Einsame Gitarrenklänge von phean ================================================================================ Kapitel 19: &19 --------------- „Alles Gute zum Geburtstag, Kari“, lachten mich meine Eltern an. Wortlos sah ich sie an. Die Ferien waren fast vorbei, bald würde die Hochzeit von Tai und Mimi sein und ich hatte zuvor noch Geburtstag. Mir war nicht nach Feiern zumute. Da hielten sie mir aber schon ein kleines Schächtelchen hin. Es war rosa und obenauf ragte eine pinke Schleife. Ich sah zu meinen Eltern und dann wieder auf ihre Hände. Unsicher nahm ich es entgegen und zog an dem Band. Die Schleife löste sich. Erwartungsvoll beobachteten mich meine Eltern. Ich legte meine Hand auf den Deckel und zog ihn vorsichtig runter. Überrascht betrachtete ich den Schlüssel der darin lag. „Damit du selbstständiger sein kannst“, sagte mein Vater, „aber bitte fahr vorsichtig!“ „Ja“, meinte ich etwas perplex. Das war ein Autoschlüssel, tat sich mir der Gedanke auf. Unten, vor dem Haus steht ein Auto für mich. Ein Auto für mich allein. Ein Auto mit dem ich überall hinfahren könnte. „Danke“, murmelte ich und nahm den Schlüssel in die Hand. Ihn weiter betrachtend drehte ich mich um und wollte zurück in mein Zimmer. „Hikari“, rief mir meine Mutter hinterher, „du musst noch die Kerzen auspusten.“ Verwirrt drehte ich mich um, mein Blick fiel auf den Kuchen, der war mir zuvor gar nicht aufgefallen. Wortlos trat ich wieder an den Tisch und atmete ein. Ohne irgendwelche Gedanken pustete ich auf die Flammen und sie erloschen. Beide jubelten und wollten sofort wissen, was ich mir gewünscht hatte. 'Nichts', meinte ich und lief in mein Zimmer. Was sollte ich mir denn auch wünschen. Ich hatte keinen Mut mehr, keine Hoffnung, keine Aufrichtigkeit, keine Liebe geschweige denn Freundschaft oder Licht. Stöhnend streckte ich mich und griff in meinen Schrank. Ich zog einen Stapel T-Shirts heraus und legte sie in meine Reisetasche. Das Rauschen des Meeres in meinen Ohren überhörte ich. Ich kniff meine Augen zusammen und schüttelte meinen Kopf. Seufzend sah ich mich um. Dann griff ich nach einem Bilderrahmen. Vorsichtig strich ich darüber. Mein Finger blieb an dem braunhaarigen Schopf meines Bruders hängen. Er grinste in die Kamera. Während ich vor Sora stehe, ein Digiei auf dem Arm und Gatomon neben mir. Wir alle waren damals so froh, dass die Digiwelt gerettet war, dass Andromon ein Erinnerungsbild gemacht hatte. Tränen sammelten sich in meinen Augen und traten schließlich hervor. Schniefend wischte ich darüber. Die Bewegung war wie ein Einschalten. Ich stöhnte auf, als ich das Meer wieder hörte. Dabei ließ ich das Foto achtlos fallen und fiel selbst auf die Knie. Stöhnend hielt ich mir den Kopf. Versuchte verzweifelt das Rauschen auszublenden und das Meer welches langsam vor meinem inneren Auge auftauchte. Ich biss die Zähne zusammen und wollte es vergessen. Kopfschüttelnd verschwand es langsam und ich konnte mich wieder erheben. Immer wieder war es in den letzten Wochen hervorgekrochen. Als würde es nur auf meine schwachen Momente warten. Ich griff nach dem Rahmen. Das Glas hatte einen Sprung beim Aufprall abbekommen. Seufzend legte ich es auf meine Klamotten und legte noch Schreibsachen und meinen Laptop in die Tasche. Ich sah mich ein letztes Mal um und dann zog ich den Reißverschluss zu. Nachdenklich sah ich auf die Henkel. Ich hatte noch ein Schuljahr, doch es war mir alles egal. Ich konnte hier nicht länger bleiben. Es war eine zu große Qual, denn ich wusste auch um das Gerede meiner Eltern. Sie fragten sich was los sei, weil Tai schon so lange nicht mehr hier gewesen war. Er hatte nur noch mit ihnen telefoniert. Ich wusste, dass sie ihn vermissten. Oft hatten sie auch mich darauf angesprochen, aber ich konnte nichts dazu sagen und ich schaffte es auch nicht. Dabei stiegen mir immer Tränen in die Augen und ich brachte keinen Ton mehr heraus. Ich ertrug das Ganze nicht mehr, es war so schwer und dann kam wieder das Meer. Ich hielt das einfach nicht mehr aus. Ich griff nach meinem Handy. Tief atmete ich durch. Nachdem ich den Chat geöffnet hatte, tippte ich schnell eine Nachricht und schickte sie ab. Ich legte das Handy auf die Tasche und ging zu meinem Schreibtisch, auf dem Stuhl lag meine Handtasche. Auf dem Tisch lagen noch Block und Stift. Ich überlegte hin und her, dann griff ich nach dem Stift und schrieb eine kurze Nachricht auf. Beides schob ich wieder ordentlich hin. Als ich fertig war, ertönte auch mein Handy. Eine positive Antwort war zurückgekommen. Unwillkürlich konnte ich mir da ein müdes Lächeln nicht verbergen. Von dem Stuhl holte ich meine Jacke und zog sie über. Ich öffnete vorsichtig die Türe. Meine Eltern saßen weder in der Küche noch im Wohnzimmer. Die Tür zum Schlafzimmer war leicht geöffnet und sie redeten leise miteinander – über mich. Ich holte tief Luft und nahm allen Mut zusammen, den ich aufbringen konnte. Mit der Reisetasche und meiner Handtasche schlich ich zur Haustür. Etwas unsicher sah ich mich um, dann wieder auf mein Handy. Seufzend lehnte ich an meinem Auto. Ich war der Anweisung nach, in das Waldstück kurz vor unserem alten Sommercamp gefahren um dort zu warten. Aber wie sollte sie hier erscheinen? Ich hörte ein Auto und richtete mich auf, als es langsamer fuhr und auf den kleinen Parkplatz einbog und vor mir hielt. Durch die Beifahrerscheibe erkannte ich das Braunhaarige Mädchen und hatte wieder ihren wundervollen Duft in der Nase. Völlig ruhig zog sie die Handbremse an, machte den Motor aus, schnallte sich los und stieg aus. Seufzend gab sie sich einen Moment und sah mich dann an. Zögernd kam sie um ihr Fahrzeug und blieb vor mir stehen. „Danke“, murmelte sie. Ihre Wangen waren leicht gerötet. „Was meinst du?“, wollte ich verwirrt wissen. „Kari? Was ist los?“ Ich streckte eine Hand nach ihr aus, der sie aber mit einem Schritt nach hinten auswich. „Ich wollte mich nur kurz von dir verabschieden“, den einen Arm ließ sie ausgestreckt, während sie sich mit der anderen Hand an diesen klammerte. Ihr Blick war zur Seite gerichtet. „Wie meinst du das?“, wollte ich unsicher von ihr hören. Ihr Kopf richtete sich auf, „ich werde von hier weggehen und woanders hin. Hier fühle ich mich nicht mehr Zuhause“, ihre Stimme war nur ein Flüstern. Erschrocken versuchte ich ihre Worte einzuordnen. Es brauchte etwas, bis ich verstand, was sie mir damit sagte, sie wollte sich für immer verabschieden, weil Tai sie verstoßen hatte. Ein Kloß machte sich in meinem Hals breit. Die Stimme verließ mich und ich konnte nichts darauf erwidern. Sie nicht aufhalten und ihre nicht ‘alles Gute‘ wünschen. Oder gar, dass ich gerne mit ihr gehen würde. Sie trat auf mich zu, ihre Hände legten sich auf meine Schultern und sie zog sich in die Höhe, ehe sie mir einen Kuss auf die Wange hauchte. Dann ließ sie mich wieder los und zurück blieb eine schmerzende Stelle, die sich mir einbrannte. Ich wollte sie nicht verlieren, aber sie fuhr schon wieder fort. Meine Beine setzten sich von allein in Bewegung und mit einem ausgestrecktem Arm lief ich auf die Straße, ich versuchte ihr hinterher zu rufen, dass sie nicht fort fahren sollte, aber es kam nichts aus meinem Mund. Es blieb still. Nur die Geräusche des davon fahrenden Autos. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)