Secret von ellenchain (Bittere Geheimnisse) ================================================================================ Kapitel 4: ----------- Der Wecker klingelte zur gewohnten Zeit um kurz nach 6 Uhr. Langsam erhob ich mich und dachte nicht weiter über diesen absurden Traum nach. Zähneputzen, Toilette, Duschen, Anziehen, zu Uni. Hallo, Alltag. Ich wollte dir eigentlich entfliehen. Aber die Woche hat ja nur sieben Tage. Noch mit halb geschlossenen Augen und etwas Kopfschmerzen stand ich etwas gereizt an der Haltestelle. Sie war befüllt mit Menschen. Und ich hasste es, wenn Menschen sich einfach vor mich stellten. Wie als wäre ich Luft. Als wäre ich nichts. Und an diesem grauen Tag, der schon kühl und ungemütlich anfing, fühlte ich mich auch wie nichts. Einfach nur den Tag zu Ende führen. Diese Tage kommen und gehen, dachte ich. Jetzt nur nicht wieder in die alte Form fallen. Beherrsch dich.   Sobald ich in die S-Bahn einstieg, sah ich Julians lächelndes Gesicht ein paar Sitze weiter. Ich versuchte zurück zu grinsen und schleppte mich durch die Menschenmenge zu ihm. Er hat mir einen Platz freigehalten. »Ganz schön voll hier morgens immer«, bemerkte er in seiner Standardstimmlage. Gut gelaunt, wie immer. Ich brummte nur kurz und packte meinen Mp3-Player weg. Julian stutzte. »Nicht gut geschlafen?« »Nicht genug.« Er lachte kurz. »Dabei bist du schon so früh gegangen. Oder bist du nicht sofort danach ins Bett gegangen?« Ich schüttelte den Kopf. »Doch, aber irgendwie bin ich trotzdem geschlaucht.« »Verstehe. Ach, deine Laune wird sich bessern, wenn wir unseren tollen Campus erreicht haben und du in die erste Professor-Visage lächelst.« Ich lachte müde. Er lachte mit. Ich nickte kurz und sah ihm in die Augen. Blaue Knopfaugen. Starrten mich an. Blinzelten mal. Ich merkte, wie sie sich verformten. Dann winkte er mir vor mein Gesicht. »Schläfst du jetzt schon mit offenen Augen?« »Nein«, antwortete ich ruhig und strich mir durchs Haar. »Sorry.« Julian grinste nur und sah dann aus dem Fenster. »Ich sag dir, wenn du wach werden musst. Noch lass ich dich mal schlafen.« Ich nickte. »Sehr nett von dir.« Ich lehnte meinen Kopf an die Scheibe und schloss die Augen. Es waren nur 10 Minuten bis zur U-Bahn Station, trotzdem angenehm, kurz die Augen zu schließen. Auf einmal wurde alles immer schwerer und ich …   Julian rüttelte an mir. Er wollte, dass ich aufwache. Vorsichtig erhob ich mich. Er sagte mir, dass die Scheibe echt eklig sei. Ich solle meinen Kopf, wenn er so schwer sei, lieber auf seine Schulter legen. Ich setzte mich neben ihn. Legte den Kopf auf seine Schulter. Kuschelte mich an seinen Hals. Nahm seinen Geruch auf. Dieser bestimmte Duft. Nicht besonders, aber trotzdem süßlich herb. Ein Parfum? Seine Lippen berührten meine Kopfhaut. Ein seichter Kuss von ihm. Ich muss wohl träumen-   »Con, jetzt ist der Zeitpunkt aufzuwachen«, hörte ich seine Stimme. Seine Hand rüttelte etwas an meiner Schulter. Im nächsten Moment hörte ich die Durchsage zum Marienplatz. Ich rüttelte mich verwirrt auf. Die S-Bahn war immer noch brechend voll. Das war... ein Traum, richtig? Ich saß Julian noch gegenüber, also war es wohl... nicht real. »Oh, ich war wirklich weg ...«, murmelte ich, während ich meine Haare im Fenster richtete. »Hab ich gesehen.« Er lächelte mich kurz an. Dann wurde mir kurz heiß. »Ich habe aber nicht ... gesabbert oder dumme Sachen gemurmelt, oder?« Er schüttelte den Kopf und lachte. »Jedenfalls nicht, dass es jemand mitbekommen hätte.«   Wir stiegen aus, trafen Mike und stiegen in die U-Bahn. Dort kam Micky dazu. Mein Traum aus meinem Kurzschlaf ließ mir keine Ruhe, weswegen ich mich etwas zur Seite stellte, während die drei sich angeregt unterhielten. Er fühlte sich so real an. Eine reale Abfolge. Weniger ein Traum. Aber Julian würde so etwas nie tun. Geschweige denn würde ich nie so über ihn denken. Seltsam. Ich träumte, dass ich wohl am träumen bin.   In der Uni angekommen, kam Susa schon auf uns zu. Sie drückte mich feste zur Begrüßung und erkundete sich über meinen Zustand. »Doch, mir geht’s gut. Ein bisschen müde«, antwortete ich wie immer freundlich, obwohl mir an dem Tag nichts Freude bereitete. Sie lächelte zurück. »Das ist schön. Du siehst auch was müde aus, aber dann gehst du heute Abend einfach was früher ins Bett.« Nette Susa. Besorgt um mich. Wir kennen uns doch erst seit einer Woche. Noch nicht einmal. Alle kenne ich nicht so lange. Eigentlich bin ich doch nur ein Anhängsel.   Meine Gedanken wurden immer hämischer und erschreckten mich zu guter Letzt vor mir selbst. Da hatte ich neue Freunde gefunden und machte sie vor mir selbst schlecht. Julian und Mike waren auf einmal weg. Nur Susa und Micky standen noch bei mir. Ich sah mich kurz um. Keine Spur. »Wenn du die beiden Männer suchst, die sind noch eine rauchen gegangen.« Ich nickte nur und verabschiedete mich. Langsam schlurfte ich alleine in den Hörsaal und breitete meine Sachen aus. Der Professor kam nicht pünktlich. Ich ließ meinen Kopf auf dem Tisch sinken. Schloss die Augen. Und gerade, als ich mich zu entspannen schien, strich mir eine Hand über den Rücken. »Mach Platz, Süßer«, ertönte Julians Stimme neben meinem Kopf. Ich öffnete die Augen und sah in sein warmes Lächeln. Ich brummte kurz und stand auf, um beide in die Reihe zu lassen. Julian ließ sich auf den Platz neben mir fallen und packte seine Sachen auf den Tisch. »Mensch, du hast heute ja richtig miese Laune«, bemerkte er nebenbei und sah mich nach keiner Reaktion meinerseits verwundert an. Ich zuckte nur mit den Schultern. »Ich bewundere deine immer währende Aktivität.« Sein Lächeln versiegte. »Meine Aktivität? Du bist eben nur mal müde, da ist doch nichts dabei. Das bin ich auch mal. Aber dabei nicht so schlecht drauf.« »Ist halt so. Ich bin wesentlich öfter müde, als du. Wirst sehen.« »Schönheit braucht eben seinen Preis, hm?« Ich seufzte. Schon wieder diese Bemerkung. »Julian ...«, setzte ich schon genervt an, da fiel er mir ins Wort. »Nimm es doch mal als Kompliment und nicht als Beleidigung.« Mit den Worten öffnete er sein Mäppchen und schrieb einige Dinge von Mikes Unterlagen ab. Unterhaltung beendet. Innerlich seufzte ich und fasste mir an die Stirn. Tag, bitte geh vorbei.   In der Mensa nervte mich Micky mit ihrer zeternden und durchdringenden Stimme. Susa laberte mich die ganze Zeit an, obwohl ich nur spärliche Antworten gab. Mike und Julian spielten mit ihrem Essen. Mir gingen alle so ziemlich auf den Keks.   Zu Hause angekommen, schaltete ich den Computer ein und ging zu Skype, obwohl mir nicht nach Chatten war. Meine frühere beste Freundin war auch nicht online. Machte nichts, dafür schrieb mich im nu Susa an.   Susa: Alles klar bei dir? Du warst heute so abwesend...   Ich war mir noch nicht sicher, ob ich darauf eingehen sollte. Immerhin war mir absolut nicht nach Reden. Und schon gar nicht mit Susa. Die fragte mich so viele Dinge. Zudem wollte ich doch etwas Abstand gewinnen. Aber selber Schuld, wenn ich zu Skype gehe.   Con: Tut mir Leid, heute war einfach nicht mein Tag. :) Susa: Ach so! Geht's dir denn wieder was besser?   Con: Ein bisschen. Aber ich bin müde, ich denke, ich leg mich lieber was hin.   Susa: Kann ich verstehen. Ich will dich auch nicht lange stören. Nur hast du das heute Nachmittag mitbekommen? Micky und Julian haben sich ganz schön gestritten...   Con: Nee? Hab ich nicht mitbekommen, heute bin ich nur mit Mike zurückgefahren.   Susa: Ja, die beiden hatten richtig Zoff. Wohl auch mit Anschreien und so. Richtig krass. Ich dachte nur, du wüsstest wieso.   Con: Nein, sorry. Julian und ich haben noch nicht miteinander gesprochen. Aber ich glaube, er wird mir da auch wenig erzählen.   Susa: Meinste? Ich glaub schon, immerhin mag er dich ;)   Ich überlegte kurz, was ich darauf schreiben sollte. Ich mag ihn auch, trotzdem würde ich ihm nicht mein komplettes Leben auftischen. Aber wir sprechen von Julian, der sein Herz auf der Zunge liegen hatten. Trotzdem: was geht es mich an? Susa wollte mich ausfragen, das war mir klar. Hintenrum an Infos kommen.   Con: Vielleicht hast du Recht. Ich ruf ihn nachher mal an, vielleicht hat es sich auch schon wieder geklärt.   Susa: Hoffentlich, Micky ist nämlich ziemlich am Weinen.   Con: Sag ihr gute Besserung von mir und ich rede mal mit ihm.   Susa: Du bist so lieb, danke dir :-*   Con: Kein Ding :)   Damit ging ich off. Wieso mische ich mich da ein?, fragte ich mich selbst und schüttelte den Kopf. Julian und Micky waren in einer Beziehung und in einer Beziehung streitet man sich auch mal. Susa sollte sich da ebenfalls nicht einmischen. Die beiden hatten es knapp 10 Monate ausgehalten, also würde es jetzt auch nicht brechen. Vor allen Dingen schien dieser Streit wie aus dem Nichts gekommen zu sein, denn am Morgen waren sie noch glücklich am rumknutschen.   Seufzend holte ich mir ein Eis aus dem Eisfach und durchsuchte meine Kontakte auf meinem Handy. Hase wurde sofort zu Julian umgeändert. Wo wir schon mal dabei waren. Ich wählte seine Nummer. Es wählte und wählte. Niemand ging ran. Also legte ich wieder auf und war innerlich froh, dass er nicht ranging, da mir in meinem schlechtgelaunten Zustand weitere Probleme nicht gut auf den Magen geschlagen wären.   Es dauerte jedoch keine zehn Minuten, da klingelte mein Handy. »Hey, Julian«, meldete ich mich und warf den Holzstängel vom Eis weg. »Du hattest angerufen?« Er klang verdammt ernst. »Hab ich gestört?« »Etwas, Micky war da.« »Tut mir Leid, ich wollte nicht stören. Ich hab von Susa schon -« »Oh, bitte! Micky kann auch nicht ihr Maul halten! Susa hat mir auch schon eine Moralpredigt gehalten, bitte du jetzt nicht auch noch ...« Ich schwieg kurz am Telefon. Er klang ziemlich niedergeschlagen. Allein, dass er direkt so aus der Haut fuhr, als ich nur Susa erwähnte, ließ darauf schließen, dass er ziemlich zur Sau gemacht worden ist. »Nein … Nein, ich wollte mich nur nach dir erkundigen. Aber wenn es dir grade nicht gut geht, können wir auch auflegen.« Er schluckte kurz. »Ist vielleicht besser, ich will nicht meine Wut an dir ausladen.« Ich lächelte etwas. »Wenn es dir danach besser geht, kannst du das aber gerne tun.« Was redete ich denn da? Julian tat mir Leid, aber ich war doch kein emotionaler Wertstoffhof! Ich hörte ihn etwas kichern. »Nein, ich will dich damit echt nicht nerven. So schlimm ist es auch gar nicht. Micky hatte nur wieder ihre Phase. Von Sonntag noch.« Ja, da war was, erinnerte ich mich. Weswegen er Ablenkung brauchte und ich vorbeikam. »Wie du willst ...«, antwortete ich und ließ ihm die Entscheidung.   In der Tat blieb er bei seiner Meinung sich lieber alleine zu beruhigen und lag nach einer kurzen Verabschiedung auf. Der Arme, dachte ich, und sah sein trauriges Gesicht vor mir. In dieser Woche schien genauso viel los zu sein, wie in der letzten. Ich traf so viele Menschen und hab schon den vollen Alltagsstress im Nacken. Plus den von anderen Menschen. Aber Julian ging mit seinem Problem mit Micky gegen aller meiner Erwartungen recht erwachsen um. Eine Micky oder Susa hätte mich jetzt sicherlich vollgesabbelt.   Ich ging früh ins Bett. Legte mich in meine Kissen und hörte draußen den Regen fallen. Lauschend dachte ich an meine Träume von Letztens und wusste, ich würde wieder träumen. Seit wann eigentlich …?   Plötzlich donnerte es und ich stand senkrecht im Bett. Mein Handy klingelte, Julian war dran. Wir hatten halb 2 nachts. Er stand vor meiner Tür. Durchnässt ließ ich ihn rein. War mir nicht sicher, ob es Tränen oder Regen waren. Wir legten uns in mein Bett, ich kuschelte mich an ihn. Er weinte doch etwas. Sagte, alles sei so kompliziert. Wüsste nicht wohin mit allem. Würde am liebsten gehen. Einfach weg. Mit mir. Ich musste lächeln. Er lächelte mich an. Ich gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Da lachte er. Die Tränen trockneten. Wir schliefen ein. Wie kitschig, dachte ich.   Wieder klingelte meine Wecker. Ich setzte mich auf. Blickte auf die Uhr. Sah mich um. Kein Julian, natürlich nicht. Wie seltsam alles war in letzter Zeit. Traum oder Realität wurde auf einmal so nah. Aber wieso Julian? Bestimmt weil Lucy mal so eine doofe Andeutung gemacht hat. Eigentlich erst seit dem komischen Gespräch mit ihr träumte ich dumme Dinge von ihm. Aber darüber schwieg ich lieber. In der S-Bahn setzte ich mich neben ihn. Mehr als ein »Guten Morgen« war nicht drin. Er starrte nachdenklich aus dem Fenster. Schien ihn richtig mitzunehmen; von wegen also ist nicht so schlimm. Seine blauen Knopfaugen sahen traurig aus. Er tat mir Leid.   Micky stieg nicht in die U-Bahn dazu. Jedenfalls nicht in unser Abtei. Denn als wir den Campus betraten sah ich sie kurz mit Lucy und Andreas entlanglaufen. Ich hatte keine Ahnung worum es ging, aber es schien doch heftiger zu sein, als gedacht. Mike entschuldigte sich kurz und lief zu einem Kerl hin, der ebenfalls bei uns im Komplex studierte. Julian und ich blieben kurz stehen, um auf ihn zu warten. Er hatte mich heute noch nicht einmal angesehen, dachte ich. Ich will in seine Augen sehen... Ich zupfte an seiner Jacke. Er drehte sich zu mir um. Sah mich fragend an. Da waren sie, seine Augen. So traurig, als wäre der ganze Glanz der letzten Tage in ihnen mit einem Mal verschwunden. »Bitte sei nicht so traurig«, blubberte ich völlig unbedacht raus und sah verletzt zu ihm auf. Er sah erst mich an, dann kurz auf den Boden, seufzte und lächelte gezwungen. »Ist so unnötig alles, weißt du?« Ich nickte zustimmend, strich ihm tröstend über den Arm. Wieso konnte ich in solchen Momenten nicht so belustigend drauf sein wie er selbst, wenn ich schlechte Laune hatte. So wie gestern. Trotzdem ich so miese Laune hatte, konnte ich mit ihm lachen. Aber das saß wohl tiefer. Je länger unser Schweigen anhielt, desto mehr fingen seine Augen an zu glänzen. Er blickte kurz nach oben und der erste Wasserstau bildete sich. »Julian ...«, quälte ich seinen Namen aus meinen Lippen und zerbrach schon fast an seinem Anblick. Der sonst so lustige, immer gut gelaunte Julian, stand vor mir und konnte sich keine Tränen zurückhalten.   Ohne darüber nachzudenken, schlang ich meine Arme um seinen Hals und drückte ihn an mich. Als ich bemerkte, wie dämlich es aussehen muss, wenn zwei Kerle sich so offen umarmten, wollte ich wieder loslassen. Doch seine Hände hielten meinen Rücken fest. Er schob seinen Kopf zwischen meine Schulter und Hals. Eine Träne rollte meinen Hals runter. Dann die zweite. Aber er weinte ganz still; ich hörte nicht einen Mucks von ihm. Vorsichtig strich ich über sein kurzes braunes Haar. Wie ich mich auf Zehenspitzen stellen musste, um ihn so zu erreichen... Er war so groß. »Ich bin mir sicher, dass wird sich wieder einrenken«, murmelte ich in sein Ohr und versuchte beruhigend zu wirken. Er schnaufte kurz, gab aber keine Antwort. Ich fügte hinzu: »Auch wenn du das sicherlich immer hörst.« Julian löste sich dann aus unserer Umarmung. Er lächelte und wischte sich mit seinem Langarmshirt über die Augen. »Du bist der Erste, der mir das sagt.« Negativ überrascht schob ich die Augenbrauen zusammen und legte meine Stirn in Falten. Mit einer sanften Bewegung strich ich mit meinem Ärmel über eine Träne, die an seinem Kinn hing. »Kann ich nicht verstehen ...«, murmelte ich.   Wir gingen dann weiter ohne noch auf Mike zu warten; seine Augen waren nur minimal rot, sodass wenigstens niemand doof schaute. Mike bemerkte ebenfalls nichts, als er wieder zu uns stieß. In der Mittagspause setzte ich mich mit Julian alleine an einen Tisch, bewusst nicht zu den anderen. Mike setzte sich zu Micky und Susa. Seine regen Blicke zu uns verrieten, worüber sie redeten.   »Darf ich denn erfahren, um was es ging?«, fragte ich vorsichtig nach einigen Minuten. Julian rührte apathisch in seiner Suppe. »Micky hatte am Sonntag vom Vortag Saufen schlechte Laune und Kopfschmerzen. Sie war ja ziemlich dicht. Ich habe sie massiert und versucht nett zu wirken, aber sie wurde immer struppiger.« Mit verzogener Miene hörte ich ihm weiter zu. Er starrte nur in seine Suppe und wechselte hin und wieder mal das Blickfeld mit mir. »Dann warf sie mir vor, ich würde immer nur an das eine denken. Ich würde sie nur massieren, weil ich dabei an Sex denken würde. Ich würde immer in allem Hintergedanken haben.« »Echt? Also ich kenn eure Beziehung jetzt nicht so genau, aber ...« »Bestimmt nicht, Con«, negierte er meine Vermutung, »Ich denke zwar oft daran, aber bestimmt nicht immer. Und vor allen Dingen an dem Sonntag nicht.« »So wie sich das anhört, klingt es mehr nach: Das ist öfter so, Sonntag war der Auslöser.« Er lächelte müde. »Ja, du hast es erkannt. Es ist unser wehleidiges Thema. Sie hat nie Lust, ich dafür immer mehr.« »Ich befürchte, da kann man sich nur auf ein Mittelmaß einigen.« »Und das wäre? Sie ist ja nicht bereit mal mehr mit mir ins Bett zu gehen! Sie will ja nicht öfter als einmal im Monat!«, seine Stimme wurde lauter und angeregter. Ein wunder Punkt wohl. »Das ist natürlich doof, wenn sie sich so quer stellt ...« Mehr fiel mir wirklich nicht ein. Das klang nach einer ziemlich aussichtslosen Situation; aber das konnte ich ihm ja bei Gott nicht einfach so sagen. »Ja! Und wenn ich ihr sage, dass ich mir mehr Initiative von ihr wünsche, belächelt sie es nur und gibt mir zu verstehen, dass unser Sex zwar toll ist, aber es reicht, wenn er etwas Besonderes bleibt. Einmal alle zwei Wochen, oder so. Wenn überhaupt.« Einem Mann Sex zu verweigern ist in der Tat recht unfair. Bedingt durch mehr Testosteron in unseren Körpern ist es eben libidosteigernd. Da kann eine Frau natürlich nichts für. Aber wenigstens Verständnis wäre angebracht... »Ich weiß auch nicht, wie ihr es regeln könntet … Versuch sie zu verführen oder derartiges ...« Er zuckte mit den Schultern und lachte verzweifelt. »Verführen tu ich sie immer. Ich erwarte ja auch nicht, dass sie mir einen bläst, sobald ich ihren Nacken küsse. Sie soll doch einfach nur Spaß daran haben. Mit mir.« Ich seufzte und legte meine Hand auf seine Schulter. »Ich kann dir nur beipflichten es immer wieder zu versuchen und sie davon zu überzeugen, was für'n toller Kerl du bist.« »Haha, was für ein toller Kerl ich bin? Davon ist sie ja hoffentlich überzeugt, sonst würde sie ja nicht mit mir zusammen sein.« »Nun … Meine letzte Freundin -« »Sandra?« »Ja … Sandra ...« Julian merkte sich also Dinge, die ich im betrunkenen Zustand vor mich hersagte. »War die genauso?«, fragte er wesentlich ruhiger. Ich nickte langsam und gestikulierte kurz mit meiner Hand. »Schlimmer. Sie hat irgendwann mit einem anderen geschlafen, weil sie mich nicht mehr interessant fand.« »Oh … Das ist ja echt mies. Das tut mir Leid...« Ich winkte ab. »Passiert. Liebe war das eh nicht.« Liebe, tja, was war Liebe?   Wir redeten dann nur noch über belanglose Dinge, um das Thema Micky im Keim zu ersticken. Essen, Saufen und Party machen. Julian wollte sich am Wochenende mal wieder abschießen. Ich riet ihm davon ab, aber er wollte nicht auf mich hören. Sein Ziel: Abstand von Micky.   In der Tat verging die Woche sehr distanziert von den Mädchen. Ich und Julian hingen zeitweise richtig viel zusammen, Mike verschlug sich auf die Mädchenseite und gab mir nur manchmal zu verstehen, dass ich Julian in der Hinsicht nicht zu viel unterstützen sollte, sonst würde er sich nie ändern. Meine Antwort darauf, dass er sich auch nicht ändern sollte, schlug auf recht wenig verständnisvolles Gedankengut.   Am Freitag kam Micky nach der Uni auf Julian zu und bat ihn um ein Gespräch. Man sah ihm an, dass er Angst hatte, dass Schluss sei. Sie gingen ein paar Schritte in den englischen Garten. Ich folgte unauffällig wie ein Stalker, um Julian eventuell zu helfen, und versuchte das Gespräch grob  mitzubekommen. Sie stand ihm während des Gesprächs schüchtern gegenüber, starrte nur auf den Boden und knibbelte an den Bändern ihrer Tasche. Auf einmal nahm Julian ihr Gesicht vorsichtig in seine Hände und hob es an. Sah sie mit seinen Hundeaugen an und redete auf sie ein. Sie lächelte, schaute kurz verlegen zur Seite. Schließlich küssten sie sich und umarmten sich. Streit vorbei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)