanden schicken könnten, der dabei hilft, Miss Charall zur Krankenstation zu bringen.“ „Ich kümmere mich darum. Dheran, Ende.“ Der Andorianer blickte zu Lou-Thorben Ivarsson, der mit versteinerter Miene auf die Instrumente blickte. „Mister Ivarsson, Sie erledigen das. Ich werde das Steuer übernehmen.“ Mit dankbarer Miene wich der Norweger aus dem Sitz und verließ eilig die Brücke, während Dheran sich mit der Steuerung vertraut machte. Er besaß zwar nicht die goldenen Schwingen, doch dennoch wusste er, wie man die wichtigsten Manöver mit einem Großschiff durchzuführen hatte. Auch wenn er dabei lange nicht an die fliegerischen Qualitäten eines Lieutenant Ivarsson heran kam. Einer seiner Ausbilder an der Akademie hatte einmal behauptet, dass man erst dann wirklich zum Captain taugt, wenn man alle Posten einmal selbst übernommen hatte. Im Nachhinein gab Dheran ihm Recht. Als Captain sollte man wirklich alles können, zumindest in den Grundzügen. „Sir, die WINDTALKER ruft uns“, meldete die Inderin von hinten. „Auf den Schirm.“ Das Abbild von Linara Enari erschien, wenn auch flackernd, auf dem Monitor und ihre Lippen kräuselten sich spöttisch. „Was denn, Captain, heute steuern Sie das Schiff selbst?“ „Zwangsläufig“, erwiderte der Andorianer knapp. „Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mir mit ein paar Brückenoffizieren und Technikern aushelfen könntest. Wie du feststellen kannst, sind unsere Schilde bereits unten. Außerdem wäre ein medizinisches Notfallteam nicht schlecht, wir haben eine Verwundete an Bord, und meine XO ist ebenfalls in einem schlechten, gesundheitlichen Zustand.“ Linara Enaris Gesicht wurde ernst. „Irgendwelche Verluste?“ Der Andorianer grinste schief. „Nur mein Sinn für Humor.“ „Ich schicke Dir einige Teams auf das Schiff. Hoffentlich müssen wir die ICICLE nicht aufgeben, das Schiff sieht gar nicht gut aus. Wir erkennen schwere Schäden auf der Steuerbordseite der Primärhülle. Außerdem weist der Backbordkatamaran direkt hinter dem Warpkern ein gewaltiges Loch auf. Ich schätze du hast mal wieder ungeheures Glück gehabt. Einige Meter weiter vorn, und das Schiff würde bereits nur noch als dahintreibende Trümmerwolke existieren.“ „Hast du noch mehr solcher tollen Nachrichten für mich?“ „Nicht im Moment, aber ich kann mir ja mal die Unterseite der ICICLE ansehen.“ Der Andorianer machte ein Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen. „Besser nicht, ich bin froh, dass mein Schiff momentan nicht auseinanderfällt. Ich erwarte dann die Teams der WINDTALKER. Dheran, Ende.“ Nachdem der Kanal geschlossen war, wandte sich Tal´Inuray an ihren Vorgesetzten und meinte belustigt: „Hoffentlich ist der Admiral nicht enttäuscht von Ihnen, weil Sie die ICICLE wieder mitbringen.“ Beide Andorianer warfen einen schnellen Blick über die Schulter, zu der jungen Inderin, die bei diesen Worten sichtlich errötete. Tar´Kyren Dherans Antennen bewegten sich schnell zur Seite und wieder nach oben, bevor er übertrieben seufzend antwortete: „Das zu erklären könnte in der Tat ein Problem werden, Lieutenant-Commander.“ Kapitel 10: Rückkehr -------------------- Commodore Christina Carey ging in ihrem Büro die Dienstpläne für die kommenden Tage durch. Doch wie in den vergangenen Wochen konnte sie sich auch heute nur mäßig darauf konzentrieren. Wie an fast jedem Morgen, in den vergangenen fünf Wochen, schweiften ihre Gedanken zu Tar´Kyren Dheran und seiner Crew ab. Die Frage, ob er und seine Leute überhaupt noch am leben waren, brachte sie nachts um den Schlaf, und tagsüber um ihre Konzentration. Und auch die Tatsache, dass die WINDTALKER und die POLARIS seit einiger Zeit nichts von sich hatten hören lassen, sorgte nicht gerade für heitere Stimmung bei der schwarzhaarigen Irin. Der Admiral hatte ihr bereits Urlaub angeboten, doch davon wollte die Stellvertreterin des Admirals nichts wissen. Sie würde erst dann Ruhe finden, wenn sie endgültig wusste, was aus dem Andorianer, für den ihr Herz stärker schlug, als sie bis vor Kurzem gedacht hatte, geworden war. So oder so... Dabei hämmerte immer wieder die Frage durch ihren Kopf, warum sie so viele Wochen und Monate gezögert hatte mit ihm zu reden, nachdem er seinen Dienst bei der 5.Taktischen Flotte angetreten hatte. So viele verpasste Gelegenheiten ihm zu sagen, was sie bewegte. Und nun war es möglicherweise für immer zu spät dazu. Dieser erschreckende Gedanke ließ sie seit einiger Zeit nicht mehr los und quälte sie. Die letzten Worte zwischen ihnen beiden waren ein wenig angespannt geführt worden. Dheran hatte sie in ihrem Büro ausmanövriert, und sie hatte ihm angedroht, ihn mit einem rechten Haken hinaus zu befördern. Später, auf der Siegesfeier, nach den Sektoren-Fechtmeisterschaften, hatte sich der Ton in ihrer Konversation zwar etwas entspannt, aber dennoch war unverkennbar gewesen, dass es noch eine ernste Aussprache zwischen ihnen geben musste. Zu diesem Zeitpunkt hatte es die Irin mächtig gewurmt, dass der Andorianer seine empathischen Talente dazu genutzt hatte, ihre Gefühle für ihn zu ergründen. In der Liebe und im Krieg sind alle Mittel erlaubt. Dieses irdische Sprichwort hatte er dabei angeführt, und Christina konnte nicht umhin leicht zu schmunzeln, als ihr diese Worte nun erneut durch den Kopf gingen. Denn triefend ironisch fragte sie sich, ob sie beide mit dem Krieg nicht besser zurecht kamen. Sie versuchte erneut sich zu konzentrieren und studierte einen Antrag auf Versetzung zu den MACO´s der 5.Taktischen Flotte. Ein gewisser Lieutenant-Commander Christian Sinemus hatte ihn gestellt. Ende November würde er sein Taktischen Kurs in West-Point beendet haben und zur Station versetzt werden. Der Versetzungsantrag war bereits von Seiten der Sternenflotte und dem Oberkommando der Taktischen Flotten genehmigt worden. Nun oblag es ihr, den Admiral darüber zu informieren wen man ihnen geschickt hatte um das MACO-Kontingent der Station zu ergänzen. Erst beim zweiten Durchschauen der Dienstakte des Lieutenant-Commanders fiel ihr ein, dass sie diesen Namen schon einmal gehört hatte. Im nächsten Moment fiel ihr auch wieder ein wann. Dieser Offizier hatte zur Sektorenflotte-Bajor, unter Konteradmiral Valand Kuehn gehört, und vor noch nicht allzu langer Zeit erst die Sektorenmeisterschaften im Degenfechten, auf STRATEGICAL STARBASE 71, gewonnen. Er war es auch gewesen, der mit der XO der ICICLE, die den zweiten Platz bei dieser Meisterschaft belegte, später während der Siegesfeier getanzt hatte. Ein Anruf von der OPS riss sie aus ihren Überlegungen. „Commander No´Leen Ra Taragenar an Commodore Carey: Die WINDTALKER hat sich gemeldet. Sie ist, zusammen mit der POLARIS und der ICICLE, im Anflug auf STRATEGICAL STARBASE 71. Die drei Schiffe werden in etwa einer Stunde im Forlan-System eintreffen. Der ersten Meldung nach, soll das Unternehmen von Captain Dheran ein Erfolg gewesen sein. Allerdings ist die USS ICICLE ziemlich zusammengeschossen worden, Commodore.“ Eine eisige Hand schien nach dem Herzen der Irin zu greifen, bei den letzten Worten des Efrosianern. Sie versuchte ihre Stimme ruhig klingen zu lassen, als sie das Padd mit Sinemus´ Dienstakte zur Seite legte und fragte: „Verluste?“ „Nach Captain Linaras Meldung gibt es zwei verletzte Frauen, und einen Tellariten mit einer Rauchvergiftung, Sir.“ Gott sei Dank, er lebt noch, durchzuckte es die Irin siedend heiß, und fast hätte sie laut gejubelt. Dann mahnte sie sich zur Ordnung und sagte: „Danke, Commander Ra Taragenar. Informieren Sie mich, sobald die drei Schiffe im Anflug auf STRATEGICAL STARBASE 71 sind.“ „Verstanden“, grollte die Stimme des Efrosianers. Christina Carey schloss den Kanal und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Für einen Moment schloss sie die Augen, und als sie sie wieder öffnete glitzerten Tränen in ihnen. Die gesamte seelische Last der vergangenen Wochen fiel von ihr ab. Die Umgebung verschwamm vor ihr und dann ließ sie ihren Tränen einfach freien Lauf. Nach einigen Minuten wischte sie sich die Tränen fort und schritt hinüber in den kleinen Hygieneraum, um sich das Gesicht mit kaltem Wasser zu waschen. Schließlich trocknete sie sich ab und blickte in den kleinen Spiegel. „Verdammt, Christina, du benimmst dich wie ein verliebter Teenager“, schalt sie sich, und im nächsten Moment lächelte ihr Spiegelbild sie befreit an. Sie war einfach nur glücklich, dass Tar´Kyren lebte. Mehr zählte im Moment nicht. Als sie sich wieder an den Schreibtisch setzte, fühlte sie sich beinahe beschwingt, und mit einer Dynamik, die sie in den letzten Wochen hatte vermissen lassen, erledigte sie die ausstehenden administrativen Arbeiten, bevor sie ihr Büro verließ und beschloss sich zur OPS zu begeben. In ihrem Büro zu warten, bis No´Leen Ra Taragenar sich meldete, das brachte sie nicht fertig ohne innerlich dabei zu explodieren. Als sie nach einigen Minuten die OPS betrat, blickte sie sich erstaunt um. Neben Torias Tarun standen außerdem die Captains: O´Donnell, Degenhardt und Revers am Planungstisch, bei Commander No´Leen Ra Taragenar und dem romulanischen Sub-Commander Enrom Tolaron. Christina Carey hatte mitbekommen, dass es vor einigen Wochen, nach der Rückkehr der RAG, welche die ICICLE erfolglos verfolgt hatte, einen Disput zwischen O´Donnell und Ariane Degenhardt gegeben hatte. Admiral Tarun hatte beide anschließend zu sich bestellt und ihnen gehörig den Kopf gewaschen, wie man auf der Erde sagte. Erst vom Admiral hatten beide Captains dann die wahren Zusammenhänge erfahren. Soweit sie informiert war, hatte der Admiral die beiden Captains danach zu einer Aussprache in seinem Büro genötigt, die mehrere Stunden in Anspruch genommen hatte. Tarun war nicht gewillt, verschiedene Strömungen unter seinen Captains zu dulden. Und die Maßnahme des Admirals hatte Früchte getragen, denn auch nach dieser Aussprache hatten sich beide Captains noch mehrmals zusammengesetzt, wobei sich ihr zunächst noch angespanntes Verhältnis zu einender noch einmal spürbar verbessert hatte. Christina Carey grüßte freundlich in die Runde und meinte dann fragend: „Liegt etwas besonderes an?“ Tarun grinste amüsiert: „Wenn man die Rückkehr des Captain Dheran, von einem seiner verdammten Abenteuer, als etwas Besonderes sehen will, dann ja. Irgendwie scheinen einige Captains, die gerade auf der Station weilen, Wind von der baldigen Ankunft, der ICICLE bekommen zu haben.“ Frank Revers beobachtete, beinahe lausbubenhaft grinsend, wie No´Leen Ra Taragenar ein entrüstetes Grunzen von sich gab, das andeuten sollte, dass er nicht geplaudert hatte. Tolaron hingegen stand mit verschlossener Miene an seiner Station und erwiderte gelassen die Blicke der Anwesenden. Noch immer war der Romulaner für viele Leute auf der Station, ein Buch mit sieben Siegeln. Mindestens sieben... „Gute Nachrichten machen auf der Station anscheinend schnell die Runde“, orakelte Revers und blickte zu Tarun. „Aber wo wir gerade beim Thema sind: War bei diesem Einsatz nicht der Verlust der ICICLE mit eingeplant, Sir?“ Christina Carey blickte leicht erstaunt zu dem ruhigen, grauhaarigen Captain. Admiral Tarun schien weniger beeindruckt vom Wissen des Captains zu sein, und meinte lediglich: „Das ist richtig, Captain Revers. Fragen Sie mich nicht wie Dheran Erfolg haben, UND sein Schiff retten konnte. So langsam traue ich diesem Teufelskerl alles zu.“ „Hat der Captain damit nicht gegen einen direkten Befehl von Ihnen verstoßen, Admiral?“, brummte No´Leen Ra Taragenar missgestimmt. Alle Augen richteten sich dabei auf den Efrosianer. „Aus dieser Warte habe ich das noch gar nicht betrachtet“, meinte der Admiral, und zwinkerte seiner Stellvertreterin unauffällig zu. „Vielleicht sollte ich Captain Dheran dafür, dass er die ICICLE wieder mitgebracht hat, vor ein Kriegsgericht stellen.“ Alle am Lagetisch Anwesenden, selbst Enrom Tolaron, grinsten mehr oder weniger offen, und Tarun meinte betont humorvoll zu Christina Carey. „Vermerken Sie diesen speziellen Fall von Insubordination in der Dienstakte des Captains, Commodore.“ „Ich werde es entsprechend formulieren“, hieb die Irin in dieselbe Kerbe, die durchschaut hatte, was der Admiral mit seinen Worten wirklich gemeint hatte. Dabei berührte sie mit ihrer rechten Hand unbewusst ihren linken Oberarm, dort, wo sich ihr Tattoo befand, ein Herz mit Anker und der Inschrift MO CHROÍ, was auf Irisch Mein Herz bedeutete. Lediglich No´Leen Ra Taragenar entging der feine Unterton des Admirals und grollte: „So billig würde Dheran bei mir nicht wegkommen.“ Revers, der ebenfalls durchschaute, was der Admiral angedeutet hatte, erwiderte vergnügt: „Ich glaube nicht, dass der Admiral den Captain billig davonkommen lässt, Commander No´Leen Ra Taragenar.“ Und in Gedanken fügte er hinzu: Da wird der Admiral schon einen sehr hohen Orden an die Brust des Andorianers heften.   * * *   Knapp drei Tage nach der überstürzten Flucht aus dem Klantora-System fiel die U.S.S. ICICLE, zusammen mit der WINDTALKER und der POLARIS, knapp außerhalb des Forlan-Systems unter Warp. Die Techniker der WINDTALKER hatten die schlimmsten Schäden auf der Brücke, und im Maschinenraum der ICICLE beseitigt. Dennoch sah man in vielen Bereichen des Schiffes die schlimmen Verwüstungen, welche durch das talarianische Waffenfeuer angerichtet worden war, und Dheran zog es das Herz zusammen, als er zur Krankenstation unterwegs war. Er war in den letzten Tagen sehr oft hier unten gewesen, um sich bei Doktor Leandros, oder der rigelianischen Assistenzärztin von der WINDTALKER, die Lieutenant-Commander Leandros unterstützte, nach dem Zustand von Pasqualina, Tearash Corin und Charall zu erkundigen. Die junge Bolianerin hatte es schlimmer erwischt, als es zunächst den Anschein gehabt hatte, und erst nach einer zweistündigen Notoperation war sie außer Lebensgefahr gewesen. Ein Metallsplitter hätte fast das Herz der Bolianerin perforiert, und es war eine mühevolle und riskante Sache gewesen, ihn aus dem Körper der Bolianerin zu entfernen. Der Captain warf einen betrübten Blick zur Liege der Spanierin, die von Doktor Leandros in ein künstliches Koma versetzt worden war, und zu dem schlafenden Tellariten, den er vor einigen Stunden bereits besucht hatte, bevor er sich zu der Bolianerin setzte, die seit etwas mehr als einem halben Tag wieder bei Bewusstsein war. Aufmunternd lächelte er zu der jungen Frau hinunter, bevor er ungewohnt sanft fragte: „Wie geht es Ihnen, Ensign?“ „Den Umständen entsprechend“, antwortete die junge Bolianerin mit schwacher Stimme. „Doktor Leandros sagte mir, ich hätte großes Glück gehabt.“ „Das hatten Sie in der Tat, Ensign Charall. Und es tut mir leid, dass ich Sie bei diesem Einsatz in Gefahr bringen musste. Ich möchte meinen ersten Besuch bei Ihnen kurz halten, denn vor der Krankenstation steht noch jemand, der Sie besuchen möchte. Doktor Leandros wollte uns aber nicht beide gleichzeitig zu Ihnen lassen. Ich werde später noch einmal zu Ihnen herein schauen, spätestens aber, wenn man Sie nach STRATEGICAL STARBASE 71 verlegt hat, denn die ICICLE wird für längere Zeit ins Dock müssen.“ Sanft legte der Captain seine Hand auf die Schulter der Bolianerin und fügte leise hinzu. „Sie haben sich im Kampf bewährt, und das Schiff davor bewahrt vernichtet zu werden. Und der Crew dadurch das Leben gerettet.“ „Danke, Sir.“ Der Andorianer nickte ihr lächelnd zu, bevor er sich abwandte und den Raum verließ. Gleich darauf erschien Lou-Thorben Ivarsson am Bett der Bolianerin und sagte leise: „Lieutenant-Commander Leandros sagt, sie würde mir zwanzig Minuten gestatten. Ich hoffe, sie haben keine Schmerzen, Ensign.“ Die Bolianerin lächelte schüchtern und erwiderte: „Kommen sie bitte etwas näher, Lieutenant.“ Ivarsson kam ihrer Aufforderung nach. „Noch etwas näher, Mister Ivarsson.“ Verwundert musterte er die Bolianerin, war er ihr doch schon sehr nahe gekommen. Als sich ihre Nasen beinahe berührten beugte sich Charall etwas vor und der Norweger spürte zu seiner Überraschung, wie die Bolianerin ihn flüchtig auf die Lippen küsste. Ein schüchterner, mädchenhafter Kuss. Der Lieutenant wusste, dass das Küssen bei Bolianern unüblich war, und so brachte ihn selbst dieser schwache Versuch aus dem Konzept. Charall hingegen lächelte den Norweger an und meinte leise: „Beinahe hättest du es nie erfahren, und ich möchte, dass du es weißt.“ Ivarsson blickte noch immer leicht irritiert, und Charall fuhr fort: „Ich möchte, dass du weißt, dass ich Dich... sehr gern habe... Sagt man so auf der Erde?“ Der Norweger erwiderte, etwas verlegen, als er endlich begriff was Charall ihm eigentlich sagen wollte, das Lächeln der jungen Frau und legte sanft seine linke Hand auf ihre Wange. „Nein, man sagt, dass man in die Person verliebt ist, Charall.“ „Ja, das wollte ich damit sagen. Ich bin verliebt in Dich.“ Lou-Thorben Ivarsson wusste ob dieser offenen Worte kurzzeitig nicht, was er sagen sollte. Als der Blick Charalls bereits traurige Züge annahm beugte er sich schnell zu ihr hinunter und küsste sie vorsichtig auf die Wange. Dann blickte er lächelnd in ihre Augen und sagte: „In den letzten Tagen habe ich gemerkt, dass du mir sehr viel bedeutest. Richtig ist mir das erst bewusst geworden, während der talarianischen Folter.“ Er reichte hinunter nach ihrer Hand und nahm sie liebevoll in seine. „Ich hoffe, dass du ganz schnell wieder gesund wirst, und dann werden wir unser erstes Date planen, wenn es Dir recht ist.“ „Was werden wir planen?“ Ivarsson küsste sie erneut auf die Wange. „Unsere erste Verabredung.“ Charall lächelte verstehend. „Ja, Lou-Thorben, das wäre mir sehr recht.“ Sie blickte kurz zur Seite und wechselte dann das Thema. „Ich hoffe, dass Commander Mancharella auch schnell wieder gesund wird. Die Talarianer scheinen ihr ziemlich übel zugesetzt zu haben. Hast du gemerkt, wie der Captain um sie besorgt ist?“ Ivarsson blickte mit leichtem Erstaunen in Charalls Augen. „Wie meinst du das? Nein, du glaubst doch nicht... Der Eismann und unsere feurige Spanierin...?“ „Ich habe es gesehen, Lou-Thorben. In seinem Blick, als er den Talarianer, der sie so zugerichtet hat, erschossen hat. Und sie duzt ihn. Ist dir das nicht aufgefallen, als wir die Station verließen, und aus dem Klantora-System geflohen sind?“ Ivarsson nickte nachdenklich. „Ich hatte das auf den Zustand des Commanders geschoben, aber jetzt wo du es sagst... Es wirkte wirklich vertraut. So selbstverständlich. Und dann die Geste des Captains, als er seine Hand...“ An dieser Stelle brach Ivarsson ab und musste diese Neuigkeit erst einmal verdauen. Dann meinte er: „Vermutlich geht das schon sehr viel länger, wenn man es genau bedenkt. Irgendwie hat sich der Commander schon anders verhalten, seit wir von der Erde zurück sind.“ „Und ich dachte schon, ich wäre die Einzige, die es so sieht“, flüsterte Charall lächelnd und amüsierte sich über das Gesicht des Lieutenants. „Stille Wasser sind tief“, heißt es auf der Erde, und es zeigt sich wieder mal, dass dieses Sprichwort stimmt.“ Ivarsson richtete sich auf, als er hörte, dass Victoria Leandros sich näherte. Die Hand der Bolianerin hielt er jedoch weiterhin in seiner. Sollte der Doktor ruhig wissen, wie es um seine Gefühle zu Charall stand. Er für seinen Teil würde kein Geheimnis daraus machen. „Die Zeit ist um, Mister Ivarsson“, sagte die Ärztin sanft mahnend und blickte dabei flüchtig zu den Händen der beiden jungen Offiziere. Verschmitzt meinte sie dann: „Es wirkt sich immer positiv auf den Heilungsprozess aus, wenn man dem Patienten eine Freude macht, Lieutenant. Sie können Charall sehen, sobald ich sie nach STRATEGICAL STARBASE 71 habe verlegen lassen, wenn wir die Station erreicht haben. Und dann werde ich auch dafür sorgen, dass man Sie nicht stört, wenn Sie bei ihr sind.“ Ivarsson lächelte die Ärztin dankbar an. „Das ist sehr nett von Ihnen, Doktor.“ Er verließ zögerlich die Krankenstation, und nachdem er gegangen war, meinte die Ärztin zu der glücklich lächelnden Bolianerin: „Ich freue mich für Sie beide, Ensign. Ivarsson und Sie werden bestimmt glücklich mit einander werden.“ „Ja“, antwortete die Bolianerin leise. „Ganz bestimmt.“   * * *   Auf der Brücke der ICICLE übernahm Ivarsson die Steuerung von Tar´Kyren Dheran als das Schiff die äußere Planetenumlaufbahn bereits hinter sich gelassen hatte, und Kurs auf Forlan-Prime hielt, in dessen Orbit STRATEGICAL STARBASE 71 positioniert war. In den letzten Stunden hatte ein unheilverkündendes Vibrieren der Schiffszelle begonnen und die Insassen überdeutlich auf den schlimmen Zustand des Schiffes hingewiesen. Doch nun war man endlich am Ziel der Reise. Die restlichen paar Tausend Kilometer würde das Schiff auch noch überstehen. Es wäre allen Beteiligten wohl auch mehr als grotesk erschienen, wenn es, kurz vor der Station auseinander gefallen wäre. Immer größer wuchs der Planet auf dem Hauptschirm vor ihnen auf, und schließlich wurde auch die Station optisch sichtbar. Ivarsson und Lieutenant Singh-Badt hatten die Station natürlich längst mit ihren Scannern erfasst und der Pilot steuerte zielsicher auf die gewaltige Flottenbasis zu. Relativ gesehen näherte sich die ICICLE der Station von schräg oben, die WINDTALKER und die POLARIS an ihrem Heck. Eine Werftcrew würde sich später der ICICLE annehmen und zu einer der Werften ins Dock fliegen. All das hatte Dheran bereits mit Commander No´Leen Ra Taragenar besprochen, bevor Ivarsson wieder auf der Brücke erschienen war. Außerdem hatte er Kontakt mit der WINDTALKER und der POLARIS aufgenommen, und ein späteres Treffen, mit beiden Captains, im SEVENTYFIRST CLUB ausgemacht. Während der Captain den Norweger instruierte, eilten die Gedanken der Inderin den Dingen etwas voraus. Der Admiral würde sicherlich einiges zu ihrer Rolle bei diesem Unternehmen zu sagen haben, und er würde bestimmt nicht allzu erfreut darüber sein, dass sie das gesamte Unternehmen um ein Haar in Frage gestellt hätte. Im Geiste sah die junge Inderin sich schon degradiert und aus der 5.Taktischen Flotte hinaus geworfen, und diese Vorstellung verursachte ihr Magenschmerzen. Ihre Eltern würden nicht erfreut sein, von diesem Versagen zu erfahren. Mit einer solchen Schande würde es schwer sein, ihnen das nächste Mal unter die Augen zu treten. Und der Captain war garantiert der Letzte, der einen Grund haben würde, die Hand schützend über sie zu halten. Vermutlich würde er sogar froh sein, eine solche Niete, wie sie, los zu werden. Mürrisch blickte sie auf den Bildschirm, auf dem die Raumstation nun deutlich zu erkennen war, und immer trübsinniger dachte sie daran, dass sie einen solchen Anflug auf die Station wohl zum letzten Mal sehen würde. Sie fühlte sich elend und wünschte sich nur noch, mindestens 24 Stunden zu schlafen, um nichts mehr zu hören, oder zu sehen. Doch diesen Gefallen würde man ihr nicht tun, zumindest nicht, ohne sie vorher gründlich herunter zu putzen und im hohen Bogen aus dieser Einheit zu werfen. Ein hereinkommender Ruf lenkte sie ab. Ihre Magenschmerzen wurden stärker, als sie erkannte, wer die ICICLE anrief. „Captain, der Admiral ruft uns.“ „Auf den Schirm, Lieutenant.“ Rania Singh-Badt führte den Befehl umgehend aus und im nächsten Moment erschien das unverkennbare, markante Gesicht des Trill auf dem Monitor. „Ich freue mich, Sie gesund und munter wiederzusehen, Captain Dheran“, meldete sich der Admiral mit tragender Stimme. „Unsere Medizinische Abteilung ist bereits informiert, und ein Team wird Ihre drei Verletzten von Bord holen, sobald die ICICLE angedockt hat. Ich erwarte Sie nach dem Andocken umgehend in meinem Büro. Und bringen Sie bitte auch ihren Taktischen Offizier mit.“ „Aye, Sir“, bestätigte der Andorianer. Gleich darauf unterbrach der Admiral die Verbindung, und Rania Singh-Badts düstere Vorahnungen schienen sich in diesem Moment zu bestätigen. Nicht umsonst hatte der Admiral extra darauf hingewiesen, dass er sie mitbringen sollte. Dheran blickte sich zu ihr um und sagte: „Sie haben es gehört, Lieutenant. Direkt nach dem Andockvorgang werden wir uns zum Admiral begeben.“ Ihre nahe Zukunft schwärzer als jemals zuvor sehend antwortete sie: „Aye, Sir.“   * * *   Bereits eine halbe Stunde später befanden sich der Andorianer, und die Inderin auf dem Weg zu Admiral Taruns Büro. Während sie im Turbolift hinauf zur OPS fuhren, spürte der Andorianer, auch ohne sein empathisches Talent, die Unruhe in der jungen Frau. „Stimmt etwas nicht, Lieutenant?“, erkundigte sich Dheran schließlich und musterte die Inderin eingehend. „Ich habe Magenschmerzen“, gestand die junge Frau. „Immerhin passiert es nicht sehr oft, dass man als kleiner Lieutenant vor einen Admiral zitiert wird.“ „Immer mit der Ruhe, Lieutenant“, erwiderte der Captain beruhigend. „Auch ein Admiral kocht nur mit Wasser, und ich glaube nicht, dass er vorhat Ihnen den Kopf abzureißen. Er wird aber fraglos wissen wollen, wie Sie an Bord gekommen sind.“ Die Inderin machte ein zweifelndes Gesicht, widersprach jedoch nicht. Als sie die OPS erreichten, blickte sich Rania Singh-Badt fasziniert um, während Dheran, der diese Location mittlerweile gut kannte, ihr zu flüsterte weiter zu gehen. Die vorherige Versammlung hatte sich mittlerweile aufgelöst, und eilig begab sich der Captain, zusammen mit der Inderin zu der Treppe, die zum Büro des Admirals hinauf führte. Der Andorianer hatte sich mit einem kurzen Blick zu No´Leen Ra Taragenar davon überzeugt, dass dieser ihn bemerkt hatte, was seinen finsteren Blick erklärte, denn als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, da hatte Dheran dem Efrosianer sein Knie in den Unterleib gerammt. Auch Enrom Tolaron sah ihm mit gemischten Gefühlen entgegen, obwohl er, wie auch No´Leen Ra Taragenar mittlerweile wusste, dass der letzte Auftritt des Andorianers, in Taruns Büro, vom Admiral selbst geplant worden war. Dheran quittierte das finstere Nicken des Efrosianers mit einem feinen Lächeln und stieg die Treppe zum Büro des Admirals hinauf. Erst dort erinnerte sich Rania an die Geschichten, die man sich von dem „Attentat“ Dherans auf den Admiral erzählt hatte, und sie begann zu ahnen, warum es der Andorianer so eilig hatte, die OPS hinter sich zu lassen. Mit klopfendem Herzen betrat die junge Frau, hinter ihrem kommandierenden Offizier, das Büro, nahm neben dem Andorianer, vor dem Schreibtisch des Admirals Aufstellung und erstarrte zur Salzsäule. Der Trill erhob sich, verschränkte seine Arme vor der Brust – eine Geste, die Captain Tar´Kyren Dheran nicht mochte, drückte sie doch Distanz aus – und blickte zuerst den Andorianer, dann Rania Singh-Badt an, bevor er zu der jungen Frau sagte: „Stehen Sie bequem, Lieutenant. Sie bekommen mir sonst noch eine Muskelzerrung, und das möchten wir doch nicht.“ „Nein, Sir“, antwortete die Inderin mit kratziger Stimme. „Selbstverständlich nicht.“ Schmunzelnd wandte sich der Admiral dem Andorianer zu. „Nun, Mister Dheran, wie ich sehe haben Sie Ihr Schiff doch wieder mitgebracht.“ „Es gab Probleme mit dem Programm zur Fernzündung der Sprengköpfe. Aber das wird genauer in meinem abschließenden Bericht stehen.“ „Sir?“ Die beiden Männer blickten, gleichermaßen überrascht, zu der Inderin, und Torias Tarun fragte: „Möchten Sie etwas dazu sagen, Lieutenant?“ Die Inderin ignorierte den unwilligen Blick ihres Captains. Sie hatte beschlossen, dem Admiral reinen Wein einzuschenken. Gleichzeitig wollte sie verhindern, dass Dheran eventuell Schwierigkeiten bekam, wenn er zu ihren Gunsten, die Tatsachen beschönigte. „Ja, Admiral. Ich war es, die das Programm gelöscht hat. Sir, ich war in dem festen Glauben, dass die Crew das Schiff widerrechtlich entführt hat, und...“ „Ich bin mir sicher, dass Captain Dheran diese Fakten in seinem Bericht korrekt wiedergeben wird, genau so, wie sie geschehen sind, Lieutenant“, schnitt Tarun ihr das Wort ab. „Von Ihnen möchte ich eigentlich nur wissen, warum Sie an Bord des Schiffes blieben.“ Rania Singh-Badt schluckte diesen kleinen Verweis und berichtete haarklein, was in der besagten Nacht geschehen war, in der sie eigentlich auf der Geburtstagsfeier des Chefwissenschaftlers der ICICLE hätte sein sollen. Geduldig hörte Tarun zu und machte schließlich ein geradezu erleichtertes Gesicht, als ihr Redefluss endete. „Danke, Lieutenant, das wäre alles“, sagte der Trill schnell, bevor dieser Lieutenant eventuell auf die Idee kam, noch ergänzende Kommentare dazu abzugeben. „Sie können wegtreten. Melden Sie sich bei Lieutenant Carmelita Morales, sie wird ihnen ein Quartier auf der Station zuweisen.“ „Aye, Sir.“ Beim Kehrtmachen kam ihre rechte Kniescheibe dem Schreibtisch etwas zu nahe. Sie strauchelte etwas, blickte mit schmerzverzerrtem Gesicht zu den beiden Männern und humpelte, möglichst aufrecht zum sich öffnenden Schott hinaus. Erschüttert blickte der Trill ihr nach und fragte Captain Dheran dann: „Ist diese junge Frau immer so?“ „Zu oft, Sir. Leider.“ „Kein Wunder, dass Ihr Schiff so aussieht“, spöttelte Tarun. „Noch zehn Minuten länger, und diese Dame hätte mein Büro vermutlich in einen Trümmerhaufen verwandelt.“ Er deutete einladend auf die Sitzecke und erkundigte sich: „Darf ich Ihnen einen Drink anbieten, Captain Dheran?“ Diesmal war der Andorianer geneigt anzunehmen. „Danke, Sir, ein saurianischer Brandy eines ganz bestimmten Jahrgangs wäre nicht schlecht. Ich bin sicher, dass sie so etwas in ihrem Fundus haben.“ Tarun wusste worauf der Andorianer mit seiner kleinen Spitze anspielte. Er schien immer noch nicht ganz vergessen zu haben, dass er ihm im Sommer eine Flasche saurianischen Brandy abgenommen hatte. Lächelnd erwiderte er: „Ich denke damit kann ich dienen.“ Dheran setzte sich an den bereits zur Gewohnheit gewordenen Platz, während der Admiral mit der besagten Flasche und zwei Gläsern wiederkam. Der Trill stellte die Gläser auf den Tisch, füllte sie großzügig, und schob eines davon Dheran zu, bevor er sich, ihm gegenüber in den dunklen Polstern niederließ. Die beiden Männer prosteten sich zu und Dheran nahm einen ordentlichen Schluck, bevor sie fast gleichzeitig ihr Glas auf den Tisch stellten. Tarun lehnte sich zurück und begann das Gespräch: „Nun, Captain. Wie ich bereits von Captain Linara erfuhr, war ihre Mission erfolgreich. Auch ohne die ICICLE zu vernichten, was mich für Sie persönlich freut. Ich vermag mir kaum vorzustellen, wie halsbrecherisch dieser Einsatz, ohne die Fernzündung der Sprengköpfe gewesen ist. Und abgesehen vom Zustand ihres Schiffes, und einiger Verwundeter, sind sie ohne Verluste da heraus gekommen. Das allein finde ich mehr als nur bemerkenswert, Mister Dheran.“ „Wir hatten unerwartete Hilfe, vom Sternenflottengeheimdienst. Ein Agent namens Harun Malori, und seine Kollegin, namens Sirina Galorin, waren, als Waffenhändler getarnt, auf der Werftstation, zu der man uns brachte. Seltsam dabei ist, dass dieser Agent erwähnte, dass er seine Anweisungen von meinem Freund, Konteradmiral Valand Kuehn, erhalten hat. Beide haben ihr Leben dafür gegeben, dass die ICICLE entkommen kann, und ich würde sie gerne für eine Auszeichnung posthum vorschlagen, Admiral.“ Der Trill, der zunächst überrascht drein blickte meinte bei Dherans Worten schnell: „Ich bin sicher, dass Ihr Freund diese Anweisungen nur weitergeleitet hat. Schreiben Sie Ihr Ansinnen in den Bericht, ich werde es dann an das SFC weiterleiten.“ Der Andorianer nickte nachdenklich und nahm einen weiteren Schluck von seinem Drink. „So etwas ähnliches habe ich selbst bereits vermutet, Sir.“ Der Trill nickte und wechselte das Thema. „Da Sie ihren Freund gerade erwähnen: Ich behellige Sie nur ungern bereits jetzt mit einem neuen Auftrag, aber Konteradmiral Kuehn fragte bei mir an, ob ich Sie ihm, im November, für etwa drei Wochen überstellen kann. Soweit ich informiert bin, handelt es sich um ein Kommandounternehmen, das der Konteradmiral durchführen soll. Näheres werde ich Ihnen darüber allerdings selbst nicht erzählen. Ihr Freund wird sie in die Hintergründe einweihen, sollten Sie zusagen. Außerdem fragte er an, wegen eines guten Ausbilders, der möglichst schnell 50 Männer und Frauen eines Landeteams auf Vordermann bringen kann, und wegen eines guten, Taktischen Offiziers.“ Tar´Kyren Dheran blickte den Admiral verwundert an. Dann erklärte er: „Natürlich helfe ich meinem Freund nur zu gerne. Als Ausbilderin schlage ich Lieutenant-Commander Tal´Inuray Filiz vor. Aber warum setzen wir kein MACO-Team ein, Sir?“ „Befehl von ganz oben“, knurrte Tarun. „Man will offensichtlich die Taktischen Flotten aus diesem Unternehmen bewusst heraus halten.“ „Verstehe, Sir. Nun, als Taktischen Offizier würde ich gerne Mister Farok...“ „Der steht ihnen in dieser Zeit nicht zur Verfügung“, erklärte Tarun schnell. „Mister Farok muss für mich, während dieser Zeit einen anderen Auftrag übernehmen.“ „In diesem Fall, schlage ich Miss Singh-Badt vor“, antwortete der Andorianer ohne zu zögern, was den Trill sichtlich verwunderte. „Aber sie ist ein Unglücksrabe...“ „Nicht im Dienst.“ „Sie ist linkisch...“ „Sie versteht ihr Handwerk.“ „Sie hat beinahe dieses Unternehmen zu Fall gebracht...“ „Sie handelte nach bestem Wissen und Gewissen, Sir.“ Der Admiral musterte den Andorianer abschätzend, und erkundigte sich dann schmunzelnd: „Sie bitten also nicht um ihre Versetzung von der ICICLE?“ Der Andorianer beugte sich etwas vor und sagte ernst: „Niemals, Sir. Dieser Lieutenant besitzt Potenzial und hat besondere Fähigkeiten.“ „Ja, andere Leute in Schwierigkeiten zu bringen.“ „Auch das“, versetzte Dheran trocken. „Aber ich bin mir sicher, dass diese Frau nur einen Vorgesetzten braucht – einen Mentor - der sie ein wenig leitet. Dann wird aus ihr sicherlich ein hervorragender Offizier.“ In den Augen des Admirals spiegelte sich so etwas wie Respekt wieder. Aber auch eine Art von Deja Vu. Mit zusammengekniffenen Augen fragte er dann: „Und Sie wollen es übernehmen, dieser Mentor für sie zu sein?“ „Dheran nickte entschlossen. „Ja, Admiral.“ Ein zufriedenes Lächeln überflog das Gesicht des Trill und so etwas wie väterlicher Stolz glomm in seinen Augen auf, als er nachdenklich antwortete: „Mein Captain auf der SOLOMON, Ercan Al-Hassan, unter dem ich als junger Lieutenant gedient habe – er war mein Mentor, als ich etwa im Alter dieser jungen Dame war. Damals war ich ein zornig junger Mann und hatte ein ums andere Mal den Eindruck, von A nach B geschoben zu werden. Captain Al-Hassan hat mich gleich am ersten Tag, wie mit Röntgenaugen durchschaut. Er bot mir an, für mich da zu sein, und er fragte mich, ob ich sein Angebot annehmen möchte, seinem Pfad zu folgen. Ich nahm an, und ich hatte zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl wirklich willkommen zu sein.“ Der Admiral blickte den Andorianer überlegend an bevor er zugab: „Captain Al-Hassan war beinahe wie ein Vater zu mir, und ich verdanke ihm fast alles.“ Tar´Kyren Dheran lächelte sinnend und sagte nach einem Moment: „Ich glaube, dass so gut wie jeder von uns irgendwann eine solche Person in seinem Leben hatte, Sir. Und eine solche Person ist wichtig für unsere Entwicklung, denke ich.“ „Sie sagen es“, stimmte ihm der Trill aus vollem Herzen zu. Und es freut mich, Captain, dass Sie es auf sich nehmen möchten, für diese junge Offizierin da zu sein.“ „Für sie, und für einige weitere junge Offiziere, wie Ensign Tearash Corin. Er hat über Gebühr seinen Dienst, mehr als vorbildlich erfüllt, bei dieser Mission, und ich wüsste nicht, was wir ohne ihn getan hätten.“ „Ich werde gespannt ihren Abschlussbericht erwarten, aber ich vertraue ihnen. Der tellaritische Ensign kam bereits in Ihrem Bericht vom Mai sehr gut weg, wenn ich mich recht entsinne. Vielleicht wird ihn eine Beförderung zum Lieutenant dazu motivieren, zukünftig ähnlich gute Leistungen zu zeigen.“ „Ja, Sir, genau das hatte ich vor.“ Dheran leerte sein Glas. „Wenn Konteradmiral Kuehn Sie das nächste Mal kontaktiert, dann sagen Sie ihm bitte, dass er seine drei Personen hat. Wissen Sie bereits ein genaues Datum?“ Tarun verneinte. „Ich weiß nur, dass die Party im November steigen soll. Wann genau das wird mir der Konteradmiral dann noch mitteilen. Er wird sie dann auf STRATEGICAL STARBASE 71 abholen, was naheliegend ist, da es sich um einen Einsatz im Gamma-Quadranten handelt, und es durch das Bajoranische Wurmloch gehen wird. Sie waren zwei Jahre lang dort, bevor Sie zur 5.Taktischen Flotte kamen. Vermutlich möchte Sie der Konteradmiral auch deshalb mit dabei haben.“ Trotz der spürbaren Müdigkeit leuchteten die Augen des Andorianers bereits wieder unternehmungslustig. „Was passiert bis dahin, Sir?“ Tarun schüttelte sanft den Kopf. „Gar nichts, Mister Dheran. Sie, und die restlichen sieben Ausreißer, werden erst einmal Urlaub auf Forlan-Prime machen. Ihren XO werde ich nachschicken, sobald unsere Stationsärztin es für verantwortlich hält. Ihre restliche Crew habe ich momentan in den Dienstbetrieb auf STRATEGICAL STARBASE 71 eingebunden. Sobald die ICICLE wieder einsatzbereit ist, wird sie zunächst unter Commander Mancharellas Kommando verbleiben und in den Nahpatrouillen-Dienst eingebunden, bis Sie von dem bevorstehenden Einsatz zurück sind, Captain. Aber bevor sie sich erholen, und dann morgen nach Forlan-Prime abreisen, möchte Sie Commodore Carey sehen.“ Der Andorianer grinste schief. „Das hat sie bereits vor meinem Einsatz angekündigt. Im übrigen möchte ich mich bedanken, dass Sie die WINDTALKER und die POLARIS zu unserer Unterstützung entsandt haben.“ „Da müssen Sie sich bei den Captains Linara und Sorek bedanken, die nie an ihre Schuld glaubten und sich vehement für Sie eingesetzt haben, Mister Dheran.“ „Ja, das werde ich bestimmt.“ Dheran erhob sich, und der Admiral tat es ihm nach um zu seinem Schreibtisch zurückzukehren. Auf etwas ganz bestimmtes wartend, während Dheran zum Schott ging setzte er sich auf die Kante seines Schreibtisches, verschränkte die Arme vor der Brust und setzte sein Ich-wusste-was-passieren-würde-Gesicht auf. Bereits zweimal hatte Dheran ihn überrascht, beim Verlassen seines Büros. Doch diesmal sollte es der Andorianer sein, der von ihm überrascht werden würde. Als Dheran kurz vor dem Schott, wie erwartet, stehen blieb, vertiefte sich das erwartungsvolle Grinsen auf dem Gesicht des Admirals, und nahm einen beinahe hämischen Zug an. Doch dann setzte der Andorianer seinen Weg fort, legte die Hand auf den Öffnungskontakt des Schotts und verließ entschlossen das Büro des Admirals. Verdattert blickte Tarun durch die transparenten Schotthälften hinter dem Andorianer her und gab seine gezwungene Haltung erst auf, nachdem Dheran im Turbolift verschwunden war. Dabei überlegte er mürrisch, dass man den Andorianer wohl doch etwas länger kennen musste, um seine Marotten wirklich zu durchschauen. Kapitel 11: Ruhe vor dem Sturm ------------------------------ Nur ein paar Decks tiefer stieg Tar´Kyren Dheran aus dem Turbolift und machte sich auf den Weg zum Büro von Christina Carey. Er war noch niemals einer Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen, doch jetzt, kurz vor der Begegnung mit seiner Ex-Freundin, hatte er ein seltsames Kribbeln im Magen. Nebenbei machte ihm noch etwas anderes zu schaffen, und das war die Exekution des talarianischen Admirals. Er musste darüber dringend mit einer Vertrauensperson sprechen, und Christina war momentan die einzige, die für ihn in Frage kam. Darum war es für ihn um so wichtiger, dass sie ihm nicht die kalte Schulter zeigte. Er wäre fast an dem Schott zu ihrem Büro vorbei gelaufen. Seine Gestalt straffte sich, bevor er seine Hand auf den Meldekontakt legte. Es dauerte nur einen kurzen Moment, bevor sich das Schott vor ihm öffnete. Gemessenen Schrittes trat er ein, wobei sich seine Antennen nach hinten bogen. Christina Carey erhob sich, als sie den Andorianer erkannte. Sie umrundete ihren Schreibtisch und kam auf ihn zu, wobei sie ihn nicht aus ihren blau-grauen Augen ließ. Wie bei ihrer ersten Begegnung trug sie ihr Haar offen. „Christina, es tut mir...“ Weiter kam der Andorianer nicht. Die Irin umarmte ihn stürmisch und schmiegte sich eng an ihn. Beinahe von selbst legten sich seine Arme um die hochgewachsene, schwarzhaarige Frau. Fest hielt er sie in seinen Armen und verwirrt fragte er sich, was er von diesem Empfang zu halten hatte. Nach einem endlos scheinenden Moment blickte die Frau den Andorianer schließlich an und sagte leise: „Ich bin glücklich, dass du noch lebst, Tar.“ Dheran spürte, dass sie die Wahrheit sagte, und Christina wusste das, was für ihn ziemlich aufschlussreich war. Erneut wollte er zu einer Entschuldigung für sein Verhalten in ihrem Büro, vor dem Einsatz, ansetzen. Die Irin kam ihm zuvor und legte sanft ihre Finger auf seine Lippen. „Ich will nichts hören Tar. Keine weiteren Entschuldigungen mehr. Du weißt, was du wissen wolltest. Jetzt liegt es allein an dir danach zu handeln.“ „Ja, du hast Recht. Auch Valand hat mir das gesagt. Aber ich benötige noch Zeit, Christina, bitte verstehe das. Ich werde ganz bestimmt eine Entscheidung treffen, in der nächsten Zeit, und dann wird letztlich alles gut werden.“ „Ich verstehe, dass du Pasqualina nicht weh tun möchtest, aber letztlich wirst du eine von uns verletzt zurücklassen müssen, Tar. Dessen musst du dir bewusst sein.“ Der Andorianer blickte Christina verwundert an. „Woher weißt du...“ „Glaubst du denn, Ich hätte keine Augen im Kopf?“ Die Irin sagte es nicht anklagend, sondern mit einer Ruhe, die der Andorianer in der letzten Zeit nicht an ihr beobachtet hatte. „Ich kenne Dich. Vielleicht besser als alle anderen, die du kennen gelernt hast, seit du zur Sternenflotte gegangen bist.“ Tar´Kyren Dheran streichelte sanft ihren Rücken und meinte schließlich: „Ja, das tust du. Und deshalb bist du es auch, mit der ich über etwas reden muss, was während des Einsatzes vorgefallen ist.“ Christina Carey blickte fragend zu ihm auf. „Es klingt seltsam, wie du das sagst.“ Der Andorianer gab sich Mühe ihrem Blick stand zu halten, während er erklärte: „Ich habe Admiral Torenan Cidar erschossen, während wir ihn und zwei Bewaffnete auf der ICICLE überrumpelt haben. Ich hätte ihn gefangen nehmen können, Christina, doch ich habe ihn kaltblütig erschossen, weil er Pasqualina gefoltert hat.“ „Wer Gewalt selbst anwendet, der muss damit rechnen gewaltsam zu sterben, Tar.“ „Du verstehst nicht, ich habe zugelassen, dass meine Gefühle sich auf meinen Dienst auswirken. Cidar ist allein deswegen gestorben.“ „Im Affekt würde ich vielleicht auch jemanden töten, der Dich misshandelt, Tar“, widersprach die Irin heftig und nahm sein Gesicht in beide Hände. „Hör mir zu, Tar´Kyren, ich weiß, dass du kein kaltblütiger Mörder bist, also rede dir das bitte nicht selbst ein. Dieser Mann war unser Feind und er hätte sicherlich keinerlei Hemmungen gehabt euch alle zu eliminieren, sobald ihr ihm nicht mehr von Nutzen gewesen wärt.“ Die innere Unruhe des Andorianers legte sich bei ihren eindringlichen Worten etwas und zögernd räumte er ein: „Vielleicht hast du Recht.“ Er blickte in ihre Augen, und die Irin erkannte das da noch etwas war, deshalb fragte sie ernst: „Was gibt es noch, Tar?“ „Der Admiral hat mich gleich für den nächsten Einsatz eingeplant. Valand braucht einen erfahrenen Kommandooffizier. Irgendwann im November.“ Christina seufzte schwach. „Werden wir überhaupt je Zeit für einander haben, selbst wenn wir irgendwann zusammenkommen sollten?“ „Wir werden uns einfach Zeit nehmen“, antwortete der Andorianer leichthin. „Du könntest mich zum Beispiel in den nächsten Tagen auf Forlan-Prime besuchen kommen, wenn es dein Dienst zulässt.“ „Sei vorsichtig, mein Lieber. Ich könnte Dich beim Wort nehmen.“ Dann wurde sie ernst und schlug vor: „Kläre du erst einmal dein Gefühlsleben und deine Beziehung zu deiner XO, und danach reden wir weiter. Ist das ein guter Vorschlag?“ Dheran küsste Christina erleichtert auf die Wange. „Es ist ein Vorschlag.“ Seine Antennen bewegten sich schnell zur Seite und richteten sich dann wieder auf. „Ich werde Dich bestimmt da unten besuchen“, versicherte Christina ernsthaft. „Vielleicht komme ich gemeinsam mit Pasqualina runter, wenn man sie aus der Krankenstation entlässt.“ Sie blickte mit regloser Miene drein, bis das beinahe panische Gesicht des Andorianers sie zum Lachen reizte. „Keine Sorge, so taktlos werde ich sicherlich nicht sein. Aber richtete Dich darauf ein, dass ich mal kurz vorbei schaue.“ Dheran nickte erleichtert. „Das werde ich, Christina.“ „Da ist noch etwas Tar´Kyren.“ Die Irin blickte in die blau-violetten Augen des Andorianers und genoss es für den Moment, einfach von ihm im Arm gehalten zu werden. Ein Gefühl der Geborgenheit, dass sie lange Zeit vermisst hatte. Die Hände auf seine breiten Schultern legend fuhr sie fort: „Der Admiral deutete so etwas an, und ich denke, es kann nicht schaden, wenn ich Dich vorwarne.“ „Was für einen Anschlag auf mich plant der Trill denn noch?“ erkundigte sich Dheran mit halb ernster, halb neugieriger Miene. Christina lächelte, ein wenig schadenfroh, wie es dem Andorianer schien. Dann erklärte sie: „Ich denke, dass Tarun dir ein wenig zusätzliches Lametta an die Brust hängen wird. Ich hoffe nur, dass du dann nicht nach vorne über fällst.“ Dheran blickte unwillig drein und wollte protestieren, doch die Irin in seinen Armen, kam ihm zuvor und erklärte bestimmt. „Niemand, absolut niemand in der Föderation, lehnt den Christopher-Pike-Tapferkeitsorden zweimal ab! Und auch du wirst, in dieser Hinsicht, keine neuen Moden anfangen, ist das ganz klar, Captain?“ Ein wenig verdutzt über den plötzlich scharfen Ton in ihrer Stimme, antwortete Dheran: „Aye, Sir.“ Gleich darauf schmunzelte die Irin wieder und sagte: „Wie ich hörte, hat das Sternenflottenkommando bereits vor einiger Zeit beschlossen, nicht den eigentlichen Orden ein zweites Mal zu verleihen, sondern du bekommst den Bronzestern zum Orden. Als einer der Ersten überhaupt, und als Erster innerhalb der 5.Taktischen Flotte. Und du wirst ihn annehmen, das ist ein direkter Befehl, Deiner direkten Vorgesetzten.“ „Verstanden, Commodore“, antwortete Tar´Kyren Dheran gezwungen lächelnd, und man merkte ihm an, dass ihn die vergangenen Ereignisse noch immer beschäftigten. Dann wurde er wieder ernster und erkundigte sich mit fragender Miene. „Irgendwelche weiteren Befehle, Commodore?“ „Ja, schwing´ deinen blauen Hintern aus meinem Büro, besuche deine Leute auf der Krankenstation, und erhole Dich etwas. Und gleich morgen Früh heißt es für Dich: Marsch, Richtung Forlan-Prime.“ „Aye, Sir“, antwortete Dheran erneut, nicht ohne Christina zuvor einen weiteren Kuss auf die Wange zu drücken. Dann ließ er sie zögernd los und verließ widerstrebend ihr Büro.   * * *   Tar´Kyren Dheran hatte sich im Anschluss an sein Gespräch mit Christina Carey, zu Lieutenant Carmelita Morales begeben, sich ein Quartier zuweisen lassen, und hatte dann die Krankenstation der Basis aufgesucht. Dabei hatte Commander Julia McKeown ihn beruhigen können, indem sie ihm mitteilte, dass sich auch Commander Mancharella nicht mehr in Lebensgefahr befand und in etwa einer Woche gesundheitlich wieder weitgehend hergestellt sein würde. Danach hatte er sein Quartier aufgesucht, etwas geruht, um sich dann zu duschen, etwas zu essen, und den SEVENTYFIRST CLUB aufzusuchen. Als er das angesagte Etablissement der Station betrat, wandten sich ihm viele Gesichter unter den Anwesenden zu, und der Andorianer wurde das merkwürdige Gefühl nicht los, dass die bisherigen Unterhaltungen leiser geführt, oder gar unterbrochen wurden. Tar´Kyren Dheran gab nicht viel darauf, sondern blickte sich um, entdeckte Sorek und gleich darauf auch Linara Enari an der Bar und steuerte auf die beiden Freunde zu. Als er sie erreichte, begrüßte er zuerst die Bajoranerin und danach Sorek, für seine Verhältnisse ungewohnt, herzlich, und sagte dann, mehr zu Linara Enari gewandt: „Ich danke euch beiden für eure Loyalität, und den Glauben an meine Unschuld. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Menge Leute auf der Station, nach meinem Auftritt im Büro des Admirals, gedacht haben, ich wäre wirklich durchgeknallt.“ „Wenn jemand seinem Vorgesetzten ein Bleiprojektil ins Bein schießt, dann könnte man tatsächlich zu einem solchen Schluss kommen“, erwiderte die Bajoranerin augenzwinkernd. „Aber willst du nicht erst einmal etwas bestellen? Ich könnte mir vorstellen, dass man nach einem solchen Einsatz einen guten Schluck gebrauchen kann.“ Dheran nickte und wandte sich grinsend zu Sorek. „Das nenne ich doch mal Logik.“ Sorek hob als einzige Reaktion, seine Augenbrauen etwas an, und Dheran wandte sich erheitert ab, um sich ein Andorianisches Ale zu bestellen. Nachdem er es in Empfang genommen hatte, prostete er den beiden Captains zu und leerte sein Glas mit einem tiefen Schluck. Dem etwas erstaunt blickenden Barkeeper das Glas reichend, bestellte er gleich noch ein zweites Ale. „Das hat gut getan“, meinte er während er das neue Glas in die Hand nahm. Diesmal ließ er sich jedoch Zeit damit etwas davon zu trinken und blickte sich erneut um. Nach einem kurzen Moment erkannte er Captain Chris O´Donnell an einem der Tische, zusammen mit einem weiblichen Captain, den er nicht kannte. Beide schienen jedoch eine intensive Diskussion mit einander zu führen, wobei die blonde Frau, mit den dunkelbraunen Augen gelegentlich zu ihm herüber sah. Er wandte sich an Sorek: „Weißt du zufällig, wer die Frau, bei O´Donnell ist?“ Sorek nickte knapp. „Das ist Captain Ariane Degenhardt, von der HORNET. Zusammen mit O´Donnell war sie an der Verfolgung deines Schiffes beteiligt.“ Der Halbvulkanier hüstelte leicht bevor er fortfuhr: „Ich habe gehört, dass beide, während der Verfolgung ziemlich an einander geraten sein sollen.“ „Ich kannte diese Frau bisher nur vom Hörensagen. Vermutlich hat sie O´Donnell ordentlich eingeheizt. So wie es scheint, sind sie aber darüber hinweg.“ „Der Admiral soll beide ziemlich zusammengefaltet haben“, mischte sich die Bajoranerin ein. „Einerseits, weil Ariane drauf und dran gewesen sein soll, O´Donnell seines Kommandos über die RAG zu entheben, andererseits, weil sich Chris ziemlich offensichtlich auf deine Seite gestellt hat, und das nah an einer Befehlsverweigerung, nur damit er nicht auf Dich schießen muss.“ Tar´Kyren Dherans Gesicht wirkte nachdenklich. Dann fragte er geradeheraus: „Denkst du, dass er so handelte, weil er zuvor mit meiner Schwester geflirtet hat?“ „Vielleicht war das einer von mehreren Gründen. Ich denke aber, dass andere Gründe wichtiger waren, wie zum Beispiel der Glaube daran, dass du unmöglich ein Verräter an der Föderation sein kannst. Nenne es Menschenkenntnis, wenn du willst.“ „Immer wenn alles andere nicht zutrifft, kommen Menschen mit diesem Begriff“, schnappte der Andorianer und nahm einen Schluck von seinem Ale. Dann fragte er, mit verändertem Tonfall: „Ob Tia´Lynara Gefallen an O´Donnell findet?“ Sorek lächelte amüsiert und meinte: „Wenn, dann wäre es allein ihre Entscheidung, nicht wahr, Tar´Kyren?“ Dheran musterte Sorek eindringlich. „Ja, das wäre es. Hör zu, meine Schwester ist eine erwachsene Frau, die durchaus auf sich selbst achten kann. Die erschlägt einen Targ mit der Küchenschürze, wenn es darauf ankommt. Sollte es Captain O´Donnell also nicht ernst meinen, und er ihr das Herz brechen, dann hat er auch ohne mein Eingreifen ein echtes Problem, wenn du verstehst was ich meine.“ „Aber?“, erkundigte sich Linara Enari von der anderen Seite. Der Kopf des Andorianers ruckte zu ihr herum. „Kein aber. Man wird sich den Burschen doch wohl noch mal anschauen, und sich Fragen stellen dürfen.“ „Solange der Kopf des Burschen hinterher noch dran ist...“ Dheran warf der Bajoranerin einen vernichtenden Blick zu. Dann wandte er sich widerstrebend ab, um mit den beiden Freunden darüber zu plaudern, was der Admiral in der nächsten Zeit mit ihm vor hatte. „Du bist offensichtlich ein gefragter Typ“, lachte Linara Enari, nachdem Dheran zu Ende berichtet hatte. „Und ich wette du wirst auch den Einsatz genießen.“ „Oh, ja“, machte Dheran ironisch. „Jedes mal, wenn auf mich geschossen wird und ich so richtig im Dreck stecke, lache ich mich halb tot.“ „Genau das haben wir alle schon immer vermutet“, konterte Sorek todernst. „Schöne Freunde“, knurrte Dheran, gespielt verdrießlich. „Ich habe ja schöne Freunde.“ Damit stellte er sein Glas ab und warf einen Blick zum Tisch hinüber, den Ariane Degenhardt mittlerweile verlassen hatte. Dafür saßen nun Minoru Tanaka und ein Commander, den der Andorianer nicht kannte, bei dem blonden Australier. „Ihr entschuldigt mich bitte nun.“ Damit verabschiedete sich der Andorianer, und Sorek, der beobachtete, dass Dheran nicht zum Ausgang schritt, sondern zum Tisch an dem O´Donnell saß, meinte zu Linara Enari: „Hoffentlich geht das gut.“ Linara Enari nickte. „Bestimmt, ich glaube nämlich nicht, dass er daran denkt, sich in das Leben seiner Schwester einzumischen.“ Währenddessen hatte Tar´Kyren Dheran den Tisch erreicht und blieb einen Schritt neben Chris O´Donnell stehen. „Ich würde Sie gerne sprechen, Captain O´Donnell“, sprach er den Australier an, und nickte den beiden anderen Offizieren knapp zu. „Natürlich, Captain Dheran“, antwortete der Australier mit leicht fragendem Blick, während sich der Japaner erhob, und dem Commander ein Zeichen gab, ihm zur Bar zu folgen. „Bitte nehmen Sie doch Platz.“ Während der Andorianer sich zu ihm an den Tisch setzte, stellte sich O´Donnell dieselbe Frage, die sich auch Sorek gestellt hatte. Zunächst breitete sich ein Kribbeln in seinem Magen aus, doch dann dachte er trotzig daran, dass Dheran keinerlei Recht hatte, sich in das Leben seiner Schwester, oder in seines einzumischen. Entsprechend wappnete er sich für das kommende Gespräch mit Tia´Lynaras Bruder. Der Andorianer hatte jedoch nicht vor seine Schwester zu thematisieren, sondern musterte O´Donnell fragend, bevor er begann: „Captain O´Donnell, ich hoffe, dass ich Ihnen keine Schwierigkeiten bereitet habe. Sie haben mir während der fingierten Flucht der ICICLE die Chance verschafft, nicht ernsthaft auf die Schiffe der RAG schießen zu müssen, woran nicht zuletzt ihr Befehl zur Umgruppierung schuld war. Durch ihn hatte ich die Chance die Schiffe der RAG relativ harmlos außer Gefecht zu setzen, wofür ich mich wohl ebenfalls entschuldigen muss.“ Etwas überrascht, dass Dheran nicht von seiner Schwester anfing, nickte der Australier verbindlich. „Ich war nicht wirklich davon überzeugt, dass Sie ein Verräter sein sollen.“ Er deutete auf sein Bierglas. „Möchten Sie auch etwas?“ „Danke, ich bleibe nicht lange, Captain O´Donnell. Ich wollte ihnen nur für ihre gute Meinung über mich danken, und dafür, dass Sie, durch Ihre Entscheidung, vermutlich Schlimmeres verhindert haben.“ Tar´Kyren Dheran legte seine rechte Hand auf die rechte Schulter des Australiers und erklärte ernsthaft. „Es gehört Mut dazu sich seinen Feinden entgegen zu stellen, doch manchmal noch mehr seinen Kameraden entgegen zu treten. Sollten Sie jemals in Schwierigkeiten geraten, dann werde ich für Sie da sein.“ Beinahe feierlich blickte Dheran den Australier an, bevor er sich geschmeidig erhob, und den SEVENTYFIRST CLUB verließ. O´Donnell blickte dem Andorianer überrascht hinterher. Dann erhob er sich, und orientierte sich zur Bar, wo er neben Linara Enari stehen blieb, um sich ein neues Bier zu bestellen. Dabei erzählte er der Bajoranerin was sich eben zugetragen hatte und meinte zum Schluss: „Halten Sie mich nicht für närrisch, Captain Linara, aber seine letzten Worte klangen beinahe wie ein Blutschwur.“ Linara Enari lächelte nachsichtig. „Es war einer, junger Mann. Seien Sie stolz darauf, denn ich bin sicher, dass er das nicht bei sehr viele Leuten in seinem Leben machen wird.“   * * *   Eine Woche später stand Tar´Kyren Dheran, heute ausnahmsweise wieder uniformiert, wie auch alle anderen Anwesenden, am Strand des kleineren, nördlichen Kontinents von Forlan-Prime. Im Hintergrund der engen Bucht erkannte man das Strandcafe, in dem es heute Abend noch hoch her gehen sollte, und dahinter eine kleine Ansiedlung, die hauptsächlich von Urlaubern frequentiert wurde. Wunderbar warm war es an diesem Tag gewesen, und es war fast ein Sakrileg, die luftige Zivilkleidung gegen die Uniformen zu tauschen. Dheran, der die Ruhe und den Frieden der letzten Tage genossen hatte, andererseits aber auch schon wieder eine leise Unruhe in sich verspürte, warf einen kurzen Blick zum fast wolkenlosen, azurblauen Himmel hinauf. Hoch über ihm zog ein Schwarm, ihm unbekannter, weißer Vögel dahin. Während der schwache Wind über seine Haut strich, stellte er fest, dass das Grüblerische in seinem Wesen sich wieder etwas gelegt hatte. Vielleicht lag das mit daran, dass Christina ihn, vor zwei Tagen, tatsächlich hier unten besucht hatte. Stundenlang waren sie dabei an einer einsamen Stelle der Küste entlang gegangen und hatten darüber gesprochen, was sie beide in der Zeit erlebt hatten, in der sie einander nicht gesehen hatten. Dabei war Tar´Kyren Dheran mehr als einmal versucht gewesen, sie an die Hand zu nehmen, so wie früher, als sie noch ein Paar gewesen waren. Doch das wäre nicht fair gegenüber Pasqualina gewesen. Und auch nicht gegenüber Christina. Er war der Irin dankbar dafür, dass sie kein Wort über sie beide verloren hatte, obwohl sie vermutlich gespürt hatte, wie es in ihm aussah. Stärker denn je spürte er, dass er seine Entscheidung, mit welcher Frau er gedachte zukünftig sein Glück zu machen, nicht mehr sehr viel länger würde hinausschieben dürfen. Oder keiner von ihnen dreien würde letztlich glücklich werden. Dheran atmete tief durch und seine Gedanken kehrten in die Wirklichkeit zurück. Außer dem Andorianer war das gesamte Offiziers-Korps der ICICLE, inklusive des Captains achtzig Männer und Frauen der verschiedensten Spezies, anwesend. Auch Pasqualina Mancharella stand, an vorderster Front, mit dabei. Sie hatte sich nun endlich wieder so weit regeneriert, dass sie von Julia McKeown aus der Krankenstation hatte entlassen werden können. Dennoch musste sie, auch in den nächsten Tagen noch, etwas kürzer treten, wozu sie auf Forlan-Prime reichlich Gelegenheit hatte. Neben der Spanierin stand Tearash Corin, der im Moment noch nicht ahnte, was nun auf ihn zu kam. Tar´Kyren Dheran ließ seinen Blick über die Offiziere der ICICLE schweifen und begann dann: „Meine Damen und Herren Offiziere. Ich habe Sie alle hier zusammen kommen lassen, weil es einen besonderen Anlass dazu gibt. Während der letzten Mission der ICICLE, bei der Sie leider nicht alle dabei sein konnten, hat ein junger Offizier zum wiederholten Mal unter Beweis gestellt, dass er nicht nur ein hervorragender Techniker ist, sondern dass man sich auch unter Beschuss auf ihn verlassen kann.“ Damit wandte er sich nun direkt an den jungen Tellariten, neben der Spanierin. „Ensign Tearash Corin, bitte kommen Sie zu mir, Gesicht zur Front.“ Etwas ungläubig blickte der Tellarit sich um und kam der Aufforderung nach. Nachdem er neben dem Andorianer Aufstellung genommen hatte, erklärte Dheran: Ensign Corin. Wegen herausragender Leistungen im Dienst der U.S.S. ICICLE und wiederholt gezeigter Eigeninitiative im aktiven Dienst, befördere ich Sie, mit sofortiger Wirkung, zum Lieutenant Junior-Grade, mit allen daraus entstehenden Privilegien und Pflichten.“ Der Andorianer förderte einen schwarzen Rank-Pin zutage, und befestigte ihn am Kragen des Tellariten, hinter dem goldenen Rank-Pin. Dann wandte er sich dem frischgebackenen Lieutenant zu und reichte Ihm die Hand. „Meinen Glückwunsch, Lieutenant.“ Der Chefingenieur und Mentor des jungen Tellariten, Rick McMahan trat einige Schritte vor und wandte sich zu den Offizieren der ICICLE: „Auf den frisch Beförderten ein dreifach donnerndes: Hipp-hipp...!“ „HURRA! „Hipp-hipp...! „HURRA!“ „Hipp-hipp...!“ „HURRA...!“ Der Tellarit war sichtlich gerührt, und sein Blick irrte hin und her. Dann blickte er den Captain, sichtlich ergriffen an und sagte rau: „Vielen Dank, Captain. Ich werde mich bemühen, Ihre Erwartungen auch weiterhin zu erfüllen.“ Seine Offizierskollegen spendeten Applaus, und Rick McMahan näherte sich rasch, um seinem Schützling, nach dem Captain, als erster zu gratulieren. Dem Kanadier stand der Vaterstolz nur allzu deutlich ins Gesicht geschrieben. Er machte keinen Hehl aus der Tatsache, dass ihn diese Beförderung besonders freute. Auch die übrigen Offiziere der ICICLE kamen näher um den Tellariten zu beglückwünschen. Tar´Kyren Dheran überließ Tearash Corin seinen Kollegen, und wartete ab, bis Pasqualina dem Tellariten gratuliert hatte, bevor er sich an ihre Seite begab. Die Spanierin blickte seitlich zu dem Andorianer auf und meinte: „Wie ich gehört habe, wurden Tal´Inuray Filiz und unsere Bordärztin mit der Ehrenmedaille in Tritanium ausgezeichnet. Und Dir hat man den Bronzestern zum CP verpasst.“ Der Andorianer lächelte süß-sauer. „Diesmal hat man mir keine Wahl gelassen. Du wirst übrigens noch das Verwundetenabzeichen bekommen – ebenso, wie Charall.“ „Darauf hätte ich gerne verzichtet. Die ICICLE hat es gerade mal so mit Ach und Krach zurück geschafft, erzählte mir McMahan. Ich glaube der Chief ist mächtig sauer darüber, in welchem Zustand das Schiff zurück kam.“ „Der soll froh sein, dass es überhaupt zurück kam“, grummelte Dheran. Dann meinte er: „Aber ich kann ihn verstehen. Nach dem vorläufigen Schadensbericht des Werftleiters ist die Backbordgondel so gut wie schrottreif, und auch die Primärhülle und die Katamarane haben einiges abbekommen. Traurig für Tal´Inuray ist, dass die Rüstkammer der MACO´s komplett zerstört wurde. Dazu brauchen wir ein komplett neues EPS-Verteilersystem und eine Reihe neuer ODN-Leitungen. Und natürlich vierzig neue SKORPION-Jäger, sonst quittiert Commander Kunanga vermutlich seinen Dienst, tritt dem Orion-Syndikat bei und setzt ein Kopfgeld auf mich aus.“ Ein schwaches Lächeln der Spanierin war die einzige Reaktion auf Dherans Worte. Sie schritten langsam von den anderen weg und Pasqualina Mancharella fragte schließlich, mit etwas verändertem Tonfall: „Kann ich Dich für einen Moment allein sprechen?“ Der Andorianer blickte kurz über die Schulter und gab Namoro Kunanga ein Zeichen, sich schon einmal in Richtung des Strandcafes in Bewegung zu setzen, in dem die anschließende Beförderungsparty stattfinden sollte. Dann nickte er der Spanierin zu und meinte: „Natürlich, warum nicht.“ Sie schritten eine Weile am Strand entlang, bis sie außer Hör- und Sichtweite der andern Offiziere waren. Eine Weile schritten sie stumm neben einander her wobei sie gelegentlich auf das Meer hinaus blickten. Dann endlich brach die Spanierin das Schweigen und sagte mit vibrierender Stimme: „Du hattest es die gesamte Zeit über gewusst. Du verdammter Mistkerl hast gewusst, dass wir uns auf einem Himmelfahrtskommando befinden, und du hast seelenruhig zugesehen, wie man deine Offiziere foltert!“ Verblüfft, wegen dieser Anklage, blickte Tar´Kyren Dheran die Spanierin an und erklärte ruhig: „Dieser Auftrag war sehr wichtig, und die ICICLE das am besten geeignete Schiff dafür. Und so sehr ich es auch bedauert habe, ich konnte dich nicht in den Plan einweihen. Und ich konnte während des Verhörs auch nicht nachgeben, Pasqualina. Es hätte unseren sofortigen Tod bedeutet, das muss dir doch klar sein.“ Ein zorniges Funkeln lag in dem Blick der Frau als sie hitzig erwiderte: „Darum geht es gar nicht! Es geht darum, wie weit du gegangen wärst. Hättest du auch den Tod einiger von uns in Kauf genommen? Wie viele Leben wären ein adäquater Preis gewesen?“ „In diesem Fall genau acht, solange wir dabei erfolgreich geblieben wären“, antwortete der Andorianer mit fester Stimme. Dann meinte er eindringlich: „Ein andorianisches Sprichwort heißt: Der Krieg kennt kein Erbarmen.“ „Und ein irdisches Sprichwort heißt: Du kannst mir den Buckel herunterrutschen!“, fuhr ihn Pasqualina aufgebracht an. Sie konnte kaum glauben, was dieser Andorianer, den sie zu kennen glaubte, soeben von sich gegeben hatte. Auf dem Absatz kehrt machend marschierte sie in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Der Captain beeilte sich, seine XO einzuholen. „Moment mal, was soll das denn heißen, Pasquali...“ „Die korrekte Anrede ist: Commander... Sir!“ Ein gefährliches Feuer lag in ihren Augen, der Spanierin, als sie ihm in die Parade fuhr. Dann sagte sie: „Nach dem, was passiert ist, brauche ich erst einmal einige Zeit um unsere Beziehung zu einander zu überdenken, also halten Sie sich bitte, in den nächsten Tagen und Wochen, von mir fern, Captain Dheran!“ Damit rauschte sie davon und ließ einen verwunderten andorianischen Captain zurück. Nachdenklich blickte er ihr eine Weile hinterher, bevor er sich ebenfalls, allerdings deutlich langsamer, auf den Rückweg machte. Ernüchterung machte sich in Tar´Kyren Dheran breit, und tief in Gedanken versunken fragte sich Tar´Kyren Dheran deprimiert, ob es nicht besser war, wenn auch er diese Beziehung ernsthaft zu analysieren begann. Seine Gedanken eilten zurück zu dem Moment, als sie die erste gemeinsame Nacht mit einander verbracht hatten, und er horchte in sich hinein. Und wieder sagten ihm seine Gefühle, dass er Pasqualina liebte – so sehr, wie er Christina liebte. Und doch auch anders. Er liebte sie auf eine leidenschaftliche, aufrichtige Art – doch dann war da wiederum Christina, für die seine Gefühle ganz tief aus jeder Faser seines Wesens zu kommen schien, eine Liebe, die alles andere überstrahlte. Einfach wegwischte, und sei es noch so intensiv. Er fragte sich, ob es möglicherweise ein riesengroßer Fehler gewesen war, vor einigen Monaten diese Beziehung mit Pasqualina zu beginnen, ohne zuvor offen mit Christina gesprochen zu haben, und gleichzeitig ahnte er, dass die endgültige Antwort auf diese Frage mit Kummer verbunden sein würde. Und mit tiefem Leid...     ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)