Star Trek - Icicle - 01 von ulimann644 (Das Transwarp-Netz) ================================================================================ Kapitel 6: Gefallene Kameraden ------------------------------ Kampfbereit, Pasqualina auf seinen Schultern, taumelte Tar´Kyren Dheran aus dem Empfangsportal und blickte sich gehetzt um. Doch nichts regte sich in der Portalhalle, in der sie angekommen waren. Der Andorianer traute dem Frieden jedoch nicht mehr so recht, seit er den intelligenten, paranormal begabten Pflanzen begegnet war. Ächzend ließ er die Spanierin an einer der Hallenwände zu Boden gleiten und setzte sich, mit etwas Abstand, neben die Bewusstlose. Er beschloss erst einmal hier zu bleiben, bis die Spanierin wieder zu sich kam, was nur eine Sache weniger Minuten sein konnte, da er mit geringster Intensität geschossen hatte. Mit einem leicht unguten Gefühl im Magen blickte er zu Pasqualina, die noch keine Anzeichen zeigte, aus ihrer Bewusstlosigkeit zu erwachen. Auch wenn er es nur widerwillig zugab, diese Frau verwirrte ihn stärker, als er es sich eingestehen wollte. Für eine Nichtandorianerin verhielt sie sich manchmal geradezu unheimlich andorianisch. Und dann war da noch die letzte Nacht, die ihm nicht aus dem Kopf gehen wollte. Was er Pasqualina gesagt hatte, als sie seine Antennen berührt hatte, war nur die halbe Wahrheit gewesen, denn ein gewisses Kribbeln in der Lendengegend hatte er bereits verspürt, gleich nachdem er ihren straffen Körper in seine Arme geschlossen hatte. Schon seit geraumer Zeit hatte keine Frau mehr eine solch intensive Wirkung auf ihn gehabt, wie diese Spanierin. Aber da war auch noch Christina, die er nicht vergessen konnte – nicht vergessen wollte. Bisher hatte er nicht für möglich gehalten, dass irgend eine andere Frau an Christina herankommen würde, und nun saß er hier, auf einem fremden Planeten der wer-weiß-wie-weit vom Föderationsraum entfernt war, und wurde sich bewusst, dass er plötzlich zwischen zwei vollkommen verschiedenen Frauen hin und her gerissen wurde. Aber da hatten diese beiden Frauen auch noch ein Wort mit zu reden. Die eine wollte keine feste Beziehung mit ihm, und die andere würde jeden Moment zu sich kommen und ihm vermutlich die Hölle heiß machen. Im nächsten Moment gab seine Begleiterin einen leises Brummen von sich, griff sich an die Schläfen und öffnete einen Moment später die Augen. Mit funkelndem Blick sah sie ihn an und Dheran dachte bei sich: Jetzt geht das wieder los. „Verdammt noch mal, Tar´Kyren, das muss aufhören!“ fuhr die Spanierin den Andorianer gleich darauf wütend an. „Wenn du mich im laufenden Jahr noch ein Mal als lebendige Zielscheibe benutzt, dann schieße ich dich eigenhändig über den Haufen, damit du da ganz klar siehst!“ Tar´Kyren Dheran sagte nichts, doch seine Mundwinkel begannen verdächtig zu zucken bei ihren Worten. „Ach, das findest du wohl wahnsinnig komisch!“ hob Pasqualina erneut an. „Dann...“ „Ruhe!“ fuhr Dheran ihr in die Parade. „Das Gezeter hält ja kein Andorianer aus! Glaubst du etwa, ich hätte aus purem Vergnügen auf dich geschossen? Diese Pflanzenwesen hatten dich vollkommen unter ihrer geistigen Kontrolle!“ „Pflanzenwesen?“ Pasqualina blickte Dheran ungläubig an. „Ich kann mich nicht erinnern, was nach unserer Ankunft auf diesem Planeten passiert ist.“ „Das hier ist schon wieder ein anderer Planet“, versetzte Dheran und erklärte ihr, was sich zugetragen hatte. „Unfassbar“, entfuhr es der Spanierin schließlich. „Und ich habe von alldem nicht das Geringste mitbekommen.“ Sie blickte den Andorianer bedauernd an und fragte: „Du konntest dich wirklich mit diesen Pflanzen verständigen? Mein Gott so eine Chance und ich war völlig weggetreten.“ „Die waren nicht begeistert uns zu sehen“, knurrte der Andorianer finster. „So wie es scheint, waren die Cryllianer einst auf deren Planeten. Als sie abzogen versprachen sie, nie wieder zu kehren und nun denken diese Wesen, wir würden dazugehören und die hätten ihr Versprechen gebrochen.“ Die Spanierin nickte düster und meinte ahnungsvoll: „Hoffentlich zeitigt das nicht irgendwann einmal unangenehme Konsequenzen.“ Sie verwarf den Gedanken daran jedoch schnell wieder. 210.000 Lichtjahre bis zur Milchstraße, die zuerst einmal überwunden werden wollten, waren schließlich kein Pappenstiel. Sie hakte das Thema ab und sagte ablenkend: „Weißt du schon, wo wir uns momentan aufhalten?“ „Nein, aber wir werden es feststellen.“ Dheran erhob sich, nahm seine Waffe auf und ging zu Pasqualina hinüber. Auffordernd reichte er ihr seine Hand und sie zögerte nicht, sie zu ergreifen und vom Boden aufhelfen zu lassen. Noch auf dem Weg durch den Gang schlossen sie ihre Helme. Als sie schließlich im Freien standen ächzte Dheran aufgebracht: „Schon wieder eine orange-rote Sonne. Das nimmt anscheinend kein Ende.“ Pasqualina Mancharella nickte in Gedanken. „Das ist doch offensichtlich. Da die Stützpunkte für eine lange Zeit errichtet wurden, wählte man alte Planeten, ohne besondere tektonische Aktivitäten. Und da rote und orange-rote Sterne einen langen und relativ stabilen Lebenszyklus haben sind die Portalstützpunkte relativ sicher davor durch Kosmische Katastrophen vernichtet zu werden.“ Der Captain nickte ihr anerkennend zu. „Sie machen unserem Eierkopf schwer Konkurrenz, wie es scheint.“ Die Spanierin lächelte amüsiert. „Danke für die Blumen.“ Sie ließen ihre Blicke über die Landschaft schweifen. Die Sonne stand halb über dem linken Horizont. Nur vereinzelte weiße Wolken, die im Begriff waren sich aufzulösen, standen am aquamarin-blauen Himmel. Vor ihnen erstreckte sich eine sanft abfallende Ebene. Das hohe, strohgelbe Riedgras wogte im böigen Wind, und wirkte beinahe wie eine bewegte Wasseroberfläche. Vereinzelt stachen fremdartige, bunte Blumen durch das Einheitsgelb, die einen betäubenden Duft verströmten. In der Ferne erkannten sie, beinahe vom Dunst verschluckt, eine flache Hügelkette. Etwa auf halbem Weg mäanderte ein breiter, gewundener Flusslauf durch die Ebene. Lebhaft deutete die Spanierin nach einer Weile auf eine Gruppe ausladender Bäume, die weit jenseits des Flusses standen. „Dort bei den Bäumen scheint ein Gebäude zu stehen.“ Dheran folgte ihrem Blick, konnte aber nur einen silbernen Punkt erkennen. Selbst die Vergrößerungsoptik der Helmvisiere ließ kaum Einzelheiten erkennen „Bist du sicher?“ Er ließ sein Fernglas rematerialisieren, welches eine wesentlich höhere Auflösung besaß, und setzte es vor das Visier. Nach einer Weile meinte er: „Tatsächlich, aber es scheint dem Hirn eines Geisteskranken entsprungen zu sein. Lass uns dort mal nachsehen, ob wir jemanden antreffen, den wir nach dem Heimweg fragen können.“ Die Spanierin machte eine zustimmende Geste. „Das wird aber eine ganz schöne Wanderei“, meinte sie, während sie los marschierten. „Wenn die Sonne unter, und nicht aufgeht, dann werden wir es kaum vor morgen bis dorthin schaffen. Außerdem gilt es, den Fluss zu durchqueren. Allein der Weg hinunter zum Fluss war weiter, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Erst nach über drei Stunden strammen Marsches kamen sie am Ufer an. Vor einigen Minuten war die Sonne dieses Systems blutrot hinter der fernen Hügelkette versunken und es herrschte bereits merkliches Zwielicht, als Dheran beschloss, die Nacht im Schutz einer nahen Baumgruppe zu verbringen. Sie sammelten etwas Holz und der Andorianer entfachte mit einem fein dosierten Phaserstrahl aus seiner Rifle ein Feuer. Mit dem Rücken an zwei Bäume gelehnt, die sich etwa drei Meter gegenüber standen, saßen sie sich gegenüber und ließen eine der Feldrationen aus dem Ausrüstungspuffer rematerialisieren. Schweigend aßen und tranken sie, dabei ihren eigenen Gedanken nachhängend in die Flammen des kleinen Feuers starrend. Sie hatten es weniger dazu entzündet, um sich daran zu Wärmen – dazu waren die Kampfanzüge, die sie trugen besser geeignet – als vielmehr um ein Stück Vertrautheit auf diesem fremden Planeten zu schaffen. „Eigentlich geht es uns doch gar nicht so schlecht“, meinte Dheran mit gedämpfter Stimme und blickte hinauf zum Abendhimmel, an dem die ersten Sterne aufleuchteten. „Wir haben zu essen und zu trinken, und wir befinden uns bei bester Gesundheit, abgesehen von einigen Blessuren.“ Er blickte Pasqualina anzüglich an und fügte süffisant hinzu: „Das blaue Auge und die blutverkrustete Unterlippe verleiht dir dabei einen besonderen Reiz, muss ich sagen. Das gibt dir eine gewisse zusätzliche Wildheit, die zu dir passt.“ „Danke schön“, knurrte die Spanierin finster. „Du machst hier deine faulen Witze, doch der Tod von Lieutenant Lazar scheint dich nicht sonderlich zu belasten.“ Dherans Blick bekam übergangslos etwas raubtierhaftes und Commander Mancharella wurde im selben Moment klar, dass sie zu weit gegangen war. Noch bevor sie sich für ihre Worte entschuldigen konnte, hatte sich der Andorianer vorgebeugt wobei sich seine Antennen ebenfalls in ihre Richtung bogen. „Hören Sie mir jetzt mal ganz genau zu, Commander“, begann der Captain gefährlich leise, und nur die Tatsache, dass er nun das förmliche Sie, und ihren Rang benutzte, deutete darauf hin, dass er kolossal wütend geworden war. „Wenn Sie meinen, dass mir die Leute unter meinem Kommando nichts bedeuten, dann können Sie gar nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Seit ich bei der Sternenflotte bin habe ich Freunde und Kameraden sterben sehen, viel zu viele, wenn Sie mich fragen. Und bei jedem hatte ich das Gefühl es stirbt auch ein Stück von mir selbst, Commander. Irgendwann jedoch musste ich erkennen, das dies der beste Weg ist, sein Wesen und sein eigenes Ich zu verlieren. Von diesem Moment an kämpfte ich gegen dieses Gefühl an. Das hat mich nicht härter gemacht, aber es hat mich davor bewahrt, mich selbst unwiederbringlich zu verlieren. Außerdem haben wir den Gefallenen gegenüber die verdammte Pflicht weiter zu leben; weiter zu kämpfen, damit ihr Tod nicht vollkommen sinnlos war.“ Sein Blick wurde noch eindringlicher und er verfiel wieder in das vertraute Du. „Hör mir zu, Pasqualina, wenn wir unsere Identität verlieren, oder wie ihr Menschen sagt – die Menschlichkeit, dann laufen wir Gefahr einen Krieg zu einer persönlichen Angelegenheit zu machen; und wenn das geschieht, dann sind wir so gut wie tot. Oft hat einen guten Sternenflottenangehörigen nicht der letzte Auftrag getötet, sondern der Vorletzte. Eine solche Entwicklung, gerade in Kriegszeiten, darfst du niemals zulassen, weder bei dir, noch bei den Leuten unter deinem Kommando. Wenn du diese Lektion gelernt und auch verstanden hast, dann hast du in deiner Entwicklung einen großen Schritt nach Vorne gemacht. Und erst dann wirst du schlussendlich in der Lage sein, ein eigenes Kommando auf einem Raumschiff zu führen.“ Die Spanierin schwieg betreten und hatte Mühe seinem eindringlichen Blick stand zu halten. Nach einer Weile sagte sie leise: „Tut mir leid, Captain. Meine Worte waren unbedacht und unfair.“ In Dherans Augen glomm für einen Moment so etwas wie Respekt auf. Dann meinte er rau: „Jetzt komm mir bloß nicht mit dieser Vorgesetztenmasche.“ Sie wagte ein angedeutetes Lächeln und nickte nur. Eine Weile schwiegen sie, bevor Pasqualina es war, die diesmal das Schweigen brach. „Darf ich dich etwas persönliches fragen, Tar´Kyren?“ „Schon wieder? Das scheint die Woche der persönlichen Fragen zu werden.“ Er seufzte gespielt und sagte schließlich entsagungsvoll: „Also, dann heraus mit der Frage.“ „Pasqualina räusperte sich, und fragte dann gerade heraus: „Ich habe mich gefragt, warum du dir die Narbe auf deiner Wange nicht entfernen lässt. Nach dem Dominion-Krieg habe ich vielfach Leute mit solchen Narben gesehen. Sie scheinen sie als eine Art Kriegstrophäe zu tragen, aber bei einem hoch dekorierten Mann, wie dir, kann ich mir diesen Grund nicht so recht vorstellen.“ Dheran blickte etwas an der Spanierin vorbei und sie bemerkte, dass sie anscheinend eine Saite in Dheran berührt hatte, noch dazu eine klingende. Abwartend blickte sie über die Flammen des Feuers hinweg zu ihm; und als sie schon nicht mehr damit rechnete, sah er sie wieder an und begann zu erzählen...   ( Bericht Tar´Kyren Dheran )   „Die U.S.S. EXODUS, ein Schiff der AKIRA-KLASSE unter dem Kommando meines Freundes Valand Kuehn, seinerzeit Captain, war drei Tage vor dem Ende des Dominionkrieges auf Sternenbasis-375 eingetroffen. Dieses Schiff mit der Registriernummer NCC-77007 war seit nun mehr zwei Jahren meine zweite Heimat; eine Heimat, die zudem meinen besten Freund mit ein bezog, den ich einige Jahre nicht gesehen hatte, bevor ich zur EXODUS versetzt wurde. Das dieser Freund Captain des Schiffes, und damit mein direkter Vorgesetzter war, tat unserem herzlichen Umgang mit einander keinen Abbruch. Schon zu Akademiezeiten hatten wir eine spontane, gegenseitige Sympathie für einander verspürt. Vielleicht war das so, weil wir uns in unserem unbedingten Durchsetzungswillen sehr ähnlich waren. In Gemüt, Temperament und Verhalten unterschieden wir uns hingegen wie Tag und Nacht, so dass die meisten Leute, die uns näher kannten, sich oft fragten, warum ausgerechnet wir beide so gute Freunde sein konnten, und dass schon seit rund sechzehn Jahren. Was uns ebenfalls verband war, dass wir beide stets offen unsere Meinung sagten, und nicht über Dinge stillschweigend hinweg sahen, wenn sie uns störten. Ein Blick auf den Hauptbildschirm sagte mir, dass die Sternenflotte bald einen neuen Schlag gegen das Dominion führen würde. Die Umgebung der Station war zum Aufmarschgebiet großer Kontingente der Zweiten, Fünften, Siebenten und der gesamten Neunten Flotte geworden, und fast stündlich erschienen neue Schiffsverbände in der unmittelbaren Nähe der Sternenbasis. Für einen erfahrenen Offizier ein sicheres Anzeichen für eine bald stattfindende Großaktion. Vice-Admiral Ross hatte die EXODUS angefordert allerdings die Gründe dafür verschwiegen. Wohl weniger weil er der Valand Kuehn nicht getraut hätte, als vielmehr deswegen, weil die Mission für die er die EXODUS einzusetzen gedachte von signifikanter Bedeutung war, die absolut geheim zu bleiben hatte. Die EXODUS hatte gerade, unter meiner Führung an der Sternenbasis angedockt, als Valand aus seinem Bereitschaftsraum auftauchte und mich anwies, unverzüglich mit ihm das Schiff zu verlassen, um den Admiral aufzusuchen. Schon zu diesem Zeitpunkt beschlich mich eine ungewisse Ahnung, dass ich selbst ein Teil des Planes von Admiral Ross sein könnte. Welchen Auftrag Ross mir dann aber tatsächlich angedeihen lassen wollte hätte ich mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorzustellen gewagt. Beinahe im Gleichschritt eilten Valand und ich durch die Gänge des Schiffes, durchquerten den Verbindungstunnel von Andockrampe 11 und bahnten uns den Weg durch die Station, die Ross und der 9. Flotte als Hauptquartier diente. Auf dem Weg zum Büro des Admirals bemerkte ich die teils fragenden, teils neugierigen Blicke der Stationsbesatzung. Selbst über zweihundert Jahre nach der Gründung der Föderation, deren Mitbegründer mein Volk war, gehörten hochrangige Andorianer in der Sternenflotte noch immer einer starken Minderheit an. Noch dazu welche, die sich einen gewissen Ruf erworben hatten, wie es mein Freund Valand gern behauptete, doch dies kam mir in diesem Moment weniger in den Sinn. Dabei hatte es Valand gerade nötig, denn ihm selbst eilte ein hervorragender Ruf voraus. Schon zu Akademiezeiten gehörte er zur „Red-Squad“, was er andere Kommilitonen jedoch nie hatte spüren lassen. Ich hatte ihn in meinem ersten Jahr an der Akademie kennen gelernt. Zu dieser Zeit war Valand bereits im Abschlussjahrgang. Was mich gleich an ihm faszinierte war seine ungeheure Zielstrebigkeit, die er durch seine geradezu aufreizende Ruhe zu überspielen wusste. Einige seiner Klassenkameraden an der Akademie hatten stets behauptet, mit seiner Ruhe könne Valand selbst Vulkanier aus der Fassung bringen. Auch als wir vor dem Schott zum Büro des Admirals ankamen war mein Freund und Vorgesetzter die Ruhe selbst, während ich selbst einen Vulkan in mir toben spürte. Nicht zuletzt deswegen, weil ich neugierig darauf war, was der Admiral mit uns und der EXODUS vorhatte. Die Sekunden vor dem Schott erschienen mir wie Minuten, und ich war froh, als es sich endlich für uns öffnete. Hinter Valand trat ich ein und war erstaunt um den ausladenden Schreibtisch des Admirals bereits eine Versammlung von fünf Flottenoffizieren und eine Bajoranerin in der Uniform des Bajoranischen Militärs anzutreffen. Wenn ich die Rangabzeichen richtig in Erinnerung hatte stand diese Bajoranerin im Rang eines 2nd Lieutenant. Das Erste, was mir an ihr auffiel war ihr so jugendliches und doch gleichzeitig hartes Gesicht, dass von ihren großen, grün-grauen Augen beherrscht wurde. Ihre schulterlangen, haselnussbraunen Haare hatte sie zu einem sogenannten Pferdeschwanz zusammengebunden. Vom Körperbau wirkte diese Bajoranerin, die mir nur bis zur Schulter reichte, eher schmächtig auf mich, doch während meiner Zeit in der Sternenflotte hatte ich gelernt, niemals ein Wesen nach seinen seinen Äußerlichkeiten zu beurteilen. Von den anderen Offizieren, und dem bulligen Chief-Petty-Officer hatte ich in der letzten Zeit immer wieder gehört. Sie bildeten die Kommando-Crew der DEFIANT. Im Einzelnen handelte es sich um Lieutenant-Commander Worf, die Lieutenants Julian Bashir und Ezri Dax, sowie Chief O´Brien. Diese Crew hier anzutreffen verstärkte das Gefühl in mir, dass der kommende Einsatz alles andere als ungefährlich werden würde. Der fünfte im Bunde war Captain Sisko. Sein harter und doch so melancholischer Blick verwirrte mich etwas. Wir meldeten uns bei Admiral Ross und der beherrscht wirkende Mann nickte uns freundlich zu. Dann erhob er sich aus dem Sessel und ergriff das Wort: „Nun, da wir komplett sind möchte ich Ihnen nicht länger verheimlichen, warum ich Sie alle habe herkommen lassen. Momentan bereiten wir einen direkten Schlag gegen das Herz der Cardassianischen Union vor. Wir werden direkt nach Cardassia-Prime vorstoßen und die Führung der Allianz zwischen Cardassia, dem Dominion und den Breen festnehmen. Es gibt nur ein größeres Problem und das ist die Tiefenortungsphalanx auf Avenal VII. Solange diese Basis existiert werden wir bereits weit vor dem cardassianischen Raum geortet und der Feind erhält die Gelegenheit sich frühzeitig zu formieren. Deshalb haben Captain Sisko und ich, zusammen mit unseren bajoranischen Verbündeten einen Plan entwickelt, diese Ortungsphalanx vor dem Großangriff auszuschalten. Bitte Captain, erklären Sie selbst, was Ihnen zu diesem Problem eingefallen ist.“ Der hochgewachsene, wuchtig gebaute Captain trat ein Stück in die Mitte des Raumes und sagte mit entschlossener Miene: „Vor geraumer Zeit haben die Klingonen unter Kanzler Gowron einen Angriff auf Avenal VII geflogen und dabei eine empfindliche Niederlage einstecken müssen, was kein Wunder war, da sich seine Streitkräfte 1:6 in der Unterzahl befanden. Bei diesem Angriff wurden sieben Kreuzer der Klingonen schwer beschädigt, fünf weitere über dem Planeten vernichtet, dessen Trümmer ihn noch immer umkreisen. Natürlich wissen unsere Feinde um die strategische Bedeutung des Systems und dem entsprechend stark ist ihr Flottenkontingent in diesem System. Außerdem liegt es tief in cardassianischem Raum, was einen Angriff auf das System zusätzlich erschwert. Ein Frontalangriff auf das System kommt also nicht in Frage. Darum werden wir einen Kommandotrupp absetzen müssen, der sich auf der Oberfläche des Planeten der Phalanx nähert und sie ausschaltet. Transportscrambler verhindern dabei, dass wir einen Trupp in aussichtsreiche Nähe der Phalanx beamen können, deshalb werden wir diesmal etwas unkonventioneller vorgehen müssen. Wir werden nur zwei Leute absetzen, und zwar unter Zuhilfenahme der Trümmerstücke jener Klingonenkreuzer, die über Avenal VII vernichtet wurden. Die DEFIANT wird die beiden Freiwilligen samt Ausrüstung in eines der größeren Trümmerstücke beamen und dann auf Kollisionskurs mit dem Planeten bringen, möglichst so, dass beide nahe bei der Phalanx landen können. Innerhalb der Atmosphäre werden beide Freiwillige aussteigen und mit konventionellen Fallschirmen landen.“ Sisko wandte sich bei diesen Worten mir zu. „Aus diesem Grunde habe ich den Admiral gebeten dass Captain Kuehn Sie zu dieser Besprechung mitbringen soll, Commander. Sie besitzen einschlägige Erfahrung im Umgang mit Fallschirmen, wie ich Ihrer Dienstakte entnehmen konnte. Außerdem liest sich Ihre Akte wie ein Abenteuerroman, was mich in der Ansicht bestärkt, dass Sie genau der richtige Mann für diesen Einsatz sind. Es gibt eine weitere Schwierigkeit, die ich Ihnen nicht verheimlichen will: Wegen des Engmaschigen Energieortungsnetzes auf Avenal VII können Sie weder Tricorder benutzen, noch Phaserwaffen, ohne vorzeitig geortet zu werden. Aus diesem Grund werden Sie mit altertümlichen, halbautomatischen Sturmgewehren ausgerüstet, die schallgedämpft sind und Projektile verschießen. Sie, Commander, kennen sich ja mit solchen Waffen bestens aus, da sie, laut Dienstakte, ihr Hobby sind. Wir gehen davon aus, dass die Cardassianer ihr Flottenkontingent aus dem Avenal-System abziehen, wenn die vereinten Flottenkontingente der Romulaner, der Klingonen und der unseren vorrücken. Wenn der Angriff auf Cardassia-Prime abrollt, wird die ICICLE nach Avenal VII ausscheren, und Sie beide wieder aufnehmen“ „Sie müssen selbstverständlich nicht an diesem Einsatz teilnehmen“, warf Admiral Ross ein. „Wie Captain Sisko richtig erwähnte ist dieser Einsatz freiwillig. Sie können jederzeit von diesem Auftrag zurücktreten. Niemand wird Ihnen das übel nehmen.“ „Sir, ich bin dabei“, hörte ich mich selbst sagen. „Ich würde nur gerne wissen, wer der andere Wahnsinnige ist, der mich dabei begleiten wird.“ Zu meiner Überraschung trat die schmächtige Bajoranerin dicht an mich heran und musterte mich herausfordernd. „Ich werde diesen Einsatz mit Ihnen durchführen, Commander, und wenn sie Ihre Augen aufmachen, dann lernen Sie möglicherweise noch ein paar Dinge, die sie später gut gebrauchen können.“ Während meiner bisherigen Dienstzeit bei der Sternenflotte war ich nur selten sprachlos gewesen; dies war einer dieser seltenen Momente. Unwillig sah ich dieses bajoranische Mädchen, als Frau konnte man sie kaum bezeichnen, an und wollte gerade zu einer scharfen Erwiderung ansetzen, als Admiral Ross, nicht ohne ein gewisses Schmunzeln erklärte: „Second Lieutenant Fylara Nareen vom Bajoranischen Militär hat sich bereit erklärt, uns bei dieser wichtigen Mission als Scout zu unterstützen. Sie hat einige Jahre auf diesem Planeten verbracht und kennt sich in dem betreffenden Gebiet, in dem die Ortungsphalanx errichtet wurde, gut aus. Außerdem hat sie bei Tests mit dem angesprochenen Sturmgewehr bewiesen, dass sie damit gut umzugehen versteht. Sie, Commander Dheran, werden eng mit Lieutenant Fylara zusammenarbeiten.“ Vermutlich um mich zusätzlich zu reizen, rückte das Mädchen dichter an mich heran, bei den Worten des Admirals, bis ihre Schulter meinen Arm berührte. Ich revanchierte mich, indem ich ihr einen leichten Schubs versetzte, der sie überraschte und etwas zur Seite straucheln ließ. Kaum dass sie wieder neben mir stand und meinen amüsierten Gesichtsausdruck bemerkte, rammte sie mir heimlich, halb durch Valand verdeckt, ihren spitzen Ellenbogen so fest in die Rippen, dass ich einen unterdrückten Laut von mir gab. Admiral Ross, der aufmerksam wurde, sah mich fragend an, und eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn: „Gibt es da hinten bei Ihnen etwas, von dem ich wissen müsste?“ „Nein, Admiral“, erwiderte die Bajoranerin schnell und warf mir einen verschwörerischen Blick zu. Meine momentane Wut über diesen Hieb verrauchte bei diesem Blick und ich beeilte mich, dem Admiral zu versichern: „Status unverändert, Sir.“ „Schön zu hören“, kommentierte Ross spitzfindig und wandte sich zu Valand. „Captain, Sie werden dem Ablenkungsverband zugeteilt. Dieser Verband wird aus 57 schweren Einheiten bestehen, und einen Blitzangriff auf das System vortäuschen. Die DEFIANT wird im Schutze ihrer Tarnvorrichtung mitfliegen und hoffentlich nicht weiter auffallen. Während der Ablenkungsverband die Cardassianer beschäftigt, wird die DEFIANT sich enttarnen, Commander Dheran und Lieutenant Fylara absetzen und dem ausgesuchten Wrackfragment den entsprechenden Kurs geben. Danach wird sich der Verband zurückziehen und unsere beiden Freiwilligen müssen auf ihr Glück und ihre Fähigkeiten vertrauen.“ Während der Admiral sprach, wurde mir klar, dass wir im Begriff waren, einen der schlimmsten taktischen Fehler zu begehen. Wir begannen uns auf Eventualitäten zu verlassen, etwas dass man tunlichst niemals machen sollte. Als der Admiral uns entließ, nachdem der Starttermin festgelegt worden war, und Valand mir alles Gute gewünscht hatte, begab sich Captain Benjamin Sisko unauffällig an meine Seite. Vor dem Büro des Admirals hielt er mich am Unterarm zurück und blickte mich eindringlich an: „Auf ein Wort unter vier Augen, Commander Dheran.“ Wir warteten bis die Anderen um die Gangbiegung verschwunden waren, bevor Sisko wieder das Wort ergriff und leise fragte: „Warum gehen Sie immer wieder auf Himmelfahrt-Kommandos wie dieses, Commander? Ich meine, Ihr Mut steht außer Frage, Sie haben ihn schon unzählige Male unter Beweis gestellt, wie ihrer Dienstakte zu entnehmen war. Etwas beweisen zu wollen kommt also nicht in Frage, doch was ist es dann?“ Ich erwiderte den eindringlichen Blick seiner dunklen Augen und erwiderte: „Aufgaben, wie diese, sind mein Job, Captain, und zwar weil ich diese Jobs am besten erledige. Deshalb habe ich auch diese Aufgabe übernommen, und sie niemandem überlassen, der sie nicht so gut erledigen kann.“ Siskos Gesicht blieb undurchdringlich, nur seine Stimme wurde schneidender. „Sie scheinen von dem, was sie da sagen überzeugt zu sein, Commander?“ „Ja“, bestätigte ich knapp. „Wenn Sie mir einen Besseren für diese Mission zeigen, dann überlasse ich ihm die Aufgabe und trete gerne zurück, Sir.“ Die Züge des Captains entspannten sich übergangslos und mit angedeutetem Lächeln legte er seine rechte Hand auf meine Schulter und sagte: „Man muss mutig sein, um diesen Einsatz durchzuführen, Man muss die richtigen Fähigkeiten mitbringen, um diesen Einsatz durchzuführen. Und man muss bis zu einem gewissen Grad, wahnsinnig sein, um diesen Einsatz durchzuführen. Viel Glück, Commander, und passen Sie auf sich und das Mädchen auf.“ „Aye, Captain.“ Ich blickte Sisko nach, und begann zu ahnen, dass ich eben eine Art Prüfung bestanden hatte. Nachdenklich machte ich mich auf den Weg zur Andockrampe, an der die DEFIANT; die neue DEFIANT, festgemacht hatte. In zwei Stunden sollte die Mission anlaufen. Auf dem Weg dorthin hätte ich, in Gedanken versunken, fast Fylara Nareen über den Haufen gerannt, die an einer Gangkreuzung auf mich gewartet hatte. Fragend blickte sie zu mir auf und meinte: „Vertragen wir uns wieder, Commander? Immerhin werden wir bald gemeinsam auf uns allein gestellt sein, und ich mag es nicht, wenn Jemand sauer auf mich ist.“ Mit treuherzigem Augenaufschlag blickte sie mich auf eine Weise an, die es mir unmöglich machte abzulehnen. Ich ergriff ihre angebotene Hand und antwortete, ein Lächeln unterdrückend: „In Ordnung, Lieutenant, schließen wir Waffenstillstand und konzentrieren uns auf die Mission.“ Nebeneinander schritten wir durch die belebten Gänge der Sternenbasis, und ich bekam fast nicht mit, dass wir den Hangar erreicht hatten, in dem die DEFIANT festgemacht hatte. Crew und Schiff hatten in den letzten Jahren immer wieder von sich reden gemacht und ich war schon sehr neugierig darauf, dieses Schiff einmal im Einsatz zu erleben. Im Laufe der nächsten zwei Stunden wurde die Ausrüstung, von der Captain Sisko gesprochen hatte an Bord gebracht, darunter zwei Kapseln aus einem nichtmetallischen Verbundstoff, der Temperaturen von bis zu 10.000 Grad Celsius aushalten konnte, ohne Schaden zu nehmen. Fylara Nareen erklärte mir, dass diese Kapseln bereits auf Bajor beim Eintritt in die Atmosphäre des Planeten erfolgreich getestet worden waren und in der letzten Phase des Falls Luftbremsen ausfahren würden. Nun sollten sie bei unserer Mission eingesetzt werden und uns, nach dem Eintritt in die Atmosphäre von Avenal VII sicher in die unteren Schichten bringen. In etwa 2000 Metern über der Oberfläche würden sie sich dann vollkommen auflösen, und wir würden weitere 1500 Meter im freien Fall zurücklegen, bevor sich unsere Fallschirme, modifizierte Versionen des T-10 und des T-10R, öffneten. Das alles würde hoffentlich nicht die Aufmerksamkeit der Cardassianer auf dem Planeten erregen, so dass wir im weiteren Verlauf bis zur automatisch arbeitenden Sensorphalanx vorstoßen konnten, um sie zu sabotieren. Soweit der Plan, ob er auch funktionieren würde, sollte sich schon sehr bald zeigen.   * * *   Sieben Stunden später waren Fylara Nareen und ich am gefährlichsten Punkt unserer Mission angelangt. Der Angriff des Sternenflottenverbandes war vor einigen Minuten abgebrochen worden, nachdem die DEFIANT das vereinbarte Code-Signal abgestrahlt hatte, dass unser erfolgreiches Absetzen anzeigte. Soweit wir das beurteilen konnten, hatte es keine Verluste auf Seiten unseres Angriffsverbandes gegeben. Die Bajoranerin und ich selbst befanden uns zu diesem Zeitpunkt bereits im kontrollierten Absturz, dicht über den oberen Schichten der Atmosphäre von Avenal VII. In leichten Raumanzügen, mit einem Sauerstoffvorrat für etwa drei Stunden, arbeiteten wir uns, mit Hilfe von Magnetstiefeln über das geborstene Deck eines alten K´Tinga-Kreuzers zu einem der zahlreichen ausgeglühten Einschusslöcher vor wo wir die Kapseln mit Magnethalterungen arretierten. Die Drehung, in die der Traktorstrahl der DEFIANT dieses Trümmerstück versetzt hatte, würde die Kapseln fort schleudern, sobald wir innerhalb der Atmosphäre die Klammern lösen sollten. Fylara Nareen und ich blickten uns durch die Scheiben unserer Helme an und die Bajoranerin schritt dicht an mich heran, als wir fertig waren. Sie legte ihre Helmscheibe gegen meine, um sich mit mir unterhalten zu können, denn hier draußen im luftleeren Raum waren wir auf die Übertragung der Schallwellen über das Material der Helme angewiesen. Den Funk wagten wir, aus Sicherheitsgründen, nicht zu benutzen. Ihre Stimme klang seltsam hohl, als sie sagte: „Nun wird es nicht mehr lange dauern, bis wir in die obere Atmosphäre eintreten, also begeben wir uns besser in unsere Kapseln. Falls die Mannschaft der DEFIANT gute Arbeit geleistet hat, werden wir etwa einen Tagesmarsch von der Phalanx entfernt landen. Einen Hinweis noch, Commander. Da unten gibt es keine gefährlichen Raubtiere, wohl aber gefährliche Pflanzen, seien Sie also vorsichtig, und warten Sie nach der Landung, bis ich bei Ihnen bin.“ „Und wenn Ihnen etwas passieren sollte?“ „Na, in dem Fall müssen Sie selbst sehen, wie Sie klar kommen.“ Ich grinste schief. „Genau so habe ich mir diesen Einsatz vorgestellt. „Das verspricht doch richtig spaßig zu werden.“ Ich hob den Helmkontakt auf, machte eine aufmunternde Geste und begab mich zu meiner Kapsel, die im oberen und unteren Bereich überwiegend transparent war, so dass man einen fantastischen Rundblick auf die Umgebung hatte. Mehrmals in der Minute zog dabei die Oberfläche des Planeten vorbei, die wenig später bereits den gesamten Sichtbereich ausfüllte. Ungeduldig wartete ich auf den Moment, in dem uns die Halterungen vom Wrackteil weg katapultieren würden und ich war mir ziemlich sicher, dass es Fylara Nareen nicht anders erging. Als sich unsere Kapseln dann endlich lösten hatte ich den Eindruck dass Stunden vergangen waren, obwohl es sich nur um wenige Minuten gehandelt haben konnte. Als die Kapseln, im Abstand von nicht mehr als einigen hundert Metern durch die dichten, unteren Wolkenschichten rasten, wurde mir bewusst, dass es in wenigen Momenten soweit war, sich auf den freien Fall vorzubereiten. Bereits wenige Augenblicke später löste sich die Kapsel in einer Orgie aus kaltem Licht auf, und ich fand mich übergangslos im freien Fall, Richtung Planetenoberfläche, wieder. Wie bei Sprüngen, die ich zuvor bereits mehrmals absolviert hatte, nahm ich eine stabile X-Lage ein und erkannte, nachdem ich die letzten grau-braunen Wolken durchstoßen hatte, unter mir bereits erste Einzelheiten der Oberfläche. Sehr weit konnte ich jedoch nicht blicken, da ein starker Regen in diesem Gebiet niederging. Zu meiner Linken, gerade noch an der Grenze des sichtbaren Bereiches, sah ich die Rauchsäule des aufgeschlagenen Wrackteils aufsteigen. Etwas rechts von mir erkannte ich einen breiten, gewundenen Flusslauf, der in Richtung der Ortungsphalanx verlief, wie die Bajoranerin mir erklärt hatte. Wir waren also relativ nahe am geplanten Zielgebiet. Jetzt musste nur noch die Landung funktionieren, was bei dem dichten Urwald unter mir kein ganz so leichtes Unterfangen werden würde. Deutlich spürte ich den Moment, als sich der Schirm auf meinem Rücken entfaltete und einen Moment später wurde ich recht unsanft in die Vertikale gerissen. Schmerzhaft zog es mir das Gurtzeug in den Leib bis der Fallschirm sich nach etwa vier Sekunden ganz entfaltet, und meinen Fall soweit abgebremst hatte, dass ich mich nun nur mehr mit etwa 3m/sec. Der Boden näherte. Noch während ich mich einpendelte, blickte ich prüfend nach oben, um festzustellen, ob sich der Fallschirm wirklich vollständig geöffnet hatte, oder ob es möglicherweise irgendein Problem gab. Zu meiner Beruhigung stellte ich fest, dass die Rundkappe stabil und in voller Größe über mir stand. Deutlich konnte ich das Loch in der Mitte der Kappe erkennen, mit dem reißfesten Stoffring in der Mitte, an dem die Schnüre des Schirms zusammenfanden. Es wurde Zeit, das Sturmgepäck vor meinen Beinen auszuklinken. Es gab einen kurzen Ruck, als sich das 5 Meter lange Seil am Gepäck straffte und das Gepäck unter meinen Füßen baumelte. Ein Blick nach unten belehrte mich darüber, dass es nur noch etwa 150 Meter bis nach unten waren. Noch hatte ich das Gefühl zu schweben und dem Boden nicht näher zu kommen, doch dass würde sich ab einer Höhe von etwa dreißig Meter ändern. Ich hatte Glück, etwas links unter mir gab es eine kleine Lichtung, und ich griff hoch in die linken Schultergurte um sie nach unten zu ziehen und auf diese Lichtung zu zu slippen. In fünfzehn Meter Höhe war klar, dass ich in jedem Fall auf der Lichtung herunterkommen würde und ich nahm Landehaltung ein; den Blick frei geradeaus, um zu vermeiden, die Beine unbewusst an den Körper heran zu ziehen. Die Knie fest zusammen, winkelte ich die Beine leicht an, senkte die Fußspitzen etwas nach unten und nahm die Ellenbogen nach vorne. Als ich kurz darauf den Boden berührte, schob ich die rechte Hüfte heraus und rollte über die Schulter ab, um gleich darauf wieder auf den Beinen zu stehen. Schnell zog ich die Schnelltrennschlösser an den Hauptgurten des Fallschirms, um die Kappe vom Gurtzeug zu trennen, was verhindern sollte, das eine der starken Windböen möglicherweise den Schirm aufblähte und mich mit sich zog. Als ich endlich auch das Gurtzeug, samt Raumanzug abgelegt hatte, begab ich mich zu meinem Sturmgepäck zog das altertümliche, schallgedämpfte Projektil-Sturmgewehr aus dem Waffenfach und schulterte den Rucksack. Nach einem prüfenden Griff zu meinem Kampfmesser am linken Oberschenkelfutteral meiner Uniformkombination, lud ich die halbautomatische, armlange Waffe durch und blickte mich genauer um. Friede herrschte um mich herum, wenn man von dem schlechten Wetter einmal absah, und nichts deutete darauf hin, dass von irgendwo her eine Gefahr drohen könnte, doch ich wusste, dass dieser Eindruck täuschte. Auf dieser Welt gab es eine Feindbasis, die vernichtet werden musste. Nur der frische Wind und das Niedergehen des Regens waren zu hören, sonst war kein Laut zu vernehmen. Ein leises Geräusch zu meiner Rechten ließ mich aufmerksam werden, und in diese Richtung blicken. Zu meiner Erleichterung erkannte ich Lieutenant Fylara, die ihre Waffe senkte, nachdem sie mich erkannt hatte. Ich ging auf sie zu und fragte mit gedämpfter Stimme: „Wir sollten feststellen, wo wir uns genau befinden und dann schleunigst auf den Weg machen. Ich möchte diesen Einsatz möglichst schnell hinter mich bringen.“ „Wenn Sie das tun, dann werden Sie in wenigen Minuten tot sein, Commander“, antwortete die Bajoranerin ernst und warf einen Blick zum bewölkten Himmel hinauf. „Um diese Zeit gehen die Triganulas auf die Jagd – fortbewegungsfähige Pflanzen, die hochgiftig sind, wie die meisten Pflanzen dieses Planeten, und über ein gewisses Instinktbewusstsein verfügen. Macht Ihnen dieser Einsatz immer noch Spaß, Commander?“ „Ich lache mich halb tot“, erwiderte ich gereizt und blickte zu dem Mädchen, das sich aufreizend lässig auf den Boden setzte und ihre Augen schloss. Erst einige Augenblicke später, als ich sie leise vor sich hin murmeln hörte, wurde mir bewusst, dass sie zu den Propheten betete. Ungläubig realisierte ich, dass dieser bajoranische Lieutenant, mitten in einem selbstmörderischen Einsatz genug inneren Frieden fand, um geistliche Hilfe zu erbitten.“ Zum ersten Mal spürte ich so etwas wie Respekt für dieses schmächtige Mädchen in mir aufsteigen. Fast automatisch setzte ich mich ebenfalls und dachte ein wenig beschämt daran, wie lange es her war, dass ich selbst zu den andorianischen Sternengöttern gesprochen hatte. Nur sehr selten machte ich mir Gedanken über mein spirituelles Heil, und ausgerechnet diese vorlaute und respektlose junge Bajoranerin erinnerte mich jetzt daran. Beinahe wäre ich deswegen wütend auf sie geworden, doch noch rechtzeitig rief ich mich innerlich zur Ordnung. Ich lenkte mich damit ab mir vorzustellen, wie wir in die Phalanx eindringen sollten. Auf dem Weg hierher hatte Fylara Nareen erklärt, dass es einen Entlüftungsschacht gab, der von einem schmalen Sims am Gebäude zu erreichen war, den sie wiederum über einem Felsüberhang zu erreichen gedachte. Alles in Allem würde das eine gewagte Kletterpartie werden, soviel hatte die Bajoranerin durchblicken lassen. Ich fuhr aus meinen Gedanken, denen ich mich in der Folge hingab auf, als mich Fylara Nareen nach über einer Stunde ansprach: „Ich denke wir können es nun wagen. Wenn wir zu spät aufbrechen, könnten uns die Evarian-Pflanzen in die Quere kommen, bevor wir die höher gelegenen Felsen erreichen, auf denen wir relativ sicher sind. Von dort aus wird unser Weg dann einfacher.“ „Klingt gut“, erwiderte ich, erleichtert weil es endlich los ging. Untätigkeit war mir schon immer zutiefst verhasst gewesen. Da ich keine ernsthaften Selbstmordgedanken hegte überließ ich 2nd Lieutenant Fylara die Führung und hielt mich, etwa vier Schritte Abstand wahrend, direkt hinter ihr. Der undurchdringliche, grün-braune Dschungel und der Dauerregen schlugen mir auf das Gemüt. Trotzdem sorgten die vorangegangenen Worte der Bajoranerin dafür, dass ich aufmerksam blieb. Ich hatte keine sonderliche Lust, unser Unternehmen, an der Angriffswut einer giftigen Dschungelpflanze scheitern zu lassen. Nach einer Weile bewegten wir uns durch abschüssiges Gelände und fast übergangslos tauchte das Flussufer vor uns auf. Einige Stunden lang marschierten wir am Ufer entlang, bevor uns die Luftwurzeln einiger Bäume, die uns die Sicht auf den nahen Wasserfall, den der Fluss hier bildete, nahmen, zu einem Umweg zwangen. Der Zufall wollte es, dass wir uns beide gerade im dichtesten Unterholz befanden, als entfernte Stimmen aufklangen. Vorsichtig pirschte ich mich zu Nareen vor, die im Schutz eines ausladenden Busches in Sichtdeckung gegangen war. Weniger als siebzig Meter von uns entfernt bewegte sich ein ganzer Zug von cardassianischen Bodentruppen in breiter Reihe auf unseren Aufenthaltsort zu. Man hatte wohl das Wrackteil jenseits des Flusses niedergehen sehen und wollte sich jetzt vergewissern, ob alles seine Ordnung hatte. Noch hatten sie uns nicht entdeckt, und ich bedeutete dem Mädchen sich in Richtung des Flusses zurückzuziehen, in der trügerischen Hoffnung, sie würden kehrt machen, bevor auch sie das Ufer erreicht hatten. Den reißenden Fluss durchschwimmen zu wollen war von vornherein aussichtslos; bevor wir das andere Ufer erreicht hätten, wären wir in den Abgrund gespült worden. Außerdem hatten wir dort keinerlei Deckung. Also zogen wir uns unauffällig am Ufer entlang, bis zu den Felsen des Wasserfalls zurück und spähten über die Felsen. Unsere Hoffnung die zirka fünfundzwanzig schwer bewaffneten Cardassianer würden in eine andere Richtung schwenken erfüllte sich nur zum Teil. Während sich am Ufer etwa die Hälfte nach links wandte, marschierten die Anderen genau auf uns zu. Schleunigst zogen wir uns hinter die Felsen zurück und ich robbte auf allen Vieren zur Felskante vor. Der Wasserfall schoss etwa dreißig Meter abwärts in ein großes, natürliches Wasserbecken, dass mich auf eine Idee brachte, wie wir vielleicht doch ungesehen von hier verschwinden konnten. Kaum wieder bei Nareen angekommen raunte ich ihr leise zu: „Wir springen über die Felskante, Lieutenant. Unten rauschen wir in ein Wasserbecken dass tief genug ist. Die Cardassianer werden gar nicht merken, dass wir hier waren.“ Statt zu antworten lief Nareen geduckt zu der Felskante, blickte prüfend hinunter und meine als sie wieder bei mir war: „Ich kann mich bremsen.“ Sie hob ihre Waffe und machte sich kampfbereit. Unwillig blickte ich sie an und zischte leise, mit unterdrücktem Zorn: „Hören Sie, ich würde auch nicht da hinunter springen, wenn ich nicht müsste.“ Das Mädchen funkelte mich, mit einem Ausdruck von Endgültigkeit in ihren Augen an und widersprach heftig: „Ich müsste, aber ich tue es nicht.“ Langsam wurde ich wirklich wütend. „Verdammt, warum nicht?“ „Ich kann nicht schwimmen!“ In jeder anderen Situation wäre ich bei diesen Worten explodiert. Hier, tief in feindlichem Territorium und kurz vor dem Scheitern unseres Auftrags, kam mir das Ganze so bizarr vor, dass ich einen Lachanfall unterdrücken musste. „Sie können nicht schwimmen?“ ächzte ich mühsam. „Sie kommen doch, vor Angst, schon tot unten an...“ Nareen spähte noch einmal über den Felsen, der uns deckte, warf mir einen beinahe mörderischen Blick zu und ergriff plötzlich meine Hand. Mich mit sich ziehend rannte sie auf die Felskante zu. Einen Moment später hatten wir keinen Boden mehr unter den Füßen und noch im Fallen drückte ich eine Hand auf den Mund der Bajoranerin, weil sie drauf und dran war, laut zu schreien. Nach einem endlos erscheinenden Moment tauchten wir ins eiskalte Wasser ein und es schien ewig zu dauern, bis wir wieder die Wasseroberfläche erreicht hatten. Tief Luft holend sah ich Nareen neben mir auftauchen. Gleich darauf ging sie wieder unter und ich bekam sie gerade noch zu fassen, um sie wieder über Wasser zu ziehen. Schon jetzt wurden wir von den Stromschnellen, die sich hier unten anschlossen mitgerissen und fast panisch klammerte sich das Mädchen an mich. „Lassen Sie mich gefälligst los, ich ersticke sonst“, fauchte ich sie an. „Und ich saufe ab wenn ich Sie loslasse“, konterte sie gurgelnd und packte noch etwas fester zu. „Mein Gepäck zieht mich nach unten.“ Erst fünfhundert Meter weiter, nachdem der Fluss eine leichte Biegung machte und sich verbreiterte, wobei er langsamer floss, gelang es mir, Nareen zu beruhigen und besser über Wasser zu halten, ohne dabei selbst an Atemnot um zu kommen. Einen weiteren Kilometer flussabwärts hatten wir uns dem Ufer wieder so weit genähert, dass wir sicheren Boden unter den Füßen hatten, und wateten an Land. Vor Nässe triefend und frierend standen wir im Regen und blickten uns an. Schließlich meinte ich schmunzelnd: „Das war doch mal eine witzige Einlage, oder finden Sie nicht? Wenn es nach mir geht können wir das gleich nochmal machen.“ „Warum hat mich keiner gewarnt, dass ich mit einem Verrückten auf diese Mission gehe?“ erwiderte Nareen grob. „Es heißt, dass nur ein Verrückter einen Verrückten erkennt“, konterte ich gegen, wobei ich merkte, dass Nareen nicht so wütend war, wie sie vorgab. „Sie werden es wohl wissen.“ Das Mädchen rückte ihren Rucksack zurecht und machte sich wieder auf den Weg. Ich folgte ihr und nur aus den Augenwinkeln bemerkte ich die schnelle Bewegung, die sie auf mich zu machte. Mit einem kräftigen Schubs warf sie mich zu Boden und ich wollte sie bereits anfahren, warum sie das gemacht hatte, als ich ihr unterdrücktes Aufstöhnen vernahm. Erst jetzt bemerkte ich auch den gelblich-braunen Pflanzendorn, der aus ihrem Hüftbereich ragte. Mir wurde klar, dass mich Nareen davor gerettet hatte selbst ein Opfer dieser Dornenpflanze zu werden. Geistesgegenwärtig fing ich sie auf, als sie in den Knien einbrach. Aus unnatürlich geweiteten Augen blickte sie mich an und flüsterte fast unhörbar: „Sie müssen den Dorn herausziehen, und die Wunde desinfizieren. Aber sie müssen sich beei...“ Sie wurde bewusstlos, bevor sie geendet hatte. Schnell beeilte ich mich zu tun, was Nareen mir gesagt hatte. Der Dorn war an der Eintrittswunde, am Rücken, so fest, dass ich zwei Versuche benötigte, bevor ich ihn abbrechen konnte. Wegen der Widerhaken am Dorn konnte er nur zur Austrittsöffnung herausgezogen werden. Ich suchte fieberhaft die Schutzhandschuhe aus meinem Gepäck, streifte sie über und machte mich daran, den, vom Blut des Mädchens rot gefärbten, Dorn nach Vorne aus der schrecklichen Wunde heraus zu ziehen. Es tat mir fast selbst weh, als der Dorn endlich mit einem spürbaren Ruck aus der Wunde befreit war. Achtlos legte ich ihn zur Seite und suchte im Medi-Kit nach dem Breitbandantigift, welches nach Nareens Anweisungen für diese Mission hergestellt worden war. Gleichzeitig sollte dieses Hypo-Spray den Kreislauf stabilisieren. Während das Serum auf seine Wirkung warten ließ, öffnete ich die Uniform des Mädchens, drehte es auf die unverletzte Seite und legte ihren Bauch und Rückenbereich frei. Die Wunde blutete stark und ich beeilte mich damit sie auf beiden Seiten zu desinfizieren, und notdürftig zu versiegeln damit ich einen Druckverband anlegen konnte. Noch während ich damit beschäftigt war, kam Nareen mit einem schmerzhaften Aufstöhnen wieder zu sich. Ich wies sie an sich ruhig zu verhalten, damit ich sie zu Ende verbinden konnte. Bevor ich dem Mädchen wieder in die Uniform half, verabreichte ich ihr noch ein Antischmerzmittel in die Halsvene. Nur langsam entspannten sich ihre Gesichtszüge und sie warf einen schnellen, Unheil verkündenden Seitenblick auf den Dorn. Eine ganz und gar ungute Ahnung befiel mich und ich fragte nach einer Weile: „Ich vermute diese Pflanze ist giftig?“ Nareen nickte schwach und ich wartete einen Moment, bevor ich die entscheidende Frage stellte: „Wie giftig?“ Nareen blickte mich an, und in diesem Moment wusste ich, dass jenes Serum, dass ich ihr gespritzt hatte, die Vergiftung nicht würde erfolgreich bekämpfen können. Es schien mir zynisch und beinahe Menschenverachtend, jetzt an den Auftrag zu denken, und in Gedanken meine nächsten Fragen zu formulieren, aber es herrschte Krieg und das Leben von wesentlich mehr intelligenten Lebewesen hing davon ab. „Wie lange werden sie gegen die Wirkung des Giftes ankämpfen können, Lieutenant? Sind Sie in der Lage mir den Weg zur Phalanx zu zeigen?“ Nareen deutete meinen, um Entschuldigung bittenden Blick richtig und sie nickte, schwach lächelnd. „Ja, zuerst wird es mir anscheinend wieder besser gehen. Dann, etwa in siebzehn Stunden Terra-Standard wird das Gift seine volle Wirkung entfalten. Die ersten Anzeichen werden Schwindel und zeitweiser Orientierungsverlust sein. Danach wird innerhalb von wenigen Minuten, das vegetative Nervensystem versagen und der Atem- und Herzstillstand eintreten.“ Ich fröstelte etwas, als Nareen so klar und scheinbar emotionslos von ihrem bevorstehenden Tod sprach. „Können Sie sich bewegen?“ Das Mädchen nickte wobei sie kurz das Gesicht verzog. Obwohl sie sich nichts anmerken lassen wollte, merkte ich, dass sie Schmerzen haben musste. Sie biss jedoch die Zähne zusammen und erhob sich, unter meiner Mithilfe. Ihr Gepäck zusätzlich vor der Brust tragend legte ich mir ihren rechten Arm um die Schulter, packte sie mit dem anderen Arm um die Hüfte und wir marschierten los, wobei ich das Tempo nicht zu sehr forcierte. Mit der Zeit ging es besser und wir kamen fast in normalem Tempo voran. Die Antischmerzmittel begannen voll zu wirken. Als endlich die Dämmerung herein brach, erreichten wir den Eingang eines schmalen Seitentales, dass in einigen Kilometern Entfernung steil ansteigen sollte, nach Nareens Aussagen. Wir schlugen uns nun durch immer dichter werdendes Unterholz und Nareen fragte mich, als das Gelände wieder passierbarer wurde: „Sag mal, wie heißt du eigentlich mit Vornamen?“ Ich blickte sie überrascht an, weil sie mich einfach geduzt hatte. Andererseits hätte es mir nicht viel gebracht, ihr drakonische Maßnahmen dafür anzudrohen, denn sie hatte nur noch etwa einen halben Tag zu leben. Und bei diesem Gedanken meldete sich tief in mir, zum wiederholten Mal ein stechendes Gefühl von Schuld, denn sie hatte mein Leben dadurch gerettet, dass sie den giftigen Dorn empfangen hatte, der eigentlich mich getroffen hätte, ohne ihr beherztes Eingreifen. Da war es das Mindeste, ihr nun ein Wenig nachzugeben. „Tar´Kyren“, antwortete ich deswegen und akzeptierte stillschweigend ihre vertrauliche Anrede. „Aber dann werde ich auch Nareen zu dir sagen, klar?“ „Vollkommen klar“, schmunzelte sie gezwungen und blickte beunruhigt zum rasch dunkler werdenden Himmel hinauf. „Wir müssen einen Platz für die Nacht finden, denn dann lassen die Ilumé-Bäume, die hier überall wachsen ihre klebrigen Lianen zu Boden sinken und wir würden uns unrettbar darin verheddern und wären schon nach wenigen Minuten absolut bewegungsunfähig.“ „Hier muss ich unbedingt mal Urlaub machen, wenn ich mehr Zeit habe“, entfuhr es mir schlecht gelaunt, und mein Blick folgte dem des Mädchens. „Dort drüben gibt es Höhlen, in denen wir sicher sein werden“, erklärte Nareen. „Morgen früh, brauchen wir nur dem Verlauf der Schlucht zu folgen. Sie wird uns direkt zur Phalanx auf eine kleine Hochebene führen. Der Taleinschnitt wurde enger und an den Seiten felsiger. Wir kletterten mühsam zur rechten Seite hinauf und erreichten ein kleines Plateau, dreißig Meter über den Baumkronen des Urwaldes, an das sich ein schulterhoher Höhleneingang anschloss. Eine schnelle Überprüfung ergab, dass es im Inneren trocken und relativ sauber war. Ein Feuer wagten wir nicht zu entzünden. Nachdem ich das nasse Unterzeug gegen trockenes gewechselt hatte, setzte ich mich zu Nareen, die sich stillschweigend in eine Ecke der Höhle zurückgezogen und ebenfalls neue Unterbekleidung angezogen hatte. Eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander. Nach einer Weile spürte ich, dass Nareen ganz dicht an mich heran rückte und meinen rechten Arm umklammerte. „Tar´Kyren, ich habe furchtbare Angst“, flüsterte sie mit zittriger, leiser Stimme. „Meine Eltern starben ein Jahr vor dem Ende der Besatzung. Beide waren beim Widerstand und haben mutig gegen die Cardassianer gekämpft. Und ich, als ihre Tochter, warte hier hilflos auf mein Ende, anstatt im Kampf gegen den Feind zu fallen.“ Die letzten Worte brachte sie nur mühsam hervor, bevor sie leise zu Schluchzen begann. Selten hatte ich mich so hilflos gefühlt, wie in diesem Moment. Warum war es leichter aussichtslose Einsätze zu bestreiten, als ein junges Mädchen weinen zu hören? In einem Feuergefecht, gegen eine Übermacht konnte man etwas tun; da wusste ich mir stets zu helfen, aber hier stießen meine Fähigkeiten an ihre Grenzen. Zögernd legte ich schließlich meinen Arm um ihre Schulter und zog sie sacht zu mir heran. Wie eine Ertrinkende klammerte sich Nareen an mich und weinte zum Gott erbarmen. Ich wiegte sie leicht in meinen Armen, streichelte dabei sanft über ihr Haar und bettete ihren Kopf an meine Schulter. Was sollte ich jetzt sagen? Sollte ich überhaupt etwas sagen? Die Fähigkeit des Weinens, war Andorianern nicht gegeben, weshalb ich in dieser Hinsicht auch keine Erfahrungswerte besaß. Und wann war der richtige Moment des Tröstens gekommen? So hielt ich Fylara Nareen einfach in meinen Armen und ließ sie gewähren. Schließlich, als sie sich etwas zu beruhigen schien, räusperte ich mich und entschloss mich leise zu fragen: „Was wurde aus dir, nach dem Tod deiner Eltern, Nareen?“ Nareen schniefte vernehmlich, atmete tief durch und antwortete mit erstickter Stimme: „Die Leute vom Widerstand nahmen sich meiner an. Doch nach einigen Monaten geriet die gesamte Widerstandszelle in eine Falle der Cardassianer. Nur wenige, darunter ich selbst wurden gefangen genommen. Ein cardassianischer Legat kümmerte sich um mich, und er setzte durch, mich als seine Dienerin hierher mitnehmen zu dürfen. Zuerst hatte ich gedacht, dieser Legat hätte eindeutige Absichten mit mir, doch es stellte sich heraus, dass dieser Cardassianer ein Mann von Ehre und Anstand war. Er hatte einfach Mitleid mit mir gehabt und behandelte mich mehr wie eine Tochter, als wie eine Gefangene. Erst viel später erfuhr ich, dass dieser Legat so etwas wie ein heimlicher Rebell gegen den Staat war, was nicht heißt, dass er jemals öffentlich gegen die cardassianische Politik protestiert hätte. Aber er war mit vielem nicht einverstanden, und er versuchte, seine Anschauungen an mich weiter zu geben. Er war der einzige Cardassianer, den ich am Ende nicht tot sehen wollte. Als ich sechzehn Jahre alt war, brachte er mich schließlich nach Bajor zurück, etwa ein halbes Jahr, nachdem die letzten cardassianischen Truppenkontingente abgezogen waren, und ich beschloss, die gerade neu gegründete Militärakademie zu besuchen. Dort fand ich so etwas wie ein neues Zuhause und in meinen Kameraden eine neue Familie.“ Sie schwieg einen Moment, bevor sie fragte: „Was ist mit dir, Tar´Kyren? Hast du eine Familie?“ „Ja“, bestätigte ich, erleichtert darüber, sie mit diesem Gespräch etwas ablenken zu können. „Mein Vater Den´Lyran dient in der Imperialen Garde und wurde kürzlich zum General Dritter Verbandsgröße befördert, was einem Konteradmiral in der Flotte entspricht. Meine Mutter, Vilarai, ist Xeno-Biologin und fast ständig in den Tiefen der Galaxis unterwegs. Dann wäre da schließlich noch meine Schwester, Tia´Lynara, die ich über alles liebe und die sich, gegen den Rat unseres Vaters, dazu entschied Ärztin zu werden. Obwohl sie so ganz anders ist, als ich, haben wir uns immer hervorragend verstanden; vielleicht auch gerade deswegen, wer weiß? „Du vermisst deine Familie sehr oft, nicht wahr?“ Ich schluckte. Dieses bajoranische Mädchen besaß mehr Intuition, als mancher, der wesentlich älter war. „Ja, besonders in der letzten Zeit, da ich wegen des Krieges schon seit mehreren Jahren nicht mehr auf Andoria war. Die Familie ist uns Andorianern sehr wichtig, denn sie gibt uns Kraft. Sie ist unser Lebensinhalt. Ich selbst hätte längst eine eigene Familie gründen sollen, aber...“ Ich unterbrach mich, weil ich nicht mit Sicherheit sagen konnte, was nun wirklich die eigentliche Ursache dafür war, dass ich noch immer Junggeselle war. Vielleicht waren es sogar mehrere Gründe. Nareen deutete mein Zögern richtig und sagte leise: „Du wirst irgendwann eine eigene Familie haben, Tar´Kyren, dessen bin ich mir ganz sicher. Und falls du eines Tages Kinder haben solltest, und eines von ihnen ein Mädchen sein sollte, dann wäre es nett von dir, wenn du es Nareen nennen würdest.“ „Das werde ich“, versprach ich Nareen und ich schwor mir in diesem Augenblick dieses Versprechen zu halten, wenn ich konnte. Wir schwiegen eine Weile und ich dachte schon Nareen wäre eingeschlafen, als ihre Stimme erneut aufklang: „Du musst noch etwas versprechen, Tar´Kyren: Bitte lass mich nicht hier zurück. Wenn alles vorbei ist, dann möchte ich meine letzte Ruhe auf Bajor, in der Kendra-Provinz am Yolja Fluss finden.“ „Ich verspreche dir, dass du nach Bajor zurückkehren wirst; bei meiner Offiziersehre, Nareen.“ Ich spürte, dass sie sich enger an mich schmiegte. Fast unhörbar sagte sie: „Danke, Tar´Kyren. Ich weiß, du wirst es tun. Ich wollte, ich hätte Gelegenheit gehabt dich besser kennen zu lernen.“ Sie atmete tief durch und fragte dann: „Glaubst du an ein Leben nach dem Tod?“ „Ja“, antwortete ich spontan. „Vielleicht treffen wir dann wieder auf einander und ich kann meine Schuld bei dir begleichen.“ „Rede nicht von Schuld“, bat Nareen. „Niemand trägt an dem, was passierte Schuld. Es war Schicksal, nicht mehr und nicht weniger. Wenn du deine Versprechen hältst und meine letzte Ruhestätte vielleicht gelegentlich auf Bajor besuchst, dann sind wir mit einander im Reinen. So und nicht anders möchte ich es haben, Tar´Kyren.“ „Dann wird es so sein“, entschied ich und wechselte das Thema: „Versuche jetzt etwas zu schlafen, ich werde Wache halten.“ „Ich glaube nicht, dass ich...“, begann sie, doch ich schnitt ihr das Wort ab. „Entweder du versuchst es, oder ich schlage dich KO“, drohte ich ihr an. „Aye, Sir“, murrte sie und rückte sich in meinen Armen zurecht. Einige Zeit später kündeten ihre regelmäßigen Atemzüge davon, dass sie tatsächlich eingeschlafen war.   * * *   Ich weckte Nareen aus einem unruhigen Schlaf, als der Morgen zu dämmern begann. Sie wollte etwas sagen, doch ich legte ihr warnend meine Hand auf den Mund und flüsterte ihr zu: „Cardassianer. Sie müssen sich in der Nähe des Höhleneingangs aufhalten.“ Wir nahmen unsere Sturmgewehre auf, entsicherten sie und schlichen geduckt an den Wänden der Höhle entlang zum Ausgang. Gegen den hellen Hintergrund erkannte ich, dass gerade zwei Cardassianer in das Innere der Höhle schauten. Im nächsten Moment traf mich der Lichtkegel eines Scheinwerfers, den einer der Cardassianer trug. Nareen und ich eröffneten fast gleichzeitig das Feuer, von dem nur das Klicken der Verschlüsse zu hören war. Getroffen brachen die beiden Cardassianer zusammen. Die Tatsache, dass von draußen zwei erregte Stimmen auf klangen zeigte uns an, dass sie nicht allein gewesen waren. Wir mussten handeln, bevor sie sich von ihrem Schrecken erholten und Verstärkung herbei riefen, also stürmten wir zum Ausgang. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die beiden feindlichen Soldaten direkt beim Eingang standen. Als ich hinaus stürmte, konnte ich Nareen gerade noch eine Warnung zurufen. Einer der Cardassianer riss geistesgegenwärtig seine Waffe hoch, und erwischte mich , obwohl ich den Kopf rasch zur Seite drehte, mit der scharfen Kante des Laufs an der linken Wange. Ich hatte jedoch keine Zeit auf das scharfe Brennen zu achten, sondern warf mich zu Boden. Keinen Moment zu früh, denn ein Phaserstrahl zischte einen Augenblick später dicht über mich hinweg. Bevor der Cardassianer erneut feuern konnte, hatte ich mich auf den Rücken gedreht und feuerte aus kurzer Distanz drei Schüsse auf ihn ab. Noch während er tödlich getroffen zu Boden ging blickte ich mich zum übrig gebliebenen Feind um. Erleichtert stellte ich fest, dass meine Warnung an Nareen rechtzeitig gekommen war. Sie lehnte am Eingang und blickte auf den getöteten Cardassianer vor sich. „Lass uns schleunigst von hier verschwinden, Nareen. Das Phaserfeuer des Cardassianers ist bestimmt angemessen worden.“ Wir holten unsere Rucksäcke und Nareen sagte besorgt: „Du blutest ziemlich stark, Tar´Kyren. Deine Wunde sollte genäht werden.“ Wir hatten keinen Hautregenerator dabei und so holte Fylara Nareen Nadel und Faden aus dem Medi-Kit. „Dauert nicht lange“, versprach sie und meinte dann: „Dreh dich mal ins Licht, damit ich besser sehen kann, wohin ich steche.“ Ich kam ihrer Aufforderung nach und das Mädchen begann damit, die Risswunde zu nähen. „Zuletzt habe ich das beim Widerstand gemacht“, erklärte sie. „Erwarte also kein Kunstwerk.“ „Hauptsache die Naht hält“, mahnte ich drängend. „Für einen Schönheitspreis haben wir keine Zeit. „Hetze mich nicht, ich beeile mich ja schon“, entgegnete Nareen angespannt und nahm den letzten von sechs Stichen vor. „Fertig. Jetzt siehst du endlich wie ein Mann aus.“ Nareen schmunzelte gequält, bei meinem Blick und meinte: „Vorher erschien mir dein Gesicht etwas zu ebenmäßig.“ „Wir haben keine Zeit für faule Witze“, knurrte ich sie an und schulterte mein Gepäck. Während ich darauf wartete, dass auch sie abmarschbereit war, hörte ich sie unterdrückt murren: „Das war kein Witz.“ Wir beeilten uns mit dem Abstieg und schlugen uns durch den Dschungel, weiter den Taleinschnitt hinauf. Während wir eine freie, etwa vierhundert Meter weite Fläche überquerten und auf eine natürliche Felsenbarriere zu hielten, meinte Nareen: „Wir befinden uns hier schon innerhalb der Dämpfungsfelder der Phalanx. Wenn uns die Cardassianer folgen wollen, dann werden sie es zu Fuß tun müssen. Ich werde hinter den Felsen Stellung beziehen und dir Deckung geben, solange ich kann.“ Ich wollte widersprechen, erkannte jedoch, dass es keinen Sinn haben würde. Sie wollte allein sein, wenn es soweit war, und vielleicht doch noch im Kampf sterben, und ich konnte das gut verstehen. Als wir die Felsen überwunden hatten blickte mich Nareen verzweifelt an und sagte: „Verabschiede dich nun von mir, wie mein Vater es getan hätte, mit einem Kuss auf beide Wangen und auf die Stirn. Und bitte beeile dich Tar´Kyren.“ Tränen standen in ihren Augen. Sanft nahm ich sie in die Arme und küsste sie auf die Art, die sie verlangt hatte. „Lebe wohl, Nareen. Ich werde dich niemals vergessen, und ich werde meine Versprechen einlösen.“ Sie antwortete leise: Ich weiß, Tar´Kyren. Lebe wohl, und kümmere dich darum irgendwann eine Familie zu gründen.“ Ich ließ Nareen schweren Herzens los. Dann übergab ich ihr, bis auf eines, alle meine Ersatzmagazine und machte mich auf den Weg. Ich rannte fast, ohne mich ein einziges Mal um zu drehen, als ich wieder in den Dschungel eintauchte; blind, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, wie ein Tier läuft. Alles in mir schrie auf umzukehren, und ihr in den letzten Augenblicken ihres Lebens beizustehen, aber ich rannte weiter. Ich hasste es in diesem Moment mehr als je zuvor, die Mission über meine persönlichen Bedürfnisse zu stellen, aber man verließ sich auf mich. Wenn ich jetzt versagte, dann würden, in weniger als sechsunddreißig Stunden noch mehr intelligente Wesen sterben, als ohnehin schon. Also erledigte ich meinen Auftrag. Es gelang mir, in die Anlage einzudringen, die Sprengladungen zu platzieren und unangefochten wieder zu entkommen, bevor die Phalanx Minuten später von einer gewaltigen Detonation förmlich zerrissen wurde. Gegen Einbruch der Abenddämmerung erreichte ich die Felsbarriere. Fylara Nareen lag tot zwischen den Felsen zwischen zahlreichen Patronenhülsen, und die Waffe noch umklammert. Fast bildete ich mir ein, als läge ein sanftes, ja, beinahe friedliches, Lächeln auf ihrem entspannten Gesicht. Vorsichtig blickte ich über die Felsen und stellte ungläubig fest, dass mindestens zwanzig tote Cardassianer auf der freien Ebene lagen. Ich drehte Nareens Leiche auf den Rücken, konnte aber keine Schusswunde entdecken. Nareen hatte also alle Cardassianer erledigt. Ich spürte einen imaginären Kloß im Hals und wünschte, ich hätte die Fähigkeit besessen, zu weinen um meine Seelenqualen zu mildern. „Das war gar nicht schlecht, für ein kleines Mädchen“, flüsterte ich bitter und nahm Nareens Leiche auf meine Arme, um sie zur Höhle zurück zu tragen, in der ich abzuwarten gedachte, bis man uns abholen würde. „Gar nicht schlecht...“   ( Bericht Tar´Kyren Dheran: Ende )   Commander Pasqualina Mancharella schwieg eine ganze Weile, nachdem der Captain seine Geschichte beendet hatte. Sie spürte förmlich, dass dieses Ereignis noch immer in ihm tobte. Möglicherweise gab er sich doch die Schuld am Tod des Mädchens. Dann fiel ihr wieder etwas ein; etwas dass sie unbedingt fragen wollte. „Du sagtest, Andorianer können nicht weinen. Stimmt das?“ Tar´Kyren blickte sie an und antwortete: „Hältst du mich für einen Lügner? Natürlich stimmt das. Die andorianischen Tränendrüsen funktionieren etwas anders, als die menschlichen. Da es auf Andoria sehr kalt ist, würde die Kälte dort eine Tränenflüssigkeit mit einer zu hohen Viskosität gefrieren lassen. Darum ist unser Tränensekret von etwas weniger Viskosität und dient in seiner Zusammensetzung gleichzeitig auch dem Kälteschutz unserer Augen. Zusätzlich sorgen feine Rillenlamellen auf der Innenseite unserer Augenlider dafür, dass sich dieses Sekret binnen weniger Lidschläge über die gesamte Augapfelfläche verteilt. Und eine Verschwendung unseres Tränensekrets, wie bei euch Menschen, war von der Natur, für uns Andorianer, offensichtlich nicht vorgesehen.“ Die Spanierin kam aus dem Staunen nicht heraus. „So viel wie in den letzten Tagen habe ich zuvor während meiner gesamten Zeit in der Sternenflotte nicht über Andorianer gelernt.“ Sie blickte eine Weile stumm in die Flammen des kleinen Feuers. Dann sagte sie leise: „Tut mir leid, wenn ich mit meiner Frage eine alte Wunde in dir geöffnet habe, ich hatte ja keine Ahnung, welche Geschichte hinter deiner Narbe steckt.“ „Schon gut“, wehrte Dheran ab. „Ich hätte dir ja nicht antworten müssen. Andererseits liegt mir viel daran, dass du mich verstehst, Pasqualina. Und dieser Ausblick auf einen Teil meiner Vergangenheit trägt vielleicht dazu bei. Vielleicht verstehst du jetzt etwas besser, dass ich dich, und alle anderen Männer und Frauen an Bord der ICICLE nicht deshalb so hart drille, um euch zu schikanieren. Ich will einfach nur so Wenige von Euch, wie möglich verlieren, das ist alles. Wir zwei sind die Hauptverantwortlichen an Bord unseres Schiffes, Pasqualina. wenn wir zwei Mist machen, dann sterben Besatzungsmitglieder. Darum ist es primär an uns dafür zu sorgen, dass dies nicht geschieht. Sicher werden wir nicht immer Verluste vermeiden können, das ist dann unabänderliches Schicksal, so wie bei Lieutenant Lazar. Aber ich möchte nicht, dass wir Männer und Frauen verlieren, weil wir zwei nicht alles getan haben, um so etwas zu vermeiden. Und dazu brauche ich deine aktive Mithilfe.“ Die Spanierin blickte in Dherans leuchtende Augen und für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl tief in Dherans Seele zu blicken und erkennen zu können, wie er wirklich war. Noch während ihr ein leichter Schauer deswegen über den Rücken lief wurde die Miene des Andorianers wieder verschlossen und der Moment des Verstehens verging. Aber jetzt wusste sie zumindest ganz sicher, dass es da noch einen anderen Dheran gab; einen Dheran, der alles andere, als mitleidlos oder gefühlskalt war. Sie spürte in sich eine wahre Welle verschiedener Emotionen aufsteigen und entschlossen antwortete sie: „Du kannst dich auf mich verlassen. In dieser Sache werde ich voll und ganz hinter dir stehen. Es wäre nur schön gewesen, wenn wir dieses Gespräch schon etwas früher geführt hätten.“ Die Antennen des Andorianers spreizten sich. „Du hast recht, ich hätte dir eher dieses Vertrauen entgegenbringen sollen.“ Pasqualina erkannte mit Respekt an, dass sich Dheran nicht scheute, einen Fehler zuzugeben. Wenn sie jetzt noch einen Weg in bekannte Raumgefilde finden würden, wären die Aussichten auf die nahe Zukunft geradezu glänzend gewesen. Tar´Kyren Dheran riss sie aus ihren Betrachtungen, als er sie ansprach: „Ich habe dir einiges von mir erzählt, aber nun habe ich einmal eine Frage an dich. Und zwar würde mich der Grund interessieren, warum du zur Sternenflotte gegangen bist.“ Pasqualina blickte Dheran nachdenklich an, bevor sie antwortete: „Schon als Kind habe ich beim Blick, hinauf zu den Sternen, den Eindruck gehabt, sie würden mich rufen, zu ihnen zu kommen um unbekannte Bereiche der Galaxis zu erforschen. Später hauptsächlich weil ich Grenzen hinausschieben wollte. Keine räumlichen Grenzen, sondern meine persönlichen Grenzen – tief in mir selbst.“ Zu ihrem gelinden Erstaunen verzogen sich die Lippen des Andorianers zu einem warmen Lächeln. So hatte sie Dheran noch nie erlebt. „Du gehörst damit wohl zu den wenigen Lebewesen, die wirklich verstanden haben, wofür die Föderation wirklich steht.“ Die Spanierin wurde verlegen bei seinen Worten und kam schnell wieder auf das Naheliegende zu sprechen: „Glaubst du, dass man nach uns suchen wird?“ Dherans Gesichtsausdruck sprach Bände. „Sicher wird der Chief das Kommando an Bord übernommen haben. So wie ich ihn einschätze hat er unsere MACO´s in Marsch gesetzt, aber da sie uns unmöglich auf demselben Weg nachfolgen können, wird ein Auffinden mehr als schwierig. Aber selbst wenn sie uns finden würden, säßen wir immer noch hier fest, nur mit mehr Leuten. Nein, ich denke wir müssen selbst einen Weg aus diesem Schlamassel finden. Aber zunächst sollten wir uns ausruhen und etwas schlafen. Du übernimmst die erste Wache, ich bin nämlich geschafft davon, dich durch die Gegend zu schleppen.“ Sprachlos blickte Pasqualina Dheran an, der sich behaglich an seinen Baum lehnte und die Augen schoss. Erst nach einem Moment wurde ihr bewusst, dass er mit seiner Entscheidung die schwerere Wache übernahm. Das scheint typisch für Tar´Kyren zu sein, dachte sie unwillig. Versteckt sein gutes Herz hinter groben Reden. Sie packte ihren Karabiner fester und blickte ihn eine Weile an, wobei sie nicht bemerkte, dass sie lächelte. Zusammen mit diesem Mann würde sie einen Weg zurück finden, dessen war sie sicherer als je zuvor. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)