Secret von ellenchain (Bittere Geheimnisse) ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Am nächsten Morgen wurde ich vom Vibrieren meines Handys geweckt. Auf dem Display stand 'Hase'. Ich meldete mich mit einem verblüfften »Ja?«. »Gott sei Dank, dir geht’s gut! Ich dachte schon, du hättest es nicht mehr nach Hause geschafft!« »Julian? Bist du das?« »Ja, wer sonst, Scherzkeks«, lachte er, »dir geht’s doch gut, oder?« »Doch, ja, mir geht’s gut. Ein bisschen Kopfschmerzen hab ich, aber wieso ...« »Macht nix, heute Abend geht’s weiter, da vergisst du die schnell wieder«, sprach er mir ins Wort. »Ach, weißt du, ich glaube, ich lass das lieber mit dem Alkohol heute Abend ...« »Wie du meinst. Ich bring dich eh zum trinken.« »Bitte, Julian. Ich hab voll den Filmriss von gestern ...« Er lachte laut am Telefon. »Echt? Du sahst aber auch ziemlich weg aus.« »Hab ich was schlimmes gemacht? Irgendwas Peinliches?« »Jede Menge.« Ich stockte. »Was?!«, prustete ich lautstark in mein Handy. »Haha«, lachte er, »nix schlimmes, Con. Beruhig dich. Du bist nach der Flasche Captain ein bisschen mit mir über den Rasen gerollt, dann haben wir unsere T-Shirts vertauscht angezogen und Linda geärgert. Die hat dich dann doch noch geküsst, aber das fanden alle nur lustig, weil du dich danach übergeben hast.« An der Stelle lachte er noch einmal etwas mehr. »Dann haben wir abgebaut und sind gegangen. In der S-Bahn bist du dann voll eingeschlafen. Aber wie ich höre, geht’s dir gut und du hast es nach Hause geschafft.« Ich stutzte, fasste mir an meine Stirn und bemerkte leichte Schrammen an meinen Armen. »... über den Rasen gerollt ...«, wiederholte ich die Stelle. Julian kicherte. »Du bisset, Con. Mit dir trinken macht echt Spaß.« »Ja? Freut mich. An heute Abend würde ich mich aber gerne erinnern.« »Wirst du schon. Wir trainieren dich jetzt.« Ich lächelte müde. »Wenn du daran Spaß hast ...« »Klar! Sag mal weißt du überhaupt wo Susa wohnt?« »Sie hatte mir eine Adresse gegeben. Aber wo genau das ist, weiß ich nicht. Wieso?« »Na ja, ist bei dir da in der Gegend. Obermenzing.« »Echt? Praktisch...« »Ja, find ich auch, deswegen komm ich dich abholen, dann gehen wir zusammen hin. Musst du nicht lange suchen.« »Danke ...«, murmelte ich. »Das ist wirklich sehr nett von dir, Julian.« Er schien zu grinsen. Ich hörte es quasi durch das Telefon. »Frag mal Linda, wie nett ich bin. Die sagt dir aber was anderes.« »Linda hat keine Ahnung. Die war eh komisch.« »Deswegen bin ich ja zwischen euch. Denn du stilles Mäuschen hast keine Verwendung für jemanden wie Linda.« »Ich bin dir immer noch auch sehr dankbar darüber.« »Selbstverständlich. Ich freue mich, dass du mal mehr redest.« Als ich jedoch wieder schwieg, ruderte er sofort zurück. »Du warst am Anfang sehr zurückhaltend. Ich denke, das Eis ist gebrochen, jedenfalls warst du gestern bei guter Laune und hast geredet wie ein Wasserfall.« »Oh man, wie peinlich ...«, murmelte ich in das Mikrofon. »Nicht mal annähernd. Ich weiß jetzt zum Beispiel, dass deine letzte Ex Sandra hieß. Und dass sie eine Schlampe war. Jedenfalls hast du sie so genannt.« »Oh bitte, Julian, vergiss das wieder ...« »Oh bitte, Con, jeder darf mal gehässig sein. Du musst deinem Rückentattoo nicht alle Ehre machen.« Ich lachte vorsichtig. »Na ja, ich denke, ich bin menschlich genug, wenn ich mich nicht an gestern erinnern kann.« »Weiß nicht, ich hab noch nie einen betrunkenen Engel gesehen.« »Haha... War gestern Premiere, hm?« »Wenn du so willst, ja.« Wir schwiegen. Irgendwie wurde das Gespräch etwas unangenehm. »Sag mal, wird das nicht was teuer für dich? So über Handy?« »Nee, ich hab Allnet-Flat. Micky hat zu Hause nur ein Telefon, das meistens die Mutter braucht, deswegen passte das damals ganz gut.« »Ach so.« »Ich will dich aber auch nicht von deinem Schönheitsschlaf abhalten. Du sollst ja heute Abend wieder wunderschön aussehen.« »Wieso weiß ich, dass du mich grade verarschst?« Ich wusste aber auch, dass er es nicht böse meinte. »Im Ernst, jedes Mädchen fand dich gestern unglaublich toll. Helle Haut, strahlende Augen, die roten, langen Haare, schmale Figur. Die dachten alle du wärst aus einem dieser kitschigen Vampir-Romane entsprungen.« »...« »War witzig.« »Na ja...« »Hab denen auch gesagt, dass du nur mein Blut trinkst«, spaßte Julian und lachte erneut auf. »Dann haben sie dich nur von weiter weg angehimmelt.« »Julian … Du Spaßvogel, irgendwann nimmt dich noch einer ernst.« »Ach, die wissen alle, dass ich nur Quatsch mache. Und wenn mich mal einer ernst nimmt … Tja, dann ist es eben so.« Offenherziger Mensch. Die Angst, jemanden zu verärgern oder zu arg auf die Schippe zu nehmen, war bei mir ein ständiger Begleiter. So wie Julian mit Scheuklappen durch die Welt zu gehen konnte ich mir nicht vorstellen. »Gut, ich bin gegen 7 da. Sei fit, Dornröschen.« »Alles klar, mein Prinz. Ich werde fit sein.«   Er legte auf und ich ließ mein Handy auf das Bett fallen. Scherzkeks. Nimmt mich immer auf die Schippe. Auch wenn der gestrige Abend so gar nicht lief, wie ich es wollte, war er eine Erfahrung wert. Vor allen Dingen schien ich in Julian einen richtig dicken Freund gewonnen zu haben. Sowieso waren die alle sehr nett. Mal schauen wie es heute Abend laufen wird, dachte ich bei mir und schlurfte aus meinem Zimmer, um gleich von den Armen meiner Mutter begrüßt zu werden. Sie hatte den Tisch gedeckt und wollte mich grade zum Frühstück wecken kommen. »Papa hat gestern angerufen. War mächtig stolz, dass du schon unterwegs warst«, erzählte sie mir am Tisch. »Und wie geht’s den Katzen?« »Wie immer prächtig.« Wir lachten beide. Unsinniges Getue mit den Tieren. Ich liebte sie sehr, aber irgendwo musste man auch mal einen Schnitt machen. Ich erzählte in abgeschwächter Form vom gestrigen Abend; mit dazu gedichteten Dingen, wie es war. Ich konnte ihr sicherlich nicht die Wahrheit erzählen, die mir Julian am Telefon entgegen gebracht hatte. Aber es freute sie sehr zu hören, dass der Geburtstag heute wieder mit den bekannten Namen stattfand, die ich ihr bereits genannt hatte.   Ich schlief noch etwas bevor Julian mich abholen wollte. Ich habe ja versprochen, fit zu sein. Seltsamerweise träumte ich von ihm. Wie wir auf der Wiese lagen, total betrunken. Er erzählte mir sinnloses Zeug, während ich angestrengt auf seine Lippen achtete. Irgendwann sagte er mir, ich sei wie ein Vampir und er müsse mich vor der Sonne schützen. Dabei versuchte ich ihm zu erklären, dass Sonne okay war. Aber er ließ nicht locker und zog mich lachend unter eine Decke. Es wurde dunkel und ich hörte ihn nur kichern.   Als ich aufwachte, war es bereits 6. Glück gehabt, um halb wäre mein Wecker gegangen. Ich duschte kurz und trocknete meine Haare. Als ich mich anzog, sah ich ihn schon auf der Straße entlang gehen. Erst da wurde mir bewusst, dass er meine Adresse kannte. Woher? Er suchte anscheinend den Eingang von unserer Wohnung. Der befand sich auf der anderen Seite des Wohnkomplexes. Ich packte schnell alles in meine Jeans und Jacke und hechtete aus der Wohnung. Unten kam ich ihm entgegen. »Woher bist du jetzt gekommen?«, fragte er verdutzt und deutete auf den Wohnkomplex. »Aus dem Fenster gesprungen?« »Genau. Der Architekt hat damals vergessen eine Tür einzubauen.« Er sah mich fragend an. »Der Eingang ist hinter dem Haus«, klärte ich ihn auf. »Verstehe«, entgegnete er verständnisvoll und klopfte mir auf die Schulter. »Wir müssen einfach hier runter gehen, dann kommt ihr Haus schon.« Ich nickte und folgte ihm erst schweigend, dann mich zu ihm wendend. »Sag mal ...«, fragte ich verwundert, »woher hast du eigentlich meine Adresse?« »Von da, wo ich auch deine Handynummer her habe.« Er grinste mich an. »Du hast mir gestern willenlos dein Handy überlassen. Da hab ich mir einfach mal genommen, was ich wollte.« »Nett. Danke.« Gar nicht unverschämt, Julian. Gar nicht. »Hey, ich mach damit nichts schlimmes. Du hättest mir beides doch sowieso gegeben, wenn ich gefragt hätte.« »Wenn du gefragt hättest ...« »Stell dich nicht so an!« Er knuffte mich in die Seite und lächelte mich an. Wenn sein Lächeln nicht so aufrichtig und nett wäre, würde ich an die Decke gehen. Aber irgendwie war es okay. Es war Julian. Eine Entschuldigung, die für all seine Aktionen galt. Susa wohnte in einem riesigen Haus. Es hatte einen wundervollen Garten, liebevoll bepflanzt. Von drinnen hörte man schon einige lachen. Julian klingelte und Susa öffnete. »Happy Birthday!«, rief Julian und fiel ihr um den Hals. Sie lachte und bedankte sich. »Alles Gute, Susa«, sagte ich dann auch und drückte sie kurz. Sie lächelte mich niedlich an und bekam gleich von Julian die Flasche Rum in die Hand gedrückt. »Für dich. Die wird leer gemacht«, sagte er in einem bestimmenden Ton und zwinkerte ihr zu. Sie kicherte kurz und deutete auf die Flasche, während sie sich zu mir umdrehte: »Von euch?« Ich nickte kurz. »Danke! Der ist wirklich lecker, da freuen sich die Anderen.« Damit ging sie in das Wohnzimmer. Sehr modern eingerichtet, teuer und edel. Das Wohnzimmer war fast so groß wie unsere komplette Wohnung. Ein paar Gäste waren schon da, unterhielten sich und lachten. Der Alkohol gab einen wahnsinnig penetranten Geruch ab, der durch das komplette Zimmer ging. Es lief nette Musik und ein paar schwenkten zu ihr. Julian winkte mich zu ihm. »Mike hat schon erzählt, dass Susa sich besonders auf dich gefreut hat«, flüsterte er und zwinkerte mir zu. »Aha?« Wieso war ich auf einmal so beliebt? In meiner alten Heimat war das nicht mal annähernd so. »Magst du Susa nicht so?« »Doch, doch! Sie ist unglaublich nett, aber ...« »Nicht dein Typ?«, hakte Julian sofort nach ohne mich ausreden zu lassen und kippte sich 2cl Wodka in die Kehle. »Dachte ich mir schon, immerhin ist sie rothaarig. Wie du. Passt selten.« »Mein rot ist gefärbt.« »Echt? Sieht man nicht! Sieht sehr natürlich aus«, fügte sich Mike in das Gespräch ein. Man hörte Micky nach Julian rufen. Der freute sich und lief auf sie zu. Freudestrahlend küssten sie sich. »Die beiden sind echt ätzend manchmal«, murmelte Mike. Er deutete auf die zwei Turteltäubchen. »Entweder sind sie unzertrennlich oder Micky rastet wegen Julians Eskapaden aus. Dann ist aber die Hölle hier am brodeln, ich sag's dir.« Ich grinste, zuckte kurz mit den Schultern. »Julian kann aber auch sehr direkt sein.« »Wenn dich das stört, sag's ihm einfach. Dann hört er zwar nicht auf, aber verringert es etwas.« »Ich merk's mir. Noch geht’s.« »Geh doch mal zu Susa, sie wird sich freuen«, riet mir Mike und sah zu ihr rüber. In der Tat sah sie an dem Abend sehr hübsch aus. Ein rotes Oberteil mit Rüschen. Dazu passend ein schwarzer Rock mit Rüschen. Es sah süß aus. Passte zu ihr. Ich näherte mich also beiläufig und fixierte sie mit meinem Blick. Sie bemerkte mich gleich und kam auf mich zu. »Na, gefällt's dir hier?« »Allerdings, es ist sehr schön eingerichtet«, gab ich zu und deutete auf die Möbel. »Und die Party?«, lachte sie und strich sich eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. »Oh, Sorry, ja, die ist natürlich auch klasse.« Seufz, Constantin, natürlich will sie nicht hören, dass ihre Möbel toll sind. Sie lachte. »Du bist süß, Con. Etwas schüchtern, aber süß.« Ich nickte nur verlegen und kratzte mich am Arm. Wie macht man einem so netten Mädchen klar, dass sie nett ist, aber es mehr nicht wird? Ohne sie zu verlieren? Gleich zu Beginn?   Aber Susa schien nicht annähernd so zu sein wie Linda. Die im Übrigen zum Glück nicht da war. Wie ich im nachhinein im Gespräch mit Susa erfuhr, war sie grundsätzlich nicht so bei den Leuten beliebt. Sie stellte mir hier und dort ein paar Leute vor, deren Namen ich sofort wieder vergessen hatte. Dann ging sie kurz in die Küche und bereitete mit Micky die Snacks vor. Julian unterhielt sich mit Andreas. Lucy saß alleine auf dem Sofa und starrte in ihr Glas. Leise Seufzte ich. Sollte ich das wirklich tun? Sie war gruselig... Aber sie sah verloren aus. Also ging ich zu ihr. »Darf ich mich neben dich setzen?«, fragte ich sie höflich und deutete auf den freien Platz neben ihr. »Aber natürlich«, antwortete sie sehr ruhig und rückte etwas. »Wie geht’s dir denn?«, fragte ich vorsichtig, als ich den Platz einnahm. Smalltalk war nicht meine Stärke, aber mir fiel nichts besseres ein. »Sehr gut. Ich freue mich für Susanne, dass ihr Geburtstag gut läuft.« Sicherlich keine Standardantwort. »Ja, das ist wirklich toll.« »Sie ist in dich verknallt.« Ich stutzte. »Oh, äh ...« Hatte denn hier niemand Taktgefühl? »Das hat sie zwar noch nicht gesagt, aber es ist in ihren Augen zu lesen.« Dabei strich sie über ihre glatten schwarzen Haare und blickte in meine Augen. »Du hast aber kein Interesse an ihr, stimmt's?« »Na ja, also ... Jetzt mal ernsthaft ...«, stutzte ich, »... was bezweckst du damit? Ich mein, versuchst du deine Hellseherfähigkeiten an mir auszuprobieren?« »Ich kann Menschen gut lesen. Wie Bücher.« Ich nickte vorsichtig. Wie Bücher? Also wäre ich ein Drama und Julian eine Komödie? Oder wie darf ich das verstehen? »Mach dir nichts draus. Susanne kann damit umgehen, wenn du ihr früh genug zeigst, dass das nichts wird.« Ich seufzte leise und sah weg. »Wenn du das sagst ...« »Das, was dir an Zuneigung zu Susanne fehlt, baust du jedenfalls in die Beziehung zwischen dir und Julian.« Ich hielt inne. Dann versuchte ich die richtigen Worte zu finden, um nicht zu harsch zu klingen. »Also bei aller Liebe, Lucy, ich denke nicht, dass ich -« »Ich bin mir sicher, dass das noch kommen wird.« Ich schwieg. Ich brachte kein Wort heraus. Nach kurzem Schweigen und ihrem undurchdringlichen Blick, der auf mir lag, holte ich tief Luft. Na gut, dann gehe ich eben auf dein dummes Thema ein, dachte ich. »Du siehst in meinen Augen, dass ich Julian anhimmle? Verstehe ich das richtig?« »Jedenfalls sehe ich keine Abneigung.« »Ja, aber die wäre doch auch unbegründet ...« »Jeder Mensch hat gegen einen anderen Menschen eine minimale Abneigungen. Das ist natürlich. Ein Sonderfall ist es, wenn man keine hat.« »Trotzdem bedeutet das doch nicht gleich 'Liebe'. Zudem gibt es einige Dinge an Julian, die ich nicht so toll finde ...« Wäre zum Beispiel diese sehr ausgewählte Direktheit. »Ich spreche auch nicht von Liebe. Zuneigung.« Da schwieg ich wieder. Innerlich verdrehte ich die Augen. »Ich soll also eine Zuneigung gegenüber Julian haben, die ja auch eigentlich normal ist, aber mehr nicht... Ja? « »Wahre Liebe liest man nicht in den Augen. Man liest sie im Herzen. Und da kannst nur du hineinschauen. An dieser Stelle kann ich nur Mutmaßen.« Sie sah mich durchdringend an und fing an zu grinsen. Was zum Geier erzählt sie da? Wahre Liebe? Okay, ganz ruhig, Lucy, das ist ja nicht übertrieben, oder so. Doch sie legt den Kopf nur schief und sah zur Seite. »Ist nicht schlimm, dass du mich gruselig findest. Selbst Andreas weiß manchmal nicht, was er sagen soll.« »Tut mir wirklich Leid«, murmelte ich und sah zu Boden. Gruselig war gar kein Ausdruck. »Wie gesagt. Macht nichts.« »Eine Frage hab ich aber noch«, entgegnete ich ihr. Sie sah mich aufmerksam an. »Bei Beginn unseres Treffens hast du mir gesagt, dass ich noch Ärger in der Studienzeit haben werde-« »Leiden. Nicht Ärger. Leiden wirst du.« Ich stutzte. Danke für die Korrektur. »Äh, ja. Leiden. Hat das mit Julian zu tun? So direkt?« »Sehr wahrscheinlich, ja. Denn Julian hat, wie du weißt eine Freundin. Wenn du dich weiterhin so auf ihn einlässt, wird das dein Verhängnis.« »Oh Gott, werde ich sterben?!« Ganz aufgeregt kniff ich meine Hände zusammen. »Nein. Nur Leiden.« Sie lächelte mich an. Sag es noch ein paar Mal, dann glaube ich es sogar, dachte ich zynisch und verdrehte die Augen. »Lucy, das ist irgendwie ...-«   »Oh, Constantin!«, rief Julian zu mir rüber. Ich sah ihn an und erblickte sofort eine große Flasche in seiner Hand. Er winkte mich rüber. »Das solltest du besser sein lassen«, schaltete sich Lucy hinzu. Ich sah zu ihr. »Und wenn nicht?« »Willst du wirklich herausfinden, wie weit du bei Julian gehen kannst?« Ich zuckte mit den Schultern und stand auf. »Eigentlich nicht, aber ich will auch nicht weiter in meine leidende Zukunft blicken.« Mit den Worten ging ich zu Julian und Mike. Das war zwar etwas gemein, aber so was hatte Lucy sicherlich nicht zum erste Mal gehört. Wieso grinste sie mich auch bei dem Satz, ich werde leiden, so blöd an? »Na, hat sie dir was Tolles prophezeit?«, fragte Mike und deutete auf Lucy, die jetzt wieder alleine auf dem Sofa saß und in ihr Glas starrte. »Sie hat mir eine böse Zukunft mit dir vorausgesagt, Julian.« »Mit mir?«, rief Julian empört. »Mit mir wirst du eine wundervolle Zukunft haben!« Dabei legte er einen Arm um meine Hüfte und drückte mich an sich. Er schien schon wieder gut gebechert zu haben. »Glaube ich dir sofort. Du hast dich in mein Handy mit 'Hase' eingespeichert.« Mike prustete los. »Du hast was?« Julian grinste Mike an und deutete auf mich. Der Druck um meine Hüfte wurde etwas stärker. »Con und ich führen eine Affäre. Also kein Wort zu Micky!« Er lachte auf und, als ich mich von ihm lösen wollte, kitzelte er mich, sodass ich ebenfalls anfing zu lachen. Oh, Julian, du  bist schon wieder betrunken. Guter Anfang für eine Freundschaft!   Der Abend blieb recht amüsant. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen so schnell so tolle Leute gefunden zu haben. Wir aßen eine Kleinigkeit, die man uns brachte. Susa schmiss ein paar Runden, die Stimmung hob sich schlagartig und alle fingen an zu tanzen. Susa tanzte mich auch einmal an. Nichts ahnend, tanzte ich erst einmal mit, bis sie meine Hände um ihre Hüfte legte. Das war dann doch zu viel. Ich lockerte meinen Griff sofort, nahm die Hände entschuldigend von ihr. Sie schien zu verstehen. Sanft lächelte sie mich an und gab mir einen Kuss auf die Wange. Mit einem Zwinkern tanzte sie weiter und vergnügte sich mit ihren Mädchen. Ich atmete erleichtert aus. Gott sei Dank.   Lucy und Andreas unterhielten sich im Verlaufe des Abends angeregt. Hoffentlich kein Streit, dachte ich. Auf der anderen Seite des Raumes knutschten Julian und Micky auf einem Teppich rum. Mike versuchte ein Mädchen am Tisch anzuflirten, doch die kicherte nur und wechselte rege Blicke mit ihrer Freundin gegenüber. Typischer Geburtstag. Alle haben Spaß und meine Laune sank trotz Alkohol schlagartig. Einige Leute gingen nach draußen, um zu Rauchen. Ich folgte einfach mal, obwohl ich keine Zigaretten dabei hatte. Irgendwann fing es an etwas seltsam zu riechen und ich entdeckte zwei Männer an der Hauswand einen Joint rauchen. Na ja, gutheißen tat ich das nicht, war aber keineswegs ein Moralprediger, der ihnen das Ding aus dem Mund zog und einen Vortrag hielt. Schon gar nicht, wenn die Typen aussahen wie Andreas. Groß, muskulös und gefährlich. Ich setzte mich unauffällig auf eine Bank, die im Garten stand und genoss die frische Luft. 'Frische Luft' war zwar etwas übertrieben, da Raucher und Kiffer in nächster Nähe standen, doch war sie besser als im Wohnzimmer. Nach einigen Minuten, in denen ich in den dunklen Himmel starrte, setzte sich jemand neben mich.   Julian zündete sich eine Zigarette an. »Du auch?«, bat er mir eine von sich an. Ich schüttelte den Kopf. Er grinste nur. »Nichtraucher?« »Gelegenheitsraucher. Aber wirklich nur gelegentlich.« »Jetzt wäre eine Gelegenheit.« Wieder einmal zögerte ich. Sollte ich mich wieder verleiten lassen? »Du bist ein schlechter Umgang, Julian«, warf ich ihm entgegen und nahm die Zigarette an. Er reichte mir Feuer. »Ich weiß. Denk dran, du wirst mit mir leiden.« Er kicherte etwas und rauchte genüsslich seine Zigarette. »Nein«, entgegnete ich, zog an meiner Zigarette und rauchte aus, »ich werde leiden, weil ich mit dir zu tun habe.« »Meinste ich werde nicht leiden?« »Glaub nicht. Jedenfalls war das nicht in der Prophezeiung drin.« »Hm.« Er zog abermals an der Zigarette und lehnte sich zurück, den Arm über die Lehne gelegt. Entspannt blickten wir in den Himmel. »Du und Micky seid richtig niedlich«, warf ich in die Stille. »Weil wir knutschend auf dem Boden lagen?«, entgegnete er mir sarkastisch. Ich musste wegen dem Rauch in meiner Lunge kurz husten. »Na ja, eher grundsätzlich.« »Sag das in einem Monat noch mal. Dann glaub ich dir.« Ich lachte. »So schlimm?« »Geht so«, sagte er mit einem gewissen Unterton, »wir haben unsere Phasen. In letzter Zeit ist es wieder etwas anstrengend. Wegen Uni und dem ganzen Mist hatten wir weniger Zeit füreinander und sie stirbt immer sieben Tode, wenn wir uns mal drei Tage nicht gesehen habe.« »Klingt... Nervig.« Er sah mich verwundert an. »Also, nein ...«, stotterte ich. Das war wohl etwas zu direkt. »Nein, nein. Du bist nur der Erste, der mir das so offen sagt.« Ich stutzte und beließ meine große Entschuldigung erst mal in meinem Mund. »Die meisten«, fing er an, »sagen immer: so was gehört zu 'ner Beziehung. So was gehört dazu. Sie liebt dich nun mal unglaublich und will dich dementsprechend oft sehen. Wenn du das nicht willst, fühlst du nicht dasselbe oder solltest dich mal fragen, ob es denn noch Sinn macht. So was eben.« Ich schob die Augenbrauen zusammen und sah ihn skeptisch an. »Sehe ich anders.« Er grinste mich an. »Danke. Deswegen glaube ich werden wir cool bleiben.« »'Cool bleiben'? Wo hast du das denn ausgepackt?«, lachte ich, während ich immer mal an meiner Zigarette zog. Er lachte ebenfalls und zuckte unschuldig mit den Schultern. »Was soll ich sonst sagen?« »Dass wir uns trotzdem gut verstehen oder so. Aber 'cool bleiben' klingt auch nicht schlecht.«   Es war unbeschreiblich angenehm mit ihm draußen bei der noch warmen Luft zu sitzen, eine zu rauchen und in die Sterne zu schauen. Vielleicht war es auch das Passivrauchen vom Joint nebenan. Aber wen interessierte das, würde Julian sagen. Einfach locker. Wir lachten viel. Redeten ein bisschen über Micky. Dann über Mike, dass der Arme nie eine abbekommt. Lucy und Andreas, deren Sex sicherlich witzig sein muss, wenn sie in seinen Augen lesen kann, wann er kommt. Und so weiter.   Irgendwann gingen wir wieder rein. Aber die Stimmung war nicht mehr gut. Viele lagen schon in der Ecke, waren am schlafen. Der andere Rest hockte wahrscheinlich auf dem Klo und kotzte sich die Seele aus dem Leib. Micky war ebenfalls sehr gut angetrunken und ließ sich nahe der Bewusstlosigkeit in Julians Arme fallen. »Wir gehen lieber«, deutete Julian an. Ich nickte, verabschiedete eine betrunkene Susa und ging mit den beiden raus. Auf dem Weg nach Hause ging Julian mit Micky huckepack neben mir her. »Schläft sie?«, fragte er mich. Ich strich kurz ihr Pony zur Seite, um ihr Gesicht sehen zu können und nickte. »Wie ein Stein.« Er grinste. »Dann wird sie wohl gleich schnarchen.« Wir lachten beide, extra leise, damit sie nicht wach wurde. Als wir an meiner Wohnung ankamen, blieben wir kurz stehen. »Danke noch für's nach Hause bringen. Geht das denn noch mit Micky?« »Ja, sicher. Ist ja nicht mehr weit.« »Wo wohnst du denn eigentlich?« »Mit der S-Bahn eine Station. Gleich die Straße dann runter und eine links. Quasi 20 Minuten von hier zu Fuß im schnellen Schritt.« »Das ist relativ nah«, gestand ich. »Komm doch mal rum, wenn du Lust hast. Ich hab 'nen riesigen Fernseher. Kann man gut Playstation drauf zocken.« Ich lachte. »Gerne!« Damit verabschiedeten wir uns und er ging mit Micky weiter. Ich fiel einfach nur ins Bett und schlief.   Er stand da und betrachtete mich. Sagte mir, ich solle mal ernsthaft mit ihm sprechen. Ich verstand ihn ehrlich gesagt nicht. Einfach so war er sauer auf mich? Er kam auf mich zu, wir standen im Garten von Susa. Jedenfalls war da die Bank. Er zog mich zu sich und drückte mich auf sie nieder. Ich solle ihm endlich sagen, was er für mich wäre. Hä? Ich verstand kein Wort von dem er sprach. Er wäre mein Freund. Mein Freund. Nicht? Und Micky?, fragte er traurig. Wieso war Micky ein Problem? Micky sah man im Haus. Tanzen. Nichts ahnend. Julian beugte sich zu mir runter und -   »Guten Morgen, Schatzi. Steh auf, es ist schon fast halb 1«, weckte mich meine Mutter und öffnete ein Fenster in meinem Zimmer. Brummend verkroch ich mich unter der Bettdecke. »Komm schon. Es ist so schönes Wetter heute. Morgen soll's schon wieder kalt werden.« »Na und ...«, murmelte ich in mein Kissen.   Ein Sonntag wie jeder andere. Aber ein erfreulicher. So viele Leute wollten auf einmal bei Facebook mit mir befreundet sein. Seltsam, dabei kannte ich viele gar nicht. Waren aber mit Julian befreundet, oder mit Mike. Oder mit Micky. Susa und Lucy und Andreas hatten mich auch schon geaddet. Und obwohl ich nicht einer von denen war, die unbedingt 500 Facebook-Freunde brauchten, so freut ich mich so über jeden Einzelnen. Am Nachmittag rief ich Feli an. Sie litt ein wenig unter ihrer letzten Beziehung. »Ich denk, ihr wart letzte Woche noch zusammen?«, hakte ich nach, sichtlich verwundert über den raschen Wechsel. »Nee. Der war so ein Arschloch, hat mit einer anderen geflirtet und nervt mich jetzt damit, wie leid es ihm tut. Kann ich drauf verzichten. Ständig dieses Gemecker und Geheule.« »Ach so ...« Und da fing sie wieder an zu erzählen. Nach einer guten Stunden hatte ich kurz die Gelegenheit von meinem Wochenende zu erzählen. Es war … schön. Nichts besonderes, aber lustig. Der Abend davor war definitiv besser, aber als ich davon anfing, musste sie Schluss machen, da es Essen gab.   Am Abend schrieb mir Julian eine SMS. »Na, hast du deinen Rausch ausgeschlafen? Micky hatte furchtbare Kopfschmerzen und hat die an mir ausgelassen. Hast du noch Lust vorbeizukommen, oder eher nicht? -Hase«   Sehr witzig, Julian. Ja, er war noch immer 'Hase' in meinem Handy. Sollte ich mal ändern. Schrieb ihm zurück, dass ich noch kommen würde. Warum nicht? Vorlesungsbeginn war zwar morgen um 8 Uhr, aber bis 21 Uhr dürfte drin sein. Außerdem war ich neugierig, wie Julian so wohnte.   Nach einigem Suchen fand ich dann am Abend sein Haus. Ein normales Reihenhaus. So wie wir eins in Frankfurt hatten. Mit einem kleinen Vorgarten. Ich klingelte und ein Mädchen öffnete. »Ja?«, fragte sie fordernd, fast sogar ein bisschen unfreundlich. »Hi, ist Julian da?«, fragte ich wiederum extrem freundlich. Da kam eine Frau ebenfalls zur Tür. »Ach, hallo, du musst Constantin sein. Julian ist in seinem Zimmer, komm doch rein.« Die lächelte mich freundlich an und öffnete mir ein Stück weiter die Tür. Sie hatte kurze blonde Haare mit Strähnchen. Vielleicht Ende 40. Aber noch recht schlank. Sehr nett sah sie aus, hatte ein Tuch zum Abtrocknen in der Hand. Ich betrat das Haus und mir strömte sofort der Geruch entgegen, den Julian immer an sich hatte. Kaum zu beschreiben, was es war. Weder unangenehm noch verlockend. Er war einfach typisch. Sie hatten keine Tiere, das wusste ich. Und rauchen tat auch niemand im Haus. Das Mädchen war vielleicht grade mal 14. Aber süß, mit ihren langen braunen Haaren hatte sie auch eine gewisse Ähnlichkeit mit Julian. Sie war sicherlich seine Schwester Jenny und als die Mutter sie bat, ihr weiter beim Abtrocknen zu helfen, erfuhr ich, dass es sich tatsächlich um Jenny handelte. Ich zog mir die Schuhe aus, stellte sie zu den anderen und ging die Treppe hinauf. Das Haus hatte eine Galerie mit dunklem Geländer. Es sah sehr edel aus. Rustikal war wohl das richtige Wort. Oben angekommen stand ich im Flur, wusste aber nicht, welches Zimmer seins war. Doch sobald ich an der zweiten Tür vorbeiging, hörte ich laute Musik mit vielen Gitarrenriffs. Ich klopfte kurz und hörte jemanden zur Tür kommen. »Constantin! Hey, super, dass du gekommen bist«, begrüßte er mich freudestrahlend und öffnete die Tür ein weites Stück, sodass ich eintreten durfte. Ich grinste zurück. »Immerhin hast du mich eingeladen.« Uff, Constantin, was eine doofe Antwort ... Ich betrat sein Zimmer und schloss die Tür. »Die Kleine... ist sie deine Schwester?« »Ja«, grummelte er, während er sich auf sein Bett setzte, welches links an der Wand stand. »Jenny, 11 Jahre alt und total nervig.« »Bin ich froh, Einzelkind zu sein«, kicherte ich leise und setzte mich zu ihm aufs Bett. Julian hatte in der Tat einen riesigen LCD Fernseher, welcher direkt gegenüber vom Bett stand. Dieses, ebenfalls riesig, stand direkt an der Wand. Auf der anderen Seite des Zimmers ein Schreibtisch mit zwei Bildschirmen und jeder Menge Papierkram. »Hast du dich schon für Zusatzkurse entschieden?«, fragte ich aus heiterem Himmel, wo ich die Papiere sah. »Hm? Noch nicht. Micky will unbedingt, dass ich Philosophie nehme, weil der Kurs von mehreren besucht werden kann. Also wären wir in einem.« »Klingt doch nett.« »Alter, Philo ist jetzt echt nicht mein Ding. Ich lebe und sterbe. Fertig, da muss ich mich nicht mit Dingen rumschlagen, die man eventuell, rein hypothetisch, von ganz weit weg betrachtet sich denken könnte.« Julian, das macht dich nicht grade intellektuell. »Aber Micky würde sich freuen.« »Deswegen werde ich mich da wohl auch einschreiben ...« Begeisterung sah definitiv anders aus. »Ich wünsch dir trotzdem viel Spaß. Philosophie ist toll, ich hatte es einige Jahre in meiner Schule.« »Im Ernst? Uff, wieso nimmst du es dann nicht auch?« »Ich will euch Turteltäubchen doch nicht stören.« »...« Der Blick, den er mir schenkte, war eindeutig unbeeindruckt und gab mir zu verstehen, dass ich mich gefälligst einschreibe, sodass er jemanden hatte, mit dem er die langweilige Philosophiestunde totschlagen könnte. Ich zuckte die Schultern und nickte. Damit war alles in Ordnung.   Julian packte danach sein neustes Playstationspiel aus und zockte es mit mir. Ballerspiel. Aber es machte Spaß. Wir lachten viel, obwohl wir uns gegenseitig im Spiel erschießen mussten. Schließlich erwischte er mich nach geschlagenen drei Stunden Spielzeit. »Sag mal, wie spät ist es eigentlich schon?«, fragte ich mehr hypothetisch, da ich bereits auf meine Armbanduhr sah. »Keine Ahnung, so neun Uhr?«, antwortete Julian unwissend. »Schon halb zehn sogar.« »Ach, geht doch noch.« Ich hob eine Augenbraue. »Also ich muss morgen um 8 Uhr wieder in der Uni sein, wie sieht's bei dir aus?«, fragte ich sarkastisch. »Jetzt wo du's sagst: Wir studieren dasselbe Fach, also müsste es bei mir auch so sein ...« »Dann solltest du eigentlich auch nicht zu spät ins Bett gehen.« »Danke, Mama, aber ich brauche nicht so viel Schönheitsschlaf wie du. Bei mir ist das in den Genen.« Er kicherte und legte den Playstation-Controller weg. »Sehr witzig«, motzte ich und warf ihm den anderen Controller in den Schoß. Er grinste mich an und stand auf, um das Spiel aus der Konsole zu nehmen. »Du kannst gehen, wann du möchtest, ich halte dich nicht auf.« Er legte die CD ordentlich in die Hülle und stellte diese zurück in das Regal neben seinem Schreibtisch. Dann stützte er seine Arme in die Hüfte und stellte sich vor mich. Im saloppen Ton neckte er mich: »Also, Püppchen? Bleibst du noch was hier?« Ich schwieg und sah ihn genervt an. »Bitte lass das mit den Kosenamen, okay?« Er winkte sofort ab und schmiss sich neben mich aufs Bett. Mit verschränkten Armen lag er neben mir. »Schon klar, auch so gereizt, wenn es um ein bisschen Spaß geht.« »Spaß hört dann auf, wenn der andere nicht darüber lachen kann.« Er richtete den Kopf auf. »Woher hast du den Spruch denn? Aus deinem tollen Philosophiekurs?« Ich lächelte nur müde. »Nein.« Dann schwiegen wir uns an. Im Hintergrund lief irgendein Spielfilm im öffentlichen Fernsehen, das wohl automatisch umschaltete, wenn die Playstation ausgeschaltet wurde. Julian seufzte kurz und ließ seinen Kopf wieder auf das Bett fallen. Er schloss die Augen. Atmete ruhig. Einzelne Haarsträhnen bewegten sich ein bisschen. Sein Brustkorb bewegte sich unter dem dunkelblauen T-Shirt rauf und runter. Er war doch jetzt nicht böse? Weil ich böse wurde? »Also … ich will keinen Streit, Julian, ich finde nur, dass deine Namen für mich oft ein wenig -« »Constantin!«, fiel er mir ermahnend ins Wort und schlug seine Augen auf, »Ich bin dir doch jetzt nicht böse, weil du mir gesagt hast, wo deine Grenze ist! Alles ist gut. Wenn ich schweige, ist das zwar selten, aber auch möglich.« Da zwinkerte er mir wieder in seiner bekannten Leichtigkeit zu. Ich lächelte zögernd. Dann knuffte er mich in die Seite. »Wirklich. Alles bestens. Ich bin nur auch was müde vom Wochenende.« »Dann gehe ich lieber.« »Ich will dich nicht rausschmeißen.« »Darfst du ruhig«, grinste ich ihm entgegen und klopfte ihm auf die Schulter. Daraufhin erhob ich mich.   Er begleitete mich noch zur Tür und wir verabschiedeten uns. Kein Abschied für allzu lange, immerhin stand uns eine neue Woche bevor. Zu Hause angekommen fiel ich einfach nur noch ins Bett und schlief ein. Einige Gedanken zur Uni kamen noch, aber dann war ich weg und dachte nur noch …   Julian lag neben mir. Wälzte sich hin und her. Es war irgendwie dunkel. Müde fühlte ich mich. Wie ein Stein. Sitzend. Schließlich lag Julian auf dem Rücken und schlief. Ganz fest, ich hörte seinen Atem. Ich fühlte mich so schwer und legte meinen Kopf auf seinen Brustkorb. Ganz langsam erhob sich alles, bis es sich langsam wieder senkte. Immer so weiter. Sein Herz klopfte. Oder war es meins? Warm war es. Beruhigend. Ganz angenehm. Da strich seine Hand über meinen Rücken und ich bekam Gänsehaut. Wieso hatten wir nichts an? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)