Smallville-Expanded - 05 von ulimann644 (Bloodbrothers) ================================================================================ Kapitel 2: Besuch bei Tante Annette ----------------------------------- Vor der Universität von Metropolis hatte sich Christian von Lois Lane verabschiedet. Herzlicher, als er es zuvor für möglich gehalten hätte. Beide hatten während der restlichen Fahrt über Gott und die Welt geplaudert und als er sich mit einem Händedruck von Lois hatte verabschieden wollen, nachdem er sie am Campus abgesetzt hatte, da hatte sie ihn spontan in die Arme genommen, und sich, fast wie eine ältere Schwester, mit einem gehauchten Kuss auf die Wange, von ihm verabschiedet. Christian hatte Lois das Versprechen abgenommen, dass sie gelegentlich von sich hören lassen würde, bevor er sich schließlich auf den Weg zur Adresse seiner Tante aufgemacht hatte, wobei er froh war, ein Navigationsgerät im Auto zu haben, denn die Straßen von Metropolis erschienen ihm, wie ein sinnverwirrendes Labyrinth. Erleichtert darüber, endlich die Villa, im höher gelegenen West-End der Stadt erreicht zu haben, parkte er seinen Pickup am Straßenrand um zunächst einen Blick auf das gewaltige Anwesen zu werfen, in dem seine Tante offensichtlich residierte. Insgeheim fragte er sich, ob Leute, wie sein Vater oder auch Annette Falken, sich in solchen weitläufigen Villen wirklich wohlfühlten, oder ob sie lediglich darauf achteten, standesgemäß zu wohnen. Er selbst war zwar in einer solchen Villa aufgewachsen, doch momentan bevorzugte er es, nicht in einem solchen Bau zu wohnen. Noch während er vor dem schmiedeeisernen Tor stand und durch die Gitterstäbe zum Haus hinüber blickte, hielt gegenüber ein Lieferwagen eines Feinkost-Restaurants. Schnell wurde ersichtlich, dass die Lieferantin genau auf diese Villa zu hielt. Bevor sie zur Gegensprechanlage gehen konnte sprach Christian sie an: „Verzeihen Sie, aber wenn sie eine Lieferung für Miss Annette Falken haben, dann könnte ich Ihnen einen Weg abnehmen. Ich bin ihr Neffe, und gerade auf dem Weg zu ihr.“ Die sympathisch wirkende Lieferantin machte eine ablehnende Geste und erklärte: „Ich darf die Lieferung keiner mir fremden Person anvertrauen. Mit Verlaub, Sir, ich kenne Sie ja nicht. Sie könnten wer weiß wer sein.“ „Stimmt“, überlegte Christian und überließ es der etwa Mitte Zwanzigjährigen zu klingeln, und sich anzumelden. Als das Tor sich elektronisch öffnete, trat er zwanglos mit ein und marschierte, Seite an Seite mit der Lieferantin, auf das weiße Gebäude zu. Vor der breiten, verglasten Doppeltür hielten sie an, und die Lieferantin klingelte erneut an der Haustür. Es dauerte nur einen Moment, bis einer der Türflügel geöffnet wurde, und eine Angestellte des Hauses, von etwa Ende Dreißig, heraustrat. Ihr schwarzes Haar trug sie zu einem Zopf geflochten, was ihrem etwas hager wirkenden Gesicht zusätzlich Strenge gab. Dazu bei trug der prüfende Blick ihrer eisgrauen Augen. Trotz des eleganten, dunkelblauen Hosenanzugs den sie trug, konnte man erahnen, dass sie sehr sportlich war. Etwas befremdet auf Christian blickend, der beschlossen hatte der Lieferantin höflich den Vortritt zu lassen, wandte sie sich an die Lieferantin und nahm die Lieferung in Empfang. Ihr das Geld dafür reichend, plus einem Trinkgeld meinte die Angestellte: „Jetzt schickt Ihre Firma schon zwei Leute für eine Lieferung? Na, lernen Sie den jungen Mann nur ordentlich an.“ Bevor die Lieferantin oder Christian Gelegenheit fanden, den Irrtum aufzuklären, drückte die Angestellte auch dem Jungen eine Fünfdollar-Note in die Hand, nickte ihm zu und schlug ihm dann die Tür vor der Nase zu, als er gerade einen Schritt nach vorne machte. Während Christian recht verdutzt aus der Wäsche sah, zuckten die Mundwinkel der Lieferantin verdächtig, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrach. Nach einem Moment meinte sie prustend: „Damit haben Sie anscheinend nicht gerechnet.“ „Nicht wirklich“, gab der Junge zu und drückte der Lieferantin den Geldschein in die Hand. „Hier, falls Sie wirklich mal einen Neuling anlernen müssen.“ Die Lieferantin bedankte sich und Christian klingelte erneut an der Tür, während sie sich auf den Weg zu ihrem Lieferwagen machte. Diesmal dauerte es einen Moment, bis dieselbe Angestellte von eben erneut die Tür öffnete und grimmig fragte: „Was gibt es denn noch, junger Mann?“ „Guten Abend, mein Name ist Christian von Falkenhayn. Ich bin der Neffe von Annette Falken. Ich habe meinen Besuch nicht angemeldet.“ Von Drinnen erklang eine etwas gereizte, weibliche Stimme. „Wer ist dieser unverschämte Störenfried, Diane?“ „Ein Junge vom Lieferservice, der behauptet, er wäre Ihr Neffe, Christian von Falkenhayn, Ma´am.“ Schnelle Schritte näherten sich dem Eingang, und im nächsten Moment stand eine elegant gekleidete Frau, von Anfang Fünfzig hinter der Angestellten, die sie Diane genannt hatte. Im Gegensatz zu ihrer Angestellten trug die Frau ihr goldblondes Haar offen, bis über die Schultern. Das elegante, anthrazitfarbene Kostüm, mit der modern geschnittenen, weißen Bluse, die sie darunter trug, kleidete sie sehr vorteilhaft. Es dauerte nur einen Moment, bis sie in Christian den Jungen erkannte, den sie beim letzten Zusammentreffen mit ihren deutschen Verwandten gesehen hatte. Ihn mit ihren dunkelbraunen Augen forschend musternd, fragte sie ihn auf Deutsch: „Wie geht es deiner Familie, Christian?“ Ebenfalls auf Deutsch antwortend erklärte der Junge: „Papa geht es relativ gut, auch wenn ihn der Verlust von Mama sehr getroffen hat. Tante Mary und Onkel Jason sind wohlauf, aber das hat sie dir ja vermutlich beim letzten Telefonat gesagt.“ „Lassen Sie meinen Neffen eintreten, Diane“, schmunzelte Annette Falken, und die überrumpelt wirkende Angestellte trat einige Schritte zur Seite. Annette Falken trat zu ihrem Neffen, der sie, trotz ihrer Pumps, um einen Kopf überragte und nahm ihn vorsichtig in die Arme. „Willkommen in Metropolis. Warum hast du dein Kommen nicht angekündigt?“ „Es sollte eine Überraschung werden“, erwiderte der Junge verschmitzt grinsend. „Die ist Ihnen gelungen“, warf Diane ein und schloss die Tür hinter Annette Falken und ihrem Neffen, als sie ins Haus schritten. „Was ist mit dem Trinkgeld, das ich Ihnen gab?“ „Das habe ich der netten Lieferantin gegeben – falls sie wirklich mal einen Neuling anlernen muss.“ Die Frau im Hosenanzug machte ein etwas mürrisch das Gesicht. „Hast du nichts mit?“, erkundigte sich unterdessen Christians Tante bei ihm. „Wie bist du überhaupt her gekommen?“ „Ich habe einige Sachen in meinem Pickup.“ Annette Falken verzog leicht ihr Gesicht. „Du fährst einen Pickup, wie ein gewöhnlicher Farmer? Es wurde wirklich Zeit, dass du herkommst damit du dich etwas standesgemäßer gibst.“ „Genau diese Ansicht war der Grund, warum ich nach Smallville gezogen bin, und nicht hierher, Tante Annette. Mit einem Bentley, einem BMW, einem Mercedes, oder einem Porsche durch die Gegend zu fahren, das ist, zumindest momentan, nicht ganz meins.“ Die Frau im kostbaren Kostüm seufzte schwach. „Liegt das an deinem Umgang, was Mädchen betrifft? Mary erzählte da etwas von einem Farmer-Mädchen in Smallville, mit dem du momentan verkehrst.“ „Dieses – wie du es nennst – Farmer-Mädchen, hat gar nichts damit zu tun, Tante Annette. Und bevor du auch in der Beziehung deine Nase rümpfst: Sie ist nicht nur hübsch, sie ist auch intelligent und sie wird nach der Highschool Chemie studieren. Sie wird, unabhängig davon, mit wem sie zusammen sein wird, ihren ganz eigenen Weg gehen. Und damit auch das geklärt ist: Sie sieht mich bereits schief an, wenn ich sie nur auf einen Kaffee einladen möchte.“ Während Annette Falken den Jungen etwas verwundert musterte, ob dieser leidenschaftlichen Erklärung, hielt ihre Angestellte nicht hinter dem Berg damit, dass sie sich gerade königlich amüsierte. Sie betraten den Salon und Christians Tante wandte sich ihm zu, wobei sie seinen Oberarm ergriff und eindringlich meinte: „Ich wollte dir nicht zu nahe treten, Christian. Aber du bist mein Neffe, und ich mache mir Gedanken um dich. Auch wenn wir uns nicht sehr gut kennen, mein Junge.“ Sie warf einen schnellen Blick zu Diane, die ihn richtig deutete und sich unauffällig zurückzog. Dann blickte die Frau wieder zu ihrem Neffen auf und sagte: „Komm, ich zeige dir eins der Gästezimmer, und danach kannst du deinen Wagen auf das Gelände fahren und deine Sachen holen. Hast du Hunger, oder Durst.“ „Danke, momentan möchte ich nichts.“ Während Christian seiner Tante, über eine breite Treppe in den ersten Stock folgte, blickte er sich aufmerksam um und fragte schließlich: „Sind keine Sicherheitsleute im Haus?“ Die Frau an seiner Seite lächelte fein. „Ich habe Diane. Sie ist eine ehemalige Marine und bewaffnet, auch wenn es nicht so aussieht. Tritt ihr also nicht auf die Zehen.“ „Ich werde mich hüten“, versprach der Junge. „Übrigens, hast du gerade den Koch gefeuert, oder warum der Lieferservice?“ „Die Köchin ist überraschend erkrankt. Im Notfall könnte immer noch Diane kochen.“ „Die ist ein Multitalent, wie mir scheint.“ Seine Tante öffnete eine Tür am Ende des Ganges. „Diane ist meine rechte Hand. Sie hat hier im Haus ihre eigene Zimmerflucht, sie fährt mich, sie ist meine beste Assistentin und sie gibt auf mich Acht und sorgt dafür, dass mir nichts passiert. Und sie ist mir eine gute Freundin geworden. Sie ist Vollwaise, seit ihrem dreizehnten Lebensjahr, und in ihr sehe ich beinahe so etwas wie die Tochter, die ich nie hatte. Aber verrate ihr das bitte nicht.“ „Dieses Gespräch hat nie stattgefunden“, spöttelte Christian und warf einen Blick in das Zimmer. Dabei dachte er bei sich, dass es in etwa so eingerichtet war, wie er es sich zuvor in Gedanken vorgestellt hatte. Annette Falken, die ahnte, was in Christian vorging, erkundigte sich launig bei ihm: „Stellt sich gerade ein gewisses Deja Vú bei dir ein?“ Christian grinste breit. „Und wie.“ Seine Tante schmunzelte fein. Dann wechselte sie das Thema und meinte: „Ich hoffe, du bist nicht allzu geschafft von der Fahrt hierher, denn ich würde sehr gerne den Abend mit dir verbringen und diese seltene Gelegenheit dazu nutzen um mich mit dir unterhalten und dich wieder besser kennenzulernen. Das letzte Mal haben wir uns ja gesehen, als du erst Dreizehn warst. Seit damals hast du dich signifikant verändert, scheint mir.“ „Ich bin fit, wie ein Turnschuh“, versicherte der Junge. Dann meinte er: „Okay, dann werde ich mal den Wagen auf den Abstellplatz, neben das Haus, fahren und meine Sachen auf das Zimmer bringen.“ Für einen Moment verschleierte sich der Blick der Frau. Dann war er wieder so klar, wie zuvor und sie sagte leise: „Ich bin froh, dass du hergekommen bist, Christian.   * * *   Als Annette Falken und Christian, in dem weitläufigen Wohnraum, vor dem Kamin, beisammen saßen, fragte die Frau vorsichtig, wie es ihrem Neffen, nach dem tragischen Verlust seiner Mutter ergangen war. Diane hatte sich bereits vor einer halben Stunde zurückgezogen, wofür ihr Annette Falken sehr dankbar war, weil sie ahnte, dass Christian in ihrer Nähe sehr viel befangener gewesen wäre, als mit ihr, unter vier Augen. Christians Tante wirkte etwas verblüfft, als Christian davon erzählte, mit wem sein Vater im Moment eine neue Beziehung führte. Behutsam erkundigte sie sich, was Christian davon hielt. Der Junge nippte von seinem Bitter-Lemon. Seine Tante hatte ihm ein Glas des Weins angeboten, dem sie selbst gelegentlich, so wie an diesem Abend, zusprach. Doch Christian hatte dankend abgelehnt, was sie positiv vermerkt hatte. Nachdenklich erklärte er schließlich: „Als ich herausfand, dass Paps mit Tante Christina zusammen ist, da war ich etwas befremdet darüber, und ich war froh, dass ich Alicia dabei hatte. Sie hat versucht mir aufzuzeigen wie die letzten Monate zuvor für meinen Vater gewesen sein mussten. Ich glaube, dass ich ohne sie viel emotionaler und unverständiger reagiert hätte.“ „Alicia bedeutet dir offensichtlich sehr viel, mein Junge.“ Christian beugte sich auf der Couch etwas vor und blickte seine Tante, über den Glastisch hinweg, ernst an. „Ja, das stimmt.“ Er verschwieg den momentanen Zwist, um keine Konfusion zu stiften. „Sie steht meinem Herzen sehr nahe, Tante Annette. Gerade jetzt merke ich das deutlich.“ Der Blick der Frau wurde etwas prüfender. „Hast du deshalb beschlossen, in Amerika zu bleiben?“ Christian wich ihrem Blick nicht aus. „Nein, diese Entscheidung hätte ich auch ohne Alicia getroffen, wenn auch schwereren Herzens. Ich habe es Daheim, in Deutschland, bereits vorher kaum noch ausgehalten, nach Mamas Beerdigung. Doch erst, als ich eine Weile in Smallville war, habe ich das richtig gemerkt. Ich habe bereits einige Male mit Tante Mary und Onkel Jason darüber gesprochen, und ich bin froh, dass mich beide in meiner Entscheidung nicht beeinflusst haben, wohl aber mich bestärkt haben, selbst zu entscheiden. Sie sind beide ganz tolle Menschen.“ „So...“ Annette Falken trank einen Schluck von ihrem Wein und Christian beeilte sich, ihr zu versichern. „Das gilt auch für dich, Tante Annette. Ich gebe ja zu, dass ich zuerst einen Bogen um Metropolis gemacht habe, und nicht hier bei dir wohnen wollte. Einerseits hatte ich dich etwas anders in Erinnerung, als du bist. Andererseits wollte ich nicht von einem Riesenhaus in ein anderes ziehen, das hätte zu viele Erinnerungen wach gehalten. Die Zeit in Smallville hat mir seelisch sehr gut getan. Aber jetzt bedauere ich doch, dass ich nicht bereits eher zu Besuch hergekommen bin. Ich hoffe, du nimmst mir das nicht krumm.“ Die Frau lächelte sanft. „Nein, das werde ich nicht. Aber sag, was wirst du nach der Highschool machen? Was gedenkst du zu studieren?“ Christian lächelte in Gedanken. „Paps würde es wohl am liebsten sehen, wenn ich Betriebswirtschaft studieren würde. Aber mittlerweile bin ich zu dem Schluss gelangt, dass das nicht mein Wunsch ist, sondern nur seiner. Ich denke, dass ich Jura studieren werde.“ „Du willst Rechtsverdreher werden?“ „Und wenn es sein muss, auch Linksverdreher“, spöttelte der Junge. „Ganz ehrlich, ich denke es kann nicht schaden, wenn man sich auf diesem Gebiet auskennt, besonders auf dem Gebiet Wirtschaftsrecht, falls man später, irgendwann einmal, eine größere Firma übernimmt. Den Laden selbst soll gefälligst der Geschäftsführer schmeißen.“ Seine Tante begann schallend zu lachen. „Wenn das mal nur so einfach wäre. Ich höre deinen Vater reden, als er noch um einiges jünger war. Der hat früher ganz ähnliche Ansichten vertreten. Wenn du wüsstest, wie ähnlich du ihm in manchen Momenten bist. Nun, es ist deine Entscheidung – und gute, erfolgreiche Anwälte leben ja auch dann ganz ordentlich, wenn sie keinen Trust leiten, wie man hört.“ „Eben“, bekräftigte der Junge. „Apropos Trust: Wie läuft denn deine eigene Firma?“ „Wächst und gedeiht. Aber nur, weil ich die Leitung keinem windigen Geschäftsführer überlasse, sondern mich selbst darum kümmere.“ Ihr Zwinkern sprach eine nur zu deutliche Sprache. Dann fuhr sie fort: „Falken Industries betätigt sich, in den letzten Jahren, verstärkt in der Luft- und Raumfahrt. Wir stellen die entsprechende Elektronik für Avioniken und Steuersysteme her. Das wirft gute Gewinne ab.“ Christian nickte beeindruckt. „Klingt so, als müsstest du dir keine Sorgen darum machen, das Haus abzuzahlen.“ Seine Tante blickte ihn an, als habe sie in eine Zitrone gebissen, bevor sie süffisant anmerkte: „Das Haus, inklusive Grundstück, gehört längst mir.“ Augenzwinkernd fügte sie dann hinzu: „Ich glaube, du warst schon viel zu lange in Smallville unterwegs.“ Christian beobachtete, wie seine Tante für einen Moment die Augen schloss und sich auf der Ledercouch zurücklehnte. Dann fuhr sie sich über die Augen und war wieder so präsent, wie zuvor. „Du bist müde?“, fragte Christian. „Es war ein langer Tag für mich“, erwiderte die Frau. „Wir sollten uns jetzt ebenfalls zurückziehen. Wir frühstücken morgen früh, gegen neun Uhr.“ Sie erhob sich, und Christian tat es ihr nach. Erst jetzt bemerkte er, dass auch seine eigenen Glieder schwer geworden waren. Schnell verabschiedete er sich von seiner Tante und verschwand, die Treppe hinauf. Zur Überraschung des Jungen erwartete ihn dort Diane, die nun, ganz leger, einen leichten Jogginganzug trug. Einen Blick über die Schulter des Jungen werfend blickte sie ihn schließlich an und meinte flüsternd: „Ihre Tante freut sich über Ihren Besuch, Mister von Falkenhayn. Es tut ihr sehr gut, dass Sie hier sind. Aber vielleicht ist es nicht so gut, wenn Sie sich zu sehr an Miss Falken gewöhnen, Sir.“ „Bitte nennen Sie mich Chris. Und dann erklären Sie mir bitte, wie sie Ihre letzten Worte gemeint haben.“ Die sportliche Frau blickte den Jungen eindringlich an. Sie rang einen Moment lang mit sich, bevor sie erklärte: „Ihre Tante ist unheilbar krank, Chris. Deshalb haben Sie vermutlich auch eine gewisse Veränderung an ihr festgestellt. Eine sehr positive, wie ich betonen möchte. Sie hat nicht mehr sehr lange, sollten Sie wissen – vielleicht noch fünf Monate, bestenfalls sechs.“ Erschrecken lag im Blick des Jungen. „Aber das ist...“ „Bitte zeigen Sie ihrer Tante nicht, dass Sie es wissen. Ich denke nicht, dass sie es Ihnen erzählen wird, aber ich finde, Sie, als ihr Verwandter, haben das Recht, es zu wissen, damit sie Ihre Tante vorher vielleicht noch das ein oder andere Mal sehen können, bevor es zu spät ist, und Sie sich eventuell Vorwürfe machen müssen. Wissen Sie, seit Sie in Amerika sind hat sie immer wieder von Ihnen gesprochen – davon, dass Sie sie besuchen werden, und nun, da sie hier sind, und ich erlebt habe, wie glücklich Miss Falken darüber war, Sie endlich zu sehen, da möchte ich einfach, dass Sie sie vielleicht noch ein paar mal besuchen kommen, damit Sie ihre Tante etwas besser kennenlernen können, und sich später daran erinnern, wie sie im Leben wirklich gewesen ist.“ Tränen standen in den Augen der Frau und auch Christian spürte einen imaginären Kloß im Hals. Erst nach einem langen Moment war er in der Lage etwas zu erwidern. „Ich bin froh darüber, dass Sie für sie da waren und für sie da sind, Diane.“ Die Frau nickte. „Ihre Tante war gleichfalls auch für mich da und sie steht mir näher, als die meisten Verwandten, die ich noch habe.“ Christian blickte die Frau an, bevor er schließlich leise sagte: „Ich danke Ihnen für ihr Vertrauen, Diane. Gute Nacht.“ „Gute Nacht, Chris.“ Der Junge blickte der schwarzhaarigen Frau sinnend nach, bevor er sich etwas von dem Druck, den er im Magen verspürte lösen konnte und auf sein Zimmer ging. Er zog sich, bis auf die Unterhose aus, schnappte sich seine Hygiene-Artikel und schlüpfte anschließend schnell ins Gästebad, um zu duschen und seine Abendtoilette zu erledigen. Als er später im breiten Bett des Gästezimmers lag, da wirbelten seine Gedanken durcheinander und das was er alles an diesem ereignisreichen Tag erlebt hatte bildete in seinen Gedanken ein buntes Kaleidoskop von Bildern und Emotionen. Bevor er einschlief hörte er noch die Stimme von Lois, die ihm ins Gewissen redete, in Bezug auf Alicia, und leise murmelte er schläfrig: „Du hast recht, Lois.“ Im nächsten Moment zeugten seine regelmäßigen Atemzüge davon, dass er sich im Reich der Träume befand.   * * *   Christian hatte sich fest vorgenommen, bis zum Mittwoch bei Annette Falken auszuhalten, doch bereits am Montagabend spürte er ein drängendes Verlangen danach, endlich wieder nach Smallville aufzubrechen und mit Alicia zu reden. Seine Tante hatte ihn, am Vormittag mit in den Hauptsitz ihrer Firma genommen und ihn dort herumgeführt. Zu Mittag hatte sie in ein exquisites Restaurant in Metropolis eingeladen, in dem er sich etwas deplatziert gefühlt hatte, aber seiner Tante zuliebe hatte er versucht, sich davon nichts anmerken zu lassen. Als sie Abends, wie an den vorangegangenen Abenden im Wohnraum bei einander saßen, da blickte Annette Falken den Jungen, beinahe amüsiert an und sie fragte leise: „Es zieht dich zurück nach Smallville, scheint mir?“ Der Junge nickte verlegen, bevor er zugab: „Ja. Als ich von dort aufbrach, da hatte ich am selben Morgen eine Meinungsverschiedenheit mit...“ „Mit dem Farmer-Mädchen.“ „Mit Alicia“, verbesserte der Junge seufzend. „Ich werde sie bei meinem nächsten Besuch mitbringen, damit du sie kennenlernst und sie nicht länger immer nur das Farmer-Mädchen nennst.“ Zu Christians Überraschung meinte seine Tante zustimmend: „Das ist eine hervorragende Idee von dir. Ich bin nämlich wirklich gespannt darauf, was das für ein Mädchen ist, das dir so den Kopf verdreht hat, dass du es keine drei Tage ohne sie aushältst.“ Etwas überrumpelt erwiderte der Junge zögerlich: „Okay. Sagen wir, in zwei Wochen? Oder ist das zu knapp, um dich darauf einzurichten?“ Das Gesicht seiner Tante leuchtete förmlich auf. Lächelnd versicherte sie: „In zwei Wochen klingt sehr gut, Christian. Ich freue mich bereits jetzt darauf. Frühstücken wir morgen noch mit einander?“ Christian nickte zustimmend. „Sehr gerne, Tante Annette. Wäre auch Blödsinn, die Rückfahrt mit leerem Magen anzutreten, und ohne eine halbe Kanne Kaffee intus. Ich denke, es ist ohnehin besser, erst am Nachmittag zu fahren“ „Dann nehme ich mir den Vormittag frei. Über deinen Kaffeekonsum sollten wir aber mal reden“, schmunzelte die Frau mahnend und zwinkerte Christian dabei zu. Der zwinkerte zurück und meinte: „Andere Leute rauchen oder trinken Alkohol, in rauen Mengen – ich trinke Kaffee. Das ist das kleinste dieser drei Übel, finde ich.“ „Solange die beiden anderen Dinge nicht noch dazu kommen, soll es mir Recht sein.“ Sie redeten noch, bis weit nach Mitternacht, bevor sie sich schließlich zurückzogen, und Christian dachte mit gespannter Vorfreude an den nächsten Tag, als er schließlich im Bett lag. Er würde Alicia wiedersehen und hoffte, all das klären zu können, was momentan zwischen ihnen stand. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)